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Glykokoll und Itarnstoff in ihren Beziehungen zur Harnsiiure. 17 Es ist also auch bei der yon Falkenstein vorgeschriebenen Therapie die Erzielung einer cholagogen Wirkung anzunehmen. Schliesslich mSge noch darauf hingewiesen werden, dass von den Nahrungsmitteln vor Allem dem Pleisch cholagoge Wirkungen zu- kommen. Von manchen Klinikern wird behauptet, dass im Gegensatz zu den in der vorstehenden Arbeit niedergelegten Ansehauungen Fleisch- kost Gichtikern recht gut bek/ime. Vielleicht is+ an dieser Empfehlung die gallentreibende Wirkung des Fleisehes sehuld. Jedenfalls werden, wie wir gesehen haben, durch fast alle tier ge- br/~uehliehen Oiehtmittel Vorgiinge erregt, die sieh in der Leber ab- spielen. Wie wir in der vorstehenden und in friiheren Arbeiten darzu- legen versueht haben, fiihren andere Ueberlegunge+ zu der Vermuthung; dass die Erscheinungen der Gicht vor Allcm ihre Ursache in VoN~ngen in der Leber haben. Es liegt nahe, diese Dinge mit einander in Ver- bindung zu bringen. Indessen ist dazu nothwendig festzustellen+ ob wir es bei der gallentreibenden Wirkung der untersuchten Mittel wirklich mit einer Beeinflussung der Gallenbildung zu tbun haben oder ob cs sieb nicht nut um eine Vermehrung des Wasser- und Sa]zgehaltes der Galle unter dem Einfluss dieser Mittel handelt. Friihere Untersuehungen: namentlieh yon Mandelstamml), ma.ehen diese Annahme sehr wahr- seheinlieh. Es war daher unsere Aufgabe durch quantitative Unter- suchungen der unter dem Einfluss dieser Mittei entleerten Galle hieriiber Rlarheit zu sehaffen. Herr Dr. Frey, welcher diese Untersuchungen angestellt hat~ wird im Folgcnden iiber den Ausfall derselben berichten. . (ilykokoll und Harnstoff in ihren Beziehungen zur Harnsiiure. Eine Theorie der Oicht. Von H. Kionka. Wie die vorstehcnden Untersuchungen zcigen, spricht Vieles dafiir, dass es sich bei der Gicht um FunctionsstSrungen handelt~ welchc ihrcn Sitz vornehmlich in der Lebcr und woM auch in den Nieren haben. Es ist ferncr wahrscheinlich, dass eine derartige angenommenc Functions- stSrung Beziehungen haben miisstc zur Harns~ure. Zeigt diese ja gerade beim Gichtikcr ein bedeutend anderes Verhalten als in der Norm. Schon immer isL n+ch Stoffen gesucht worden, (lie im Orga,nismus Harns/i~ure binden und dabei leicht 15stiche und deshalb leicht ausscheid- 1) C. Mandelstamm, Ueber den Einflnss einiger Arzneimittel aufSecretion und Zusammensetzungder Galle. Inaug.-Disscrt. Dorpat. 1890. Zeitschrift f. exp. Pathologic u. Therapie. 2. Bd.

Beiträge zur Kenntniss der Gicht

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Glykokoll und Itarnstoff in ihren Beziehungen zur Harnsiiure. 17

Es ist also auch bei der yon F a l k e n s t e i n vorgeschriebenen Therapie die Erzielung einer cholagogen Wirkung anzunehmen.

Schliesslich mSge noch darauf hingewiesen werden, dass von den N a h r u n g s m i t t e l n vor Allem dem Ple i sch cholagoge Wirkungen zu- kommen. Von manchen Klinikern wird behauptet, dass im Gegensatz zu den in der vorstehenden Arbeit niedergelegten Ansehauungen Fleisch- kost Gichtikern recht gut bek/ime. Vielleicht is+ an dieser Empfehlung die gallentreibende Wirkung des Fleisehes sehuld.

