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(Aus dem Kaiser Wilhelm-Institut fiir Arbeitsphysiologie Dortmund-Mfinster.~ Der Einfu~ der Tr~igheit auf das Arbeitsmaximum beim Radfahren. Von E. A. Miiller. Mit 1 Textabbildung. (Einffegangen am 23. November 1938.) In mehreren Versuchsreihen am Fahrrad (E. A. Mi~ller und Grosse- Lordemann 1, s) fanden wir, dab das in einmaliger ununterbrochener Fahrt auf dem Fahrrad bei einer bestimmten Leistung erreichbare Arbeitsmaximum vonder Zahl der Pedalumdrehungen, tier Tretkurbel- 1/~nge und der Sattelstel]ung weitgehend beeinfluBt wird. In der vor- liegenden Arbeit ~urde die Frage bearbeitet, ob aueh die Tr/~gheit des Fahrra~les die Gr6Be des Arbeitsmaximums mitbestimmt. Sehon 1928 hat Jaschwili 4 an einem Kroqhschen Fahrrad, das ffir Kurbelarbeit um- gebaut war, die Tr~,gheit des rotierenden Systems ver/~ndert und die Beziehungen zwischen der Tr/~gheit und dem Gesehwindigkeitsoptimum des Wirkungsgrades untersucht. Dieses war yon der Tr~gheit unabh/~ngig. Bei niedriger Gesehwindigkeit war eine grSl~ere, bei grotJer eine kleinere Tri~gheit ffir die 0konomie der Arbeitsleistung gfinstiger. Eine sehr viel bedeutendere Beeinflussung der ArbeitsSkonomie dureh die Tr~gheit konnte bei Arbeitsformen nachgewiesen werden, bei denen ~nderungen der Tr~gheit die Form der Kraft-Wegdiagramme der Arbeit eharakte- ristisch ver~nderten (E. A. Mi~ller 5, G. Lehmann ~). Hierbei war die tr/igheitsfreie Arbeitsform, bei der die Kraft fiber die ganze L~nge des Arbeitsweges in konstanter Weise wirkte, sehr viel un6konomiseher als die tr/~gheitsbeeinflul3te Arbeitsform, die einen im Arbeitsbeginn grol3en, im Verlauf der Arbeit abnehmenden Krafteinsatz erforderte. Atzler ~ bat aus diesen ]~esultaten interessante tbeoretisebe Fo]gerungen gezogen. Leider haben diese Fragen seither keine weiterffihrende experimentelle Bearbeitung erfahren. Eine Untersuchung der Tr~gheitswirkung auf das Arbeitsmaximum war daher theoretisch interessant, schien abet auch aus praktischen Grfinden wiinsehenswert. Die Fahrradversuehe sind fast ausschliel~lich an Fahrradergometern durchgeffihrt worden, feststehenden Systemen, bei denen im Gegensatz zur Fahrt auf der Strafe die Trggheit der Masse yon Rad ~- Fabrer keine Rolle spielt. ]:)as Trs des Vorder- rades f~llt bei diesen Ergometern weg, ws das Tr~gheitsmoment des ttinterrades durch fehlende Bereifung, Bremsseheiben und andere Ver- s gegen die normale Gr6Be bald vermehrt, bald vermindert ist. Arbeitsmaxima, die an Fahrradergometern bestimmt worden sind, k6nnen

Der Ein fuß der Trägheit auf das Arbeitsmaximum beim Radfahren

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Page 1: Der Ein fuß der Trägheit auf das Arbeitsmaximum beim Radfahren

(Aus dem Kaiser Wilhelm-Institut fiir Arbeitsphysiologie Dortmund-Mfinster.~

Der Einfu~ der Tr~igheit auf das Arbeitsmaximum beim Radfahren.

Von E. A. Miiller.

Mit 1 Textabbildung. (Einffegangen am 23. November 1938.)

