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Das Audi-Technologiemagazin travolution Urban Mobility hybrid tiptronic MMI pre sense Nachtsichtassistent Aerodynamik drive select LTE-Technologie side assist Recycling Ergonomie Head-up-Display valvelift system R tronic Start-Stop-System multitronic Rekuperation lane assist TCNG Matrixbeam ASF Dynamics Virtual Reality Efficiency Performance CFK LED Le Mans assist S tronic Skills Mindset Passion e-Performance TDI Leichtbau Quality TFSI ultra connect e-tron quattro balanced mobility Design

Dialoge-Technologiemagazin, Mai 2011

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Das Audi-Technologiemagazin ist im Mai 2011 in der Reihe Dialoge erschienen. Thematische Schwerpunkte sind u.a. vernetzte Automobile, Elektrifizierung, immer effizientere Verbrennungsmotoren und Leichtbau.

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Page 1: Dialoge-Technologiemagazin, Mai 2011

Das

Au

di-T

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nol

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Aus

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01

1 Das Audi-Technologiemagazin

travolution

Urban Mobility

hybrid

tiptronic

MMI

pre sense

Nachtsichtassistent

Aerodynamik

drive select

LTE-Technologie

side assist

Recycling

Ergonomie

Head-up-Display

valvelift system

R tronic

Start-Stop-System

multitronic

Rekuperation

lane assist

TCNG

Matrixbeam

ASF

Dynamics

Virtual Reality

Efficiency

Performance

CFK

LED

Le Mans

assist

S tronic

Skills

Mindset

Passion

e-Performance

TDI

Leichtbau

Quality

TFSI

ultra

connect

e-tron

quattro

balanced mobility

Design

Page 2: Dialoge-Technologiemagazin, Mai 2011

Das Audi-Technologiemagazin

Dialoge

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Page 3: Dialoge-Technologiemagazin, Mai 2011

2 3Dialoge Technologie Dialoge Technologie

Liebe Leserinnen und Leser,

die Welt steht heute vor gewaltigen Heraus-forderungen. So wird in 20 Jahren ein Großteil der Bevölkerung in Metropolen leben, und die natürlichen Lebensgrundlagen werden zu nehmend ein bewusst wertgeschätztes Gut. Vor diesem Hinter-grund vollzieht auch die Automobilbranche den wohl spannends-ten Technologie-Wandel ihrer Geschichte. Die Herausforderung besteht darin, den Menschen weiterhin eine individuelle und zu-gleich nachhaltige Mobilität zu garantieren. Die Schlüssel dazu sind Engagement und Ideenreichtum. Denn der Moment des Wandels ist gleichzeitig auch der Augenblick mutiger Ideen.

Dass bei Audi solche Ideen zur rechten Zeit entstehen, beweisen wir immer wieder aufs Neue. Vor 40 Jahren haben wir uns den Slogan „Vorsprung durch Technik“ auf die Fahnen geschrieben. Mit Innovationen wie dem quattro-Antrieb, dem Audi Space Frame oder der LED-Technologie haben wir diesem Anspruch ein Gesicht gegeben. Er ist uns seitdem Antrieb und Wegweiser zugleich.

Hermann Hesse sagte einmal: „Damit das Mögliche entsteht, muss immer wieder das Unmögliche versucht werden.“ Nach diesem Credo leben und arbeiten unsere Ingenieure Tag für Tag. Mit all dem Mut, der dafür nötig ist. Sie forschen und tüfteln, bis ihre Visionen in die Tat umgesetzt werden. Man kann es nur mit „Leidenschaft“ beschreiben, wie sie sich den Herausforderungen der Zukunft stellen und diesen klare Antworten entgegensetzen.

Über diesen besonderen Audi-Anspruch erfahren Sie in dem vorliegenden Technologiemagazin viel Interessantes und Span nendes. Es ist ein Querschnitt der Themen, die uns bei Audi am Herzen liegen. Mit denen wir die Mobilität von morgen prägen wollen. Mit denen wir unseren „Vorsprung durch Technik“ in den Dienst der Kunden und unserer Verantwortung stellen.

Effiziente Verbrennungsmotoren, Leichtbau, vernetzte Automobile, Elektrifizierung – das sind unsere Schwerpunkte, na-türlich auch in diesem Magazin. Aber auch hier wollen wir mit dem Unerwarteten überraschen. Lesen Sie zum Beispiel, wie wir gerade unsere Kernkompetenz neu erfinden – mit dem e-tron quattro. Oder wie wir uns aus dem Tierreich inspirieren lassen.

Mit Mut der Zeit voraus – ich denke, unter diesem Motto steht nicht nur dieses Technologiemagazin. Es steht auch für ein Ver sprechen, das wir an die Zukunft geben. Dafür braucht es Men-schen, die sich trauen, Neues zu wagen, kompromisslos und ohne Angst vor Misserfolgen.

Entdecken Sie selbst, was diese Menschen antreibt und für welche Ideen sie bei Audi stehen. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen.

Herzlichst

In den nächsten 20 Jahren vollzieht die Automobilbranche den wohl spannendsten Technologie-Wandel ihrer Geschichte. Die Schlüssel sind Engagement und Ideenreichtum. Rupert Stadler

Rupert Stadler, Vorsitzender des Vorstands der AUDI AG.

Page 4: Dialoge-Technologiemagazin, Mai 2011

4 Dialoge Technologie

Mindset.

Passion.

Skills.quattro conceptDesign ist angewandte Kunst

126

High voltageDer Audi A1 e-tron startet in den Flottenversuch

106Think globalTechnologie-Scouting bei Audi

54

balanced mobility Auf dem Weg zur CO₂-neutralen Mobilität

36

PerfektionQualität ohne Kompromisse

64

SchwarmintelligenzDie Natur als Vorbild

42

connectDas Auto als Teil der vernetzten Welt

48

Jedes Gramm zähltLeichtbau als Geisteshaltung

28

Zeit der RevolutionEntwicklungsvorstand Michael Dick im Interview

20

Dialoge MagazinTechnik in Höchstform

120

e-tron quattroFahrspaß für das Elektrozeitalter

74

Neu denkenDas Patentwesen bei Audi

118

Virtual RealityIngenieure als Anwalt des Kunden

132

Sound der ZukunftDer Klang der Elektromobilität

146

XX-FaktorFrauen in der Technischen Entwicklung

138

Testanlagen und PrüfständeDie wichtigsten Werkzeuge der Entwicklung

150

AerolutionFeinarbeit im Windkanal

162

TechWorld Technologien von morgen

170

Lack und Leder Leidenschaft für beste Materialien

188

Tanto AmoreMotorenmontage in Handarbeit

180

Le MansAudi tritt mit neuem Prototyp an

194

Testen extrem Überall auf der Welt unterwegs

184

Future Urban MobilityNeue Mobilität in den Megacities

200

Vom TDI zum e-tronDie Antriebsstrategie von Audi

100

Light BoxInnovationen in der Lichttechnik

82

ArtworkDie Leuchtenmanufaktur

90 Die sehende DiodeNeue Dimension im Fußgängerschutz

94

Mobilität 2050Design-Trends für die nächsten Jahrzehnte

56

Inhalt

Der KlangmagierAbstimmung von Soundsystemen

174

Page 5: Dialoge-Technologiemagazin, Mai 2011

6 7Dialoge Technologie Dialoge Technologie

Aufbruch in eine neue Ära: Mit dem A1 e-tron startet Audi in das Zeitalter der Elektromobilität. Ein erster Schritt dazu ist ein Flottenversuch, der in München stattfindet.

Page 6: Dialoge-Technologiemagazin, Mai 2011

8 9Dialoge Technologie Dialoge Technologie

Klang als Kunst: Die künftigen e-tron Fahrzeuge von Audi brauchen einen ganz eigenen Klang. Spezialisten gestalten ihn im Soundlabor.

Die Zukunft leuchtet: Audi ist die führende Marke in der Lichttechnologie. Die Ingenieure bauen den Vorsprung mit immer neuen Entwicklungen weiter aus.

Page 7: Dialoge-Technologiemagazin, Mai 2011

10 11Dialoge Technologie Dialoge Technologie

Strom, Spaß, Stabilität: Audi entwickelt ein neues Antriebssystem, den e-tron quattro. Es trägt die Allrad-Philosophie der Marke in die Zukunft.

Page 8: Dialoge-Technologiemagazin, Mai 2011

12 13Dialoge Technologie Dialoge Technologie

Emotionen als Skulpturen: Schon heute experimentiert Audi mit Design-Ideen für das Jahr 2050. Die Denkmodelle verbinden Ästhetik mit Technologie.

Virtuelle Welten: Im Design Check überprüfen die Entwickler die neuen Modelle auf ihren Kundennutzen hin – unterstützt durch Virtuelle Realität.

Page 9: Dialoge-Technologiemagazin, Mai 2011

14 15Dialoge Technologie Dialoge Technologie

quattro reloaded: Der quattro concept bringt Leichtigkeit mit Performance zusammen, gekleidet in ein spektakuläres, neues Design.

Page 10: Dialoge-Technologiemagazin, Mai 2011

16 17Dialoge Technologie Dialoge Technologie

Mit aller Liebe: Der Aventador LP 700-4 ist das neue Topmodell von Lamborghini. Seine Fertigung kombiniert modernste Technologie mit präziser Handarbeit.

Colour & Trim: Die stilsichere Auswahl von Farben und Materialien ist eine Domäne der Marke – und eine klassische Kompetenz von Audi Design.

Page 11: Dialoge-Technologiemagazin, Mai 2011

Mindset Es war der Mut zur Innovation, der Audi an die Spitze gebracht hat. Das Unternehmen will den Vorsprung ausbauen, mit immer neuen Ideen und mit einer klaren Grundhaltung.

Mindset.Inhalt 20 Zeit der Revolution 28 Jedes Gramm zählt 36 balanced mobility 42 Schwarmintelligenz 48 connect 54 Think global 56 Mobilität 2050 64 Perfektion

18 Dialoge Technologie

Page 12: Dialoge-Technologiemagazin, Mai 2011

20 21Dialoge Technologie Dialoge Technologie

Innovation als Antrieb Michael Dick ist als Vorstand verantwortlich für die Technische Entwicklung der AUDI AG. Im Interview spricht er über Herausforderungen, neue Kompetenzen und das Ziel der CO₂-neutralen Mobilität.

Zeit der Revolution

Page 13: Dialoge-Technologiemagazin, Mai 2011

22 23Dialoge Technologie Dialoge Technologie

Herr Dick, lange Zeit schien das Auto ‑ mobil ein reifes Technologiefeld

zu sein, auf dem alle wesentlichen Erfindungen längst gemacht sind. Nun aber liegen revolutionäre Umbrüche vor uns.

Michael Dick: Bei uns Automobilentwicklern war der Innovationswille schon immer sehr stark, Stillstand gab es gerade bei Audi wirklich noch nie. Aber es stimmt natürlich: Ich bin seit mehr als 30 Jahren in der Automobilbranche, und noch nie war es so spannend wie jetzt, noch nie so herausfordernd.

Worin liegt die wichtigste Herausforderung?Dick: Entscheidend für die Zukunft ist, wie wir die ge-

sellschaftlichen Veränderungen in der Welt und die enormen Fort-schritte gerade in der Elektrik und Elektronik zu einzigartigen Pro-dukten kombinieren. Nur wenn wir den technologischen Fort schritt auf allen Feldern konsequent nutzen, bei neuen Antriebs formen ebenso wie bei den Möglichkeiten durch Vernetzung von Wissen und Funktionen, können wir eine ressourcenschonende individuelle Mobilität auch für die Zukunft sichern. Und wir gehen diesen Weg konsequent voran.

Wird diese Zukunft vor allem von der Elektromobilität dominiert sein?

Dick: Langfristig ja – wobei die ökologische Gesamt-bilanz erst dann stimmen kann, wenn die E-Fahrzeuge mit regene-rativ erzeugtem Strom betrieben werden. Wichtige Zwischen schrit-te der Elektrifizierung sind die Hybridfahrzeuge. In den nächsten Jahren werden jedoch weiterhin die klassischen Ver bren nungs-motoren dominieren. Des halb werden wir auch hier auf der Ver-brauchs- und Emissionsseite noch deutliche Fortschritte machen. Auch ein Hybrid ist immer nur so gut wie sein Verbrennungsmotor.

e‑tron steht bei Audi für Elektromobilität – aber in den verschiedensten Formen.

Dick: Alle Audi e-tron fahren rein elektrisch, das ist die Gemeinsamkeit. Das können Plug-in-Hybride* sein, die an der Steckdose aufgeladen werden und eine elektrische Reichweite von mindestens 30 bis 50 Kilometer haben – das reicht für viele der täglichen Fahrten. Jenseits dieser Grenzen kann der Kunde mit dem Verbrennungsmotor weiterfahren, in gewohnter Weise und ohne Einschränkungen bei Komfort und Nutzwert. Deshalb glaube ich fest an diese Technologie.

