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Jeffrey Michael Featherstone Der Große Palast von Konstantinopel: Tradition oder Erfindung? Abstract: The Great Palace of Constantinople lies buried under the modern city of Istanbul. On the basis of the tenth-century text De Cerimoniis many reconstruc- tions of the Palace and the ceremonial enacted in it have been proposed. Re- examination of this and other texts reveals the Palace not as a continuous tradition from Late Antiquity, but an instrument of ideological manipulation of the Mac- edonian dynasty. Adresse: Dr. Jeffrey Michael Featherstone, Centre de recherches historiques-CNRS/EHESS, 190 198 avenue de France, F-75013 Paris; Institut für Altertumswissenschaften und byzantinische Welt, rue Pierre Aeby 16, CH-1700 Fribourg; [email protected] Die römische kaiserliche Palastkultur beginnt mit Ritualen, die sich um das Haus des Augustus auf dem Palatin entwickelten. Ursprünglich unterschied sich die kaiserliche Residenz kaum von einer patrizischen domus, im Laufe der Zeit aber wurde die Öffentlichkeit zunehmend von ihr fern gehalten. Aber während das Palatium, der Palast wie die Residenz jetzt genannt wurde sich immer weiter der Bevölkerung entzog, wurde der benachbarte Circus Maximus zu einem inte- gralen Bestandteil der kaiserlichen Zeremonien. Der Circus Maximus diente als Begegnungsort zwischen Palast und Stadt, wo die Kaiser vor ihr Volk traten und ihre Machtpräzenz sichtbar zeigten. Die Anordnung des Zirkus bzw. Hippodroms neben dem Palast wurde zum Standard, insbesondere in der Zeit der Tetrarchie. Und Konstantin der Große folgte dem gleichen Modell in seiner neuen Stadt am Bosporus, in christlicher Umgestaltung. Die göttlichen Attribute des heidnischen spätantiken kaiserlichen Amtes wurden umgedeutet, der Kaiser galt nun als Stellvertreter Gottes. Der Palast und alles in ihm war heilig. Eine literarische Quelle Dieser Text wurde am 22. März 2012 im Deutschen Archäologischen Institut zu Istanbul vorgetragen. Eine frühere Version wurde am 23. Juni 2010 am II. Sevgi Gönül Symposium im Istanbuler Archäologischen Museum unter dem Titel De Cerimoniis: the revival of antiquity in the Great Palace and the Macedonian Renaissancevorgetragen. Vielen Dank an den anonymen Gutachtern der BZ für ihre Vorschläge; ferner auch an Ruth Albrecht, Albrecht Berger, Vera v. Falkenhausen, Alexander Herda, Hansgerd Hellenkemper, Otto Kresten und Cyril Mango für ihre Bemerkungen. DOI 10.1515/bz-2013-0004 BZ 2013; 106(1): 1938 Brought to you by | New York University Authenticated | 216.165.126.139 Download Date | 9/11/13 4:15 AM

Der Große Palast von Konstantinopel: Tradition oder Erfindung?

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  • Jeffrey Michael Featherstone

    Der Groe Palast von Konstantinopel:Tradition oder Erfindung?Abstract:The Great Palace of Constantinople lies buried under the modern city ofIstanbul. On the basis of the tenth-century text De Cerimoniis many reconstruc-tions of the Palace and the ceremonial enacted in it have been proposed. Re-examination of this and other texts reveals the Palace not as a continuous traditionfrom Late Antiquity, but an instrument of ideological manipulation of the Mac-edonian dynasty.

    Adresse: Dr. Jeffrey Michael Featherstone, Centre de recherches historiques-CNRS/EHESS,190198 avenue de France, F-75013 Paris; Institut fr Altertumswissenschaften undbyzantinische Welt, rue Pierre Aeby 16, CH-1700 Fribourg; [email protected]

    Die rmische kaiserliche Palastkultur beginnt mit Ritualen, die sich um das Hausdes Augustus auf dem Palatin entwickelten. Ursprnglich unterschied sich diekaiserliche Residenz kaum von einer patrizischen domus, im Laufe der Zeit aberwurde die ffentlichkeit zunehmend von ihr fern gehalten. Aber whrend dasPalatium, der Palast wie die Residenz jetzt genannt wurde sich immer weiterder Bevlkerung entzog, wurde der benachbarte Circus Maximus zu einem inte-gralen Bestandteil der kaiserlichen Zeremonien. Der Circus Maximus diente alsBegegnungsort zwischen Palast und Stadt, wo die Kaiser vor ihr Volk traten undihre Machtprzenz sichtbar zeigten. Die Anordnung des Zirkus bzw. Hippodromsneben dem Palast wurde zum Standard, insbesondere in der Zeit der Tetrarchie.Und Konstantin der Groe folgte dem gleichen Modell in seiner neuen Stadt amBosporus, in christlicher Umgestaltung. Die gttlichen Attribute des heidnischensptantiken kaiserlichen Amtes wurden umgedeutet, der Kaiser galt nun alsStellvertreter Gottes. Der Palast und alles in ihmwar heilig. Eine literarische Quelle

    Dieser Text wurde am 22. Mrz 2012 im Deutschen Archologischen Institut zu Istanbulvorgetragen. Eine frhere Version wurde am 23. Juni 2010 am II. Sevgi Gnl Symposium imIstanbuler Archologischen Museum unter dem Titel De Cerimoniis: the revival of antiquity in theGreat Palace and the Macedonian Renaissance vorgetragen. Vielen Dank an den anonymenGutachtern der BZ fr ihre Vorschlge; ferner auch an Ruth Albrecht, Albrecht Berger, Vera v.Falkenhausen, Alexander Herda, Hansgerd Hellenkemper, Otto Kresten und Cyril Mango fr ihreBemerkungen.

    DOI 10.1515/bz-2013-0004 BZ 2013; 106(1): 1938

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  • interpretiert diese Idee in der Weise, dass durch die Zeremonien, die im Palaststattfanden, die Verhltnisse im Himmel nachgeahmt wrden.

    Die Entwicklung der Residenz auf dem Palatin in Rom ist anhand literarischerQuellen und umfangreicher archologischer Ausgrabungen erforscht worden. ImGegensatz dazu liegen die Fundamente des Groen Kaiserpalastes von Konstan-tinopel fast unzugnglich unter dem modernen Stadtviertel Sultanahmet. Dies istgut auf den Aufnahmen zu erkennen, die nach dem Stadtbrand des Jahres 1911gemacht wurden, als die meisten der bis heute bekannten Ruinen darunter diesogenannten Palast-Mosaiken zum ersten Mal entdeckt wurden. Auerdemwurde vor wenigen Jahren das Prachttor des ursprnglichen Palastes, das Chalke-Tor, bei den Ausgrabungen sdwestlich der Hagia Sophia an der Stelle des ehe-maligen Gefngnisses des osmanischen Justizministeriums gefunden genau

    1 Zu sptantiken aristokratischen Husern und Palsten, s. I. Uytterhoeven, Housing in lateantiquity: thematic perspectives, in L. Lavan et al. (eds.), Housing in late antiquity. Leiden 2007,bes. 2738. Zur Entwicklung des rmischen Kaiserhofes s. A. Winterling, Aula Caesaris. Stu-dien zur Institutionalisierung des rmischen Kaiserhofs in der Zeit von Augustus bis Commodus.Mnchen 1999; A.Wallace-Hadrill, The Roman court: seen and unseen in the performance ofpower, in J. Duindan / T. Artan / M. Kunt (eds.), Royal courts and dynastic states and empires. Aglobal perspective. Rulers and Elites, 1. Leiden 2011, 91102. Zum Hippodrom s. zuletzt: Hip-podrom/Atmeydan. A stage for Istanbuls History. Istanbul 2010 (Katalog der Ausstellung imPera-Museum Istanbul); G. Dagron, LHippodrome de Constantinople. Jeux, peuple et politique.Paris 2011; Averil Cameron, Flavius Cresconius Corippus: In laudem Iustini Augusti minoris.London 1976, III 17980. Zum sakralen Charakter des Zeremoniells s. O. Treitinger, Die ost-rmische Kaiser- und Reichsidee nach ihrer Gestaltung im hfischen Zeremoniell, Jena 1938(Ndr. Darmstadt 1956), 49f. (immer noch die beste Untersuchung des byzantinischen Zeremo-niells).2 Zur Entwicklung des Palastes am Palatin siehe P. Zanker, Domitians Palace on the Palatineand the imperial image, in A. Bowman et al. (eds.), Representations of empire. Rome and theMediterranean world. Proceedings of the British Academy, 114. Oxford 2002, 105 130; A. Hoff-mann / U.Wulf (Hg.), Die Kaiserpalste auf dem Palatin: Das Zentrum der rmischen Welt undseine Bauten. Mainz 2004, bes. 1947; U. Wulf-Rheidt, Die Kaiserpalste auf dem Palatin inRom: Neue deutsche Forschungen. Berlin 2007, bes. 173 176.3 S. z.B. die Luftbilder vom Jahr 1916 in E. Mamboury / Th. Wiegand, Die Kaiserpalste vonKonstantinopel zwischen Hippodrom und Maramarameer. Berlin/Leipzig 1934, Taf. II. Zu denAusgrabungen des Mosaikenareals s. G. Brett / G. Martiny / R.B.K. Stevenson, The GreatPalace of the Byzantine emperors. First report on the excavations carried out in Istanbul onbehalf of the Walker Trust. Oxford/London 1947; D. Talbot Rice, The Great Palace of the By-zantine emperors. Second report. Edinburgh, 1958;W. Jobst / H.Vetters, Mosaikenforschung imKaiserpalast von Konstantinopel. AW, philol.-hist. Kl., Denkschriften, 228.Wien 1992; W. Jobst /R. Kastler / V. Scheibelreiter, Neue Forschungen und Restaurierungen im byzantinischenKaiserpalast von Istanbul. Wien 1999.

