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Aus dem pharmakologischen Institut der Universit~t Jena. Beitrfige zur Kenntniss der Oicht. . Zur Pathogenese der Oicht. Von H. Kionka. (Hierzu 'rafel I.) Friihere Untcrsuahunganb battan argaban, dass as mfglich ist;, durah aussch]iessliahe Fleisahfiittarung bai Hiihnarn das Krankheitsbild der echten Vogalgicht mit Ha.rns/iuraablagarungen in den Nieren und Harn- wagan, auf den sarSsan H/iutan und untar Umst'anden aueh an dan Ge- lenken harvorzurufen. Bannes 2) zeigta (bran weiterhin dutch mikro- sl:opisaha und mikroahamische Untersuehungen, class diase Flaischgicht vedkommen identisah ist mit jener genuinan Vogelgicht, dia man ga- lagentlich ohna arkennbara Ursaaha bei Hiihnarn~ Giinsan, Tauben un¢l andaran VSgeln auftraten siaht~ und dass sia wasantlieh charakterisirt Jst dutch bestimmte dagenera.tiva Vorggnga in dan Nieren und namanL- liah in derLeber. Durch Bahrmann a) wurda waiter untersucht~ ob und in walaher Weise siah das Zustandekommen diesar Flaiahgieht bei Hiihnern durah glaiahzeitige Darreichung klainar Alkalimengan beeinflussen liisst, naehdem sahon vorhar yon mir ') der Einfluss dargereiahtar grSssarer Mengan yon Kalk auf solcha giah~kranka Hiihner studirt worden war. Herr Dr. Bahrmann ist auah noah zur Zait mit dam weiteran kus- 1) H. Kionka, Entstehung und Wesen der Vogelgicht und ihre Beziehungen zur Arthritis urica des Menschen. Archly f. experiment. Pathologic u. Pharmakolog. Bd. 44. S. 186. -- Derselbe, Zur Kenntniss des Stoffwechsels fleischgefiitterter Hfihner. Intern. Archly f. Pharmakol. u. Therapie. Bd. 7. S. 55. 2) F. Bann es, Das Wesen der genuinen und kiinstlichen Vogelgicht und deren Beziehungen znr Arthritis uriea des Mensehen. Ebendas. Bd. 9. S. 123. 3) F. Bahrmann~ Ueber die Einwirkung yon Alkalien auf den Stoffweehsel lleisehgefiitterter Hfihner. Ebendas. Bd. 12. S. 421. 4) H. Kionka. Einfluss des Kalkes auf das physiologisehe Verhalten gieht- kranker Hfihner. Arehiv f. experiment. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 44. S. 207. Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 2. Bd. 1

Beiträge zur Kenntniss der Gicht

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Aus dem pharmakologischen Institut der Universit~t Jena.

Beitrfige zur Kenntniss der Oicht.

.

Zur Pathogenese der Oicht.

V o n

H. Kionka.

(Hierzu 'rafel I.)

Friihere Untcrsuahunganb battan argaban, dass as mfglich ist;, durah aussch]iessliahe Fleisahfiittarung bai Hiihnarn das Krankheitsbild der echten Vogalgicht mit Ha.rns/iuraablagarungen in den Nieren und Harn- wagan, auf den sarSsan H/iutan und untar Umst'anden aueh an dan Ge- lenken harvorzurufen. B a n n e s 2) zeigta (bran weiterhin dutch mikro- sl:opisaha und mikroahamische Untersuehungen, class diase Flaischgicht vedkommen identisah ist mit jener genuinan Vogelgicht, dia man ga- lagentlich ohna arkennbara Ursaaha bei Hiihnarn~ Giinsan, Tauben un¢l andaran VSgeln auftraten siaht~ und dass sia wasantlieh charakterisirt Jst dutch bestimmte dagenera.tiva Vorggnga in dan Nieren und namanL- liah in derLeber. Durch B a h r m a n n a) wurda waiter untersucht~ ob und in walaher Weise siah das Zustandekommen diesar Flaiahgieht bei Hiihnern durah glaiahzeitige Darreichung klainar Alkalimengan beeinflussen liisst, naehdem sahon vorhar yon mir ') der Einfluss dargereiahtar grSssarer Mengan yon Kalk auf solcha giah~kranka Hiihner studirt worden war.

Herr Dr. B a h r m a n n ist auah noah zur Zait mit dam weiteran kus-

1) H. Kionka, Entstehung und Wesen der Vogelgicht und ihre Beziehungen zur Arthritis urica des Menschen. Archly f. experiment. Pathologic u. Pharmakolog. Bd. 44. S. 186. -- Derselbe, Zur Kenntniss des Stoffwechsels fleischgefiitterter Hfihner. Intern. Archly f. Pharmakol. u. Therapie. Bd. 7. S. 55.