Und das reine Elektroauto?Dick: Batteriebetriebene Fahrzeuge werden von vorn-

herein eine größere Reichweite von mindestens 100 Kilometern schaffen, was die meisten Fahrten im Alltag abdeckt. Insgesamt wird das reine Elektroauto sein Einsatzgebiet in erster Linie in ur-banen Regionen finden. Als besonderes Konzept erproben wir den Audi A1 e-tron dieses Jahr in einem Flottenversuch: Er hat als Range Extender* einen kleinen Verbrennungsmotor an Bord, der mit einem Generator die Batterie unterwegs nachladen kann. Damit bleibt das Auto elektrisch mobil, auch wenn keine Ladestation in der Nähe ist. Mit der Zeit wird der Begriff e-tron für die Elektroautos der Marke Audi dieselbe Bedeutung bekommen, wie sie der Begriff quattro für den Allradantrieb hat.

InterviewHermann Reil

FotosMyrzik und Jarisch

Emotion: Jede Begegnung mit einem der Showcars begeistert den Chef. Schließlich stehen sie als Ideenträger für die Zukunft der Marke.

Präzision: Jedes Detail des Audi e-tron Spyder ist auf das Feinste ausgearbeitet. Das Design von Exterieur und Interieur ist hier eng verbunden.

Audi e-tron Spyder: Konzeptidee für einen offenen Sportwagen mit Mittelmotor und Plug-in-Hybridantrieb.

* Siehe Glossar, S. 204 –207

Page 14: Dialoge-Technologiemagazin, Mai 2011

24 25Dialoge Technologie Dialoge Technologie

Michael Dick: „Mit den Showcars kommunizieren wir unsere Designstrategie. Der aktuelle Audi A3 concept beweist, dass auch ein kompakter Stufenheckwagen wirklich dynamisch aussehen kann.“

Prototyp: Eine solch aufwändige Verbindung von Carbon und poliertem Aluminium ist für ein Serienrad leider – noch – nicht realisierbar.

Gibt es eine Verbindung zwischen e‑tron und quattro?Dick: Natürlich wird es sie geben. Mit dem e-tron quattro

vernetzen wir beide Welten auf intelligente Weise, damit bringen wir die für Audi-typische Dynamik auch in das Elektroauto. Wir ent-wickeln hier ein System, das die Querdynamik von der Traktion trennt und auch bei rein elektrischem Betrieb einen unglaublichen Fahrspaß bringt. Der e-tron quattro kombiniert beste Audi-Gene mit innovativen Technologien – damit wird sich Audi auch in Zukunft deutlich von seinen Wettbewerbern abheben.

Sie waren lange Zeit kein großer Freund des Hybridantriebs. Haben Sie sich inzwischen mit ihm ausgesöhnt?

Dick: Stimmt, frühere Lösungen haben mich nicht über-zeugt. Und selbst heute bleibt der TDI in vielen europäischen Fahr-situationen dem Hybrid in Sachen Verbrauch überlegen. Aber wir haben auf diesem Feld große Fortschritte gemacht und erreichen mit unserem neuen Q5 hybrid sowie den kommenden A6 und A8 hybrid exzellente Leistungs- und Verbrauchswerte. Mit starken Best-in-Class-Argumenten. Dennoch sehe ich den Vollhybrid klar als Übergangs lösung zum Plug-in-Hybrid, der auch an der Steck dose geladen werden kann.

Diesel, Benziner, Hybrid, Elektro – welche Strategie fahren Sie angesichts dieser enormen Breite an Antriebstechnologien?

Dick: Die alternativen Kraftstoffe haben Sie noch ver-gessen, mit denen wir uns ebenfalls intensiv beschäftigen. Für uns ist klar, dass künftige Baureihen all das können müssen. Ab dem Nachfolger des Audi A3 sind in den neuen Modellen alle gängigen Antriebsarten möglich, bis hin zum reinen Elektroantrieb. Ob wir dann auch alle Varianten produzieren, hängt von der Entwicklung der Märkte und natürlich der Kosten ab.

Welche Rolle spielen dabei die klassischen Verbrennungsmotoren, die TDI und TFSI?

Dick: Ganz einfach: die mit Abstand wichtigste. Auf überschaubare Zeit bleibt der Verbrennungsmotor die zentrale Antriebsquelle, gerade wenn wir den globalen Maßstab nehmen. Deshalb werden wir weiterhin intensiv an seiner Effizienz arbeiten. Dabei betrachten wir immer stärker die gesamte Energie kette, von der Erzeugung über die Speicherung bis hin zum Verbrauch im Auto- mobil, ebenso wie die gesamte Prozesskette der Herstel lung eines Autos. Und dann sieht man, dass die Bilanz eines Elektroautos an-gesichts seiner aufwändigen Batterie und des deutschen Strom-mixes noch nicht wirklich überzeugt. Deshalb gehen wir mit Audi balanced mobility neue Wege, um unsere ganzheitliche Strategie, die CO₂-Emissionen zu reduzieren, umzusetzen.

Damit übernehmen Sie als Automobilhersteller ein ganz neues Maß an Verantwortung.

Dick: Unser langfristiges Ziel ist klar – die CO₂-neutrale Mobilität. Natürlich sind wir in erster Linie ein Automobilhersteller, aber wir haben auch eine gesellschaftliche Verantwortung und den-ken bei dem Thema weit über unser Kerngeschäft hinaus. Unter dem Begriff Audi balanced mobility treiben wir innovative Ideen voran. Mit Windkrafträdern, die wir gemeinsam mit unseren Part-nern in der Nordsee bauen, ermöglichen wir, dass unsere e-tron Modelle komplett emissionsfrei fah ren. Der spannendste Teil ist aber sicherlich das Audi e-gas project. Hier wandeln wir den rege-nerativ erzeugten Strom in Wasser stoff und in Methan um, damit können wir unsere künftigen TCNG*-Mo delle betreiben. Das ist ein völlig neuer Ansatz zur Speicherung regenerativer Energie, aber wirklich keine Science-Fiction-Episode: Die Pilotphase des Projekts ist abgeschlossen. Jetzt gehen wir einen Schritt weiter und bauen eine Anlage, um das Methan oder synthetisches Erdgas im indus-triellen Maßstab herzustellen. Übrigens gehört zu einer glaubwürdi-gen CO₂-Strategie auch eine Kernkompetenz von Audi: der Leichtbau.

Wie wirkt sich das aus?Dick: Der neue Audi A6 zeigt mustergültig, wo wir ste-

hen. Er ist leichter und verbraucht weniger als sein Vorgänger, sein höherer Aluminiumanteil zahlt sich bereits nach 5.000 Kilometern aus. Wir haben uns hier hohe Ziele gesetzt: Jede künftige Fahr zeug-generation soll leichter, deutlich leichter, werden als der Vorgänger.

Auf welche Materialien setzen Sie dabei?Dick: Auf den intelligenten Mix! Wir werden die künftigen

Fahrzeuge in hohem Maß werkstoffflexibel bauen. Der Grund satz dabei ist: das richtige Material in der richtigen Menge am rich tigen Platz. Das kann ein intelligenter Mix aus hochfesten Stahl sorten mit Aluminium, Magnesium oder auch Faserverbund werkstoffen sein. Ich begrenze das bewusst nicht auf CFK*, da es hier immer mehr spannende Materialien gibt. Gemeinsam mit der Voith-Gruppe wollen wir die Industrialisierung von faserverstärkten Kunststoffen für die automobile Großserienproduktion vorantreiben.

Ich bin seit mehr als 30 Jahren in der Automobilbranche, und noch nie war es so spannend wie jetzt, noch nie so herausfordernd. Michael Dick

* Siehe Glossar, S. 204 –207

Page 15: Dialoge-Technologiemagazin, Mai 2011

26 27Dialoge Technologie Dialoge Technologie

In einer Zeit mit derart vielen technologischen Umbrüchen brauchen Sie viele neue Kompetenzen im Unternehmen. Wie managen Sie das?

Dick: Die Elektrifizierung ist ein gutes Beispiel: Wir haben heute rund 500 Mitarbeiter in der Technischen Entwicklung, die sich ausschließlich mit Elektromobilität beschäftigen. Etwa die Hälfte davon kommt aus dem eigenen Unternehmen: Kollegen, die sich dafür interessieren und umfassend weitergebildet haben – und ihr Know-how aus ihren früheren Bereichen mitgebracht haben. Die zweite Hälfte haben wir von außen geholt, sie bringen zusätz-liche Kompetenz mit – schließlich ist Audi ein hochattraktiver Ar-beit geber, und das kommt uns sehr zugute. Für die völlige Neu kom-position unserer Antriebstechnik ist das eine gesunde Mischung. Dazu betreiben wir zahlreiche Joint-Ventures für Ent wicklungs-projekte, mit denen wir uns gerade im Software-Bereich eigenes Know-how erarbeiten. Nur so können wir die für Audi typischen Produkteigenschaften zukünftig sichern, nur so wird ein Audi immer ein Audi sein.

Entstehen die wesentlichen Innovationen nur noch aus Elektrik und Elektronik, sind Fortschritte bei den klassischen Eigenschaften eines Autos, beim Lenken, Bremsen, Federn inzwi‑schen an einem Grenzwert angelangt?

Dick: Jeder Grenzwert gilt nur vorübergehend, zu jedem Thema haben wir morgen wieder eine innovative Idee, wie es noch besser geht. Auch bei Fahrdynamik und Komfort, den Kern eigen-schaften jedes Automobils, werden wir deutliche Innovati onen erleben. Meist entstehen sie in der Kombination aus Mechanik und Elektronik. Der e-tron quattro ist so ein Beispiel, unser Ansatz zum querkraftfreien Fahren ist ein weiteres. Damit wird ein völlig neues Fahrerlebnis möglich.

Elektronik und Software sind aber stets die entschei‑denden Stichworte. Wird das Auto zu einem Bestandteil einer voll integrierten und vernetzten „Second World“?

Dick: Unter dem Begriff Audi connect ist das ein we-sentlicher Teil unserer Produktstrategie. Jeder Audi wird umfas-send mit seiner Umwelt vernetzt sein, nicht nur mit dem Internet, auch mit dem Smartphone des Besitzers, mit anderen Fahrzeugen, Park häusern und Infrastrukturkomponenten wie etwa Ampeln. Diese Vernetzung macht den Verkehr sicherer, aber auch flüssiger, und senkt damit den CO₂-Ausstoß.

Die Zahl der Funktionen und Möglichkeiten wächst ständig. Bleibt das für den Fahrer überhaupt noch bedienbar?

Dick: Reduktion, Vereinfachung, Klarheit – das sind für mich die Stichworte, um die Interieur- und Bedienkonzepte der Zukunft zu beschreiben. Zentrale Schnittstelle bleibt bei Audi das Multi Media Interface MMI*, das für künftige Generationen inten-siv weiterentwickelt wird. Unser einzigartiges Touchpad ist hier ein zentrales Thema, frei programmierbare Displays sind ein anderes. Es gibt auch durchaus die Möglichkeit, zwischen den einzelnen Modellreihen stärker zu differenzieren: Audi TT oder R8 sind puri-stische Fahrmaschinen, während ein A6 oder ein A8 ein breiteres Spektrum zeigen. Wir dürfen bei all unserem Innovationswillen nie vergessen, welche Bedeutung die einzelnen Funktionen für unsere Kunden haben. So findet der WLAN*-Hotspot im A6, A7 und A8 enor me Zustimmung. Dasselbe wird mit der neuen Audi Verkehrs-information online passieren. Das sind Innovationen, deren Wert für jeden Kunden sofort erlebbar ist.

Welche Funktion haben die Audi Showcars für Sie?Dick: In erster Linie kommunizieren wir mit ihnen un-

sere Designstrategie. Der Audi Nuvolari quattro aus dem Jahr 2003 ist einer der Urväter unserer aktuellen Designlinie – und damit auch einer der Meilensteine unseres großen Erfolgs. Der aktuelle Audi A3 concept zeigt die Weiterentwicklung in naher Zukunft: Er be-weist, dass ein kompakter Stufenheckwagen wirklich dynamisch aussehen kann. Der Audi e-tron Spyder geht ein paar Schritte wei-ter: Eine reduzierte Fahrmaschine mit einer neuen Verbindung von Exterieur- und Interieur-Design. Doch nicht nur die Form wird einen Audi auch in Zukunft klar vom Wettbewerb unterscheiden, der Innenraum in Manufaktur-Qualität und unser gesamter Vorsprung durch Technik gehören ebenso zu den Audi-Genen.

Hochwertig: Sichtbares Carbon wird neben Aluminium immer mehr zum Designelement. Beim Interieur setzt Michael Dick auf Reduktion und Klarheit.

Michael Dick: „Der Audi Nuvolari quattro aus dem Jahr 2003 ist einer der Urväter unserer aktuellen Designlinie – und damit auch einer der Meilensteine unseres großen Erfolgs.“

* Siehe Glossar, S. 204 –207

Page 16: Dialoge-Technologiemagazin, Mai 2011

28 29Dialoge Technologie Dialoge Technologie

Hinterachs-Radträger Die Hinterachs-Radträger des Audi A4 entstehen im Aluminium-Kokillengussverfahren. Eine optimierte Topologie (oben) macht sie deutlich leichter – so funktioniert geometrischer Leichtbau.

Leichte Kunst Jedes Gramm zählt Leichtbau ist bei Audi ein fundamentales Prinzip, eine Geisteshaltung. Nicht nur in der Karosserie, sondern im ganzen Fahrzeug kämpfen die Entwickler gegen jedes unnötige Gramm Gewicht.

AudioverstärkerEin intelligentes Kühlkonzept reduziert beim neuen Verstärker (unten) die Anzahl der Kühlrippen – ein Paradebeispiel für konstruktiven Leichtbau.

