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Arch. exper. Path. u. Pharmakol., Bd. 222, S, 408--412 (1954). Aus dem Pharmakologisehen Institut der Johannes-Gutenberg-Universitat Mainz (Direktor: Prof. Dr. G. KUSCItINSKY). Der Einflull yon BAL und Methionin auf die Sehilddriisenhyperplasie naeh ehroniseher Gabe yon Methylthiouraeil. Von W. F~RSTER und E, MUSCHOLL. ]Kit 3 Textabbildungen. (Eingegangen am 25. Januar 1954.) Wie in der voranstehenden Arbeit (F6RsTE]~ u. I~USCHOLL) mitgeteflt wurde, konnte bei Ratten die Steigerung der Schilddriisengewichte bei Behandlung mit 4-Methyl-2-thiouracil (MTU) durch Zugabe von Y[ethionin oder BAL gehemmt werden. Die Stoffwechselsenkung war bei den zusi~tz- lich behandelten Tieren ebenso grog wie bei alleiniger Verabreichung yon N[TU. Da Cystin keine Verminderung der Hyperplasie oder histologischen Aktivit~t der Schflddrtise verursaehte, schlossen wires von einer erneuten Priifung aus. Dagegen erschien eine weitere Untersuchung yon BAL und Methionin hinsichtlich einer ,,Schutzwirkung" aueh bei chronischer Verabreichung yon MTU lohnend. Um das Wirkungsverh~ltnis zu ver- bessern, verdoppelten wir die BAL-Dosis und reduzierten die N[TU- Dosis auf 1/4 der im kurzfristigen Experiment benutzten Menge I. Methodik. Der Versuch wurde yon Januar bis M~rz 1951 untemommen. Zur Unter- suchungsmethodik siehe die vorangegangene Mitteilung. Um ftir die statistisehe Auswertung der Untersehiede im Sehflddriisengewieht eine grfl]ere Anzahl yon Organen zur Verfiigung zu haben, steigerten wit die Zahl der Tiere pro Gruppe fiber die 7 Ratten hinaus, die gleiehzeitig in der Stoffwechsel- apparatur untersucht werden k6nnen. Alle fortlaufend numerierten Ratten wurden in Gruppen" zu je 18 Tieren eingeteflt und erhielten gruppenweise folgende Sub- stanzen: peroral 0,9% NaC1-LSsung, 25 mg/kg MTU (,,Herbrand")2; 3 g/kg dl- NIethionin ,,Homburg ''2 und intramuskul/ir 30 mg/kg BAL (2,3-Dithiopropanol) ,,Sulfactin Homburg ''2. Ffir jede Stoffwechselbestimmung wurden aus jeder Gruppe 6 Tiere mit Hilfe einer Zufallstafel ausgew/i~hlt. Dadurch wird eine vom Untersueher unbeeinfluBbare (unbiased) Stichprobe gewonnen. Da sieh die Zusam- mensetzung der Gruppen yon einer Stoffweehselbestimmung zur anderen stets ~ndert und jedes Tier die gleiehe Wahrseheinlichkeit hat, zur Untersuehung zu ge- langen, kSnnen die aus den Stiehproben erhaltenen Stoffweehselwerte doeh als re- pr~sentativ ffir die Gesamtheit gelten, obwohl nur ein Tell des Tiermaterials an jedem Tag untersucht wurde. Diese aus der Statistik iibernommene Methode hat 1 Ausfiihrliehe Darstellung der Versuchsergebnisse siehe MUSCHOLL. Die Substanzen wurden uns freundlicherweise yon den Firmen zur Verffigung gestellt.

Der Einfluß von BAL und Methionin auf die Schilddrüsenhyperplasie nach chronischer Gabe von Methylthiouracil

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Arch. exper. Path. u. Pharmakol., Bd. 222, S, 408--412 (1954).

Aus dem Pharmakologisehen Institut der Johannes-Gutenberg-Universitat Mainz (Direktor: Prof. Dr. G. KUSCItINSKY).

Der Einflull yon BAL und Methionin auf die Sehilddriisenhyperplasie naeh ehroniseher Gabe yon

Methylthiouraeil. Von

W. F~RSTER und E, MUSCHOLL.

]Kit 3 Textabbildungen.

(Eingegangen am 25. Januar 1954.)

