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SCHWERPUNKT KREATIVE ZERSTÖRUNG 4.0: Deutschland im digitalen Wandel 287 Bedingt abwehrbereit: Deutschland im digitalen Wandel Steffen Elstner/Lars P. Feld/Christoph M. Schmidt Dr. Steffen Elstner ist Mitglied im wissenschaftlichen Stab des Sachver- ständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwick- lung. Prof. Dr. Lars P. Feld ist Professor für Wirtschaftspolitik und Ordnungs- ökonomik an der Universität Freiburg, Direktor des Walter Eucken Ins- tituts, Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der ge- samtwirtschaftlichen Entwicklung, Mitglied des Wissenschaftlichen Bei- rats beim BMF, Mitglied des Unabhängigen Beirats des Stabilitätsrats und Sprecher des Kronberger Kreises. Christoph M. Schmidt ist Präsident des Rheinisch-Westfälischen Insti- tuts für Wirtschaftsforschung (RWI), Professor für Wirtschaftspolitik und angewandte Ökonometrie an der Ruhr-Universität Bochum und Vorsit- zender des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirt- schaftlichen Entwicklung. SCHWERPUNKT KREATIVE ZERSTÖRUNG 4.0: Deutschland im digitalen Wandel Bedingt abwehrbereit: Deutschland im digitalen Wandel Die Weltwirtschaft befindet sich inmitten eines umfassenden Um- bruchs, getragen vom hohen disruptiven Potenzial der Digitalisierung. In Deutschland wird vor allem die Digitalisierung des Verarbeitenden Gewerbes („Industrie 4.0“) als möglicher Auslöser einer neuen indust- riellen Revolution gesehen. Hingegen hat der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung wiederholt ge- mahnt, dass vor dem Erfolg die Anstrengung stehen muss. Deutsche Unternehmen weisen im internationalen Vergleich bislang Defizite bei der Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) auf. Zudem haben junge Unternehmen in Deutschland gerade in der Wachstumsphase große Finanzierungsprobleme. Schließlich ist der deutsche Arbeitsmarkt nur bedingt auf den jetzt anstehenden Struktur- wandel vorbereitet. An diesen Stellschrauben muss die Wirtschaftspo- litik nun mit allen Kräften arbeiten, um die Attraktivität des Wirtschafts- und Investitionsstandorts zu stärken. 1. Digitalisierung: große Hoffnungen, große Herausforderungen Die Weltwirtschaft befindet sich inmitten eines umfassenden Umbruchs. Getragen wird dieser Wandel vom unerschöpflich scheinenden Potenzial der Di- gitalisierung. Es steht zu erwarten, dass diese in den kommenden Jahren enorme Kräfte der schöpferischen Zerstörung in Gang setzen wird, die etablierte Unter-

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SCHWERPUNKT KREATIVE ZERSTÖRUNG 4.0: Deutschland im digitalen Wandel

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Bedingt abwehrbereit: Deutschland im digitalen Wandel

Steffen Elstner/Lars P. Feld/Christoph M. Schmidt

Dr. Steffen Elstner ist Mitglied im wissenschaftlichen Stab des Sachver-ständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwick-lung. Prof. Dr. Lars P. Feld ist Professor für Wirtschaftspolitik und Ordnungs-ökonomik an der Universität Freiburg, Direktor des Walter Eucken Ins-tituts, Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der ge-samtwirtschaftlichen Entwicklung, Mitglied des Wissenschaftlichen Bei-rats beim BMF, Mitglied des Unabhängigen Beirats des Stabilitätsratsund Sprecher des Kronberger Kreises. Christoph M. Schmidt ist Präsident des Rheinisch-Westfälischen Insti-tuts für Wirtschaftsforschung (RWI), Professor für Wirtschaftspolitik undangewandte Ökonometrie an der Ruhr-Universität Bochum und Vorsit-zender des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirt-schaftlichen Entwicklung.

SCHWERPUNKT KREATIVE ZERSTÖRUNG 4.0: Deutschland im digitalen WandelBedingt abwehrbereit: Deutschland im digitalen Wandel

Die Weltwirtschaft befindet sich inmitten eines umfassenden Um-bruchs, getragen vom hohen disruptiven Potenzial der Digitalisierung.In Deutschland wird vor allem die Digitalisierung des VerarbeitendenGewerbes („Industrie 4.0“) als möglicher Auslöser einer neuen indust-riellen Revolution gesehen. Hingegen hat der Sachverständigenrat zurBegutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung wiederholt ge-mahnt, dass vor dem Erfolg die Anstrengung stehen muss. DeutscheUnternehmen weisen im internationalen Vergleich bislang Defizite beider Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT)auf. Zudem haben junge Unternehmen in Deutschland gerade in derWachstumsphase große Finanzierungsprobleme. Schließlich ist derdeutsche Arbeitsmarkt nur bedingt auf den jetzt anstehenden Struktur-wandel vorbereitet. An diesen Stellschrauben muss die Wirtschaftspo-litik nun mit allen Kräften arbeiten, um die Attraktivität des Wirtschafts-und Investitionsstandorts zu stärken.

1. Digitalisierung: große Hoffnungen, große Herausforderungen

Die Weltwirtschaft befindet sich inmitten eines umfassenden Umbruchs.Getragen wird dieser Wandel vom unerschöpflich scheinenden Potenzial der Di-gitalisierung. Es steht zu erwarten, dass diese in den kommenden Jahren enormeKräfte der schöpferischen Zerstörung in Gang setzen wird, die etablierte Unter-

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nehmen und ihre Geschäftsmodelle herausfordern werden. In der Folge stehendie bisherigen Erfolgsmodelle ganzer Volkswirtschaften auf dem Prüfstand.

Gerade in dieser schöpferischen Kraft des Wandels machen viele Beobach-ter ein hohes Potenzial zur Steigerung der globalen Prosperität aus (Manyikaet al, 2016). So verspricht insbesondere der zeitlich unmittelbare und von geo-graphischen Distanzen befreite Austausch von Ideen, Erfahrungen und Lösungs-ansätzen, dass die Wettbewerbsvorsprünge etablierter Anbieter von Gütern undDienstleistungen immer rascher abschmelzen. Dadurch werden die Unterneh-men noch stärker gezwungen, nach Effizienzpotenzialen zu suchen und völligneue Wirtschaftsaktivitäten zu entwickeln, um ihre Leistungsfähigkeit zu stei-gern.

Im Zuge dieser Entwicklung dürfte der einzelne Mensch immer weiter inden Mittelpunkt des Geschehens rücken, als informierter und mobiler Nachfra-ger und als Unternehmer in eigener Sache auf dem Arbeitsmarkt. Neue Unter-nehmen können aus allen Teilen der Welt am globalen Wettbewerb teilnehmen;es kann sich dabei durchaus um kleine und mittlere Unternehmen (KMU) han-deln. Dadurch könnten sich die Orte der Wertschöpfung verlagern und mit ihnendie Rolle, die Regionen und Volkswirtschaften im weltwirtschaftlichen Gesche-hen für sich reklamieren können.