2) F. Bann es, Das Wesen der genuinen und kiinstlichen Vogelgicht und deren Beziehungen znr Arthritis uriea des Mensehen. Ebendas. Bd. 9. S. 123.

3) F. Bahrmann~ Ueber die Einwirkung yon Alkalien auf den Stoffweehsel lleisehgefiitterter Hfihner. Ebendas. Bd. 12. S. 421.

4) H. Kionka. Einfluss des Kalkes auf das physiologisehe Verhalten gieht- kranker Hfihner. Arehiv f. experiment. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 44. S. 207.

Zeitschrift f. exp. Pathologie u. Therapie. 2. Bd. 1

2 H. Kionka~

ban dieser Frage beschiiftigt, und wird demn~chst iibcr seine weitercn Unt;ersuchungen und Resultatc berichten. Die Rolle, welchc die Harn- siiure heim Vogel spielt, ist abet bekanntlich eine ganz anderc, als im Organismus des S~;ugethieres. Wit waren daher bestrebt festzusCellen, ob nieht auch im Organismus der S/tugethiere durch ausschliesslichc Fleischkost Vertinderungen hervorzurufen seien, wclche den bei den Hiihnern beobachteten entsprachen und eventuell auch directe Analogien zu den pathologischen Ver/tnderungen bei der Arthritis urica des Mensehen zeigten. A us diesem Grunde untersuchtc g o c h m a n n ~) alas physiologischd Verhalten von Hunden, welehe aussehliesslieh mit fettarmem Fleisch ohne jede Zugabe von Kohlehydraten dutch litngere Zeit erniihrt wurden und nahm nach ihrer T6dtung genau den makroskopischen und mikro- skopischen Befund tier Organ e auf. Wtihrend diese Hunde im Leben kein anormalcs Verhalten zeigten, fanden sich in den Organen allot Hunde iibereinstimmende Yer/tnderungen, welche zwei Comrollhnnde, die neben der Fleischkost auch reichlich Kohlehydrate zur Nahrung erhalten batten, nicht aufwiesen. Diese Veritnderungen bestanden wesentlich in krankhaften und degenerativen Zustanden der Leber und der Nieren. Die letzteren boten mehr oder weniger ausgepritgt das Bild tinct acuten Entziindung und zeigten viclfach zu Grunde gegangene oder fettig dege- nerirte Epithelzellen in den Tubulis. - - Die Lebern dieser Ilunde wiesen fast durchweg da,s Bild einer triiben Schwellung der Zellen auf. ,\uf griisseve Streeken waren die Zellgrenzen undeutlieh, die Kerne nicht oder nut schwer zu orsehen, die Bitlkchenstructur vcrloren gegangen. - - Yon a.ll diesem sah man bei den Controllhunden niehts.

Es war auffallend, derartige verhgltnissm/i.ssig sehwere Ver'anderungen nach ~'leischfiitterung bei IIunden zu findcn, bei Thieren, welche doch gemeinhin als echte Carnivoren aufgefasst werden und deren normale Nahrung zum iiberwiegenden Theil Fleischnahrung ist. ~la,n musste des- halb erwarten, bei anderen Thierarten, welehc normaler Weise kein oder nut wenig Fleiseh geniessen, naeh aussehliesslieher Fleisehfiitterung friiher und vielleieht auch sehwerere Sch/idigungen zu sehen Ms bei den earnivoren Hunden.

Um dies festzustellen, ffitterl, en wir zun'achst Kan inchen ausehliess- lieh mit Pleiseh~ welche Nahrung diesc Thiere tmeh li~ngere Zeit ganz gern nehmen. Dabei wurde regehn'a;ssig K6rpergewieht, Mengc und Bc- schaffenheit des Kothes beobachtet und dcr Ham auf Reaction, spec. Gewieht und eventuelle anormale Bestandtheile untcrsucht. In einigen Versuchsreihen wurden bei solchcn I£aninchen aueh der N-StoffweehseI gemessen.

Indessen kamen wit mit diesen Versuchen doch zu keinen brauch- baren Resultaten. Wie sehon v. Knieriem'-') festgestellt hat, vertragen die ausschliesslieh an Pflanzenkost gew6hnten Kaninchen alleinige F[eisch-

1) M. Kochmann, Ueber Fleischnahrung und ihre Beziehungen zur Gicht. Piliiger's Archly. Bd. 9~. S. 593.