In mehreren Versuchsreihen am Fahrrad (E. A . Mi~ller und Grosse- Lordemann 1, s) fanden wir, dab das in einmaliger ununterbrochener Fahrt auf dem Fahrrad bei einer bestimmten Leistung erreichbare Arbeitsmaximum v o n d e r Zahl der Pedalumdrehungen, tier Tretkurbel- 1/~nge und der Sattelstel]ung weitgehend beeinfluBt wird. In der vor- liegenden Arbeit ~urde die Frage bearbeitet, ob aueh die Tr/~gheit des Fahrra~les die Gr6Be des Arbeitsmaximums mitbestimmt. Sehon 1928 hat Jaschwili 4 an einem Kroqhschen Fahrrad, das ffir Kurbelarbeit um- gebaut war, die Tr~,gheit des rotierenden Systems ver/~ndert und die Beziehungen zwischen der Tr/~gheit und dem Gesehwindigkeitsoptimum des Wirkungsgrades untersucht. Dieses war yon der Tr~gheit unabh/~ngig. Bei niedriger Gesehwindigkeit war eine grSl~ere, bei grotJer eine kleinere Tri~gheit ffir die 0konomie der Arbeitsleistung gfinstiger. Eine sehr viel bedeutendere Beeinflussung der ArbeitsSkonomie dureh die Tr~gheit konnte bei Arbeitsformen nachgewiesen werden, bei denen ~nderungen der Tr~gheit die Form der Kraft-Wegdiagramme der Arbeit eharakte- ristisch ver~nderten (E. A . Mi~ller 5, G. Lehmann ~). Hierbei war die tr/igheitsfreie Arbeitsform, bei der die Kraf t fiber die ganze L~nge d e s Arbeitsweges in konstanter Weise wirkte, sehr viel un6konomiseher als die tr/~gheitsbeeinflul3te Arbeitsform, die einen im Arbeitsbeginn grol3en, im Verlauf der Arbeit abnehmenden Krafteinsatz erforderte. Atzler ~ bat aus diesen ]~esultaten interessante tbeoretisebe Fo]gerungen gezogen. Leider haben diese Fragen seither keine weiterffihrende experimentelle Bearbeitung erfahren.

Eine Untersuchung der Tr~gheitswirkung auf das Arbeitsmaximum war daher theoretisch interessant, schien abet auch aus praktischen Grfinden wiinsehenswert. Die Fahrradversuehe sind fast ausschliel~lich an Fahrradergometern durchgeffihrt worden, feststehenden Systemen, bei denen im Gegensatz zur Fahr t auf der Strafe die Trggheit der Masse yon Rad ~- Fabrer keine Rolle spielt. ]:)as Trs des Vorder- rades f~llt bei diesen Ergometern weg, ws das Tr~gheitsmoment des tt interrades durch fehlende Bereifung, Bremsseheiben und andere Ver- s gegen die normale Gr6Be bald vermehrt, bald vermindert ist. Arbeitsmaxima, die an Fahrradergometern bestimmt worden sind, k6nnen

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~ffenbar nur dann ftir die VerhMtnisse der Landstrage giiltig sein, wenn Versehiebungen der Tr/~gheitsgrSl3e das Arbei tsmaximum praktiseh un- beeinflugt lassen.

In dieser Versuchsreihe wurde bei der optimalen Pedalumdrehungs- zahl (45 PU/min) das Arbei tsmaximum unter sehr versehiedenen Tr/~g- hei tsmomenten des Hinterrades bestimmt. Die Methode war die in den sehon zitierten Arbeiten ~-a beschriebene (normales Fahrrad auf Fahr- radlaufbahn bei konstant gehaltener Gesehwindigkeit). Das in den Ver- suchen verwendete Fahrrad hat te ein Obersetzungsverh/~ltnis von 2,2: 1. An der Hinterradfelge wtrrden Bleikr~nze verschraubt, die neben dem normalen Tri~gheitsmoment des bereiften Hinterrades TI~ zweigr6gere Trgg- hei tsmomente T~ und T~ erm6gliehten. Folgende Tr/~gheitsmomente (aus- gedriickt in CGS.-System) des Hinterrades (Tabelle 1) wurden untersucht:

Als Versuchsperson diente die sehon in einer friihe- Tabel le 1.

ten Arbeit 9 eingesetzte Vp. T(weiblich, 27 Jahre, 65kg Gewieht, 159 em GrSBe). T~ 2,0.10~

Die mit den verschiedenen T-Momenten bei den T~ I8,8 �9 10 ~ verschiedenen Leistungen erreichten inaximalen T.z 52,4. 10 a F~hrzeiten und Arbei tsmaxima sind in Tabelle 2 zusammengestellt .