– 124 g – 1.500 g

Page 17: Dialoge-Technologiemagazin, Mai 2011

30 31Dialoge Technologie Dialoge Technologie

Verkleidung A-Säule Halter SekundärluftpumpeBei der A-Säulen-Verkleidung (links) kommt ein neues Herstellungsverfahren zum Einsatz, bei dem der Kunststoff mit Luft aufgeschäumt wird. Im gesamten Interieur lässt sich bei allen Verkleidungen mit stofflichem Leichtbau ein Kilogramm Gewicht sparen.

Die Sekundärluftpumpe sorgt dafür, dass der Motor nach dem Kaltstart rasch auf Betriebstemperatur kommt. Ihr neuer Halter (oben) besteht nur noch aus einem gebogenen Teil statt aus zwei miteinander verschweißten Komponenten.

– 30 g – 116 g

Page 18: Dialoge-Technologiemagazin, Mai 2011

32 33Dialoge Technologie Dialoge Technologie

Tunnel-Querträger Vorderachs-RadnabeDer Audi A8 hat einen Tunnel-Querträger, der die tiptronic an ihrem hinteren Ende abstützt. Beim V8 TDI (oben) besteht das Bauteil aus ultraleichtem Magnesium, bei allen anderen Motorisierungen aus Aluminium.

Warum muss eine Radnabe eigentlich kreisrund sein? Die intelligente Optimierung im Detail (links) spart Gewicht.

– 800 g – 200 g

Page 19: Dialoge-Technologiemagazin, Mai 2011

34 35Dialoge Technologie Dialoge Technologie

Experten im Dialog: Dr. Lutz-Eike Elend, Lei-ter Audi-Leichtbauzentrum, und Heinz Hol-

ler weger, Leiter Entwicklung Gesamtfahrzeug, über Leichtbau in der Karosserie und im ganzen Auto.

Audi ist seit vielen Jahren die führende Marke beim Leichtbau. Was macht dieses Thema so wichtig?

Heinz Hollerweger: Der Leichtbau beeinflusst viele Ei-genschaften, die für unsere Kunden großen Wert haben. Leichtbau bedeutet Agilität, Wendigkeit und Schnelligkeit, und er bedeutet weniger Kraftstoffverbrauch – 100 Kilogramm Gewicht machen 0,3 bis 0,5 Liter pro 100 km aus. Mit gezieltem Leichtbau nehmen wir Einfluss auf die Verteilung der Gewichte im Fahrzeug und auf die Schwerpunkthöhe.

Bis vor kurzem sind auch bei Audi viele Modelle tendenziell schwerer geworden. Warum?

Dr. Lutz-Eike Elend: Der wichtigste Treiber dafür waren neben den gestiegenen Komfortwünschen unserer Kunden die ver-schärften Sicherheitsanforderungen. Insbesondere für die Crash-tests mussten wir in den Zonen, die Energie aufnehmen, die Struk-turen entsprechend dimensionieren.

Hollerweger: Dazu kamen noch die weiteren gesetz-lichen Regulierungen mitsamt der Abgasgesetzgebung. Heute gehen wir jedoch davon aus, dass der Anstieg durch die Vorschriften gestoppt ist. Man holt nur noch wenig Sicherheitszuwachs durch Gewicht, aber sehr viel durch aktive Sicherheit – durch Sensoren, die Unfälle vermeiden können.

Beim neuen A6 ist das Gewicht im Vergleich zum Vorgängermodell um bis zu 80 Kilogramm gesunken – auch wegen der vielen Aluminium‑Teile in der Karosserie. Welche Rolle spielt die Karosserie beim Leichtbau?

Hollerweger: Sie ist der Ausgangspunkt aller Initia-tiven, sie setzt eine ganze Spirale in Gang. Eine leichtere Karosserie ermöglicht kleinere Bremsen und leichtere Fahrwerks kom ponen-ten. Wenn das Fahrzeug leichter ist, können wir die Motoren und die Getriebe etwas verkleinern. Dadurch werden die Crashlasten geringer, und wir können die Karosserie noch einmal leichter aus-legen – so dreht sich die Spirale immer weiter nach unten.

Dr. Elend: Alle Kollegen haben beim A6 den stofflichen und den konstruktiven Leichtbau weiter optimiert. Die Federbein-stützen im Vorderwagen sind für beide Themen ein gutes Beispiel. Beim Vorgängermodell waren sie noch aus je zehn Stahlteilen zu-sammengeschweißt. Jetzt haben wir sie durch ein Aluminium-Guss-bauteil ersetzt und dadurch pro Auto zehn Kilogramm Gewicht eingespart. Und wir konnten Teile des Fahrwerks direkt an den Fe-der beintopf anbinden – eine neuartige Funktionsintegration.

Hollerweger: Wir haben uns in der ganzen Karosserie die Lastpfade beim Crash genau angeschaut. Wir haben sie in der Geo metrie optimiert, so dass sie möglichst gerade verlaufen, um die Lasten gut zu verteilen. Dafür verwenden wir in der Regel form-gehärtete Stähle mit einer Festigkeit bis 1.500 Megapascal, sie bringen uns durch ihre geringeren Wandstärken zusätzliche Ge-wichts einsparungen.

TextJohannes Köbler

FotosMyrzik und Jarisch

Dr. Lutz-Eike Elend, Leiter Audi-Leichtbauzentrum:„Wir kombinieren die Werkstoffwelten miteinander.“

Heinz Hollerweger, Leiter Entwicklung Gesamtfahrzeug: „Leichtbau ist eine Geisteshaltung bei Audi.“

Der neue A6 steht schon für den nächsten großen Schritt von Audi im Karosseriebau, für den Übergang zum Multimaterial Space Frame. Was bedeutet der Begriff?

Dr. Elend: Der Space Frame, den wir für unsere Alu mi-niumkarosserien entwickelt haben, zeichnet sich dadurch aus, dass wir Strangpressprofile momentensteif in Gussknoten einbinden und die Flächen mit Blechen schließen und aussteifen. Das bringt eine hohe Karosseriesteifigkeit, die wiederum das Maß für Präzi-sion, Sportlichkeit und Komfort ist. Diese Space Frame-Bauweise haben wir jetzt beim neuen A6, dessen Zelle überwiegend aus Stahlblech besteht, adaptiert.

Bislang hatten die Aluminium‑ und Stahlkarosserien von Audi nur wenig Gemeinsamkeiten. Endet diese Trennung jetzt beim Multimaterial Space Frame?

Dr. Elend: Wir stellen uns bei allen Baureihen breiter auf. Auch der A8 hat keinen reinen Aluminium-Space Frame mehr, seine B-Säulen bestehen aus formgehärtetem Stahl. Wir kombinie ren die Werkstoffwelten immer stärker miteinander mit dem Ziel, die Space Frame-Bauweise nach und nach in die Großserie zu bringen.

Hollerweger: Wir stellen uns grundsätzlich bei jedem Bauteil die Frage, wie wir es leichter machen können. Für uns ist kein Werkstoff der allein selig machende – wir setzen an jeder Stelle das richtige Material für die richtige Funktion ein. Die Materialien entwickeln sich mit hoher Geschwindigkeit weiter. Wir haben schon heute einen bunten Mix aus Stahl in unterschiedlichen Festig keits-klassen, Aluminium in den verschiedensten Legierungen, Magne-sium, Kunststoffen und Glas.

Welche Materialien besitzen das größte Leichtbaupotenzial für die Zukunft?

Dr. Elend: Wir denken in alle Richtungen – ein großer Teil unseres Könnens liegt in der sicheren Prognose, hier verschaf-fen uns unsere virtuellen Methoden einen Vorsprung. Generell se-hen wir sehr großes Potenzial in Faserverbund-Kunststoffen*. Mo-mentan setzen wir bei einigen Fahrzeugen Kohlenstofffasern ein, aber wir schauen uns viele synthetische Materialien bis zu Natur-fasern an. Ein wichtiger Aspekt dabei ist immer die Gesamt ener-gie bilanz des Werkstoffs.

Hollerweger: Die Betrachtung der ganzen Kette ist si-cherlich eine unserer Stärken. Welche Energie ist bei der Erst her-stellung nötig, wie kann ich das Material am Ende wieder recyceln? Erst wenn der Werkstoff über den Betrieb eine Einsparung gegen-über der Herstellung aufweist, ist der Leichtbau sinnvoll. CFK* zum Beispiel verursacht in der Produktion einen deutlich höheren Ener-gie aufwand als Stahl oder Aluminium, und man weiß noch immer nicht genau, wie man es recyceln soll. Aus genau diesem Grund gibt es den starken Aluminium-Bezug bei Audi.

Leichtbau ist bei Audi aber auch viel mehr als Materialkunde…

Dr. Elend: Bei der Vielseitigkeit, mit der wir an unseren Projekten arbeiten, taucht immer wieder die Frage auf, wie wir die einzelnen Werkstoffe zusammenbringen. Gerade im Karosserie-bereich ist die Verbin dungstechnik eine Schlüsseltechnologie. Hier besitzt Audi eine lange Tradition und einen entsprechenden Erfah-rungsvorsprung. Er folgreicher Leichtbau ist immer Teamwork, er be ginnt dann, wenn jeder weiß, was er mit seinem Projekt beim Nachbarn an Leicht bau-Chancen eröffnet. Das ist eine Geistes hal-tung in diesem Unternehmen, sie steckt in den Genen von Audi und in unserer Mann schaft.

Wo können Sie außerhalb der Karosserie noch Gewicht sparen?

Hollerweger: Das Downsizing* der Motoren kann eine Initialzündung darstellen. Im Antriebsbereich haben wir einen Mix aus Grauguss-, Aluminium- und Magnesiumwerkstoffen, den wir kontinuierlich weiterentwickeln. Auch hier sind künftig Faser ver-bund-Werkstoffe denkbar, etwa Kunststoffe für Ölpumpen ge-häuse. Bei den Aggregaten und den Rädern erzielen wir besonders große Effekte, wenn wir die rotatorischen Massen mit ihren Träg-heitsmomenten verringern. Auch im Innenraum können wir uns Faserverbund-Materialien gut vorstellen, etwa bei den Sitzstruk-turen. Und bei der Elektronik hilft uns die zunehmende Vernetzung und Integration der Bauteile und der Sensorik.

Das klingt so, als ob die nächsten Modelle von Audi deutlich leichter werden könnten.

Hollerweger: Ja, das wird so sein. Die Gewichts redu zie-rungen werden unterschiedlich groß ausfallen, bei einem wichtigen Volumenmodell streben wir eine Dimension von zehn Prozent an.

Und die elektrischen Antriebe der Zukunft?Hollerweger: Die stellen uns vor neue Heraus forde-

rungen. Mit den Batterien werden die Gewichte zunächst einmal steigen. Bei einem reinen Elektroauto sparen wir uns zwar den Ver-brennungsmotor, aber die E-Maschine kann durchaus die Hälfte seines Gewichts haben. Und die Batterie wiegt locker mal 160, 170 Kilogramm. Umso mehr müssen wir uns bei den konventionellen Bauteilen anstrengen.

Dr. Elend: Die neuen Antriebskonzepte bieten uns die Chance für eine revolutionär neue Architektur und eine neue Kon-struk tion, deshalb nehmen wir uns die Karosserie noch einmal im Detail vor. Wir lösen uns von dem Gedanken, Längsträger struk tu-ren immer als Profile auszuführen und denken darüber nach, wie wir Steifigkeit über neue Formen schaffen können. Die neuen faserver-stärkten Werkstoffe bieten uns hier große Gestaltungs freiheit.

Hat die Zukunft des Leichtbaus bei Ihnen schon einen Namen?

Hollerweger: Den hat sie. Leichtbau heißt bei uns Audi ultra – der Begriff steht für den Audi-Weg als Speerspitze des Leicht baus.

DomstrebenDie rechte der beiden Domstreben im Motorraum ist erheblich leichter als die linke – sie besteht aus einem umgeformten Aluminiumprofil.

– 500 g

Erleben Sie Audi-Leichtbau interaktiv und in 3D.Nehmen Sie den Marker, der dem Dialoge Magazin beigefügt ist, laden Sie die Applikation herunter und erleben Sie den Leichtbau neu mit Augmented Reality.

* Siehe Glossar, S. 204 –207

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balanced mobilitybalanced mobility

36 37Dialoge Technologie Dialoge Technologie

Reiner Mangold, der Leiter des Audi e-gas projects: „Überschüssigen Öko-Strom nutzen und CO₂ in Kraftstoff wandeln – diese Idee hat großes Potenzial.“

Mobilität im Gleichgewicht Audi bricht zu neuen Ufern auf. Das Unternehmen strebt eine Führungsrolle beim nachhaltigen Umgang mit den natürlichen Ressourcen an, mit dem großen Ziel der CO₂-neutralen Mobilität.

Der zweite Baustein des Projekts ist die e-gas-Anlage. Die weltweit erste Anlage ihrer Art soll voraussichtlich 2013 in Werlte (Emsland) in Betrieb gehen und bis zu 6,3 MW Windstrom nutzen können. Die e-gas-Anlage besteht aus zwei Haupt kom po-nenten; die erste von ihnen ist der Elektrolyseur. Mit sauberem Strom – also auch mit dem Strom der nahe gelegenen Audi-Wind-räder – spaltet er Wasser in seine beiden Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff auf.