2) v. Knieriem, Ueber die Verwerthung der Cellulose im thierischen Orga- nismus. Zeitschr. f. Biologic. Bd. 21. S. 67.

Zur Pathogenese der Gicht.

m~hrung auf li/ngere Zeit nieht, da bei dieser Ern/ihrungsweise die Fort- bewegung des Darminhaltes stoekt. Fiir diese pflanzenfressenden Thiere mit ihrem langen Darm ist die in der Pflanzennahrung enthaltene Cellulose ga.nz unentbehrlieh: sic wirkt als meehaniseher Reiz zur BefSrderung tier Darmperistaltik. Und wie genau die Besehaffenheit des Darmrohres tier Nahrung bei den versehiedenen Thieren angepasst ist, das haben die vergleiehenden Untersuehungen yon Bab~ik I) und seine neuesten Experimente gezeigt, wonaeh sieh bei I(aulquappen, die aussehliesslieh mit Pflanzenkost (Algen) ernahr~ wurden, das Darmrohr zu einer vielfaeh grSsseren ]Ange entwiekelte, als bei gleieh alien Kaulquappen: die bei vorwiegend animaliseher Nahrung gehalten wurden. So stoekt aueh bei der eellulosefreien Fleisehkost bei Kaninehen die Darmperistaltik, es kommt zu starker Piiulniss des Darminhaltes, zu Entziindungserseheinungen und m6glieherweise Autointoxikationen, und die Tiere gehen raseh ein.

Naeh dem Beispiel yon v. I (n ier iem, gaben wit deshalb den Thieren zu der Fleisehnahrung Hornsp/ihne, welehe naeh den Unter- suehungen dieses Autors vollstiindig unverdaulieh sind und daher dutch ihre meehanisehen Eigensehaften die Holzfaser ersetzen k6nnen. Und sehliesslieh, als wir aueh mit dieser Versuehsanordnung noeh nieh~ zum Ziele kamen, fiitterten wir in einer weiteren Versuehsreihe die Kaninehen mit Fleisehmehl, welches gleiebfalls mit Hornsp/thnen versetzt, in ab- gewogener Menge den Thieren dureh Eidotter emulgirt in den Magen gegcben wurdc. Doeh immer traten dieselben Erseheinungcn auf, nut dass bei der letzten Versnehanordnung die Sehiidigungen des D;mnkanals sieh el~was spiiter einstellten.

Die stets zu beobaeh~enden Ver~tnderungen sind folgende: Das K6rpergewieht nahm - - zuweilen naeh einer kurzen Periode

des A n s t i e g s - unter Fleisehnahrung st~ndig ab. Der Koth wurde allmithlieh weieh, sp~ter diarrhoiseh. Der Ham verlor gleieh bei Beginn der Fleischnahrung seine alkalisehe

Reaction und wurde sauer. Seine Menge war gew6hnlieh etwas ver- ringert und sein spee. Gewieht vermehrL

Regelm/issig war im Ham bald naeh Beginn der Pleiseh- fiitterung Eiweiss zu finden, das (naeh Esbaeh gemessen) zuletzt his auf 20/00 stieg. - - Zueker und Harnsiiure waren niemals naehzuweisen, dagegen betr~tehtliehe Mengen salpetersauren Harnstoffs. Sehr frah sehon ~rat Indikan im Ham auf als Zeiehen der lebhaften F~ulnissvorg//nge im Darm.

Die N-Ausseheidung war yon Beginn der Fleischkost an stark ver- mehrt 7 die N-Bilanz aueh in den Tagen der starken Gewiehtsabnahme vor dem Tode stets positiv.

Der pathologiseh-anatomisehe Bcfund zeigte denn aueh regelm/issig

1) E. Babfik, Ueber den Einfluss d~r Nahrung auf die Lgnge des Darmcanals. Biolog. Centralbl. Bd. ?,3. S. 477 u. S. 519. - - Derse lbe , Experimentelle Unter- suchungen fiber den Einfiuss der Nahrung auf die Liinge des Darmcanals. Centralbl. f. Physiologie. Jahrg. 1905. Bd. XVIlI. No. 21.

1"

4 H. I ( i o n k %

die s(arkc Kotstauung und da, von abh/ingig schon makroskopisch im i)a,rm mannigfaehc Ersd~einungen der Entztindung.

Die folgenden bciden Protokolle mOgen als Beispiele aus diesen Versuchsreihen dienen.

