DENIS JDANOFF Russische Faschisten- Der nationalsozialistische Flügel der russischen Emigration im Dritten Reich

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Inhalt _________________________________________________________ 1I Einführung ___________________________________________________ 2II Forschungsstand _____________________________________________ 41 Faschismus, Nationalsozialismus und die russische Emigration _______ 82 Der Russische Faschismus in der Peripherie ______________________ 253 Die russische nationalsozialistische Bewegung im Dritten Reich ______ 353.1 Vorgeschichte: Reaktionäre russische Emigranten und die frühe NSDAP ___ 363.2 Rossijskoe Osvoboditel’noe Narodnoe Dviženie (ROND) _______________ 503.3 Partija Rossijskich Osvoboždencev (PRO) ___________________________ 683.4 Rossijskoe Nacional’noe i Social’noe Dviženie (RNSD)_________________ 753.5. Die Ideologie des russischen Nationalsozialismus _____________________ 914 Epilog (1939-1945)____________________________________________ 96Schlußbetrachtung ________________________________________________ 103Quellen- und Literaturverzeichnis _______________________________ 106Unveröffentlichte Quellen: __________________________________________ 106Literatur ________________________________________________________ 107Mehrfach verwendete Zeitungen:___________________________________ 107Anonyme Artikel:_______________________________________________ 107Artikel _______________________________________________________ 108Anhang 1 ____________________________________________________ 116Die Grundziele und Aufgaben des ROND: _____________________________ 116Kurzer Auszug aus dem Programm der Russischen nationalsozialistischen Diktatur:_________________________________________________________________ 116Anhang 2 ____________________________________________________ 118Die ideologischen Grundlagen der „Partei der Russischen Oswoboshdenzy“ ___ 118

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  • DENIS JDANOFF

    Russische Faschisten

    Der nationalsozialistische Flgel derrussischen Emigration im Dritten Reich

    Humboldt-Universitt zu Berlin, Philosophische Fakultt I, (Magisterarbeit)

    Digitale Osteuropa-Bibliothek: Geschichte 3 (2003)Erstellt am: 18.2.2003 Letzte nderung: 23.5.2003

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    Inhalt

    Inhalt _________________________________________________________ 1

    I Einfhrung ___________________________________________________ 2

    II Forschungsstand _____________________________________________ 4

    1 Faschismus, Nationalsozialismus und die russische Emigration _______ 8

    2 Der Russische Faschismus in der Peripherie ______________________ 25

    3 Die russische nationalsozialistische Bewegung im Dritten Reich ______ 35

    3.1 Vorgeschichte: Reaktionre russische Emigranten und die frhe NSDAP ___ 36

    3.2 Rossijskoe Osvoboditelnoe Narodnoe Dvienie (ROND) _______________ 50

    3.3 Partija Rossijskich Osvobodencev (PRO) ___________________________ 68

    3.4 Rossijskoe Nacionalnoe i Socialnoe Dvienie (RNSD)_________________ 75

    3.5. Die Ideologie des russischen Nationalsozialismus _____________________ 91

    4 Epilog (1939-1945)____________________________________________ 96

    Schlubetrachtung ________________________________________________ 103

    Quellen- und Literaturverzeichnis _______________________________ 106

    Unverffentlichte Quellen: __________________________________________ 106

    Literatur ________________________________________________________ 107Mehrfach verwendete Zeitungen:___________________________________ 107Anonyme Artikel:_______________________________________________ 107Artikel _______________________________________________________ 108

    Anhang 1 ____________________________________________________ 116

    Die Grundziele und Aufgaben des ROND: _____________________________ 116

    Kurzer Auszug aus dem Programm der Russischen nationalsozialistischen Diktatur:_________________________________________________________________ 116

    Anhang 2 ____________________________________________________ 118

    Die ideologischen Grundlagen der Partei der Russischen Oswoboshdenzy ___ 118

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    I Einfhrung

    Bevlkerungswanderungen und gewaltsame Vertreibungen hat es zu verschiede-nen Zeiten der Menschheitsgeschichte, so auch im 20. Jahrhundert, in unter-schiedlichen Ausprgungen gegeben. Oft waren radikale politische Vernderun-gen Auslser solcher Prozesse. So hat die Oktoberrevolution von 1917 die politi-sche Landschaft der damaligen Zeit grundlegend verndert. In Ruland fhrte sienach dem Brgerkrieg, als vergeblich unternommenem Versuch, die alte Ordnunggewaltsam wiederherzustellen, zu einer massenhaften Emigrationswelle, die bereine Million Menschen umfate. Diese Spaltung der russischen Gesellschaft unddie Entstehung einer politisch aktiven und intellektuell eigenstndigen russischenEmigration ist in ihrer Zahl, Dauer und kulturellen Bedeutung wohl einzigartig.Die Geschichte der russischen Emigration ist noch immer nicht abgeschlossen, sieexistiert bis zum heutigen Tage, an dieser Stelle wird also nur ein chronologischerAusschnitt dargestellt.

    1 Die russischen Emigranten konzentrierten sich vor allem

    in Europa, es bildeten sich schon bald einige Zentren heraus, zunchst vor allemBerlin, aber auch Paris, Prag und Belgrad. Im eingegrenzten Zeitraum war nurnoch ein Bruchteil der ursprnglichen Emigrantenzahl in Deutschland verblieben,und Paris hatte sich zum eindeutigen Mittelpunkt der Emigration entwickelt. Diesoziale und politische Differenzierung der russischen Emigranten war zwarenorm, fast alle vereinte aber eine ideologische Gemeinsamkeit: Die Ablehnungdes bolschewistischen Regimes in ihrem Heimatland. Die Emigration blieb des-halb leidenschaftlich interessiert an den Entwicklungen in Sowjetruland, poli-tisch aktiv war aber nur ein kleiner Teil der Emigranten. Nicht nur der rote Ter-ror der Anfangszeit, sondern in den dreiiger Jahren auch die Kollektivierungund die anlaufenden Suberungen hatten einen starken Einflu auf die Emigran-tensphre. Die Emigranten versuchten auch, mit ihrer Wahrnehmung der Ge-schehnisse auf die Politik ihrer Gastlnder gegenber Sowjetruland einzuwirken.Ihre Zerstrittenheit verhinderte aber, da sie eine einheitliche politische Frontbilden und damit zu einer gewichtigen politischen Kraft werden konnte. Die inEuropa konzentrierte Emigration war unausweichlich dem Einflu der politischen

    1 Die in dieser Arbeit behandelten Emigranten der Zwischenkriegszeit sind heute ge-genber den in der Nachkriegszeit und nach 1991 dazugekommenen deutlich in derMinderheit.

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    und ideologischen Strmungen ausgesetzt, die in der Zwischenkriegszeit dortstattfanden. Die strksten Ideen dieser Epoche waren, neben dem Kommunismus,ohne Zweifel der mit unbndiger Kraft an die Oberflche brechende italienischeFaschismus und, fr die in Deutschland lebenden Emigranten, der Nationalsozia-lismus. Beide traten am radikalsten gegen den Bolschewismus auf und erschieneneinem Teil der Emigration, vor allem dem rechten Spektrum, schon deshalb alslogische Bndnispartner zur Fortsetzung ihres Kampfes mit dem Sowjetregime.Um diese ideologisch neuartigen Konzeptionen in den Zusammenhang der Emi-gration einordnen zu knnen, reicht es aber nicht aus, diese oberflchliche undweitestgehend auf pragmatischen berlegungen basierende Sympathie zu analy-sieren. Die Aufgabe dieser Arbeit besteht vielmehr darin, die spezifische Rezepti-on des Faschismus und Nationalsozialismus in den Emigrantenkreisen darzustel-len, und die Gruppierungen zu beschreiben, die sich selbst explizit als russischeVariante eben dieser Ideologien bezeichneten. Der Schwerpunkt liegt dabei aufder russischen nationalsozialistischen Bewegung in Deutschland, die sich nachHitlers Machtergreifung 1933 bildete und mit dem Hitler-Stalin-Pakt 1939 ihreFunktion weitgehend einstellen mute.

    In einem ersten, einleitenden Kapitel werden die ideologischen Grundlagen vonFaschismus und Nationalsozialismus behandelt. Insbesondere sollen die grund-stzlichen Unterschiede zwischen beiden deutlich gemacht werden, da diese Ab-grenzung fr die sptere ideologische Einordnung der zu behandelnden russischenOrganisationen von Bedeutung ist. Eingang in die russische Emigration fandenFaschismus und Nationalsozialismus durch die jngeren Emigranten, die erst imExil ihre Aktivitt entfalteten. Deshalb sollen ihre ideologische Abgrenzung vonden traditionellen politischen Strmungen des vorrevolutionren Ruland und ihrspezifisches politisches Milieu dargestellt werden, in dem sich Sympathien fr diefaschistische und nationalsozialistische Strmungen entfalten konnten. In einemzweiten Kapitel sollen die russischen faschistischen Organisationen in der Peri-pherie, d.h. abseits der europischen Zentren der russischen Emigration, genauerim Fernen Osten und den USA, beschrieben werden. Im dritten Teil soll auf dieeigentliche Thematik dieser Arbeit, die russische nationalsozialistische Bewegungim Dritten Reich eingegangen werden. Dazu werden zunchst die Verbindungsli-nien zwischen dem traditionell rechten und reaktionren politischen Spektrum inRuland, das sich nun auch in der Emigration manifestierte, und der NSDAP inihrer Anfangsphase herausgearbeitet. Anschlieend wird die Ttigkeit der dreizeitlich aufeinanderfolgenden Organisationen der russischen Nationalsozialistenin Deutschland geschildert. Dabei soll ein besonderes Augenmerk darauf gerichtetwerden, welche Position die Behrden des NS-Staates zur russischen nationalso-zialistischen Bewegung eingenommen und inwiefern sie die von ihr erwarteteUntersttzung geleistet haben. Ebenso soll anhand von erhalten gebliebenen Ver-ffentlichungen dieser Organisationen zu ihren ideologischen Grundlagen der frdiese Arbeit wichtigen Frage nachgegangen werden, ob die russischen National

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    sozialisten im Dritten Reich ihre Selbstbezeichnung zu Recht tragen. Im viertenTeil soll das Schicksal der russischen Nationalsozialisten in den Kriegsjahren be-schrieben werden, die ja die langersehnte Erfllung ihrer politischen Ambitionenwerden sollte. In einer Schlubetrachtung werden die Resultate der vorliegendenUntersuchung zusammengefat.

    II Forschungsstand

    Die Erforschung der rechtsextremen russischen Gruppierungen ist ein eindeutigesRandgebiet der westlichen Emigrationsforschung geblieben. In einigen Werken,die sich in allgemeiner Form mit der russischen Emigration beschftigten, wurdediese Thematik im Rahmen der Beschreibung des politischen Spektrums der Emi-grantensphre mit einbezogen.

    2 In anderen, eher an der Kulturgeschichte orien-

    tierten, wird zwar das Phnomen der nachrevolutionren Emigrantengruppen be-handelt, die faschistischen Gruppierungen tauchen aber nicht auf.

    3 Zwei Teilneh-

    mer der damaligen jngeren Emigrantengeneration, die fr die untersuchtenideologischen Strmungen zweifellos am empfnglichsten war, beschftigten sichmit der politischen Spezifik dieses Milieus.

    4 Die eindeutig dem Faschismus und

    dem Nationalsozialismus ideologisch nahestehenden Gruppierungen der russi-schen Emigration sind bis heute ein nahezu unerforschtes Gebiet geblieben. In

    2 So bei Robert C. Williams, Culture in Exile. Russian Emigrs in Germany 1881-1941, Ithaca/London 1972; Marina Gorboff, La Russie fantme. Lmigration russede 1920 1950, Lausanne 1995; Nikita Struve, Soixante-dix ans dmigration russe(1919-1989), Paris 1996; Die Transkription aus dem Russischen wird nach IPA-Standart durchgefhrt, dabei werden Abweichungen in Zitaten beibehalten.

    3 So bei Marc Raeff, Rossija za rubeom. Istorija kultury russkoj emigracii 1919-1939 [Das Ruland jenseits der Grenzen. Die Geschichte der Kultur der russischenEmigration 1919-1939], Moskau 1994; P.E. Kovalevskij, Zarubenaja Rossija. Isto-rija i kulturno-prosvetitelnaja rabota russkogo zarubeja za polveka (1920-1970)[Das Ruland jenseits der Grenzen. Die Geschichte der kulturellen Aufklrungsar-beit der russischen Emigration in einem halben Jahrhundert], Paris 1971; Kostikov,Vjaeslav, Ne budem proklinat izgnanie.... Puti i sudby russkoj emigracii [Wirsollten die Vertreibung nicht verfluchen.... Wege und Schicksale der russischenEmigration], Moskau 1994.