Der Wasserstoff kann als Antrieb für Brennstoffzellen-Fahrzeuge wie dem Audi Q5 HFC dienen, die heute allerdings noch nicht serienreif sind. Vorerst wird er deshalb nicht direkt genutzt – stattdessen gelangt er über einen Speichertank zur Methani sie-rungsanlage, wo er katalytisch mit Kohlenstoffdioxid (CO₂) zu Me-than verbunden wird. Der Prozess ist an eine Abfall-Biogasan lage des Energieversorgers EWE gekoppelt; von ihr stammt das zur Methanisierung notwendige CO₂, das sonst in die Atmosphäre ge-langen würde. Pro Jahr kann die geplante Anlage etwa 1.000 Tonnen Methan produzieren und dabei 2.800 Tonnen CO₂ binden.

Wenn Reiner Mangold über das e-gas pro-ject von Audi spricht, spürt man die Faszi-

nation, die er dafür empfindet. „Stellen Sie sich eine Kette von Energieträgern vor, die mit Windkraft beginnt, also mit regenera-tiver Energie“, erklärt der Leiter des Projekts. „Am Ende dieser Kette werden wir Strom, Was ser stoff und Methangas erzeugen – die Treibstoffe für unsere Autos. Und dann stellen Sie sich noch vor, dass unsere Technologie zusätzlich das Potenzial besitzt, das Problem der Speicherung von Wind- und Solarstrom zu lösen, die ja leider nicht immer genau dann ver fügbar sind, wenn sie ge-braucht werden.“

Unter dem Schlagwort Audi balanced mobility bricht das Unternehmen zu neuen Ufern auf – es will eine Führungsrolle beim nachhaltigen Umgang mit den natürlichen Ressourcen über-nehmen, mit dem großen Ziel der CO₂-neutralen Mobilität. Rupert Stadler, Vor sitzender des Vorstands der AUDI AG, umreißt die Auf-gabe so: „Audi balanced mobility bedeutet: Mobilität im Gleich-gewicht – mit dem Menschen, mit seinen neuen Werten und mit der Umwelt. Audi balanced mobility steht für den Ausgleich zwi-schen der Ökonomie und der Ökologie.“

Das Audi e-gas project wird ein Meilenstein auf diesem Weg. Mangolds Kollege Reinhard Otten erklärt das Konzept: „Der erste große Baustein im Audi e-gas project sind die Windräder. Wir investieren in vier große Anlagen in einem Offshore-Windpark in der Nordsee.“ Die Windräder leisten je 3,6 Megawatt und können im Jahr etwa 53 GWh Strom erzeugen. Mit einem Teil davon lassen sich 1.000 A1 e-tron herstellen und beispielsweise jeweils 10.000 km pro Jahr betreiben – nach der von Audi-Chef Rupert Stadler formu-lierten Maxime: „Unsere e-tron Modelle werden mit nachhaltig erzeugtem Strom fahren.“

TextJohannes Köbler

FotosMyrzik und Jarisch

Von der Natur abgeschaut: Aus CO₂ wird Sauerstoff und chemisch gebundene Energie.

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CH₄

1 min 300 kmZiel:

e-tron Modelle von Audi werden mit sauberem Öko-Strom betrieben.

Natürliche Power: Unterm Strich genügt eine Minute Wind für 300 km Strecke mit dem A1 e-tron.

Endprodukt Methan: Ein brennbares Gas mit hohem Energieinhalt.

1Windenergie: Große Offshore-Windräder produzieren sauberen Strom.

2Stromnetz: Ein Teil des Windstroms fließt aus dem Netz in den Betrieb der e-gas-Anlage.

3Wasserstoffherstellung: Im ersten Schritt wird Wasser (H₂O) per Elektrolyse in Wasserstoff (H₂) und Sauerstoff (O₂) gespalten.

4e-gas-Herstellung:Im zweiten Schritt produziert die Anlage aus Wasserstoff und CO₂ Methan.

5e-gas-Speicherung: Das Methan aus der Anlage wird ins öffentliche Erdgasnetz geleitet.

1Windenergie: Die Offshore-Windräder von Audi produzieren sauberen Strom – rund 50 Millionen Kilowattstunden pro Jahr.

2Stromnetz: Der Windstrom wird ins öffentliche Netz eingespeist und dort verteilt.

3Ladestation: Eine intelligente Ladestrategie stabilisiert beim Aufladen des A1 e-tron das Stromnetz.

6e-gas-Tankstelle: 1.500 Audi A3 TCNG können pro Jahr je 15.000 km mit e-gas fahren.

7Audi A3 TCNG: Jedes Gramm CO₂, das vom A3 TCNG emittiert wird, ist vorher bei der e-gas-Herstellung gebunden worden.

O₂

Das Audi e-gas project Das Vorhaben ist ein zentraler Baustein von Audi balanced mobility. Audi baut eine neuartige Kette von Energieträgern auf – aus Windkraft entstehen Strom, Wasserstoff und Methan.

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Information Audi und die Umwelt

Wasserstoff- und e-gas-Herstellung Die e-gas-Anlage besteht aus zwei Hauptkomponenten. Der Elektrolyseur stellt Wasserstoff her, die nachgeschaltete Methanisierungs-anlage produziert das e-gas.

Elektrolyse: Das Wasser (H₂O) im Tank wird in seine Bestandteile Sauerstoff (O₂) und Wasserstoff (H₂) gespalten. Der Prozess läuft mit Öko-Strom ab.

Audi-Ingenieur Uwe Heil: „Die Umweltbilanz muss für den gesamten Lebenszyklus eines Fahrzeugs stimmen.“

Audi-Ingenieur Reinhard Otten: „Das e-gas project kann viele Probleme der nachhaltigen Energiewirtschaft lösen.“

Audi nimmt seine Verantwortung für den schonenden Um gang mit den natürlichen Ressourcen sehr ernst. Neben dem e-gas project stehen viele weitere Umwelt-Aktivitäten – sie decken alle Aspekte der automobilen Wert schöp fungskette ab und gehen sogar darüber hinaus.

Audi betreibt eine eigene Umweltstiftung und hat in der Nähe seiner Standorte Wälder gepflanzt, um gemeinsam mit Partnern aus der Wissenschaft die CO₂-Umwandlung in Bäumen zu erforschen. Zudem ist das Unternehmen Assoziierter Partner des internationalen Konsortiums Desertec Industrial Initiative, das in den Wüsten Nord afrikas und des Nahen Ostens Solarstrom produzieren will.

Audi betrachtet jeden einzelnen Arbeitsschritt, der im Unternehmen stattfindet, im großen Zusammenhang. Schon bei der Entwicklung der Fahrzeuge haben die Inge nieure die Ökologie fest im Blick. Das gilt für die Einzelteile und ihren Zu sammenbau, aber auch für die Effizienz der Fertigungs pro zesse, die Energie-ver sorgung der Anlagen, die Wasserkreisläufe in den Werken und die Ab läufe der Logistik. Die Photovoltaik-Anlagen, die auf vielen Hallen dächern Strom produzieren, schonen die Res sourcen eben-so wie die Autozüge zum Nordsee-Verladehafen Emden, die von Öko-Strom angetrieben werden.

Etwa 70 Prozent der Emissionen, die ein Auto im Lauf seines Lebens verursacht, fallen im Betrieb an, deshalb arbeitet Audi daran, den Verbrauch immer weiter zu senken. Die TDI- und TFSI-Motoren – beides Entwicklungen der Marke –, die automa-tischen Getriebe und der Modulare Effizienz baukasten bergen hier noch große Potenziale. Das Stichwort Audi connect bezeich-net die Vernetzung der Fahrzeuge mit der Umwelt; sie kann den Verkehr flüssiger machen und Staus mindern.

Die Leichtbau technologien – gebündelt unter dem Begriff ultra – tragen ebenfalls stark zur guten Umweltbilanz bei. „Leichtigkeit ist bei uns kein Selbstzweck, vielmehr muss die Umwelt bilanz für den gesamten Lebenszyklus eines Fahrzeugs stimmen“, erklärt Uwe Heil, ein weiterer Kollege Mangolds. „Beim neu en Audi A6 integriert die Karosserie viele Bauteile aus Alu -mi nium. Wir haben für ihn eine Umweltbilanz erstellt, die alle Pro zessschritte einbezieht, von der Her stellung der Werkstoffe über die Bauteilferti gung und die Kraftstoffe bis zum Recycling. Unterm Strich sehen wir, dass sich der Leichtbauaufwand zusam-men mit weiteren Effi zienz maß nahmen schon nach weniger als 5.000 Kilo metern Strecke auszahlt, verglichen mit dem Vor-gänger modell. Die Treib haus emis sionen des neuen A6 sind um 13 Prozent gesunken.“

Langfristig werden sich die Erwartungen der Kun den im mer weiter differenzieren – deshalb fächert Audi sein Port folio mehr und mehr auf. Zu den Verbrennungs motoren von heute kommen die speziell angepassten TCNG-Aggre gate; die Biokraft-stoffe der zweiten Ge neration werden eine CO₂-Reduzierung auch bei den anderen Motoren bringen. In diesem Jahr startet Audi den Verkauf seiner Hybrid fahrzeuge wie dem Q5 hybrid quattro. Die e-tron Mo delle, die längere Strecken rein elektrisch fahren kön-nen, folgen wenig später. All diese Innovationen sind Mosaik-steinchen in einem großen Bild der Zukunft – dem Konzept der CO₂-neutralen Mobilität.

Die Zukunft der Energieversorgung in Deutschland ge-hört den erneuerbaren Energien. Ihre Produktion unterliegt jedoch naturbedingten Schwankungen, die sich immer weniger kompen-sieren lassen, je mehr der Anteil an der Stromproduktion wächst. Das Konzept der Methanisierung mithilfe regenerativer Energie löst das Problem: Das Stromnetz wird mit dem unterirdischen Gas-netz gekoppelt, und dort lassen sich die Übe rkapa zitäten monate-lang speichern. Das Potenzial des Gasnetzes beträgt gewaltige 217 Terawattstunden (TWh); Stromspeicher können heute lediglich 0,04 TWh speichern. Aus dem Gasnetz lässt sich die Energie durch Rückverstromung bei Bedarf jederzeit ins Stromnetz zurückführen.

„Unsere e-gas-Technologie hat das Potenzial, der Dis-kussion über den Ausbau erneuerbarer Energien eine neue Rich-tung zu geben“, sagt Michael Dick, Vorstand für den Geschäfts be-reich Technische Entwicklung. „Wir ergreifen hier selbst die Ini tia-tive und ergänzen die E-Mobilität durch ein ebenso klimafreund-liches Konzept für die Langstrecke.“

Audi hat die Projektierungsphase des e-gas project ab-geschlossen; jetzt folgen das Engineering und die Bauplanung. Das Unternehmen hat vor, einen hohen zweistelligen Millionenbetrag in den Standort im Emsland und in die Windkraftanlagen zu inves-tieren. Als Projektpartner fungieren der Anlagenbauer SolarFuel, das Zentrum für Sonnenenergie und Wasserstoff-Forschung (ZSW) in Stuttgart sowie das Fraun hofer Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) in Kassel. Diese drei Partner haben gemeinsam den Prototypen der Methanisierungsanlage entwickelt und die Bedeutung der Tech nologie für das Energiesystem durch umfassende Simu lationen nachgewiesen.

Im Januar 2011 hat Audi vor Ort eine kleine Laboranlage mit 25 kW Leistung getestet. Sie konnte auf Anhieb aus CO₂-hal-tigen Abgasen synthetisches Methan in Erdgas-Qualität herstellen – der neue klimaneutrale Treibstoff e-gas war geboren. Er eignet sich für die zukünftigen Erdgas-Fahrzeuge von Audi wie den A3 TCNG*, der 2013 auf den Markt kommen soll.

Das Methan wird in das deutsche Erdgasnetz und somit in das CNG-Tankstellennetz eingespeist und ersetzt dort fossiles Import-Erdgas. 1.500 A3 TCNG können mit der erwarteten Gas-menge aus der Pilotanlage in Werlte jeweils 15.000 km pro Jahr fahren; dabei bleiben noch 150 Tonnen e-gas übrig. Sie können im öffentlichen Netz gespeichert und bei Bedarf von anderen Ver-brauchern genutzt werden – zum Beispiel von Blockheiz kraft wer-ken, die damit an Tagen mit wenig Wind und Sonne Öko-Strom und Wärme produzieren.

Die Bilanz des Audi e-gas project ist hochattraktiv: Am Ende der sauberen Energieträger-Kette stehen weit über 30 Milli-onen Kilometer klimaneutrale Fahrstrecke pro Jahr für die neuen e-tron- und TCNG-Modelle. Reinhard Otten denkt bereits einen Schritt weiter. „Das Faszinierendste am Audi e-gas project ist für mich, dass es nicht nur klimaschonende Mobilität ermöglicht, sondern zugleich offene Probleme der nachhaltigen Energie wirt-schaft lösen kann“, sagt der Audi-Ingenieur.

„Öko-Strom, Wasserstoff und Methan sind wichtige Energieträger für unser Leben im 21. Jahrhundert und ganz beson-ders für die Mobilität der Zukunft“, führt Otten aus. „Mittelfristig kann die e-gas-Technologie eine Energieversorgungsstruktur eta-blieren, die zu 100 Prozent regenerativ und dabei hochflexibel ist. In ihr werden sich die Anteile der drei Energieträger nach Bedarf austarieren lassen.“

Methanisierung: Der Wasserstoff (H₂) wird thermo- chemisch mit Kohlenstoffdioxid (CO₂) zu Methan (CH₄) verknüpft. Als Nebenprodukt entsteht Wasser.

