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(Aus dem Insr fiir Krebsforschung,Direktor: Geh.-Rat Prof. Dr. F. Blumenthal und aus der Chir. Klinik, Direktor: Geh.-Rag Prof. Dr. Hildebrandt "~.) Beitrag zur spezifisch-unspezifischen Behandlung biisartiger Geschwiilste. Von Hans Auler und Hugo Pieard. M_it 2 Textabbildungen. (Eingegangen am 16. Februar 1929.) Die unspezifische EiweiBbehandlung bSsartiger Gew~chse ist von zahlreichen Autoren versucht und beschrieben worden, v.d. Velden war einer der ersten, der fiber die Wirkung unspezifischer Eiweil~in- jektionen bei inoperablen Krebskranken berichtete. Nach der Injek- tion zeigten die Kranken mehrere Tage Unbehagen und Schw~che. Die Temperatur war in der Regel fiir 24--28 Stunden erhOht. Danach trat Besserung des Allgemeinbefindens ein, die Nahrungsaufnahme wurde besser, und die Schmerzen waren verringert. Am Tumor zeigten sich in einigen l~llen Symptome, die als eine Herdreaktion aufzu- fassen waren und besonders auf eine zentrale Einschmelzung schliel~en tieSen. Fast die gleichen Resultate sah Dabny bei Tuberkulinjektionen, Beard bei Trypsinbehandlung. Die Bluttherapie Biers zeigte das gleiche Bild. Im Laufe der Behandlung mit unspezifischen Eiwei$injektionen werden die Symptome allm~hlich immer schw~cher, bis schliel~lich nach etwa 6--8 Wochen ein reaktionsloser Zustand erreicht wird. Wird die Behandlung bei diesem Zeitpunkte nicht abgesetzt, so tritt nicht selten die vielfach beschriebene Umkehrreaktion ein, Verschlech- terung des Allgemeinzustandes und Wachstumsbeschleunigung der Geschwulst. Es gibt auch F~lle, die gleich bei Beginn einer unspezi- fisehen Eiweil~behandlung ungiinstig reagieren, insbesondere der Tumor kaml rapides Wachstum und Generalisation zeigen, tteilungen sind mit den angegebenen Methoden hie erzielt worden. Wegen der naeh- ~eiligen Reaktionen sind sie yon den einzelnen Antoren bald wieder aufgegeben worden. Bei der Durchsicht der Literatur dieser tteil- absichten ist es uns nieht gelungen, die versehiedenen Ergebnisse Zu einem einheitlichen Bilde zu ordnen. Wir waren gezwungen, nach ganz allgemeinen Gesichtspunkten diese Frage wieder anzugehen. Experi- mentell lagen wiehtige orientieren.de Ergebnisse yon 2'. Blumentlial, 30*

Beitrag zur spezifisch-unspezifischen Behandlung bösartiger Geschwülste

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Page 1: Beitrag zur spezifisch-unspezifischen Behandlung bösartiger Geschwülste

(Aus dem Insr fiir Krebsforschung, Direktor: Geh.-Rat Prof. Dr. F. Blumenthal und aus der Chir. Klinik, Direktor: Geh.-Rag Prof. Dr. Hildebrandt "~.)

Beitrag zur spezifisch-unspezifischen Behandlung biisartiger Geschwiilste.

Von Hans Auler und Hugo Pieard.

M_it 2 Textabbildungen.

(Eingegangen am 16. Februar 1929.)

Die unspezifische EiweiBbehandlung bSsartiger Gew~chse ist von zahlreichen Autoren versucht und beschrieben worden, v .d . Velden war einer der ersten, der fiber die Wirkung unspezifischer Eiweil~in- jektionen bei inoperablen Krebskranken berichtete. Nach der Injek- tion zeigten die Kranken mehrere Tage Unbehagen und Schw~che. Die Temperatur war in der Regel fiir 24--28 Stunden erhOht. Danach trat Besserung des Allgemeinbefindens ein, die Nahrungsaufnahme wurde besser, und die Schmerzen waren verringert. Am Tumor zeigten sich in einigen l~llen Symptome, die als eine Herdreaktion aufzu- fassen waren und besonders auf eine zentrale Einschmelzung schliel~en tieSen. Fast die gleichen Resultate sah Dabny bei Tuberkulinjektionen, Beard bei Trypsinbehandlung. Die Bluttherapie Biers zeigte das gleiche Bild. Im Laufe der Behandlung mit unspezifischen Eiwei$injektionen werden die Symptome allm~hlich immer schw~cher, bis schliel~lich nach etwa 6--8 Wochen ein reaktionsloser Zustand erreicht wird. Wird die Behandlung bei diesem Zeitpunkte nicht abgesetzt, so tritt nicht selten die vielfach beschriebene Umkehrreaktion ein, Verschlech- terung des Allgemeinzustandes und Wachstumsbeschleunigung der Geschwulst. Es gibt auch F~lle, die gleich bei Beginn einer unspezi- fisehen Eiweil~behandlung ungiinstig reagieren, insbesondere der Tumor kaml rapides Wachstum und Generalisation zeigen, tteilungen sind mit den angegebenen Methoden hie erzielt worden. Wegen der naeh- ~eiligen Reaktionen sind sie yon den einzelnen Antoren bald wieder aufgegeben worden. Bei der Durchsicht der Literatur dieser tteil- absichten ist es uns nieht gelungen, die versehiedenen Ergebnisse Zu einem einheitlichen Bilde zu ordnen. Wir waren gezwungen, nach ganz allgemeinen Gesichtspunkten diese Frage wieder anzugehen. Experi- mentell lagen wiehtige orientieren.de Ergebnisse yon 2'. Blumentlial,