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  • dort, wo Cyril Mango es vermutet hatte. Aber fr die weiteren Teile des Palastessind wir noch fast ausschlielich auf die schriftlichen Quellen angewiesen.

    Die wichtigste Quelle ist das sogenannte Buch De Cerimoniis oder Zeremo-nienbuch. Ursprnglich von Kaiser Konstantin VII. im zehnten Jahrhundert inAuftrag gegeben, berliefert es oft wesentlich ltere Inhalte, unter ihnen auchAuszge aus den Werken des magister officiorum Petros Patrikios aus demsechsten Jahrhundert und des Bankettmeisters Philotheos aus dem sptenneunten Jahrhundert. Auf der Basis des Zeremonienbuches und anderen Quellensind viele Rekonstruktionen des groen Palastes vorgeschlagen worden, zuletztonline von Tayfun ner. Letztere ist auf den ersten Blick sehr schn, aber obwohldie Quellen es uns ungefhr ermglichen das Palastgebiet zu identifizieren,bleiben die Lage und das Aussehen der einzelnen Gebude ein Rtsel.

    Abb. 1 zeigt das Gebiet von Sultanahmet mit dem ursprnglichen Palast undmit Vorschlgen fr die mglichen Standorte einiger Baukomplexe. Unter denwichtigsten war das eben erwhnte Chalke-Tor, der majesttische Haupteingang,dessen vordere Nischen gefunden worden sind. Als nchstes, verbunden mit demPalast, knnen wir das Kathisma anfhren, die kaiserliche Loge am Hippodrom.Im Inneren des Palastes lag das Konsistorion, die kaiserliche Audienzhalle, of-fensichtlich eine Basilika mit einem erhhten Thron vor einer Schmalseite. DerSpeisesaal des Palastes hie Dekaennea Akkubita, also die Neunzehn Liegen;gemeint waren Liegen in antiker Tradition fr den Kaiser und seine Gste. Denkbarsind achtzehn Nischen beiderseits der Langseiten vor der Hauptapsis am Kopf-ende, hnlich wie in der ausgegrabenen Halle neben dem Lausos-Palast des

    4 Aufnahme der Augrabungen in: Gn Ida. stanbulun 8000 yl. Istanbul 2007 (Katalog derAusstellung im Archologischen Museum Istanbul), 135; Ausgrabungsbericht: . Girgin, LaPorte Monumentale trouve dans les fouilles pres de lancienne prison de Sultanahmet. AnatoliaAntiqua 16 (2008) 259290; vgl. C. Mango, The Brazen House. Copenhagen 1959, 97 159.5 Constantini Porphyrogeniti imperatoris de cerimoniis aulae byzantinae, ed. J. J. Reiske, I.Bonn 1829 (im Folgenden: De Cerimoniis ed. Reiske); A. Vogt, Le Livre des Crmonies III.Paris 1935 1939 (im Folgenden: De Cerimoniis ed.Vogt); Petros Patrikios, in: De Cerimoniis ed.Reiske, 386,24433,9; Philotheos: N. Oikonomids, Les Listes de prsance byzantines des IXeet Xe sicles. Paris 1972 (im Folgenden: Philotheos), 81235. Zum De Cerimoniis s. J.M. Fea-therstone / J. Gruskov / O. Kresten, Studien zu den Palimpsestenfragmenten des soge-nannten Zeremonienbuchs. I. Prolegomena. BZ 98 (2005) 423430 (mit frherer Bibliographie).6 Unter www.byzantium1200.com.7 Nach W. Mller-Wiener, Bildlexikon zur Topographie Istanbuls. Byzantion, Konstantinou-polis, Istanbul bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts. Tbingen 1977, 177.8 Zum Kathisma s. J. Bardill, The architecture and archeology of the Hippodrome in Con-stantinople, in: Hippodrom/Atmeydan (wie oben Funote 1) 140 145.

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  • fnften Jahrhunderts nrdlich vom Hippodrom. Ferner knnen wir auch dasCubiculum (griechisch Koiton) nennen, die Privatwohnung des Kaisers; sie schlosssich an einem weitlufigen Hof an, der im zehnten Jahrhundert Daphne hie.

    Abb. 1. Der Groe Palast von Konstantinopel, nach dem Plan 1 :5000 von W. Mller-Wiener.Der alten Palast ist grau unterlegt, die Mauern des Nikephoros Phokas sind in schwarz ange-geben.

    9 Zu den Dekaennea Akkubita s. S. Malmberg, Dazzling dining: banquets as an expression ofimperial legitimacy. Uppsala 2003, 9198. Zum Lausos-Palast s. J. Bardill, The Palace of Laususand nearby monuments in Constantinople. AJA 101 (1997) 6769 und 8689; Malmberg,ebd. 86.

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  • Aus den Texten ergibt sich klar, dass der ursprngliche Palast auf einer oberenEbene lag, etwa 32m ber demMeeresspiegel. Dieser Palast verschob sich im Laufder Jahrhunderte nach Westen, entlang der sdlichen Seite des Hippodroms. Soerstreckte sich das Palastareal schlielich bis zu einer unteren Ebene auf einerHhe von 16m ber dem Marmarameer. Diese Erweiterung des Palastes begannbereits im vierten Jahrhundert mit jenen Husern, die sich die jngeren Mitgliederder kaiserlichen Familie auf der unteren Stadtebene erbauten. Im sechsten Jahr-hundert lebte Justinian vor seiner Thronbesteigung mit seiner Frau Theodora ineinem solchenHaus bei der spteren Kirche von Sergios und Bacchos. Nachdem er527 Kaiser geworden war, verband Justinian sein ehemaliges Privathaus mit demPalast. Die justinianische Bauphase, das Peristyl mit den sogenannten Palast-Mosaiken, war wahrscheinlich Teil dieser Palasterweiterung.

    Die Gebude auf der unteren Ebene blieben zunchst Privathuser, denn wirwissen, dass Justinians Nachfolger im Jahre 565, Justin II., mit seiner Frau vor

    10 Anscheinend ein frherer Name fr den ganzen alten Palast, bezeichnete Daphne im zehntenJahrhundert meistens einen Hof neben dem Hippodrom oberhalb des Unteren Palastes, vgl. E.Bolognesi Recchi-Franceschini / J.M. Featherstone, The boundaries of the palace: De Ce-rimoniis II 13. TM 14 (2002) 3746, hier 4143; J. Kostenec, The heart of the empire: the GreatPalace of the Byzantine emperors reconsidered, in K. Dark (ed.), Secular buildings and thearcheology of everyday life in the Byzantine empire. Oxford 2004, 410.11 In Brett/Martiny/Stevenson (wie oben Funote 3), 1520, wird das Peristyl in die Zeit vonTheodosius II. datiert, vgl. aber Talbot Rice (wie oben Funote 3), 161 167. Nach Prokopios, Deaedificiis I4, 2 verband Justinian nach seiner Thronbesteigung sein Haus mit dem brigen Palast.Zur Entwicklung des Palastes s. J. Bardill, Visualizing the Great Palace of the Byzantineemperors at Constantinople. Archaeology, text and topography, in F.A. Bauer (Hrsg.), Visuali-sierung von Herrschaft. Frhmittelalterliche Residenzen. Gestalt und Zeremoniell. Byzas, 5.Istanbul 2006, 546; J.M. Featherstone, The Great Palace as reflected in the De Cerimoniis,ebd. 4762.