P r o t o k o l l I.

l(aninehan _9_ 2450 g schwer, erhiilt t~iglich I(D g fettfreies, rohas Flaiseh, welchem vom 4. Tage ab llornsp~ihne zugesetzt werden. Das Thief frisst zungchst das Fleisch fraiwillig auf. Am 6. Tage liisst es etwas fibrig, am 7. und 8.Taga frisst as wieder gut: am 9. nnd 10. Tage nur wenig, veto 11. Taga ab verweigart es die Nahrung und ist am 13. Tage tot.

Tiiglichas KSrpergawieht: 2450, 2400, 2400, 2310~ 2300, 2290, '2230: 2330: 2170, 2070, 1870, 1770, 1680.

Obductionsbefund: Sp~irliehes Fettpolstar. In beiden Lungen zahlreicha punkt- fSrmige sehwarze Blutungen. Harz und grosse Gefgssa o .B . In der BauchhShle Gefiisse stark geRiilt, atle Organe sohr blutreich. Magen fast leer, sein Peritoneal- iibarzug o. B. Die Sehleimhaut gaschwollen: zeigt ziemlich zahlreiche his staeknadel- kopfgrosse rothbraune Flacken. Sia ist badeckt yon zghen: grauen sehleimigen Massen. Im Duodenum und oberan Theil des Jejunum Sehleimhaut gerSthat und ge- sehwollan. Der Inhalt ist eina fliissiga Masse ohne grSssera Schleimbeimengungan. hn oberen Thail des Diekdarms diasalba Schlaimhautvargndarung; er ist erfiillt yon einer zghan: sehmierigen, theerartigen: schwarzen Massa: welche sioh kaum yon der Sehleimhaut 15sen lgsst. Der untere Thcil des Dickdarms zeigt keine Vergnderungen und ist angetiillt mit einer schwarzen, ganz ziihan, ldebrigen Masse yon glasarldtt- arliger Consistenz. Leber, Niaran, Pankraas makroskopisch o. B.

P r o t o k o l l II.

I(aninehen ~ 1735 g sehwar.

1. Tag

3, ~ 4. .

6. . 7. ~

10. ,, 11. ,,

la. ,,

15. ,,

N a h r u n g

250 g gfiben 250 g ,, 250 g ,, 100 g Fleiscl~ ~-) + 2 g Ih:,rnspEhnc t00 g ,, + 4 g . . . . 100 g ,, + 4 g . . . . 100g ,, "t-4g ,, ,, 1 0 0 g ,, + 4 g ,, ,,

100 g ,, + 4 g ,, lOOg ,, + 4 g ,, ÷"1 Ei lOOg ,, + 4 g ,, + ,, lOOg ,, + , l g ,, 4 ,, IOOg ,, ÷ 4 g ,, 4 ,,

100 g ,, + 4 g !rod.

+

[ K'~ '1)

1735 1720 1730 1690 1700 1670 1655 1630

1570 1570 1550 1520 1450

1405 1320

I I a r n

I(oth Spee.

ecIl l I C~ew.

n°rmal Z Z i - - alkal" I -

I 2 ~ , lOlO - - 155 1012

wcnig 165 1014 sauer [ wenig ] 170 / 1014 lsauer rdc~{l., 200 1017 i - -

- - 194 1017 - -

- - 90 1018 weich 206] 1020

- - 1184 ]020 diar- ] 250 1015

:haisehi v - - ~ • '~ ?

1 i

Bemerkungen

d a u t l i e h lndikan.

- - - - Spur Eiweiss [ndikan, Eiweiss

. . . . (1/4 pM.) , , , , ( 1 / 4 p M . )

,, ( 1 pK)

. . . . ( 2 ~i.)

1) K. G. bedeutat in dan Protokollen KSrpergewichk 2) Das Fleisch wurde in Form yon Fleicbmehl gereicht. Das abgawogane, in

dar Maschina gahackte Fleisch wurda auf dam Wassarbade getrocknet und dann zu Mehl gepulvert. - - 100 g fi'isches Hackfleisch gaben etwa 30 g Pldschmehl.

Zur Pathogenese der Gicht. 5

Obduct ionsbefund: M~ssiger Fottreichthum. Brustorgane o.B. Bauch- organe sehr blutreich. Magenschleimhaut etwas geschwollen. Diinndarmschleimhaut geschwollen, nicht gerSthet, mit schleimigen griin gcf~rbten Massen bedeckt. Dick- darm, dessen Schleimhaut gleichfalls geschwollen und gerSthet ist~ enth~ilt z~ihe, schwarzbrauno, schmierige Massen, im unterstenTheile vereinzelteKothballen. Leber, Nieren, Pankreas makroskopisch o. B.