1.1 Eine mögliche industrielle Revolution

Von besonderer Bedeutung für diesen Wandel wird die umfassende Ver-änderung der industriellen Produktion sein. So wird der Digitalisierung des Ver-arbeitenden Gewerbes (verbunden mit dem Begriff „Industrie 4.0“) bereits viel-fach das Potenzial attestiert, eine neue industrielle Revolution auslösen zukönnen (Kagermann et al, 2011; Scheer, 2013; Spath, 2013). Dabei werden dreiEntwicklungsphasen in der jüngeren Wirtschaftsgeschichte bislang als industri-elle Revolutionen eingeordnet:

● Erste industrielle Revolution. Ende des 18. Jahrhunderts werden mit Hilfeder Dampfmaschine mechanische Produktionsanlagen eingeführt.

● Zweite industrielle Revolution. An der Wende zum 20. Jahrhundert wirdmit Hilfe elektrischer Energie die arbeitsteilige Massenproduktion etab-liert.

● Dritte industrielle Revolution. Seit Mitte der 1970er-Jahre werden Produk-tionsprozesse durch den Einsatz von Elektronik und IT weiter automati-siert.

Der Begriff „Industrie 4.0“ beschreibt die vollumfängliche Digitalisierungund Vernetzung der Wertschöpfungsketten im Verarbeitenden Gewerbe mit In-formations- und Kommunikationstechnologien (IKT): Softwareintensive einge-bettete Systeme („cyber-physical systems“) und ein „Internet der Dinge undDienste“ ermöglichen intelligente Überwachungsmechanismen sowie in Echtzeitund autonom ablaufende Entscheidungsprozesse in komplexen Wertschöp-fungsnetzwerken.

In die Digitalisierung der deutschen Wirtschaft werden große Hoffnungenhinsichtlich zukünftiger Wachstums- und Produktivitätssteigerungen gesetzt.

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Sie beruhen nicht zuletzt auf den Erfolgen der deutschen Industrie in der jün-geren Vergangenheit, ihrem anhaltend hohen Anteil an Wertschöpfung und Be-schäftigung, der hohen Reputation der deutschen Ingenieurskunst und der Of-fenheit der deutschen Wirtschaft gegenüber dem internationalen Austausch.Diese Erwartungen in den digitalen Wandel als Motor für Innovationen werdenvon der deutschen Bundesregierung, insbesondere vom Bundesminister fürWirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel, geteilt.

1.2 Bislang recht verhaltenes Produktivitätswachstum

Hingegen hat der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirt-schaftlichen Entwicklung in seinen vergangenen Jahresgutachten wiederholt ge-mahnt, dass vor dem Erfolg die Anstrengung stehen muss. Deutschland könnteden Anschluss an das weltweite Wirtschaftsgeschehen verpassen, wenn nichtalle verfügbaren Kräfte darauf gebündelt werden, die Zukunft tatkräftig zu ge-stalten. Doch in einer Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs fällt es offenbarschwer, den künftigen Herausforderungen hinreichend Gewicht zu verleihen,und leicht, den Ruf danach zu überhören, Marktprozessen mehr Vertrauen zuschenken.

Die zuletzt schwache Produktivitätsentwicklung der deutschen Wirtschaftscheint die mahnende Haltung des Sachverständigenrates zu stützen, denn siesteht in einem gewissen Widerspruch zu den Hoffnungen auf hohe Produktivi-tätssteigerungen. Die gesamtwirtschaftliche Arbeitsproduktivität hat sich jeden-falls seit dem Jahr 2005 nur moderat erhöht: Während das Bruttoinlandsproduktje Erwerbstätigenstunde (Stundenproduktivität) im Zeitraum von 1995 bis 2005jahresdurchschnittlich noch um 1,7% zunahm, betrug dieser Anstieg für dieJahre 2005 bis 2015 nur noch 0,8%. Ist dies schon der Vorbote einer drohendenErosion der deutschen Prosperität?

Bevor eine derart drastische Schlussfolgerung gezogen wird, empfiehltsich eine genauere Analyse. In der Tat zeigen Analysen desSachverständigenrates (SVR, 2015, Ziffern 590 ff), dass dieses verhalteneWachstum der Arbeitsproduktivität teilweise durch andere, das Geschehen über-lagernde Entwicklungen erklärt wird.

● Ein erheblicher Teil der schwachen Produktivitätsentwicklung spiegelt dieerfolgreiche Integration weniger produktiver Arbeitskräfte in den Arbeits-markt seit dem Jahr 2005 wider. Genauso, wie man Entlassungen nur ober-flächlich betrachtet als produktivitätssteigernd einordnen könnte, sollteman diesen Teil des ausbleibenden Produktivitätswachstums nicht als Pro-blem verbuchen.

● Es gibt Hinweise darauf, dass der Umstrukturierungsprozess der Wert-schöpfungsketten im Verarbeitenden Gewerbe mittlerweile sein Ende ge-funden hat. Er hatte bis zum Jahr 2008 durch die Auslagerung von vorge-lagerten, arbeitsintensiven Wertschöpfungsprozessen ins Ausland zu er-heblichen Anstiegen der Arbeitsproduktivität geführt und erscheint nun-mehr weitgehend ausgereizt.

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1.3 Wichtige Voraussetzungen für Erfolg

Aber dennoch bleibt ein Teil der Wachstumsschwäche der Arbeitsproduk-tivität dadurch unerklärt. Es stellt sich somit die Frage, warum der digitale Wan-del offenbar bislang zu keiner kräftigen Erhöhung der Arbeitsproduktivität ge-führt hat und was dies für die Zukunft der deutschen Volkswirtschaft bedeutet.Dieser Frage geht der vorliegende Artikel nach, der sich dabei insbesondere aufStudien des Sachverständigenrates stützt (SVR, 2015, Ziffern 545 ff und 641 ff)und drei Voraussetzungen für Wachstum im digitalen Wandel besonders in denBlick nimmt.

● Der zweite Abschnitt analysiert, ob deutsche Unternehmen – im interna-tionalen Vergleich betrachtet – hinreichend in Informations- undKommunikationstechnologien (IKT) investieren. Insgesamt hat die deut-sche Wirtschaft allerdings bei der Nutzung von IKT große Defizite.

● Der dritte Abschnitt wendet sich mit der Betrachtung neuer internetbasier-ter Geschäftsmodelle einem weiteren Schlüsselfeld des digitalen Wandelszu und betrachtet Unternehmensgründungen. Hierbei zeigt sich, dass jun-ge Unternehmen in Deutschland vor allem in der Wachstumsphase großeProbleme haben.