30*

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434 H. Auler und H. Pieard:

Auler und Reichert vor mit dem sog. Hiibnerserum (Hiibnerserum ist ein hochwertiges AntikSrperserum gegen den in einem Osteosarkom gefundenen Bakterienstamm Hfibner).

Zusammenfassend kann als Resultat dieser Arbeiten angegeben werden, dal3 die Tiertumoren dutch subeutane Hfibnerseruminjektionen zu st~rkerem Wachstum angeregt wurden, w~hrend der A1]gemeinzu- stand der Tiere von der Behandlung weniger beeinflul~t wurde. Bei menschlichen Tumoren werden lokale Reaktionen be0baehtet.

Klinisch war fiir uns wertvoll die allgemeine Erfahrungstatsache, dab krebskranke Menschen in einem aui~erordentlich hohen Prozent- satz. vorher niemals krank gewesen sind; d.h. der Abwehrapparat gegen Infektionen und andere Krankheitsursachen ist bei diesen Krankheiten hie nennenswert in Aktion getreten. Diejenigen Infek- tionskrankheiten, die bei der Krebsentstehung eine pr~disponierende Rolle spielen, sind die Lues und einige Wurmerkrankungen (z. B. Bflharzia). Sie gehSren zu denjenigen Erkrankungen, die zwar in Vitro naeh einiger Zeit AntikSrper zeigen, indessen haben diese letzteren, wie dies erst kfirzlich von Klopstoclc fiir die Lues wieder betont' wurde, bisher keine therapeutische Wirkung gezeigt. Die Rolle der Infektions- krankheiten hinsiehtlich Krebsentstehung und Bek~mpfung verdient daher eine neue Bearbeitung auf allgemeiner Basis: Insbesondere das Studium der Lues naeh diesen. Gesichtpunkten erscheint uns wiehtig. Bei dieser Erkrankung haben wir bereits einige orientierende Feststellun- gen gemacht, die in diesem Zusammenhang kurz wiederegeben seiem

Der erste, der die Wirkung der Spirochaeta pallida bei bSsartigen Gew~ehsen priifte, war AUgust v. Wassermann. Die mit einer Auf- schwemmung lebender Spirochaeten gespritzten M~usetumoren gingen fast ausnahmslos zurfiek, v. Wassermann hegte seinerzeit grol~e Hoff- nungen Ifir diese Heilmethode und lieB sie am ]crebskranken Menschen versuchen. Abget(itete Kulturen der Spirochaeta pallida und lebende Kulturen der Spiroehaeta buccalis warden krebskranken Menschen intratumoral injiziert. Es handelte sieh um ~ul3ere, der Kontrolle zug~ngliche Tumoren: Lippenearcinom, Uleus rodens, Cancroide, iso- lierte Mammatumoren. Eine entse.heidende Wirkung wurde bei keinem Falle erzielt; nachfolgend wurden alle Kranken rechtzeitig operier~ (Pieard). Auler stellte unabh~ngig yon den Arbeiten Wassermanns im Verfolg klinischer Beobachtungen fest, da~ das aus der Spirochete is01ierte Luetin der wirksame Faktor ist. I~attentumoren (Flexner und Jensen) gingen naeh 2--3 intravenOsen Injektionen yon 1 ecm einer 1/00 LSsung per resorptionem zuriick.