Wie in der v o r a n s t e h e n d e n Arbe i t (F6RsTE]~ u. I~USCHOLL) mitge tef l t wurde, konn te bei R a t t e n die S te igerung der Schi lddr i i sengewichte bei Behand lung mi t 4-Methyl -2- th iourac i l (MTU) durch Zugabe von Y[ethionin oder B A L gehemmt werden. Die Stoffwechselsenkung war bei den zusi~tz- l ich behande l t en Tieren ebenso grog wie bei a l le iniger Verabre ichung yon N[TU. Da Cyst in keine Verminde rung der H y p e r p l a s i e oder his tologischen A k t i v i t ~ t der Schflddrt ise verursaehte , schlossen w i r e s von einer e rneu ten Pr i i fung aus. Dagegen erschien eine wei tere Un te r suchung yon B A L und Meth ionin hins icht l ich einer , ,Schu tzwi rkung" aueh bei chronischer Verabre ichung yon MTU lohnend. U m das Wi rkungsve rh~ l tn i s zu ver- bessern, ve rdoppe l t en wir die BAL-Dosis und r eduz ie r t en die N[TU- Dosis au f 1/4 der im kurzf r i s t igen E x p e r i m e n t b e n u t z t e n Menge I.

Methodik. Der Versuch wurde yon Januar bis M~rz 1951 untemommen. Zur Unter-

suchungsmethodik siehe die vorangegangene Mitteilung. Um ftir die statistisehe Auswertung der Untersehiede im Sehflddriisengewieht

eine grfl]ere Anzahl yon Organen zur Verfiigung zu haben, steigerten wit die Zahl der Tiere pro Gruppe fiber die 7 Ratten hinaus, die gleiehzeitig in der Stoffwechsel- apparatur untersucht werden k6nnen. Alle fortlaufend numerierten Ratten wurden in Gruppen" zu je 18 Tieren eingeteflt und erhielten gruppenweise folgende Sub- stanzen: peroral 0,9% NaC1-LSsung, 25 mg/kg MTU (,,Herbrand")2; 3 g/kg dl- NIethionin ,,Homburg ''2 und intramuskul/ir 30 mg/kg BAL (2,3-Dithiopropanol) ,,Sulfactin Homburg ''2. Ffir jede Stoffwechselbestimmung wurden aus jeder Gruppe 6 Tiere mit Hilfe einer Zufallstafel ausgew/i~hlt. Dadurch wird eine vom Untersueher unbeeinfluBbare (unbiased) Stichprobe gewonnen. Da sieh die Zusam- mensetzung der Gruppen yon einer Stoffweehselbestimmung zur anderen stets ~ndert und jedes Tier die gleiehe Wahrseheinlichkeit hat, zur Untersuehung zu ge- langen, kSnnen die aus den Stiehproben erhaltenen Stoffweehselwerte doeh als re- pr~sentativ ffir die Gesamtheit gelten, obwohl nur ein Tell des Tiermaterials an jedem Tag untersucht wurde. Diese aus der Statistik iibernommene Methode hat

1 Ausfiihrliehe Darstellung der Versuchsergebnisse siehe MUSCHOLL. Die Substanzen wurden uns freundlicherweise yon den Firmen zur Verffigung

gestellt.

Der Einf luB yon B A L u n d Me th ion in auf die Sch i lddr i i senhyperp las i e . 4 0 9

den Vorte i l , m i t e inem M i n i m u m an A r b e i t s a u f w a n d se lbs t groBe K o l l e k t i v e m i t aus r e i chende r s t a t i s t i s c h e r G e n a u i g k e i t s toffwechselm~Big d u r c h u n t e r s u c h e n zu

kSnnen.

¥ersuehsergebnisse. Die 43 Tage mit 3 g/kg Methionin behandelte Gruppe wies eine signi-

fikante Stoffwechselsteigerung (P < 0,001) auf (Abb. 1). Gewicht und histologisches Bild der Schilddriise waren im Vergleich zu den mit NaC1- L6sung behandelten Tieren nicht wesentlich ver~ndert. Dagegen ver- ursachte BAL (30 mg/kg) in der gleichen Zeit bei nicht signifi- kanter (P > 0,2) Stoffwechselerh5hung eine deutliche Aktivierung (Tab. 1), jedoch keine Gewichtssteigerung der Schilddriise (P > 0,2).

Tabe l l e 1. Durchschnittllchea Gewicht und histologische8 Bild der Schilddri~sen der Kontrollgruppen.

Behandlung Sehilddriisengewieht Epithelh6he der Vorkommen kolloid- in rag/100 g Sehilddriisen reicher Follikel in %

0,9% ige N a C 1 - L 6 s u n g . . .

B A L . . . . . . . . . .

Me th ion in . . . . . . . .

5,56

5,7

6,3

flaoh

kub i s ch

flach bis kub .

98

24

88

Um die Stoffwechselwerte der mit MTU sowie der zus~tzlich mit BAL oder Methionin behaadelten Gruppen durch Regressioaslinien wieder- geben zu kSnnen, muBten diese jewefls in 2 Abschnitte zerlegt werden, die den 2 verschiedenen Phasen des Stoffwechselverhaltens entsprechen (Abb. 2 und 3).

