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Benediktsches Syndrom und seltene Tumoren des Hirnstammes. Von Dr. Harry Marcuse, Irrenanstalt Herzbcrge. Mit 15 Textfiguren und 4 Tafeln. (Eingegangen am 7. Juli 1912.) Bei einer ca. 40ji~hrigen Patientin dcr Irrenanstalt Dalldorf 1) be- stand w~hrend ihres 10jShrigen Aufenthalts in der Anstalt und schon vorher ein unwillkiirliches Zittern der rcchten Extremit~ten mit einer allmShlich sts werdendenlinksseitigen OculomotoriuslEh m ung. Dieser Symptomenkomplex ist als Bencdiktsehes Syndrom bekannt. Er weist auf eine in HShe der Oculomotoriuskerne lokalisierte Erkrankung des GroBhirnschenkels hin. Die psychische StSrung der Patientin lieli daran denken, dab eine multiple Sklerosc dem ganzen Krankheitsbilde zugrunde lag. Die Sektion ergab jedoch ein relativ kleines Angiom in der Regio metathalamica. AuBerdem land sich im rechten Thalamus opticus ein ca. 2 em langer weiBer, steinharter KSrpcr, vonder Dicke einer Strick- nadel etwa, der sich bei mikroskopischer Untersuchung nicht Ms ge- wShnliche Verkalkung, sondern als echter Bindegewebsknochen erwies. Der n~heren Besprechung des in verschiedener Hinsicht interessanten Falles sei die Krankheitsgeschichte vorausgeschickt. Amunncsc. (Zmn Tell nach Angaben des Ehemannes.) Pat. ist 1868, unehelich, geboren. Die Mutter starb 1894 pl6tzlich, im Alter yon 62 J~hren. HereditiLre Verh/iltnisse nicht ngher bek,~nnt. Sie hat gut gelern~, war intelligent, belesen, kenntnisreich. Sic lift sehr darunter, dab sic unehelich geboren war und nahm es sich schr zu Herzen, als die Mutter nach einem 8treit mit ihr pl6tzlich st~rb. Sic war zwar vor ihrer Erkrankung normal, abet doch immer etwas melanehoiisch. War ,,scharfsimdg", hatte abcr auch ihren Kopf fiir sich und war sehr hmnenhaft. Bald opferte sic sich fiir ihre Verwandten auf, bald konnt~', sic sic nicht sehen. Zu Zeiten geri{'t sic fiber eine Klcinigkeit in un- natiirliches Laehen, andrerseits war sic sehr reizbar und heftig. Bis zur Heirat 1896 war sie als Arbeiterin t~ttig. Keine besonderen Krank- heiten, speziell keine Lues. Zwei regulS~rc Entbindungen, 1896 und 1899. Kein Abort. 1) Mcinem hoehverehrten friiheren Chef, Herrn Gchcimr,~t Sander, sowie Herrn Geheimrat Kortu m, auf dessen Abteihmg ich den Fall beobaehtet habe, danke ieh bestens fiir die Erlaubnis zu dieser VerOffentliehung.

Benediktsches syndrom und seltene tumoren des hirnstammes

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Benediktsches Syndrom und seltene Tumoren des Hirnstammes.

Von

Dr. Harry Marcuse, Irrenanstalt Herzbcrge.

Mit 15 T e x t f i g u r e n und 4 Tafe ln .

(Eingegangen am 7. Juli 1912.)

Bei einer ca. 40ji~hrigen Pa t i en t in dcr I r r e n a n s t a l t D a l l d o r f 1) be- s t and w~hrend ihres 10jShrigen Aufen tha l t s in der A ns t a l t und schon vorher ein unwil lki i r l iches Z i t t e rn der rcchten E x t r e m i t ~ t e n mi t einer al lmShlich s t s werdendenl inksse i t igen OculomotoriuslEh m ung. Dieser S y m p t o m e n k o m p l e x ist als B e n c d i k t s e h e s S y n d r o m bekannt . Er

weist auf eine in HShe der Oculomotor iuskerne lokal is ier te E r k r a n k u n g des GroBhirnschenkels hin. Die psychische StSrung der P a t i e n t i n lieli d a r a n denken, dab eine mul t ip le Sklerosc dem ganzen K r a n k h e i t s b i l d e zugrunde lag.

Die Sekt ion ergab jedoch ein re la t iv kleines Angiom in der Regio me ta tha l amica . AuBerdem land sich im rechten Tha l amus opt icus ein ca. 2 em langer weiBer, s t e inhar t e r KSrpcr , v o n d e r Dicke einer Str ick- nadel etwa, der sich bei mikroskopischer Unte r suchung n ich t Ms ge- wShnliche Verka lkung, sondern als echter Bindegewebsknochen erwies.

Der n~heren Besprechung des in verschiedener Hins ich t in te ressan ten Fal les sei die Krankhe i t sgesch ich te vorausgeschickt .

Amunncsc. (Zmn Tell nach Angaben des Ehemannes.) Pat. ist 1868, unehelich, geboren. Die Mutter starb 1894 pl6tzlich, im Alter

yon 62 J~hren. HereditiLre Verh/iltnisse nicht ngher bek,~nnt. Sie hat gut gelern~, war intelligent, belesen, kenntnisreich. Sic lift sehr darunter, dab sic unehelich geboren war und nahm es sich schr zu Herzen, als die Mutter nach einem 8treit mit ihr pl6tzlich st~rb. Sic war zwar vor ihrer Erkrankung normal, abet doch immer etwas melanehoiisch. War ,,scharfsimdg", hatte abcr auch ihren Kopf fiir sich und war sehr hmnenhaft. Bald opferte sic sich fiir ihre Verwandten auf, bald konnt~', sic sic nicht sehen. Zu Zeiten geri{'t sic fiber eine Klcinigkeit in un- natiirliches Laehen, andrerseits war sic sehr reizbar und heftig.

Bis zur Heirat 1896 war sie als Arbeiterin t~ttig. Keine besonderen Krank- heiten, speziell keine Lues. Zwei regulS~rc Entbindungen, 1896 und 1899. Kein Abort.

1) Mcinem hoehverehrten friiheren Chef, Herrn Gchcimr,~t S a n d e r , sowie Herrn Geheimrat K o r t u m, auf dessen Abteihmg ich den Fall beobaehtet habe, danke ieh bestens fiir die Erlaubnis zu dieser VerOffentliehung.

282 I I. Mareuse:

Naeh dem ersten Woehenbett, das sonst vSllig normal verlief, magerte sic ab, klagte fiber Mattigkeit und Schlaflosigkeit, vernaehl/issigte ihre Wirtsehaft, ging mit dem Geld nieht mehr gut urn, verh)r das Interessc ~m Kind. ,,We ()berlegung n6tig war, vers~gte sic."

Hysterische Symptome bet sic nieht, h6ehstens scheint Clawls vnrhanden gewesen zu sein.

Am 3. Oktober 1896 soil sit, sich erk~ltet haben. Es entwickelte sieh daml im Verlauf yon 3 Woehen Liihmung tier Spraehe, des linken Augeniides, des reehten Armes und Beines. Sic wurde mit kurzcn Unterbrechungcn 10 Monate im Kranken- haus t)ehandelt.

Aus der dort gefiihrten Krankheitsgeselfichte ist hervorzuheben, (lab Patien- tin angab, schon vet 2 Jahren (Mso 1894), l)oppelsehen und Herabh~ngen des linken Augcnlides bemerkt zu h~ben. GMchzeitig lit( sic an Kopfsehmerzen. Sit; sei damals in der Augenklinik mit Jodkali beh~mtMt ~vorden, worauf die Besehwerden v611ig versehwanden. Sic gab auch an, (lafl sic sieh zu Hause sehr leieht fiber geringc ])ingc iirgern kSnnte. Seit dcr Entbindung h,~be sic wicder Kopfschmerzcn. Naehdem sic vorher vicl Arger gehabt hate, hS, tten sich jctzt die Liihmungserscheinungcn entwickelt, dic bereits etwas zurfickgegangen seicn. Sehluekbesehwerden hiitten nicht bestanden.

Der objektive Befund war folgendcr: Pat. ist eine grebe, etwas h~gere Fr~u yon blcieher Gesichtsfarbe, schlaffer

Muskulatur und gering entwickeltem Fcttpolstcr. l)~s Sensorium ist frci, dic I)enkknfft vermindert. Sic vermag einfaehe Reeht'n-

aufgaben nicht framer ri(.hiig zu 16sen. ])ie Stimmung ist verSnderlich, leieht zur Sehwermut neigend.

Die Sprachc is( dcutlich skandiercnd, verlangsamt, etwas anarttlriseh. Zunge wird gerade herausgestreckt, ohne zu zittern. Stirnrunz(dn auf beiden Seiten gleieh. Mundspitze~), Pfeifcn, Aufblasen der bciden Backen gelingt gut. ])as linke Augenlid hitngt etwas herab und kann nieht w)llkt)mm(~n ho(,hge-

zogen werden, l)as Sehlielh,n der Augcn geschicht reehts und links gleich gut. Beim Blick naeh rechts bleibt das link(, Auge zurfiek, ebenso beim Bliek lu~ch ot,en und unten. Naeh ~mBcn is( (lie ])rehung des Bulbus einc normal weite.

Die linke Pupille is( welter als die Ivchte. Auf Lichteinfall reagicrt sic 1.riigc, wShrend die rechte prompt rcagicrt.

Augenhintergrund ohne Besonderheit. l)ie motorische Kraft der rechten oberen und unteren Extremitiit is~ gegcn

(lit. de.r linken hembgesctzt, doeh vermag P~tientin mit dens(.lbvn noeh jede ge- wiinschte Bewegung ~mszufiihrt,n. Hierbei Intcnti(mszittern. Sowohl in den obe- ten wie unteren Extremitiiten besteht geringc Ataxie, gMeh stark bci offnen und geschlossenen Augen.

Im Ortssinu, wie im Muskelsim~ sind keine wahrnehmbarea Veriinderungen vorhanden.

Leise Beriihrungen werden fiberall empfunden, Nadelspiize und -knopf gut untersehieden. Schmerzempfimlung normal.

Patellarreflex gesteigert. FuBklonus nieht vorhanden. Unter Jndk~li gehcn die Ers(~heinungen anf~tlgs etwas zurfick, im wesent-

lichen is( der objektive Behind bei der Entlassung, am 16. September 1897 der- selbe, nur zeigte (lie linke Pupille keine Lichtreaktion mehr.

Die Diagnose wurde attf multiple Sklerose gestellt. Der Ehemann gab mit Bestimmtheit an, dab die Liihmungen und Sprach-

l~enedikts(,hes Syndrom und seltene Tumoren des tlirnsfamnms. 2S3

st6rung in 3 Attaeken kamen und wieder verschwanden. W/ihrend dot zwciteu Gravidit/tt und Entbindung w~u' sic Dmz gesund.

Drei Monate nach der zweitcn Entbindung, also Endc 1899, wurde es wieder schh,ehter. Sie h~tte Angstzust/inde, war sehw~oh yon Gedanken. Es stellten sich nun ,,Anf~tllo" ein, die t/iglich um (ti('sclbc Zeit auftraten. Patientin fiel ohne Sehrei, bewui~tlos hin, ,,al~ ob ('in Mensch sich verstellen well(e, sich fallen liel~", hatte keine Kriimpfe, wurde nicht st,,if. Ob Einn/issen und Zungenbisse auf- traten, ist nieht bekannt.

Sic l~g 4 5 Stunden mit offnen Augen, spraehlos, bewegungslos da, kam (l~mu pl6tzlich zu sich und war wieder ganz verniinftig.

Am 24. Januar 1900 wurde sic in die K6nigl. Charit6 aufgenommen. Hier wurde folgender Befund ethel)on, l)as Zittern wcchsclte iu der intensi-

t/it, war al)er dauernd vorhanden. Es war in (h'r reehten Hand stitrker als inl rechten Beta und nahm besonders l)ei intendiert(,n Bewegungen zu. ])er l)ate.llarl'eflex w:~r rechts gesteigcrt, der G;mg mit dcm rcchten Bein ctw~s spastisch. Das Doppcl- sehen war verschwunden.

Patten(in klagtc 6ftcr tiber Hcrzklopfen, Kopfschmerzen, Schwindcl und war nn,ist deprimiertcr Stimnlung.

Diagnose: Hemiplcgia dextra. Am 30. Mat 1900 wurdc sic nach l)alldorf iibergefiihrt. Hier evwies sic sich

5rtlieh und zeitlich orientiert, zeigtc vollcs Situationsvcrst/indnis, machtc gem~uc An~ai)en tiber ihre Krankheit. l)abei b(,hauptete sie aber, einmal ,,Herzli~hnmng" gehabt zu habcn. ])as Herz habc aufgch6rt zu schl~gcn, sic set tot gewescn. Klagte, sic set inuner w~rstimmt, babe koine Lust, sich zu bcschiiftigcn. Die Empfindung fiir Mann und Kind set ihr ganz abhanden gekommen, l)as liege in ihrcr Krank- heir. Sic mache sieh keinc Vorwiiffe dariiber, ihr set alles gleich. Sic k6nne nieht klar denken, fiihle sich krank.

In der Tat machtc sic cinen freudloscn Eindruck. Intelligcnzdcfekte waren ni('.ht nachzuweisen. Emotionc]le lncontincnz bestand nieht.