    4 Vladimir S. Varavskij, Nezameennoe pokolenie, New York 1956; Boris V. Prja-ninikov, Novopokolency, Silver Spring 1986.

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    den sechziger Jahren erschien ein isolierter Aufsatz von Erwin Oberlnder zumrussischen Faschismus im Fernen Osten, als einzige Monographie beschftigtesich das bereits in den siebziger Jahren erschienene Werk von John Stephan ex-plizit mit dem Thema des russischen Faschismus in der Emigration.

    5 Der Schwer-

    punkt lag dabei aber eindeutig auf den Erscheinungsformen im Fernen Osten undden USA, die ideologisch verwandten Gruppierungen in Deutschland tauchten nuram Rande auf. 1975 folgte eine Publikation von Meir Michaelis, die sich aller-dings nicht konkret mit dem russischen Nationalsozialismus im Dritten Reich be-schftigt, wie der Titel vermuten lt, sondern mit den isolierten und vergeblichenVersuchen des sowjetischen berlufers Dmitrievskij, die Aufmerksamkeit derdeutschen Behrden zu erlangen.

    6 In den neunziger Jahren erschienen, im Rah-

    men der intensiven koordinierenden Forschungs- und Publikationsttigkeit vonKarl Schlgel, zwei Sammelbnde zur russischen Emigration im Deutschland derZwischenkriegszeit.

    7 Dort waren eine Reihe von Aufstzen, auch russischer Hi-

    storiker, enthalten, die bei der Bearbeitung des gestellten Themas sehr hilfreichsind. beraus wichtig fr diese Arbeit war das Werk von Bettina Dodenhoeft, dasdie gesamte Bandbreite der politischen Ttigkeit der russischen Emigranten inDeutschland erfat und dabei auch die russischen Nationalsozialisten gesondertbehandelt.

    8 In der sowjetischen Geschichtswissenschaft war die Erforschung der

    russischen Emigration lange Zeit kein populres Ttigkeitsfeld. Dies hngt ma-geblich mit der prinzipiell negativen Einstellung der Sowjetideologie gegenberden Emigranten und ihrer politischen Ttigkeit zusammen, die ja in ihrer ber-wiegenden Mehrheit eindeutig gegen das Sowjetregime gerichtet war. Ende dersiebziger, Anfang der achtziger Jahre wurden dann einige Werke herausgegeben,die bis heute in Ruland bei der Erforschung dieses Themas Verwendung finden,deren Titel aber ihre offizise negative Einstellung gegenber der russischen

    5 Erwin Oberlnder: The All-Russian Fascist Party in: Journal of Contemporary

    History, 1/1966, S. 158-S. 173; John J. Stephan, The Russian Fascist. Tragedy andFarce in Exile. 1925-1945, New York u.a. 1978.

    6 Meir Michaelis: The Third Reich and Russian National Socialism, 1933 : ADocumentary Note in: Soviet Jewish Affairs (5) 1/1975, S. 88-S. 94.

    7 Karl Schlgel, Der groe Exodus. Die russische Emigration und ihre Zentren 1917-1941, Mnchen 1994; Karl Schlgel (Hrsg.), Russische Emigration in Deutschland1918-1941. Leben im europischen Brgerkrieg, Berlin 1995.

    8 Bettina Dodenhoeft, Lat mich nach Ruland heim. Russische Emigranten inDeutschland von 1918 bis 1945, Frankfurt u.a.1993.

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    Emigration erkennen lassen und das zu bearbeitende Themengebiet zudem nichtbehandeln.

    9 Hervorzuheben ist das bereits weniger ideologisch verfremdete Werk

    von Leonid karenkov, in dem die Organisationen der russischen Nationalsoziali-sten im Dritten Reich, zumindest am Rande, auftauchen.

    10 Er hatte erstmals Zu-

    gang zu den Materialien des wohl wichtigsten Emigrantenarchivs, des RusskijZarubenyj Istorieskij Archiv [Russisches Historisches Emigrationsarchiv](RZIA), das nach dem Zweiten Weltkrieg von Prag nach Moskau 1945 verbrachtwurde und bis 1991 fr Historiker weitgehend unzugnglich geblieben war. Dazugehrt auch das fr dieses Thema sehr wichtige Tagebuch von Aleksej A. vonLampe, der sehr viel Material ber die Emigration in Deutschland gesammelthatte, und dessen Aufzeichnungen vom Autor in Bezug auf diese Thematik einge-hend bearbeitet wurden.

    11 Zur Thematik des russischen Faschismus und National-

    sozialismus ist in Ruland vor 1991 meines Wissens nichts publiziert worden. Zudiesem Zeitpunkt beschrieb Karl Schlgel die Forschungslage folgendermaen:Es ist auffllig, da die Zone der Kollaboration mit dem Gegner nicht oder kaumberhrt wird. Eine Arbeit wie die von John Stephan The Russian Fascists istnicht rezipiert worden oder spielt gegenwrtig keine Rolle. Die Verbindungslinienzwischen radikalisierten Elementen aus der Weien Bewegung und der frhennationalsozialistischen Bewegung, die in westlichen Arbeiten nachgewiesen wor

    9 So z.B. V.V. Komin, Krach rossijskoj kontrrevoljucii za rubeom, [Das Scheitern derrusslndischen Konterrevolution im Ausland], Kalinin 1977; Jurij V. Muchaev,Idejno-politieskoe bankrotstvo planov buruaznogo restavratorstva v SSSR [Derideel-politische Bankrott der Plne einer bourgeoisen Restauration in der UdSSR],Moskau 1982.

    10 Leonid K. karenkov, Agonija beloj emigracii [Die Agonie der weien Emigration],

    Moskau 1986. 11

    Gosudarstvennyj Archiv Rossijskoj Federacii/Moskau [Staatliches Archiv der Rus-sischen Fderation (im weiteren GARF)], f. 5853, relevant sind op. 1, d. 52-58;Siehe auch Leonid K. karenkov, Die Materialien des Generals Aleksej A. vonLampe, in: Schlgel, Emigration, S. 39-S. 75; Aleksej von Lampe war Vertreter desROVS in Deutschland. Der ROVS (Russkij Obe-Voinskij Sojuz [Russischerallgemeiner Kriegerverband]) war 1923 von General Wrangel gegrndet worden,um die Kampffhigkeit der weien Armee zu erhalten; dabei wurde jedoch ein po-litisches Bettigungsverbot fr alle Mitglieder verfgt (vgl. Struve, S. 32f; Stephan,S. 14; Prjaninikov, S. 6).

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    den sind, scheinen fr die gegenwrtige Debatte nicht zu existieren.12

    Seitdemhat sich nach langer Zeit der Ignorierung die Arbeit an der Thematik der Emigra-tion allgemein auerordentlich verstrkt. Hervorzuheben sind dabei die Arbeitenvon Michail Nazarov, der die Geschichte der russischen Emigration von verschie-denen Seiten ausleuchtet und dabei sowohl auf die extreme Rechte, als auch aufdie faschistischen und nationalsozialistischen Gruppierungen eingeht.

    13 Darber

    hinaus ist eine bemerkenswerte Fortfhrung bereits in der westlichen Historiogra-phie begonnener Forschungsrichtungen durch russische Historiker zu beobachten,die allmhlich die von Schlgel aufgezeigten Lcken zu schlieen versuchen. Beider Erforschung der Schwarzen Hundertschaften als radikalste Organisation derreaktionren russischen Rechten wurden die aus den sechziger Jahren stammen-den Arbeiten von Hans Rogger in den neunziger Jahren vom russische HistorikerS.A. Stepanov aufgegriffen.

    14 Die Verbindungen zwischen den aus diesem rechts-

    extremen Milieu stammenden russischen Emigranten und dem aufstrebenden Na-tionalsozialismus wurden erstmals bei Walter Laqueur behandelt, diese Thematikwurde in jngster Zeit wiederum von Rafail Ganelin weitergefhrt.

    15 Speziell mit

    12 Karl Schlgel, Das andere Ruland. Zur Wiederentdeckung der Emigrationsge-

    schichte in der Sowjetunion, in: Dietrich Geyer (Hrsg.), Die Umwertung der so-wjetischen Geschichte, Gttingen 1991, S. 238-S. 255, hier S. 254; John StephansBuch erschien 1991 auch auf russisch.

    13 Michail Nazarov, Missija russkoj emigracii [Die Mission der russischen Emigrati-

    on], Bd. 1, Moskau 1994; ders.: Kruenie kumirov: Demokratija i faizm [DieZerstrung der Idole: Demokratie und Faschismus] in: Moskva 1/1994, S. 109-S.127; ders.: Russkaja emigracija i faizm: Nadedy i razoarovanija [Die russi-sche Emigration und der Faschismus: Hoffnungen und Enttuschungen], in: Nasovremennik, 3/1993, S. 124-S. 137.

    14 Hans Rogger: Was there a Russian fascism ? The Union of the Russian People in:Journal of Modern History (36), N 4/1964, S. 398-S. 415; ders.: The Formation ofthe Russian Right 1900-1906 in: California Slavic Studies Vol. 3, Berkeley/LosAngeles 1964, S. 66-S. 94; S.A. Stepanov, Revolucionery sprava: ernosotennyesojuzy [Die Revolutionre von Rechts: Die Verbnde der Schwarzen Hundert-schaften], in: A.I. Sevelev, Istorija politieskich partij Rossii [Die Geschichte derpolitischen Parteien in Ruland], Moskau 1994, S. 61-S. 87; ders., ernaja sotnja vRossii (1905-1914 gg.) [Die schwarzen Hundertschaften in Ruland (1905-1915)],Moskau 1992.

    15 Walter Laqueur, Deutschland und Russland, Frankfurt/Berlin 1965; Rafail . Gane-lin, Rossijskoe ernosotenstvo i germanskij nacional-socializm [Die russlndischenSchwarzen Hundertschaften und der deutsche Nationalsozialismus], in: Nacio-

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    dem Thema des russischen Faschismus im Fernen Osten beschftigt sich in jng-ster Zeit Svetlana Onegina mit ihren Publikationen.

    16 Eine explizit der gestellten

    Thematik gewidmete geschichtswissenschaftliche Publikation ist bisher nicht er-schienen. Deshalb wird in dieser Arbeit ein bedeutender Teil der Auseinanderset-zung mit der russischen nationalsozialistischen Bewegung im Dritten Reich (Ka-pitel 3) auf Archivmaterial aufgebaut. In russischen Archiven sind dies, nebendem bereits erwhnten Tagebuch von Aleksej von Lampe im GARF, auch in dieSowjetunion verbrachte Beutedokumente, u.a. Akten der Gestapo und des Auen-politischen Amtes der NSDAP (APA NSDAP), die im CChIDK lagern.

    17 In

    Deutschland sind das Bundesarchiv mit den darin erhaltenen Gestapo-Lageberichten und das Politische Archiv des Auswrtigen Amtes mit seinen Un-terlagen der Abteilung Ruland relevant.

    18

    1 Faschismus, Nationalsozialismus und die russische Emigration

    nalnaja pravaja prede i teper, Istoriko-soziologieskije oerki [Die nationaleRechte frher und heute. Historisch-soziologische Umrisse], Bd. 1, St. Petersburg1992, S. 130-S. 150; Laqueur hat das Thema der russischen Rechten in jngster Zeiterneut bearbeitet (vgl. Walter Laqueur, Der Scho ist fruchtbar noch. Der militanteNationalismus der russischen Rechten, Mnchen 1993).

    16 Svetlana Onegina: Russkie faisty [Russische Faschisten] in: Rodina, N 11/121992, S. 10-S. 15; dies., Krach rasetov i illjuzij (Vnutrisojuznaja rabota Vseros-sijskoj faistskoj partii v Manurii) [Der Krach der Berechungen und Illusionen(Die innersowjetische Ttigkeit der Allrusslndischen Faschistischen Partei in derMandschurei)] in: Kentavr, N 5/1995, S. 48-S. 59; Pismo K.V. RodzaevskogoI.V. Stalinu [Brief K.V. Rodzaevskijs an I.V. Stalin] (Publiziert mit einer Einfh-rung von Svetlana Onegina in: Oteestvennaja Istorija, N 3/1992, S. 92-S. 100.

    17 Centr Chranenija Istoriko-Dokumentalnych Kollekcij [Zentrum zur Aufbewahrung

    historisch-dokumentaler Sammlungen (im weiteren CChIDK)], f. 500 (Reichssi-cherheitshauptamt), f. 519 (APA NSDAP/Schriftwechsel Arno Schickedanz), f.1358 (APA NSDAP/Schriftwechsel Georg Leibbrandt).

    18 Politisches Archiv des Auswrtigen Amtes/Bonn (im weiteren PA AA), R 31666[frher IV Ru Po 5a, Bd. 13] (Abteilung Ruland); Bundesarchiv/Potsdam (im

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    An dieser Stelle sollen Faschismus und Nationalsozialismus als ideologische Er-scheinungen dargestellt werden. Angesichts der unberschaubaren Menge an Lite-ratur zu dieser Thematik erfolgt allerdings eine Beschrnkung auf die fr das ge-stellte Thema notwendigen Grundlagen. Die Krise des Parlamentarismus nachdem Ersten Weltkrieg, die in ganz Europa zu spren war, brachte neuartige For-men von politischer Ideologie hervor, auch fr den Aufstieg des Faschismus inItalien und den Nationalsozialismus in Deutschland bildete sie einen Nhrboden.