● Der vierte Abschnitt diskutiert, inwieweit der deutsche Arbeitsmarkt aufdie Digitalisierung vorbereitet ist und welche dramatischen Effekte dortzu erwarten sind. Die Früchte der Digitalisierung können nur geerntet wer-den, wenn der Strukturwandel in der Praxis ermöglicht wird. Hier zeigensich noch erhebliche Defizite.

Der abschließende fünfte Abschnitt fragt schließlich, was die Wirtschafts-politik tun kann und soll, um Deutschland besser auf die kommenden Heraus-forderungen vorzubereiten. Unserer Einschätzung nach ist es nötig, mit allenKräften daran zu arbeiten, die Attraktivität des Wirtschafts- und Investitions-standorts Deutschland zu stärken, um den anstehenden digitalen Wandel zu nut-zen. Dazu sollte die Wirtschaftspolitik in einer Art und Weise auf Innovationenund Wettbewerb setzen, die deutlich über die Förderung der Ausprägung einer„Industrie 4.0“ hinausgeht.

2. Investitionen in IKT und Produktivitätseffekte

Ein erster wichtiger Schlüssel zum Erfolg in der digitalisierten Wirtschaftder Zukunft sind hinreichende Investitionen in IKT – und ihre Nutzung zur Stei-gerung der Produktivität. Erst durch IKT werden Unternehmen in die Lage ver-setzt, umfangreiche Daten zu sammeln und zu verarbeiten, auf allen Ebenenihrer Organisationen mit der Außenwelt Informationen auszutauschen, und sichmit ihren Kooperationspartnern zu vernetzen. IKT sind somit die Basis für denAustausch von Ideen, Konzepten und Ergebnissen und mithin für erfolgreichesunternehmerisches Handeln. Kunden werden in der Zukunft erwarten, freimütigauf digitale Plattformen zugreifen zu können.

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Insbesondere ermöglichen IKT den Firmen wesentlich besser, die tatsäch-lichen Bedürfnisse ihrer Kunden in ihren Produktionsprozessen zu berücksich-tigen. Zudem müssten die Unternehmen ohne IKT Material horten und mehr Mit-arbeiter beschäftigen, um unvorhergesehene Marktentwicklungen und Fehlein-schätzungen abfedern zu können. Durch den Einsatz von IKT wird die zusätzli-che Lagerhaltung überflüssig, Kapital und Arbeitskräfte können nun produkti-vere Tätigkeiten ausüben. Vor diesem Hintergrund leitet dieser Abschnitt fürDeutschland Anhaltspunkte aus der bisherigen Investitionsintensität und ihrerUmsetzung in Produktivitätssteigerung ab.

Dabei wird berücksichtigt, dass Investitionen in IKT die Effizienz überzwei Kanäle steigern können. Zum einen wirken IKT direkt auf das Produktivi-tätsniveau von Unternehmen. Dies kann sich etwa darin niederschlagen, dasssich die Produktionsinfrastruktur verbessert oder dass sich Komplementärfak-toren, zum Beispiel immaterielles Kapital (Managementfähigkeiten, Organisati-onsstruktur) weiterentwickeln. Darüber hinaus können IKT über Spillover-Effek-te zu Effizienzsteigerungen in anderen Produktionsbereichen führen. Insbeson-dere stellt die Interaktion zwischen FuE-Tätigkeit und IKT für die Innovations-fähigkeit einen wichtigen Faktor dar.

2.1 Produktivitätsbeitrag der IKT

Wachstumszerlegungen (Growth Accounting) liefern einen ersten Anhalts-punkt zum Beitrag von IKT zur aggregierten Produktivitätsentwicklung. Hierzuwird auf Ebene der Wirtschaftsbereiche das Produktivitätswachstum in seinedrei Inputbestandteile Totale Faktorproduktivität, Kapital und Arbeit zerlegt.1

Darüber hinaus wird beim Produktionsfaktor Kapital nochmals zwischen IKT-Kapital und Nicht-IKT-Kapital unterschieden. Zudem werden IKT-produzierende (etwa 5% der gesamten Bruttowertschöpfung im Jahr 2013), IKT-intensive (gut 39%) und andere Bereiche (etwa 56%) separat betrachtet. Wirt-schaftsbereiche sind IKT-intensiv, wenn sie über einen relativ hohen IKT-Kapi-talbestand verfügen, aber selbst keine IKT produzieren.

Für Deutschland zeigen ältere Studien, dass die Wachstumsbeiträge derIKT-produzierenden und der IKT-intensiven Branchen zur gesamtwirtschaftli-chen Arbeitsproduktivität im Vergleich zu den USA relativ geringausfielen (Eicher und Röhn, 2007). Anhand einer Aktualisierung dieser Analysebis zum Jahr 2013 ergeben sich folgende Befunde hinsichtlich der Bedeutungvon IKT für die gesamtwirtschaftliche Arbeitsproduktivität:

● Der Beitrag des IKT-Kapitalinputs zum Produktivitätswachstum fällt inDeutschland verglichen zu den USA insbesondere in den Jahren 1995 bis2005 geringer aus (Schaubild 1 links).

● Der gesamtwirtschaftliche technologische Fortschritt (Totale Faktorpro-duktivität – TFP) wird dabei vor allem von den IKT-produzierenden Berei-chen und nicht von den IKT-intensiven Bereichen getragen (Schaubild 1

1 Eine detailliertere Darstellung lässt sich in der Studie von Eicher und Röhn (2007) sowie imAnhang von Kapitel 7 des Jahresgutachtens 2015/16 des Sachverständigenrates finden.

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rechts). Nicht einmal 5% der gesamten Bruttowertschöpfung erklären somitnahezu die Hälfte des Anstiegs der TFP der deutschen Wirtschaft.

● Für die IKT-intensiven Wirtschaftsbereiche ist in Deutschland nur eine mä-ßige Entwicklung der TFP zu beobachten. Sie liegen damit deutlich hinterden IKT-produzierenden Bereichen.

Vor allem im letztgenannten Punkt weicht Deutschland gesamtwirtschaft-lich stark von der Entwicklung in den USA ab. Um die Jahrtausendwende folgtendort auf deutliche Anstiege der TFP in den IKT-produzierenden Bereichen eben-falls hohe Anstiege in den IKT-intensiven Bereichen (Eicher und Strobel, 2008).In den USA hat der neutrale technologische Fortschritt durch Produktinnovati-onen bei den IKT-produzierenden Unternehmen zum einen zu im Kapital ent-haltenen technologischen Fortschritten bei den IKT-intensiven Unternehmen ge-führt, die sich in einer höheren IKT-Kapitalintensität niederschlugen.

Zum anderen wurden durch die neuen IKT-Güter Innovationen in den IKT-intensiven Unternehmen angestoßen, die dort einen Anstieg der TFP (neutralertechnologischer Fortschritt) zur Folge hatten. Hierzu können neben neuen Pro-dukten insbesondere effizientere Verwaltungs- und Produktionsstrukturen bei-getragen haben. Diese Entwicklung fand primär im Dienstleistungsbereich, ins-besondere im Großhandel und bei den Unternehmensdienstleistern, statt. Je-doch sind die Technologieschübe in den IKT-intensiven Wirtschaftsbereichenseit Mitte der 2000er-Jahre abgeflacht.