Jedenfalls werden, wie wir gesehen haben, durch fast alle tier ge- br/~uehliehen Oiehtmittel Vorgiinge erregt, die sieh in der Leber ab- spielen. Wie wir in der vorstehenden und in friiheren Arbeiten darzu- legen versueht haben, fiihren andere Ueberlegunge+ zu der Vermuthung; dass die Erscheinungen der Gicht vor Allcm ihre Ursache in VoN~ngen in der Leber haben. Es liegt nahe, diese Dinge mit einander in Ver- bindung zu bringen. Indessen ist dazu nothwendig festzustellen+ ob wir es bei der gallentreibenden Wirkung der untersuchten Mittel wirklich mit einer Beeinflussung der Gallenbildung zu tbun haben oder ob cs sieb nicht nut um eine Vermehrung des Wasser- und Sa]zgehaltes der Galle unter dem Einfluss dieser Mittel handelt. Friihere Untersuehungen: namentlieh yon Mande l s t amml) , ma.ehen diese Annahme sehr wahr- seheinlieh. Es war daher unsere Aufgabe durch quantitative Unter- suchungen der unter dem Einfluss dieser Mittei entleerten Galle hieriiber Rlarheit zu sehaffen. Herr Dr. F r e y , welcher diese Untersuchungen angestellt hat~ wird im Folgcnden iiber den Ausfall derselben berichten.

.

(ilykokoll und Harnstoff in ihren Beziehungen zur Harnsiiure. Eine Theorie der Oicht.

V o n

H. Kionka.

Wie die vorstehcnden Untersuchungen zcigen, spricht Vieles dafiir, dass es sich bei der Gicht um FunctionsstSrungen handelt~ welchc ihrcn Sitz vornehmlich in der Lebcr und woM auch in den Nieren haben. Es ist ferncr wahrscheinlich, dass eine derartige angenommenc Functions- stSrung Beziehungen haben miisstc zur Harns~ure. Zeigt diese ja gerade beim Gichtikcr ein bedeutend anderes Verhalten als in der Norm.

Schon immer isL n+ch Stoffen gesucht worden, (lie im Orga,nismus Harns/i~ure binden und dabei leicht 15stiche und deshalb leicht ausscheid-

1) C. Mandelstamm, Ueber den Einflnss einiger Arzneimittel aufSecretion und Zusammensetzung der Galle. Inaug.-Disscrt. Dorpat. 1890.

Zeitschrift f. exp. Pathologic u. Therapie. 2. Bd.

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18 H. Kionka,

bare Verbindungen darstellen. Es ware mSglich, dass sich der KSrper mit Hilfe soleher Stoffe vor den Schadlichkeiten tier Harnsaure schiitzen und sich ihres Ueberschusses rasch entledigen kSnnte.

Indessen kSnnte dieser problematisehe ,Schutzstoff" gegen die Sehad- lichkeiten der Harnsaure auch anders geartet sein. Es ist durehau~ nicht nSthig~ dass, wie die meisten Autoren annehmen, die Verbindung der Harnsaure mit diesem Stoffe eine sehr fes te sei. Es kame nut darauf an, dass sic sieh sehr leieht bilde: damit ein zeitweiliges ,Zuviel" an Harnsaure gewissermassen sehnell abgefangen wiirde. Auch wenn eine solche Harnsaureverbindung ausserst labil ware und leicht wieder zerfiele, so w~re dutch ihr Entstehen doch schon Nutzen geschafft. Denn far eine gewisse Zeit ware ein Theil der Harnsaure mit Beschlag belegt, der Organismus gewanne Zeit sich vonder iibrigen zu befreien oder sie anderweitig unsch~dlich zu maehen. Auf die mehr oder weniger grosse LSsliehkeit dieser problematischen Verbindung kame es demnach garnicht einmal an.

Dies war ungefahr der G edankengang, mit dem ich an diese Frage herantrat.

Ich suchte zunachst anlehnend an meine friiheren Untersuchungen naeh Stoffen, welche normaler Weise in der Leber vorkommen und die mSglieher Weise mit Harnsaure in Verbindung treten kSnnten.

Zuerst wandte ich reich an das Glykoko l l , das ja in der Leber des Mensehen entsteht. Auf diesen Gedankengang wies reich u. a. das eigenartig vertheilte Auftreten dieser Substanz bei den verschiedenen Thierarten. Das Glykokoll fehlt vollstandig den VSgeln, also den Thieren 7 bei denen die Harnsaure als alas hauptsaehlichste Abbauproduct der N-haltigen Substanzen auftritt und "die deshalb wohl in anderer Weise als die ,Harnstoffthiere" gegen eventuelle Schadliehkeiten eines Harn- saureiibersehusses gesehiitzt sein werden. Unter den S/~ugethieren sehen wir bei den reinen Fleischfressern, die infolge ihrer Nahrung eine hShere Harnsaureproduction haben, als Gallensaure fast nur Tauroeholsaure und keine Glykochols~ture auftreten. - - Es lag' daher nahe irgendwelehe Be- ziehungen zwisehen Glykokoll und dem Auftreten der Harnsaure anzu- nehmen.