Die maximale Fahrzeit und mit ihr das Arbei tsmaximum werden im Bereieh mittlerer Leistungen (12--15 mkg/see) selbst yon dem hohen Tr/~gheitsmoment T 2 nicht beeinfluSt. Die geringen Unterschiede fallen in die Fehler- Leistung grenzen. Bei k'urzfris- mkg/sec tigen H6ehstleistungen 12 mi t 20 und 23 mkg/see linden wir bei den grSf~eren Tr/~gheitsmo- 15 menten niedrigere Ar- beitsmaxim~.

B~prechung der Ergebnisse.

Beschleunige ich das F~hrrad Ms Ganzes,

Tabelle 2.

20

23

l~ fax imale Tz'~ 'hoi~ '~ F a h i ' z e i t n l o m o n t o 1 l~s

M:in.

Tlq 32 T x 33 Te 35 TN i1 T I II % 12 TN 2,8

1,9 1,9

T N 1,6 T x 1,5 T2 1,2

l~s t l e r e r F o h l e r

F = • %

3 1 1

0 2 4

2 4 0 3 5 5

l~[t~ximt~le G e s a m t a r b e i t

m k g �9 10 '

23 24 25 9,9 9,9

10,8 3,4 2,3 2,3 2,2 2,1 1,7

so habe ich die Tr/~gheit yon Fahrrad + Fahrer und die Tr/~gheits- momente der beiden RKder zu iiberwinden (Tr/~gheitsmomente yon Pedalen und Ket te sind zu vernachl/~ssigen). Die Tr/~gheit von Fahrrad + Fahrer ist gleich dem Gewieht beider Massen M. Das Tr/~gheits- moment T~r eines I~ades 1/~fit sich aus seiner Masse und deren Abstand yon der Achse bereehnen. Da bei gradliniger Besehleunigung b des

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438 E .A. Miiller:

Fahrrades um die Wegl/~nge seines Radumfanges 2 r ~ die Winkelbe- schleunigung m = 2 ~ wird, gilt

co = b / r .

Eine Kraft , die also das Fahrrad gradlinig um b beschleunigt, wird die R/ider um die Winkelbesehleunigung b/r besehleunigen. Die fiir eine Be- sehleunigung b von Fahrrad -~- Fahrer auf der StraBe erforderliehe Kraf t P muB sein:

P M ' b + 2 T N b - - b ( M + ~ - ) r - - - - - "

P ist eine auf Fahrrad ~ Fahrer in der Tretr ichtung wirkende Kraf t (und

zu besehleunigen hat. Fiir unser Versuehsrad und unsere Vp. sind M ~ 82 000 g, r = 35 era. Aus Tabelle 1 entnehmen wir T~ und erreehnen aufgerundet

2 T~ _-- 200 kg. M + r

Es ist deutlich, dab der kleinere Teil der Tr/i,gheit (2/5) des auf der Strat3e zu besehleunigenden besetzten Fahrrades du.reh das Gewieht yon Fahr- tad + Fahrer, der gr6gere Tell (a/5) dutch die Tr~gheitsmomente beider R~der bedingt ist.

Bei unserem Fahrradergometer rotiert nur das Hinterrad. Reehnen ~ die Tr/~gheitsmomente T~,, T, und T 2 auf die entspreehenden M.assen urn, die eine ~uf das Fahrrad in der Fahrtr iehtung wirkende Kraft zu besehleunigen h/itte, so erhalten wir Tabelle 3.

Tabelle 3. Masse

boi g o r a d l t n i g e r B e s c h l e u n i g u n g

in k g

200 Normalrad + Fahrer auf der Sir&Be . . . . . . . . . . . . Eigenes Fahrradergomet~r mit Triigheitsmomen~ TN (normales

bereiftes Hinterrad) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eigenes Fahrradergometer mit Tr/igheitsmoment T~ . . . . . Eigenes Fahrradergometer mit Triigheitsmomen~ T, . . . . . Kroghsches Fahrrad (Normalausfiihrung) . . . . . . . . . .