    19

    Der Ausgangspunkt dieser Ideologien war ein radikaler Antimarxismus, der er-gnzt wurde von einer prinzipiell negativen Einstellung zur kapitalistischen Wirt-schaftsform und der liberalen demokratischen Gesellschaft.

    20 Rckhalt fanden sie

    in der jungen Kriegsgeneration, die von einer tiefen Existenzkrise geprgt warund mit Schwierigkeiten bei der Rckkehr ins geregelte Leben zu kmpfen hat-te.

    21 Nicht zuletzt aus ihrer Brutalisierung durch die Kriegserlebnisse resultiert

    auch der radikale Vernichtungswille gegenber dem politischen Gegner, der einUrbestandteil des faschistischen Politikverstndnisses war.

    22 Sie befanden sich in

    einer Phase der ideologischen Verarbeitung sowohl des Krieges, als auch derOktoberrevolution, die das brgerliche Europa schockiert hatte. Als Resultat die-ser Oktoberrevolution drohte ein in die Tat umgesetzter Marxismus, mit Hilfe des

    weiteren BA), NS 43, 35 (APA NSDAP/Schriftwechsel Arno Schickedanz), R 58,3048-3062 (Gestapo-Lageberichte 1936-1939).

    19 Vgl. Wolfgang Schieder: Faschismus, in: Sowjetsystem und demokratische Ge-sellschaft, Bd. 2, Freiburg/Basel/Wien 1968, S. 438-S. 478, hier S. 441.

    20 Vgl. Wolfgang Wippermann, Europischer Faschismus im Vergleich (1922-1982),Frankfurt 1983, S. 45; Hans Mommsen: Nationalsozialismus, in: Sowjetsystemund demokratische Gesellschaft, Bd. 4, Freiburg/Basel/Wien 1971, S. 695-S. 714,hier S. 700; Ernst Nolte, der europische Brgerkrieg 1917-1945. Nationalsozialis-mus und Bolschewismus, Frankfurt/Berlin 1987, S. 543; Noltes in diesem Werk ge-uerte Ansicht, Bolschewismus und Nationalsozialismus htten sich gegenseitigbedingt, der GULag sei quasi Vorlufer fr Auschwitz gewesen (vgl. Nolte, Br-gerkrieg, S. 546ff.), hat, wie seine These ber die Historisierbarkeit des Nationalso-zialismus, erbitterte Kritik ausgelst und ist sicherlich nicht haltbar. Dennoch sindeinige seiner Thesen zur Verbindung dieser beiden Ideologien m. E. erwhnens-wert.

    21 Vgl. Schieder, S. 440.

    22 Ebenda, S. 451/S. 454; George L. Mosse, Towards a General Theory of Fascism, in:George L. Mosse (Hrsg.), International Fascism: New Thoughts and New Ap-proaches, London/Beverly Hills 1979, S. 1-S. 41, S. 12ff.

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    Klassenkampfes, die gesamte Welt in revolutionren Aufruhr zu versetzen.23

    Nolte interpretiert Faschismus und Nationalsozialismus sogar als eindeutige Ge-genreaktion des brgerlichen Europa auf den Bolschewismus.

    24 Der Klassenkon-

    flikt wurde besonders von den Mittelschichten, die durch die Wirtschaftskrisenzunehmend verarmten und in Folge des Industrialisierungsprozees sozialer undpsychologischer Entwurzelung ausgesetzt waren, als Bedrohung empfunden.

    25

    Dieses antimodernistischen Unbehagen uerte sich in einer feindlichen Einstel-lung gegenber Liberalismus, Kommunismus, aber auch einem extremen Antise-mitismus.

    26 Die Formel eines nationalen Sozialismus erschien als Alternative

    und Widerstand sowohl zum liberalen Kapitalismus, als auch zum Kommunismusund verkrperte die begriffliche Synthese der beiden strksten Tendenzen derdamaligen Epoche.

    27 Der Faschismus und Nationalsozialismus waren Bewegun-

    gen der jungen Generation, die ein neues Gemeinschaftsgefhl suchten und dierevolutionren Krfte statt in soziale Umwlzungen in nationale Einheit und Gr-e kanalisieren wollten.

    28 Sie verkndeten die Vorstellung einer nach Stnden und

    Korporationen gegliederten, organischen Volksgemeinschaft, die den Klassen-konflikt durch harmonische, solidarische Zusammenarbeit lsen sollte.

    29 Dies war

    gleichzeitig die wichtigste Neuerung und die Hauptlosung dieser neuen Ideologi-en gegenber den bisherigen politischen Konzeptionen. Organisatorisch fielen sieauf durch ein militarisiertes Auftreten und einen bisher ungekannten Fhrerkult,dem sich alle anderen Bereiche unterzuordnen hatten.

    30

    23 Vgl. Nolte, Brgerkrieg, S. 20.

    24 Ebenda; Nolte, Der Faschismus in seiner Epoche. Die Action franaise, Der italieni-sche Faschismus, Der Nationalsozialismus, Mnchen 1963, S. 544.

    25 Vgl. Schieder, S. 440f.

    26 Vgl. Mommsen, S. 704.

    27 Vgl. Karl Dietrich Bracher, Nationalsozialismus, Faschismus, Totalitarismus-Diedeutsche Diktatur im Macht- und Ideologiefeld des 20. Jahrhunderts in: Karl Diet-rich Bracher/Manfred Funke/Hans-Adolf Jacobsen (Hrsg.), Deutschland 1933-1945.Neue Studien zur nationalsozialistischen Herrschaft, Bonn 1993, S. 566-590, hier S.568/S. 573; Oberlnder, S. 159; Stephan, S. 28f.; Mosse, S. 6/S. 10/S. 20/S. 29/S.36.

    28 Vgl. Mosse, S. 10.

    29 Vgl. Mommsen, S. 700; Schieder, S. 453.

    30 Vgl. Mommsen, S. 700

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    Da das Hauptthema dieser Arbeit die nationalsozialistischen Gruppierungen imDritten Reich sind, ist es unumgnglich, an dieser Stelle auf die Unterscheidungzwischen Faschismus und Nationalsozialismus einzugehen. Der traditionelle To-talitarismusbegriff formulierte unbedingte Voraussetzungen fr ein totalitresRegime und gestand nur Nationalsozialismus und Bolschewismus diesen Statuszu.

    31 Dabei wurde aber bersehen, da beide zwar das liberal-pluralistische Sy-

    stem als Feind ansahen, dabei aber deutliche Unterschiede bei Zielsetzung und derHerrschaftsstruktur aufwiesen.

    32 Auch die rechtsextremen Bewegungen waren in

    ihrer Form sehr wohl nationalspezifisch ausgeprgt.33

    Der italienische Faschismusstrebte eine Totalisierung des Staates an, dieser Proze blieb aber immer unvoll-endet und Italien wurde deshalb nicht in den Begriff des Totalitarismus einbezo-gen.

    34 Die absolute Durchsetzung des Fhrerprinzips gelang auch in NS-

    Deutschland nicht vollstndig, im Gegenteil, das NS-Regime war geprgt voneinem Nebeneinander verschiedener Macht- und Interessengruppen, die kontrol-liert wurden durch ihre Abhngigkeit vom Fhrer.

    35 Der Antisemitismus spielte

    dazu in Italien, im Gegensatz zu Deutschland, eine vllig untergeordnete Rolle.36

    Mit seiner Feindschaft zu Marxismus und Bolschewismus ist der Nationalsozia-lismus zwar in die faschistischen Bewegungen einzureihen, sein extremer Anti-semitismus machte ihn aber zu einer unvergleichlich radikalisierten Form dieserIdeologie.

    37 Obwohl der Nationalsozialismus dem Faschismus in vielem nahe-

    stand, unterschied er sich vor allem durch den Drang, die totale Kontrolle desStaates zu instrumentalisieren fr eine vlkisch-rassistische Expansions- und Le

    31 Vgl. Wippermann, Europischer Faschismus, S. 17ff.; Schieder, S. 468.

    32 Ebenda; Nolte, Brgerkrieg, S. 17.

    33 Vgl. Bracher, Nationalsozialismus, S. 576f.; Leonid Luks, Entstehung der kommu-nistischen Faschismustheorie. Die Auseinandersetzung der Komintern mit Faschis-mus und Nationalsozialismus 1921-1935, Stuttgart 1984, S. 185; Mosse, S. 2.

    34 Vgl. Leonid Luks Bolschewismus, Faschismus, Nationalsozialismus-verwandteGegner ?, in: Eckhard Jesse (Hrsg.), Totalitarismus im 20. Jahrhundert. Eine Bilanzder internationalen Forschung, Bonn 1996, S. 370-S. 386, hier S. 377; Schieder, S.468f.; Siehe dazu auch Bracher, Nationalsozialismus, S. 574.

    35 Vgl. Mommsen, S. 702; Schieder, S. 469.

    36 Vgl. Nolte, Faschismus, 388; Mosse, S. 32; Nazarov, Russkaja emigracija ifaizm..., S. 130.

    37 Vgl. Nolte, Brgerkrieg, S. 120f.

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    bensraumidee.38

    Dieser vlkische Rassismus machte den Unterschied, denn erfehlte im italienischen Faschismus.

    39 Die NS-Ideologie beinhaltete nicht nur Anti-

    semitismus und Antikommunismus, die keineswegs eine deutsche Spezifik waren,sondern diese dehnten sich ber einen Antislavismus aus auf einen sehr viel wei-ter gehenden vlkischen Rassismus.

    40 Auch der italienische Faschismus hatte bei

    seinen Eroberungen in Afrika eine rassistische Grundhaltung gegenber der an-sssigen Bevlkerung erkennen lassen, dieser Rassismus blieb aber instrumentali-siert zur kolonialen Ausbeutung und Unterwerfung.

    41 Der NS-Rassismus dagegen

    unterschied sich (...) durch seine pseudowissenschaftlich-biologistische Begrn-dung im Sinne eines arischen, naturnotwendig gegen andere Vlker und Rassengerichteten, Herrschafts- und Vernichtungsanspruchs (.)

    42

    Auch in der Einstellung zu Religion und Kirche sind deutlich abweichende An-sichten festzustellen. Der Faschismus hatte, trotz der teilweise angespannten Be-ziehungen mit dem Vatikan, den Katholizismus als eine der wichtigsten traditio-nellen Grundlagen der italienischen Gesellschaft unangetastet gelassen. Der Na-tionalsozialismus dagegen hatte nicht nur eine kirchenfeindliche Position einge-nommen, seine Ideologie widersprach vielmehr prinzipiell der christlichen Ethik,von der die europische Zivilisation mageblich geprgt worden war.

    43 Die Frage

    der Einstellung zu Kirche und christlichen Werten wird im Zusammenhang mitder Ideologie von russischen Faschisten und Nationalsozialisten erneut auftau-chen.

    Die sowjetische Sicht auf Faschismus und Nationalsozialismus war in denzwanziger Jahren von einer prinzipiellen Feindschaft gegen die brgerliche Ideo-logie, also stark ideologisch geprgt. Brgerliche Demokratie und Faschismuswurden dabei im marxistischen Sinne lediglich als verschiedene Ausdrucksfor-men des berbaus der selben Gesellschaftsformation, als Verschrfung der Ge

    38 Vgl. Bracher, Nationalsozialismus, S. 567f./S. 574/S. 578; Luks, Bolschewismus, S.377.

    39 Vgl. Wippermann, Europischer Faschismus, S. 45; Mosse, S. 27.

    40 Vgl. Bracher, Nationalsozialismus, S. 584.

    41 Ebenda.

    42 Ebenda.

    43 Vgl. Luks, Entstehung, S. 184.

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    genstze im kapitalistischen System angesehen.44

    Diese Verschrfung sei aus demErsten Weltkrieg und seiner Konzentration von wirtschaftlichen Monopolen undStaat in einem Staatsmonopolismus hervorgegangen.

    45 Deshalb wurde der Fa-

    schismus nur als eine dem Sozialismus vorangehende bergangsphase im End-stadium des Kapitalismus angesehen, in dem sich die reaktionrsten Elemente desFinanzkapitals verkrperten.

    46 Diese Unterschtzung der faschistischen Bewe-

    gungen wurde noch bestrkt durch das Scheitern des Hitler-Putsches 1923.47

    Dieantikommunistische Storichtung dieser neuen Bewegungen wurde zwar regi-striert. Als Hauptfeind wurden, in einer 1924 folgenden Verschrfung, allerdingsnicht sie, sondern die Sozialdemokratie angesehen.

    48 In der sogenannten Sozial-

    faschismusthese wurden Faschismus und Sozialdemokratie als Instrumente desbourgeoisen Kapitals gleichgesetzt.