Mit diesen Versuchen war der Beweis erbraeht, dab das Luesgift an sich fiir die pr~disponierende Wirkung der Lues hinsichtlieh der bSsartigen Gew~chse nieht in Frage kommt. Die klinische Erfahrung

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Beitrag zur spezifisch-unspezifischen Behandlung b6sartiger Geschwiilste. 435

lehrt, dal] die Lues ausnahmslos als terti~re Form bei Gew~chserkran- kungen vorhanden ist. Es scheinen besondere humorale Bedingungen zu sein, durch die die Gew~chsentstehung begfinstigt wird. Diese Ver- mutung wird durch die zuerst yon Auler gemachte Beobachtung ge- stfitzt, da~ eine besondere Form der terti~ren Lues, die Tabes, sehr selten bei Gew~chserkrankungen beobachtet wird. Der erhShte Esterasen- gehMt des Tabikerliquors und die hierdureh gegebenen Ver~nderungen im Phosphatidstoffwechsel sind wohl der Grund ffir die Ausnahme- stellung der Tabes. Wir sehen am Bride der Lues, dal~ 1. weder die Spirochete noch ihr Toxin eine direkte Beziehung zur Geschwulst- entstehung haben, dab 2. die AntikSrper der Lues bzw. die durch diese gegebenen Ver~nderungen im Phosphatidstoffwechsel die wahrschein- liehe Grundlage fiir die Gew~chsentstehung bflden. Die Arbeiten yon Auler und Pelczar haben gezeigt, dal~ sog. kiinstliche Lipoidantigene eine gfinstige Wirkung bei krebskranken Menschen haben. Wir nehmen an, da~ bei der Tubes ein humoraler Zustand besteht, wie ihn die ge- nannten Autoren durch die Lipoidantigeninjektionen nur unvollkommen schaffen konnten. Rondoni hat inzwischen die Versuche yon Auler und Pelczar am Tier best~tigt. Wir kommen damit zum Kern unserer Frage, die naehtr~glich am Tier und Menschen gepriift worden ist.

StSrungen innerh~lb derjenigen Zellsysteme, denen die Produktion der AntikSrper obliegt, das t~.E.S, und die weil~en Blutzellen spielen in der experimentellen Gesehwulstforsehung eine grol~e Rolle. Die Blockade des R.E.S. mit Tusehe, Eisenzucker u .a . (Rh. Erdmann, Rosl~in u. a.) hut einen sehr fSrderliehen Einflul~ bei Transplantationen, insbesondere bei Heterotransplantationen. Die Blockade im sere- logischen Sinn ist die Anaphylaxie. Auler und Pdczar haben naehge- wiesen, dal~ eine f3bertragung des ~tiologisehen Prinzips unter den Bedingungen der Spaet~naphylaxie mSglieh ist yon Spezies zu Spe- zies. Umgekehrt haben diese Autoren am Tier und am Menschen in zahlreiehen F~llen nachweisen kSnnen, da~ der Zustand der Anti- anaphylaxie im therapeutisehen Sinne der giinstigste ist. Diese Arbeiten sind etwa 11/2 Jahre naeh dieser Arbeit gemaeh~ worden. I)a sie aber wesentlich zur Kl~rung unserer Frage beitragen, haben wir sie vorher erw~hnt. Unsere Frage lautet: Wie wirken gro~e Dosen hoehwertiger unspezifiseher Antisera bei intramuskul~rer bzw. intravenSser Appli- kation auf den krebskranken Organismus und insbesondere auf die bSsartigen Gesehwiilste ein? Um jede MSgliehkei~ der spezi/ischen Wirl~ung eines Einzelserums auszuschliefien, stellten wir uns ein sog. polyvalentes Misehserum her, bestehend aus gleiehen Mengen v0n Scharlach-, Streptokokken-, Diphtherie- und Tetanusserum. Die Sera wurden uns veto S~ehsichen Serumwerk zur Verffigung gestellt. Es waren durchweg Sera, die von Pferden stammten, die bei der Immuni-

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436 H. Auler und H. Picard:

s ierung starke Reak t ionen gezeigt ha t ten . U m eine generelle Uber- sicht zu gewinnen, wahl ten wir fiir die Behand lung 2 Sarkomf~lle u n d mehrere Carcinomf~lle, deren Zus t and zu dem exper imentel len Angriff berechtigte. Die Dosis wurde steigend yon 30 ccm bis auf 120 ccm erhSht. Diese grol~en Dosen wurden in t r amusku la r gespritzt . Sparer g ingen wir auf kleinere Dosen zurfick, die in t ravenSs gegeben wurden.

Wir lassen je tz t die K r a n - kengeschich~en folgen i

Abb. 1. 1. II. 1927.