Auch die mikroskopische Untersuchung der Organe der versehiedenen Thiere zeigte iibereinstimmende Ver/inderungen. Abgesehen vom Darm- kanM waren fast immer aueh Leber und Nieren pathologiseh ver/indert. In beiden Organen fanden sieh die Zeiehen degenerativer und nekroti- seher Proeesse. Meist handelte es sieh um einzelne Herde, die in ihrem Innern zuweilen vollst/indigen Zerfall zeigten und keinerlei Zellstruetur mehr aufwiesen. Hgufig sah man namendieh in der Leber Fleeken, welehe unseharfe Zellgrenzen zeigten, die Kerne undeutlich oder garnieht mehr erkennen liessen~ w/thrend das Protoplasma kSrnig und anders als in den umgebenden normMen Gebieten gefitrbt war. Da sieh diese Stellen in ein und demselben Organ bet aufeinanderfolgenden Sehnitten dureh versehiedenartige Fgrbungen immer in derselben Weise siehtbar maehen liessen, so sind wohl aueh diese Partien als pathologiseh ver- 'Snderte Organstellen aufzufassen und nieht etwa als kiinstliche Produete ether ungleichmiissigen F'~rbung anzusehen. In der Leber, we man solehen Partien 5fret begegnete, sah das Gewebe bet sehwaeher Ver- grSsserung auf grosse Streeken wie gefleekt aus.

So sahen wir wohl in allen Fitllen bet den fleisehgefiitter~en Kanin- ehen immer wiederkehrend Veritnderungen gleieher Art in den versehie- denen Organen, namentlieh in der Leber auftreten; jedoeh halten wir uns nieht fiir bereehtigt diese Seh';idigungen als direete Folgen der Fleisehfiitterung aufzufassen, da die MSgliehkeit besteht, dass in Folge der Kothstauungen veto Darm aus giffige Produete der F/iulniss resorbirt werden und die beobaehteten Organselr;tdigungen veranlassten.

Dieser Einwand war jedoeh nicht zu erheben gegen die Versuehe~ welehe wit mit Fleisehfiitterung an MS usen anstellten.

Die wild lebenden M'~usearten sind sitmmtlich aussehliesslieh Pflanzenfresser mit kusnahme tier Hausmaus~ welehe sieh in ihrer Le- hens- und Ern/thrungsweise vollstgndig dem 3Ienschen angepasst hat. Diese ~domestieirte" M~useart und ihre weisse Spielart sind zu ausge- sproehenen Omnivoren geworden, undes war daher zu erwarten~ dass gerade diese Thiere sieh eher ether aussehliessliehen Floiseherniihrung gegeniiber widerstandsf~/hig erweisen wfirden.

Die M/~use wurden zu diesem Zweek einzeln in Glastriehtern ge- halten, deren t{ohr lose mit Glaswolle verstopft und deren weite Oeff- nung mit einem engmasehigen Drahtnetz versehlossen war. Das Futter wurde ihnen zuerst in einem in den Trichter geh/ingten kleinen Bleeh- trog gereicht. Wit wghlten diese Anordnung, well wit den Ham zum Zweek der Untersuehung in einem unter den Triehter gestellten Reagenz- glase auffingen und jedes Hineingelangen yon Theilen der Nahrung ver- meiden wollten. Die produeirten Harnmengen waren aber so gering, dass irgend welehe Priifungen dami~ kaum anzHstellen waren. Ausser-

6 It. Kionka,

dem warren bei jeder Anordnung des Futternapfes, dis wir versuchten, die 5Etuse regelm/issig das Futter heraus und hockten sieh selbst auf den Futternapf, den sit alsdann mit ihren Excrementen beschmutzten. Andererseits wurde durch die an den Boden des Triehters fallenden Fleisehtheilchen der abfliessende Harn verunreinigt, sodass er immer Blutfarbstoff, h'aulig Eiweiss etc. enthielt. Wit mussten daher auf fort- laufende Harnuntersuehungen verzichten.

Das 8tativ mit den l~I/iusek'afigen wurde an einem warmen Platze des Zimmers aufgestellt, und ausserdem wurden die Triehter iiber Naeht stets noeh in Watte gepackt~ um jede Sdradigung der M/iuse dutch Ab- kiihlung zu verhindern. Zweimal wiSehentlieh wurden dis Thiere gewogen. Sie zeigten s'ammtlieh veto Beginn der Fleisehfiitterung an G ewiehts- verluste. Zwei Thiere, welche besonders starken Gewichtsabfall auf- wiesen, wurden am 7. bezw. 9. Tage des Versuches mittelst Chloroform getSdtet. Die vier anderen M/iuse starben am 6, 8, 11. und 17. Tags.