Das Zittern der Hiinde wird bet Schreibv(,rsuchcn so heftig, dab sie r(,chts gt~r nieht, links nur einzelne Buchstaben, sehr undeutlich zustandc bringt, l)(,r re(.hte Ful3 zcigte sohr schwachen Tremor, cbcnso (lie linkc Hand. Dic Zehen (los rechten Fui3es standen p~thologisch gespreizt, lhre Beugc- und Streckbewegungen waren ullbeholfcner als links.

Wesentlichc Abweichungen yon dcm friiheren sonmtist'hen Befund b(~st;m(h'n nicht.

l)as Gesichtsfekl erwies sich als normal. ])er Farbensinn erhalten. Es wurd(,n gekreuzte Dol)pelbild('r n~chgewiesen und zw~u' stand das Bihl

d(,s re(,hten Auges etwas h6hcr als (tas d<'.~ linken und naeh links. 1)er seitlichc Abstand nahm beim S(~hen nuch links (!) zu und crr(,ichtc nach Sch~itzung dcr Pat. tiber 1 Meter, verschwand dageg(,n b(dm Blick nach r(,chts. ])iese Angaben hiclt sic V(,xicrproben gegeniibcr aufrccht.

August 1900 war sie miirrisch, in sich gekehrt, empfindli(.h, schicn Bcziehungs- lind Beeintr~ehtigungsideeu zu habcn. Erkliirte, sic set kein gemeincs \Veil~, wofiir m~u sic zu halten schcine, der Arzt verachtc sic, denkc sehlccht yon ihr, well sic nicht arbcite. Zeitweise war sic errcgt, schimpftc auf den Arzt, bat lmchher um Vcrzeihung.

Juni 1901 cntfet~te sic sich heimlieh aus dot Anstalt, wurdc dutch (tie Polizei zuriiekgebracht. Auf tier Wachc war sie laut und erregt.

Juli 1901 deprimiort, bitter den Arzt nm Gift. Sie werde doch nicht mehr ge- sand and k6nm, es nicht mehr aushalten. Ein zweiter Fluehtversuch wurde recht- zcitig bemcrkt. Darauf verlangte sie cnergisch ihrc Entlassung. Sic set ganz gc-

284 II. Marcuse:

sund, man wolle sie nur nicht herauslassen, um sich nieht zu blamicren. Der Arzt stecke mit ihrem Mann unter einer Decke.

September 1901. Vcrsuchte zweimal, sich auf dem Abort zu strangulieren. Bat bei der Visite um Gift; sie kSnne es vor Schmerzen in Armen und Beinen nicht mehr aushalten. Wolle entlassen sein, gehSre nicht in die Anstalt. Bekam 10 Tage darauf einen Brief yon ihrem Ehemann, in dem dieser sich in roher Weise yon ihr lossagt. Er hebt besonders hervor, dal3 ihre AngehSrigen jetzt erziihlten, sic sei sehon als Kind krank gewesen. Danach war sie wochenlang erregt, abweiser~d, versuchte mehrmats sich umzubringen, wurde gegen die Arzte aggressiv mit der Motivierung, sie miisse ihre Wut irgendwo auslassen.

1902. Nimmt im Bert eigcntiimliehe Stellungen an, z. B. h~tlt sic das rechte Bein in senkreehter Richtung hoeh, so dab es wie ein ,,Signalmast" steht. Treibt Mlerlei Schabernack: kr~iht, briillt wie ein Escl, drapiert sieh mit Deeken, singt Volkslieder, Gassenhauer, imitiert die )~rzte. Zwischendureh erregt, r~tumt das Bett aus, zersehl~igt eine Fensterscheibe, verlangt Gift.

1903. Wird oft isoliert, weil sic sich auf den Ful3boden legt, laut ist, die Betten zerreil3t. Versueht hSufig, sich selbst zu besch~idigen. Abweisend oder depressiv erregt.

1904. Ist nieht dazu zu bewegen, den Arzt anzusehen. Das kSnne sie nieht. ,,Ich mul3 reich ja seh~tmen, ieh habe Dalldorf blamiert, ich bin am Ungliick meiner Familie schuld, datum verhShnen sin reich ja aueh; schlagen Sic reich doch tot, erwfirgen Sic reich, bitte, erwiirgen Sie reich, sonst sehlage ieh die Fenster ein, sehlage Sie, zerschlage alles! Gehen Sie weg, ieh will naeh der Zelle." Sehreit, sehl~igt und l~13t sich erst beruhigen, indem man sic nach der Zelle bringt.

Die angefiihrten Sgtze bringt sie fast immer in derselben Art vor. Gelegent- lich gibt sic auf Fragen Antwort, versteht jedenfalls alles, erkennt den Arzt schon an der Stimme, kennt die Namen der Pflegerinnen und einzelner Patientinnen.

Nimmt oft ,,ganz verdrehte Haltung" im Bett ein, entblSl3t sieh, l~uft naekend herum.

Reehter Arm und Bein in d~uernder Bewegung. Nach den Bcwegungen gefragt, bricht sie in Trttnen aus: ,,Das ist unwill-

kiirlich, es gl~ubt mir ja keiner. Wenn Sic mich sezieren, werden Sie ja sehen, was mir fehlt."

Gibt ihr Alter und Dauer des Anstaltsaufcnthaltes richtig an. Warum sic zerreil3e und sich immer ausziehe .9 ,,Das weifl ieh ja selbst nicht. - -

Weil ich so verriiekt bin." (weint.) 1905. Ist unreinlich, muB h~ufig isoliert werden, weil sie nackend liegt und

herumliiuft. Wird yon Professor Liepmann in einem Studentenkurs demonstriert: , ,Kommt, sieh gegen die W~irterinnen str~ubend, herein, l~tl3t sich zu Boden sinken, welart den ihr giitig zurcdenden Arzt ab, kneift Mund und Augen krampfhaft zu- sammen, gibt nur unartikulicrte Laute von sich. Drt~ngt immcr hinaus, zuriick- gehalten bleibt sic am Boden liegen, zappelt mit allen Gliedern, gibt lange keine Antwort.

P15tzlieh sprieht sic, fiihrt bittere, aber durehaus sinnige Reden, welchc so- wohl vollkommene Orientierung wie genaue Erinnerung an den ganzen Krank- heitsverlauf zeigen: Fiir sic g~bc cs keine Heilung, keine Freude mehr. DM3 sic sterben wolle, sei wohl begreiflich, da sic zeitlebens im Irrenhaus bleiben miisse. Allen Trostworten setzt sic ungl~ubige Reden entgegen. Sie k6nne doeh nie wieder froh werden, man solle nur sehen, wie sie aussehe.

Am Ende der Demonstration steht sin, l~iuft und spricht tadellos. Von Demenz ist niehts zu bemerken."

1906. EntblSBt sich nieht mehr vSllig, streckt meist nur ein Bein nackt

Benediktsehes Syndrom und seltene Tumoren des Hirnstammes. 285

nach oben. Ist heiterer, kichert viel, spricht nur polniseh, antwortet auf kein Zu- reden deutsch.

Seit Juli spricht sic gar nicht. ,,Gefragt, ob sie dureh Elektrizitgt ihre Spraehe wiederbekommen wolle, nickt

sic lebhaft. Wird faradisiert, wehrt ,~b, weint, spricht sehliel31ich undeutlieh einige vorgesagtc Worte. Nach Beendigung lacht sie und sehSttelt dem Arzt dan- kcnd die Hand."

Ihre abnormen Haltungen sind ganz verschieden yon katatonischen Stereo- typien. Sie zeigt keine Flexibilitas und keinen Negativismus. Es ist, als ob ein Gesunder sich w~rn~thme, sich mSgliehst toll zu gcb/~rden. Ebenso triigt ihr Muta- eismus einen ganz andercn (als katatonischen) Charakter.

Sie kncift forciert, che sic [iberhaupt Anlal3 oder Aufforderung zum Sprechen hat, die gesamtc Mundmuskulatur zusammen, als ob sie allen reeht deut- lieh machen wollte: ,,Seht, ich kann und werde nicht spreehen." Das Ganze macht entschieden dcn Eindruck, dureh Vorstclhmgcn und Absicht auf Wirkung eingcgeben zu scin."

Wiederholungen des Elektrisiercns blieben ohnc Wirkung; sie verficl in den alten Zustand, antwortctc nieht, nahm ihrc gewShnlichen Stdlungen ein, schlug zeitwcisc andere Kranke.

1907. Auf Anredc bleibt sic stumm, dagegen schimpft und briillt sie bisweilen spontan. Licgt in unanstSndigcr Haltung im Bett; auf dem Gesicht ein freund- liches Grinsen. Ist unrein, schmiert, defaeciert auf den Boden."

Sic schcint fiir schmerzhafte Reize, zumal in die meist zum Bette herausge- streckte rechte Fu$sohle, ganz unempfindlich. Kann ohne Unterstiitzung gehen.

,,Ira hSchsten Ma6e caprieiSs, reagicrt mit iibcrtriebener Mimik, in der Qualitgt angepaBt auf jede Rede und Mal~nahme, Sln'icht alter nicht. Stilnmung, rcsp. deren Ausdruek, elownhMtc grotcske Lustigkeit."

Ganz wq'schwinden kann man das Sehiitteln im rechten Arm und Bein nicht maehen. Aktive Motilitiit des reehten Armes vOllig frei, Hiindedruek aueh rechts kr/iftig.

Hervorrufcn lebhaftcr Affekte regt sic stets zum Redcn an. 1908. (Von hier ab eigcne Beobachtung.) l)as Gesieht der Patientin ist meist schr verzerrt und dadureh von auffallen-

der, ungewOhnlicher H//gliehkeit. Die Stirn ist hochgezogen, der Mund sehr breit, zugekniffen. Das linke Auge meist ganz, das rechte fast geschlossen, l)cr linke Faseialis ist oft stitrker innerviert als der reehte, was sieh abcr beim Laeheu usw. ausgleieht. Meist zeigt das Gesieht ein breites Grinscu.

Die Stimmung ist heiter; Pat. freut sieh, wenn sie untersueht wird. Sie licgt meist untgtig, selten lesend im Bett.

Sic ist 5rtlich und zeitlich oricntiert, begreift die Situation, findet sich auf der Abteilung zurecht. Sie kennt die Pcrsonen ihrer Umgebung. Ihr Alter gibt sie auf 104 Jahr an, sei 1813 geboren, so alt wie Methusalem. Ftigt spontan hinzu, sie kSnne nieht mehr so vergniigt sein, sei eine alte Frau und lacht dabei! Aueh das Zittern fiihrt sie auf AlterssehwSche zuriick. Bei der k6rperliehen Untersuehung benimmt sic sieh iibcrtrieben sehamhaft, withrend sie im Garten mit Vorliebe, sobald Miinner in die Nis kommen, unanstSndige Stelhmgen einnimmt.

I)ic Sprache, oft in Fisteltanen, ist langsam, gedchnt, dabci gut verst/tndlieh. Sie spricht hauptsgchlieh inspiratoriseh und dabei mit eigentiimlich heiserer Klangfarbe.

Die Sehiittelbewegungen sind in den rechten Extrc.mit/tten am stgrksten, ziehcn aber mitunter den ganzen K6rl>er in Mitleidensehaft. Arm und Bein machen in der Sekunde 3 -40se i l l a t ionen , die bei intendiertcn Bewegungcn zum Schleu-

286 H. Marcuse:

dern ausarten. Es geling t Pat. abcr doeh, sich ein Taschentuch in die Tasche zu stecken. Sie il]t allein, abel mit der linken Hand.

Der Knie-Hackenversuch gelingt. Der Harken kann aber nicht am Knie fcstgehalten wcrden. Der Gang ist gebfickt, die linke Suite voran, nach links iiber- faltend. Wfhrend der rechtc Arm, im Ellbogen gebcugt, Icbhafte Sehiittelbewc- gangcn von vorn nach hinten ausfiihrt, h~lt sic sich mit den1 linken an Stiihlen fest. Das rechtc Bein h/ilt sic steif, tr i t t mit dem ~tuSeren FuBrand auf. Dcr Gang ist n i c h t ataktisch.

Glaubt sich Pat. nicht beobachtet, so geht sic entschieden besser. Sic kann ohnc Hilfe Trcppen hinauf- und himmtcrgehen.

Stehen ist bci der Untersachung anscheinend unmfglich. Pat. fiillt sofort bin, wobei sic sehr kompliziertc Stelhmgen einnimmt.

]?at. sitzt gcwfhnlich, indem sic das rcchte Bcin fiber das linke lcgt und (tie Hiinde vor dem rechten Knie gcfaltet h~ilt. Auch (label halten die Schiittelbcwe- gungen an. Sic sind durch Festhalten, Ablenken usw. nicht ganz zu untcrdrfickcn. Wenn nlan das Bcin in Hfiftc mid Knie maximal und den FuB stark plantar beugt, so lassen sic crheblich nach. Dicse Beugebewcgungen lasscn sich auffallend leieht w)rnchmen. Dcr Hacken kann vfllig an den Obcrschenkel, diesel glcichzcitig an don Bauch angclegt werden.

Auch die linkcn ExtremitE~en zcigen Hypotonie, abel' nich~ so st~rk wic rcchts. Dic Zchen wcrden links auffallend gcspreizt gehalten, rechts machen sic die Schiittel- bcwcgungen mit.