    Abb. 2 Der Chrysotriklinos. Skizze von Cyril Mango (2004).

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  • seiner Thronbesteigung in einem Haus auf der unteren Stadtebene lebte undzunchst den alten Gebuden auf der oberen Plateau ihre offiziellen Funktionenbelie. Spter aber erbaute Justin auf der unteren Ebene den Chrysotriklinos, denGoldenen Saal (Abb. 2), der letzlich das Konsistorion als offiziellen Thronsaaldes Reiches ersetzte. Er bestand aus einemOktogonmit einer Apsis und gegenbereinem zentralen Eingang; die brigen Oktogonseiten ffneten sich durch Bgen zueinem ueren Umgang, und eine Tr in der sdlichen Auenwand dieses Um-gangs fhrte zum Koiton, der Privatwohnung des Kaisers im unteren Palast.Schlielich erbaute Kaiser Justinian II. im spten siebten Jahrhundert auf dernrdlichen Seite des Chrysotriklinos zwei anschlieende Versammlungssle, denLausiakos und den Iustinianos. Von diesen und anderen Gebuden im unterenPalast ist keine Spur mehr vorhanden. Erhalten sind nur die Ruinen der See-mauern mit einer Palastfassade in der Nhe des atlad Kap, die unter demNamen Bukoleon bekannt ist.

    Die Verlegung des Hoflebens in den unteren Palast erfolgte offenbar schritt-weise, und der Palast Konstantins, ein Erbe des sptantiken Reiches,war bald nurnoch lstiger Besitz.

    Im frhen siebten Jahrhundert wird berichtet, Kaiser Herakleios habe dieMagnaura oder Magna Aula restauriert, das ehemalige Gebude des Senats. Ver-mutlich lag es ganz in der Nhe des Chalke-Tores am Augustaion, im westlichenTeil der neuen Ausgrabungen. Schon unter Justinian restauriert und wahr-scheinlich mit einer zentralen Kuppel ausgestattet, wurde die Magnaura fr hohestaatliche Anlsse genutzt. Hier stand der berhmte Thron Salomons, der nachden Quellen des zehnten Jahrhunderts mit beweglichen Figuren umgeben war brllenden Lwen und singenden Vgeln. Vorbild und Alter dieser Automatensind ungewiss, aber es gab eine lange Tradition von Lwenthronen im Osten, woHerakleios viele Jahre auf seinen persischen Kampagnen verbracht hatte. Der

    12 Vgl. Corippus (wie oben Funote 1) I, 94 114.13 Errichtung unter Justin II.: Suidae Lexicon ed. A. Adler, IV. Stuttgart 1971, 646,8; SymeonisMagistri et Logothetae Chronicon ed. S.Wahlgren. Berlin/New York 2006, 105,3 und im Apparat(S. 145,12).14 S. J.M. Featherstone, The Chrysotriklinos as seen through De Cerimoniis, in L. Hoffmann(Hrsg.), Zwischen Polis, Provinz und Peripherie. Beitrge zur byzantinischen Kulturgeschichte.Mainzer Verffentlichungen zur Byzantinistik, 7. Wiesbaden 2005, 845852.15 Vgl. Patria III 130, ed. Th. Preger, Scriptores originum Constantinopolitanarum, II. Leipzig1907, 257, 12.16 Zum Bukoleon s. C. Mango, The Palace of the Boukoleon. CA 45 (1997) 4150.17 Zur Magnaura s. Kostenec, Heart (wie oben Funote 10), 2023.18 Fr die Beschreibung einer Audienz vor dem Thron Salomos s. Kapitel II 15 des De Cerimoniised. Reiske, 583588 (englische bersetzung: J.M. Featherstone, : display in court

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  • Bezug zu Salomon erinnert auch die Rckeroberung Jerusalems durch Herakleiosim Jahre 629. Aber die Siege des Herakleios ber die Perser wurden noch vor derMitte des siebten Jahrhunderts von der arabischen Expansion zunichte gemacht.Whrend der folgenden dunklen Jahrhunderte gibt es keine Nachrichten berBauarbeiten im Palast.

    Alle aus dem sechsten Jahrhundert stammenden Kapitel des Zeremonien-buches beziehen sich noch immer auf den Palast Konstantins neben dem Hip-podrom auf der oberen Ebene. Aber im Kletorologion des Philotheos, das im Jahr899 entstand, ist der Begriff Palast auf die Gebude der unteren Ebene beschrnkt,wo die Kaiser damals wohnten und Hof hielten. Die Kaiser verlassen diesen un-teren Palast, so das Zeugnis des Philotheos, nur an hohen Festen, um zu denLiturgiefeiern in die Hagia Sophia zu gehen. An den zwlf Weihnachtstagenrichten sie, der antiken rmischen Tradition folgend, in den Dekaennea AkkubitaBankette aus. Die Gste lagen dabeiwie im alten Rom auf Speisesofas.Dieser alteSaal wurde nicht mehr als Teil des eigentlichen Palastes angesehen, und das istauch die Sichtweise des Zeremonienbuches im zehnten Jahrhundert. Hier fllt dasgroe Interesse des Autors fr die alten Bauten auf der oberen Ebene auf. Leiderwird dort sehr wenig ber das tgliche Protokoll im Chrysotriklinos gesagt, etwaber die sogenannte Tgliche Prozession, ein berbleibsel der rmischen Salu-tatio, bei der die kaiserlichen Beamten sich jeden Morgen versammelten, um dieAuftrge des Kaisers entgegenzunehmen.

    Nur am Rand werden die neueren Gebude auf der unteren Ebene im Texterwhnt, so zum Beispiel die Pharoskapelle, die Hauptkirche des Palastes, oderder aufwendige Baukomplex von Trikonchos und Sigma,denKaiser Theophilos imneunten Jahrhundert aus antiken Spolien errichten lie, oder dieNea Ekklesia, dievon Kaiser Basileios, dem Grovater Konstantins VII., errichtete Neue Kirche.Dagegen finden wir im Zeremonienbuch lange Beschreibungen der Prozessionendes Kaisers zu besonderen Anlssen auf demWeg zur Hagia Sophia, und ber dienicht mehr benutzten, fast 600 Jahre alten Bauten des Oberen Palastes werdenminuzise Details berichtet. Anlsslich von Prozessionen wurden diese Palas-trume jeweils mit Antiquitten ausgestattet sogar die Beleuchtungskrper,

    ceremonial [De Cerimoniis II,15], in A. Cutler/A. Papaconstantinou (eds.), The material and theideal: essays in Mediaeval art and archaeology in honour of Jean-Michel Spieser. Leiden 2007,75 112, hier 8384. Zu den Automaten s. A. Berger, Die akustische Dimension des Kaiserze-remoniells. Gesang, Orgelspiel und Automaten, in Bauer, Visualisierung (wie oben Funote 11),6377.19 Mit der mglichen Ausnahme der Pharoskirche, s. unten Funote 25.20 Weihnachtsbankette: Philotheos (wie oben Funote 5), 165 190.21 Zur Salutatio s. Winterling, Aula (wie oben Funote 1), 117 138.

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  • beispielsweise Radleuchter, mussten dazu aus den Slen des Unteren Palastesheraufgebracht werden.

    Trotz des offensichtlich antiquarischen Charakters von De Cerimoniis bestehtunter Wissenschaftlern die Neigung, smtliche Gebude des Palastes, alte undneue, als ein gleichzeitig funktionierendes Ganzes zu betrachten. Nach denWorten von Alexander Kazhdan war der Palast ein Damm gegen den Wandel,der nur dadurch berwunden wurde, dass die Kaiser der komnenischen Dynastieim elften Jahrhundert ihre Residenz zu den Blachernen verlegten, in der Nhe desheutigen Tekfur Saray an der Landmauer. Auch wenn die alten Bauten fastausschlielich als museale Rume, ja sogar als Museum dienten, so schien esdoch, als seien einige Zeremonien stndig in ihnen vollzogen worden.