Eine Verbindung yon Harnsaure mit Glykokoll hat bekanntlieh schon vor Jahren Hor s fo rd in Liebig 's Laboratorium dargestellt. Indessen ist es His ~) nicht gelungen, diese Verbindungen naeh den ¥orschriften H o r s f o r d ' s zu gewinnen. Er h/ilt deshalb diese Verbindung fiir apo- kryph.

Ieh ging auf einem anderen Wege vor. Glykokoll geht mit Alkali in molecularem Verhaltniss leieht Ver-

bindungen ein, welche feste chemisehe Individuen darstellen. Diese Sub- stanzen sind schSn krystallisirende KSrper, ihre LSsungen reagiren alka- liseh. Dass es sich hierbei um einheitliehe ehemisehe Substanzen han- delt, welehe aueh in ihren LSsungen nieht dissoeiirt werden, ergaben mir

1) W. His, Die harnsauren Ablagerungen des KSrpers und die Mittel zu ihrer LSsung. Die Therapie der Gegenwart. 1901. S. 434.

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verschiedene Gefrierpunktsbestimmungen~ die ich an derartigen LSsungen anstellte.

Der chemisehe Vorgang, welcher sieh bei tier Bildung dieser KSrper abspielt, ist wohl folgender:

Die Amidoessigsiiure entMlt eine basische und eine saute Gruppe: NH2. Clio.. COOH: die sich wahrscheinlich im 3[olec~l gegenseitig ab-

(basisch) (sauer)

s~ttigen NH 3 . CHo. CO0, sodass alas Glykokoll als intramoleculares I I

Salz zu betrachten ist. Beim geringsten Zusatz eines Alkalis wird nun unter Aufspaltung des Ringes die saute COOH-Gruppe abges~ittigt~ so- dass die stark basischen Eigenschaften der NHo_-Gruppe frei werden. Mit anderen Worten: die Amidoessigs/ture wird dutch den geringsten Alkalizusatz eine Art Amin oder Ammoniak; daher bestehen much grosse Aehnlichkeiten im ehemischen Verhalten dieser Glykokollalkali- salze mit Ammoniak; sic 15sen Silberoxyd~ geben Feh l ing ' sehe LSsung U. S. W.

Diese GlykokollalkalilSsungen 15sen aber anch Harns~iure im mole- cularen VerMltniss: Setzt man zu solch einer LSsung frischgef/tllte Harn- st/ure vorsichtig zu, so 15st sich dieselbe, withrend gleichzeitig die ur- spr/inglich stark alkalische Reaction der LSsung in die neutrale/ibergeht. Ist dies erreicht, dann 15st sieh keine welter zugesetzte Harns/ture. F/tllt man aus dieser neutralen LSsung die Harns/iure wieder mittels Salz- s/ture aus, so ergiebt sich, dass die LSsung entsprechend dem molecu- larch VerMltniss stattgefunden hat.

Man kSnnte nun annehmen, dass hierbei eine chemische Verbindung des Glykokollalkalisalzes mit der Harns/ture entstanden w~tre. Diese Frage kann man entseheiden dutch Verwendung des o-Nitrophenyl- ~'-Milchstturemethylketon als Reagens~ worauf ieh yon Herrn Dr. Ho- m o l k a aufmerksam gemaeht wurde, dem ich much das betreffende Reagens verdanke. Bei Verwendung desselben ergiebt sieh folgendes:

1. Glykokoll-Lithium NH2. CH2. COOLi reagirt alkalisch auf Curcuma 7 jedoch nicht alkalisch auf ,Milchs/iureketon" (wie ich das Reagens kurz nennen will).

2. Das Monolithiumsalz tier Harns//ure CsHaN4OsLi reagirt neutral, das Dilithiumsalz dagegen sowohl auf Curcuma als auf Milchs/iureketon alkalisch.

3. Die Vereinigung molecularer Mengen yon Harns/ture und Glykokoll- lithium reagirt neutral. Dies ltisst sich in doppelter Weise deuten: Entweder:

a) es findet bei tier Vereinigung yon Harns/ture mit Glykokoll- Lithium Doppelumsetzung zu harnsaurem Lithium trod Glykokoll statt~ im Sinne der Gleichung:

CsH4N403 -]- NH~. CH2. C00Li -~ CsHaN403Li -]- NH 2 . CH2. C00H. Versetzt man in diesem Fall das geactionsproduct mit 1 Molekiil

Li0H, so muss Glykokoll-Lithium entstehen, w e l c h e s - nach 1 - atkalisch auf Curcuma, aber nicht auf Milchs~iureketon reagirt. - - 0der

2*

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20 H. Kionka,

b) es finder eine chemische Vereinigung yon Harns/iure mit Glyko- koll-Lithium zu einem Komplex

C~H4N308(NH2)CH z . C00Li statt; alsdann muss ein welter zugefiigtes Moleetil Li0H alkalische Re- action sowohl auf Curcuma als auch auf Milchs~ureketon erzeugen.