Der kOrperliche Befund ist dersclbc wie friiher. Doppelbilder sind nicht lnchr nachweisbar. Corneslreflcx + . Bauehdeckenreflex deutlieh + . Sensibilit/it: Spitz und stumpf, sowie warm und kalt werden fiberall untcr-

sehieden. Bei tiefcn Stichen ffllt geringe Schmerzcmpfindlichkeit auf. Die Glut/ialrcflexc mind vorhanden, doch behauptet Pat., hier kcinen Schmcrz

zu fiihlen. 1909. Psyehisch unveri~nderfi. Benutzt in auffallender und schamloser Weise das Stechbecken w/ihrcnd der

Mittagszeit, ist schr unsauber. Sagt: ,,Die Augen seien nieht wert, dab man sie ansehe. Sie sind so unappctit-

lich, - - sic waschc sit nit aus. Die alte Frau kann da in der Ecke liegen und vet- modern." (Meint sich selbst.) Li~ltt sich crst untersuehen, nachdeln ihr Kar- toffelbrei, den" sic gerne i6t, bewilligt wordcn ist. Freut sich kindlich.

Sie sei schwach im Kopfe, seit dcm SehlaganfM1. Geisteskrank sci sic nie gc- wesen, nur wcgen Ncrvcnschw/iche hier. Das komme yon ihrcm hohen Alter. Eine so alte Frau kfnne auch nicht rechncn. 6 X 8] + ; 5 x 12] + ; 3 x 17] + ; - - bitter die Oberpflegerin: ,,Sagen Sic mir doch vor, Fr/iulcin A."

Der kfrperliche Befund ist derselbe gcblieben, l)ie globe Kraft wird rechts wieder als gut bezeichnet. Die Hypotonie, die Zwangsbewegungen sind unvcr- 5ndert. Die Muskeln sind nicht atrophisch. Die galvanische Untersuchung ver- ursacht ihr scheinbar erheblichc Sehmerzen; sie str/iubt sich sehr energisch da- gcgen.

Der Augenbefund ist unver/indcrt, speziell ist die Lichtreaktion der rechtcn Pupille vorhanden.

Die Sprache hat noch die schon oben bcschricbcnen Eigentiimlichkciten. Sic grim~ssiert viel und lacht oft iiberm~ii3ig. 1910. Behauptct, nicht so l~nge auf dem Stuhl sitzcn zu kfnnen, well ihre Net-

Benediktsehes Syndrom und seltene Tumoren des iIirnstammes. 287

ven zu kurz w/iren. Erziihlt laehend, sic habe ihre Mutter ermordet, weil sic selbcr arm gewenen sei. Zeigt bei Erw/ihnung ihrer Toehter, die, wie sic sagt, in Buda- pest lcbt, keinen Affekt, Mint es ab, ihr schrciben zu lasnen. Sagt, sic sei sehr trau- rig - - wenn man no alt sei, habc man doeh traurige Gedankcn und lacht dabei.

Ist 5rtlieh und zeitlieh orientiert. W a s s c r m a n n s c h e Reaktion im Blur und Liquor eerel)rospinalis negativ. MSrz 1910. Beide Pupilhm lichtstarr. Linkcs Auge in Abduktionsstclhmg fixiert. Zunge zeigt 1)atientin ni(,ht. l)atellarreflcx: Links deutlieh auslSsbar; es trit t oiu(~ siehtbare Zuekung des

inneren Quadricepsmuskels auf. llechts wegen (h,s stiindigen Wackelnn nieht zu entsdu, iden.

Achilh'sst,hnenrefh,x: Ni('ht sicher aunlSsl)ar. Ataxie beim Knic-Hack('nvcrsu(,h. l,ageg(,fiihl m'halten. Stercognosie ohnc SJt(irllllg. Wahrsehcinliehkeitsdiagnose: Herd ((lesehwulst) im linken Peduneulus und

Thalamus 1). Juni 1910. Ziemlich nchm,llcr Verfall infolge Lungentuberkulose. l)er Tremor reehts bcst('ht in gewShnlieher Weise. ])as rechtc B('in wird oft

in iibcrmiil~ig gcbeugter Slcllung gehatten, so dab dan Knic auf dem Baueh und der Hacken am Obernchenkel liegt. Es besteht also Hypotonie.

Pupillcn bcide lichtstarr. 5. A u g u s t 1910. E x i t u s letal is . S('ktionsbefund (6 h. p. m.) . Matins univernalis. Phthisis uleerona easeosa

tub(,reulosa puhnonum. ])cgene,:atio amyloidea lienis et renum. Ulecra tubereuh)sa intestini. Degeneratio cystiea owu'ii dext.

Nervcnsystem. ])ura nieht gcspannt. Pia iibcrall zart, glatt und spiegelnd, gut abziehbar. Die G(,fiiBe nirgend,s sklerotiseh vcrgndcrt. Auf eine, m Frontal- sehnitt, der dutch das Balkenknic gcht, erseheint die Gehirnsubstanz sehr blM~, 6de- mat6s. Die Rinde ist im Stirnhirn verschmiilert, heller als normal. HerdfSrmige Vergnderungen finden sich nicht. Die Ventrikel sin(1 nicht erweitcrt. Aueh im Kleinhirn erseheint (lie Rinde stcllenweise auffallend blalk

1)as Riickenmark ist im ganzen yon etwas derber Konsistenz. Aueh bier finden sieh keine tterde.

Naeh Formolhiirtung werden die Stammganglien nfit Pons undMedu]la obhm- gata heratrsgel6st.

Fig. 1. Ftwa 2/~ nattirl. (Ir613e. o - Osteom.

:Fig. 1 zcigt den Frontalschnitt durch das Mittelhirn an der hinteren Grenzc des Chiasma (yon w, 'n gcsehen).

1) Diene Diagnose war nchon friiher yon Hcrrn (h,hcimrat Dr. K o r t u m ge- slellt worden.

288 H. Mareuse:

Man sieht die Commissura posterior dureh eine zapfenartige zwischen den ThMami hervordringende Gcschwulst emporgew51bt. Die Geschwulst ist tier blau- rot gefiirbt.

Im rechten Thalamus opticus steckt ein weiBer knoehenharter KSrper w)n Strieknadeldieke.

Fig. 2. E twa ~/.~ natf ir l . GrSBe.

Fig. 2. Der Schnitt geht, ungef/thr parallel dem vorigen, durch die Corpor~ mammillaria. Uber diesen, aber dutch cinch kleinen Spalt von ihnen getrennt, breitet sich der - - in natura - - br~unrote Tumor zwischen den hintersten Partien der Thalami aus. Er dringt nach links wciter in die Substanz dcrselben ein und ist hier etwas weniger scharf abgegrcnzt als rechts.

Die genauere Lage des Tumors veranschauliehen die folgenden Photogrammc, die nach P a l - K u l t s c h i t z k i - P r / i p a r a t e n hergestellt sind.

Fig. 3. Vergr . ca. 1 ,7:1.

Fig. 3. A = Angiom, Cgl, Cgm = Corpus gcnicul, lat., recd., Csth = Corp. subthalam, F r t l = Fasc. retroflexus, Ghb= Ganglion habenulae, H = F o r e l - sehes Haubenfeld, NL = Nucleus Luysii (Centre m+dian), Nr = Nucleus ruber, P u l = Pulvinar, S n = Substantia nigra, Stz = Stratum zonale Thalami, T I I = Tractus optieus, Tpt = Tractus peduncular, transversus, V I I I = Ventri- eulus I l I .

Dcr Schnitt geht etwas schriig yon vorn oben nach hinten unten und ist rechts weiter vorn als links. Rechts ist das Corpus subthalamicum bereits vorhanden, der Nucleus Luysii und Nucleus areuatus Thalami treten mehr weniger deutlich hervor, der Tractus opticus ist schriig getroffen. Links ist das Corpus genicul, lat. noch ziemlich grog, das mediale angeschnittcn.

Bene<liktselles Syndroln und seltene Tumoren des Hirnstammes. 2 8 9

Dec Tumor drgngt (lie spinalsten Teile der Seita~nwgnde des 3. Ventrikels auseinandcr und hat die Gebildc dcr subthalamischen Region besonders auf tier linken 8eite zum Tell zerstOrt. Er bcsteht aus k~,vern6sen Rgumcn, die zum Teil noeh Blur enthal ten. An vielen Stellen ist dieses ausgefallcn, so dail nut das Ma- schenwerk der Septen vorh:mden ist.

Die Oonfiguration des Ventrikels ist dur(;h (hm Tumor stark veriindert. Die vordersten Biindel der hintm'en Commissur, die ihn bier noeh iiberbriieken mii[Jten, sind zerrissen, l;ernm' ist das ventrale Hiihleltgratt mit den Kernen d(.r ( 'ommissura post. zcrst()rl.

Links ist der Rot(' Kern v611ig dutch Gesehwulstmasse ersetzt, withrend er reehts bis auf das dorsal yore Faseiculus retroflexus g(,legene 8tiiek erhalten ist. l)er F~se. retrofl, t r i t t re(lilts deutlieh hervor. Er wird yon eil~.em stark erweiter- ten Geftill, das "ms dem Angiom zttni Thalamus zieht, durehbroehen.

N~eh links vom Tumor markicrt sich dic sehr starke Aufhellung des F o r e l - schen H~mbenfeldes, (h~s rcchts annghernd normalen Faserreichtum z(,igt.

Die Subst~ntia nign~ ist links dureh den Tumor komprimiert und faserarm. Rechts si(,ht man den Traetus peduneularis transversus yon unten in sic hinein- ziehen.

Die Faserung (let' Thalami zeigt bier und aueh auf welter vorn gelegenen Sehnitten keine Abweiehungen von der Norm. Im reehten Thgd~mus finden sich mehrere st~rk erw(.iterte Gcfii~e. Das Stra tum zonale ist bei(Icrseits vrh~dten.

Fig. 4. Vergr. 1,5 : 1.

Fig. 4. Bezeiehnungen wie Fig. 3. (~op = Commissura post., Cqa = Corp. quadrigem, amt., Olp = Glandula pinealis, N I I I = Nervus oculomot.

Der Schni t t zeigt rechts noch den hinters ten Teil des Pulvinar, wghrcnd links bereits der vordere Vierhiigel entwickelt ist. Die Commissura posterior ist er- h a r e m abet etwas gedehnt, l h r ventrales Ursprungsgebiet wird dutch den Tumor komprimiert oder sog~r zerst6rt, l)er Tumor breitct sieh unterhalb des Aqu~e- duktes aus, w61bt dessen W~md v o r u n d erreicht links fast den Peduneulus. Seiu I)urehmesser betrggt hier iib(,r 1,5 cm. Er ha t den roten Kern rechts zur Hitlfte zerstOrt, (let linke ist in ibm vOllig aufgegangen und aueh die Substant ia nigra ist teils zerstOrt, teils komprimiert . Ferner zerstSrt sind links der Fasciculus re-

t r o f l e x u s , das Haubenfeld, die Oeulomotoriusfasern. Eine erheblichc Schgdigung der Fibn~e efferentes tecti, des Tractus spinotee-

talis et thalamieus, bevor er dem Ganglion genieul, med. medial anliegt, des Fas- cieul, tegm. lat. ist nicht direkt sichtbar, muB aber aus der L~ge der Geschwulst, die n~eh hinten zu sich erheblieh lateralw/irts ausdehnt, erschlossen wenh.n. Reehts diirften diese Gebilde nicht betroffen sein, da dec Tumor sieh viel wenigm' weit lateral ~ms(lehnt. Hier erseheinen bereits einige latende Oculomotoriusfasern.

z. f. d. g. Neur. u. Psych. O. XII. 19

290 H. Marcuse:

Das proximale Kerngebiet des Oeulomotorius, sowie des Faseieulus longit, post., wird aber beiderseits von dec Gesehwulst eingenommen. Die Zellgruppe des Ganglion mesencephali dorsale ist beiderseits in MitMdensehaft gezogen.

Fig. 5. Lm = Lemniscus reed. Vgl. Tafel V, Fig. 1: D&ail yon Fig. 5. Dcr Schnitt geht durch (tie beiden vorderen Vierhiigel, links wieder etwas dista-

let als rcchts. Zwischen ihnen die G1. pinealis. Im untercn Teil des reehten Vier- hiigels ist wiederum das stark erweiterte GefSB zu sehen, dcssen Zusammenhang mit der Gesehwulst hier besonders deutlieh erkennbar ist.

Der Tumor zeigt ungefghr dieselbe GrSge wit in dem vorigen Sehnitt, ist abet etwas abw/irts gerfiekt, so dal3 die Kompression des Aquaeducts und des HShlen-

Fig. 5. Verg. 1,5:1.

graus geringer ist. Die ZerstSrung des v(mtral gelegenen Kerngebietes ist jedoeh nur wenig geringer geworden. Der Tumor versehont die laterale Hiilfte des reehten Nucleus ruber, zieht d'~gegen links auger ihm fast die ganze Substantia nigra in seinen Bereieh. Reehts sind die Oeulomotoriusfasern etwas zahlreieher geworden. Von den sonst hier kreuzenden rubro-spinalen Fasern (F o re I sehe Haubenkreuzung) ist niehts w)rhanden. DiG Biindel v o n d e r Sehleife zum Pes peduneuli sind links unterbroehen, die medialeSehleife selbst trit t links bereits il! ihrenl lateralen Teil gesehlossen hervor, wghrend sie reehts in unseharfer Begrenzung zur subthala- misehen Region zieht, l)ie zentrale Haubenbahn fiillt beiderseits in Tumorgebiet.