    49 Die Eigenstndigkeit der nationalsozialisti-

    schen Ideologie gegenber dem Faschismus und ihre radikalisierte vlkisch-rassistische Ausrichtung wurden auer Acht gelassen.

    50

    Die mangelnde Beachtung der Originalitt, wie auch der Radikalitt der natio-nalsozialistischen Weltanschauung, erschwerte den Kommunisten die Einsicht indie grundlegenden Unterschiede zwischen italienischem Faschismus und Natio-nalsozialismus (...), da die NSDAP sich zu einer faschistischen Partei neuen

    44 Vgl. Richard Saage, Faschismustheorien. Eine Einfhrung, Mnchen 1981, S. 30;

    Laqueur, Deutschland und Russland, S. 240.45

    Vgl. Wolfgang Wippermann, Faschismustheorien: Zum Stand der gegenwrtigenDiskussion, Darmstadt 1989, S. 60; Saage, S. 27; Mommsen, S. 706.

    46 Vgl. Wippermann, Faschismustheorien, S. 58; Schieder, S. 455/S. 458; Lenin ver-glich die italienischen Faschisten 1922 sogar mit den in Kapitel 3.1. behandeltenrechts-reaktionren Schwarzen Hundertschaften (vgl. Wippermann, Faschis-mustheorien, S. 11; Schieder, S. 455).

    47 Vgl. Schieder, S. 455ff.

    48 Vgl. Laqueur, Deutschland und Russland, S. 239f./S. 247; Der eigentliche BegriffFaschismus wurde dabei auer fr die italienischen Faschisten recht wahllos frnahezu alle politischen Gegner verwendet (vgl. Laqueur, Deutschland, S. 245).

    49 Vgl. Wippermann, Faschismustheorien, S. 12-14/S. 17; Saage, S. 32; Schieder, S.457; Diese Beurteilung, wurde bis in die dreiiger Jahre aufrecht erhalten.

    50 Der Begriff Nationalsozialismus wurde sogar nur widerwillig im Bezug auf Hit-ler-Deutschland gebraucht.

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    Typs entwickelte, die sich von dem italienischen Faschismus nicht weniger un-terschied, als dieser sich seinerseits von traditionellen brgerlichen Parteien.

    51

    Obwohl Kommunismus und Nationalsozialismus in ihrem Kampf gegen allesBrgerliche eine Gemeinsamkeit aufzuweisen schienen, trgt dieser erste Ein-druck. In Wirklichkeit stellte der Nationalsozialismus dem konomisch bedingtenKlassenkampf den Kampf von Jung gegen Alt gegenber, der in einen Kampf vonjungen gegen alte Vlker weiterentwickelt wurde.

    52

    Nun soll deutlich gemacht werden, wie Faschismus und NationalsozialismusEingang in die russische Emigration fanden. Dies geschah vor allem im Milieuder jungen Emigranten, in den sogenannten nachrevolutionren Emigranten-gruppierungen.

    53 So werden die erst in der Emigration entstandenen politischen

    Gruppierungen bezeichnet, bei denen die Einflsse und ideologischen Entwick-lungen ihres Exil-Lebensumfelds in eine neue politische Synthese mndeten. Ob-wohl das gesamte Spektrum der vorrevolutionren politischen Gruppen auch inder Emigration weiterexistierte, wurden diese mit dem Fortschreiten der Ent-wicklung zunehmend bedeutungslos.

    54 Die Programme und Losungen der libera-

    len und demokratischen Gruppen hatten sich als falsch erwiesen, sie hatten sichmit ihrer Verbundenheit an alte Strukturen nicht an die vllig vernderte politi-sche Realitt anpassen knnen.

    55 Zudem wurden sie von der jungen Emigranten-

    generation fr die revolutionre Katastrophe mitverantwortlich gemacht, da siemit ihrer allmhlichen Destabilisierung des Staates den radikalen Gruppierungenden Weg geebnet htten.

    56 In Ruland hatte seit dem 19. Jahrhundert die jngere

    Generation immer politisch links von der lteren gestanden, nach Revolution undBrgerkrieg, von denen die jungen Emigranten hauptschlich geprgt wordenwaren, drehte sich dieser Proze nun um. Das politische Erbe der Vter wurde

    51 Luks, Entstehung, S. 202; Siehe dazu auch Laqueur, Deutschland, S. 245.

    52 Vgl. Mosse, S. 23.

    53 Vgl. Stephan, S. 28.

    54 Vgl. Catherine Andreyev, Vlasov and the Russian Liberation Movement. Soviet re-ality and migr theories, Cambridge/London/New York u.a. 1987, S. 174; MarcRaeff, Emigration-welche, wann, wo ? Kontexte der russischen Emigration inDeutschland 1920-1941, in: Schlgel, Emigration, S. 17- S. 31, hier S. 19;Varavskij, S. 21.

    55 Vgl. Varavskij, S. 21; Andreyev, S. 174.

    56 Ebenda; Kostikov, S. 268/S. 272f.

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    deutlich abgelehnt und die politische Ideenbasis unterschied sich, hnlich wie beider jungen Generation im Westen, radikal von den berzeugungen der lterenGeneration.

    57 Die jungen Emigranten zeigten dabei eine entschieden konservati-

    vere Prgung und standen politisch eindeutig rechts von den lteren, gemigtkonservativen, liberalen oder gar links orientierten Emigranten.

    58 Eine rechte po-

    litische Orientierung erschien pltzlich nicht mehr reaktionr, im Vergleich zuden Schrecken des Bolschewismus wurde die alte Ordnung des Zarenreichesnachtrglich als geradezu menschlich und freiheitlich empfunden.

    59 Der Bankrott

    der vorher in Ruland fr die jungen Generation traditionell bestimmenden linkenIdeologie war zwar offensichtlich, allerdings wurde daraufhin auch keine bloeRestauration der alten Ordnung angestrebt.

    60 Die revolutionren Erschtterungen

    von 1917 hatten in den Augen der jungen Emigrantengeneration die tiefe Kluftzwischen europisierter Oberschicht und einfachem Volk offenbart und damit diebisherigen, rein europischen, Konzepte diskreditiert.

    61 Die nachrevolutionren

    Emigranten wollten keine Rckkehr zur alten Ordnung in Ruland, sondern viel-mehr einen Rckgriff wagen ber die vorrevolutionre Vergangenheit Rulandshinaus auf noch ursprnglichere russische Traditionen. Das (.) radikal Neuestellte im Grunde die Erneuerung des ganz Alten dar

    62 und diese Ursprnglich-

    keit der russischen Kultur war fr sie, wiederum in deutlicher Anlehnung an dieSlavophilen, eng verbunden mit der vorpetrinischen, also noch nicht entfremde-ten, organischen Gemeinschaftsstruktur. Zudem reagierten viele der radikalisier-ten jungen Emigranten mit Befremden auf die als verbrgerlicht empfundene

    57 Vgl. Leonid Luks, Zwischen Bruch und Kontinuitt-Zur Ideengeschichte der er-sten russischen Emigration (1920-1939) in: Eberhard Mller/Franz Josef Kehr(Hrsg.), Russische religise Philosophie. Das wiedergewonnene Erbe: Aneignungund Distanz, Stuttgart 1992, S. 129-S. 140, hier S. 130f.; Eine hnliche Entwick-lung vollzog sich, als konservative Revolution bezeichnet, auch in Deutschland(ebenda); Siehe dazu auch Varavskij, S. 18/S. 24/S. 26; Stephan, S. 28.

    58 Vgl. Hans von Rimscha, Russland jenseits der Grenzen 1921-1926. Ein Beitrag zurrussischen Nachkriegsgeschichte, Jena 1927 S. 156f.; Luks, Zwischen Bruch undKontinuitt (...), S. 131.

    59 Vgl. Varavskij, S. 24; Kostikov, S. 274f.

    60 Vgl.Luks, Zwischen Bruch und Kontinuitt (...), S. 131; Varavskij, S. 21.

    61 Vgl. Luks, Zwischen Bruch und Kontinuitt (...), S. 133ff.

    62 Ebenda, S. 131.

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    westliche Lebensumwelt.63

    Damit liee sich auch die stark gegen Demokratie undParlamentarismus gerichtete politische Denkweise erklren.

    64 Diese antiwestliche

    Grundhaltung fhrte zu einer deutlichen Renaissance slavophiler Ansichten, dieRuland trotz der aktuellen Erniedrigung eine besondere historische Mission zu-schrieben.

    65 Der aus dem 19. Jahrhundert stammende, fr die russische Intelligenz

    schon traditionelle Streit zwischen Westlern und Slavophilen wurde auch in dieEmigration mitgenommen. Die Krfteverhltnisse hatten sich jedoch radikal ver-ndert: Waren bisher die progressiven, aufklrerischen Westler in der Mehrheit,so war die Situation nun genau umgekehrt.

    66 Aus den russischen Quellen der Sla-

    vophilen wurde zudem nicht der auf christlichen Werten basierende Respekt vordem menschlichen Leben, sondern reaktionre Elemente wie Ablehnung der De-mokratie und Antisemitismus bernommen.

    67 Sie lehnten also sowohl den Kom-

    munismus, als auch die brgerliche westliche Zivilisation ab und waren auf derSuche nach einem anderen, einem Dritten Weg. Diese Vorstellung einer orga-nischen Gemeinschaft entsprach viel eher dem politischen Gefhl der jungenrussischen Emigranten. Die jungen Emigranten faten den Bolschewismus alseine geistige und moralische Krise Rulands auf, die nicht mit den traditionellenpolitischen Konzepten oder rein militrischen Lsungen bekmpft werden konnte,sondern nur mit Hilfe einer philosophisch begrndeten, auf den organischen Wur-zeln der russischen Gesellschaft basierenden Gegenideologie.

    68 Da das vorrevo

    63 Vgl. Varavskij, S. 35.

    64 Vgl. Luks, Zwischen Bruch und Kontinuitt (...), S. 132f.; Siehe dazu auch Zacha-rov, V. V./Koluntaev, S. A., Russkaja emigracija v antisovetskom, antistalinskomdvienie [Die russische Emigration in der antisowjetischen, antistalinistischen Be-wegung], in: Aleksandr V. Okorokov, Materialy po istorii russkogo osvobodi-telnogo dvienija (Stati, dokumenty, vospominanija) [Materialien zur Geschichteder russischen Befreiungsbewegung (Beitrge, Dokumente, Erinnerungen], Bd. 2,Moskau 1998, S. 28-S. 134, hier S. 30; Nazarov: Kruenie kumirov..., S. 112.

    65 Vgl. Varavskij, S. 35.

    66 Ebenda, S. 36f.

    67 Ebenda, S. 37; Durch diese Transformation entstand nach Ansicht Varavskijs inder nachrevolutionren Bewegung der Nhrboden fr einen russischen Nationalso-zialismus (ebenda).

    68 Ebenda, S. 42; Varavskij betont den starken Einflu des Philosphen NikolajBerdjaev, dessen radikal antidemokratisches Werk Novoe srednevekove [Neues

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    lutionre Ruland als Teil dieser alten Welt betrachtet wurde, fhrte die Ableh-nung des Parlamentarismus zu einer Annherung an korporative Ideen.

    69 Wie alle

    radikal neuen politischen Konzeptionen dieser Zeit verkrperten auch die neuenEmigrantengruppierungen eine Synthese vorher gegenstzlich scheinender ideo-logischer Komponenten.

    70 Wichtig im Zusammenhang mit der Einordnung der

    russischen faschistischen Gruppierungen in diese nachrevolutionre Emigran-tenpolitik ist der Verweis auf einige andere derartige Gruppen.

    Einen grundlegenden Wandel der Politik der russischen Emigranten gegenberdem Sowjetregime wollten z.B. die 1920 von Nikolaj Vasilevi Ustrjalov inCharbin gegrndeten Smenovechovcy [Bewegung zur Vernderung der Weg-zeichen] erreichen.

    71 Sie werden als Synthese der geschilderten nachrevolution-

    ren Grundlagen mit der Idee eines Nationalbolschewismus interpretiert.72

    Die-se Richtung erwartete die Evolution des Bolschewismus zu einer nationalen russi-schen Form, da, ihrer Ansicht nach, die nationalen Traditionen und Werte aufDauer auch den Kommunismus prgen wrde.

    73 Deshalb forderten die Smeno-

    vechovcy das Ende des antibolschewistischen Kampfes der Emigration, da dieSowjetmacht in ihrem Widerstand gegen die westliche Expansion die traditionel-len nationalen Interessen Rulands vertrete.

    74 Sie pldierten fr eine Rckkehr

    aus dem Exil, um sich am Aufbau der Heimat zu beteiligen.75

    Aktive Gruppen

    Mittelalter] viele Emigranten in diese Richtung beeinflut habe (vgl. Varavskij, S.39).