3#0

yoo l 2,9C

1~ 2,s2

I 2,,88 700H 28~

.~thionin

r i L i i I

o,~ 0,8 1,2 log Tage/,8 r I ,! to 20 Tage ~O

!

l ~.- iviTU + BA L

Methionin

O,q 0,8 /,Zlog Tage ,/a"

2o Tage a#

-NaCt . . . . . . . . . . . . .

M TU + Pl#h/on/n~

0,@ g,8 7,2 log Taft e/,# ~0 l l 20 Tage gO

Abb. 1 Abb. 2 Abb. 3

Abb. 1. Stoffwechselregressionslinien der Kontrollgruppen. Ordinate: Cal/m~/24 Std, Abszisse: Behandlungstage, beides in logarithmischer Auftragung.

Abb. 2. Stoffwechselregressionslinien der mit MTU und zus~tzlich mit BAL nnd Methionin be- handelten Gruppen: Erste Wirkungsphase. Ordinate: Cal/mZ/24 Std, Abszisse: Behandlungstage,

beides in logarithmischer Auftragung. Abb. 8. Stoffweehselregressionslinien der mit MTU und zus~itzlieh mit BAL und ~[ethionin be- handelten Gruppen: Zweite Wirkungsphase. Ordinate: Cal/m~/24 Std, Abszisse: Behandlungstage,

beides in logarithmischer Auftragung.

Arch. exper. Path. u. Pharmakol., Bd. 222. 27

410 W. F6RSTER und E. MUSOHOLL:

Bis zum 13. Versuchstag verursachte 3ITU (25 mg/kg) noch keine Stoffwechselsenkung (P > 0,2, Abb. 2). Dana erfolgte aber in der zwei- ten Wirkungsphase ein signifikanter (P <0,001) Stoffwechselabfall (Abb. 3). Auch bei ~ T U ~- BAL-Behandlung war in der ersten Phase bis zum 10. Tag kein Unterschied zu der Stoffwechselh6he der Kontroll- gruppe nachzuweisen (P > 0,2), w~hrend die anschlieBende Stoffwechsel- senkung statistisch gesichert ist (P <~ 0,001). Ein ganz anderes Bild zeigte die MTU -+- 3Iethionin-behandelte Gruppe: Ein anf~nglicher stei- ler Abfall der Stoffwechselwerte erreichte am 11. Tag seinen Tiefstan(i (Abb. 2), um dann in einen kontinuierlichen Anstieg (Abb. 3) fiber- zugehen. Am Ende des Versuches liegen die Stoffwechselwerte in der gleichen H6he wie die der Kontrollgruppe. Die Schilddrfisengewichte tier Tiere, denen zus~tzlich BAL oder Methionin verabreicht wurden, waren im Vergleich zur MTU-behandelten Gruppe erh6ht (Tab. 2), wobei die Verdoppelung des Schilddrtisengewichtes durch die Methioninzugabe im Zusammenhaag mit der aufgehobenen Stoffwechselsenkung besonders auffi~llig war. Auch die histologische Aktivierung der Schilddriise wurde durch BAL- und Methioninzugabe zu MTU gesteigert {Tab. 2).

Tabelle 2. Durchschnittliche8 Gewicht und Epithelh6he der Schilddri~sen bei MTU- und zusdtzlicher Behandlung mit BAL und Methionin.

Behandlung Schilddrtisengewicht EpithelhShe der in mg/100 g Schilddriisen

MTU . . . . . . . . . . . . . .

MTU + BAL . . . . . . . . . . .

MTU + Methionin . . . . . . . .

14,9

19,7

27,8

kubisch

zylindrisch

zylindrisch

Besprechung der Versuchsergebnisse.

Das Stoffwechselverhalten und die Ver~nderungen an den Schild- driisen durch Behandlung mit BAL und Methionin entsprachen auch in dieser langfristigen Versuchsreihe ganz den friiher mitgeteilten Befun- den. Die I~tenzzeit bis zum Auftreten der Stoffwechselsenkung durch MTU (13 Tage) war wohl wegen der geringen Dosis verh~ltnism~Big lang. Sie wurde aber auch in diesem Versuch durch Zugabe yon BAL oder l~[ethionin verkiirzt. Dagegen war die in dem 16t~gigen Versuch vorhandene ,,Schutzwirkung" yon BAL und Methionin auf den , ,~TU- Kropf" nicht nachweisbar. Der etwas starker und regelm~13iger auf- tretenden Stoffwechselsenkung durch MTU Jr BAL (Abb. 3) entsprach ein etwas gr61~eres Schflddriisengewicht. ttierbei wurde wohl BAL in einer sonst unterschwelligen Dosis antithyreoidal wirksam, so dab sich

Der Einflul3 von BAL und Methionhl auf die Schilddriisenhyperplasie. 411

dieser Effekt zu dem von MTU addierte. Ob die verschiedenen Ergebnisse, besonders die Wirkung v0n MTU + Methionin, gegeniiber der 16t~gigen Versuchsreihe allein au f die verschiedene Behandlungsdauer oder zum Teil auch au f das ver~nderte Dosenverh~ltnis zuriickzufiihren sind, l~Bt sich nicht mit Sicherheit entscheiden.