Die Fibr~w perforantes sind im linksseitigen tYduneulus sehr spiMieh, besonders in (let' medialen Hitlfte.

Fig. 6. Vergr. 1,6:1.

Fig. 6. Der Schnitt liegt nooh im Bereich der vorderen Vierhiigel. Der Aquae- dukt hat ungefghr seine gewShnliehe Configuration; das HShlengrau ist ventral noch komprimiert und von grogen Gefggen durchsetzt. Ganglienzellen sind hier zwar vorhanden, aber noeh nicht scharf abzugrenzen.

Bencdiktsches Syndrom und seltenc Tumoren des Hirnstammes. 291

Jedenfalls ist ein grSl3erer Tell des rechten lateralen Oculomotoriuskernes vorhanden. Man erkennt rechts aueh einige dem Fasciculus longitudinalis post. an- gehSrige Faserbiindel. Links sind beide Gebilde mindestens sehr verdriingt und nicht mit Sieherheit zu identifizieren.

Die lateralen Teile des HShlengmu sind anscheinend intukt, nur immer noeh welter auseinander gedr/ingt als normal. Die absteigende Quintuswurzel gut erhal- ten. Die Vierhiigel selbst zeigen normalen Faserreichtum, ihre Kommissur die gewShnliche Stgrke.

Die Geschwulst ist etwas kleiner als im vorigen Schnitt, ihre Lagebeziehungen sind abet noch dieselben gebliebcn, so da~ sich eine Aufzghlung der zersti~rten Gebilde erfibrigt.

Fig. 7. Aq = Aquaeduct, Brc] = Bindearm, Cqp = Corp. quadrig, post., Flp = Fase. long. post., N I V = Nuel. Troehlearis, Vd = absteigende Quintuswnrzel. Vgl. Tafcl V, Fig. 2: D6tail yon Fig. 7.

Der Sehnitt geht durch die vordersten Teile der hinteren Vierhiigel und die vordersten Briickenbahnen, die das Trigonum intercrurale bereits ~ms- fiillen. Die Geschwulst hat sieh ungefiihr konzentrisch verkleinert und nimmt

Fig. 7. Vcrgr. 1,5: 1. Fig. s. Vergr. 1,5: 1.

nach links fibergreifend die Mitte der Figur ein. Die Bindearmkreuzung ist bis auf den lateralen und dorsalen Tell der rechten Seite v611ig zerstiirt. Die mediale Schleife ist links in erheblichem Grade, ungefithr in ihrem g,r medialen Drittel, durch Gesehwulstgewcl)e ersctzt. Wieder ist die Substantia nigra, der Tr~mtus rubro-spinalis und (lie zentrale Haubenbahn der linken Seite vernichtet. Der Nucleus IV ist links sehr faserarm. Von dem Fasciculus longitudinalis sind nut vereinzelte Faserbiindel vorhandcn. Die letzten beiden Gebilde sind reehts dagegen gut ausgebildet. Atlerdings sind die medialen Fasern des Faso. post. stark geliehtet. Zwisehen beiden Nucleus 1V und fiber ihnen ist ein sehr faserarmes Oe- biet. l)as fibrige HShlengrau seheint ziemlieh intakt, die cerebrale Quintuswurzel ist beiderseits vorhanden. Die Tractus rubro-spinales und der untere Tell der Binde- armkreuzung sind rechts ebenfalls zerst6rt, die mediale Schleife aber in grSl3erer Ausdehnung intakt als links.

Fig. 8. Hier sind die hinteren Vierhiigel in roller Ausdehnung siehtbar. Ihr Faserreichtum erscheint normM. Die Geschwulst (z. T. ausgefallen) ist kleiner, yon unregehniiftiger Form, und nieht mehr so seharf begrenzt wie bisher. {J'berall driingen sich bereits Markfasern in ihre Randpartien hinein. Sic zcrstSrt im Wesentlichen die Bindearmkreuzung, yon d e r n u r der obere rechte Quadrant erhalten ist und die Tractus rubro-spinal. Die medialen Teile beider medialen

19"

2!)2 l I. Marc,se :

Schleifen werden ]edenfalls noch stark gesch~digt. Die linke centrale Haubenbahn fiillt hier wohI auch noch in den Bereich des Tumors. Die Fasc. long. post. sind relativ kr~ftig entwickelt. Rechts ziehen mehrere Biindel des Trochlearis dorsal- w~rts, die links nur vereinzelt vorhanden sind.

Fig. 9. Nur wenig distaler hat sich die Geschwulst wesentlich verkleinert und iiberschreitet noch die Mittellinie nach rechts erheblich. Die Bindearmkreuzung geht in der oberen Hiilfte teilweise schon fiber sie hinweg, wobei allerdings der linke Qua- drant eine erhebliche Aufhellung zeigt. Die untere H~lfte der Decussatio ist bis auf ein kleines Faserbfindel zerst5rt. Das an sich faserarme Gebiet zwischen den Armen der medialen Schleife mit der Substantia perforata post. ist ausgedehnter als gewShnlich und zwar scheinen beide Schleifenh~lften annShernd gleichstark betroffen. {Eine Falte im PrSparat erschwert bier die Beurteiluug.) Der Tractus rubro-spinalis, die Biindel yon der Schleife zum Fu~ und die ventrale Haubenbahn sind auf beiden Seiten stark beschSdigt. Die Substantia reticularis ist links deut-

Fig. 9. Vergr. 1,5:1. Fig, 1O. Vergr. 1,6:1.

lich faser~irmer als rechts. Beiderseits fSllt eine besonders helle Partie auf, die vielleicht der zentralen Haubenbahn entspricht.

Der )~asciculus long post. ist links noch etwas schm~chtiger als rechts. Die v o n d e r lateralen Schleife eingefaBten Vierhiigel zeigen keine Besonderheiten.

Fig. 10. Die laterale Schlelfe ist vom Vierhfigel etwas abgerfickt. An Stelle der Geschwulst sind vereinzelte erwciterte Gef~i]lumina getreten.

Die Bindearmkreuzung ist aber relativ faserarm, hell und schmaL Die Lichtung an ihrem unteren Rande ist verbreitert und zieht sich, dorsal v o n d e r Schleife, welt nach links hiniiber. Die Schleifenarme stehen welter auseinander als ge- wShnlich.

Der Fasciculus long. post. zeigt einen eifSrmigen Querschnitt, in dem dorso- lateral der l unde Trochleariskern eingebettet ist. Die lateralen Fasern sind links schm~ler und heller als rechts.

Zwischen den l~ngsgetroffenen ventralen Trochleariswurzeln und der Binde- armkreuzung zieht sich ein schmaler nach aul~en sich verjfingender Streifen quer- getroffener 1Nervenbiindel. Dieselben gehSren zum Tell dem Franc. long. post., zum Tell wohl den praedorsalen Biindeln an. Sie sind links deutlich degeneriert, geringer an Zahl und heller gef~rbt als rechts. Die Querschnitte der aufsteigenden Trochleariswurzeln sind gut erhalten.

Fig. l l zcigt die VerhSltnisse in den distalsten Partien der Bindearmkreuzung (vgl. Tafel Vl, ~'ig. 1: D~tail von Fig. 11). Sehr deutlich ist die Verschm~lerung des rechten Bindearms im Vergleich zum linken. Man erkennt ferner eine erheb-

Benediktsehes Syndrom und seltene Tumoren des llirnsIammes. 2q3

liche Aufhellung zu beiden Seiten der Raphe, die die mediale Schleife beiderseits etwas verkiirzt und besonders (las Gebiet der Biindel zum Hirnschenkelfu[3 und des ventrMen Haubenfeldes einnimmt. Die Raphe zeigt einige ventralste Fasern der Bindearmkreuzung. Die starke Lichtung mu[~ zum griigtcn Tell auf Faser- ausfall bezogen werden, zum kleineren Tell auf den bier gelegenen Nucleus cen- tralis superior. Letztere sind beiderseits erhalten und lassen keine Differenz cr. kennen.

Die Substantia reticularis erscheint im G~mzen faseri~rmer, besonders sind die Felder der zentnflen Haubenbahnen betroffen.

Der Faseieulus long. post. zeigt eine deutliche Aufhellung in den lateralen Teilen der linken Seite.

Dorsal finden sieh die Zellen des Locus coeruleus, das Kommafeld der Quintus- wurzel, der Anfang der Troehleariskreuzung. Diese Gebilde some die laterale Sehleife zeigen nichts Pathologisches.

Deutlieh isf aber noeh eine dreieekige Aufhellung besonders der linken Seite in dem Winkel zwischen Bindearm, laterah'r und medialer ScMeife. gechts ist

Fig. 11. Vergr. 1,5:1. Fig. 12. Vergr. 1,6:1.

sic weniger ausgesprochen. Sic entspricht vMleicht der Sch/tdigung des Tractus rubro-spinalis oder v. M o n a k o w schen Biindels.

])istMw~Lrts yon Fig. 11 sind die Bindearme infolge eines Fehlers der l)r~iparate leider nicht mehr in ganzer Ausdehnung miteinander zu verglcichcn. Die Diffe- renzen des Fasc. long. post. haben sich soweit ausgeglichen, dab die gesunde yon der kranken Seite nicht mehr mit Sicherheit unterschieden werden kann. Dagegen trit t die SchKdigung der medialen Schleife ebenso wie die Degeneration des v. Mo- na k owschen Biindels und der zentralen H aubenbahn caudalwiirts immer deut- licher hervor.

Fig. 12. Vd = .tbsteig.-Quintuswurzel, V l I c = Facialiswurzel, cH, IH, v l t -- centrale, laterale, ventrale Haubenbahn Led = Locus coerul., NL1 = Nucl. Lcnmisei lat., NOs ~ obere Olive, Trs = Tractus rubro-spinMis. Vgl. Tafel VI, Fig. 2: ])6tail von Fig. 12.

In Fig. 12 zeigen (lie Hiilften der medialen Schleife eine hochgradige Di~- stase, wie sie in diesem Querschnitt nicht mehr zu erwarten ist. Der Schnitt zeigt dorsM bereits lateralw~rts ziehende FaciMisfasern. Links tritt die obere Olive auf und durchsetzen Trigeminusfasern den Briickenarm. Rechts ist noch eine Gruppe der charakteristischen Zellen des Locus coeruleus deutlich, sowie die spimtle Trigeminuswurzel in geschlossener Formation, dic sich links schon zu l o g kern beginnt. Es ist also die rechte Seite der Figur ein klein wenig p~'eximMer als die linke. Ein Vergleich der beiderseits vorhandencn ventrMen Spitzen der

294 I I. Mar('use:

Bindearme zeigt sehr deutlich, (lab der rechte erheblieh fascrSrmer ist. Er ist sogar yon einer auffallend hellen Zone umgeben.

Schwieriger und nicht mit Sicherheit l~i[~t sieh eine geringe Aufhellung in den zentralen Haubenfeldern feststellen, die sogar rechts etwas ausgesprochener ist. Die Formatio reticularis ist im ganzen rechts stSrker als links aufgehellt.

Die ventrMe Haubenbahn diirfte in das relativ faserarme Gebiet zwischen den Schleifenh~lftcn fallen, wo auch die Biindel vom Ful~ zur Schleifc fchlen.

Das M o n a k o w sche Biindel, resp. seine Stelle ist ebenso wie die laterale Haubcn- balm stark gelichtet.

Fig. 13. Vergr. 1,5: I.

Fig. 13. Das hervortretendste pathologische Moment ist wiederum die :For- mation der medialen Schleife, die in der Mitte eine starke Lichtung der ventralen Pattie zeigt und im Ganzen etwas schm~ichtiger ist als normM.

Eine Aufhellung der Formatio retieularis, die aber ziemlich diffus und nicht nur in der Gegend der ventralen Haubenbahn besteht, ist noch im geringen Grade erkennbar, ohne dab sich wesentliche Unterschiede zwischcn links und rechts finden.

Tafel VII, Fig. 1 ist nur wenig distaler als 13. Sic zeigt infolge der VergrSl~e- rung, dab die Formatio reticul noeh ziemlich faserreich ist. Die Differenzen zwi- schen rcchts und links sind nicht erhcblich.

Fig. 14. Vergr. 1,4:1. Fig. 15. Vergr. 1,5: 1.

Fig. 14. Trs. = Tractus rubro-spinalis, Tscv. = Tractus spino- eerebellaris ventralis (Gowerssches Biindel).

Die Sehnittrict~tung ist wiederum nieht genau frontal und zwar ist jetzt die rechte Seite welter distal getroffen. Deutlich markiert sich eine diffuse Aufhellung der Formatio reticularis und zwar besonders der linken Seite. Aber auch rechts ist besonders der Winkel zwisehen Olive und auffstcigender Quintuswurzel sehr faserarm. Von hier zieht sieh eine helle Zone urn die Oliven und zeigt beiderseits

Benediktsehes Syndrem und seltene Tumoren des Hirnstammes. 295

den AusfM1 der zentralen }taubenbMln. DorsolaterM yon ihr, in der Mitre zwischen Olive und Quintuswurzel, ist beiderseits ein kleines dreieckiges Feld, quer getroffener Fasern erhalteI), das der Peripheri8 mit einer Seite anliegt. Es sind dies die Tractus spino-cerebellares ventrales (G o w e r s B ii n d e 1). Dorsal von ihnen were das rubro- spinMe System ( M o n a k o w s Biindel) zu suehen, dessen Gebiet hier sehr stark aufgehellt ist. Die mediMe Schleife zeigt eine geringe Aufhellung. DiG linke Olive ist nur infolge der Schnittriehtung kleiner.