1. Fall.

It. H., 41 Jahre alt, Dia- gnose Ca. des Unterlides. Ana- mnese: Vor 2 Jahren beobaeh- fete Patient einen stecknadel- kopfgrogen Pickel unter dem ]inken Auge. Zuerst Behand- lung mit Zinksalbe, hinterher R6ntgenbestrahlung ohne Er- folg. Probeexcision. Diagnose: Ca. des Unterlides. Patient wurde dann mit Radium be- handelt. W~hrend der letzten 5 Monate ]927 wurde der Aug- apfel yon dem geschwfirigen ProzeB ergriffen und allm~hlich starben die Funktionen aller Muskeln des Auges ab. Gleich- zeitig versehwand der Visus des Auges. Be[und am 17. I . 1927: Rechtes Auge o. B., linkes Auge: Unterlid fehlt v611ig, statb dessert ein groges, bis auf den unteren Orbitalrand reiehendes Gesehwiir, dessen Grund eitrig belegt ist. Starke Infiltration der Gesehwfirsum-

gebung. Der Augapfel liegt anf der Unterseite bis auf die tt~lfte naeh hinten zu vSllig bloB. Muskeln und Orbitalfettgewebe sind bier vSllig yore Gesehwtir weg- gefressen. Die Cornea ist halb bedeckt yon dem Oberlid und ist getrfibt.

18. I. 1927. Operation: Enueleation (L0kalan~tsthesie). Orbita yon Krebs- gewebe durchsetzt.

26. I. 1927. Die Wunde ist schmierig belegt, sezerniert sehr stark, nirgends ist I-Ieilungstendenz bemerkbar.

3. II. 1927. Beginn der Serumbehandlung. Photographie vom l. II. 1927 obenstehend. 60eem Serum intramuskul/~r, keine Nebenerseheinungen be- merkbar.

9. II , 1927. 90 ecm Serum intramuskul/~r. Patient ldagt fiber SehmerzeI1 in der Geschwulst seit 9 Uhr abends und w/~hrend der Naeht.

14. iX. 1927. 120 cem Serum. Patient klagt fiber K/~ltegeffihl. In der Gesehwulstgegend Schmerzen. Der Blutstatus zeigt am 17. II. nichts Besonderes.

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Beitrag zur spezifiseh-unspezifischen Behand lung b(isartiger Geschwiilste. 4 3 7

Am 18. II . 150 ccm Serum. Pa t i en t klagt in den n~chsten T~gen'i iber Schmerzen in der Gesehwulst. Die eitrige Sekretion ha t aufgehSrt. Die Wunde ist s tark verkleinert und gereinigt.

1. I I I . 1927. 100 ecru Serum. Pa t i en t klagt fiber Sehmerzen in der Ge- schwulstgegend. Die Wunde ha t sieh verkleinert, sezerniert fast n i e h t mehr, das Allgemeinbefinden ist bedeutend gebessert.

9. I I I . 1927. 60 cem Serum. Pa t i en t ha t t e einige Stunden Sehmerzen in der Gesehwulstgegend. Das Geschwfir sezerniert sehr stark, a n d zwar seheint sich t in Sequester abzustol]en. Die Wundfli~ehe verkleinert sieh weiterhin.

Blutstatus.

Datum Erythro- cyten

Senkungs- geschw. I

L e u k o - - - cyten ~ I ~ I

Neutrophile in Proz. In Prozent

~ i ~

17. II . 1927 85 5340000 5100 41 72 60 8 25. II . 1927 [86 5700000 8000 21 43 59 10. I I I . 1927 85 6310000 6600 8 22 67 3 23. I I I . 1927 86 6770000 5600 21 40 69 2

16. I I I . 1927. 50 ccm Serum. 19. I I I . 1927. 80 cem Serum. 23. I I I . 1927. 120 cem Serum intramuskul~r.

1

1 25 3 25

- - 15 23

5 W 8

1 0 4 1 4 - -

Pa t i en t Idagt fiber Kopf- sehmerzen. Photographische Au/nahme vom 28. I l L Wesentliehe Reinigung des Gesehwiirsgrundes. Die R~n- der sind glatt. Der Defekt h a t sich vor allen Dingen lateral dureh Epithelialisierung we- sentlieh verkleinert. Die Ab- sonderung ist gering. A]lge- meinbefinden gebessert.

31. I I I . 1927 wird Pa t ien t wesentlich gebessert auf eige- nen Wunsch entlassen.

2..Fall.

Fr. K., 57 Jahre alt, Magen-Ca. Anamnese: Inope- rubles Magen-Ca. Beschwer- den seit 1/2 J a h r zunehmend.

17. II . 1927. Probelapa- rotomie: Groi~er Tumor an der grol3en Kurva tu r ins h'Iesocolon hinfiberreichend, inoperabel. 23. II . 1927. Be- ginn der Serumbehandlung, 30eem intramuskuli~r. 24. II . Keine Reaktion. 28. II . 60 ecm Serum, keine Reak- tion. 2. I I I . Pa t i en t in ha t Abb. 2. 28. III. 1927.