* Siehe Glossar, S. 204 –207

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Vorbild: Vom Verhalten der Schwarmtiere lässt sich viel auf den Straßenverkehr übertragen, sind sich Roman Schindelmaister und Jens Krause einig.

Krause: Bereits 15 bis 30 Individuen, die Infor ma tio nen austauschen, können ein „kompetentes“ Netzwerk bilden. Es reichen ein paar Individuen innerhalb einer Gruppe aus, um einen neuen Impuls zu setzen, etwa fünf bis zehn Prozent. Ent schei dend ist außer-dem die Fläche, über die benutzerrelevante Infor mationen ge sam-melt werden. Nehmen wir das Beispiel Innenstadt oder eine noch kleinere Zone: Da benötigt man nicht viele Fahr zeu ge, um hilfreiche Information zu sammeln und auszutauschen.

Schindlmaister: Genau solche Fälle sind bei uns ein The-ma. Wenn ich in München unterwegs bin, interessiert es mich nicht, ob in Düsseldorf oder in Berlin jemand im Stau steht. Wir denken also auch in Räumen. In unserem Projekt travolution geben Ampeln Informationen an Fahrzeuge ab, die für Car-to-X-Kom mu ni kation ausgerüstet sind. Wir haben festgestellt, dass nur fünf bis zehn Pro zent aller Autos über Infor mationen verfügen müssen, um die restlichen Fahrzeuge in einen optimalen Ver kehrs fluss zu bringen.

Krause: Der Vorteil Ihres Systems ist auch, dass die Information in Echtzeit mit anderen Autos ausgetauscht wird. Bei Fischen dauert eine Entscheidung in der Regel umso länger, je mehr Individuen an dem Entscheidungsprozess teilnehmen. Dieser Fak-tor Zeit fällt bei einem elektronischen Netz nicht an. Das System ver arbeitet die Informationen extrem schnell. So entsteht ein in-telligentes Netzwerk. Solche Strukturen sind extrem robust, flexi-bel und erlauben ein ständiges Update. Das sind wesentliche Fak-toren von Schwarmintelligenz, die enormes Potenzial freisetzen.

Schindlmaister: Unter den Autofahrern gibt es zöger-liche und eher forsche Charaktere. Können Sie das bei Fischen im Schwarm auch feststellen?

Krause: Ja, auf jeden Fall. Schwarmintelligenz speist sich zu einem guten Teil aus Diversität. Es gibt explorative, risikofreu-dige und risikoscheue Fische. Wir finden in unseren Schwärmen eindeutige Hinweise auf Persönlichkeitsmerkmale. Häufig macht erst die Verknüpfung verschiedener Individuen die Gruppenleistung besonders stark. Die beiden wichtigen Quellen für Schwarm intelli-genz sind das unabhängige Sammeln von Informationen und die Kombination diverser Individuen.

TextLisa Füting

FotosMyrzik und Jarisch

Roman Schindlmaister: Bei Audi ver knüp-fen wir mittels verschiedener Kommuni ka ti-

onskanäle Fahr zeuge miteinander oder mit der Umwelt. Die neue Audi Ver kehrs infor mation online oder das Pilotprojekt travolution sind erste Beispiele dafür. Ziel des vernetzten Autos ist es, dass un-sere Kunden sicherer, schneller, komfortabler und effizienter voran-kommen. Können wir hier schon von Schwarmintelligenz sprechen?

Jens Krause: Ich habe gerade wieder mit einem Robo ter-forscher und einem theoretischen Biologen zusammengesessen, um den Begriff der Schwarmintelligenz zu definieren. Wir stoßen da bei immer wieder auf Abgrenzungsprobleme. Die Frage ist, wann Kollektivität besonders intelligent wird. Nicht alles, was kollektiv geschieht, ist notwendigerweise schwarmintelligent. Es gibt viele Situationen, in denen die Menge etwas tut, das unter dem Durch-schnitts niveau des Einzelnen liegt. Das geschieht, wenn wir den Kopf abschalten und uns blind der Gruppe anschließen.

Die Kommunikation von Fahrzeugen kann ein Netzwerk erzeugen, das eine wesentlich effizientere Navigation des einzel-nen erlaubt. Die Gruppe ermöglicht etwas, das der Einzelne nicht kann. Für einen Biologen erfüllt das die Definitionskriterien von Schwarm intelligenz.

Schindlmaister: Es wird natürlich dauern, bis es Autos mit Car-to-X-Kommunikation* in größeren Stück zahlen gibt. Des halb stellt sich die Frage, wie viele Autos mit der Mög lich keit zur Ver-netzung ausgerüstet sein müssen. Wie viele Infor mations quellen benötigen wir, damit der Kunde im Ver kehr einen Nutzen durch die Kommunikation hat? Wie ist das bei einem Fisch schwarm?

Mehr als Schwärmerei Sind alle zusammen klüger als jeder einzeln? Nicht immer, aber das Verhalten von Tierschwärmen ist Vorbild für die kommende Vernetzung von Fahrzeugen. Professor Jens Krause, Fischökologe in Berlin, und Roman Schindlmaister, bei Audi verantwortlich für Fahrzeugkonzepte, im Dialog über Schwarmintelligenz bei Fischen und bei Automobilen. Fo

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* Siehe Glossar, S. 204 –207

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Schindlmaister: Sie sprechen einen wichtigen Punkt an, den Aspekt des Persönlichen – wie fühle ich mich als Ind i viduum? Für uns ist die oberste Maxime, dass immer der Fahrer die Herrschaft über das Fahrzeug haben wird. Wir sehen diese Systeme in erster Linie als Assistenzsysteme. Ich halte es für falsch, dem Kunden die Verantwortung abzunehmen. Die Technologie muss immer unter-stützend sein, und das Fahren soll Spaß machen. Aber: Wer ent-scheidet in einem Fischschwarm?

Krause: Fische, die vorne oder in der Peripherie sind, haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, etwas aus der Umwelt zu sehen. Daher vollziehen diese eher eine Richtungsänderung. Andere reagieren darauf. Das heißt, derjenige, der als Erster etwas Neues macht, ist im Besitz von exklusiven Informationen. Indem er diese an die anderen weitergibt, kann die gesamte Gruppe einem Hin der-nis ausweichen und wird zum intelligenten Schwarm.

Schindlmaister: Verkehrssituationen verändern sich sehr schnell. Ich denke an ein Stauende, das plötzlich ent steht oder nach hinten wandert. Es ist sehr schwierig, von zentraler Stelle Informationen über die Lage des Stauendes zu bekommen. Es ge-nügen aber wenige vernetzte Fahrzeuge im Stau selbst, um das Ende genau festlegen zu können. Die Information kann weiterge-geben werden und so nachfolgende Fahrzeuge warnen.

Krause: In diesem Fall ist sicherlich auch relevant, wie hoch der Anteil der Fahrzeuge in einem Stau ist, die solche Infor-ma ti o nen besitzen.

Schindlmaister: Gerade das Thema Stauende -Warnung können wir mit relativ wenigen Autos ausmachen. Mit ein bis drei Prozent haben wir ein Stauende bereits im Griff.

Krause: Und damit können Sie einen echten Sicher-heitsgewinn schaffen.

Schindlmaister: Eine Ampelkreuzung ist im Prinzip eine Engstelle, die zwei Verkehrsströme abwechselnd überwinden müssen. Tierschwärme scheinen wunderbar durch Eng stel len zu kommen. Wie machen sie das? Was sind das für Mecha nis men, die Staus in Fischschwärmen verhindern? Oder gibt es auch bei Fischen so etwas wie Staus?

Krause: Es gibt sicher auch bei Tieren Staus. Schwarm-tiere beeindrucken durch enormes Reaktionsvermögen, also die Fähigkeit, mit hoher Zeitauflösung zu handeln und auf andere zu reagieren. Beim Menschen sind solche unwillkürlichen Ver haltens-weisen auch zu beobachten. Denken Sie an das Überqueren einer roten Ampel. Häufig geht einer los und zieht seine Nachbarn mit. Man lässt sich sogar dann mitziehen, wenn man gerade im Ge-spräch ist. Es laufen unbewusste Prozesse ab, die zeigen: Der Mensch ist ganz offensichtlich ein Schwarmtier.

Schindlmaister: Wie kommunizieren Fische?Krause: Über ein Seitenlinienorgan* spüren Fische

Druck wellen, die andere Schwarmmitglieder auslösen. Auch über den Ge ruchssinn können sich Fische lokalisieren. Sehr wichtig ist der visuelle Sinn. Diesen nutzen wir bei Experimenten mit Roboter-fischen. Sie sind in ihrem Aussehen den anderen Schwarm mit-gliedern exakt nachempfunden. Mittels Hochgeschwindig keits ka-me ras können wir zeigen, dass sich die Fische nicht völlig synchron bewegen. Es gibt Abweichungen. Nur können Fische sich viel schnel-ler reorganisieren, als der Mensch das könnte. Das erzeugt dieses extrem synchrone Verhalten und verringert die Anzahl der Kolli-sionen und Staus.

Schindlmaister: Auf den Verkehr bezogen ist Schwarm-intelligenz nicht immer sinnvoll. Die Information über eine Straßen-sperrung etwa kann von einer externen Stelle zentral an alle Ver-kehrsteilnehmer gehen. In anderen Situationen sind Selbst orga ni-sation und der Austausch von Erfahrungswerten dagegen viel effizienter als eine zentrale Information.

Krause: Wird es, ähnlich wie bei biologischen Syste-men, zu Abwägungen kommen zwischen dem Nutzen für den Ein-zel nen und dem Nutzen für die Gemeinschaft?

Schindlmaister: In unserem Schwarm gibt es natürlich viele Fische, die es gewohnt sind, Mobilität als Indivi dualität zu betrachten. Umgekehrt wissen wir aber auch, dass wir beispiels-weise in Großstädten an Grenzen stoßen. Mit unseren vernetzten Fahrzeugen können wir hier die Mobilität wieder ermöglichen. Unsere Systeme geben dem Fahrer klare Hinweise, die er befolgen kann. Der Kunde hat dennoch die Möglichkeit zu entscheiden, ob er das will. So halten wir es mit allen unseren Systemen, das ist unsere Philosophie.

Krause: Wie schätzen Sie die Verantwortung des Fahrers ein? Je stärker die kollektiven Elemente werden, desto mehr stellt sich die Frage, wie viel Verantwortung der Fahrer noch hat.

Roman Schindlmaister: Bei Audi für die Konzeptentwicklung verantwortlich.

Jens Krause ist Professor für Fisch-ökologie an der Humboldt-Universität zu Berlin und am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfi-scherei. Seine Forschung konzen-triert sich auf Mechanismen und Funk-tionen des Gruppenlebens bei Tieren. Anhand von Experimenten geht er Schwarmintelligenz und kollektivem Verhalten auf den Grund. Das Team um Krause hat einen Roboterfisch entwickelt, der von Fischen als Artge-nosse anerkannt wird. Von den Grundlagen kollektiven Verhaltens aus gehend, untersucht Krause auch soziale Netzwerke.

Der Roboterfisch sieht dem echten Stichling sehr ähnlich. Er ist auf einem be sonders starken Magneten ange-bracht. Kufen verringern die Reibung auf dem Untergrund. Ein Roboter-arm unter dem Aquarium führt den Fisch durch das Becken. Die Wege, die der künstliche Stichling zurück-legt, entstehen in Programmier-sprache auf dem Computer. Der Vor-teil an diesem technisch wenig komplexen Versuchsaufbau ist, dass er sehr flexibel ist: Ein Stichling ist schnell in einen Guppy umgewandelt.

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travolution

Formel

Beispiel 1

Beispiel 2

Information Schwarmintelligenz

Im Pilotprojekt travolution betrachtet Audi den Straßenverkehr als Gesamtsystem: Als ein Element davon haben die Entwickler die Kommunikation zwischen Automobilen und Ampelanlagen aufge-baut. So reduzieren sie Haltezeiten, Brems- und Beschleunigungsphasen und damit den Kraftstoff-verbrauch. Zusätzlich bietet das System travolu-tion die Möglichkeit, beim Tanken und beim Parken per Funk zu bezahlen.

Fische schließen sich zu Schwärmen zusammen, um die Wahrschein lichkeit zu erhöhen, einen An-greifer zu entdecken. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein einzelner Fisch eine Gefahr erkennt, liegt bei a=11%. Je mehr Fische (n) in einem Schwarm sind, desto wahrscheinlicher wird der Angreifer ent-deckt – das Viel-Augen-Prinzip.

Sind Fahrzeuge miteinander vernetzt, profitiert der Fahrer vom gleichen Effekt. Die Wahrscheinlich-keit, dass ein Fahrzeug eine Gefahr erkennen und vor allem weitermelden kann, ändert sich mit der Ausstattungsrate des Kommunikationsmo-duls. Da sich am Stauende bereits ein „Schwarm“ mit n Fahrzeugen gebildet hat, ist die Wahrschein-lichkeit auch bei wenigen ausgestatteten Fahr-zeugen hoch, dass die Meldung weitergeben wird:

p(Stauende-Detektion) = 1–(1–a)n

a = 5%; n= 35 (3 Fahrstreifen, Stauende auf 100 Meter genau):p(Stauende-Detektion) = 1–(1–0,05)³⁵ > 83 %

a = 2%; n=70 (3 Fahrstreifen, Stauende auf 200 Meter genau):p(Stauende-Detektion) = 1–(1–0,02)⁷⁰ > 75 %

* Siehe Glossar, S. 204 –207

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connectedEin mittelfristiges Projekt: Viele Daten, etwa für Musik und Navigation, lassen sich von der Festplatte auf Server im Internet verlagern.