Die Pyramiden sind intakt.

Fig. 15. Die beiden Oliven sind ungef~hr gleieh groB, altenfalls erscheint das Band der linken im Ganzen etwas schm5ler. TatsEchlieh ist bei st:,trkerer VergrSBe- rung eine scheinbare Faservermehrung zu erkennen, die auf Schrumpfung des Zwischengewebes beruhen diirfte. Fiir eine Sch5digung der linken Olive spricht ferner, dab die Fasern zum rechten Corpus restiforme gegeniiber denen der linken Seite erheblich vermindert sind.

Sehr deutlich tr i t t beiderseits die Degeneration der zentralen Haubenbahnen hervor, die sieh in der hellen Zone des Olivenvliel3es zeigt. Dorsal yon der drei- eckig erweiterten hellen Zonc der Haubenbahn nehmen jetzt die Tractus sp ine cerebellares ein gr~iBeres Feld cin, iiber dem wieder eine Aufhellung erkennbar ist, die auf das degenefierte v. M o n a k o w s c h e Biindel zu beziehen ist.

Die Substantia reticularis ist im Ganzen links noch etwas heller als rechts. Tafcl VII , Fig. 2. Die Degeneration der zentrMen Haubenbahn ist sicht-

bar. Ferner tr i t t in der Abbildung besser als im PrEparat - - eine diffuse Auf- hellung der linken Formatio reticulafis hervor. Die bier vorhandene Aufhellung des Nuetus XI1 findet sich an ~ndern Sehnitten nieht.

Die Oliven zcigen bei sti~rkerer VergrSl3erung noch den Untersclfied in der Menge der Zwischensubst~nz, d. it. dig linke enthglt unscheinend weniger, trotz- dem die rechte an Masse jetzt eher kleiner ist.

Welter ~bw~rts von den Oliven liei~en sich degenerative VerEnderungen nieht mehr feststellen, insbesondere markierte sich der AusfM1 des rubro-spinalen Biindels nicht mehr.

Die histologisehe Untersuchung des Tumors wurde mit der van Gieson, Hs Resorcin-Fuchsin und Runkes Gli~fSrbung vorgenommen. Fiir d~s vorderste Stiickchen, bei dem an Stelle der Chromierung lange Alkohol- h~rtung vorgenommen w~r, erg~b auch die KresylviolettfErbung noch brauchbare Resultate.

Der Tumor stellt sich als ein kavernSses Angiom dar, dessen HohlrEume viel- fuch unver~ndertes Blur enthalten, vielfach aber die verschiedenen Stadien der Stase und Thrombose erkennen lasscn. So findet man stellenweise die weiBen Blut- kSrperchen z~hlreich am Rande aufgelfiiuft, stellenweise homogene oder fasrige Massen, in denen nur wcnige Kerne erhalten sind. Sie hcben sich m~ncilmal dutch den hellercn Farbenton im Giesonbild von dem begrenzenden Septum ab, m~nch- mul aber fiillen sie den ganzen Hohlraum aus und bilden dann mit dem Septum eine einheitliche bindegewebige Masse. Die Gr6i3e der k~vernSsen Rgume ist sehr wechselnd, ihre Form n~hert sich oft dem Kreis, ist aber meist ganz unregelmgBig. Die begrenzenden Septen sind von sehr verschiedener Breite und auch yon verschie- dener Beschaffenheit. WEhrend einige sehr schSn die Bindegewebsreaktion er- geben, sich also naeh wm G i e s o n ziegelrot f~rben, nehmen andere nut eine hell- rosa Farbe an. Letztere sind yon homogencm oder leicht streifigem Aussehen und kernarm, die ersteren derbfasrig und stellenweise vonRundzellen infiltriert; daneben enthalten sie lfinglictle Kerne. An einzelnen und zwar den schmMeren Septen lassen sich elastische Fasern nachweisen, wShrend die breiteren keine Elastica besitzen. Scileinbar ganz yon Tumorgewebe umgeben finden sich aueh grSSere

296 [[. Mareuse:

Inseln yon Nervengewebe: Derbfasrige, gelblieh gefarbte, kernreiche Gila mit gr61~eren sehattenhaften Ganglienzellen (im van Gieson Bihl). Manehmal kann man abet feststellen, dab diese nerv/Ssen Strukturen auf komplizierte Weise doch noch mit der Umgebung in Zusammenhang stehen.

Die Abgrenzung des Tumors ist danaeh also keine ganz seharfe. Trotzdem hebt er sieh durch die Farbe sehon makroskopiseh deutlieh yon der Umgebung ab. Die benaehbarten Gebilde sind komprimiert und legen sieh sehalenf6rmig um ihn. Eine eigentliehe Kapsel feh]t, tJberall sind die Randpartien yon massenhaften Pigmentablagerungen durehsetzt. Das Pigment finder sieh zum Tell in den adventi- tiellen Rgumen erweiterter Gefal]e, die nach allen Riehtungen vom Tumor aus- strahlen und sieh aueh in der weiteren Umgebung noeh finden. Viele von ihnen zeigen eine verdiekte Wandung. Das gr61~te vom Tumor ausgehende Gefgl~ ist das unterhalb des vorderen Vierhiigels (s. Tafel V, Fig. 1 )nach dem reehten Tliala- mus lfinziehende. Andrerseits finden sich im Tumor einzelne Gef~13e mit gut er- haltener Wandung, in der sieh reiehlich elastische Fasern naehweisen lassen. Hyaline Vergnderungen sind an ihnen manehmal deu~lieli und gehen dann mit starker Aufsplitterung der Elastiea einher. Nut an wenigen Stellen finden sieh geringe Kalkablagerungen, die sieh als amorphe dunkelblau gefgrbto Konglo- merate darstellen.

Die Kresylviolettpriiparate lassen besonders gut das Verhgltnis der Gesehwulst zur Umgebung liervortreten und gestatten ferner die Beurteilung der Corpora mammillaria, die in der Markseheidenserie fehlen. Aul~erdem ist das reehte Corpus Luysii zum Teile in den Sehnitten enthalten. Die zu letzteren geh6rigen Zellen sind etwas diffus gefgrbt, was wohl auf die voraufgegangene Formolhgrtung zuriiekzufiihren ist. Im iibrigen sind sie gr6l~tenteils relativ gut erhalten. Die Gliakerne sind im ganzen etwas vergr61~ert und meist hell gef~rbt mit randst~ndigem Kernk6rperehen. Mehrere stark erweiterte Gefg~l~e trifft man schon in dieser Gegend, deren Wand aul~erordentlieh diinn ist, stellenweise nur in einfaeher Lage lang- gestreekter Kerne besteht. Andere zeigen verdick~ Wandungen mit gesehwollenen Adventitialkernen und dunkelkSrnigem Pigment.

In gr613erer N~ihe des Tumors enthalten auch die W~nde der Kapillaren Pig- ment, das oft intrazellul~r aber auch in grol~en Mengen zwisehen den Zellen abge- lagert ist.

An einigen Stellen sind ldeine Blutextravasate vorhanden. In grSl~erer Nghe der Gesehwulst werden die Gfiakerne gr61]er. Andere Glia-

zellen enthalten gelbes oder dunkelblaues Pigment oder zeigen einen zerfallenen Plasmaleib. St~rkere plasmatisehe Wuelierungen fehlen abet aueh bier. Das Gewebe nimmt al]mgJflieh einea streifigen Charakter an. Die Ganglienzellen mit ihren Ausl~ufern liegen den Gefg, Ben parallel und dicht aneinander. Uberall liegt feink6rniges Pigment. Die Kerne der Ganglienzellen werden grgl~er, sehen ge- quolleu aus, sind faltig. An einzelnen Element~n ist der Leib ganz bla[~ und nur das pyknotische Kernkgrperehen noeh deutlieh. Aueh die Forts~tze sind gequollen und varie/Ss ver~ndert. Neben dem dunkelblauen, feinkSrnigen Pigment treten nun gelbe bis braune Schollen auf, die manehmal am Rande einen blassen Kern erkennen lassen, manehmal in feinerer Verteilung Gliakerne umfassen, oft aber anseheinend frei im Gewebe liegen. Die Gliazellen nehmen nieht erhebfieh an Gr61~e zu, dagegen werden die Ganglienzellen zahlreieh, die nur an der Kernfalte noeh als solehe zu identifizieren sind. Manehe zeigen ein pyknotisehes Aussehen, einzelne sind enorm aufgebl/iht, mit coaguliertem Plasma und randst~ndigem Kern. In einzelnen Gesiehtsfeldern, dieht neben dem Tumor, sieht man fast nut riesige Pig- mentklumpen neben Blut gef~il~en. Alle nerv6sen Elemente sind zerst/Srt, die Glia- kerne sehr blal3 und gequollen. Dann komnit an vielen Randpartien des Tumors

Benediktsehes Syndrom und seltene Tumoren des Ilirnstammes. 297

eine kern- und pigmentarme fasrige Sehicht, an einigen aber trifft man erst noch eine ziemlioh breite Schicht wm reihenfSrmig angeordneten Zellen an. Und zwar verlaufen die Reihen ungef~hr radi~r zum Tumor. Die Zellen zeiehnen sieh durch ihre gleiehm~l~ige Gr5gie und meist 15ngliche abgerundete Form aus. Dieht an- und iibereinander gelegen, f~llt vor allen der groge bl~schenf5rmige Kern auf, der meist 2 KernkSrperchen hat. Kernfalten ]assen sich nich~ nachweisen. Viele haben in der Li~ngsrichtung zarte AuslSufer und sind hier oft pigmenthaltig. Doch ist die ZugehSrigkeit des bier iiberall dazwischengestreuten Pigments nur an einzelnen Zellen zu erkennen.

Es h~mdelt sich also offenbar um eine Anh~ufung von gewucherten Bindege- wcbskernen. Sehr sehSn sind einzelne dieser Zellen in der faserigen Randschicht zu erkennen, wo ihr pigmentierter Fortsatz mit der Umgebung in Zusammenhang steht.

Nach innen yon dieser Schicht beginnen nun die kavern6sen R~ume. Die weiBen BlutkSrperehen sind bl~m gef~rbt und heben sich yon den griinlieh gefSrbten roten gut ab. Zu dem bisherigen Pigment tritt noch eine rote Modifikation, die groge Zellen feinkSrnig besetzt und ihnen d~s Aussehcn yon Mastzellen ver- leiht.

Die Gliaf~rbung nach R a n k e ergab nirgends eine erhebliehe Vermehrung der Gliaf~sern.

Die Zellgruppen der Corpora mammil]ari~ zeigen keine pathologisehen Ver- ~inderungen. Ebenso ist ihre Glia normal. Einzelne Gef~ge ffil~ren in der Adven- titi~ geriage Mengen dunkelblau gefiirbten Pigments (Kresylviolett).

Die Markscheidenfs (an n~ctlchromierten Sehnitten) ist nur schlecht ausgefallen, zeigt aber (loeb, dal~ die F~seieuli mature, prineipes erhalten sind.

Wenden wir uns nun dem knochenharten K5rper im reehten Thalamus zu. Tafcl VIII, Fig. 1 zeigt einen FmngMsehnitt der reehten inneren Kapsel und

ties Linsenkerns. An der medialen Wand der inneren Kapsel tritt in einem farb- losen Ring eine zerkliiftete sehwarzgef/irbte Masse hervor. Diese erweist sieh bei st'~rkerer Vergr5gerung nieht als amorpim KMkablagerung, sondern als organi- sierter Bindegewebsknoehen.

Unregelmiifiige dunkelblau gefi~rbte B'~lkchen (Tafel VIII, Fig. 2) schliegen rundliehe Hohlrgume ein, in denen teils eine netzfSrmige Struktur siehtb~r wird, teils eine homogene kernlose Masse liegt. An vielen Stellen sehliegen sich dem im Hiimatoxylinprgparat violetten Knochengeriist, blaue amorphe KMkmassen an. An den violetten Partien (Tafel VIII, Fig. 3) ist deutliehe Streifung und Sehieh- tung zu erkennen. Aueh sind sie iiberall von Lakunen durchsetzt, die 5fter einen Zellkern enthalten. Manehe Knoehenpartien haben in der Mitre einen grSgeren runden Hohlraum, um den sieh die 8treifen ringfSrmig gruppieren. In einzelnen ist eine fasrige Auskleidung und BlutkSrperehen erkennb~m In den Fasern finden sich einzelne liingliehe Kerne. Der gr5gte Teil des Raumes wird aber wm 2--3 rundlichen oder etwas ]i~nglichen Zellkernen eingenommen, die feine Zaeken haben und mit einer sehwer sichtbaren Grundsubst~mz zusammenhi~ngen. Die grSgeren Hohlrgume (Tafel VIII, Fig. 4) zeigen nun diese Kerne in einem feinen sehr regelm~gigen Masehenwerk nebeneinander. Dasselbe wird yon kSrnigen Partien oder aueh Gef~Ben durehbroehen. Aueh homogene Massen linden sieh, die nur einzelne nadelartige Einlagerungen haben.