    69 Ebenda, S. 41.

    70 Vgl. Luks, Zwischen Bruch und Kontinuitt (...), S. 131.

    71 Diese Namensgebung bezieht sich auf den 1909 in Ruland erschienenen Sammel-band Vechi, in dem u.a. von N. Berdjaev und S. Bulgakov vor der Abwendungder russischen Intelligencija von den christlichen Traditionen zu materialistischenPositionen gewarnt wurde.

    72 Vgl. Varavskij, S. 42f.

    73 Ebenda, S. 42f.; Siehe nher dazu Michail Agurskij, Ideologija nacional-bolevizma[Die Ideologie des Nationalbolschewismus], Paris 1980.

    74 Vgl. Struve, S. 51; Andreyev, S. 174.; Luks, Zwischen Bruch und Kontinuitt (...),S. 132; Dodenhoeft, Lat mich nach Ruland heim, S. 218ff; Hardeman, S. 187;Gorboff, S. 178; Nher zu diesem Thema siehe auch v. Rimscha, S. 163-S. 178;karenkov, Agonija, S. 74-S. 92.

    75 Vgl. Dodenhoeft, Lat mich nach Ruland heim, S. 224.

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    dieser Bewegung gab es ab 1921 in Prag, Paris und Berlin, wo sie eine rege publi-zistische Ttigkeit entfalteten, in Paris gaben sie die Zeitung Smena Vech her-aus, anschlieend in Berlin Nakanune.

    76 Viele ihrer Mitglieder, darunter Ustr-

    jalov selbst, kehrten in die Sowjetunion zurck, damit endete die praktische T-tigkeit dieser Bewegung in der Emigration.

    77 Nur sehr wenige Emigrantengruppen

    hatten, wie die Smenovechovcy, sogar einen gewissen Einflu auf die sowjeti-sche ffentlichkeit. Von den sowjetischen Behrden wurde sie vor allem als so-wjetfreundliches Sprachrohr in der Emigration angesehen und materiell unter-sttzt.

    78 Das Hauptinteresse lag aber in der Mglichkeit zur Spaltung und Schw-

    chung des politisch aktiven Emigrantenmilieus.79

    Eine der nachrevolutionre Konzeptionen war die Anfang der zwanziger Jahre

    in Prag gegrndete Bewegung der Evrazijcy [Eurasier]. Ihre bekanntesten Ver-treter waren Nikolaj Sergeevi Trubeckoj, G.V. Vernadskij, Petr Nikolaevi Sa-vickij und Georgij Vasilevi Florovskij.

    80 Diese Gruppierung vertrat die Ansicht,

    da der geographische Raum Mentalitt und Kulturgeschichte der in ihm leben-den Menschen prgt. Das Russische Imperium und seine Bewohner wurden dem-nach vom Kulturraum Eurasien zu einer religisen und kulturellen Eigenstn

    76 Vgl. Struve, S. 55f.; v. Rimscha, S. 172; Dodenhoeft, Lat mich nach Rulandheim, S. 221; Sabine Breuillard: Vie politique de lmigration russe 1919-1945:un destin. Quelques rflexions sur... in: Cahiers de lmigration russe N 1 (Lapremire migration russe. Vie politique et intellectuelle), Paris 1994, S. 11- S. 26,hier S. 12; Gorboff, S. 179; Nakanune wurde weitgehend durch sowjetische Gel-der finanziert (vgl. Dodenhoeft, Lat mich nach Ruland heim, S. 222).

    77 Vgl. Dodenhoeft, Lat mich nach Ruland heim, S. 222f.

    78 Vgl. Struve, S. 55f.; v. Rimscha, S. 172; Breuillard, S. 12; Andreyev, S. 170; Har-deman, S. 183.

    79 Ebenda.

    80 Vgl. Andreyev, S. 175f.; v. Rimscha, S. 183; karenkov, Agonija, S. 187; Struve, S.55; Luks, Zwischen Bruch und Kontinuitt (...), S. 131; Dodenhoeft, Lat michnach Ruland heim, S. 233; Hilde Hardeman, Coming to Terms with the SovietRegime. The Smenovekhovstvo Movement Among the Russian Emigrs in theEarly 1920s, DeKalb 1994, S. 12; Nher zur Gruppe der Eurasier siehe Otto Bss,Die Lehre der Eurasier. Ein Beitrag zur Ideengeschichte des 20. Jahrhunderts,Wiesbaden 1961; Leonid Luks: Die Ideologie der Eurasier im zeitgeschichtlichenZusammenhang in: JfGO 3/1986, S. 374-S. 395; Nicholas V. Riasanovsky: TheEmergence of Eurasianism in: California Slavic Studies 4/1967, S. 39- S. 72.

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    digkeit ausgeprgt.81

    Damit bernahmen sie einige Positionen der Slavophilen, dieRuland ebenfalls als einzigartigen Kulturraum betrachtet hatten, der nicht zuEuropa gehrt.

    82 Nach Meinung der Eurasier befand sich die westliche Zivilisati-

    on im Zustand der Zersetzung und ihr wrden die slavischen Vlker als Zentrumder Weltkultur folgen.

    83 Die Revolution wurde als Widerstand des Volkes gegen

    die Auswirkungen der petrinischen Reformen aufgefat, die eine Kluft zwischenVolk und Herrschern verursacht htten.

    84 Aus dieser Revolution konnten, ihrer

    Ansicht nach, ntzliche Krfte hervorgehen, um Ruland von den schdlichenwestlichen Einflssen zu befreien und eine Rckwendung zu den stlichen, asiati-schen Wurzeln. zu erreichen.

    85 Dies wurde als letzte Chance fr Ruland angese-

    hen, dem Drang der westlichen Zivilisation zu widerstehen.86

    Deshalb wurde zuihrer Akzeptanz durch die Emigranten aufgerufen.

    87 Wie die Smenovechovcy

    waren auch die Eurasier der Ansicht, da der Boschewismus im gegenwrtigenMoment in seinem Widerstand gegen den Westen und seinen liberal-demokratischen Kapitalismus die nationalen Interessen des Russischen Reichesverteidigt.

    88 Insofern waren die Eurasier bereit, den Bolschewismus zumindest

    zu akzeptieren, was auch sie deutlich von der prinzipiell antikommunstischen Po-sition der traditionellen Emigrantenpolitik unterschied. Die Eurasier hofften, imGegensatz zu den Smenovechovcy, aber nicht auf eine Evolution des Sowjetre-gimes zu einem auf nationalen Werten basierenden Nationalbolschewismus. Fr

    81 Vgl. v. Rimscha, S. 184f.; Struve, S. 56; Luks, Zwischen Bruch und Kontinuitt(...), S. 134.

    82 Siehe dazu auch Varavskij, S. 35.

    83 Vgl. Gorboff, S. 180; Andreyev, S. 176; Parallelen zur Kulturzyklus-KonzeptionDanilevskijs und Spenglers sind dabei unverkennbar.

    84 Vgl. Andreyev, S. 17; v. Rimscha, S. 184f; Gorboff, S. 180; Luks, Zwischen Bruchund Kontinuitt (...), S. 133f/S. 136; Dodenhoeft, Lat mich nach Ruland heim,S. 234.

    85 Vgl. Hardeman, S. 13; Andreyev, S. 17; v. Rimscha, S. 184f; Struve, S. 57; Luks,Zwischen Bruch und Kontinuitt (...), S. 133f/S. 136.

    86 Vgl. Gorboff, S. 180.

    87 Vgl. Andreyev, S. 17; v. Rimscha, S. 184f; Gorboff, S. 180; Luks, Zwischen Bruchund Kontinuitt (...), S. 133f/S. 136; Dodenhoeft, Lat mich nach Ruland heim,S. 234.

    88 Vgl. v. Rimscha, S. 190f.; Hardeman, S. 13; Andreyev, S. 176.

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    sie war der Bolschewismus eine uerst gefhrliche geistige Erscheinung, dieKulmination des fremdartigen westlichen Einflusses auf Ruland.

    89 Als spezifisch

    russische Alternative zu den westlichen Konzeptionen und an Stelle der kommu-nistischen Ideologie, ebenfalls als eine Art Dritten Weg, wollten die Eurasiereine neue, sich auf christliche Werte und das altrussische Harmonieideal sttzendeIdeologie setzen, die auf der orthodoxen Solidaritt basieren sollte.

    90

    Eine kurze Erwhnung soll auch der Nacionalnyj Sojuz Novogo Pokolenija[Nationale Union der neuen Generation] finden. Er wurde um 1930 in Belgradunter der Leitung von Viktor M. Bajdalakov und Michail A. Georgievskij aus-drcklich als Organisation der Emigrantenjugend gegrndet und 1936 in Nacio-nalno-Trudovoj Sojuz Novogo Pokolenija (NTNSP) [Nationale Arbeits-Unionder neuen Generation].

    91 Zunchst wurden enge Verbindungen zum ROVS unter-

    halten, schon bald erfolgte aber eine weitgehende Lsung aus seinem Einflu.92

    Der NTSNP lehnte eine Rckkehr zum vorrevolutionren Ruland ab und klagtedie ltere Emigrantengeneration an, sie habe dem Kommunismus nicht die not-wendige konkurrierende Ideologie und Organisation entgegenstellen knnen, umden berholten Zarismus zu ersetzen.

    93 Der liberale Kapitalismus wurde aller-

    dings ebenso abgelehnt und der bereits erwhnte Dritte Weg zwischen diesenbeiden Systemen gesucht.

    94 Der NTSNP war dabei zweifellos beeindruckt von

    den Erfolgen der autoritren und faschistischen Ideen in Europa, vor allem vomSalazar-Regime in Portugal.

    95 Die korporative Staatsform mit ihrer gesellschaftli-

    chen Solidaritt wurde als Modell fr die Zukunft angesehen. Elemente dieses

    89 Ebenda.

    90 Vgl. Dodenhoeft, Lat mich nach Ruland heim, S. 234; Andreyev, S. 176; Luks,Zwischen Bruch und Kontinuitt (...), S. 134; v. Rimscha, S. 190f.

    91 Vgl. Prjaninikov, S. 8; Dodenhoeft, Lat mich nach Ruland heim, S. 291f.;karenkov, Agonija, S. 182; Gorboff, S. 167; Laqueur, Scho, S. 117; Nazarov,Missija, S. 240ff.

    92 Vgl. Dodenhoeft, Lat mich nach Ruland heim, S. 291f.; Prjaninikov, S. 7;Gorboff, S. 167; Nazarov, Missija, S. 240ff.; Zum ROVS siehe auch Anm. 11.

    93 Vgl. Gorboff, S. 167; Nazarov, Missija, S. 242.; Laqueur, Scho, S. 118; Doden-hoeft, Lat mich nach Ruland heim, S. 291f.

    94 Vgl. Prjaninikov, S. 40; Dodenhoeft, Lat mich nach Ruland heim, S. 291f.;Laqueur, Scho, S. 119f.; Gorboff, S. 167.

    95 Ebenda.

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    Korporatismus und der christlichen Sozialethik gingen auch in die Ideologie die-ser Organisation, den Solidarimus ein, der als lang gesuchte Gegenthese zummarxistischen Klassenkampf angesehen wurde.

    96 Da der NTSNP nicht an eine

    Evolution des Bolschewismus glaubte, wollte er den Kampf gegen die Sowjet-macht fortsetzen, dabei aber endlich aktiv vorgehen.

    97 Die Mitglieder des NTSNP

    entfalteten eine rege Propagandattigkeit, einige versuchten sogar, illegal in dieSowjetunion zu gelangen, um eine Organisationsstruktur in Ruland aufzubau-en.

    98 Ziel des NTSNP war eine aus Ruland selbst entspringende, aber durch Pro-

    paganda und aktive Ttigkeit der Emigranten untersttzte, nationale Revolution.99

    Anschlieend sollte der Staat bei der neu konzipierten, solidaristischen Sozialord-nung eine dominierende gesellschaftliche Vermittlungsfunktion bernehmen.

    100

    Die Gruppe der Mladorossy [Jungrussen] werden als Synthese einiger Ele-menten des Faschimus mit dem bereits erwhnten Nationalbolschewismus in-terpretiert.

    101 Auch ihre Grndung 1923 in Mnchen fllt zeitlich mit dem Sieg

    des Faschismus in Italien zusammen.102

    Die Mitglieder und ihr Fhrer Alexander

    96 Vgl. Prjaninikov, S. 114f.; Laqueur, Scho, S. 118.

    97 Vgl. Dodenhoeft, Lat mich nach Ruland heim, S. 291f.

    98 Vgl. Gorboff, S. 167; karenkov, Agonija, S. 219f.; Nazarov, Missija, S. 244; Sowurden u.a. als sowjetische Zeitungen getarnte Schriften nach Ruland geschmug-gelt (ebenda).