Neue Verbindungen Die Datenwelt wächst immer enger zusammen, Audi treibt die Entwicklung mit voran. Die Autos mit den Vier Ringen lernen die Kommunikation mit ihrer Umwelt – mit ihrem Besitzer, mit der Infrastruktur und mit anderen Fahrzeugen.

Data in the Cloud

Der erste Schritt von Audi connect: Genaues Wissen über die Straßenbelastung durch Daten aus anderen Fahrzeugen.

Audi Verkehrsinformation online

Die Zukunft beginnt jetzt: Intelligente Autos können mit ihrer Umwelt kommunizieren. Der Verkehr wird dadurch flüssiger, Kraftstoff-effizienter und sicherer.

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50 Dialoge Technologie

FotosMyrzik und Jarisch

TextThomas Imhof

Ob Mobilitätsplanung oder Lademanagement – unsere Kunden werden die künftigen e-tron Modelle in vielen Bereichen per Smartphone aus der Ferne konfigurieren können. Wir erproben diese neue Technologie jetzt in der Praxis. Ricky Hudi

SmartphoneKontakt zum Auto: In der Kommunikation zwischen Fahrer und Auto spielen Smartphone-Apps eine wichtige Rolle.

e-tronRicky Hudi: Leiter Entwicklung Elektrik/Elektronik

Ricky Hudi, Leiter Entwicklung Elektrik/Elek-tronik bei Audi, ist ein beneidenswerter

Mann. Alles, was seine Inge nieure an Zukunftstechnologien im Köcher haben, kann er als einer der Ersten persönlich erproben. Wie bei der Rückkehr aus dem Ski urlaub in Südtirol: „Ich fuhr An-fang Januar zurück nach Norden, über den Brenner Richtung Kuf-stein und Inntal-Dreieck“, erinnert sich Hudi. „Dort droht ja oft Stau, doch man wird via TMC* immer erst dann gewarnt, wenn man in den Bereich der deutschen Verkehrssender kommt. Also meis tens viel zu spät und oft auch unzutreffend.“

Diese Gefahr bestand für den Elektronik-Chef von Audi an diesem Tag nicht. Denn in seinem A8 berechnete die neue Audi Verkehrsinformation online eine Ausweichroute – noch weit vor dem Brenner. Der neue Stauwächter, der im Lauf des Jahres in die Serie einfließt, überblickt die gewählte Strecke ohne fremde Hilfe und topaktuell. Die Daten, die er nutzt, kommen von rund einer Million Ge räten, die ihre aktuellen Positionen in engen Zeittakten über das Handy-Netz an einen Mobilitätsdienstleister melden. Der Provider erstellt aus ihnen ein differenziertes Belastungsbild der Straßen.

Ein Audi-Fahrer kann dieses Wissen für sich nutzen. Wenn er seine Route eingibt, erhält er eine präzise Vorschau über die Verkehrsdichte auf den einzelnen Teilabschnitten; anders als TMC bezieht sie auch Landstraßen und Städte mit ein. Ist die Stre-

cke frei, dominiert die Farbe Grün; bei zähem Verkehr oder Stau changiert sie über Gelb und Orange zu Rot. In diesem Fall benennt die Audi Verkehrsinformation online die Störung in einem kurzen Text und berechnet umgehend eine sinnvolle Ausweichroute, die nicht gleich in den nächsten Stau führt. Der Dienst startet jetzt in Mitteleuropa, Frank reich und Italien, weitere europäische Länder werden in kurzer Zeit folgen.

An jenem Tag im Januar färbte sich der MMI*-Bildschirm von Ricky Hudis A8 sehr bunt. Der gebürtige Kalifornier freut sich noch heute über sein gelungenes Manöver: „Ich sah genau, wie sich der Verkehr hinter Innsbruck immer mehr zuzog. Da war ich aber längst auf der Nebenstrecke über den Zirler Berg und Seefeld. Auf der leeren Garmischer Autobahn kam ich stressfrei nach München, während im Radio zwischen Rosenheim und München 110 Kilo-meter Stau gemeldet wurden.“

Die Audi Verkehrsinformation online ist ein erster wich-tiger Baustein der vielen neuen Vernetzungs-Lösungen, welche die Marke unter dem Oberbegriff Audi connect zusammenfasst. Hudi: „Das letzte Jahrzehnt war durch die Vernetzung der elektronischen Systeme im Fahrzeug gekennzeichnet. Das neue Jahrzehnt wird dadurch geprägt, dass sich die Autos mit ihrem Umfeld vernetzen – mit der Kommunikationswelt des Kunden, mit anderen Fahr-zeugen und der Infrastruktur. Dadurch kann das Auto gewisserma-ßen denken, sehen und kommunizieren.“

Die Datenwelt wächst immer enger zusammen – und Audi treibt diesen Prozess von der Spitze aus mit voran. „Wir haben sehr früh die Grundsatzentscheidung getroffen, den Mobilfunk-standard UMTS* in unseren Autos einzuführen“, berichtet Ricky Hudi. „Das war die strategische Initialzündung. Durch sie liegen wir heute klar an der Spitze des Wettbewerbs, wir sind ‚leading edge‘.“

LTEBei Audi haben die Beifahrer vollen Zugang ins Internet. Unser nächster Schritt wird der superschnelle Datentransfer mit dem neuen Standard LTE werden. Ricky Hudi

* Siehe Glossar, S. 204 –207

Page 28: Dialoge-Technologiemagazin, Mai 2011

52 Dialoge Technologie

Google

Unsere Zusammenarbeit mit Google ist wegweisend, wir bauen sie Zug um Zug weiter aus. Mit Google Earth haben wir angefangen, jetzt kommen Google Street View und Google POI Voice Search dazu. Dr. Peter Steiner

ITUnsere jungen Kunden schätzen die Entertainment-Funktionen besonders, A8-Fahrer hingegen lassen sich stark von Technik-Highlights faszinieren. Generell sind die Audi-Kunden in hohem Maße IT-affin, mehr als bei allen anderen Marken. Ulrich Beeskow

Dr. Peter Steiner: Leiter Entwicklung Infotainment

Ulrich Beeskow: Leiter Entwicklung Navigation und Kommunikation

Ende 2009 begann Audi damit, seine Fahrzeuge mit Online-Diensten auszustatten, „und zwar sehr schnell vom A8 bis hinunter zum neuen A1“, wie Ulrich Beeskow, Leiter Entwicklung Navigation und Kommunikation, betont. Während jüngere Kunden die trendigen Entertainment-Funktionen besonders schätzen, le-gen A4- und A6-Fahrer viel Wert auf die Stauerkennung, weiß Ulrich Beeskow. „A8-Kunden lassen sich dagegen sehr von Technik-High-lights wie den Google Earth*-Grafiken faszinieren. Generell sind die Audi-Kunden besonders IT-affin, stärker als bei allen anderen Marken.“

Die eleganten 3D-Kartengrafiken, die das große Audi-Navigationssystem zeigt, lassen sich mit den Bildern von Google Earth fusionieren; Audi ist derzeit der einzige Automobilhersteller weltweit, der diesen Service bietet. „Bei uns kommen die Bilder von Google Earth nicht von einer Festplatte, sondern online und mit einer Genauigkeit im 30 Meter-Maßstab auf den Schirm“, betont Peter Steiner, Leiter Entwicklung Infotainment. In Deutschland folgt bald die Funktion Google Street View – mit ihr kann der Fahrer sein Ziel vorab am MMI-Bildschirm betrachten, aus der Sicht am Steuer und im 360-Grad-Winkel.

Darüber hinaus erweitert Audi im Laufe des Jahres seine Ko operation mit Google um die sprachgesteuerte Onlinesuche Google POI Voice Search*. Im Großraum San Francisco haben die In genieure die neue Funktion zum ersten Mal getestet. „Per Druck auf die Sprachbedienungstaste haben wir Ziele wie zum Beispiel sea food restaurant abgefragt. Binnen Sekunden ging die Anfrage an den Google Server, und genauso schnell tauchten die Adressen der nächst gelegenen Lokale im Navigationsdisplay auf“, berichtet Ricky Hudi.

In der vernetzten Welt wachsen die Anforderungen mit hoher Geschwindigkeit – die Marke mit den Vier Ringen begegnet ihnen mit neuen Lösungen. Audi connect steht für das faszinieren-de neue Feld der Car-to-X-Kommunikation* – für das Zusammenspiel des Autos mit dem Besitzer, mit anderen Fahrzeugen und der Verkehrsinfrastruktur.

Ein Aspekt des Themas ist der Umgang mit den künfti-gen e-tron Modellen von Audi. Spezielle Apps* auf dem Smartphone werden es erlauben, den Akku-Ladezustand jederzeit aus der Ferne abzulesen oder im Sommer den Innenraum auf effiziente Weise bereits dann zu kühlen, wenn die Batterie noch geladen wird. Mit-tel fristig lässt sich diese Funktion zu einer Ferndiagnose erweitern – schon vor dem vereinbarten Termin teilt das Auto dem Service-partner alles Wichtige über seinen Zustand mit.

Die Car-to-X-Technologie birgt große Potenziale, den Verkehr sicherer und flüssiger zu machen und damit Kraftstoff zu sparen. Audi hat sich im Projekt travolution wichtige Grundlagen erarbeitet. In Ingolstadt kommunizieren 25 Ampel anlagen mit den Autos der Testflotte – sie teilen ihnen mit, wann sich ihre Licht-signale ändern werden und welche Geschwindigkeit zwischen ihnen jeweils optimal ist. Die intelligente grüne Welle kann die CO₂-Emissionen an den Ampeln um 15 bis 20 Prozent senken.

Zur Datenübertragung dient bei allen Telefon- und Online-Diensten von Audi ein UMTS-Modul. Es ist in das Bluetooth*-Autotelefon online integriert und transportiert die Daten mit einer Rate von bis zu 7,2 MB pro Sekunde. Das Modul holt auch speziell aufbereitete Wetterberichte und News ins Auto und leistet Unter-stützung bei der Reiseplanung.

Ricky Hudi betont: „All diese Funktionen sind sehr at-traktiv, aber sie sollen den Fahrer nicht von seiner eigentlichen-Hauptaufgabe ablenken, dem Steuern des Autos. Deshalb wählen wir die sinnvollen Features aus und bereiten sie so auf, dass sie den höchsten Nutzen bringen.“ Die Beifahrer hingegen haben bei Audi vollen Zu gang ins Internet – der WLAN*-Hotspot im UMTS-Modul koppelt bis zu acht mobile Endgeräte an. „Als erster Auto mobil-hersteller haben wir den Hotspot ins Fahrzeug gebracht. Damit bieten wir UMTS mit einer empfangsoptimierten Außenantenne ab Werk an“, sagt Peter Steiner.

Der Mobilfunkstandard der nächsten Generation mit dem Kürzel LTE (Long Term Evolution) wird den Datentransfer noch einmal stark beschleunigen; er ist auf Übertragungsraten von bis zu 100 MB pro Sekunde ausgelegt. Einen A8 mit dieser Technik hat Audi bereits vorgeführt. Ulrich Beeskow nennt die Zeitfenster: „Heute gibt es die ersten LTE-Pilotprojekte auf dem flachen Land. Wir erwarten die flächendeckende Einführung vor 2014 in Deutsch-land.“ Von der superschnellen Datenverbindung würden besonders die jungen Nutzer sozialer Netzwerke profitieren, die häufig Videos und andere große Dateien durchs Internet schicken. Auch Skype*, die vor allem in den USA beliebte Video-Telefonie, wird durch LTE schneller und stabiler.

Beim Großversuch simTD* (Sichere und intelligente Mobilität Testfeld Deutschland), der im Raum Frankfurt am Main ab läuft, baut Audi sein Know-how weiter aus. Die Projektpartner, darunter fünf weitere deutsche Fahrzeughersteller, erarbeiten sich bei simTD alle Aspekte und Möglichkeiten des Technikfelds Car-to-X. Hier geht es etwa um die Warnung vor einem Stauende, vor Glatteis oder einem drohenden Kreuzungsunfall oder auch um Hinweise auf freie Park plätze. Die Kommunikation kann via LTE über einen Dienstleister laufen oder über Automotive-WLAN – mit diesem Funkstandard (WLAN 802.11p) können sich die Fahrzeuge spontan miteinander vernetzen.