Naeh augen is~ das Ganze yon einer bindegewebigen kernarmen Schicht ab- geschlossen.

Doeh finden sieh in der Umgebung noeh mehrere Quersehnitte yon stark er- weiterten Gefiillen mit verdiekten hyalin vergnderten Wandungen. Die weitere Umgebung zeigt keine p~thologischen Vergnderungen, spez. keine Gliawueherung.

298 II. Marcuse:

Fassen wir zuniichst das psyehische Krankheitsbild zusammen: Eine geistig relativ hochstehemte Frau erleidet im Ansehlul~ an ein Wochen- bett im Alter von 28 Jahren, wie sie glaubt, einen ,,Sehlaganfall", der Intentionszittern des rechten Arms und OkulomotoriusFs links zur Folge hat. Sic ist infolgedessen deprimiert, reizbar, weniger leistungs- fShig als frt~her. Das wirkt auf (lie ehelichen Verh~ltnisse sehr ungtinstig, besonders da der Mann ihr Leiden zum Tell wohl ftir Verstellung hielt. Die kSrperlichen StSrungen gehen jedoch noch einmal zurtick, bis sie drei Jahre sp:,tter, nach einer zweiten Entbindung, verstiirkt wiedcr- kehreu. Gleichzeitig treten ,,AnfSlle" auf, in deneu sie hinfiillt und stun- denlang bewegungslos liegen bleibt, ohne bewuf3tlos zu werden. Sie be- kommt Angstzusti~nde, wird schwaeh yon Gedanken und mul~ der Irren- anstalt zugeffihrt werden.

Hier sehildert sie zunSchst ihre subjektiven Besehwerden sehr gut., klagt selbst fiber (lie anhalten(le Depression, die Gleichgilltigkeit gegen Maml und Kind. Sic hat also Krankheitsgefiihl und Kraukheitseinsicht. Das iiuBere Verhalten ist zuniiehst geordnet. Einige Monate spi~ter wird sie erregt, iiullert Beeintr~chtigu,lgsideen und macht zweimal Flucht- versuche. Die Depression nimmt danaeh zu und es kommt zu mehreren sehr ernsthaften Suicidversuchen, (lie sie mit der Unheilbarkeit ihres Leidens motiviert. Ganz auger sich geriit sic durch einen Brief ihres Ehe- manns, der ihr unbereehtigte Vorwt~rfe macht und sich von ihr lossagt.

Es folgen nun Jahre, in denen heftige Erregungszust:~hlde mit Selbst- beseh~digungs- und ZerstSrungstrieb hiiufig sind. Gleichzeitig treten aber bizarre Stellungen, heitere Stimmungen mit manischen Handlungcn, Grimassieren, erotisehes indecentes Verhalten auf.

Sehr bemerkenswert ist ihr Benehmen bei der Demonstration 1905, bei tier sie sich sehr beeinflut~bar zeigt, ihr anfiinglich heftiges Wider- streben aufgibt und sieh v611ig orientiert erweist. Sie ist fiberzeugt, dal] es ftir sie keine Heilung und keine Entlassung aus der Jrrenanstal t mehr gibt und sagt, es sei doch begrciflich, dal3 sie nieht mehr leben wolle.

SpSter ist sie im Ganzen ruhiger, sprieht zeitweise iiberhaupt nicht odor nur polniseh, nimmt dauernd h6chst eigenartige Stellungen ein. Oft tr i t t in ihrem Wesen das Bestreben hervor, aufzufallen, andere zu i~rgern, oft erweekt sie aueh das Geft~hl, da~ sic ihr k6rperliches Leiden iibertreibt, sich z. B. absichtlich fallen li~l~t, stSrker als notwendig zittert, mit iibertriebet~er Mimik reagiert. Sic ftihrt zwar noch depressive gedens- arten im Munde, lacht aber dazu und versueht nieht mehr, danach zu handel,1. Ihr Interesse besehrS~nkt sich auf das Essen, doch ha~ sic (lie Neigung, sich in Gegenwart yon M:~innern zu entblSgen. Dem Arzt gegen- fiber ist sie dabei fibertrieben sehamhaft. Wird sie untersucht, so kann sie anseheinend nicht ohne Untersttitzung gehen oder stehen. Glaubt sie sieh unbeobachtet, so steigt sie dagegen ganz gewandt Treppen.

Benediktsehes Syndrom und seltene Tumoren des ]lirnstammes. 299

Sic erweist sich dauernd oricntiert, nur ihr Alter gibt sic konstant falseh - - auf 104 3ahrc - - an, als ob sic damit ihr Leiden und ihr Benehmcn entsehuhligen will.

Wir sehen also, wie sieh aus eincr psyehogenen Geistesst6rung eine erhebliche Demcnz, eh~,rak~erisiert dureh Monotonic und Stumpfheit, entwiekelg. Auf eine stiirmisehe melaneholische Phase folgt ein Miseh- zustand, tier ncben maniseh-depressiven Symptomen auch hysterische und katatonisehe aufweist. Und zwar bildet ein zweites psyehisehes Tr~mma., als alas der Brief des Ehemannes mig den dort ausgesproehenen Konsequenzen aufgefagt wer(len muB, einen Absehnitt in (ler Entwiek- lung der Krankheit. Zeitweise treten die katatonen Erscheinungen deut- lieher hervor. Wir finden riehtigen Negativismus, Mutacismus, Grimas- sieren, Ahstmnpfm~g (let" ethischen (~'efiihle. In allen Stadien der Er- krankung sind aber Symptomc vorhanden, (lie der Hysteric zugerechnet wcrden mtissen. Die ,,Anfiille" im Anfang, yon denen Patientin sagt, das Herz blieb ihr stehen und (lie dram t:,iglich zur selben Zeit auftreten, gehSren hierher, ferner das Necken und Sehlagen der Kranken, die Be- einflul3barkeit dureh Demonstration und das immer starker hervortre- tende Bestreben aufzufallen und Beaehtung zu erzwingen. Auch (lie Erregungszustande, die (lurch selbstgewolltcs Isoliertwerden kupiert werden, k6nnen hysterischer Natur sein. Die eigenartigen Stellungen und das vorsiehtige Hinfallen wurden zwar lange so aufgefal3t, lassen dagegen, wie wir sehen werden, eine andere Deutung zu.

Dies komplizierte Krankheitsbild engwiekelte sieh neben einer orga- nischen Erkrankung des Oehirns, deren Natur in vivo nicht diagnosti- ziert werden konnte.

Es erhob sieh naturgem~ig die Frage, ob daneben noeh eine funk- tionelle Psyehose bestand oder sitmtliehe Krankheitserseheinungen in atiologischer Beziehung auf denselben Prozeg zurflekzufiihren seien. Als soleher kam vor allem (lie multiple Sklerose in Frage. Hysterisehe Symptome sind bei dieser nieht selten. Die anfangliehen Erregungszu- stihMe kOnnten wohl so aufgefal.lt werden, wiihrend <lie spatere Ver- bl6dung auf eine cerebrale Ausbrcitung der Sklerose zu bezichen w:,~re, wie sic in seltenen Fiillen vorkommt. Das pl0tzliehe Auftreten der Krank- heitssymptome ebenso wie die Remissionen wiirden zum Bilde passen und die somatisehen St6rungen komlten dureh (tie Lokalisation der Herde hervorgerufen sein. Das Verhalten der geflexe, besonders aueh das Vor- handensein der Bauehdeekenreflexe ware allerdings ungewOhnlieh. Ohne den Tatsaehen einigen Zwang anzutun lieg sieh diese Diagnose also dech nieht stell:'n. Ftir Lues waren keine Anhaltspunkte vorhanden; auch fiel (lie W a s s e r m a n n s e h e Reaction negativ aus. Dann aber gab es nur den Schluft: Organisehe Erkrankung -[- Psyehose. Lange galt Pa tientin als hysterische Psychose. Als aber die Abnahme der Intelligenz

300 ]t. Marcuse:

auch neben dem ErlSschen des Geftihlslebens immer deutlicher hcrvor- trat, konnte diese Auffassung nicht mehr aufrecht erhalten werden. Die Frage ist nunmehr, ob man neben der Herderkrankung eine Dementia praeeox anzunehmen hat. Die ganze zweite Phase bietet sieher eine An- zahl yon Symptomen, (lie hierfiir zu sprechen scheinen. LSi3t man aber auch (tie Frage beiseite, ob (lie Dementia pruecox tiberhaupt noch zu den f u n k t i o n e l l e n Psychoscn gerechnet werden darf, so habcn wir doch in unserm Fal]e soviel psychogene Momente, soviel psychologische Moti- vierung der pathologischen Erregungszust:,inde, dal3 auch diese Rubri- cierung nicht angiingig seiu dth~te.

Es bleibt (tie Annahme einer Melancholic tibrig, die zur secundSren Demenz geftihrt hat. Damit wird das organischc yon dem funktionellen Leiden vbllig getrem~t. Nur causal h~ingen sic zusammen, insofern (tie beginnenden L~ihmungserscheinungen dureh ihre deprimierende Wirkung (lie Psyehose vorbereiten. Dag gleichzeitig hysterisehe Zfige stiirker hervortreten, ist begreiflich, aber nieht wesentlieh. Hysterisehe Symp- tome sind bei allen Psyehosen der Frauen ungcmein hiiufig. Die Dia- gnose dtirften sic nicht becinflussen. Sicher fiirben sic die Errcgungszu- stiiudc und beeinflussen auch (lie iibrigen Krankheitserscheinungen. Fiir wcsentlieh halte ieh abet, dall die Patientin buehst~iblieh unter dem doppelten Ungliick, das die trifft, zusammenbrieht. Sic sagt es doeh immer zu und ist bereit, (lie Konsequenzen zu ziehcn. Ein starker Cha- rakter hiitte sieh gefaIlt und wiire zur Tat gesehritten. Die hystcrische Frau kgm~ sieh dazu nieht aufrz~ffen. Sic tobt uud jammert, macht un- zuFs Suieidversuehe, aber sic erkennt doeh Mar, (lab es far sic keine Heilung und kein Gliick mehr gibt. Naeh dem Sturm ist sic keiner tieferen Erregung mehr fiihig; l~tppiseh, gleiehgtiltig, ohne Interesse ftihrt sic ein stumpfsinniges Dasein. Sic hat infolge ihres Ungliieks den Ver- stand verloren. Den Laien ist das eine gelS~ufige Vorstellung. Dall es zum Gltiek nieht so alltgglieh vorkommt, geht aus dem Kampf hervor, der zur Zeit noch um die klinisehe Stellung der Melancholic geftihrC wird und aus der versehiedenen Bewertung, (lie iiuBeren Eitfflt'~ssen auf ihre Entstehung beigemessen wird.

Will man also die komplizierte psychogene Psyehose, um die es sieh handelt, in eille der iiblichen Rubriken unterbringen, so sehcint die I-)ia- gnose der Melancholic noch am ehesten dcr Entstehung und dem Ver- lauf gereeht zu werden. Indem sic sieh auf dem Boden einer hysteriseh- degenerativen Konst.itui, ion entwiekelt, verleiht sic dem Krankheitsbild stark hervortretende Ztige, beherrseht es sogar zeitweise, verblaBt abet mehr und mehr, naehdem die Psyche dutch die wiederholten Stiirme dauernd defekt geworden ist.

Ftir diesen blcibenden ])efekt k6nnen wir eine organisehe Grundlage vermuten, aber nieht naehweisen.

B(mediktsches Syndrom und seltene Tmnoren des tlirnstammes. 301

Jedenfalls kann er nicht auf die groben pathologiseh-anatomischen Veriinderungen des Falles zurtiekgeftihrt werden, da wit ihn - - von anderen Griinden abgesehen - - hiiufig genug ohne derartige ~efunde eintreten sehen.

Anders steht es mit einer Reihe von Symptomen, <lie gewissermalten auf der Grenze des Psyehisehen und Physisehen stehen wie (lie Mimik und der Tonfall der Sprache. I)ariiber wird spiiter noeh Einiges zu

sagen sein. Der pathologiseh-anatomisehe Befund ist sowohl dureh seine Histo-

logie wie besonders dutch (lie Lokalisation interessant. Jn letzterer Be- ziehung kommt vor allem das Angiom in Betracht, das dutch seinen Sitz in der subthalamisehen Region eine Reihe yon Verbindungen zerst6rt resp. gesehitdigt hat, wiihrend das Osteom - - an sieh eine t{arit.ht - - ffir (lie klinisehen Erscheinungen nieht verantwortlieh ge- maeht werden kann.

Wie aus den Abbildungen hervorgeht, ragt das Angiom mit seinem vorderen Ende frei in den 3. Ventrikel hinein. Es dr:angt (lie beiden Thalami auseinander, w61bt (lie Commissura post. nach oben und liegt fast direkt auf den Corpora mammillaria.

Unterhalb der w)rderen Vierhiigel erreicht es den gr6Bten Dureh- messer von ca. 11/2 era, wird dann distalwgrts sehnell kleiner und erreieht unter den hinteren Vierhiigeln sein Ende. Seine L:Ange betriigt also tiber 2 era. Der Quersehnitt ist ungef:Ahr oval, mit der Lgngsaehse yon links oben naeh reehts unten und zum erheblieh gr613eren Teil auf der linken Seite des Hirnstamms gelegen. Nut die diinne distalste Patt ie greift stiirker naeh reehts hiniiber. Hinter den Corpora mammillaria fiillt es den Raum zwisehen den Peduneuli eerebri gr6gtenteils aus.