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~38 H. Auler und H. Picard:

jeden Morgen heftiges Erbreehen, schlechter Allgemeinzustand. 4. I I I . 90 ccm Serum, Temperaturgnstieg auf 37,5 ~ sfarke Reaktion, SchweiBausbruch, Kollaps. 5. I I L Patientin hat sich vom Shock noch nicht erholt. 26. I I I . Bewu[tflosig- kei~. 29. III. Somnolenz, Exitus.

Der 3. Fail be~rifft ein beginnendes Hautcarcinom der Unferlippe, der 4. Fall ein beginnendes t tautcarcinoin des linken Augenunterlides. Bei beiden Patienten waren starke Lokalreaktionen, Sehwund der Sehmerzen und geringe Absonderung

z u beobachten. Tumor wurde sparer radikal bei beiden FKllen operiert.

6. Fall.

1. Anna P., 56 Jahre, Uterus-Ca. mit peritonealen Metastasen. Geringe Lokalreakr keine TemperaturerhShung, Kaehexie, Exitus. Erhiel~ 1 real 8 ccm Mischserum intramus~ul~ir ~ wegen Kachexie Behandlung

1 ,, 8 . . . . intraven6s J nicht fortgesetz~.

5. Fall.

2. Friedrich G., 56 Jahre, Oesophagus-Ca. 11. VI I . . . . 8 ccm Mischserum intramus~ulgr ] geringe Lokalreaktion in Form 13. V I I I . . . 8 ,, ,, intraven6s [ yon Schmerzen, keine Tempera- 19. V I I I . . .16 . . . . . . ] turerhShung. Wegen Kaehexie 22. V I I I . . . 16 . . . . . . Behandlung nicht fortgesetzt.

6. Fall.

3. Christian A., 68 Jahre. Beeken-C~. und Metastasen in den Leistendrfisen. 23. II . 1927. 60 ecm intramuskulgr Temp. 37,8] Temperaturerh6hung und

L I I I . 1927. 90 . . . . _ _ 38,5 | Sehmerzen im Tumor naeh Schmerzen im Tumor. / den In~ektionen.

5. I I I . 1927. 90 ccm inframuskulgr Temp. ~ : ~ i Wachsen d. Gesehwulst, fort- 14. I I I . 1927. 50 . . . . . . schreit. Kachexie, Exitus.

7. Fall.

1. F., Franz, 54 Jahre, inoper~bles Magen-Ca.

23. VI I . . . . 8 ccm Mischserum intraven6s I Keine TemperaturerhShung, lok. 26. VI I . . . . 16 . . . . . . Tumorreaktion. ! 29. VI I . . . . 16 ,,

Fortschreitende Kachexie, auf Wunsch entlassen.

8. Fall.

2. B., Wilhelm, inoperubles Becken-Ca., Anus praeter. 9. VIII . 1927 16 ccm Mischserum intravenSs | Keine Temperaturreaktion. Kla-

12. VIII . 1927 16 . . . . . . / gen fiber SchmerzenimTumor 15. VIII . 1927 16 ,,

Auf Wunsch der AngehSrigen entlasscn.

9. Fall.

4. N., Oskar, 63 Jahre, inoperables Nfagen-Ca. Serumbehandlung :

1. am 22. VII. 8 ccm Nfischserum intraven. 2. ,, 27. VII . 16 . . . . . . 3. ,, 29. VIL 16 . . . . . . 4. ,, 2. VIII . 16 ,, ,, ,,

Reaktion: keine desgl. desgI. desgl.

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Beitrag zur spezifisch-unspezifisehen Behandlung b6sartiger Geschwiilste. 439

5. am 5. VIII . 16 ecru Mischserum intraven. Reaktion: keine; die allgemeine Schw~tche h~ngt sicher nur mit dem Fortsehritt d. Krankh. zusammon.

6. ,, 8. VIII . 16 . . . . . . Reaktion. Leiehte Temperatur- reaktion der n~tehsten 3 Tago bis 37,5 ~ .

7. ,, 12. VIII . 16 . . . . . . Reaktion: Allgemeine l~eaktion fehlt. - - Einmaliges Erbrechen.

Da Patient in den n~ehsten Tagen entlassen werden soil, und klinisch durch beginnendo Kachexie eine Versehlechterung sieh dokumentierte, wird die Serum- behandlung abgebroehen.