Ricky Hudi hat spannende Vorstellungen davon, wie er das große Thema Audi connect weitertreiben will. Ein Ziel der Ent-wicklung könnte das autonome Fahren sein, zumindest im häufig zähfließenden Alltagsverkehr. „Wir verfolgen das Ziel, bis Ende des Jahr zehnts dort autonom fahren zu können, wo uns das aktive Fah-ren keinen Spaß macht“, kündigt der 43-jährige an. „Wenn ich selber fahren will, tue ich das. Will ich mich entspannen, lasse ich fahren – und nutze so meine Zeit besser.“

Bei alledem dürfe Elektronik aber niemals zum Selbst-zweck werden, betont Hudi. „Sie ist entweder unterstützendes Ele ment, zum Beispiel bei Motoren, Getrieben oder Bremssys te-men. Oder sie ist faszinierendes Element, wie im Infotainment, in der Lichttechnologie, bei den Bedienoberflächen und Displays. Wir bei Audi entwickeln neue Lösungen, die nicht nur praktische, son-dern auch sinnliche Komponenten haben.“

* Siehe Glossar, S. 204 –207

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Um die Audi-Entwickler zu informieren, bieten die Technologie-Scouts mehrere Plattformen. In einem Newsletter beschreiben sie neue Technologien und sammeln Links, mit denen die Entwickler den Trends auf den Grund gehen können. Die Datenbank der AEV erlaubt es den Mitarbeitern, Hintergrundwissen zu Elektronik- und Softwarethemen abzufragen. Aufträge, neue Technologien auf Tauglichkeit im Straßenverkehr zu prüfen, sorgen für regen Aus tausch zwischen den Ingenieuren in der Technischen Entwicklung und den Scouts der AEV.

Bei der Identifikation von Zukunftstechnologien schau-en die Scouts weit voraus. Den jetzigen Megatrend zur 3D-Erken-nung* haben sie beispielsweise schon vor zehn Jahren identifiziert: Das zeigt die Zusammenarbeit mit der PMDTechnologies GmbH aus Siegen. 2002 haben die AEV-Scouts das Potenzial von Photo-mischdetektoren* (PMD) analysiert und in einer Technologie-Road-map ein Joint Venture zwischen dem Wissenschaftler Professor Dr. Rudolf Schwarte und der AEV empfohlen.

Inzwischen spielen die von Schwarte entwickelten Halb- leiterbauelemente für Assistenzsysteme der nächsten Generation eine große Rolle. So eignet sich die Sensorik, die heute schon in Spielekonsolen zum Einsatz kommt, etwa sehr gut für die Fuß-gänger erkennung. Audi wird den 3D-Fußgängerschutz in den kom-menden Jahren in die Serie bringen und damit seine aktiven Assis-tenz sys teme weiter verbessern.

Neue Technologien entstehen überall auf der Welt. Ein Team von Trendjägern sucht

die innovativsten Ideen und checkt deren Nutzbarkeit für das Auto-mobil. So wurde vor zehn Jahren die Audi Electronics Venture (AEV) gegründet. Sie bekam den Auftrag, ergänzend zur Technischen Entwicklung in den Be rei chen Elektronik und Software zu forschen und so den Audi Elek tronik-Entwicklern Impulse für Innovationen zu liefern. Seitdem identifizieren die Scouts der AEV neue Trends oder Technologien und vernetzen Audi-Entwickler mit Experten.

Dabei greifen die Trendjäger auf Kontakte mit Universi-täten und wissenschaftliche Seiten im Internet zurück. Sie besu-chen Kongresse und Messen, wie die Consumer Electronics Show in Las Vegas. Auf dieser weltgrößten Messe für Unterhal tungs -elektronik etwa treffen die Scouts auf Kollegen aus den USA, be-obachten Entwicklungen aus aller Welt und geben den Tech nikern in Deutschland wichtige Denkanstöße für Zukunfts techno logien.

Projekt Audi hat mit Studenten der Stanford University und dem Volkswagen Elektronic Research Lab ein selbstfahrendes Auto entwickelt. In Zukunft könnten Autos wie der Technikträger Audi Urban Mobility in stockendem Verkehr selbst fahren und so den Fahrer entlasten.

Audi Urban Mobility Stanford, USA

Projekt Bei der Darstellung von Navigationszielen geht Audi mit Google Earth* und Google Street View neue Wege. Um den Straßenverlauf noch realistischer darzustellen, beobachten die Audi-Entwickler 3D-Bildschirme, wie sie von Toshiba oder Hitachi in der Unterhaltungselektronik eingesetzt werden.

3D-Technologie Tokyo, Japan

Projekt Um auf Trends im Bereich E-Mobilität schnell rea-gieren zu können, streckt Audi seine Fühler nicht nur in Deutschland aus. Mit der Tongji Univer-sität in Shanghai beobachten Audi-Ingenieure aktuelle Entwicklungen in Chinas Megacity und erproben den elektrifizierten Audi A6L.

Audi Tongji Joint Lab Shanghai, China

TextJulio Schuback

Think global

Projekt Die Firma BioFields will in Mexiko Biokraftstoffe der zweiten Generation produzieren. Bis der Treib-stoff an deutschen Tankstellen erhältlich ist, wird noch einige Zeit vergehen. Dennoch hinter-fragen die Audi Technologie-Scouts die Vor- und Nachteile schon heute.

Biokraftstoff Baja, Mexiko

Projekt Mit dem Forschungsprojekt travolution erforscht Audi in Ingolstadt seit 2006 die Car-to-X*-Techno-logie. Wenn Autos mit anderen Fahrzeugen, der Infrastruktur und Ampeln vernetzt sind, lässt sich der CO₂-Ausstoß im Stadtverkehr um bis zu 15 Prozent senken.

Audi travolution Ingolstadt, Deutschland

Projekt Samsung aus Südkorea nutzt organische Leucht-dioden (OLED) für Computerbildschirme. OLEDs sparen Energie und machen Displays kontrastreicher als gewöhnliche Monitore. Audi Technologie-Scouts sehen in der OLED-Technologie* neue Po-tenziale für viele Fahrzeugbereiche.

OLED Seoul, Südkorea

Projekt

Audi A8 mit Long Term Evolution Paris, Frankreich

Audi und Alcatel-Lucent bringen den Mobilfunk-Standard Long Term Evolution (LTE) zur Serienreife im Auto. Die LTE-Mobilfunktechnik erlaubt einen deutlich schnelleren Zugriff auf Onlinedienste wie Google Earth oder Google Street View und ermög-licht den Austausch großer Datenmengen.

Projekt Für die meisten Telefone lassen sich mittlerweile Applikationen, so genannte Apps*, erwerben. Der Computerhersteller Apple hat die Programme populär gemacht. Auch Audi wird seinen Kunden Soft ware für ihre Mobiltelefone bieten, mit der sich zum Beispiel der Ladezustand des A1 e-tron überprüfen lässt.

Apps Cupertino, USA

55 Dialoge Technologie * Siehe Glossar, S. 204 –207

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Robustheit und Aerodynamik: Das Thema dieses Entwurfs. Leichtigkeit und Dynamik: Die Ausstrahlung dieser Formensprache.

Mobilität im Jahr 2050 Wie werden Autos in 39 Jahren aussehen? Auch Stefan Sielaff weiß das nicht wirklich. In einem aber ist der Leiter Audi Design sicher: Auch in den kommenden Jahrzehnten muss ein Automobil durch Emotion und Ästhetik überzeugen.

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Ein kleiner schwarzer Notizblock. Gerade 8 auf 12 Zentimeter groß. Der Inhalt? Die Zu-

kunft! Oder zumindest ein paar Ideen dazu. Designer leben immer in der Zukunft, müssen Entwicklungen stets vorausse hen. Hier skiz-ziert Stefan Sielaff, Leiter Audi Design, Mobilität für die Zukunft, für das Jahr 2050. Das scheint noch sehr fern. Aber auch der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt, der ersten Idee.

Was wissen wir heute schon über 2050? Zumindest so viel, und das ist entscheidend: Die Rahmenbedingungen für Mo-bilität werden sich dramatisch ändern. In 40 Jahren wird ein Groß-teil der Menschen, bis zu 90 Prozent, in Megacities leben. Schon heute gilt dies für über die Hälfte. Der Anspruch an individuelle Mobilität ist dann sicherlich ein anderer. Verschärft wird der Wan-del durch neue Technologien, durch strenge Regularien und die enormen Ver änderungen in der Gesellschaft.

Neue Antriebsarten sind aber nur ein Aspekt, wenn es darum geht, Fahrzeuge effizienter zu machen. Für Stefan Sielaff sind die Themen Leichtbau und Aerodynamik ebenso eng damit verbunden. Um Schadstoffe aus den Innenstädten zu verbannen, müssen Fahrzeuge emissionsfrei, also beispielsweise elektrisch, fahren – oder was auch immer in 40 Jahren möglich sein wird. Das Auto wird in eine voll vernetzte Datenwelt einbezogen sein, The-men wie Connectivity, Car-to-X-Kommunikation* oder Schwarm-intelligenz werden dabei helfen.

Ein Blick in sein Skizzenbuch verrät, in welche Rich-tungen Stefan Sielaff denkt. Eine Zeichnung weckt die Assoziation mit einem Flugzeug: „Jedes Gramm, das ich am Fahrzeug spare, erhöht die Reichweite. Am Ende des Tages müssen die Autos nicht nur leicht aussehen, sondern auch leicht sein. Aerodynamik dage-gen ist für den Verkehr in Megacities nicht mehr so entscheidend, da sie erst ab Tempo 80 eine tragende Rolle bekommt. In großen Städten bin ich meistens mit 30 bis maximal 70 km/h unterwegs. Aber außerhalb des Stadtverkehrs spielt das Thema mehr denn je eine zentrale Rolle.“

Aufgrund des enormen Platzbedarfs in urbanen Bal-lungsräumen und des Mangels an Parkmöglichkeiten wird sich auch an der Größe und Grundform der Autos einiges ändern. „Da macht es schon einen Unterschied, ob das Fahrzeug drei oder fünf Meter lang ist. Wir Designer können aber dank neuer Technologien leichter mit dem Format spielen.“ So gibt es beim reinen Elektroantrieb keine Antriebsstränge mehr. Die Motoren können dann direkt an die Radnaben gesetzt und durch Kabel von der Batterie versorgt wer-den. Das schafft Freiheit in der Formgebung, weil dann auch nicht mehr so stark auf die Gewichtsbalance geachtet werden muss.

Entscheidend für die Evolution des Automobildesigns ist das technologische Layout der Zukunft, das auf entsprechenden Innovationen basiert. Daher ist das Design bei Audi in die tech-nische Entwicklung eingebettet. Stefan Sielaff ist sich sicher, dass der nächste Fortschritt im Design erst nach einem Sprung in der Technologie möglich sein wird. „Nur wenn wir wirkliche Block-buster-Innovationen in das Fahrzeug einführen, erreichen wir auch im Design einen großen Schritt. Anfangs wurden die ersten Ver-bren nungsmotoren unter Pferdekutschen genagelt, und der Fahrer saß oben auf dem Kutschbock. Irgendwann hat man aber gemerkt, dass dieses Layout nicht optimal ist und eine komplett neue Architektur des Fahrzeugs entwickelt. Im Prinzip haben wir diese klassische Dreibox-Architektur noch heute – vorne Motor, dann Passagierkabine, hinten Kofferraum.“

TextChristian Günthner

FotosMyrzik und Jarisch

Das Skizzenbuch: Hier hält Stefan Sielaff Ideen für die fernere Zukunft der Mobilität fest.

Wasserläufer und Co.: „Avatare“ nennt Sielaff die dreidimensional gestalteten Stellvertreter für neue Designideen.

* Siehe Glossar, S. 204 –207

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Ein Avatar mit fast schon schwebenden Formen: „So wie hier die Flächen mit präzisen Kanten verbunden sind und sich zueinander verhalten,

stellt sich sofort ein gutes Gefühl ein.“, sagt Stefan Sielaff.

Ein Avatar mit dem Thema Aerodynamik: „Wie können wir über die Flächengestaltung, über Blades und Luft, die durch das Fahrzeug führt,

ein Objekt optimieren, und was hat das für Auswirkungen auf die Gestaltung?“, fragt Stefan Sielaff.

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Aber wie könnte das neue Layout aussehen? Wie die dazugehörige Fahrzeugarchitektur und wie die entsprechenden Aus- prä gungen der Formensprache? Auch hier arbeitet das Audi Design Team konsequent an der Zukunft, setzt Gedanken in Modelle um. Sielaff nennt sie lieber „Avatare“ – dreidimensional gestaltete Stell-vertreter für eine Idee. Die Exte rieur- und Interieur-Designer expe-rimentieren hier mit formalen Entwicklungen. Wie geht es im Fahr-zeugdesign weiter? Wie interpretieren die Designer die Werte von Audi, besonders Leichtbau und Effizienz? Was könnte in den Flä-chen und Proportionen zukünftig passieren, um diese Werte noch stärker zu transportieren?