Der Versuch hat fiir die erstere MSglichkeit entschieden: die zu- gesetzte Harns~ure nimmt aus der Glykokollalkaliverbindung des Alkali in Beschlag: des Glykokoll wird frei.

Dasselbe ergaben auch die Bestimmungen des Gefrierpunktes. W/~hrend eine LSsung yon 0~5 g Li0H und 1:7 g Glykokoll (ungef/ihr moleculare Verh~ltnisse) in 170 H20

A = - - 0:240 gab: fend ich naeh Zusetzen yon Harnsiture bis zur neutralen Reaction

= __ 0:290 Des heisst: w/ihrend vorher in der LSsung 0:129 Molen im Liter ent- halten waren, entspraeh die Gefrierpunkfserniedrigung jetzt einem Gehalt yon 0~156 Molen im Liter: also 0,027 Molen im Liter mehr.

Es entsteht also auch auf diesem Wege keine Verbindung zwisehen Harns£ure und Glykokoll im Sinne yon H o r s f o r d .

Jedoch konnte ieh eine andere Beobachtung an diesen LSsungen yon Harns~ure in Glykokoll-Alkali maehen.

Versetzt man eine LSsung yon neutralem harnsaurem Alkali (Dial- kaliurat) mit SodalSsung, so bildet sieh bekanntlieh allmi~hlieh des sehwerer 15sliehe saure Salz (Monoalkaliurat) und f~llt aus. D i e s e r V o r g a n g ve r l i i u f t e r h e b l i e h s e h n e l l e r bei A n w e s e n h e i t yon G l y k o k o l l , wie mir sehr zahlreiche Versuehe in den verschiedensten Variationen regelmSssig ergaben. Folgendes Protokoll mSge als Bei- spiel dienen:

Protokoll.

LSsung I.: O,5g LiOH in 170 H20. LSsung [[.: 0,5 g LiOH -t- 1,6 g Glykokoll in 170 [t20. Beide LSsungen werden mit HarnsKure im Uebersehuss versetzt und 2 Tage im

Brutsehrank be[ 37° C stehen gelassen: alsdann filtriert. Hiervon werden a) je 25 ecru mit der g!eiehen Menge einer 5 proc. SodalSsung versetzt. b) der Rest des Filtrates bleibt often an der Luft stehen~ um dem Einfluss des

geringen Kohlens~imegehaltes der Luft ausgesetzt zu werden. Die Beobaehtung dieser 4 LSsungen ergab Folgendes:

[a.

Nach 17Min.: klar, kein Niedersehlag. , 27 :~ Die LSsung ist klar, tin

sohwaeher Niederschlag ge- rade angedeutet.

, 16 Std.: Am Boden ein starker Nie- dersehlag, seine WS~gung ¢rgiebt: 0~3158 g.

IIa.

DieOberfl~che zeigt eine leichte Triibung. Die LSsung ist yon grossen geballten

Flocken erfiillt.

Die LSsang ist yon flookigen Massen er- fifllt, die z. Th. am Boden liegen. Der gesammte Niederschlag gewogen ergiebt 0:3032 g.

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Glykokoll und Harnstoff in ihren Beziehungen zur Harns~iure.

tb.

Nach 16Std.: Die LSsung ist ganz klar.

5Tagen: Die LSsung ist durch ein- zelne kleine Flocken schwach getrfibt, am Boden ein schollenfSrmiger Nieder- schlag (wie Papiorstiick- chert).

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l ib .

Die LSsung ist dutch grSssere Wolken stark getriibt.

Die LSsung ist vollst~ndig von dicken Flocken orfiillt.

Wie aus diesem Versuchsbeispiel zu ersehen ist, wird das Ausfallen der Harns/ture bezw. des sauren Urates deuflich durch die Gegenwart yon Glykokoll beschleunigt. Indessen ist dies nur im Beginn des Processes tier Fall. Nach 16 Stunden ist bereits bei den mit Soda versetz~en LSsungen kein Unterschied in den ausgef~llten Massen mehr zu sehen. Je langsamer der Process der Ausffillung an sieh verl~iuft, desfo deut- licher kommt - - wie bei den LSsungen Ib und Hb - - die besehleuni- gende Wirkung des Glykokolls zur Erscheinung.