    99 Vgl. Dodenhoeft, Lat mich nach Ruland heim, S. 291f.

    100 Vgl. Prjaninikov, S. 9; Gorboff, S. 167; Whrend des Krieges begaben sich vieleNTSNP-Mitglieder in die besetzten Ostgebiete, teilweise als Dolmetscher beiWehrmacht und Ostministerium, teilweise illegal. 1944 wurden sie wegen ihrerProtegierung durch den Kreis um Graf von Stauffenberg und ihrer Verbindungenzur Vlasov-Armee von der Gestapo zerschlagen (vgl. Prjaninikov, S. 169-S.173/S. 184-S. 191; Dodenhoeft, Lat mich nach Ruland heim, S. 293f.;Laqueur, Scho, S. 120; Gorboff, S. 168; Nazarov, Missija, S. 290ff.); Die Organi-sation existierte auch in der Nachkriegszeit unter weiter.

    101 Vgl. Varavskij, S. 56.

    102 Ebenda; Dodenhoeft, Lat mich nach Ruland heim, S. 225; Stephan, S. 29;karenkov, Agonija, S. 185; Nazarov, Missija, S. 223; Nicholas Hayes: Kazem-Bek and the Young Russians Revolution in: Slavic Review (39) 2/1980, S. 255-268, hier S. 257f.; Peter Herrmann: Das Russland ausserhalb der Grenzen. ZurGeschichte des antibolschewistischen Kampfes der russischen Emigration seit1917 in: Zeitschrift fr Politik (15) 6/1968, S. 214-233, hier S. 223; Andreyev, S.

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    Kazem-Bek erkannten die Notwendigkeit der Revolution als Reinigung der inne-ren russischen Werte von der Verwestlichung der letzen Jahrhunderte an und wa-ren gleichzeitig gegen eine Restauration der alten Ordnung, da das alte Systemvon innen verrottet gewesen sei.

    103 Die Mladorossy wollten keine Gegenrevo-

    lution, sondern vielmehr als zweite, in revolutionrer Opposition zu den Bolsche-wiki stehende Partei in der Sowjetunion, eine Fortfhrung der Revolution zu einernationalen erreichen.

    104 Kazem-Bek formte auf der ideologischen Grundlage des

    italienischen Faschismus das Ideal eines reformierten Monarchismus. Er sollteeine Symbiose von alter und neuer Ordnung, von Zarismus und Rtesystem dar-stellen, eine soziale, vom Volk getragene totalitre Monarchie neuen Typs unterder Losung Zar und Sowjets.

    105 Ihren Schwerpunkt hatten die Mladorossy ab

    1926 in Paris, aber auch Gruppen in fast allen Zentren der russischen Emigrati-on.

    106 Den Hhepunkt ihrer Popularitt erreichten sie in den dreiiger Jahren und

    zhlten 1933 weltweit etwa 1.300 Mitglieder, davon 800 in Frankreich und 250 inParis.

    107 Ebenso wie der Erfolg der italienischen Faschisten, faszinierte auch die

    Machtergreifung Hitlers und der Nationalsozialisten in Deutschland die Mla-dorossy: Sie versuchten, die Aufmerksamkeit der neuen Machthaber zu erlan-gen, beteuerten dabei, sich in die Reihe der faschistischen Bewegungen einzurei

    181f.; Nikita Struve bezeichnet sie eigentmlicherweise als russische Jungtrken(siehe Struve, S. 60).

    103 Vgl. Laqueur, Scho, S. 108; Gorboff, S. 160; Andreyev, S. 182; Hayes, S. 259.

    104 Vgl. Dodenhoeft, Lat mich nach Ruland heim, S. 226; karenkov, Agonija, S.185; Struve, S. 61; Andreyev, S. 182; Hayes, S. 262; Varavskij, S. 58; Zacha-rov/Koluntaev, S. 39.

    105 Vgl. Gorboff, S. 160; karenkov, Agonija, S. 185; Laqueur, Scho, S. 108/S. 110;Varavskij, S. 57; Dodenhoeft, Lat mich nach Ruland heim, S. 227; Nazarov,Missija, S. 224f.; Hayes, S. 258/S. 262/S. 265; Herrmann, S. 223; Struve, S. 61;Andreyev, S. 182; Zacharov/Koluntaev, S. 39; Raeff, Rossija, S. 20f.; Dabei unter-sttzten sie die Thronkandidatur des Grofrsten Kirill Vladimirovi (vgl. An-dreyev, S. 181; Zacharov/Koluntaev, S. 39; Gorboff, S. 143).

    106 Vgl. Dodenhoeft, Lat mich nach Ruland heim, S. 225; Karl Schlgel: Berlin:Stiefmutter unter den russischen Stdten in: Karl Schlgel, Exodus, S. 234-259,hier S. 249; Nazarov, Missija, S. 223; Hayes, S. 259; Struve, S. 60; Andreyev, S.181; Zacharov/Koluntaev, S. 38.

    107 Vgl. Gorboff, S. 163; Herrmann, S. 223.

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    hen.108

    In der zweiten Hlfte der dreiiger Jahre machten die Mladorossy danneine Entwicklung durch, die sie immer weiter von der faschistischen Ideologieentfernte und zum Sowjetpatriotismus fhrte.

    109 Ab 1938 wurde die Bedrohung

    Rulands durch die Expansionsplne Hitlers zum bestimmenden Moment undnach der Auflsung der Organisation im Mai 1940 kmpften viele Mitglieder inder Rsistance, auch Kazem-Bek stellte sich im Krieg eindeutig auf die Seite derSowjetunion.

    110

    In der nachrevolutionren Tradition standen auch die explizit faschistischenrussischen Emigrantengruppierungen, da auch sie sich in den bisherigen politi-schen Konzepten der Emigration, vor allem was das zuknftige Ruland nachdem Kommunismus anging, nicht mehr wiederfanden.

    111 Deshalb sahen sie in den

    neuartigen faschistischen Tendenzen, einen erfolgversprechenden Ansatz fr denKampf gegen den Bolschewismus.

    112 War die ltere Generation noch vom Sozia-

    lismus fasziniert gewesen, so galt bei der jungen Generation dasselbe fr den Fa-schismus:

    113

    Der Faschismus hatte auf die russische Emigration einen starken Einflu, wie berhauptauf alle Lebensbereiche im Europa der zwanziger und dreiiger Jahre. Nach Auffassungder jungen Emigranten hatte noch niemand dem Kommunismus so kompromilos denKampf angesagt, wie der Faschismus und der deutsche Nationalsozialismus. Beide Be-wegungen waren dynamisch und fanden besonders bei der jungen Generation Anklang.Ihre Fhrer versprachen rasches Handeln und schnelle Lsungen dies stand im krassen

    108 Vgl. Hayes, S. 267.

    109 Vgl. Varavskij, S. 65; Dodenhoeft, Lat mich nach Ruland heim, S. 230f.

    110 Vgl. Dodenhoeft, Lat mich nach Ruland heim, S. 233; Laqueur, Scho, S.111; Gorboff, S. 161/S. 166; Laqueur, Scho, S. 111; Nazarov, Missija, S. 288;Hayes, S. 267f.; Andreyev, S. 182; 1956 tauchte Kazem-Bek berraschend inMoskau auf, wo er als Sekretr des Moskauer Patriarchen arbeitete und 1977 ver-starb. Unklar bleibt, ob er bereits vor dem Krieg als sowjetischer Agent gearbeitethatte und die Bewegung der Mladorossy vom sowjetischen Geheimdienst unter-wandert war (ebenda).

    111 Vgl. Stephan, S. XIX/S. 28; Dodenhoeft, Lat mich nach Ruland heim, S.246f./S. 299; Oberlnder, S. 159; Kostikov, S. 269.

    112 Ebenda.

    113 Vgl. Varavskij, S. 51.

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    Gegensatz zu (...) den unfhigen Organisationen, die die ltere Generation der russi-schen Emigration aufgebaut hatte.114

    Fr die russische Emigration war bemerkenswert, da in ihrer neuen Lebensum-gebung, vor allem im Europa der Zwischenkriegszeit, nicht nur die vom Kommu-nismus verkndeten Gleichheitsideale groe Resonanz fanden. In ganz Europa,vor allem in Italien und Deutschland, wurden die Massen auch von den faschisti-schen Bewegungen angezogen, die von der Ungleichheit der Nationen und Rassenausgingen.

    115 Man darf dabei aber nicht bersehen, da der Faschismus und vor

    allem der Nationalsozialismus zu diesem Zeitpunkt noch nicht die negative Be-deutung hatten, die sie durch ihr spteres Verhalten hervorbrachten.

    116 Gerade die

    nachrevolutionren Emigrantengruppierungen betrachteten deshalb den Aufstiegdes Faschismus und des Nationalsozialismus mit einer gewissen Faszination. Die-se Regimes hatten die nationale Gre ihrer Lnder wiederhergestellt, was einesder Hauptziele auch ihrer eigenen politischen Bestrebungen war.

    117 Der Faschis-

    mus mit seiner Zielsetzung des korporativen Staates beinhaltete zudem die Aus-sicht, den Klassenkonflikt, und damit den Ursprung der als katastrophal empfun-denen Vorgnge in der Heimat, zu lsen.

    118 Dabei propagierte er das Ideal einer

    organischen Gemeinschaft, die versprach, die Entfremdung des Menschen mit derRealitt zu berwinden, was, wie bereits geschildert, dem politischen Gefhl derjungen Emigrantengeneration sehr nahestand.

    119 Der Faschismus konnte dabei die

    fr die russische Tradition so wichtige Idee der Gemeinschaft leicht integrieren,da sie im Nationalismus beinhaltet war: Individuelle Freiheit war demnach nurmglich in der Kollektivitt, wenn Menschen sich freiwillig zusammenschlieenauf der Basis von gemeinsamer Herkunft und Traditionen.

    120 Eine Sympathie fr

    die nationalsozialistische Ideologie trat in den Emigrantenkreisen nur vereinzeltauf, naturgem blieb sie weitgehend auf Deutschland beschrnkt. Anziehender

    114 Laqueur, Scho, S. 107.

    115 Vgl. Luks, Entstehung, S. 207f.

    116 Siehe dazu auch Zacharov/Koluntaev, S. 30; Nazarov, Kruenie kumirov..., S.112.

    117 Vgl. Andreyev, S. 187f.; Luks, Zwischen Bruch und Kontinuitt (...), S. 132.

    118 Vgl. Oberlnder, S. 159; Stephan, S. 28f.

    119 Ebenda.

    120 Vgl. Mosse, S. 22/S. 29.

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    wirkte auf die russischen Emigranten der im Gegensatz zur rassischen Exklusivi-tt und antislavischen Tendenz des Nationalsozialismus universelle Charakter derfaschistischen Ideologie.

    121

    2 Der Russische Faschismus in der Peripherie

    Die zahlenmig strksten und aufflligsten faschistischen Organisationen in derrussischen Emigration bildeten sich weitab von ihren europischen Zentren unddamit der Verwirklichung der faschistischen und nationalsozialistischen Ideolo-gie. Sie entstanden in den Vereinigten Staaten von Amerika und im vormals rus-sisch geprgten Fernen Osten. In den zwanziger Jahren lebten ber 150.000 Rus-sen im vormals russisch dominierten Teil Chinas, in der Mandschurei, der Gro-teil (ber 100.000) in der Hauptstadt dieser Region, Charbin.

    122 Schon im Som-

    mer 1925 begannen Treffen von russischen Studenten, die die Begeisterung frMussolini teilten.

    123 Drei von ihnen, Evgenij Korablev, Aleksandr Pokrovskij und

    Boris Rumjantsev grndeten die Rossijskaja Faistskaja Organizacija [Russ-lndische Faschistische Organisation] (RFO), der auch Konstantin VladimiroviRodzaevskij, die knftige Fhrerfigur dieser Bewegung, bald nach seiner Ankunftin Charbin beitrat.

    124 Im Mai 1931 fand der erste Kongre der russischen Faschi-

    sten statt, auf dem die Grndung der Rossijskaja Faistskaja Partija [Russln

    121 Stephan, S. 29; S. Volkov, Vtoraja mirovaja vojna i russkaja emigracija, in:Alexandr V. Okorokov, Materialy, S. 11-S. 25, hier S. 19; Siehe dazu auch Ober-lnder, S. 159.

    122 Vgl. Oberlnder, S. 160; Stephan, S. 37/S. 40; Struve, S. 14; Onegina, Russkiefaisty, S. 10.

    123 Vgl. Stephan, S. 51; Nazarov, Missija, S. 261; ders.:, Kruenie kumirov..., S.113; Oberlnder, S. 160; Laqueur, Scho S. 114; I.A. Levinskaja, Russkie faistyna Dalnem Vostoke i v SA [Russische Faschisten im Fernen Osten und in denUSA], in: Nacionalnaja pravaja prede i teper, S. 151-S. 171, hier, S. 153; One-gina, Russkie faisty, S. 10.

    124 Ebenda; Zacharov/Koluntaev, S. 41; Konstantin Vladimirovi Rodzaevskij wurdeam 11. August 1907 in Blagoveensk in Sibirien geboren und war 1925 in dieMandschurei geflchtet (vgl. Stephan, S. 49f.; karenkov, Agonija, S. 174; Ober-lnder, S. 161; Levinskaja, S. 152; Onegina, Pismo K.V. Rodzaevskogo..., S.93).