Für Deutschland zeigt sich, dass vonseiten der IKT kaum Spillover-Effekteauf die IKT-intensiven Branchen außerhalb des Verarbeitenden Gewerbes zu be-obachten sind (IKT-Produktivitätsparadoxon). Das Paradoxon tritt jedoch nur imDienstleistungsbereich auf. Im Vergleich hierzu konnte das Verarbeitende Ge-werbe durchaus Effizienzgewinne erzielen. Für die zukünftige Entwicklung derArbeitsproduktivität ist daher zu klären, welche Hemmnisse einer höheren Pro-duktivität in den IKT-intensiven Dienstleistungsbereichen entgegenstehen.

2.2 Fehlende Vermittlung von IKT-Kenntnissen

Die schwache Entwicklung in den IKT-intensiven Dienstleistungsbereichenkönnte in geringen komplementären Investitionen liegen. Hierbei handelt es sichum die Finanzierung der Weiterbildung von Mitarbeitern oder immaterielle Aus-gaben, etwa für die Restrukturierung der jeweiligen Unternehmen, sowie um Auf-wendungen für Produktdesign und Marktforschung. Das deutsche Bildungssys-tem ist vor allem darauf ausgelegt, im ersten Lebensdrittel Berufskenntnisse zuvermitteln, von denen im weiteren Berufsleben gezehrt wird. Dabei sind bislangnicht einmal bei der Hochschulbildung individuelle Finanzierungsbeiträge po-litisch durchzusetzen.

Die Möglichkeit der Weiterbildung im Verlauf der beruflichen Karriere wirdhingegen typischerweise weder von Arbeitnehmern noch von Arbeitgebern alsInstrument der beruflichen Verbesserung beziehungsweise effizienteren Unter-nehmensgestaltung verstanden (Poschmann, 2015). Gleichzeitig werden Mög-lichkeiten zur Weiterbildung wohl meist nicht von den Personen genutzt, denensie am meisten nützen würden. Unter den Erwerbstätigen nehmen an Weiterbil-

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dungsprogrammen am häufigsten und intensivsten diejenigen mit hohem Bil-dungsstand und sicheren Beschäftigungsverhältnissen teil. Das Problem ver-schärft sich zudem bei älteren Erwerbstätigen.

Ein weiterer Grund für das IKT-Produktivitätsparadoxon dürften die Ma-nagementstrukturen in Deutschland sein, die im Vergleich zu den USA wenigerauf flexible Entlohnungselemente und mehr auf rigidere Beschäftigungsstruk-turen setzen. Zudem kann eine Erklärung in der hohen Regulierung auf den Pro-dukt- sowie Arbeitsmärkten liegen (Bloom et al, 2012; Bartelsman et al, 2010).Ferner ist davon auszugehen, dass in einer alternden Gesellschaft die Akzeptanzneuer Technologien sowie der damit einhergehenden neuen Geschäftsmodellein der Tendenz sinkt.

2.3 Fehlendes Problembewusstsein bei KMU

Besonders große Sorgen bereitet die bislang nur unzureichende Vorberei-tung der Mehrzahl der KMU auf den digitalen Wandel. KMU bilden zusammenmit großen Unternehmen eine Art Ökosystem. Indem sie typischerweise die Ers-ten sind, die neue Technologien in der Praxis anwenden und vor Ort auf dieKundenwünsche hin anpassen, haben sie für die Entwicklung und Verbreitungneuer Technologien eine erhebliche Bedeutung. Um mit ihren Aktivitäten bislangstabile Wertschöpfungsketten aufbrechen und neue Verknüpfungen herstellenzu können, müssen KMU in der Zukunft freimütig IKT nutzen, insbesondere of-fene digitale Plattformen.

Dabei ist der Bereich der KMU in Deutschland selbst sehr heterogen. Sodokumentiert beispielsweise der „Innovationsindikator 2015“ (acatech undBDI, 2015), dass sich bei den KMU ein weites Spektrum von Unternehmen findet.Es reicht von einer – im internationalen Vergleich sehr hohen – Zahl von „HiddenChampions“ (Simon, 1990), also mittelständischen Weltmarktführern mit teil-weise hoher Innovationsleistung, hoher Exportneigung und starker Affinität zuIKT, bis hin zu vielen kleinen Unternehmen. Viele dieser KMU scheinen die Be-deutung der anstehenden Veränderungen durch den digitalen Wandel bislangnicht voll wahrzunehmen (Schaubild 2).

In ihrer im Frühjahr 2016 vorgelegten Analyse der Innovationsleistungvon KMU spricht die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI, 2016)gar von der Möglichkeit einer „digitalen Spaltung“. Diese Sorge wird durch Un-ternehmensbefragungen gestützt. So hängt etwa die Bekanntheit des BegriffsIndustrie 4.0 stark von der Größe des Unternehmens ab (ZEW, 2015). Dochnichts weniger als ihre Existenz hängt daran, dass KMU den digitalen Wandelund seine schöpferisch-zerstörenden Kräfte begreifen und umarmen. EFI (2016)schlägt Bund und Ländern daher beispielsweise vor, interessierten KMU Zugangzu Geschäftsmodell-Akademien zu verschaffen.

3. Kreative Zerstörung durch neue Geschäftsmodelle

Standen im vorherigen Abschnitt die Investitionen bestehender Unterneh-men in IKT im Vordergrund, so widmet sich dieser Abschnitt der Herausbildung

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neuer Geschäftsmodelle und insbesondere der Dynamik der Gründungen neuerUnternehmen. Der digitale Wandel eröffnet eine Fülle von Möglichkeiten für kre-atives unternehmerisches Handeln (Manyika et al, 2016), das vielleicht seinenstärksten – und für die statistische Erfassung bis zu einem gewissen Grade zu-gänglichen – Ausdruck in der Gründung neuer Unternehmen findet. Allerdingssind Unternehmensgründungen nur eine spezifische Reflektion der Entwicklungneuer Geschäftsmodelle.

Neue Geschäftsmodelle können im Zeitalter der Digitalisierung etwa ausder Möglichkeit erwachsen, eine internationale Organisationsstruktur aufzubau-en, ohne eine große und kapitalintensive physische Präsenz in allen betroffenenLändern erforderlich zu machen. Sie können sich aus der Möglichkeit ergeben,zur Durchführung von Projekten virtuelle Teams international zusammenzu-stellen, ohne sie physisch zusammenzubringen. Oder sie beruhen auf der Mög-lichkeit, das eigene Produktportfolio auf individuelle Bedürfnisse oder regionaleRegulierungserfordernisse hin maßzuschneidern, statt auf homogene Massen-produkte abzuheben.