W/thrend der ganzen Beobaehtungszeit war ausser der Gewichts- abnahme nights Auffallendes an den Thieren zu sehen. Besonders war auch der Koth bis zum Letzten Tage stets hart und geformt.

Bei tier Obduetion war makroskopisch an keiner der MiSuse etwas Pathologisches zu finden. Auch der Darminhalt zeigte genau die gleiche Uonsistenz wie bei den getOdteten mit gemisehtem Futter erni~hrten Con- trollm/~usen.

Hingegen gaben mikroskopiseh Leber und Nieren bei allen 6 Mitusen iibereinstimmend andere Bilder als diese Organs bei den Controllm/~usen. Aueh bier begegneten wir in jedem Sehnitte Stellen~ welche gegeniiber den versehiedenen angewandten F~irbungsarten gleiehm/tssig sine schleehte Tingirbarkeit aufwiesen. Die Zellengrenzen und Kerne waren in solehen Partien undeutlich oder garnieht zu sehen. Zuweilen war das Proto- plasma stark gekBrnt, dis Zellen (der Leber) sahen triibe und ge- sehwoilen aus. In manehen Organen fanden sieh deutlieh vet%ttefe Herde, in denen dis Zellen ganz mit Petttropfen angefiillt waren. Auch gffSssere nekrotische Herde waren manehmal zu sehen, in deren Innerem nut Zelltriimmer und Blutfarbstoff, aber keinerlei Struktur mehr zu er- kennen war. Zuweilen ersehien an derartig veritnderten Stellen das Bindegewebe gegeniiber der Umgebung vermehrt.

hn Allgemeinen waren die pathologisehen Veritnderungen in der Leber h/tufiger und intensiver als in den Nieren.

Nach Allem miissen wir die beobachteten Ver/tnderungen in den Leberzellen und Nierenepithetien als dis Zeichen mehr oder weniger welt vorgesehrittener degenerativer und nekrotiseher Proeesse anspreehen, l)a sich dieselben in den Organen der getgdteten Controllmiiuse nieht fanden, so miissen wir sis als Folgen der den 6 Mitusen gemeinsamen SeMdi- gung~ d. h. tier Fleischfiitterung auffassen.

Wir sehen also, dass durch dis gleiche SeMdigung der aussehliess- lichen Fleisehfiitterung bei den urspriinglieh herbivoren M'ausen dieselben Organs betroffen werden, wie bei den von Hause aus carnivoren Hunden. Vielleieht diirfen wir aueh die an den Kaninehen beobaehteten Organ- seh'adigungen trotz des obcn erwiihnten Einwm'fs als auf gleiche Weise

Zur Pathogenese der Gicht.

entstanden beurtheilen. Bei den Hiihnern, die naek aussehliesslieher Fleisehfiitterung in Leber und Nieren gleiehartige Ver~nderungen zeigten, traten gleichzeitig Harnsitureablagerungen verschiedener Art auf - - das charakteristisehe Symptom der Gicht. Bei den zu den Fiitterungs- versuchen benutzten S/i.ugethierarten war davon nichts zu sehen, doeh sind Uratablagerungen bei diesen Thieren iiberhaupt nieht hekannt und daher ist ihr Auftreten auch nieht zu erwarten.

Solehe Uratablagerungen treten aber bei der Gieht des Mensehen auf 7 u n d e s liegt daher nahe naeh Analogien zu suehen zwisehen den Organseh/tdigungen, die dureh eine aussehliessliehe Fleisehnahrung bei S'/iugern wie bei V6geln hervorgerufen werden und den Erseheinungen, die beim Mensehen im Verlaufe tier G ieht auftreten. Wird doeh yon jeher fibermii.ssiger Fleisehgenuss als ein das Entstehen der Gieht be- ganstigendes Moment aufgefasst.

Wit haben sehon in der Arbeit yon Koehmann~) den Versueh ge- maeht, solehe Analogien zu finden. Es wurde darauf hingewiesen, class dutch iibermiissige Fleisehzufuhr einerseits ein Material dem K/irper reichlieh geboten wird, bei dessen Abbau aueh vornehmlieh Harnsii.ure entsteht; andererseits werden abet dureh diese Erniihrungsweise zwei Organe geseh/idigt, die ganz besondere Beziehungen zur Harns/ture haben: die Nieren, denen die Ausseheidung, und die Leber, weleher vor allem die Zerst6rung dec Harns~ure obl[eg~. So kiinnte es, da auf der cinch Seite dutch die Art der Nahrung die Harns'~ureproduetion stark ver- mehrt~ auf der anderen Seite dureh die Seh~digung der beiden Organe die Zerstiirung und Ausseheidung unter die Norm vermindert w/iren, leieht zu einer Harns/turestauung im Organismus kommen, als deren Polgen beim Mensehen die Uratablagerungen auftreten.