Direkt zerstOrt sind dureh den Tumor auf der linken Seite im Wesent- lichen tier rote Kern, der Oeulomotoriuskern, der Faseieulus retroflexus, ein Tell der Substantia nigra, das Ursprungsgebietdes Faseieulus lon- gitudinalis post, die Bindearmkreuzung. Augerdem sind die zentrale Haubenbahn, (lie Me y n e r t sehe Haubenkreuzung, der Traetus pedun- eularis transversus, (lie Fibrae efferentes teeti, der Traetus spino-teetalis et thalamieus, der Faseieulus tegmenti lateralis, die Comm. post, die Fore l sehe Haubenkreuzung und (lie Bindearmkreuzung gr6Btenteils im Bereieh des Tumors gelegen oder durch Raumbesehriinkung gesehiidigt.

Auf der reehten Seite ist ein geringer Teil der Oeulomotoriusfasern erhalten. Der rote Kern ist nur im dorsalsten Tell geseh:,idigt, (ler Fasci- culus long. und die zentrale Haubenbahn im Urspruugsgebiet zerstSrt.

13bet das Gebiet des Tumors hinaus lassen sich proximal keine De- gcnerationen feststellen. Nur die Aufhellung des linken Haubenfeldes ist hierher zu rechuen. Die Faserung des Thalamus zcigt keine erkenn- bare Verihlderung.

302 I I. Mar(,use :

Distal ist vor allem die erhebliche Volumsverminderung des ge- kreuzten Bindearms wiehtig, doeh diirfte auch der gleiehseitige in ge- ringerem Grade geschSdigt sein. Ferner erreieht der Faseiculus lougit. post. erst weiter abwiirts seine gew6hnliehe St~rke und zwar links sp:Ater als rechts. Die Degeneration tier zentralen Haubenbahn wird besonders deutlieh, wo sic in geschlossener Formation der Olive anliegt. Ebenso ist alas M o n a k o w sche Bfindel anfangs nicht mit Sicherheit zu verfolgen. Zum Tell liegt das vielleicht daran, (lall (lie Formatio reticularis in (liffuser Weise aufgehellt ist. Sp~iter tri t t das ihm anliegende Gowerssehe Biindel ungew6hnlich stark hervor und l~il3t dadurch seine Degeneration besser hervortreten. Unterhalb der Oliven ist keine VerSnderung des Quer- schnitts mehr wahrnehmbar. Dic Sch~idigung der medialen Schleife ist auf (lie der Raphe benaehbarten Teile besehr~tnkt.

Die klinischen Symptome, die mit dicsem pathologisch-anatomisehen Befund in Beziehung zu setzen sind, habeu im Ver]auf der langen Be- obaehtung allm~thlieh an Zahl und InteusitSt zugenommen. Sie geben uns so einen Anhaltspunkt ffir das allmiihliche Waehstum des Tumors. Leider hat das psychisehe Verhalten (lie genaue Prfifung der Sensibilit~t unm6glich gemaeht und auch sonst (lie Untersuchung sehr erschwert. Es verleitete wohl aueh dazu, Erscheiuungen als psychogen aufzufassen, (lie vielleieht organiseh bedingt sind, n:~imlieh das Verhalten der Mimik, der Spraehe und des Gehens.

Das augenf:,illigste Symptom, der Sehtitteltremor, soll bereits in (let Kiudheit bestanden haben, allerdings wohl nur in sehr geringem Grade. Manifest wurde er erst im Anschlul~ an ein Wochenbett. Gleiehzeitig t ra t eine Veriinderung der Sprache und linksseitige Ptosis auk Doppel- sehen und Ptosis scheint allerdings sehon frfiher einmal vorfibergehend aufgetreten zu sein. Ein zweites Woehenbett ftihrte 2 Jahre spi~ter naeh einer erhebliehen Remission zu verstitrktem Wiederauftreten der Symp- tome. In der Klinik wurde jetzt die Sprache als skandierend und ver- langsamt bezeiehnet. Die Bewegungsst6rung wurde als Intentions- tremor + Ataxie aufgefa~t. Sie war im rechten Arm st~irker als im rechten Bein, links nur gering. Die. Patellarreflexe waren gesteigert. Es bestanden linksseitig Augenmuskells Ptosis und Pupillen- starre, auch war die linke Pupille weiter als die rechte. Sp~iter machte sic genaue Angaben fiber Doppelbilder. Damals waren (lie Zehen des rechten Fuites gespreizt, w~hrend spSter (tie linken so gehalten wurden. Die motorische Kraft war nicht herabgesetzt. Die Schmerzempfindung des reehten Fu[tes erschien aufgehoben.

Weiterhin nahm die Spraehe einen anderen Charakter an. Sie blieb langsam, erinnerte wohl an das Skandieren der multiplen Sklerose, ohne al)er v6llig damit iibereinzustimmen, hatte etwas Kindisches, Affek- tiertes und erfolgte racist inspiratoriseh. Das Gesicht war dauernd zu

Benediktsches Syndrom uud seltene Tumoren des IIirnstammes. 303

einem Grinsen verzerrt, das Auge zugekniffen. In den Beinen machte sich besonders rechts hoehgradige Hypotonie bemerkbar. Der Patellar- reflex war nur noch links auszulSsen, der Gang war unsicher, gebiiekt. ()hne fiber Sehwindel zu klagen, fiel Patientin hSufig hin und nahm dabei groteske Stellungen ein. Der Sehfitteltremor war iiugerst heftig. Die grobe Pr~fung des Sehmerzgefiihls ergab Anaesthesie im Bereieh

der Glutaeen. In der letzten Zeit waren beide Pupillen lichtstarr, alas linke Auge

in Abduktionsstellung fixirt. Die grobe Kraf t und (las Lagegefiihl blie- ben dauernd erhalten. Die linken ExtremitSten zeigten Hypotonie ge- ringeren Grades mid gespreizte Zehenstellmlg. Das Zittern bega,m auch links starker zu werden.

Es handelt sich also im Wesentlichen um das Be n e d i k t s e h e Syn- drom, das in unserm FMle 14 Jahre lang unter ~dhniihlieh waehsender IntensitS~t bestand.

Als anatomisehe Grundlage hierffir ist (lie ZerstSrung des roten Kerns dureh das Angiom zu betraehten, (lie den Oeulomotorius in Mitleiden- sehaft zog.

Der Fall illustriert damit (tie Riehtigkeit der B o n h o e f f e r s e h e n Theorie, naeh (ler (lie Hemiehorea dureh Verletzung der Kleinhirn - - Roter Kern-Verbindung, also der Bindearme entsteht.

Hierbei ist zu bemerken, (lag mit dem Namen Hemiehorea sehr ver- sehiedene Arten yon Zwangsbewegungen bezeiehnet werden, deren Trennung vorliiufig noeh nieht scharf durchzuf0hren ist. M u r a t o w unterseheidet (lie ehoreatisehen als regellos yon den athetotisehen als den rhythmisehen Zwangsbewegungen, gibt abet an, dab diese beiden Gruppen dureh Ubergangsformen verbunden sind. Diese Einteilung befriedigt aus versehiedenen Griinden nieht. Zuniiehst erseheint es zweifelhaft, ob die gew6hnlieh a]s athetotiseh bezeiehneten Bewegungen rhythmiseh genannt werden k6nnen. Noeh weniger kann nmn alle rhyth- misehen Formen als Athetose auffassen. Ferner sind (lie ehoreatisehen Bewegungen zwar an sieh regellos, aber sic kombinieren sigh offenbar hiiufig wie in unseren Falle mit rhythmisehen. In unserm Fall kommt es erst bei intendierten Bewegungen - - im (legensatz zur Chorea - - zu dem charakteristisehen Schleudern. Dies Sehleudern steht dem Ansehen naeh dem Intentionstremor der multiplen Sklerose oder der tabisehen Ataxie hither als der Chorea. Besonders in den Beinen fiberwiegt die Ataxie, withrend die Bewegungen der reehten Hand der Chorea am n:,ieh- sten kommen. Die rhythmischen Bewegungen :,ihneln dem Schiitteln der Paralysis agitans, nur fehlt die Einheitliehkeit, mit der bei dieser in ausgesproehenen Fiillen siimtliehe Muskeln betroffen sind. Sie sind aueh leiehter, gewisserma3en fltissiger und viel grOber. Bei intendierten Bewegungen werden (lie einzelnen Aussehliige stiirker, wobei zuniiehst

304 tI. Marcuse :

der Rhythmus festgehalten wird, bis ganz ausfahrende Schleuderbe- wegungen dazwischen kommen. Mit der Chorea teilen die Bewegungen der Arme die Eigentfimlichkeit, dab sie auch durch Innervieren anderer Muskelgruppen verstSrkt werden; sie werden beim Gehen und Sprechen erheblieh lebhafter. Die beim Knie-Hackenversuch vorhandene Ataxie lie[3 dagegen beim Gehen v611ig nach. Der Gang sehien trotz der hoch- gradigen Hypotonie infolge der steifen Beinhaltung spastiseh. Die Zehen machten im Liegen die rhythmisehen Bewegungen mit, im Gthen wurden sie flektiert gehalten. ])it friihere gespreizte Stelhmg war nut noch auf der weniger stark erkrankten Seite vorhanden.

1)er scheinbar spastisehe Gang wird durch ein Symptom verst~ndlich, das lange bei der Patientin bestand. Sie hielt n~imlieh spontan, weml sic im Bette lag, das hypotonische rechte Bein stundenlang senkrecht in (lie H6he ,,wie einen Signalmast". Vielleieht gesehah das, um wenig- stens zeitweise von dem Tremor befreit zu sein. Offenbar geh6ren diest beiden Symptome zusammen. Es handelt sich bei beiden um die von B a b i n s k i beschriebene eerebellare Katalepsie, die einen so auff/tlligen Kontrast zu der Hypotonie und den Zwangsbewegungen bildet.

Der Kopf beteiligte sich fast stSndig an den rhythmischen Bewe- gungen. Uber die Zunge lie[~ sich leider kein Urteil gewinnen, doch ist die Sprache durehaus versehieden vonde r bei Chorea und auch von der bei multipler Sklerose. Sie ist im wesentlichen verlangsamt, schwer- fiillig, nicht einfach skandierend. Das Gesicht zeigte nicht (lie mannig- fachen Zuekungen der Chorea, sondern glieh mit der eingefrorenen Mimik eher der Paralysis agitans, nur mit dem Unterschied, dal~ sie ein dauern- des Grinsen festhielt. Auch in diesen beiden Erscheinungen sehen wir mit B o n h o e f f e r ein cerebellares Symptom, das mit der Adiadocho- kinesis der ExtremitKten in Parallele zu stellen ist.

Sehr stark ausgebildet war in unserm Falle (lie Hypotonie. Ohne Widerstand konnte das reehte Bein so gebeugt werden, da[l der Ober- schenkel dem Leib dicht auflag und der Hacken den Oberschenkel be- rfihrte. Es lieft sich also maximal zusammenklappen. Aueh (tie anderen Extremit:~tten waren hypotoniseh, jedoch in geringerem Grade. Dtm- entspreehend war der Patellarreflex auf der reehten Seite erlosehen, links dagegen noeh ausl6sbar. Es betrifft also auch dies Symptom die Seite, die die fibrigen Kleinhirnsymptome am ausgepr~igtesten aufweist. Fiir die Zwangsbewegungen mfiltte man, wie sich aus allem ergibt, den Na- men Hemichorea fallen lassen. Die Kombination yon rhythmischen und arrhythmisehen Bewegungen ist auf (lie teilweise, nicht vollst/indige Ausschaltung des Kleinhirns zurtiekzuftihren. Grade die vorliegende Kombination der Symptome seheint fiir die Lokalisation im Roten Kern resp. im Bindearm charakteristisch und unterscheidet, sie yon den an- deren Arten der Zwangsbewegungen.

Benediktsches Syndrom und seltene Tmnoren des Hirnstammes. 305

Um keine Eigentflmliehkeit der Bewegungsst6rung zu Ounsten einer einzigen zu vernaehliissigen und doeh das wesentliehe Moment hervor- zuheben, wiire es vielleieht zweekm:Agig, sie als , , e e r e b e l l a r e U n r u h e" zu bezeichnen.