    Auch ich ging bisher davon aus, dass erst Kaiser Nikephoros Phokas im Jahr969 durch den Bau der Wehrmauern (auf Abb. 1 schwarz eingetragen) den unterenPalast von den alten Bauten abgetrennt habe. Mit dem Bau dieser Palastburgbereitete Phokas jeder Illusion einer Einheit von neuem und altem Palast einEnde. Inzwischen bin ich der Ansicht, dass man noch radikaler denken sollte:Das De Cerimoniis ist nicht einfach ein Kompendium voll versteinerter Zeremo-nien, sondern ein Werk, das mit Blick auf eine Aufwertung oder besser: eineNeuerfindung des alten Palastes unter den makedonischen Kaisern konzipiertwurde.

    An dieser Stelle stellt sich die Frage, welche Belege fr die fortgesetzte Nut-zung des alten Groen Palastes vorhanden sind. Bezeichnenderweise findet sichdie lebendigste Beschreibung des alten Palastes in einem Gedicht von Corippus,das den Regierungsantritt Justins II. 565 feiert, also des Kaisers, der den Chryso-triklinos erbaut hat. Der Text des Corippus ist ein regelrechtes Zeremonienbuch inVersen; er beschreibt in epischen Details die Beisetzung Justinians, Justins Ak-klamation und Krnung, sein Erscheinen vor dem Volk im Hippodrom und denEmpfang avarischer Gesandter im Konsistorion, mit recht freier Auslegung derZeremonien. Interessanterweise nimmt Corippus viele Aspekte des spteren by-zantinischen Zeremoniells vorweg. Zum Beispiel erscheint Justin bei seinem Re-gierungsantritt im Hippodrom nicht mehr, um die ohnehin theoretische Zu-stimmung des Volkes zu erhalten, denn er war ja schon im Palast von denkaiserlichen Beamten mit Akklamationen begrt und vom Patriarchen gekrnt

    22 A. Kazhdan / M. McCormick, The social world of the Byzantine court, in H. Maguire (ed.),Byzantine court culture from 829 1204. Washington 1997, 195 196.23 Zum Verlauf der Mauern des Phokas vgl. Mango, Bukoleon (wie oben Funote 16), 45 undFig. 5.

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  • worden. Justin kommt nur noch, wie Corippus sagt, um das frhliche Volk zusehen.

    Wann genau der kaiserliche Hof auf die untere Palastebene verlegt wurde, istschwer zu bestimmen; noch Justinian und sein Nachfolger Justin II. zogen nachihrem Regierungsantritt aus ihren Privathusern, die auf der unteren Ebene lagen,in den alten Palast hinauf. Aber die Entscheidung zum Bau des Lausiakos und desIoustinianos, zwei groen Versammlungssle neben dem Chrysotriklinos, sindzugleich Entscheidungen zur Verlagerungdes Palastes auf die untere Ebene. DieseEntscheidung vollzieht sich unter Justinian II. gegen Ende des siebten Jahrhun-derts. Im achten Jahrhundert findenwir die erste Erwhnungder Pharoskirche, derHauptkapelle des unteren Palastes, wo der Kaiser in der Regel den Gottesdienstbesuchte. Nur an hohen Festen ging er in die Hagia Sophia, wie es im Zeremo-nienbuch, im Kletorologion des Philotheos und im Synaxar der Hagia Sophiabeschrieben wird.

    Leider teilen diese beiden noch aus der Zeit Leons VI. stammenden Textekeine Einzelheiten ber den Palast mit. Philotheos spricht nur von einer ffent-lichen Prozession zur Hagia Sophia und der glanzvollen Rckkehr zum Palast( ). Das reicht aber nicht aus, um zu klren, ob die raffinierten Zere-monien in den alten Bauten,wie sie in De Cerimoniis beschrieben werden, bereitsunter Leon VI. ausgebt wurden, denn diese Stze knnten auch nur bedeuten,dass der Kaiser die obere Stadtebene im Freien durchquerte, anstatt durch diestillen Gnge zu gehen, die die oberen und die unteren Palastebenen miteinanderverbanden. In diesem Zusammenhang knnten wir darauf hinweisen, dass dasTor unter dem Kathisma am Hippodrom nunmehr als Haupteingang in den Palastdiente. Hinter dem Chalke-Tor war noch zur Sicherung der dortigen Gefngnisse

    24 Corippus (wie oben Funote 1) II 279: cerneret ut laetos populos.25 Die Hochzeit von Leon IV. und Eirene wurde 768 in der Pharoskirche gefeiert: Theophanes ed.de Boor 444, 1922.26 Eine der Handschriften des Typikons, der Patmiacus 266, kann ins 9. Jh.datiert werden, s. J.Matos, Le Typikon de la Grande Eglise I. OCA, 165. Rom 1962, xxviii.27 Z.B. am Ostersonntag: Philotheos (wie oben Funote 5) 199, 9 18.28 Aus dem De Cerimoniis und anderen Quellen ergibt sich, dass vom Chysotriklinos ein Systemvon Korridoren nach Norden zur Magnaura und zur Hagia Sophia und nach Westen zumKathisma fhrte. Der Bau mit den langen Korridoren von Mamboury/Wiegand, Kaiserpalste(wie oben Funote 3, 3233: D a) und die Korridore entlang der westlichen Seite des Peristylsmit den Mosaiken (s. unten Funote 35) sind die einzigen heute im archologischen Befunderkennbaren Spuren dieses Systems.

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  • und der kaiserlichen Mnzanstalt ein Garderegiment stationiert, aber das Torselbst diente nur mehr als Eingang fr Prozessionen an hohen Festtagen.

    Im neunten Jahrhundert war der Chrysotriklinos etwa dreihundert Jahre alt,und die Kaiser vollzog alle Zeremonien einschlielich der Tglichen Prozession inseinem neu errichteten Baukomplex des Trikonchos und Sigma. Erpicht auf allesZeremonielle, lie Theophilos den kaiserlichen Ornat wieder beleben, Orgeln ausGold bauen und das Pentapyrgion anfertigen, einen groen Schaukasten frKunstwerke, der auf verschiedene Weise genutzt werden konnte. Aber in denBerichten ber die Bauten des Theophilos ist nie von den alten Bauten im oberenPalast die Rede. Als der Kaiser im Jahr 842 starb, lie sich der LogothetTheoktistos, Mitglied der Regentschaft fr Theophilos Sohn Michael III., nebendem Palast an einem Ort namens Apsis ein Haus bauen. Das Haus besa ein Badund ein Gefngnis, ein Eisentor und eine Wache. Diese Apsis ist hchstwahr-scheinlichmit demAusgrabungsareal imBereich des heutigenMosaikenmuseumszu identifizieren. Der Verfall dieser Anlage in der dunklen Zeit, im siebten undachten Jahrhundert, ist deutlich im archologischen Befund erkennbar.

    29 Nach seinem Triumphzug vom Goldenen Tor im Jahr 831 machte Theophilos Halt am Chalke-Tor, wo er auf einem Thron vor dem Volk sa. Danach aber zog er nicht durch die Chalke zumPalast ein, sondern durch das Tor unter dem Kathisma, s. De Cerimoniis, Appendix C, ed. J.Haldon, Constantine Porphyrogenitus. Three treatises on imperial military expeditions. Wien1990, 146,825 150,873. Zur gleichen Zeit pflegte die Schwester von Theophilos Frau Theodorajeden Monat vom Palast,wo sie wohnte, zu Fu zu den Gefngissen der Chalke zu gehen, demPraitorion und den Numera, um die Inhaftierten zu besuchen, s. Theophanes Continuatus, ed. I.Bekker, Bonn 1838, 175, 1424. Im Jahr 1200 erreichten die Anhnger des Johannes Komnenosden Chrysotriklinos nicht durch das Chalke-Tor, wo die Unterknfte des Wachregiments den Wegzum Palast verstellten, sondern durch das Tor unter dem Kathisma, vgl. A. Heisenberg, Niko-laos Messarites. Die Palastrevolution des Johannes Komnenos. Programm des k. alten Gymna-siums zu Wrzburg fr 1906/1907.Wrzburg 1907, 24,825,12. Spter ging Johannes Komnenoszur kaiserlichen Mnzanstalt und vertrieb dort die Arbeiter. Aus Mesarites Bericht ergibt sichklar, dass sich die Mnze nicht weit von der Pharoskirche befand, s. ebd., 25,3127,3, bes. 26,2529. Bei den Ausgrabungen des Walker Trust wurden in der Komnenenzeit deponierteMnzabflle im Bereich neben dem Peristyl gefunden, s. Brett/Martiny/Stevenson (wie obenFunote 3), 2526.30 Zu Trikonchos und Sigma s. Theophanes Continuatus (wie oben Funote 29), 140,2 142,19;die Tgliche Prozession: 142, 2022.31 Ebd. 257, 58; Pseudo-Symeon ed. I. Bekker, in Theophanes Continuatus ebd., 627, 1016.32 Theophanes Continuatus ebd. 139,19 147,21.33 Logothetenchronik (wie oben Funote 13), 233, 3539.34 Nach der Meinung von J. Bardill, The Great Palace of the Byzantine emperors and theWalker Trust excavations. Journal of Roman Archeology 12 (1999) 227230, ist die Peristylanlagemit dem Augusteus des alten Palastes zu identifizieren, aber s. Bolognesi/Featherstone,Boundaries (wie oben Funote 10) 40, Anm. 18.