Danaeh wiirde also aueh bei der Arthritis utica des Mensehen der Sitz der primiiren Erkrankung in Leber und Nieren zu suehen sein. Man wtirde also erwarten kiSnnen, dass in jedem Falle yon mensehlieher Gieht eine Erkrankung dieser beiden Organe zu linden sein masse. Es werden ja auch fast bei allen F'~llen mensehlieher Gieht die Nieren erkrankt sein, u n d e s gehiirt, wie Minkowsk i °-) sagt, ,geradezu zu den Ausnahmen, wenn diese Organe bei dec Sektion eines Giehtisehen voll- kommen normal gefunden werden."

Anders liegen die Verh/tltnisse bei der Leber . In allen den hiiufigen Fifllen, in denen die Gieht als Folge yon Alkoholismus oder ehroniseher B[eivergiftung auftritt, ist ja wohl regelm/tssig neben den Nieren aueh (lie Leber erkrankt. Aber in den zahlreiehen anderen Piillen, in denen die Gicht nieht als Folge einer derartigen Vergiftung aufzufassen ist, ist h~ufig die Leber anseheinend ganz normal. Wohl ist sehon oft yon Klinikern auf die cngen Beziehungen zwisehen Gieht und Leber ]fin- gewiesen worden, sahen doeh die ~flten Aerzte und sp/iter aueh mit klareren Vorstellungen Cha reo t u. a. die 6icht geradezu als das Ergeb- niss einer funetionellen St6rung der Leher an. Und aueh spiiter kehrt

l) M. Koch man n , t. c. 2) O. Minkowski , Die Gicht. Wien 1903.

8 tl. Kionka,

diese Ansicht immer wieder. So sagt v. Leube~) 1896 in einer Fest- rede: ,Vielleieht liegt die Hauptursaehe der Gieht in einer Stiirung der TMtigkeit der Leber, in dem die hier unter normalen VerMltnissen er- l'olgende [Jmwandlung eines grossen Theiles der H~rnsiture in Harnstoff nothleidet . . . . . a

Indesscn wird auf dem Seotionstisch die Leber beim Gichtike 5 ab- gesehen von den oben erwghnten Fii~llen ehronischer [ntoxikagion 7 doch hgufig ganz normal gefunden, wenngleieh erst kiirzlich Ebs te in -~) darauf hingewiesen hat, dass eirrhotische Ver'~nderungen der Leber~ wobei die sog. hypertrophische Lebereirrhose ganz vornehmlich in Frage komlnt, bei Gieht welt Mufiger zu flnden sind, als gew6hnlich angenommen wird.

Dass aber thats'/iehlieh trotz schwerster gelenkgicht und starken Degenerationen in den Nieren die Leber anatomisch vollkommen normal sein kann~ konnte ich aus einem Befunde sehen, den ieh der Liebens- wiirdigkeit des Herrn Geheimrath Marchand in Leipzig verdanke. Der- selbe schiekte mir auf racine Bitte, mir gelegentlieh frische Organe you Giehtikern zu semen, die Nieren, ein Stack Leber und die stark affi- cirten Gelenkenden eines solchen. Die Uratablagerungen an den Ge- lenken (iinkes Knie und Talus) waren recht betritchtlich, und die Nieren zeigten in Mark und RiMe massenhafte Zelldegenerationen und starke Bindegewel)swueherungen, desgleiehen aueh Uratablagerungen, kurz das typisehe Bild der ~Gichtniere a. Dagegen bet die Leber makroskopiseh und mikroskopisch ein vollkommen normales Bild.