Die so schnell vorfibergehende , ,Schutzwirkung" au f den ,,MTU- K r o p f " durch B A L und Methionin macht einen Angriff am hypophysi i ren Regulat ionssystem wahrscheinlich.

Die Steigerung des Schilddriisengewichtes w~hrend der MTU-Behandlung er- kl~tren ItttsI~o u. LOESER durch das Fehlen antithyreotroper Wirkstoffe im Blur gegen das vonder eigenen Hypophyse vermehrt abgegebene thyreotrope Hormon. EITEL U. LOESER konn%en n~mlich zeigen, dab normalerweise im Blute des Menschen und verschiedener Tiere ein antithyreoidaler Schutzstoff vorhanden ist. Werden Meerschweinchen z. B. 6 Tage mi¢ Hammelserum behandelt, so bleibt die Wirkung zugeftihrten thyreotropen Hormons auf die Schilddriise aus. Durch l~ngere Vor- behandlung der Spendertiere mit thyreotropem Hormon wird der Wirkungsgrad dieses Schutzstoffes erh6ht. Obertr~gt man dagegen das Blut von Ratten, die 160 Tage lang MTU erhielten (HttsI~o u. LOES~R), so zeigt deren Blur keinerlei Schutzeffekte gegen das den Testtieren zugefiihrte thyreotrope tIormon.

Wahrend HiiSINO u. LOES~,R also nachwiesen, dab trotz MTU-Behandlung die Schilddriise gegen das vonder eigenen Hypophyse ausgeschiittete thyreotrope ttor- mon nicht unempfindlich wird, konnten ALBV, RT et al. in vivo und in vitro zeigen, dab unter der Behandlung mit verschiedenen Thyreostatica sogar eine Sensibili- sierung der Schilddriise fiir thyreotropes Hormon eintritt. Somit besteht die M6g- lichkeit, dal~ die Hyperplasie der Schilddriise wahrend der MTU-Behandlung nicht nur durch vermehrte Ausschiittung, sondern auch durch gesteigerte Wirkung des thyreotropen Hormons hervorgerufen wird.

Zusammenfassung. Bei 45tggiger Verabreichung wurde an Ra t t en der EinfluB von B A L

(30 mg/kg) und Methionin (3 g/kg) au f die durch Methylthiouracfl (MTU, 25 mg/kg) verursachten Stoffwechsel-, Schilddrtisengewichts- und -aktivit~ts~nderungen untersucht . Die Ergebnisse sind statistisch gesichert.

1. B A L und Methionin verkiirzten die I~ tenzze i t bis zum Ein%reten der Stoffwechselsenkung durch MTU.

2. Die Stoffwechselsenkung durch MTU wurde durch BAL-Zugabe nicht ver~ndert ; Zugabe von Methionin verursachte nach anfanglichem Absinken einen Anstieg des Stoffwechsels bis au f die Wer te der un- behandel ten Kontrollen.

3. Die Zugabe von B A L oder Methionin zu MTU rief eine Steigerung der SchilddriisenepithelhShe hervor. Methioninzugabe fiihrte zur Ver- doppelung des Schilddriisengewichtes gegeniiber alleiniger MTU-Be- handlung.

27*

412 W. FORSTER und E. MUSCHOLL: Der Einflul~ yon BAL und Methionin.

'4. Die Ergebnisse weisen Unterschiede gegeniiber denen einer kurz- fristigen Versuchsreihe au f (siehe vorangegangene Mitteilung). MSgliche Ursachen hierffir werden diskutiert .

Literatur.

ALBERT, A., R. W. RAWSO~, P. MERRILL, B. LENNON U. C. B. :EIDDELL: Endo- crinology 40, 303, 361 (1947). - - EITEL, H., u. A. LOESER: Klin. Wschr. 1984, 1677. --FSRSTER, W., U. E. MUSCHOLL: Arch. exper. Path. u. Pharmakol. 222, 388 (1954). - - I{~sI~G, E., u. A. LOESER: Klin. Wschr. 1949,394. - - M U S C H O L L , E.: Inaug.- Diss. Mainz 1952.

Dr. W. F~RSTER. Ludwigshafen/Rh., Ebertstr. 1. Dr. E. MUSCHOLL, Pharmakolog. Institut der Universit~tt Mainz.