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  • In den Kapiteln desDe Cerimoniis, die aus dem zehnten Jahrhundert stammen,wird dieses Gelnde ausschlielich im Zusammenhang mit mehreren langenKorridoren erwhnt. Bei der Ausgrabungen sind zwei Korridore aus der justinia-nischen und einer aus der nachjustinianischen Bauphase nachgewiesen worden.Von Theoktistos neuem Bau gibt es keine klar erkennbare Spur, denn alle oberenStockwerke der spteren Bauphasen wurden abgebrochen und als Baumaterialanderweitig genutzt, insbesondere in frhosmanischer Zeit.brigens wissenwirnicht, warum dieser Ort Apsis, also der Bogen, genannt wurde.

    Das bringt uns zur Frage nach den mglichen Grnden fr die Rckwrts-gewandtheit des Zeremonienbuches, die offensichtlich mit der Begeisterung dermakedonischen Dynastie fr das alte byzantinische, das heit konstantinischeErbe zusammenhngt.

    Im Vorwort zur Vita Basilii schreibt Konstantin VII., dass er schon lange dieganze Geschichte der rmischen, das heit byzantinischen Herrschaft in Kon-stantinopel schreiben wollte, dazu aber keine Zeit gefunden habe. Daher beginneer nun mit der Biographie seines Grovaters Basileios, und falls ihm die Zeitbliebe, wolle er spter die anderen Biographien hinzufgen. Dann, im Vorwortzum Theophanes Continuatus, spricht Konstantin von den vier Kaisern, die Basi-leios vorangegangen waren. Drei von ihnen waren ikonoklastische Ketzer, dervierte der verschwenderische Michael III., der in der Vita Basilii mit dem antikenBsewicht Nero gleichgesetzt wird. Konstantin VII. stellt heraus, wie schlechtjene Vorgnger waren und wie gewaltig der Unterschied zwischen ihnen undBasileios samt seinen Nachkommen war. Das Beharren auf einer Rckkehr zurguten rmischen kaiserlichen Tradition, im Gegensatz zur barbarischen Herr-schaft der Bilderstrmer,war ein Lieblingsthema der makedonischen Kaiser. LeonVI. frderte diese Rckbesinnung besonders, wie Paul Magdalino in seinenStudien ber seine Restaurierung eines sptantiken Bades im Palastgebiet gezeigt

    35 Korridore aus der justinianischer Bauphase des Peristyls: Brett/Martiny/Stevenson (wieoben Funote 3), 1718 (Entwurf); aus der nachjustinianischer Bauphase: Talbot Rice (wieoben Funote 3), 7 10 und 13. Spt-ikonoklastische Keramik/Kchenabflle und eine frh-makedonische Mauer im North-West Building (B1): Brett/Martiny/Stevenson, ebd. 25 undTafeln 60, 62 und 63.36 Chronographiae quae Theophanis Continuati nomine fertur Liber quo Vita Basilii Impera-toris amplecitur, ed. I. evenko, Berlin/New York 2012, 2,14,22 (= Theophanes Continuatus,wie oben Funote 29, 211,17212,17).37 Theophanes Continuatus 211,20212,17, vgl. J.M. Featherstone, Theophanes Continuatus: ahistory for the palace, in P. Odorico (Hg.), La face cache de la littrature byzantine. Le texte entant que message immdiat. Dossiers Byzantins, 11. Paris 2012, 124125. Vergleich mit Nero(wahrscheinlich anhand der verlorenen Vita Neronis des Plutarch): Vita Basilii ed. evenko(wie oben Funote 36), 92,1516 (= Theophanes Continuatus, wie oben Funote 29, 250,17).

    J. M. Featherstone, Der Groe Palast von Konstantinopel 29

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  • hat. Zu solchen knstlerischen Neuentfaltungen gehren auch archaisierendeTexte und illuminierte Handschriften. All diese Zeugnisse waren Belege fr das,was man frher als makedonische Renaissance bezeichnete, obwohl es dafrkaum Anzeichen auerhalb der mit Symbolik aufgeladenen Atmosphre desPalastes gibt. Aber gerade dort, unter den Mitgliedern der alten Familien, fhltendie makedonischen Kaiser die Notwendigkeit, die Ermordung Michaels III. undden Regierungsantritt ihres Vorfahren, des Parvenus Basileios zu rechtfertigen.

    WennMichaels Vater Theophilos solche Prachtbauten im Palast errichten lieund noch dazu Interesse am Zeremoniell zeigte, dannmussten die Makedonenmitetwas noch Besserem auftrumpfen. Basileios erschuf Neues mit so groartigenBauten wie der Nea Ekklesia. Dennoch, wie schon angedeutet, gibt es im Zere-monienbuch kaum eine Spur von den Bauten des Basileios im neuen Palast undwir sollten uns fragen, warum das so ist.

    Vielleicht wurde schon whrend der Regierung des Basileios oder durchLeon VI. nach seinem Tod die Entscheidung getroffen, das Mausoleum Kon-stantins des Groen in der Apostelkirche,wo seit Anastasius 518 kein Kaiser mehrbeigesetzt wordenwar,wieder zu ffnen und Basileios und dessen Nachfolger dortzu begraben. Dadurch sollte die Rckkehr zur kaiserlichen Tradition Konstantinsauch eine visuelle Besttigung finden. In analoger Weise, so vermute ich, be-lebten Leon VI. und sein Sohn Konstantin VII. das Zeremoniell in den seit langemunbenutzten Bauten des alten Palastes wieder, und das Buch De Cerimoniis wardas Instrument dieser Erneuerung.

    Auch die literarische Struktur des Zeremonienbuches passt gut zu dieserThese, die auch die aufteilung des Textes in zwei Bcher erklrt. Im Vorwort zumersten Buch bekundet Konstantin seine Absicht, die Vielfalt der Zeremonien, vondenen viele in Vergessenheit geraten seien, zu ordnen und damit den zuknftigen

    38 P. Magdalino, The bath of Leo the Wise. DOP 42, 1988, 113115; C. Mango, The palace ofMarina, the poet Palladas and the bath of Leo VI, in: . . Athen 1991, 321333.39 Vgl. auch die Wiederbelebung des Genres der Geschichtsschreibung durch den TheophanesContinuatus: Featherstone, History (wie oben Funote 36) 123135. Beispiel einer archaisie-renden Handschrift: O. Kresten, Il Rotolo di Giosu (BAV, Pal. gr. 431) e gli Ottateuchi miniatibizantini. Citt del Vaticano 2010.40 Vgl. die Liste der Grber des Basileios, seiner Shne Konstantin und Leon VI. und Kon-stantins VII. samt den Kaiserinnen und anderen Verwandten (darunter auch Michael III., um-gebettet von Leon VI.) im Kapitel II 43 des De Cerimoniis (ed. Reiske, 643,420). Wir wissennicht, ob Basileios lterer Sohn Konstantin schon durch seinen Vater hier beigesetzt wurdeoder, wie im Fall von Michael III., erst durch Leon VI. nach Basileios Tod. Vgl. N. Asutay-Effenberger/A. Effenberger, Die Porphyrsarkophage der ostrmischen Kaiser. Versuch einerBestanderfassung, Zeitbestimmung und Zuordnung. Wiesbaden 2006, 120 127.

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  • Generationen eine bersicht zu hinterlassen, und zwar sowohl ber die Zere-monien, die von den Alten eingesetzt worden seien, und von denen Augenzeugenberichteten, als auch ber die, die er selber gesehen und eingefhrt habe. Po-litisches Interesse steht dabei deutlich im Vordergrund: Erklrtes Ziel war es, dieBedeutung der kaiserlichen Herrschaft auf glanzvolle Weise darzustellen. DieEinleitung des zweiten Buches sagt etwa dasselbe, allerdings mit der zustzlichenBemerkung, dass im Gegensatz zum ersten Buch, das bereits aufgezeichnete Ze-remonien enthalte, das zweite Buch Protokolle vorstelle, die noch nicht be-schrieben worden seien was bedeutet, dass sie damals noch aktuell waren.Weiter sagt Konstantin, dass er die blichen Fachausdrcke fr die beschriebenenDinge verwenden werde, damit es zu keinem Missverstndnis kommen knne.