60 540

1500 200

Die normalerweise auf der StraBe zu iiberwindende Tr/~gheit liegt also zwisehen der in dieser Arbeit untersuchten kleinsten und mittleren Tr/~g- heir. Wir k6nnen aus unseren Ergebnissen folgern, dab man bei den mittleren Leistungen bei optimalem Tempo die Laboratoriumsergebnisse ohne Riieksicht auf die Tri~gheit auf die Verh/~ltnisse des Stragenfahrens iibertragen daft. Bei kurzdauernden H6chsfleistungen ist dagegen eine m6glichst straBen/~hnliehe Gesamttr/~gheit des Ergometers anzustreben und dutch entsprechende Beschwerung des Hinterrades leicht zu erzielen. Des Kroghsehe Fahrrad in Normalausfiihrung besitzt die riehtige Tri~gheit.

Man kann fragen: warum linden wir in diesen Versuehen wie aueh in denen yon Jaschwili 4 keinen EinfluB der Tr/~gheit in einem weiten

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Bereieh, warum dagegen einen EinfluB in den zitierten Arbeiten von Miiller ~ und yon Leh~nann 6 ? Die Tri~gheit ist offenbar nur dann ein giinstiger Faktor fiir den ca Wirkungsgrad, wenn be/ jeder einzelnen Kontrakt ion der An~angsteil nahezu isome- trisch erfolgen kann. Beim ~ ~ Kurbeln und Radfahren ist ~ -" das gerade nicht der Fall. ~ Bei optimalem Tempo ist .,- ~.~ die lebendige Energie sogroB, ~ die Gesehwindigkeit daher so ~ "~ stetig, dab dem Muskel eben- falls eine stetige Kontrak- tionsgeschwindigkeit aufge- zwungen wird. Die mi t einem Dynamographen auf-

~ o 90 I PedoloDen Pedal~fellunff

Abb. 1. 40 Pcdalumdrehungen in der ~{inute. genommenen Kurven haben daher in Abb. 9 der Arbeit von Atzler, Herbst, Lehmann und Miiller s wie auch in eigenen Aufnahmen beim Radfahren (unsere Abb. 1) nicht den giinstigstenVerlauf, der sieh ftir 13 mkg/sec etwa dureh die punktierte Linie ergeben ~viirde.

Zusammen/assung. ])as in einmaliger nicht unterbrochener Radfahrarbeit erreichbare

Arbei tsmaximum wurde bei 3 verschiedenen Tr/~gheitsmomenten des Hinterrades unter verschiedenen Leistungen und konstanter Zahl der Pedalumdrehungen an einer Versuehsperson un~ersueht. Das Arbeits- max imum ist bei Leistungen zwischen 12 und 15 mkg/sec nicht wesentlich dureh die Tr/~ghei~ beeinflul3t. Bei gr613eren Leistungen (20 und 23 mkg- sec) wird es dureh sehr grol~e Tr/~gheiten herabgesetzfl.

Die normale Tr/igheit beim Radfahren. auf der Stral~e ist etwa zur H~Ifte durch die Masse yon Fahrrad -4- Fahrer und zu je 1/4 durch die Tr/~gheitsmomente der beiden 1-r bedingt. Bei Fahrradergometern, die mit einer Bremsung des I-Iinterrades arbeiten oder das Hintarrad auf einer Tretbahn lau/en lassen, ist durch Beschwerung des Hinter- fades die Norma/fx/~gheit herzustellen. Beim Kroghschen Fahrrad in Normalausfiihrung entsprieht die Tr/~gheit der, die der Frrhrer auf der StraBe zu iiberwinden hat.

Literaturverzeichnis. 1 Gro~se-Lordemann u. E. A. MiZller: Arb.physiol. 9, 454 (1936). - - 2 Mi211er, E. A.

u. Grosae-Lordemann: Arb. physiol. 9, 619 (1937). - - a MiZller, E . A . : Arb.physiol. 10, 1 (1938). - - 4 Jaschwili: Arb.physiol. 1, 198 (1928). - - 5 Maller, g. A.: Arb.physiol. ~1, 477 (1930). - - 6 Lehmann, G.: Arb.physiol. 4, 71 (1931). - - I AtzZer, E.: Jber. Physiol. 1928. - - s Atzler, Herbst, Lehmann u. Mi~ller: Pfliigers Arch. 208, 184 (1925). - - 0 M41ler, E. A.: Arb.physiol. 1O, 67 (1938).