Gerade im e n t g e g e n g e s e t z t e n Sinne ist der H a r n s t o f f wirksam.

Zu Versuchen mit dieser Substanz wurde ich durch die friiheren Untersuchungen Riidel 's I) veranlasst, welcher zu der Annahme einer Verbindung zwischen Harnstoff und Harns~ure gekommen war. Ich konnte indessen seine Angaben ebensowenig best/itigen wie His"-).

Dutch zahlreiche Versuche kam ich aber zu dem Befunde, dass alas Ausfallen des sauren U rates aus urspriinglich neu~ralen UratlSsungen in hohem Grade durch Harnstoff verzSger t wird. Diese Wirkung ist noch ausgepr~gter als die oben gesehilder~e enfgegengesetzte des Glykokolls.

In dem folgenden Versuche, dessert Wiedergabe diese Angabe be- st~tigen soll, wurden durch Einfiillen der bert. LSsungen in Esbachsche RShrchen, wie sie klinisch zur Eiweissmessung im Harn verwandt werden, versueht ein ungefS.hres Maass fiir die ausgefatlenen Uratmengen zu be- kommen. Natiirlich wurden 2 RShrchen beniitzt, deren r/iumliehe Maasse miteinander absolut iibereinstimmt~n.

Protol~ol l .

LSsung I. : 0,5 g LiOtt in 170 H20 L5sung II. : 0,5 g LiOH 2 l- 17,0 g Harnstoff in 170 H20. Beide LSsungen werdon mit Harns~ure im Ueberschuss versetzt und 4 Tage im

Brutschrank boi 37 o C stehen gelassen, alsdann filtrirt. Hiervon worden je 1 Esbach- rShrchen bis zur Marke ,U ~: geffillt. Dann wird in beiden RShrchen bis zur Marke ,,R" mit 5 proc. SodalSsung aufgefiillt.

Die Beobachtung der beiden RShrchen ergab Folgendes:

1) G. Rf idol , Zur Kenntniss der LSsungsbedingungen der Harns~iure im Ham. Arch. f. expor. Pathol. u. Pharmakol. Bd. XXX. S. 473.

2) His , 1. c.

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22 H. Kionka,

I.

Nach 2 Std.: bis zur Marke ,,1/4 pM." Alles triibe.

~ I Tage: dichte, fiockige Triibung bis zur Marke ,3 pM."

, 2 ~ ebenso; Trfibung etwas d[ehter.

,, 8 ~ l~iederschlag gesammelt u. gewogen ergiebt 0~54 pCt.

II.

LSsung vollkommen ldar.

ldeinflockig getriibt ,1/4 pM."

ebenso.

bis zur Marke

Niedersehlag gesammelt und gewogen ergiebt 0,27 pCt.

Es war also in der mit Harnstoff versetzten LSsung auch noch nach 8 Tagen erst die H~ilfto soviel Urat gefallen als in der Controlll5sung.

Im Vergleich mit den mit Glykokoll versetzten LSsungen tritt der Unterschied in der Schnetligkeit des Ausf~llens noch deutlicher hervor~ z. B.:

Protokol l .

LSsung I: 0,5 g LiOH in 170 H,O. LSsung ti: 0,5 g LiOH -37 1,7 g Glykokoll in 170 It20. LSsung Ill: 0,5 g LiOH -~- 17 g Harnstoff in 170 H20. Alle 3LSsungen wio ira vorigenVersuch behandelt; davon je 25ecru mit gleichen

Theilen 5prec. SodalSsung versetzt. Die Probon zeigen nach 12 Stnndon: LSsung I: eine Haut am Boden dos Gefiisses.

, II: dicke gefaltete H~ute an der Oberfl~ehe, z. Th. schon zu Boden gesunken.

IlI: vereinzelte kleine Stippchen an der 0berfl~che.

Oder bei Zusatz von mehr Glykokoll:

Protokol l . LSsungen 1, lI, III wie oben angesetzt und behandelt; nur enthiilt LSsung II

statt 1 pCt. dieses Mal 10 pCt. Glykokoll. Schon 1 Stunde nach dem Ansetzen zeigen sich folgende Unterschiede: LSsung [: an der Oberfi~iche einzelne Sterne.