    Die endgltige Fassung von De Cerimoniiswurde nach Konstantins Tod durcheinen spteren Herausgeber erstellt, der weiteres Material hinzufgte. Wahr-scheinlich handelt es sich dabei um Konstantins einstigen Mitarbeiter, den pa-rakoimomenos Basileios Lekapenos. Die ersten Teile beider Bcher gehen jedochoffenbar auf Konstantins ursprngliches Werk zurck. Das lange erste Kapiteldes ersten Buches beschreibt die Prozession vom Palast zur Hagia Sophia anhohen Festtagen, mit Hinweisen auf die Denkmler, an denen Halt gemachtwurde, und auf die Ausgestaltung der alten Gebude. Die folgenden Kapitel ent-halten zustzliche Angaben ber Akklamationen oder besondere Bewegungen derBeamten an den einzelnen Festtagen. All das wirkt sehr groartig, aber bei n-herem Hinsehen ergeben sich Fragen.

    Es ist nicht weiter auffllig, wenn alte Gegenstnde aus dem neuen Palastgeholt wurden, um sie an ihren,wie man glaubte, ursprnglichen Pltzen im altenPalast wieder aufzustellen. Schwieriger ist es aber, die Teilnahme von Beamten zuerklren, die es im zehnten Jahrhundert gar nicht mehr gab, etwa bei derPfingstprozession, wo der seit langem verschwundene Prtorianerprfekt (- ) pltzlich wieder auftaucht. Interessanterweise erscheint

    41 De Cerimoniis I, Prooimion (ed. Vogt I 2,45).42 De Cerimoniis II, Prooimion (ed. Reiske 516517), wo Konstantin behauptet, diese Zere-monien seien im Gedchtnis lterer Mnner aufbewahrt und von ihnen an die jngeren ber-liefert worden. Ebenso werden Zeremonien in der Neuzeit vom lteren an das jngere Personalberliefert: ein De Cerimoniis fr Versailles hat es nie gegeben, und gibt es auch keines fr StJames/Buckingham Palace.43 Zur Abfassung des De Cerimoniis s. J.M. Featherstone, Theophanes Continuatus VI and DeCerimoniis I 96. BZ 104 (2011) 115 123.44 De Cerimoniis I 9 (ed. Vogt I, 56,19). Vgl. auch De Cerimoniis I 68 [77] ber das GoldeneWagenrennen (ed. Reiske 306,11), wo der ebenfalls anwesend ist. G.Dagron, Lorganisation et le droulement des courses daprs le Livre des Crmonies. TM 13(2000) 14, Anm. 31, hlt das fr eine Ergnzung des Schreibers und identifiziert

    J. M. Featherstone, Der Groe Palast von Konstantinopel 31

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  • dieser Anachronismus bei einer Zeremonie in den Dekaennea Akkubita, die miteiner anderen Anomalie verbunden ist: in Philotheos Kletorologion nimmt derKaiser am Ostersonntag sein Frhstck in den kaiserlichen Gemchern der HagiaSophia ein; darauf folgt ein Bankett im Chrysotriklinos des unteren Palastes, nachdem Zeugnis des Philotheos der bliche Ort fr Bankette auerhalb der Weih-nachtszeit. Aber nach dem De Cerimoniis fand das Osterbankett in den Deka-ennea Akkubita im Oberen Palast statt. Wir wissen, dass Leon VI. sein erstesHochzeitsmahl im Jahr 882 in den Dekaennea Akkubita hielt. Sonst gibt es kaumErwhnungen dieses Saals im neunten Jahrhundert bis zur Regierungszeit Kon-stantinsVII., der eine grndliche Erneuerung des Daches anordnete. Geschahdiese Restaurierung etwa wegen einer erneuten Nutzung des Gebudes, bei-spielsweise fr das Osterbankett oder die Zeremonien der Pfingstprozession? Undknnten diese letzteren aus einem alten Protokoll, in dem tatschlich der Prto-rianerprfekt vorkam, zusammengestellt worden sein? Knnten darber hinausdie Weihnachtsbankette, wie sie von Philotheos fr die Dekaennea Akkubita be-schrieben wurden, auch Wiederaufnahmen von Zeremonien sein, die in Verges-senheit geraten waren? Das Werk des Philotheos, das unter Leon VI. vollendetwurde, war ein Vorlufer von De Cerimoniis und damit ein erster Schritt zurWiederbelebung des alten Palastes.

    diesen Beamten mit dem Stadtprfekten. Ein zweiter Fall derselben Ergnzung in einem anderenKapitel ist aber sehr unwahrscheinlich.45 Die Dekaennea Akkubita werden bei den Pfingstenzeremonien bei Philotheos (wie obenFunote 5), 201205 nicht erwhnt.46 De Cerimoniis I 1 (ed. Vogt I, 1720).47 Hochzeit Leons VI.: Logothetenchronik (wie oben Funote 13), 132, 22. Erneuerung des Dachsunter Konstantin VII.: Theophanes Continuatus (wie oben Funote 29), 449,17450,3. Sonst gibtes keinen Beweis fr Zeremonien in den Dekaennea Akkubita seit der Regierungszeit vonKonstantin V., vgl. S. Bendall/ J. Nesbitt, A poor token from the reign of Constantin V,Byzantion 60 (1990), erwhnt bei M.-F. Auzpy, The Great Palace and the Iconoclast Emperors, inA. dekan / N. Necipoglu / E. Akyrek (eds.), The Byzantine Court: Source of Power and Culture,2nd International Sevgi Gnl Byzantine Studies Symposium, Istanbul, 2013, 79, Anm. 26.48 Philotheos wurde, wie er selbst sagt, wegen der groen Verwirrung der Namen der mter,sowohl der in Vergessenheit geratenen als auch der vielen spter hinzugekommenen, von seinenFreunden gebeten, seine Aufstellung anzufertigen. Deswegen gibt er vor, alles aufzuzeichnen,was wir mit unserem schwachen Verstand von den alten und den derzeitig ausgebten Formenerfassen konnten (Philotheos, wie oben Funote 5, 81,683,13). Am Ende der Arbeit erklrtPhilotheos, seine Vorschriften seien durch ein kaiserliches Dekret erlassen worden, also vonLeon VI., (ebd. 233,31235,3). Sicherlich war es im ursprnglichen Konzept von De Cerimoniisnicht vorgesehen, den Text des Philotheos aufzunehmen, doch befand er sich wahrscheinlichunter dem von Konstantin gesammelten Material und wurde vom spteren Herausgeber am Endedes zweiten Buches hinzugefgt.

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  • Auch an anderen Stellen des De Cerimoniis finden wir Hinweise auf Neuer-findungen auf der Basis dessen, was man ber die ursprngliche Nutzung deralten Bauten wusste oder sich vorstellte.

    Im ersten Buch des De Cerimoniis luft das Konsistorion immer unter diesemNamen. Whrend der Prozessionen zu Hagia Sophia steht der Kaiser an diesemHaltepunkt auf dem Podest des Thrones vor dem Baldachin, wenn das Prozessi-onskreuz Konstantins des Groen zusammen mit dem Stab des Moses in der Mittedes Saales aufgestellt wird. Sicherlich gbe es keine bessere Weise, das kon-stantinische Erbe des regierenden Kaisers zu inszenieren. Das Konsistorion kommtauch in einer anderen Zeremonie im ersten Buch des De Cerimoniis vor.Whrenddie groe Mehrheit der kaiserlichen Funktionre im Chrysotriklinos in ihre mtereingefhrt werden, gibt es Ausnahmen fr die drei hchsten Staatsmter: In DeCerimoniis I 46 wird die Ernennung eines Magistros das hchste Amt nach demKaiser im Konsistorion beschrieben, mit der blichen Prozedur, dass Ausstat-tungsgegenstnde dafr vom Unteren Palast heraufgebracht wurden. Auch Phi-lotheos bemerkt, dass der Kaiser den Magistros im Konsistorion in sein Amt ein-fhrt. Aber hier stellt sich die Frage, ob das nicht auch eineNeuerfindungvon LeonVI. gewesen sein knnte.