Wit sehen also, dass die Entwieklung sehwerer Gieht durchaus nicht an eine pathologiseh-anatomisehe Ver'~nderung tier Leber gekn~ipft ist. Doeh ist das Auftreten einer siehtbaren m a t e r i e l l e n Sehi tdigung des Lebergewebes aueh gar nicht fiir das Zustandekmnmen tier Gieht nach unserer oben ausgesprochenen Vermuthung notwendig. Wit miissen nut an der Annahme einer f u n c t i o n e l l e n Sehfidigung der Leber bei der Gieht fcsthalten. Nun ist ja der viillige oder theilweise Ausfall bestimmter Functionen in einem Organe, das starke ZellseMdigungen aufweist, selbstverst/~ndlieh. Abet es steht aueh niehts im Wege, irgend ein Deficit tier Funetionen in einem Organe anzugehmen, das anatomiseh und histologisch vollkommen normale VerMltnisse aufweist. Die An- nahme eines solchen Ausfalles yon Funetionen erseheint besonders plau- sibel in jenen Fiillen der ererbten Gieht, (lie ja Mufig schon in jungen Jahren in Erseheinung" tritt. Diese ~eongenitale GiehO ~ wird yon vielen Klinikern streng abgesondert yon jenen F~llen der ,~aequirirten Gieht a, als deren Paradigma wir die ~toxisehe :~ (Alkohol-, Blei-) Gicht ansehen miissen und wozu wit wohl auch die dutch eine tippige und unzweek- m'/issige Erniihrung erworbene Gieht reehnen diirfen. Naeh dem oben Gesagten und in friiheren Abhandlungen zum Ausdruek Gebraehten, glauben wit zwei Faktoren als hierbei besonders mitwirkend anspreehen

1) W. v. Leube, Ueber StoffwechselstSrungen und ihre Beldimpfung. Rec- toratsrede Wiirzburg 1896.

2) W. Ebstein, Gicht. Die deutscheKlinikamEingang des XX.Jahrhunderts. Bd. IlL S. 130.

Die gallontreibende Wirkung der ,Gichtmittel ~. 9

zu miissen: die iiberm'/issige Fleisehnahrung und eine zu seltene Nahrungs- aufnahme. Als unterstfitzend kommen h'/tufig noeh hinzu: Alkoholgenuss und mangelnde Muskeltlr/ttigkeit.

Es handelt sieh~ wie Minkowski in seinem oben sehon erw/thnten klassisehen Werke aussprieh~, bei der Gieht um Vorg/inge ganz be- stimmter Art, die aueh in bestimmten Organen und bestimmten G ewebs- elementen loealisirt sein mfissen. M6gen nun aueh diese Vorg'/inge wobl nicht so einfaeher Art sein, wie sic in der Kochmannsehen Arbeit zuMehst dargestellt wurden, so ist es uns doeh naeh dem Ausfall unserer Fleisehffitterungsversuehe h6ehst wahrseheinlieh, dass die zuntiehst in Prage kommenden Organe die Nieren und vor allem die Leber sind. Dafiir spreehen aueh versehiedene yon uns auf anderem Wege erbobenen llefunde~ fiber die in den folgenden Arbeiten beriehtet wird.

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Die gallentreibende Wirkung der ,,(]ichtmittel."

Von

H. Kionka.

Unter den Arzneimitteln, welche gegen die Gieht zur Anwendung kommen, kann man drei Gruppen unterseheiden. Die eine umfasst die- jenigen Mittel, welehe nut symptomatiseh gereieht werden wid die sehmerzstillenden, antineuralgiseh wirkenden und die Abffihrmittel. Mit der Einffihrung der Mittel aus tier zweiten Gruppe versuehte man die LSsungs- und Ausseheidungsbedingungen ffir die Harns/ture zu verbessern, so dureh Darreiehung ton Alkalien oder organisehe harnsiiurel6sende Basen: Piperazin~ Lycetol, Lysidin etc. Hierher sind auch das Urotropin und - - wenigstens lag seiner therapeutisehen Einffihrung ein derartiger Gedanke zu Grunde! - - der Harnstoff zu reehnen. Die dritte Gruppe sehliesslieh umfasst eine Anzahl yon Mitteln~ denen mtm bestimmte speeifisehe Einwirkungen auf den Verlauf der Gieht oder wenigstens auf den Harns'/iurestoffweehsel zusehrieb. Diese Mittel sind das Colehicin~ (lie Chinas~ure und ihre Verbindungen bezw. die Benzot~saure und die Salieylpriiparate.

Ffir die Mittel der letztgena.nnten Gruppe ersehien es mir t~ussiehts- reich, naeb irgendwelehen gemeinsamen Wirkungen zu suehen~ die fiber die Art und Weise ihres Verbaltens im Organismus Aufsehluss geben k6nnten.

Man hat ja sehon stets naeh Erkl/trungen fiir die klinisch beobach- teten giinstigen Wirkungen dieser Mittel bei der Gieht gesueht. - - Far das Colehiein liegt bekanntli~'~h keine einzige befriedigende Erkl~rung vor. --- Fiir die Salievls/ture und ibre Pr/iparate wird yon vielen Seiten

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