, lI: dicke Trfibung~ dicker Satz am Boden und an den R~ndern des GefEsses.

~ II[: vollkommen klar.

Es h a t s ich a l so e r g e b e n , dass in a l k a l i s c h e n L S s u n g e n yo n ( n e u t r a l e m ) D i a l k a l i u r a t das A u s f a l l e n yon ( s a u r e m ) M o n o - a l k a l i u r a t d u r c h G l y k o k o l l b e s c h l e u n i g t , d u r c h H a r n s t o f f auf- g e h a l t e n wird.

Die physikalisch-chemischen Vorg/inge, welche sich hierbei in den Harns/iurelSsungen abspielen, sind yon Dr. F r e y untersucht. Er wird im Folgenden dariiber berichten.

Es ist wohl anzunehmen, dass Glykokoll und Harnstoff dieselbe Rolle der Harns/~ure gegeniiber auch im Organismus spielen. Zwar tritt die Harnsiture dort sicher nicht als neutrales Dialkaliurat auf, abet die Form, in der sie im Blute und in den Geweben gebunden ist, kennen wir vorlitufig noch nicht. Da aber die Harns/iureablagerungen im Or- ganismus aus saurcm Monoalkaliurat bestehen, so diirfen wir wohl fiir

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diese noeh unbekannte Harns~ureverbindung im Blute~ aus deren Liisungen diese abgelagerten Urate ausgefallen sind, analoge Verh~ltnisse annehmen, wie sic fiir das Dialkaliurat in alkalischen Liisungen gegeben sind.

Es wiirde also der H a r n s t o f f im Organismus die Rolle eines solehen problematischen :,Schutzstoffes ~ der Harns/iure gegenfiber spielen, der~ wenn er auch keine directen Verbindungen mit der Harns/ture eingeht, doch derartige~ wie eingangs besprochene Eigenschaften besitzt, dutch die er das Eintreten yon Sch/~dlichkeiten yon seiten der Harns/~ure verz6ger t .

Soweit war ich mit meinen Untersuehungen gekommen, als die Arbeit yon I g n a t o w s k i 1) aus der II. 5[finchener medicinischen Klinik (Prof. Ft. Miiller) fiber das Vorkommen yon Aminos/iuren im Harn~ besonders bei Gieht~ erschien. Danaeh seheidet der Giehtiker (und ebenso der Leuk/~miker) betr/ichtliehe Mengen yon Glykokoll im Harn aus~ withrend der normale menschliche Harn h@hstens Spuren von Aminosiiuren ent- halt. Es ist also anzunehmen, dass der Gichtiker auch unzersetztes Glykokoll in seinen K6rperfiiissigkeiten~ in seinem Blute besitzt. Hier- dureh werden aber, wie oben auseinandergesetzt, die Liislichkeitsver- h/tltnisse fiir die Harns~ure verschlechter~, und es muss ]eiehter zum Ausfallen derselben, zum Entstehen yon Uratablagerungen in den Ge- weben kommen k(innen.

Die Ursache ffir das Auftreten yon Glykokoll (und anderen Amino- s/iuren) im Harn der Gichtiker kann z. T. auf einer gesteigerten Glyko- kollbildung beruhen. Dies ist wohl beim Leuk~tmiker der Fall, bei dem I g n a t o w s k i auch sehr hohe Werthe gefunden hat. Auch das in einem Falle yon croup(~ser t)neumonie, besonders zur Zeit der Krise beobaehtete Auftreten geringer Mengen yon Aminos~uren im Ham: dfirfte in dieser Weise zu. deuten sein. Jedoch wie die Beobaehtungen I g n a t o w s k i ' s am normalen Menschen und die Untersuchungen Stol~e 's 2) am Kaninchen gezeigt haben, treten auch nach Einffihrung grosset Mengen yon Glyko- koll niemals Aminos~uren im Harn auf. Auch mir gelang es nicht an einem 6000 g schweren Dachshunde, der mehrmals hintereinander je 15 g Glykokoll in LSsung subcutan erhielt, danach mittels der yon I g n a t o w s k i modificirten Fischer ' sehen Methode Aminos/~uren im Ham nachzuweisen.a)

Der normale Organismus besitzt also in sehr hohem Maasse die F~higkeit~ Aminos/turen zu zerstiiren~ sodass solehe auch bei einer directen Ueberschwemmung des K(irpers mit denselben niemals unzersetzt aus- geschieden werden.