    Hier gibt es zwar keine offensichtliche Anomalie, aber zwei andere Ernen-nungen, die eines Kaisars und eines Nobelissimos, die nach dem Zeremonienbuchin den Dekaennea Akkubita im alten Palast stattfanden, erregen Verdacht. Es wirdvermutet, dass diese Zeremonien letztlich auf die Shne Konstantins V. zurck-gehen, aber die Passage des Textes wurde ganz offensichtlich im zehnten Jahr-hundert bearbeitet; ferner gibt es Unstimmigkeiten mit Philotheos, der die Be-frderung des Kaisars und des Nobelissimos in der Kirche des Herrn vorschreibt,also der alten Kapelle der Palastwachen neben dem Konsistorion. Die Verlegungdieser Zeremonien in De Cerimoniis in die Dekaennea Akkubita erinnert wieder andas Hochzeitsmahl von Leon VI. und an die Restaurierung dieses Raumes unterKonstantin VII.

    49 De Cerimoniis I 1 (ed. Vogt I, 7, 2028).50 De Cerimoniis I 46 [55] (ed. Vogt II 4043); Philotheos (wie oben Funote 5), 95,17 undFunote 45. Oikonomids erkennt ltere und neuere Schichten im Text von De Cerimoniis I 46,das ins spte 9. Jh. datiert werden kann.51 De Cerimoniis I 4344 [5253] (ed.Vogt II 2636); Philotheos (wie oben Funote 5), 99,12(Kaisar) und 97, 13 14 (Nobelissimos). Die Korridore, die zu den Bauten auf der unteren Ebenefhrten, begannen beim Kyrios, der Kirche des Herrn, weshalb letzterer als Teil des aktuellenPalastes galt, vgl. Bolognesi/Featherstone, Boundaries (wie oben Funote 10), 3739.52 Der Wechsel bei Zahlen und Namen belegt die gemischte Beschaffenheit des Kapitels I43: Esbeginnt mit der Zeremonie zur Ernennung eines Kaisar (ed. Vogt II, 26,121), dann folgt dieErwhnung verschiedener Mntel, Verschlsse und Krnze (ebd. 27, 45), dann die Ernennung

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  • Die drei Titel Magistros, Kaisar und Nobelissimus wurden meist an Mitgliederder kaiserlichen Familie vergeben, und dieDekaennea Akkubitawerden im KapitelI 60 des De Cerimoniis fr die ffentliche Aufbahrung eines verstorbenen Kaisersvor der Trauerprozession und Beisetzung in der Apostelkirche vorgeschrieben.Das war in der Tat die sptantike Praxis, wie sie bereits von Corippus erwhntwird.Aber blieb sie wirklich die ganze Zeit ber erhalten, oder wurde sie von denKaisern dermakedonischen Dynastie im Zusammenhangmit derWiedererffnungdes Mausoleums Konstantin des Groen neu belebt? In hnlicher Weise, wie jeneKaiser dafr sorgten dass ihre Familienmitglieder in Konstantins Nhe aufgebahrtund beigesetzt wurden, knnten sie auch die drei Ernennungszeremonien derartumgestaltet haben, dass sie in Konstantins Palast in ihr Amt eingefhrt wurden.

    Das zweite Buch von De Cerimoniis beginnt mit zwei Kapiteln ber die tgli-chen Prozessionen im Chrysotriklinos. Daran schlieen sich weitere Kapitel mitanderen Zeremonien an, die noch ausgebt wurden,wie die Prozession durch dieStadt mit dem Wahren Kreuz am 1. August, die auch im Typikon von Dresdenvorkommt, oder hier wieder in gut makedonischem Geist die Zeremonien frdas Fest Konstantins des Groen in seinem Mausoleum bei der Apostelkirche undin der neuen, von Leon VI. zu Ehren Konstantins gebauten Kirche im Sommer-palast des Bonos. Wie die anderen Kapitel des zweiten Buches gehen auch diesesparsammit Details ber gegenwrtige Zeremonien und die neueren Palastbautenum.

    Ganz anders ist das dagegen in Kapitel 15 des zweiten Buches ber dieEmpfnge fr auslndische Botschafter in der Regierungszeit Konstantins VII.Wahrscheinlich von den originalen Protokollen bernommen, sind diese Dar-

    mehrerer Kaisares (ebd. 27,1429, 20), und zuletzt, im Abschnitt ber Akklamationen zur Er-nennung, wieder ein einziger Kaisar (ibid. 29,2132,15). Zudem unterscheiden sich in diesemKapitel Titel und Anzahl der Kaiser. In einem anderen Aufsatz haben wir bereits das Wechseln inden aus dem 10. Jh. stammenden Kapiteln zwischen / bemerkt, wie es inder originalen, Schimmelbrief-Form des Protokolls stand, und ( bzw. ) / , wo es um einen bestimmten Anla oder Ereignis geht. hnliche Wechsel finden wirin Kapitel II 67, s. J.M. Featherstone, All Saints and the Holy Apostles: De Cerimoniis II 67.Nea Rhome 7 (2010) 235248, hier 243 Anm. 38; und in II 15, s. ders., Great Palace (wie obenFunote 11), 81, Anm. 21.53 De Cerimoniis I 60 [69] (ed. Vogt II 8485).54 Corippus (wie oben Funote 1) III 161.55 De Cerimoniis II 12 (ed. Reiske 518,1525,15).56 Kreuzesprozession: De Cerimoniis II 8 (ed. Reiske 538,13541,10); Dresdner Typikon: B.Flusin, Les crmonies de lExaltation de la Croix Constantinople au XIe sicle daprs leDresdensis A 104, in: J. Durand/B. Flusin (ds.), Byzance et les reliques de Christ. Paris 2004,6189; zur Konstantinskirche und zum Bonospalast: De Cerimoniis II 67 (ed. Reiske 532,5538,12), vgl. Featherstone, All Saints (wie oben Funote 52), 216248.

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  • stellungen darber, wie Auslnder durch die altehrwrdigen Bauten gefhrtwerden, die detailliertesten berhaupt in De Cerimoniis. So werden beim Empfangfr die arabischen Gesandten aus Tarsos im Jahr 946 bunte Rituale aus ver-schiedenen Festen miteinander vermischt alles mit heiterer Gleichgltigkeitgegenber der ursprnglichen Ordnung oder Bedeutung der einzelnen Elemente.Das lsst sich am besten an der Beschreibung des Rennens im Hippodrom ver-deutlichen, das Konstantin fr die Gste aus Tarsos veranstaltete. Hier erfllen diealten Zirkusparteien nur noch eine dekorative Funktion als Snger und Tnzer,und das Rennen selber wirkt wie ein Vorwand, um die aufflligsten Kostmevorzufhren. Der sportliche Wettkampf oder der Sinn der Zeremonien spielenberhaupt keine Rolle mehr, Gewinner und Verlierer erhalten die gleichen Aus-zeichnungen.

    Selbst der Name eines einst so wichtigen Gebudes wie des Konsistorions, derim archaisierenden erstenBuch desDeCerimoniis durchgehend benutzt wird, fehltim zweiten Buch vllig,wo das Konsistorion viermal erwhnt wird als der Saal,woder Baldachin hngt und die Magistroi ernannt werden. Das ist eine seltsameBezeichnung. Das Vorwort zum zweiten Buch kndigt zwar die Verwendung deraktuellen Namen fr die beschriebenen Objekte an, doch htte die ErwhnungdesBaldachins allein gengt wenn nicht auch die Absicht bestanden htte, die hiervorgenommene Ernennung der Magistroi zu betonen, was unsere Zweifel an derungebrochenen Kontinuitt dieser Zeremonie besttigt.

    In Kapitel II 18 des De Cerimoniis schlielich wird berichtet, das antike r-mische Fest der Brumalia im Dezember sei von Konstantins Schwiegervater undMitkaiser Rhomanos Lekapenos abgeschafft worden, angeblich aus Grnden derFrmmigkeit.Wahrscheinlich aber wollte Rhomanos jegliches ausschlielich frKonstantin abgehaltene Fest vermeiden, das bei den Feiern der Brumalia am Tag

    57 Vgl. Featherstone, (wie oben Funote 18), 76 und 99 101.58 , : De Cerimoniis ed.Reiske 573,89, 578,13 14, 584,11 12, 595,67). Das Konsistorion kommt unter seinem ei-gentlichen Namen nur einmal im zweiten Buch whrend des kirchlichen Triumphzugs zumKonstantinsforum in II 19 vor (ed. Reiske 608, 8 und 13) hier wieder in Verbindung mitKonstantin dem Groen. Das Konsistorion in II 51 (ed. Reiske 699, 1920) steht in einem lte-reren, vielleicht aus dem siebten Jahrhundert stammender Text, den der sptere Redaktor demursprnglichen zweiten Buch hinzugefgt hat, und bezieht sich auf die Anordnung einer Ver-sammlung in einem Halbkreis, so wie im Groen Saal ( = Konsistorion). Dassder Name schon in der Zeit des Philotheos kaum bekannt war, beweist die(volktmliche?) Form : Philotheos (wie oben Funote 5), 177, 18.59 De Cerimoniis II 18 (ed. Reiske 600,1607,14). Der Text hier bezieht sich auf einen lterenund einen jngeren Kaiser, nmlich Konstantin VII. und seinen Sohn Romanos II., der in KapitelII 15 beim Namen genannt wird.