Insgesamt lassen sich ganze Wertschöpfungsketten – von der Zulieferungvon Rohstoffen und Vorprodukten über die eigentliche Fertigung bis zum Ver-trieb sowie der Aufbau von digitalen Plattformen und die Pflege von Kundenbe-ziehungen – völlig neu konzipieren. Standen dabei bislang vor allem die Arbeits-kosten im Vordergrund, spielen diese bei zunehmender Automatisierung vonRoutinetätigkeiten eine immer geringere Rolle. In den Vordergrund rücken an-dere Aspekte wie etwa die Kundennähe und die Qualität der Infrastruktur. Dasvom Endverbraucher und seinem Nutzen ausgehende Denken wird immer mehrzum Schlüsselelement des Erfolgs.

3.1 Internetbasierte Geschäftsmodelle

Kein Aspekt symbolisiert den digitalen Wandel jedoch besser als die Grün-dung internetbasierter, innovativer Geschäftsmodelle. Prominente Beispielesind Facebook, Amazon oder Google. Durch ihre besondere Kundennähe, zumBeispiel durch die Sammlung und Aufbereitung von Angeboten für Dienstleis-tungen wie Hotelübernachtungen, können diese neuen Geschäftsmodelle alteGeschäftsmodelle verdrängen und etablierten Marktteilnehmern sogar dieMarktbedingungen vorgeben. Dabei ist der Erfolg kumulativ, denn eine digitalePlattform ist umso wertvoller, je mehr Nutzer das Internetportal hat.

Neue Geschäftsmodelle der Internetwirtschaft sind somit die Speerspitzeder kreativen Zerstörung durch den digitalen Wandel. Ein Blick auf die Wertent-wicklung dieser Unternehmen bestätigt diese Vermutung. So lag in den USA derMarktwert von US-Internetfirmen (Alphabet, Facebook) teilweise über den Wer-ten etablierter Konzerne der klassischen IKT-Branche, die Soft- und Hardwareherstellt. Dabei nehmen die USA in der IKT- und Internetbranche eine Vorreiter-stellung ein. Deutsche Unternehmen hingegen liegen sowohl in der IKT- (Sie-mens, Telekom) als auch der Internet-Branche (Zalando, Axel Springer) weitzurück (Schaubild 3).

Es fällt besonders ins Auge, dass die erfolgreichsten deutschen Unterneh-men typischerweise ältere, seit langem etablierte Unternehmen sind. Die Wachs-

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tumskräfte, die nachweislich durch die Entstehung neuer Geschäftsmodelle inder Internetwirtschaft ausgelöst werden, rücken daher die allgemeine Grün-dungs- und Wachstumsdynamik junger Unternehmen in den Vordergrund derBetrachtung. Internationale Studien zeigen, dass junge Unternehmen, gemessenan ihrer FuE-Intensität, innovativer sind als schon länger bestehendeUnternehmen (Acemoglu et al, 2013), für mehr Wettbewerb sorgen und in beson-ders hohem Maße Arbeitsplätze schaffen.

3.2 Gründungsdynamik in Deutschland

Seit langem gibt es Anlass dazu, die Gründungs- und Wachstumsdynamikjunger Unternehmen in Deutschland mit Sorge zu betrachten. Im internationalenVergleich befindet sich Deutschland hinter den USA, dem Vereinigten Königreichoder den Niederlanden. Schon in der Vergangenheit schien die Nähe zu oder dieKooperation mit etablierten Unternehmen eine wesentliche Voraussetzung fürden Erfolg neu gegründeter Unternehmen.

In den vergangenen Jahren war sogar eine rückläufige Gründungsdynamikzu beobachten. Wenngleich dies teilweise auf den Subventionsabbau (Existenz-gründungszuschuss) zurückzuführen sein dürfte, sind wichtigere Ursachenhierfür im demografischen Wandel, der guten Arbeitsmarktlage, Defiziten in derVermittlung unternehmerischer Fähigkeiten durch das Bildungssystem und ei-ner mangelnden Gründungsfinanzierung zu suchen. Für Unternehmensgrün-dungen in der digitalen Wirtschaft spielen zudem rechtliche und regulatorischeFragen, wie etwa Haftungsfragen oder Datenschutzprobleme eine Rolle.

Trotz der allgemein schwachen Gründungsdynamik ist die Gründungsak-tivität der digitalen Wirtschaft in Deutschland nicht gering (EFI, 2016). Insbeson-dere in den Metropolen Berlin, Hamburg und München sind viele Neugründun-gen zu beobachten. Die Probleme scheinen daher vornehmlich in der Wachs-tumsfinanzierung und nicht in der Start-up Finanzierung zu liegen. Die EFI(2016) stellt fest, dass sich die staatliche Förderung von Start-ups durch dieEXIST-Gründerstipendien und die Finanzierungsangebote des High-Tech Grün-derfonds gut entwickelt hat, die Rahmenbedingungen für private Investoren inder Wachstumsphase aber nach wie vor schlecht sind.

3.3 Finanzierung des Unternehmenswachstums

Die Wachstumsfinanzierung für digitale Unternehmen gestaltet sich be-sonders problematisch, da sie meist mit hohen Finanzierungsvolumina verbun-den ist. Junge Unternehmen können noch nicht nachweisen, dass ihre Geschäfts-idee dauerhaft in der Lage ist, Gewinne zu erwirtschaften. Dies versperrt ihnenden Zugang zu Fremdkapital. Sie sind also auf Eigenkapital angewiesen, das nochnicht aus einbehaltenen Gewinnen gespeist sein kann, sondern aus Beteiligun-gen bestehen muss. Im internationalen Vergleich ist solchesWagniskapital (Venture Capital) in Deutschland nur in geringem Maße verfügbar.Dafür sind mehrere Gründe verantwortlich.

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So benachteiligt das deutsche Unternehmenssteuerrecht die Beteiligungs-finanzierung. Der Sachverständigenrat (2012, 220 ff; 2015, Kapitel 8) hat eineZinsbereinigung des Grundkapitals vorgeschlagen, um diese Verzerrung zu be-seitigen. Dabei kann ein kalkulatorischer, auf das Grundkapital bezogener Zinsvom zu versteuernden Gewinn abgesetzt werden. Die Politik versucht indessen,die Wagniskapitalfinanzierung durch einen Invest-Zuschuss attraktiver zu ge-stalten. Die Effektivität dieser Maßnahme ist jedoch zweifelhaft; große Mitnah-meeffekte sind zu erwarten. Eine Beseitigung steuerlicher Verzerrungen er-scheint daher allemal sinnvoller als die Schaffung neuer Subventionstatbestän-de. Ein viel diskutierter Punkt ist zudem die (steuerliche) Behandlung von Ver-lustvorträgen bei Gesellschafterwechseln.