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    dische Faschistische Partei] (RFP) bekanntgegeben wurde.125

    Offizielle Fhrerfi-gur wurde General Vladimir Kozmin, doch er war nicht mehr als ein bekanntesAushngeschild, im Hintergrund zogen weiterhin Rodzaevskij und die Grnderder RFO die Fden.

    126 Rodzaevskij, ein extrovertierter, charismatischer Politiker,

    war geprgt von radikalem Antisemitismus und Antikommunismus und wurdeergnzt durch den im Hintergrund wirkenden, pragmatischen Michail Matkovskij,der vor allem versuchte, Verbindungen zu allen ntzlich erscheinenden Mchtenzu knpfen.

    127 Das von Rodzaevskij und Korablev konzipierte Programm der

    Partei mit dem Hauptslogan Bog, Nacija, Trud [Gott, Nation, Arbeit] prophe-zeite das nahe Ende der Sowjetmacht und proklamierte den russischen Faschis-mus als einzige Ideologie, die in der kommenden Nationalen Revolution dieMobilisierung der Massen erreichen knne.

    128 Als ideologische Basis fr ein zu-

    knftiges Ruland sollte das Beispiel des korporativen Staates im italienischenFaschismus dienen, also die Lsung des Klassengegensatzes in gemeinsamen R-ten.

    129 An der Spitze einer Pyramide von lokalen, regionalen und schlielich na-

    tionalen Rten stnde demnach ein Vserossijskij Zemskij Sobor.130

    In derbergangsphase sollte eine zeitlich begrenzte Diktatur der RFP errichtet werden,wobei die RFP zusammen mit den Mitgliedern des Zemskij Sobor die Regie-rung stellen wrde.

    131 Die Kolchosen sollten aufgelst und das Land in Privatbe-

    sitz berfhrt, Grogrundbesitz aber gleichzeitig verhindert werden.132

    Diesekonomischen Manahmen sollten einen so hohen Grad an Wohlstand und sozia

    125 Vgl. karenkov, Agonija, S. 174; Oberlnder, S. 161; Stephan, S. 55; Gorboff, S.175; Nazarov, Missija, S. 261; Levinskaja, S. 153; Onegina, Russkie faisty, S.11; Zacharov/Koluntaev, S. 41.

    126 Vgl. Stephan, S. 55; Oberlnder, S. 161.

    127 Vgl. Levinskaja, S. 153; Stephan, S. 52

    128 Vgl. Stephan, S. 55f.; Oberlnder, S. 161/S. 169; Levinskaja, S. 153.

    129 Vgl. Groboff, S. 176; Levinskaja, S. 153f.; Stephan, S. 56f; Oberlnder, S. 171.

    130 Vgl. Stephan, S. 57; Levinskaja, S. 154; Oberlnder, S. 171; Der Ausdruck Sovetwurde sogar ausdrcklich benutzt; Gennadij Taradanov betonte, da die Traditiondes Zemskij Sobor aus dem 16. und 17. Jahrhundert den korporativen Staat vor-weggenommen habe (ebenda).

    131 Vgl. Stephan, S. 57; Oberlnder, S. 172.

    132 Vgl. Levinskaja, S. 153; Stephan, S. 56.

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    ler Gerechtigkeit ermglichen, da die peripheren Randstaaten (genannt werdenFinnland, Lettland, Polen, Rumnien, Bulgarien, Persien, Afghanistan und Mon-golien) danach streben wrden, Teil des sich zu einem groen Eurasischen Impe-rium erweiternden Russischen Reiches zu werden.

    133 Diese territoriale Konzepti-

    on ist, meiner Ansicht nach, wohl nicht in der Tradition des Panslavismus zu se-hen, der seit dem 19. Jahrhundert die Auenpolitik Rulands beeinflute, da nichtdie slavischen Vlker als explizite Zielgruppe angesehen wurden.

    Einen wichtigen Beitrag zur moralischen Strkung und Gesundung des Volkessollte neben einer starken Familie, die als Grundstein der Gesellschaft angesehenwurde, eine vom Staat getrennte Orthodoxe Kirche leisten.

    134 Nach Ansicht

    Rodzaevskijs und seiner Gruppierung war der christliche Charakter ihrer faschi-stischen Ideologie einer der Hauptunterscheidungspunkte zu den europischenBewegungen, da, ihrer Ansicht nach, nur ein religiser Faschismus eine adquateKonzeption fr die Spezifik der russischen Seele sein konnte.

    135 Trotz der ber-

    nahme des korporativen Staatsaufbaus unterschied Rodzaevskij seine Plne ineinem weiteren Punkt eindeutig von italienischem Faschismus und deutschemNationalsozialismus: Whrend diese mit einer Einbindung des Individuums ineine Gemeinschaft und der Zentralisierung der Wirtschaft gegen Chaos und De-kadenz des liberalen Kapitalismus kmpften, wolle der russische Faschismus, imGegenteil, nach dem Sturz des Bolschewismus das Individuum befreien und dieWirtschaft dezentralisieren.

    136 Auch der Antisemitismus war ein starker Urbe-

    standteil der RFP-Ideologie, so wurde die Sowjetmacht mit Judenherrschaftgleichgesetzt und zustzlich die These der hinterlistigen Zersetzung durch Juden

    133 Vgl. Stephan, S. 56; Oberlnder, S. 170; Levinskaja, S. 154.

    134 Diesen explizit christlichen Faschismus betonen auch Stephan, S. 56; Levinska-ja, S. 153f.; Onegina, Einleitung zu Rodzaevskij, Otet o moej 20-letnej antiso-vetskoj dejatelnosti 114 [Abrechnung zu meiner 20-jhrigen Ttigkeit] (Publika-tion und Einleitung von Svetlana Onegina), in: Kentavr, N 4/1993, S. 93-S., S.94; Oberlnder, S. 169; Zacharov/Koluntaev, S. 42 und Gorboff, S. 176; Nazarovbetont ber die religisen ideologischen Wurzeln hinaus auch die aktive Teilnahmeder fernstlichen russischen Faschisten am orthodoxen Kirchenleben (vgl. Naza-rov, Missija, S. 262; ders.: Kruenie kumirov..., S. 120).

    135 Vgl. Stephan, S. 57; Levinskaja, S. 154; Siehe auch Oneginas Einleitung zuRodzaevskij, Otet..., S. 94.

    136 Vgl. Stephan, S. 57.

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    und Freimaurer von den Schwarzen Hundertschaften bernommen.137

    Ein Teilder rtlichen Emigrantenjugend teilte diese Faszination am italienischen Faschi-mus, gemischt mit Antisemitismus und Antibolschewismus. Eine reelle Einflu-mglichkeit auf die Verhltnisse in Sowjetruland hatten die kaum 200 Mitgliederder RFP natrlich nicht, nur durch eine Vernderung der Machtkonstellation undmassive Hilfe von auen schien der Gedanke an eine erfolgversprechende Akti-vitt mglich.

    138 Diese neue Macht trat 1931 mit der Okkupation der Mandschurei

    durch Japan auf den Plan, wobei die neue Macht die zersplitterte russische Emi-gration zum Zwecke der Verwendung in antibolschewistischen Zielen unter Kon-trolle stellen wollte.

    139 Auch Konstantin Rodzaevskij wurde bereits im Herbst

    1931, also noch vor der Okkupation Charbins, kontaktiert und reagierte so enthu-siastisch, da er als wertvoller Kollaborateur eingeschtzt wurde.

    140 Diese starke

    pro-japanische Position Rodzaevskijs fhrte zum Bruch in der RFP, und vieleFhrungsmitglieder verlieen die Partei; vom Grndungskern blieben nurRodzaevskij als offizieller und faktischer Fhrer der RFP sowie Matkovskij b-rig.

    141 Durch die Kollaboration mit Japan erffneten sich fr die RFP vllig neue

    finanzielle Dimensionen und die Befreiung Rulands durch die UntersttzungJapans in einem bevorstehenden japanisch-sowjetischen Krieg wurde zum Leitge-danken Rodzaevskijs und seiner Gruppierung.

    142 Mit dem Wohlwollen der japani-

    schen Behrden unternahm die RFP 1932 eine Mitglieder-Werbekampagne in derrussischen Emigration des Fernen Ostens (vor allem China, Korea und Japan), alsderen Resultat Zweigstellen der RFP in verschiedenen Stdten Chinas sowie Se-oul, Kobe und Tokio entstanden.

    143 Obwohl die Mitgliederzahlen auerhalb

    Mandschukos einige Hundert nicht berstiegen, konnte die RFP sich nun den An

    137 Vgl. Stephan, S. 58; Verwendet wurde dabei der einschlgige Begriff idomason-stvo (ebenda); Nher zu den Schwarzen Hundertschaften siehe Kapitel 3.1.

    138 Vgl. Stephan, S. 58f.

    139 Vgl. Stephan, S. 59/S. 67; Oberlnder, S. 162; Levinskaja, S. 155; Onegina,Russkie faisty, S. 11.

    140 Vgl. Stephan, S. 69; Levinskaja, S. 155.

    141 Vgl. Stephan, S. 71f.

    142 Vgl. Nazarov, Missija, S. 261; Stephan, S. 73; ber die eindeutigen Beweise freine finanzielle Untersttzung durch die Japaner berichtet auch Onegina (vgl. One-gina, Russkie faisty, S. 11).

    143 Vgl. Stephan, S. 73f.; Levinskaja, S. 156; karenkov, Agonija, S. 174.

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    schein einer international operierenden Organisation zulegen.144

    Das Wohlwollenund die finanzielle Untersttzung durch die japanischen Besatzungsbehrdenmachte die RFP allmhlich zur einflureichsten Emigrantenorganisation im Fer-nen Osten.

    145 Um die Ideologie der RFP weiter zu verbreiten, nahmen als Presse-

    organe der RFP die Zeitungen Nacija [Nation] (1932) und Na Put [UnserWeg] (1933) ihre Arbeit auf.

    146 In der berzeugung, da seine Bewegung ein

    Pendant zu Hitlers Mein Kampf bentige, beauftragte Rodzaevskij zwei engeMitarbeiter von Matkovskij, Gennadij Taradanov und Vladimir Kibardin damit,eine entsprechende theoretische Schrift zu verfassen, die 1934 als AzbukaFaizma [ABC des russischen Faschismus] erschien und in weiten Teilen dasParteiprogramm von 1931 wiederholte.

    147 Bis zum Jahre 1933 hatte sich die Mit-

    gliederzahl der RFP von 200 auf 5.000 vervielfacht.148

    berhaupt schien der Fa-schismus weltweit einen Siegeszug anzutreten, und ein mglicherweise bevorste-hender sowjetisch-japanischer Konflikt im Fernen Osten gab Anla zur Hoffnungauf mehr: A Soviet-Japanese war might precipitate the National Revolution andleave him Konstantin Vladimirovich Rodzaevsky vozhd of Russian fascists,the vozhd of Russia.

    149 Zu Rodzaevskijs globalem Fhrungsanspruch ber die

    russischen Faschisten tauchte aber, in sich immer mehr verdichtenden Gerchten,politische Konkurrenz im fernen Amerika auf.

    150

    Der russische Faschismus in der Peripherie hatte, neben dem Fernen Osten,nmlich ein zweites Zentrum: Die Vereinigten Staaten von Amerika. Die dortige

    144 Vgl. Stephan, S. 74; Oberlnder, S. 162; Gorboff und Oberlnder geben als Mit-gliederzahl fr 1932 4.000 an. (vgl. Gorboff, S. 175/Oberlnder, S. 162).

    145 Vgl. Stephan, S. 74; Oberlnder, S. 162.

    146 Vgl. Nazarov, Missija, S. 261; ders.: Russkaja emigracija i faizm..., S. 127; Ste-phan, S. 74; Levinskaja, S. 156; Onegina, Russkie faisty, S. 12; Rodzaevskij,Otet..., S. 105; Gorboff, S. 175; Zacharov/Koluntaev, S. 41.

    147 G.V. Tarandanov/V.V. Kibardin, Azbuka faizma, Charbin 1935; (Siehe dazu auchStephan, S. 74f.; Levinskaja, S. 156; Rodzaevskij, Otet..., S. 104).

    148 Vgl. Stephan, S. 89.

    149 Ebenda; Levinskaja, S. 157f.

    150 Vgl. Levinskaja, S. 157.

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    Fhrerfigur war unbestritten Anastasij Andreevi Vonsjackij.151

    Als VonsjackijEnde der zwanziger Jahre den Drang versprte, sich auf der politischen Bhne zubettigen, hatte er noch keine festen politischen Wertvorstellungen.

    152 Zwischen

    zwei Europa-Reisen 1927 und 1931 war er Mitglied des Bratstvo RusskojPravdy [Bruderschaft der russichen Wahrheit], das er finanziell erheblich unter-sttzte und dadurch zum Vertreter fr die USA ernannt wurde.