10. Fall.

Gruppe I. 5. G., Gustav, 62 Jahre, Lippen-Ca. An der linken Eeke der Unterlippo ein fingerkuppengrol3er blumenkohl-

artiger Tumor mit harten R~ndern. Kieferdriisen nicht vergr6Bert. 12. I I I . 1927. 50 ccm Mischserum intramuskul~r 16. I I I . 1927. 50 . . . . 19. I II . 1927. 8 intraven6s!

Geringe Temperaturerh6hung, Sensation im Tumor nach den Injektionen. Tumor nieht kleiner geworden; deshalb Operation mit Drfisenausr~umung.

11. Fall.

5. P., Anna, 24 Jahre. Chondrosarkom des Kniegelenkes. Erkrankte im November 1926 mit Schmerzen und Anschweilung oberbalb des linken Knie- gelenkes. Die Anschwellung vergr6Berte sich raseh, Zunahme der Schmerzcn.

14. I. 1927. Aufnahme in die Klinik. Beiund: Tumor im Gebiet des P]am;m popliteum, der zu beiden Seiten den Femur umragt.

16. I. 1927. Operation: Es zeigt sieh unterhalb der Muskulatur und Gef~tBe ein Tumor, der sich auf die ganze hintere Kniegelenkskapsel erstreckt. Radikale Entfernung nicht m6glieh. Mikroskopischer Befund: Chondrosarkom. Amputation wird abge]ehnt. Serumbehandlung.

20. II. 1927, 30 cem Mischserum, intramuskul~r, keine Temperaturreakt. 28. II. 1927. 60 . . . . intraven6s,

3. I I L 1927. 90 ,, ,, Sehr starke lokale Reaktion, Temperatur- anstieg auf 37,4 ~ Schwei~ausbrueh, Mattigkeit.

7. I II . 1927. 60 eem Mischserum. Mittelstarke Reaktion, Abgeschlagenheit, Gesehwulst ist wesentlich lfleiner geworden.

18. I II . 1927. Die Geschwulst ist so welt kleiner geworden, dab man nur noeh eine handtellergrol~e Schwellung oberha]b des Knics ffihlen kann. Leisten- driisen palpabel! Auf Wunseh entlassen.

Wiederaufnahme in die Ca.-]3aracke am 11. VI. 1927.

Status:

Frau in gutem Ern/~hrungszustand, blasse Gesichtsfarbe und Schleimh/~ute. Linkes Bein in tote verdickt. Besonders in der Gegend des Knies befindet sich eine Verdickung yon 65 em Umfang mit einigen Knoten an der AuBenseite in der Gegend einer alten Opcrationsnarbe. Die Kniepartie is~ ger6tet. Die Ge- schwulst ist hart und fluktuiert nicht. Unterhalb der Geschwulst ist die Haut 6demat6s. Unterschenkel und Ful3 verdickt. Aucb der Oberschenkel bis in die Glut~alialte erheblich dicker als rechts. In der Inguinalgegend einige harte

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4'40 H. Auler und H. l~ieard:

Driisenknoten deutlieh ffihlbar. Im Abdomen ist niehts Krankhaftes tastbar. Auch die Brustorgane zeigen keine krankhaften Vergnderungen.

6. VIII . 1927. Injektion, Misehserum, 4 cem intravenSs. Danach kollaps- artige Erscheinungen. - - Urticaria.

8. VIII . 1927. Patientin hat sich vollkommen erholt. Tumor zeigt keine Vergnderungen.

9. VIII . 1927. Injektion, Mischserum. Dieselben Erseheinungen wie oben. 12. VIII . 1927. IntravenOse Injektion yon Misehserum. 19. V I i i . 1927. 25. VIII . 1927. Trotz der Scruminjektionen zeigt der Tumor deutlich zu-

nehmendes Wachstum. Die Patientin nimmt an Kr~ften ab und verfgllt zusehends. Es entwickeln sich am Knie grol~e Hautknoten, Durchbrueh naeh aul~en droht.

12. IX. 1927. Die Serumtherapie wird abgebrochen, da der Tumor stark gewachsen ist. Metastasen in der linken Leistenbeuge. A1]gemeinbefinden etwas schleehter. Jodbehandlung.

22. IX. 1927. Hef~ige Sehmerzen im Tumor. Tumor an einzelnen Stellen eingedellt. Transsudation yon gelblicher, serOser Fliissigkeit an einzelnen Stellen des Tumors. In der linken Leistenbeuge zwei walnuggro/~e Metastasen.

4. X. 1927. Seit einigen Tagen machen sich an den jfings~en Stellen des Tumors entziindliehe Prozesse geltend. Die Kuppen der einzelnen Kno~en sind von festweicher Konsistenz und zeigen leichte Ulceration. Es wird eine hellgelbe eitrige Flfissigkeit abgesondert. Ameisenlaufen im Tumor. MetasSasenpakete in der linken Leistenbeuge o. B.