Das geringe Finanzvolumen auf dem deutschen Wagniskapitalmarkt zeich-net sich zudem durch einen Home Bias aus. Erhebungsergebnissen zufolge stam-men gut 77% des Wagniskapitals von deutschen Kapitalgebern (Ripsas undTröger, 2015). Das geringe Angebot an Wagniskapitalfinanzierung durch dasdeutsche Finanzsystem könnte an institutionellen Rahmenbedingungen, etwafür Versicherungen, liegen. Doch dies allein kann noch nicht erklären, waruminternationale Investoren deutschen jungen Unternehmen dann nicht mehr Ka-pital zur Verfügung stellen und so diese Lücke füllen.

Damit sind die Rahmenbedingungen für unternehmerisches Handeln an-gesprochen. In Deutschland fehlt es beispielsweise an Exit-Perspektiven für Wag-niskapitalgeber, was unter anderem auf den schwach entwickelten Kapitalmarktzurückzuführen ist (Beck et al, 2015). Der Verkauf von Anteilen junger Unter-nehmen, die noch keine Gewinne erwirtschaften, über Sekundärmärkte oder dieBörse erweist sich häufig als schwierig. Diesem Problem könnte durch die Schaf-fung eines gesamteuropäischen Börsensegments für wachstumsorientierte Un-ternehmen begegnet werden (EFI, 2015), einem Kernbestandteil der Europäi-schen Kapitalmarktunion.

4. Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt

Der digitale Wandel wird nur so schnell voranschreiten können, wie derStrukturwandel am Arbeitsmarkt durch die Tarifparteien und die Arbeitsmarkt-politik zugelassen wird. Die sich in diesem Strukturwandel ergebende Verschie-bung der Arbeitnehmer, weg von an Bedeutung verlierenden und hin zu neuenEinsatzgebieten, bringt naturgemäß erhebliche Anpassungskosten mit sich, vorallem dann, wenn sich für sie nicht sehr rasch ein neues Aufgabenfeld in einemneuen Job ergibt. Die kurative Sozialpolitik muss dabei umso weniger eingreifen,je eher die Marktkräfte dazu ausreichen, lange Phasen der Beschäftigungslosig-keit zu vermeiden.

Die Grundvoraussetzung dafür ist eine entsprechende Anpassungsfähig-keit der Arbeitnehmer, insbesondere die Fähigkeit, in der beruflichen Karriereeinen disruptiven Wandel zu verkraften und den Wandel als Chance zum Erfolgin einem neuen Einsatzgebiet zu begreifen. Dies wird Arbeitnehmern mit einergroßen Ausstattung mit Humankapital eher möglich sein. Im konkreten Fall gehtes dabei vor allem um die Fähigkeit, in der stetig internationalisierten Wirtschaft

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andere Sprachen als die Muttersprache einzusetzen und sich in der digitalisier-ten Welt problemlos zu Recht zu finden. Welche Tendenzen zeichnen sich dabeibislang für Deutschland ab?

4.1 Kein Verlust an Arbeitsplätzen

Der technologische Wandel wird zu erheblichen Verschiebungen der Wirt-schaftsstrukturen und damit zu drastischem Wandel auf dem Arbeitsmarkt füh-ren. Zahlreiche Berufsfelder werden neu entstehen, während andere verschwin-den. Zudem werden voraussichtlich neue Arbeitsplatzmodelle eingesetzt, derenGestalt bisher noch nicht vollständig absehbar ist. Bereits zwischen denJahren 1993 und 2011 waren in Deutschland besonders hohe Beschäftigungszu-wächse in den Berufssegmenten Informatik, Unternehmensführung und -bera-tung sowie bei kreativen Berufen zu verzeichnen, während Berufe in der Kera-mik- und Glasindustrie sowie der Textil- und Bekleidungsindustrie an Bedeutungverloren (Eichhorst und Buhlmann, 2015).

In der öffentlichen Diskussion werden große Befürchtungen gehegt, dassdie Digitalisierung einen massiven Wegfall existierender Jobs mit sich bringenkönnte, genährt durch eine Reihe einschlägiger Studien (Frey undOsborne, 2013; Brynjolfsson und McAfee, 2011; 2014). Unserer Einschätzungnach sind diese massiven Sorgen jedoch unbegründet. Zwar besteht in Deutsch-land schätzungsweise für 12% aller Arbeitsplätze eine hohe Wahrscheinlichkeit,in den nächsten 10 bis 20 Jahren durch zunehmende Automatisierung ersetztzu werden (Schaubild 4 links). Jedoch stellt dies nur einen Bruttoeffekt dar, demdie durch Digitalisierung entstehenden neuen Arbeitsplätze gegenübergestelltwerden müssen (Bonin et al, 2015).

Zudem ergeben modellbasierte Wirkungsabschätzungen von Industrie 4.0auf den Arbeitsmarkt, dass Arbeitskräftebewegungen zwischen Branchen undBerufen weitaus größer sein dürften als die Veränderung der Anzahl derErwerbstätigen (Wolter et al, 2015). Während bis zum Jahr 2030 geschätzte420 000 Arbeitsplätze vor allem im Verarbeitenden Gewerbe verloren gehen,werden 360 000 Arbeitsstellen neu geschaffen. Der projizierte Beschäftigungs-verlust in Höhe von 60 000 Arbeitsplätzen ist jedoch aufgrund der hohen Unsi-cherheiten bei der Modellierung mit großer Vorsicht zu interpretieren. Aufgrundder Digitalisierung muss keine substanziell höhere strukturelle Arbeitslosigkeitbefürchtet werden (Eichhorst, 2015).

4.2 Jedoch Polarisierung am Arbeitsmarkt möglich

Die Digitalisierung könnte aber dazu beitragen, dass sich die Arbeits-marktbedingungen für verschiedene Qualifikations- und damit Entlohnungs-gruppen weiter verschieben. In den vergangenen Jahrzehnten war zu beobach-ten, dass die Beschäftigung in Berufen mit geringerer oder höherer Entlohnungrelativ zu der Beschäftigung von Personen mit mittlerer Entlohnung angestiegenist (Schaubild 4 rechts). Dies kann als Polarisierung am Arbeitsmarkt gesehenwerden. Für die Vereinigten Staaten und 16 europäische Länder zeigt sich als

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ein möglicher Grund, dass sich die Beschäftigung von Routinetätigkeiten, diedem mittleren Qualifikationsbereich zuzuordnen sind, zum Beispiel Maschinen-bedienung oder repetitive Kontrollaufgaben, hin zu abstrakteren Tätigkeiten,zum Beispiel Management- und Planungsaufgaben, verschoben hat (Autor undDorn, 2013).

Für Deutschland war seit den 1990er-Jahren zwar ein stärkeres Wachstumder Beschäftigung bei Hoch- und Geringqualifizierten zu beobachten, jedochblieb die Beschäftigung in der Mitte stabil (Eichhorst et al, 2015). Bei der Inter-pretation dieser Entwicklungen muss berücksichtigt werden, dass sich die Ge-samtheit der Beschäftigten heute wesentlich anders zusammensetzt als nochMitte der 1990er-Jahre. Ebenso waren die wirtschaftlichen Bedingungen vor20 Jahren grundverschieden.