1) A. Ignatowski, Ueber das Vorkommen von Aminosiiuren im Harn, vor- zugsweise bei Gieht. Hoppe-Seylor's Zeitschr. f. physiol. Chemic. Bd. 42. S. 371.

2) K. Stolte, Ueber das Schicl<sal derAminos~uren im ThierkSrper nach Ein- ffihrung in die Blutbahn. Beitr~ige z. chem. Physiol. u. Pathol. Bd. ¥. H. 1. S. 15.

3) Anmerkung w~hrend der Correctur: Nach don Berichten in don Zeitschriften hat Embden auf dem letzten Congress ffir innere Medicin mitgetheilt 7 dass man mit einer geringen Veriinderung der Methode yon Ignatowski auch im Harn normaler Menschen und Thiere Glykokoll nachweisen kSnne. Mir ist dieser 5Tachweis bei ge- nauer Befolgung tier Ign at o w ski~schen Vorsehrift in zahlreichen Controllunter- suchungen am normalen Menschen und am Hunde niemals gelungen.

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24 H. Kionka,

Diese Zersetzung des Glykokolls (und anderer Aminos/turen) findet wie O. Loewi 1) gezeigt hat, in der Leber statt und ist die Function eines Fermentes --- yon anderen als ~harnstoffbildendes" Ferment be- zeichnet---~ das von Loewi sogar einigcrmaassen isolir~ wurde. Das durch die Thi~tigkeit dieses Fermentes entstehende Zersetzungsprodukt ist nach Loewi eine gther-alkohollSsliche Stickstoffverbindung, die er jedoch nieht als Harnstoff ansprechen will. Indesscn miissen wit an- nehmen, class dieses Produkt doch schliesslich weiterhin zu Harnstoff umgebildet und als solcher ausgeschieden wird. Dureh die Th'~tigkeit dieses Fermentes wird also cimnal im Blute vorhandenes Glykokoll zerstSrt und andererseits Harnstoff bezw. eine Vorstufe desselben gebildet.

Beim Gichtiker muss, wie wir aus den Befunden I g n a t o w s k i ' s ersehen, die Thii~tigkeit dieses Fermentes ganz oder theilweise aufgehoben sein. Fiillt aber diese Fermentwirkung fort, so wird weniger tIarnstoff und dafiir mehr Glykokoll im Biute und den KSrperfliissigkciten auf- treten. Durch beides werdcn aber, wie wir oben gesehen haben, die L/Sslichkeif~sverh~itnisse f~ir Harns/ture bedcut:end verschlechtert. Und da der Gichtiker bckanntlieh erheblich mehr Harns/iure im Blute enth'/tll~ als der Normale, so muss sich einc dcrartigc Sch/tdigung bei ibm besonders gcltend machcn: cs kann zum Aus fa l l en der Harns i iure und zur E n t s t e h u n g yon U r a t a b l a g e r u n g e n in den Geweben kommen.

Es ist nSthig bier noch einmal auf die Verh/iltnisse bei der Leuk- '/imie einzugehen. Aueh bei dieser Krankheit tindet sieh Harns'Sure in reichiicher Menge im Blutc. Die hSchste bisher beobaehtete Harns~urc- menge im Blute~ nitmlieh 22,6 mg in 100 ecru Blut, hat Magnus- Levy 2) bei cinem Leukitmiker gefunden. Auch die h@hsten Werthe fiir Glykokoll fand Igna towsk i im leuk~mischen Harn. Wir haben also sichcrlich in Bezug auf Glykokoll und Harns~ure bei der Leuki/mie analoge Verh/t[tnisse anzunehmen wie bei der Giche. Indessen kommen hier doch noch wesentlich andere Momente mit in Betraeht:

1. Es sind bei der LeukKmie die Secretionsverhiiltnisse in der Niere fiir Harnsiiure giinstige. Bei dcm oben erwiihnten Falle yon Magnus -Levy betrug die Harnsiiureausscheidung im Ham innerhalb 24 Stunden bis 9 g. Bei der Gicht hingegen sind, wie schon friiher wiederholt gesagt wurde, die Nieren wohl regelm'/tssig erkrankt. Jeden- falls hat ihre Function in Bezug auf die Ausscheidung der Ha rns~ure gelitten. Es kann beim Gichtiker zu einer Steigerung im Harnsiiure- gehalte des Blutes kommen, ohne dass diese in einer gesteigerten Harn- s~tureausscheidung im Ham zum Ausdruck kommt.