    153 Nach seinem

    Austritt 1931 reifte der Gedanke an die Grndung einer eigenen Organisation her-an, deren ideologische Grundlagen vorerst recht vage blieben, er war aber von derjugendlichen Dynamik der wachsenden faschistischen Bewegung beeindruckt.

    154

    Der Triumph des aggressiv antikommunistischen Nationalsozialismus inDeutschland erzeugte in ihm die Hoffnung, da eine hnlich mobilisierende, aberan die russischen Gegebenheiten angepate Idee und Massenbewegung Rulandvom Bolschewismus befreien und seine nationale Gre wiederherstellen knn-te.

    155

    Am 10. Mai 1933 wurde durch die Proklamation eines Offenen Briefes zurVereinigung der aktiven Emigration in einer weltweiten, gemeinsamen faschisti-schen Front aufgerufen und die Vserossijskaja Faistskaja Organizacija [All-russlndische Faschistische Organisation] (VFO) gegrndet.

    156 Vonsjackij ver

    151 Er wurde 1898 in Warschau geboren und trat 1916 in die Militrakademie in St.Petersburg ein. Im Russischen Brgerkrieg kmpfte er bis 1920 unter General De-nikin in Sdruland, bevor er ber Gallipoli, London und Paris 1921 schlielichnach Amerika kam und sich mit seiner wohlhabenden Frau 1924 im US-Bundesstaat Connecticut niederlie (vgl. Stephan, S. 91-S. 96/S. 101/S. 105;Gorboff, S. 172; Laqueur, Scho, S. 116; Oberlnder, S. 162f.; Levinskaja, S. 157).

    152 Vgl. Stephan, S. 116f.; Gorboff, S. 172.

    153 Vgl. Oberlnder, S. 163; Levinskaja, S.157; Stephan, S. 117f.; Nazarov, Missija, S.232; karenkov, Agonija, S. 175; Das Bratstvo Russkoj Pravdy war eine 1923von General Krasnov und Frst Lejchtenberg gegrndete Untergrundorganisation,die einen gewaltsamen Umsturz in der Sowjetunion und die Restauration der Ro-manovs ohne bestimmten Prtendenten anstrebte. Vertreter im Fernen Osten warinteressanterweise General Kozmin, nomineller Kopf der RFP (Nazarov, Missija,S. 232).

    154 Vgl. Stephan, S. 116f./S. 121.

    155 Ebenda, S. 122.

    156 Vgl. Stephan, S. 122f; Oberlnder, S. 163; karenkov, Agonija, S. 175; Gorboff, S.172; Nazarov, Missija, S. 262; Levinskaja, S. 157; Onegina, Russkie faisty, S.

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    hielt sich gegenber theoretischen und ideologischen Fragen aber relativ gleich-gltig.

    157 1933 bekannte er in einem Zeitungsinterview sogar, da er seine Partei

    in erster Linie deshalb faschistisch genannt habe, weil diese politische Bezeich-nung von der Sowjetfhrung als Synonym fr jegliche Form von Widerstand ge-gen die Sowjetmacht gebraucht wurde, also effektiven Antikommunismus sym-bolisiere.

    158 Bald darauf wurde zur Verbreitung der Ideen und zur Vergrerung

    des Bekanntheitsgrades der Organisation die Zeitung Faist herausgegeben.159

    Dort wurden regelmig imaginre Sabotageaktionen von Parteimitgliedern inSowjetruland abgedruckt, um den Eindruck einer weitverzweigten, mchtigenOrganisation zu erwecken. Breiter Raum wurde auch der Geschichte des Russi-schen Brgerkriegs und der Verehrung der Zarenfamilie eingerumt.

    160 Darber

    hinaus wurden in den Jahren 1934-1940 ins Russische bersetzte Auszge vonAdolf Hitlers Mein Kampf im Faist abgedruckt.

    161 Die Auflage stieg von

    zunchst 2.000 auf 10.000 Exemplare an, in der zweiten Hlfte der dreiiger Jahrewurden insgesamt etwa drei Millionen Exemplare, weitgehend auf eigene Kosten,in die Emigrantenzentren verschickt.

    162 In der zweiten Hlfte des Jahres 1933

    gelang es Vonsjackij, mit Hilfe seiner finanziellen Mittel, im verstreuten Emi-grantenmilieu ein Netz von Parteizellen zu bilden, das von New York, Boston,

    10; Bei seiner politischen Aktivitt sttzte sich Vonsjackij hauptschlich auf die fi-nanzielle Untersttzung seiner Ehefrau Marion Ream, die aus einer der wohlha-bendsten Familien Amerikas stammte (vgl. Stephan, S. 95f.; Levinskaja, S. 157).

    157 Siehe auch Dodenhoeft, Lat mich nach Ruland heim, S. 254, Anm. 57.

    158 Vgl. Oberlnder, S. 163f./Gorboff, S. 172.

    159 Vgl. Stephan, S. 124; Levinskaja, S. 158; Oberlnder, S. 163; Gorboff, S. 173; Na-zarov, Missija, S. 262; ders.: Kruenie kumirov..., S. 113; ders.: Russkaja emi-gracija i faizm..., S. 127.

    160 Dabei wurde Kornilov als Wegbereiter des russischen Faschimus dargestellt (sieheFaist, N (42) April/Mai 1938); Zur Zarenfamilie siehe z.B. Faist, N (44)Juli 1938 (beide im persnlichen Archiv des Autors).

    161 Vgl. z.B. Faist, N (48) Februar/Mrz 1939 (persnliches Archiv des Autors);Siehe dazu auch Levinskaja, S. 158.

    162 Vgl. Levinskaja, S. 157; Onegina, Russkie faisty, S. 10.

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    Los Angeles, San Francisco, Seattle ber Sofia, Belgrad, Prag, Berlin bis nachSao Paulo, Kairo und Sydney reichte.

    163

    Das Jahr 1933 machte die Bedrohung der UdSSR von zwei Seiten, Deutschlandund Japan, offenkundig. Es schien nur noch eine Frage der Zeit zu sein, wanndiese Anspannung in einen Krieg gegen die Sowjetunion mnden wrde. DieseSituation sahen viele Emigranten als ihre Chance an, das ihnen verhate Regimezu strzen und tatkrftig an der Neugestaltung ihrer Heimat mitzuwirken. Auchdie russischen Faschisten erkannten die Zeichen der Zeit, muten aber gleichzei-tig eingestehen, da sie auf diese Herausforderung nicht ausreichend vorbereitetwaren. Die Unausweichlichkeit einer Kooperation, nach Mglichkeit sogar dieVereinigung zu einer einheitlichen, weltweiten Organisation, wurde immer offen-sichtlicher.

    164 Am 28. Oktober 1933 lud Rodzaevskij in einem Brief Vonsjackij

    nach Charbin ein, um aus den beiden Gruppen eine weltweite Organisation zubilden.

    165 Rodzaevskijs Motiv war dabei keineswegs wirklicher Drang zur Koope-

    ration oder die Akzeptanz Vonsjackijs als wichtigen Mitstreiter, sondern simplesInteresse an dessen finanziellen Ressourcen.

    166 Da Vonsjackij die konflikttrch-

    tigste Nahtstelle mit der Sowjetunion im Fernen Osten sah, willigte er sogleich imNamen seiner (nach eigenen Angaben) 2.000 VFO-Mitglieder ein und weiteteseine Reiseplanungen ber die Reise nach Fernost hinaus zu einer ffentlich-keitswirksamen Weltreise in den Nahen Osten und Europa aus, die er am 1. Mrz1934 in Begleitung seiner Frau und Donat Kunle begann.

    167 Die Vereinigung

    wurde hauptschlich durch pragmatische berlegungen vorangetrieben: TheRFP had muscle which the VFO, Fashist fantasies notwithstanding, utterly lak-ked. The VFO had money which the RFP, despite Japanese subsidies, urgently

    163 Vgl. Stephan, S. 137f.; Der Vertreter der VFO in Berlin war ein gewisser Pe-traevskij. Die meisten Parteizellen auerhalb der USA existierten allerdings nuraufgrund der jhrlichen Zahlung von 600 $ durch die VFO (ebenda).

    164 Vgl. Stephan, S. 130; Levinskaja, S. 158.

    165 Vgl. Levinskaja, S. 158; Gorboff, S. 174; Stephan, S. 139; Rodzaevskij gibt dage-gen an, Vonsjackij habe als erster einen Brief geschrieben (vgl. Rodzaevskij, Ot-et..., S. 106).

    166 Vgl. Stephan, S. 139; Zu den finanziellen Interessen Rodzaevskijs siehe auchOberlnder, S. 165 und Gorboff, S. 175f.

    167 Vgl. Stephan, S. 139f.

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    needed.168

    Bei Vonsjackijs Ankunft im April 1934 begannen Verhandlungenber die Bedingungen fr eine Vereinigung von RFP und VFO, wobei Vonsjackijwenig Verstndnis fr den Eifer zeigte, mit dem Rodzaevskij ideologische Prinzi-pien wie Korporatismus und Antisemitismus unbedingt in die neue Organisationeinzubringen versuchte.

    169 Statt theoretischer Diskussionen wollte er lieber das

    aktive Vorgehen gegen die Sowjetunion planen.170

    Aus der beschlossenen Verei-nigung ging die Vserossijskaja Faistskaja Partija [Allrusslndische Faschisti-sche Partei] (VFP) hervor, in der Vonsjackij Vorsitzender wurde und RodzaevskijGeneralsekretr.

    171 Am 22. Mai 1934 reiste Vonsjackij nach Italien, wo es ihm

    jedoch nicht gelang, ein Treffen mit Mussolini zu erreichen.172

    Nach einem lnge-ren Zwischenstop in Paris kam die Gruppe zu Kurzaufenthalten nach Berlin, Prag,Budapest, Sofia und Belgrad, wo sie jeweils die VFO-Parteizellen besuchten.

    173

    Die Koalition von RFP und VFO hielt jedoch nur kurz, neben Kompetenzstreitig-keiten um die Fhrerschaft war vor allem die divergierende Einstellung zum Anti-semitismus dafr verantwortlich.

    174 Whrend Rodzaevskij ein berzeugter Anti-

    semit war, lehnte Vonsjackij einen solche Pauschalisierung ab und machte seineEinstellung abhngig vom individuellen Verhalten: Well our attitude toward theJews depends on their attitude towards us. If they want to go along with us, O.K.If not, we fight them. If they want to fight the common enemy that is all right with

    168 Ebenda, S. 142; Levinskaja, S. 159.

    169 Vgl. Stephan, S. 141/S. 289; Oberlnder, S. 165; Dodenhoeft, Lat mich nachRuland heim, S. 255.

    170 Ebenda.

    171 Vgl. Oberlnder, S. 165; Gorboff, S. 176; Nazarov, Missija, S. 262; ders.: Russ-kaja emigracija i faizm..., S. 127; Stephan, S. 142; karenkov, Agonija, S. 176;Rodzaevkij gab spter an, Vonsjackij sei von ihm und seinen Mitstreitern nicht be-sonders ernst genommen worden, weshalb man ihm auch die vordergrndige Fh-rerschaft berlassen habe (vgl. Rodzaevskij, Otet..., S. 107).

    172 Vgl. Stephan, S. 155f.; Levinskaja, S. 159.

    173 Vgl. Stephan, S. 156f.; Oberlnder, S. 165; Sein Besuch in Berlin wird in Kapitel3.3. noch einmal von Bedeutung sein.

    174 Vgl. Matthias Vetter: Die Russische Emigration und ihre Judenfrage in: Schl-gel, Emigration, S. 110-124, hier S. 116; Dodenhoeft, Lat mich nach Rulandheim, S. 255; karenkov, Agonija, S. 176; Oberlnder, S. 167; Nazarov, Missija,S. 262.

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    us.175

    Zum offiziellen Bruch kam es nach einer gegenseitigen Verleumdungs-kampagne in den jeweiligen Parteizeitungen auf dem dritten Kongress der russi-schen Faschisten im Sommer 1935, als Vonsjackij seines Postens enthoben undaus der VFP ausgeschlossen wurde.

    176 Vonsjackij benannte seine Partei nach der

    Trennung in Vserossijskaja Nacional-Revolucionnaja Partija [AllrusslndischeNational-Revolutionre Partei] (VNRP) um und setzte seine politische Ttigkeitvon den USA aus fort.

    177 Rodzaevskij gelang es, einen groen Teil der von

    Vonsjackijs etablierten Parteizellen zu bernehmen, so erkannten auf diesemKongre Reprsentanten der VFP aus Deutschland, Australien, Syrien, Jugosla-wien, Estland und Finnland, die vor der Vereinigung zur VFP Vonsjackij angehrthatten, Rodzaevskijs Autoritt an.

    178 Gleichzeitig wurde auch ein Dreijahresplan

    mit dem Ziel der Machtbernahme in Ruland bis sptestens 1. Mai 1938 be-schl