4.3 Neue Beschäftigungsformen

Durch die zunehmende Digitalisierung zeichnen sich zahlreiche neue For-men der Beschäftigung ab, die es im Jahr 2000 noch nicht gegebenhat (Eurofound, 2015). So nutzen Unternehmen beim Crowdsourcing Plattfor-men im Internet, um Arbeitsaufträge auszulagern. Weitere Beispiele sind dasJob-Sharing von zwei oder mehr Arbeitnehmern bei einem Arbeitgeber oder dasMitarbeiter-Sharing eines Beschäftigten bei zwei oder mehr Arbeitgebern.

Insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen außerhalb der Ballungs-gebiete könnte es mit solchen Optionen besser gelingen, den Fachkräftebedarfflexibel zu decken und als Arbeitgeber attraktiv zu sein (Hertwig undKreisch, 2012). Der Anteil der Unternehmen, die Job-Sharing anbieten, ist von9% im Jahr 2003 auf 20% im Jahr 2009 gestiegen, war zuletzt aber wiederrückläufig (BMFSFJ, 2013).

5. Fazit

In der aktuellen wirtschaftspolitischen Diskussion werden große Hoffnun-gen in die Digitalisierung der deutschen Volkswirtschaft als Motor des nächstenInnovationszyklus gesetzt. Insbesondere bestehen hohe Erwartungen im Hin-blick auf die deutsche Industrie, der nicht weniger als eine international führen-de Rolle in einer kommenden vierten industriellen Revolution zuerkannt wird.Der vorliegende Beitrag nimmt die deutsche Wirtschaft kritisch in den Blick. DreiVoraussetzungen müssen erfüllt sein, damit die Wachstumsdynamik der deut-schen Volkswirtschaft durch die anstehende schöpferische Zerstörung beflügeltwird.

Deutsche Unternehmen – hier sind vor allem KMU zu betrachten – müssendie Möglichkeiten der Digitalisierung besser erkennen und zur Steigerung ihrerProduktivität und für neue Geschäftsmodelle nutzen. Zudem scheint der deut-sche Arbeitsmarkt eher durch Ängste als durch Aufbruchsstimmung geprägt zusein. Trotz der vielfältigen Wachstumshemmnisse, mit denen sich etablierteVolkswirtschaften wie Deutschland mittlerweile konfrontiert sehen, gibt es im

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Ringen um attraktive Rahmenbedingungen gleichwohl viel versprechende An-satzpunkte für die deutsche Wirtschaftspolitik.

5.1 Ernüchternde Befunde

Die Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Arbeitsproduktivität hat sichin Deutschland seit dem Jahr 2005, unabhängig von der Finanz- und Wirtschafts-krise, deutlich verlangsamt. Wenngleich dies zu einem erheblichen Teil der In-tegration einer Vielzahl von geringqualifizierten Arbeitskräften in den Arbeits-markt geschuldet ist und zudem die produktivitätssteigernden Effekte der Aus-lagerung von vorgelagerten, arbeitsintensiven Wertschöpfungsprozessen insAusland wohl ihr Ende gefunden haben, dürfte diese Verlangsamung dennochnicht zuletzt auf eine unzureichende Innovationstätigkeit zurückzuführen sein.

● Eine genauere Analyse zeigt, dass vor allem für die IKT-intensiven Wirt-schaftsbereiche nur eine mäßige Entwicklung der Totalen Faktorproduk-tivität zu verzeichnen ist. Sie liegen damit deutlich hinter den IKT-produ-zierenden Bereichen.

● Hinsichtlich der Gründungstätigkeit, die allgemein schwach ist, lässt sicheine erhebliche Gründungsdynamik für die digitale Wirtschaft feststellen,die aber Probleme hat zu wachsen und sich zu konsolidieren.

Diese zwei Befunde sollten die deutsche Wirtschaftspolitik nachdenklichstimmen. In den IKT-intensiven Wirtschaftsbereichen dürften nicht lediglichWeiterbildungsangebote weiterhelfen. Die Anwender von IKT müssen Anreizehaben, diese Angebote zu nutzen und später in den Betrieben umzusetzen. Ins-besondere im Dienstleistungsbereich trägt das allgemeine regulatorische Um-feld dazu bei, dass Produktivitätsgewinne unzureichend realisiert werden.

Für die Wachstumsprobleme neu gegründeter Unternehmen der digitalenWirtschaft dürften Finanzierungsprobleme verantwortlich sein. Punktuell anset-zende Subventionen, wie der Invest-Zuschuss, greifen hier zu kurz. Deutschlandsollte den Nachteil eines schwach entwickelten Kapitalmarkts durch eine grund-legende Veränderung der Unternehmensbesteuerung kompensieren. Die steuer-liche Benachteiligung der Beteiligungsfinanzierung könnte durch eine Zinsbe-reinigung des Grundkapitals abgebaut werden. Dies würde eine Stärkung desKapitalmarkts bewirken und jungen, innovativen Firmen helfen zu wachsen undsich zu konsolidieren.

5.2 Starke Gegenwinde

Mit dabei zu sein bei diesem Wandel ist dann noch viel wichtiger, wenn essich gar nicht um eine ausgeprägte industrielle Revolution im „klassischen“ Sin-ne handeln sollte, also zwar spürbare Umwälzungen auf den Arbeits- und Gü-termärkten zu verzeichnen sein sollten, denen jedoch insgesamt keine so hohenAnstiege in der Arbeitsproduktivität gegenüberstehen, wie vielfach erwartetwird (Gordon, 2012). Was sind die „Gegenwinde“, mit denen sich etablierteVolkswirtschaften, allen voran die USA aktuell konfrontiert sehen:

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● Auslaufende demographische Dividende. Das Wachstum der vergangenenJahrzehnte hatte durch Steigerungen der Frauenerwerbsbeteiligung unddie Integration der Generation der Baby Boomer in den Arbeitsmarkt star-ken Rückenwind erhalten. Ähnliche Effekte sind in der Zukunft kaum zureplizieren. Das gilt insbesondere für Deutschland, das (trotz aktuell ho-her Zuwanderungszahlen) vor einem drastischen Alterungs-, vielleicht so-gar Schrumpfungsprozess steht (SVR, 2011).

● Abflauende Bildungsexpansion. In den entwickelten Volkswirtschaften hatsich mittlerweile eine weitgehende Gleichverteilung der Bildungsab-schlüsse für Männer und Frauen eingependelt. Dies gilt nicht zuletzt fürDeutschland (Grave und Schmidt, 2012). Um das Wachstum erneut durcheine gesteigerte Bildungsleistung anzutreiben, bräuchte es über die aktu-ellen Reformen hinaus wohl nicht weniger als eine Bildungsoffensive(SVR, 2009).