2. Im Blute des Leuk~mikers finden sieh gleichzeitig viele Nuklein- s'~uren. Diese gehen aber, wie Minkowski s) gezeigt hat, mit Ham-

1) O. Loewi , Ueber das ,,harnstoffbildende" Ferment der Leber. Hoppe- Seyler's Zeitschr. f. physiol. Chemic. Bd. 25. S. 511.

2) Magnus-Levy , Ueber den Stoffwechsel bet aeuter und chronischer Leuk- ~imie. Virchow's Arch. 1898. Bd. 152.

3) O. Minkowski , Ueber die Umwandlung der PurinkSrper im Organismus. Deutsche rood. Wochenschr. 1902. No. 28.

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Glykokoll und Harnstoff in ihren Beziehungen zur Harns~iure. 25

sXure sehr feste und sehr gut 15sliehe Verbindungen ein. Der hohe Nukleins~uregehalt des leuk~imisehen Blutes kSnnte daher ein Ausfallen der Harnsiiure verhindern.

3. Schliesslieh muss man naeh Allem annehmen; worauf ebenfalls Minkowsk i 1) hinweist, dass die Verbindung, in der die Harnsiture im Blute des Leukitmikers si('.h betindet, eine gtinzlieh andere ist als dis im Blute des Giehtiksrs.

Danaeh dfirfsn wit die Verhitltnisse bei der Leukiimie nieht mit denen der Gieht in Parallele stellen. Bei letzterer kommt eben noeh sine sehwere Functionss~Srung in den Nieren hinzu. So hat kfirzlieh S o o t b e e r 2) naehgswiesen, dass die Ausssheidungsverh~ltnisse yon mit der Nahrung eingeffihrten Harns~uremengen beim Giebtiksr gest6rte sind. Er verglish dis Zahten, welche yon Pfe i l a) far dis Harnsb;ureaussehei- dung beim Normalsn naeh Pleisehnahrung gefimden waren~ mit den gleiehen Werthsn beim Giehtiker. Danaeh verl';iuft bsi der Gieht die Harnsiiursausseheidung viel unregelmiissiger, besonders im Anfa]l, und ist im Ganzen geringer. Uebsrhaupt sehelnt bei der Gieht eine Retention yon Harnsiturs zu bestehen~ :~eine Erh6hung des Sehwellenwerthes der Nieren ffir die Harnsi/ure", wie sieh Minkowski 4) ausdriiekt.

Fassen wir das vorher Gesag~e noeh einmal zusammen, dann er- geben sieh fo lgende Ursaehen fiir die E n t s t e h u n g der Gieht:

1. eine F u n e t i o n s s t i i r u n g in dsr Lebe r - - und wea l aueh in anderen Organen - - , be s t ehend in dem Aus fa l l der Thgt ig - ke i t des ,~ha rns to f fb i ldsnden '~ F s r m e n t s s ;

2. eine St t i rung der H a r n s t t u r e a u s s e h e i d u n g dureh die Nieren; - - mSg l i ehe rwe i s e aueh nur eine fune t ione l l e S t6 rung und v ie l l e i ch t b sd ing t du tch die Art dsr Harns ' / iurebindung im Blu te des Gieh t ike r s .

Diese Sehitdigungsn - - namentlieh das ganzs oder theilweise Fehlen der Fermentwirkung, - - ktinnen angeborene sein: hered i t i t re Gieht , - - oder sis k6nnsn dureh unzweekmtissige Ern'~hrung und Lebsnsweise oder dureb Gifte (Blei, Alkohol etc.) hervorgerufen werdsn: aequ i r i r t e Gieht.

Wie sieh naeh dieser Theorie die versehisdenen Symptoms der G ieht, namentlieh aueh das Auftreten des asuten Anfalls erkl~iren lassen~ dar- fiber wird im Folgenden Dr. F r e y beriehten.

1) O. Minkowski, Die Gicht. Wien 1903. 2) F. Sootbeer~ Ueber den Einfluss der Nahrungsaufnahme auf die Ausschei-

dung der HarnsSmre bei Arthritis urica. Hoppe-Seyler's Zeitschr. f. physiol. Chemie. Bd. 40. H. 1.

3) P. Pfeil, Ueber don Einfiuss der Nahrungsaufnahme auf die Ausscheidung der Itarns~ure. Hoppe-Seyler's Zoitschr. f. physiol. Chemie. Bd. 40. H. 1.

4) O. Minkowski, Erniihrungstherapie bei harnsaurer Diathese (Gich~), Ar- thritis deformans, Oxa|urie und Phosphaturie. v. Leyden's Handb. der Erniihrungs- therapie. Bd. 2. S. 490. 1899.