    J. M. Featherstone, Der Groe Palast von Konstantinopel 35

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  • des Buchstabes Kappa unausweichlich gewesen wre.Wichtig fr uns ist hier dieBehauptung, Konstantin VII. habe dieses Fest wiederbelebt, um den alten Brauchder Rmer wiederherzustellen, genauso wie die groen Kaiser von einst, Kon-stantin der Groe, Theodosius, Markian, Leon und Justinian, ihn ausgebt ht-ten. Hier begegnet erneut die Vorstellung der Wiederbelebung einer alten r-mischen Tradition. Obwohl altertmlich, waren die Brumalia jedoch eine ganzandere Feier als die archaisierenden Zeremonien im ersten Buch des De Ceri-moniis.Auerdem belegt eine Notiz im Text deren Existenz nicht nur in der Antike,sondern auch schon vor dem Aufkommen der makedonischen Dynastie unterMichael III. Die Brumalien waren als eine Art Namenstagsfeier ein echtes Fa-milienfest, zu demdie kaiserlichen Beamten kamenund zwar nur diejenigen, diein diesem Zeitraum nachzuweisen sind , um ihre Glckwnsche auszusprechen;dazu gehrten auch ein Ballett und Trinksprche. Es handelte sich um ein frh-liches, intimes Fest, das zur Gnze im unteren Palast gefeiert wurde.

    Freilich muss es fr alle Beteiligten eine lstige Pflicht gewesen sein, Zere-monien in den alten Bauten des oberen Palastes ber sich ergehen zu lassen sowie es Michael Psellos im elften Jahrhundert mit bissigem Humor ber den Kr-perkontakt mit anderen beim Essen im Liegen schildert. Und vielleicht war dasneben demAspekt der Sicherheit noch einweiterer Antrieb fr den SoldatenkaiserNikephoros Phokas, den unteren Palast durch eine neue Mauer von den altenGebuden abtrennten. Nikephoros hatte kein Vergngen an der verfeinertenKultur des Hofes, und auch kein Bedrfnis, seine Machtbernahme durch Ideo-logie zu rechtfertigen. Man kann es als ironisch bezeichnen, dass er noch im Jahrder Vollendung der Palastmauern unter Beihilfe seiner Frau, der makedonischenKaiserin-Witwe Theophano, ermordet wurde. Der Historiker Skylitzes behauptet,

    60 De Cerimoniis II 18 (ed. Reiske 606, 1121). Hier spricht der Autor in der Ich-Form undbezeichnet die christliebenden Kaiser Konstantin den Groen, Theodosios, Markian, Leon undJustinian als Halbgtter ().61 De Cerimoniis II 18 (ed. Reiske 605,3606,1).62 De Cerimoniis II 18 (ed. Reiske, 601,19605, 3): Nach dem Protoll wurde unter Leon VI. einBallett (Saximon) am Tag der Brumalien des Kaisers in Trikonchos und Sigma vorgefhrt, undam Abend speiste der Kaiser mit den hohen Beamtern im Aristeterion, d.h. dem sd-stlichenGewlbe des Chrysotriklinos, der sich an des Kaisers Privatwohnung anschloss. Danach gab eseine zweite Sitzung ebenfalls im Aristeterion nur fr die kaiserliche Familie, darunter die Kai-serin und den jngeren Kaiser, und ihre persnliche Freunde. Am Tag nach den Brumalien gabes wieder ein Bankett im Aristeterion, wo die hohen Beamter und die Freunde des lteren Kaisersmit ihm speisten, und dazu gleichzeitig ein weiteres Bankett im anschlieenden Saal, demIustinianos, mit dem jngeren Kaiser und den anderen Beamtern.63 Michael Psellos, [De servitute a secretis], ed. A. Littlewood, Michaelis Pselli oratoria mi-nora. Leipzig 1985, 11, 8392. Vielen Dank an Paul Magdalino fr den Hinweis auf diesem Text.

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  • die Umwandlung des Palastes zu einer Festung sei der unbeliebteste Akt derTyrannei des Phokas gewesen.

    Eine Person, die diese Reduktion des alten Palastes nur ungerne gesehenhaben drfte, war der parakoimomenos Basileios Lekapenos, der Chef der Zivil-verwaltung. Einst Mitarbeiter Konstantins VII. und Herausgeber desDe Cerimoniis,war er an derWiederbelebungdes alten Palastes vomAnfangan beteiligt gewesen.Spter, im Jahr 963, inszenierte Basileios die Thronbesteigung des Phokas anhandber 500 Jahre alter Protokolle aus der Zeit Kaisers Leon I. Leon war der letzteKaiser gewesen, der seine Regierung unter seinen Soldaten auerhalb der Stadtantrat, und so wollte es auch der militrisch orientierte Nikephoros jetzt tun. Eskann kein Zufall sein, dass gerade in seiner Zeit die Vormauer des Goldenen Torsmit antiken Spolien als Triumphbogen umgestaltet wurde. Einer der Mitarbeiter wenn nicht der Leiter dieses Projektes drfte Basileios gewesen sein, dessenInteresse am antiken Kriegswesen und Siegesfeiern auch an Handschriften zuerkennen ist, die von ihm inAuftraggegebenwurden,wie dem sogenannten Josua-Rotulus.

    Die neuen Wehrmauern des Kaisers um den unteren Palast, die etliche alteGebude Kunstwerke in den Augen des Historikers Skylitzes zerstrten,haben Basileios gewiss in Wut versetzt; er wusste, wie Leon Diakonos berichtet,von dem Komplott der Kaiserin gegen Nikephoros, tuschte aber eine Krankheitvor und tat nichts, um seine Ermordung zu verhindern.

    Der befestigte untere Palast und der Hippodrom blieben bis zum viertenKreuzzug im Jahre 1204 weitgehend intakt. Jedoch zogen, wie gesagt, die ko-mnenischen Kaiser schon im elften Jahrhundert zum Blachernenpalast um, woauch die lateinischen und palaiologischen Kaiser ihren Hof hielten. Als MichaelPalaiologos Konstantinopel im Jahr 1261 wieder einnahm, konnte er whrend derReparatur der Schden, die die fliehenden Lateiner in den Blachernen verursachthatten, noch im Groen Palast wohnen. Damals aber waren auch die unteren,neueren Gebude jetzt rund 600 Jahre alt schon in einem ruinsen Zustand.

    64 Ioannes Skylitzes, ed. I. Thurn. Berlin 1973, 275,7687.65 Featherstone, Theophanes Continuatus (wie oben Funote 43), 119120.66 C. Mango, The Triumphal Way of Constantinople and the Golden Gate. DOP 54 (2000) 173186, hier 182.67 Zu Basileios und dem Josua-Rotulus s. Kresten, Rotolo (wie oben Funote 39), 1757. ImWiderspruch zu Kresten, der dieses Werk als eine Art Buch-Rotulus ansieht, behauptet S.Wander, The Joshua Roll. Greek Edition with English Translation.Wiesbaden 2012, dass es sichum einen Entwurf fr eine Siegessule zu Ehren des Basileios handele.68 Ioannes Skylitzes, ed. I. Thurn. Berlin 1973, 275,7983.69 Leo Diaconus, ed. B. Niebuhr. Bonn 1828, 93,194,15.

    J. M. Featherstone, Der Groe Palast von Konstantinopel 37

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  • Der Chrysotriklinos wird nur noch einmal in den Quellen erwhnt, und im 1329wurde der benachbarte Iustinianos von einem schweren Gewitter zerstrt. DerHistoriker Pachymeres erzhlt, dass man am nchsten Tag nicht einmal sehenkonnte,wo dieser Saal einst gestanden hatte. Und dies gilt fr uns heute fr fastden ganzen Groen Palast.

    70 Georges Pachymre, Relations historiques, ed. A. Failler. Paris 1999, III 163, 1112; IV 401,10.

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