● Ansteigende Ungleichheit. In den USA ist die Ungleichheit der Einkommenund Vermögen stark gestiegen. Dies sorgt offenbar für große gesellschaft-liche Spannungen und raubt den USA daher einiges an Wachstumsdyna-mik. Aber dies ist gerade nicht das Problem Deutschlands. Die intakte So-ziale Marktwirtschaft sorgt hierzulande für einen Ausgleich zwischen denZielen der volkswirtschaftlichen Effizienz und der gesellschaftlichenKohärenz (SVR, 2015).

● Anhaltende Globalisierung. Eine heimische Industrie, die Nachteile bei denArbeitskosten nicht durch Qualitätsvorsprünge wettmachen kann, siehtsich möglicherweise gezwungen, Teile der Wertschöpfungskette durchOutsourcing ins Ausland zu verlagern. Für Deutschland ist dieser Prozessweitgehend zum Erliegen gekommen, nicht zuletzt weil dessen Vorzügebereits ausgeschöpft sind und die arbeitsmarktpolitischen Reformen desvergangenen Jahrzehnts einen Niedriglohnsektor ermöglicht haben.

● Akute Umwelt- und Klimaprobleme. Die ökologische Tragfähigkeit des Pla-neten ist begrenzt, viele lokale Ökosysteme sind mittlerweile in einem kri-tischen Zustand. Dies zwingt die Weltgemeinschaft dazu, künftig Wirt-schaftswachstum und Umweltverbrauch zu entkoppeln. Diese Bemühun-gen werden möglicherweise gerade diejenigen Produktionsstandorte in Be-drängnis bringen, die sich bislang noch gar nicht darauf eingelassen haben– oder die eine naive Vorreiterrolle übernehmen.

● Ausgereizte öffentliche Haushalte. Die Weltwirtschaft ist aktuell mit einemverhaltenen Wachstumstempo unterwegs. In den Industrieländern beruhtdie wirtschaftliche Erholung in sehr starkem Maße auf der äußerst expan-siven Geldpolitik, die Fiskalpolitik hat angesichts der hohen Schul-denstandsquoten kaum Spielräume. Diese können nur durch Schuldenab-bau und solide Haushaltsführung entstehen, wie es der aktuelle deutscheKonsolidierungspfad andeutet (SVR, 2015).

Folglich sind einige Aspekte der großen Herausforderungen, die sich ak-tuell insgesamt den etablierten Volkswirtschaften stellen, für Deutschland rele-vant, andere wiederum spielen für die deutsche Volkswirtschaft keine zentrale

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Rolle. Die größten Wachstumshemmnisse hierzulande dürften ohnehin darin lie-gen, die eigenen Stärken auf dem Weg in die digitalisierte Wirtschaft der Zukunftzu überschätzen.

5.3 Kein Grund zur Larmoyanz

Die Wirtschaftspolitik sieht sich mit der besonders mühsamen Aufgabekonfrontiert, Innovationen nicht nur zu wünschen, sondern durch ihr Handelntatsächlich zu ermöglichen. Dies wird insbesondere dann nicht gelingen, wennWirtschaft und Politik zu sehr an Bestehendem festhalten, statt den Wandel zubefördern. Die Wirtschaftspolitik ist jedoch keine Unternehmensleitung, die denKurs ihres Unternehmens weitgehend steuern kann. Sie kann lediglich die Wei-chen für bessere Rahmenbedingungen stellen.

Die Politik muss sich daher auf die Instrumente besinnen, welche die Po-litik wirklich beeinflussen kann. Dazu zählen die Bereitstellung von Infrastruk-tur, gute gesetzliche wie regulatorische Rahmenbedingungen für unternehme-risches Handeln sowie die Bereitschaft, beim politischen Handeln Unternehmer-geist und Risikobereitschaft zu honorieren, statt einer plumpen Umverteilungs-rhetorik zu folgen.

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Schaubild 1: Vergleich der Beiträge zur Arbeitsproduktivität und zur Totalen Faktorproduktivität zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten1

1 – Daten für Vereinigte Staaten: eigene Berechnungen. 2 – Arbeitsproduktivität je Erwerbstätigen-stunde. 3 – Durchschnittliche jährliche Wachstumsbeiträge. 4 – Die Berechnungen basieren auf einerAktualisierung der Studie von Eicher und Röhn (2007). 5 – Eigene Berechnungen auf Basis von Anga-ben für die Privatwirtschaft, übertragen auf die Gesamtwirtschaft. 6 – Arbeitsqualität und Reallokationder Arbeitsstunden.

Quellen: BEA, ifo

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Schaubild 2: Bedeutung digitaler Technologien für Herstellungs- und Wertschöpfungsprozesse nach Unternehmensgröße1

1 – Die Stichprobe umfasst mittelständische Unternehmen mit einem Jahresumsatz zwischen€ 500 000 und € 125 Millionen.

Quelle: GfK (2014, 7)

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Schaubild 3: Marktkapitalisierung von deutschen und US-Unternehmen in der IKT-Branche und in der Internetwirtschaft

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Schaubild 4: Mögliche Auswirkungen des technologischen Wandels auf die Beschäftigungsstruktur

1 – Das Gefährdungspotenzial eines Berufs beziehungsweise einer Tätigkeit gilt als niedrig, mitteloder hoch, wenn deren Automatisierungswahrscheinlichkeit in den nächsten 10 bis 20 Jahren unter30%, zwischen 30% und 70% beziehungsweise über 70% liegt. 2 – Der tätigkeitsbasierte Ansatz be-rücksichtigt, dass ein Beruf aus mehreren Tätigkeiten bestehen kann. 3 – Die Berufe sind entspre-chend ihres Durchschnittslohns über alle in der Studie verwendeten 16 europäischen Länder überalle Jahre eingruppiert. DE-Deutschland, Fr- Frankreich, UK-Vereinigtes Königreich, IT-Italien, ES-Spa-nien, NL-Niederlande, SE-Schweden

Quellen: Bonin et al (2015), Goos et al (2014)

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Abstract JEL-No: O14, O47, L60, L80, J24

Insufficiently prepared: Germany at the beginning of the digital era

The global economy is in the midst of an encompassing transition, re-flecting the highly disruptive potential of the process of digitization.Many German commentators even view the digitization of production(“industry 4.0”) as the harbinger of a new industrial revolution. Yet, theGerman Council of Economic Experts has repeatedly advised to take amore cautious perspective, since serious efforts need to precede anysuccess. In international comparison, German companies display re-markable deficits in the utilization of information and communicationtechnologies (ICT). Moreover, start-up companies face severe obstaclesto financing their further growth just when they leave their initiationphase. Finally, the German labor market is quite unprepared to digestthe disruptive forces of encompassing structural change. These areasneed to be addressed with high priority by German economic policy inorder to strengthen the attractiveness of Germany as a preferred placefor doing business.