18. X. 1927. 0dem des linken FuBes. Starke Schmerzen im Tumor und unterhalb des Tumors. Die Ulceration der linken Tumorseite ist sts All- gemeinbefinden schleehter.

1. XI. 1927. Blutung aus einer uleerierenden Stelle des Tumors. Die Kon- sistenz des Tumors hat sieh etwas gegndert, ist weicher geworden. Metastasen in der Leistenbeuge ohne Vergnderung.

10. XI. 1927. Sehfittelfr6ste. Eitriger Herd im linken Kiefergelenk und am reehten Daumen (Sattelgdenk). Die vorderen distalen Teile des Tumors sind erweicht. Starke Eiterabsonderung. Dgmpiung fiber beiden Lungen.

12. Hall. R., 23 Jahre. Beekensarkom mit abdominalen Metastasen. Seit 8 Wochen

verspiirt Patient beim Urinlassen zeitweise brennende Sehmerzen in der Harn- rOhre. Vor 3 Wochen bemerkte Patient Blutabgang aus der HarnrOhre. Urin- lassen zeitweise ersehwert, sehmerzhaftes DruckgefiiM in der Blasengegend. Gewiehtsabnahme.

10. XII . 1926. Aufnahme in die Klinik. Be]und: Fahl aussehender, etwas abgemagerter junger Mann. In der Gegend des linken Schambeines, dieht neben der l~egio pubiea ist ein apfelgroBer, harter, leieht druckschmerzhafter Tumor Ifihlbar.

Rectal ffillt sich das ganzc kleine Beeken mit Tumormassen an, Cystoskopisch finder sich der gauze ]inke Blasenboden und die untere linke

Blasenseite stark i~ffltrier~, vereinzelt sieht man submukSse KnStehen, die zur Blutung neigen.

Rgntgenbefund: tdber dem linken Schambein finder sieh ein hfihnereigrol~er Sehatten. Lungen o. B.

Diagnose: Beekensarkom, wahrseheinlich yore linken Schambein ausgehend. 16. XII . 1926. ROntgenstrah]enbehandlung. Vom 10. I. bis 29. I. 1927. R6ntgenstrahlenbehandlung.

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Beitrag zur spezifiseh-unspezifisehen Behandlung b6sartiger Geschwiilste. 441

Tumor in deutlichem Fortschreiten, die linke Blasengegend hart inffltriert, Stuhlbesehwerden.

1. II. 1927. Beginn der Serumbehandlung. 60 ccm Misehserum intramuskuli~r, keine wesentliche Temperatursteigerung. 11. II. 1927. 90ccm Serum intramuskular , starke Temperaturerh6hung,

Urticaria fiber den ganzen KSrper, Kollapserscheinungen. 13. II . 1927. Der Tumor hat sieh, soweit durch Palpation leststellbar,

deutlich zurfickgebfldet. 14. II. 1927. 120 cem Misehserum intramuskul~ir; wiederum starke Tem-

peraturreaktion (40,8 ~ mit Schiittelfr6sten, SchweiBausbruch und kollapsartiger Zustand.

18. II. 1927. 120cem intramuskul/~r, st~rkste Reaktion, Schtittelfr0ste, Cyanose, Urticaria, anschlieBend heftige Sehmerzen in der Tumorgegend.

1. I I I . 1927. 100 ecru intramuskul~r, starke I~eaktion, mehrere Stunden Schmerzen in der Tumorgegend. In den ns Tagen ist ein P~fiekgang des Tumors palpatorisch und durch rectale Untersuehung zweifelsfrei feststellbar.

8. I I I . 1927. 60 ccm Serum intramuskul~r. Patient hat starke Schmerzen in der Tumorgegend.

14. I II . 1927. Die Geschwulst hat sich deutlieh zurfiekgebildet. Allgemein- befinden und Appetit wesentlich gebessert. Patient wird auf Wunsch vorfiber- gehend entlassen.

Datum

16. II. 1927 23. II. 1927 8. III. 1927

23. III. 1927

i

Erythro- i ~ cyten

i i 4640000 73 5080000 73 4790000

5420000

Senkungs- I :N 1 m P geschw. ~ "eutrophi e " roz. In J~rozent

4900 25 43 61 13 1 2 14 6 - - 5800 40 60 73 3 - - - - 16 6 2 6400 65 79 53 7 l 6 7 18 7 4200 67 80 74 3 16 4 2

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8. VII. 1927. Wiederaufnahme. Patient ffihlt selbst, dab der Tumor wieder gewaehsen ist, klagt fiber Sehmerzen im ]inken Unterbaueh, hat Stuhlgang nut auf Ei~nehmen yon Laxantien.