Sehr belnerkenswert ist, (lab (lie Kranke trotz aller dieser StOrungen der Motilit~it bis in (lie letzte Zeit ohne Unterstfltzung gehen komlte. Hierbei mug wohl zuniiehst die langsame Entstehung des Leidens be- rfieksiehtigt werden, (lie his zu einem gewis;~en Grade L'bung und Ge- w6hnung erm6gliehte. Die Katalepsie ist for (lie Gehfiihigkeit zweifel- los sehr wiehtig, insofern sie es der Patientin erlaubt, das Bein fast wie einen Stelzfug zu gebrauehen. Weml sie sieh beobaehtet sah oder an- gesproehen wurde, fiel sie pl6tzlieh bin. Dies Hinfallen wurde lange fi~r hysteriseh angesehen, besonders da es meist mit einem verst~irkten freundliehen Grinsen einherging. Riehtiger ist wohl die Annahme, dab die Erregung (lie Kompensation der Gehst6rung unm6glieh maehte und (lie Kranke gegen ihren Willen hinfiel. Die merkwi~rdigen Stellungen konnte sie infolge der Hypotonie ohne Besehwerden einnehmen. Sieher ist abet, dab wir in dem Hinstiirzen k e i n Sehwindelsymptom zu sehen

haben. Das Zusanmlentreffen so vieler als eerebellar bekam~ter Symptome

sprieht sieher (lafi~r, dag die Sehadigung der Bindearme in unsernl Fall yon grofter Bedeutung war. Andrerseits ist ein gewisses Mil3verhiiltnis zwisehen der Stiirke (ler Symptome und der anatolnisehen Erkrankung vorhanden. Dafi~r mul3 vielleieht doeh, besonders ff~r (lie erste Zeit, (lie Hysterie verantwortlieh gemaeht werden. Wo hier die Grenze zwisehen psyehiseher und organiseher Entstehung zu ziehen ist, l:,il3t sieh nieht genau fixieren, l~'bertreibungen analogen Charakters sind aueh bei mul- tipler Sklerose nieht selten.

Die StOrungen der Sensibilitiit haben, soweit sie naehgewiesen sind, in der Laesion der Sehleife ihr anatomisehes Substrat.

hn Vergleieh zu dem B o n h o e f f e r s e h e n Fall zeigt unserer gewisse Untersehiede. Bei dessert Patientin handelte es sieh mn eine Careinom- metastase, die im Wesentliehen die Bindearmkreuzung zerst6rt, den roten Kern al)er frei 1513L. Die Ausdehnung der Neubildung ist also eine viel geringere als in unserm Fall. Vor allem ist eine direkte Laesion der Thalami ganz ausgesehlossen, ebenso war das hint, ere Langsbiindel und die Sehleife int~tkt. Der ganze Krankheitsverlauf betrug abet nur ca. 1/2 Jahr. Es kom~te daher die ausgleiehende Wirkung der Oewohnheit und 13"bung nieht wie in unserm Fall yon Bedeutung werden. Das ist wohl der Orund fiir das stiirkere Hervortreten der BewegungsstSrungen, die aueh die Zunge betrafen, und sowohl Stehen wie Gehen olme Unter- stiitzung unm6glieh maehten. Aueh bestand starkes Sehwindelgefiihl. Abgesehen yon diesen Abweiehungen zeigt der Fall jedoeh ~veitgchende

Z. f. d. g. Neur. u. Psych. O. XII. ~0

306 H. Marcuse:

Ubereinstimmung der klinischen Symptome. Er stellt gewissermal]en das acute Stadium dar und 1EBt die in unserm Fall ausgebildeten Syrup- tome der Hypotonie, Adiadochokinesis, Katalepsie nur wenig hervor- treten.

Der Fall von H a l b a n und I n f e l d zeigt umgekehrt anatomisch gr6Bere Ubereinstimmung mit unserm als klinisch. Ein verka]kter Tu- berkel der linken Haubenregion yon 1 cm L~nge und 0,5 maximaler Breite, also auch erheblich kleiner als unscr Angiom, fiihrtc zu Oculo- motoriuslaesion und gekreuzten Zwangsbewegungen, die aber mit hoch- gradiger spastischer Parese und klonischen Reflexen einhergingen.

Dieser Unterschied erkli, rt sich meines Erachtens damit, dab die Laesion in diesem Falle im Alter von 10 Monaten einsetzte, in dem das Kleinhirn seine Funktionen noch nicht ausgebildet haben kann. Der- artige Unterschiede machen sich nach v. M o n a k o w auch bei experi- mentellen Laesionen geltend, deren Folgen ganz verschieden sind, je nachdem am neugeborenen oder erwachsenen Gehirn operiert wird.

Die t3bereinstimmung in anatomischer Beziehung betrifft auller der Degeneration des Bindearms vor allem die der zentralen Haubenbahn und des hinteren LEngsbfindels. Die Verkleinerung der Olive und die SchEdigung des Nucleus dorsalis der Raphc und des Nucleus centralis superior konnte ich nicht mit Sicherheit feststellen. Jedenfalls sind die Degenerationserscheinungen, die unserer viel gr6|terer Herd hervorge- rufen hat, weniger hochgradig. Der Bindearm ist in unserm Fall immer noch relativ gut erhalten. Das erkliirt sich viellcieht durch den histo- logischen Befund, nach dem die M6glichkeit nicht ganz auszuschliel~en ist, dall noch einzelne funktionsfiihige Nervenelemente im Augiom er- halten sind. Das M o n a k o w s c h e Biindcl mug in unserm Fall vSllig degeneriert scin. In der Tat liillt sich noch in dcr Olivengegend eine Aufhellung crkennen, die ihm entspricht. Dall diese welter spinalwiirts nicht nachweisbar ist, spricht nur in einem gewissen Grade gegen die noch strittige Existenz des Biindels. Es kOnntc infolge der langen Dauer der Krankheit zu einer Resorption der degenerierten Fasern gekommen sein, die diese nicht mehr hcrvortreten lielle.

Dic Zusammcnsetzung des Fasciculus longitudinalis post aus kurzen Fasern erhellt auch aus unserm Fall. Fiir eine Verwertung des Befundes im Sinnc der S p i t z e r s c h e n Theorien, erschcint er nicht geeignet.

Der Vergleich unseres Fallcs mit dcn beiden gcnamiten ergibt, dall anatomisch ~ihnliche Laesionen Krankhcitsbilder erzeugen, die bei aller lJbereinstimmung doch recht wesentliche Verschiedenheiten zeigen. Die ersteren sind grofl genug, um die SchSAigung der Biudearme mit Sicher- heit zu den Zwangsbewegungen in Beziehung zu setzen. Fiir die letztereu mull .in Betracht gezogen werden, dab erstens einc wechselnde Anzahl von Verbindungen geschiidigt sind, deren physiologische Bedeutung noch

Benediktsehes Syndrom und seltene Tumoren des Hirnstammes. 307

nicht geniigend gekliirt ist und ferner, dag das Krankheitsbild aufJerdem durch Faktoren beeinflul3t wird, deren Einflul3 sich noch unserer Kennt- his entzieht. Zu letzteren geh6ren toxische, mechanische und psychische Momente.

Der Ursprung der Geschwulst ist in den linken Nucleus ruber zu ver- legen. Es ist sogar nicht ausgeschlossen, dafJ bier eine angeborene Ge- fi~Banomalie bestand. Immerhin mug der rote Kern urspriinglich ziem- lich normal gewesen sein, d~ sonst die Degeneration des zugeh6rigen Bindearms wohl noch stg~rker wS~re. Nit dem weiteren Wachsen des An- gioms nahmen sowohl die choreatischen Bewegungen wie die gekreuzten Augenmuskell~hmungen zu. Dies Wachsen erfolgte zweimal im An- schluB an Entbinduagen ziemlich pl6tzlich. Hier ist wohl kein zufiilliges Zusammentreffen anzunehmen. Wissen wit doch, dag die Gravidit~t in anderen Organen nicht selten Angiome zur Entwicklung kommen l~gt. Interessant ist die Mitteilung yon Nolen, der wiederholtes Auf- treten des Be nedi ktschen S y n d r o ms im AnschluB an Entbindungen beschreibt. Der Fall wurde als Pseudotumor aufgefagt resp. auf eine ungew6hnlich starke Anschwellung der Hypophysis w~hrend der Schwan- gerschaft zuriickgefiihrt. Er kam zur Heilung. Es ist mir durchaus wahrscheinlich, dai3 es sich um ein Angiom handelte. Unser Fall zeigt ja, dag die Symptome im Anfang wieder v611ig zuriickgehen k6nnen. Die Entstehung des Angioms im roten Kern wird noch durch einen Um- stand begiinstigt, auf den B i e l s c h o w s k y aufmerksam macht: es be- vorzugt gefiii3reiche Gegenden, zu denen der rote Kern gerechnet werden muB. Trotzdem ist meines Wissens noch kein derartiger anatomisch untersuchter Fall ver6ffentlicht worden. In der iiberwiegenden Mehr- zahl handelt es sich, soweit Neubildungen dieser Gegend in Frage kommen, um Herde tuberkul6ser Natur.

Histologisch entspricht das Angiom dem gew6hnlichen Bau dieser Geschwiilste. HSmfig finden sich st~irkere Kalkablagerungen, als sie hier nachgewiesen sind.

Von dem viel gr6~eren Tmnor, den A s t w a z a t u r o f f beschreibt, unterscheidet sich der unsrige insofern, als wit Nervengewebe in ihm fanden. Eine eigentliche Kapsel war aueh in dessen Fall nicht vor- handen.

Die starken Pigmentanh~ufungen an der Peripherie sind zum Tell wohl auf kleinste Haemorrhagien zuriickzufiihren, zum Tell aber sind es Abbauprodukte, die von dem Untergang der nerv6sen Elemente stammen. Man sieht es in derselben Art bei abgegrenzten, nicht infil- trierenden, Tumoren. Es ist viel gr6ber, klumpiger als die Pigmente der Paralyse und Arteriosklerose und i~hnelt eher dem, das man in der Umgebung yon Erweichungsherden antrifft.

Von Wichtigkeit fiir die Entstehungsart seheint mir, dal3 die Gefg~13e

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308 H. Mareuse :

der Umgebung vielfach hyalin ver~nderte Wandungen zeigen, die mit den Septen des eigentliehen Tmnors f~rberiseh iibereinstimmen; auell enthalten letztere, wie wir sahen, 6fter noeh elastisehe Fasen~. Es kSnnte demnaeh die Erkrankung der Gefikgwand das Prim~re sein. Sic setzt die Elastizit~t herab und fiihrt passiv zur Erweiterung des Lumens und aueh gelegentlieh zu Rissen, die aber infolge der verlangsamten Circu- lation keine gr6gere Blutung herbeiffihren. Jn einzelnen anderen F~llen waren die Gef~ge in der Umgebung ebenfalls erweitert und besonders stark verkalkt, also aueh krankhaft ver~ndert. Die Verkalkung kann das Fortsehreiten des Prozesses zum Stillstand bringen und so gewisser- magen zur Heilung ffihren.

Ich glaube, dag man die Entstehung des Osteonls ill unserem Falle so auffassen mug. Offenbar steUt das Osteom ein verkn6ehertes Blut- gefS, g dar, das urspriinglieh mit dem Angiom in direkter Beziehung stand. Das stark erweiterte GefSA3, das wit zunl Thalamus verfolgen konnten, ist in seiner VerlS~ngerung dem Ossifieationsprozel.~ verfallen. Die Form und die Lage des Knoehens macht das mindestens sehr wahrseheinlieh,

Die Tatsaehe, dab es sieh um riehtige Knochenbildung handelt, geht aus der Sehiehtbildung der Lamellen, den Knoehenk6rperehen, H a v e r s- schen Kaniilen und S h a r p e y s e h e n Fasetn hervor. [m Innern treffen wir ferner Blutgef[tl3e an und ein eigentiimliehes ,,Mark", dessert Zellen den Osteoclasten entspreehen. Sie enthalten eine fettartige Sub- stanz, die urspriinglieh das Netzwerk fiillt.

Als Matrix fiir die Knochenbildung ist das Bindege~vebe des Gef~ges anzusehen, da ein Zusammenhang mit der Pia ausgesehlossen sein diirfte. Ein ghnlieher Fall ist der yon B i d d e r, der ein erheblich gr6geres Osteom im Corpus str iatum fand. V i r e h o w teilt in seiner Gesehwulstlehre 3 Fglle mit. Danach wurde noeh ein Fall yon M e s c h e d e und einer yon E b s t e i n ver6ffentlieht. Die Geschwiilste waren ziemlieh grog; yon unregelm~giger Gestalt und ihrer Entstehung naeh v611ig unaufgekliirt. u glaubte, der Neuroglia die Fiihigkeit der Knoehenbildung zu- sprechen zu sollen. In einem Fall yon S t r i e k e r war das Osteom ein Tell eines Teratoms.

In neuerer Zeit beschS~ftigt sieh, smveit ieh sehen kmm, nur noch eine Arbeit mit den Osteomen des Gehirns, die yon J u m u e o p ul o aus dem O b e r s t e i n e r s c h e n Laboratorium. Es handelte sich um multiple Osteome, die Verfasser auf eine Encephalitis ossificans zuriiekfiihrt. Die Glia zeigte in der Umgebung starke Wueherungserscheinungen. In meinem Falle fehlten Gliawueherungen g~inzlieh. Er beweist meines Erachtens, dab das Bindegewebe der (~ehirngefiil3e Knoehen bilden kann und legt so die Annahme nahe, dab auch grSgere Osteome auf diese Weise entstehen kSnnen, um so mehr als sich in verkalkten Tuberkeln, Cystizerken etc. keine Knoehenstrukturen zu finden seheiuen. Die Frage,

Denediktst.hes Syndrom und seltene Tumoren ties llirnstammes. 309

ob wir es dabe i m i t e iner eo t igen i ta len Atf lage zu t u n h a b e n ode r ob d ie

a n g i o m a t 6 s e n Ver:A~derungen das W e s e n t l i c h e sind, 1/il.~t sich n o c h n i c h t s icher b e a l l t w o r t e n .

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