Be/und: Patient stark abgemagert, der Tumor fiberragt die Blase bis zur Nabel- gegend, brettharte Infiltration und Spanuung des ganzen Unterbauches, kleines Becken vom Tumor fast vSllig ausgef~llt. Blasenwand stark infiltriert. Ileus- erschMnungen.

11. VII . 1927. 8 eem Misehserum int~'amuskul(~r, leichte Reaktion. 13. VII. 1927. 8 ,, ,, intravends, sts I~eaktion. 18. VII. 1927. 16 . . . . . . sehrstarket~eaktion, Sehiit-

telfrost, Sehweigausbrueh, Cyanose, schleehter Puls, Kollaps, Ubelkeit, Erbreehen, heftige Sehmerzen und Spannung im Leib.

22. VII. 1927. 16 corn Serum intravengs; sehr starke Reaktion. In den n~chsten Tagen deutliehe Besserung des Allgemeinbefindens; Appetit stellt sieh ein.

29. VII. ]927. Der Tumor ist in deutlieher Riickbildung begriffen. 7. VIII . 1927. Patient ffihlt sich ganz erheblich gebessert, Appeti t gut,

Ileuserseheinungen bestehen nieht mehr. Gewiehtszunahme. 15. VIII . 1927. Der Tumor hat sieh bis auf ein faustgroges Infiltrat der

linken Unterbauehseite zurtickgebildet. Patient hat 7 Pfund zugenommen und fiihlt sieh besehwerdefrei. Ent]assung.

Page 10: Beitrag zur spezifisch-unspezifischen Behandlung bösartiger Geschwülste

442 H. Auler u. H. Picard: Beitrag z. spezifisch-unspezifischen Behandlung usw.

Patient hat sich, da yon aul3erhMb, jeden Monat vorgestellt, fiihlt sich wohl, hat jedesmal an Gewicht zugenommen.

Nachuntersuchung Juli 1928 zeigt v611iges Verschwinden des Tumors. Linke Unterbauchseite noch teigiges Infiltrat. Patient v611ig beschwerdefrei, arbeitet seit Monaten als Sehmied, hat 27 Pfund zugenommen.

Epikrise: l~eaktionen allgemeiner Art waren bei allen F~llen in Erscheinung getre~en. Die Reak~ionen am Tumor selbst waren nieht einhei~lich. Sekretionsverminderung der ulcerierenden Geschwiilste wurde h~ufiger beobaehtet als gesteigerte Absonderung. Peritumorale 0deme und Spannungsgefiihl sind meist in den F~llen gesehen worden, die definitiv ungiinstig verliefen. Nachlassen der durch den Tumor bedingten Schmerzen wurde sehr oft beobachtet. Voriibergehender Wachstumsstillstand ist eine regelmgl~ige Beobachtung. Einschmel- zung und starke l~tickbildung sind im ersten geschilderten Falle, vSllige Riiekbildung eines generalisierten Beckensarkoms in dem zuletzt gesehilderten Falle beobachtet worden. Das Waehstum der Geschwuls~ wurde im vorletzten l~alle (11) durch die Behandlung sehr aktiviert, und eine Generalisation war nach der Behandlung nachweisbar. Als wichtigstes l~esultat kann gelten, dab wit bei der Behandlung mit dem unspezi/ischen Serum nicht weniger giinstige Reaktionen gesehen haben, als bei mit sog. spezi/ischen Tumorsera behandelten F~llen. Dagegen gelang es, einen Carcinomfa]l voriibergehend bedeutend zu bessern und einen Fall yon generalisiertem Beekensarkom bei einem Jugend- lichen klinisch so zu bessern, dab der Patient sieh his auf den heutigen Tag gesund fiihlt und arbeitsf~h~g ist.

Die spezifisehe Vaccinetherapie wird dutch die Ergebnisse dieser Arbeit in keiner Weise getroffen. Wir glauben im Gegentefl, durch die unspezi/ische Serumbehandlung einen Zustand im Organismus der K_ranken gesehaffen zu haben, der das Leben der Tumorzelle fast immer vorfibergehend st6r~ und manchmal definitiv unmOglich macht. In- wieweit wit bereehtigt sind, diesen Zustand mit dem der Anaphyla.xie entgegengerichteten zu vergleichen , mfissen weitere Untersuchungen entscheiden. Als bedeutungsvoll fiir die Wirkung der Misehsera kann der relativ hohe Phosphatidgehalt angesehen werden, denn hier ist t in Zusammenhang gegeben zu den bekannten Arbeiten yon Rondoni, Auler und Pelczar u. a.