Für Stefan Sielaff und sein Team ist dieser Prozess enorm wichtig: „So wie sich ein Koch irgendwann experimentell aufladen muss oder ein klassischer Musiker sich in ganz anderen Bereichen wie etwa Jazz austoben kann, so haben wir dem ganzen Exterieur-Team, aber auch den Interieur-Kollegen, den Freiraum gegeben, sich auszuprobieren.“

Jeder der Avatare zeigt die Gene von Audi, wenn auch zum Teil in einer sehr abstrakten Interpretation. Der „Wasser-läufer“-Entwurf etwa erscheint wie ein organisches Objekt, das nur aufgrund der Oberflächen span nung des Wassers stehen kann. Dies treibt in einer Form, die einem „konventionellen“ Auto immerhin etwas ähnelt, das Thema Leicht bau auf die Spitze. Ein anderer Avatar interpretiert das The ma Robustheit: „Hier war eindeutig Aerodynamik das Thema. Wie können wir über die Flächen ge stal-tung, über Blades und Luft, die durchs Fahrzeug führt, ein Objekt optimieren, und was hat das für Auswirkungen auf die Gestaltung?“

Ein dritter Avatar, der ebenfalls Aerodynamik themati-siert, ist eine skulpturale Arbeit mit sehr dünnen Wandstärken. Die aus Bändern aufgebaute Fahrzeugarchitektur wirkt extrem leicht. Solche Formen werden durch neue Materialien und eine selbsttra-gende Unterkonstruktion möglich sein. Bis hin zu extrem stabilen Zellulose-Strukturen wird im Karosseriebau des Jahres 2050 vieles denkbar. „Die Produktionsweisen werden sich revoluti onieren. Wir können uns dann formale Experimente mit fast schon schwe-benden Formen erlauben.“

Der 49-jährige Designer verrät, dass bereits an ersten, natürlich geheimen Projekten gearbeitet wird. Die Fahrwerksteile stehen frei, Body und Innenraum sind wie eine Wanne aus einem Teil gepresst. Dadurch spart man sich viele schwere Einbauteile, wie etwa Sitzgestelle. „Man stellt dann nur noch die Lenkung auf die Größe des Fahrers ein. Damit spart man enorm an Gewicht. Diese Schalentechnologie beeinflusst natürlich das Design, es wirkt leichter als bei massiven Konstruktionen.“

Eines müssen Automobile auch in den kommenden Jahr-zehnten liefern, da ist Sielaff sicher: Emotionen. Das Modell mit den leicht geschwungenen Bändern findet er besonders ästhetisch. „So wie hier die Flächen mit präzisen Kanten verbunden sind und sich zueinander verhalten, stellt sich sofort ein gutes Gefühl ein.“ Der Designer spricht hier von einer skulpturalen Sensation. Diese sei immer wichtig, unabhängig davon, wie ein Fahrzeug im Jahr 2050 wirklich aussieht, ob eher langgestreckt und leicht oder eher komprimiert und höher. „Bereits heute ist unser Credo: Ein Auto muss schon im Stand fahren, es muss Dynamik, Tempo und Be-wegung ausstrahlen.“

Das Grundempfinden für wahre Schönheit ist für die Menschen weltweit sehr ähnlich, es hat viel mit dem goldenen Schnitt und Proportionen zu tun. Und das wird auch so bleiben. Sielaff: „Der Großteil der Menschheit fühlt sich eher wohl oder un-wohl mit einer gewissen Form. Das beobachten wir in der Archi-tektur genauso wie in der Malerei. Und das wird auch bei den Fortbewe gungs mitteln des Jahres 2050 so sein.“

Neue Wege: Völlig neue Produktionstechniken werden in Jahrzehnten auch ein völlig neues Design ermöglichen, ist Stefan Sielaff sicher.

Information Design in 10 oder 15 Jahren Interieur: „Hier werden wir auf jeden Fall eine Reduktion, also eine optische Beruhigung, erleben, aber keine systemische. Es wird eine stärkere Interaktion zwischen Fahrzeug und Fahrer stattfinden, die aber nicht über zusätzliche Knöpfe oder hohe Komplexität gesteuert wird, sondern durch die Verknüpfung des Fahrzeugs mit Personal Devices.“ Exterieur: „Im Exterieur wird das Thema Effizienz weiter im Fokus stehen – der Leichtbau ohnehin und bei schnelleren Fahrzeugen ganz klar die Aero dynamik. Wir werden Fahrzeuge bekommen, die auch optisch leichter sind.“

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Perfektion! Qualität ohne Kompromisse Exzellente Qualität und Zuverlässigkeit sind mehr als eine Eigenschaft der Marke Audi – sie stehen für täglich gelebte Überzeugung.

Meisterhaft: Werner Zimmermann, Leiter der Qualitätssicherung bei Audi, am Innen-meisterbock für den Audi Q5.

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findet das Feintuning der für Audi-typischen Radien und Fugen-verläufe von den Blechelementen zu den Anbauteilen wie etwa Stoß fängern oder Leuchten statt. Hier geht es um die Zehntel milli-meter, die letztendlich die Qualität eines Audi ausmachen. Werner Zimmermann überlässt nichts dem Zufall: „Beachten Sie beispiels-weise die Fuge der Tankklappe des A5 Coupé. Ihre Fugen maße sind nicht gleich. Wir verfolgen am Meister bock nicht nur objektiv mess-bare Kriterien, die subjektive Be trachtung des Ganzen ist ebenso wichtig. Der Fugenverlauf an der Tankklappe muss oben und unten unterschiedliche Maße aufweisen, damit der Betrachter des Autos ihn subjektiv als perfekt gleichmäßig wahrnimmt.“

Kompromisslose Qualität ist ein Grundwert der Marke Audi, Zuverlässigkeit und Langlebigkeit sind ein absolutes „Muss“ für alle Produkte. Das Qualitätsverständnis der Marke geht jedoch weit über die beim Kunden sehr geschätzte Zuverlässigkeit hinaus. „Qualität umfasst alle Bereiche, die ein Kunde in unseren Autos erleben kann, und zwar mit all seinen Sinnen. Qualität ist in einem Audi zu hören, zu spüren, zu fühlen und zu riechen“, sagt Werner Zimmermann, während er den Innenmeisterbock eines Audi Q5 inspiziert. „Dazu gehören nicht nur die funktionellen Kri terien, wie etwa die Freigängigkeit der Bauteile, ihr fester Sitz und die Mon-tierbarkeit sowie die Geräusche beim Betätigen, sondern auch die optischen, haptischen und Geruchseigenschaften der verarbei-teten Materialien.“

Perfekte Linien, sportlicher Charakter und dynamische Eleganz: Die Karosserie des Audi

A5 Coupé macht selbst hier auf dem Meisterbock eine sehr gute Figur. Das massiv wirkende Gerüst aus Aluminiumprofilen, auf dem alle Karosserieteile montiert sind, stört diesen Gesamteindruck ebenso wenig wie die zahlreichen Vermes sungs markierungen, die sich entlang der Karosseriefugen reihen – wie die Kreidezeichen eines Schneiders an den Nähten eines Maß anzuges.

„Der Meisterbock ist ein zentrales Instrument der Qua-litätssicherung und bei uns das Maß aller Dinge“, erklärt Werner Zimmermann, Leiter der Qualitätssicherung bei Audi, während er mit kritischem Blick eine Karosseriefuge untersucht. „Wir sprechen hier von einem so genannten Null-Referenz-Umfeld, in dem wir alle Bauteile perfekt aufeinander abstimmen. Trotz aller modernen digitalen Methoden zur virtuellen Modelldarstellung ist dieser an-fassbare Meisterbock für uns ein unverzichtbares Element.“ Beim Außenmeisterbock wird die Maßhaltigkeit von Einzelbauteilen und deren Zusammenspiel im Verbund analysiert und abgestimmt. Hier

0,1 mmTextBernhard Ubbenhorst

FotosMyrzik und Jarisch

Präzision!

Sitzprobe: Werner Zimmermann überprüft, ob auch der Komfort im Fond des Audi Q5 seinen hohen Ansprüchen genügt.

Fingertest: Kaum zu fühlen, trotzdem muss die Fuge an der Innenver kleidung der A-Säule des Q5 exakt und gleichmäßig verlaufen.

Maßnahme: An zahlreichen Messpunkten werden die Ist-Werte der Fugenmaße mit den Soll-Werten verglichen.

Markant: Gerade auch die Fahrzeugfront prägt die Audi-Präzision.

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Maßanzug: Jede Fuge wird auf den Zehntelmillimeter genau vermessen und angepasst.

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fügen wir über eine hervorragend ausgestattete Einrichtung, um Elektronikbauteile entsprechend untersuchen zu können. Kom-petenz und moderne Analysetechnologie sind für ein effektives Qualitätsmanagement* unabdingbar. Die Qualitätssicherung muss mit jeder Neuentwicklung Schritt halten. Unsere hochspezialisier-ten Mitarbeiter sind dabei das wichtigste Kapital. Mit ihnen planen wir bereits heute das Qualitätsmanagement für die Elektro mobili-tät von morgen.“

Die hohen Qualitätsansprüche gelten bei Audi für alle Bauteile gleichermaßen, für den Motor und das Getriebe ebenso wie für die Karosserie und das Interieur. Die Qualitätssicherung bei der Antriebstechnologie gehört dabei zu den aufwändigsten Pro-zessen in Werner Zimmermanns Bereich. „Schon präventiv beglei-ten wir jeden Schritt bei der Entwicklung der Antriebstechnologie. Die Zuverlässigkeit und die Langlebigkeit des Antriebs sind die Basis für den Qualitätsbegriff der Kunden. Selbst der treueste Kunde würde uns eine Nachlässigkeit in diesem Bereich nicht verzeihen.“

Das wichtigste Instrument der Qualitätssicherung ist hier der so genannte Absicherungslauf. Er schließt sich an die Ent-wicklung beziehungsweise die Erprobung an und erfolgt vor der Serien pro duktion. Dabei überprüfen die Mitarbeiter von Zimmer-mann Motor und Getriebe im Gesamtfahrzeug unter den realen Fahr be din gungen der Kunden – über viele hunderttausend Kilo-meter, unter allen erdenklichen Fahr- und Klimabedingungen und in marktspezifischen Verkehrssituationen. Von den Stop-and-go-Fahrten in Großstädten über den Hochgeschwindigkeitsbereich bis hin zum Fahren in unwegsamem Gelände.

Diese kompromisslose Verpflichtung zur Qualität ist bei Audi in den Köpfen der Mitarbeiter aller Unternehmensbereiche verankert. Werner Zimmermann sieht darin den entscheidenden Vorsprung im Vergleich zu Wettbewerbern. „Ich muss niemanden von der Notwendigkeit dieser Prämisse überzeugen. Vom Vorstand bis zum Mitarbeiter in der Produktion ist bei Audi jeder in die Qualitätssicherungsabläufe eingebunden. Stagnation bedeutet auf diesem Feld Rückschritt, und die gesamte Belegschaft ist sich dessen bewusst. Der Ehrgeiz und Anspruch, auch im allerkleinsten Detail perfekt zu sein, ist in jedem Gespräch mit den Mitarbeitern zu spüren. Sie sind stolz auf ihre hochqualitativen Produkte und benötigen keine zusätzliche Motivation. Das überträgt sich auch auf unsere externen Zulieferer, die unsere Null-Fehler-Toleranz bei allen Bauteilen kennen und sich mit viel Engagement in unsere Abläufe einbringen.“

Für die Zukunft sieht Werner Zimmermann große He-rausforderungen: „Der Automobilbau muss sich künftig in vielen technologischen Bereichen vollkommen neuen Problemen stellen.“ Die Elektromobilität und neue Materialien oder Füge technologien für den Leichtbau erfordern auch in der Qualitätssicherung Inves-ti tionen, um den extrem hohen Standard zu sichern. Eine weitere He rausforderung besteht in den steigenden Absatzzahlen. In den Wachs tumsmärkten, wie etwa in China, werden Produktionsstätten vor Ort benötigt, in denen dieselben Qualitätsmaßstäbe umgesetzt werden wie in Eu ropa. Hinzu kommt der Ausbau des Handelsnetzes, denn die vielen neuen Kunden müssen auch nach dem Kauf gut be treut werden. „Auch die hohe Qualität des Audi-Service ist Be-stand teil un se rer kompromisslosen Qualitätsphilosophie“, sagt Zimmer mann. „Ins gesamt gilt für die Zukunft: Nur wenn man von Anfang an und ent lang der gesamten Produktionskette in die Qua-lität in ves tiert, ent ste hen Produkte auf höchstem Niveau, die un-sere Kunden be geis tern und die Motivation aller Audi-Mitarbeiter fördern.“

Mehr als 2.200 Mitarbeiter sorgen in der Audi-Qualitäts-sicherung dafür, dass diese kompromisslosen Maßstäbe bei jedem neuen Modell auch neu gelebt werden. „Bereits bei der Produkt-planung und -entwicklung wird die Qualitätssicherung präventiv tätig. Wir begleiten den gesamten Entwicklungsprozess, über das Vorseriencenter hinaus bis hin zur anschließenden Serien pro duk-tion“, erklärt Zimmermann. Während dieser Prozessbe gleitung setzen seine Mitarbeiter unterschiedliche Prüftechniken ein. Da-runter auch modernste Analyseverfahren, die man in der Auto-produktion eher nicht vermutet – wie die aus der Medizin bekannte Computertomographie*, um komplexe Bauteile zerstörungsfrei auf Herz und Nieren zu prüfen. Oder die Rasterelektronen mikro-skopie*, mit der sich Oberflächenstrukturen von Lacken und Ver-bindungsnähte im Nano-Bereich auf Fehler untersuchen lassen. „Zu diesen Hightech-Verfahren zähle ich auch unser Lichtstudio. Dort sorgen wir für die Farbharmonie in unseren Autos. Far bi ges Interieur aus verschiedenen Materialien neigt bei unterschied-lichen Lichtverhältnissen zur so genannten Metamerie*, bei der die gleiche Farbe je nach Material anders wahrgenommen wird. Unser Ziel ist ein harmonisches Ganzes, unabhängig von Material und Lichtverhältnissen.“

Die sich stetig weiterentwickelnde Fahrzeug techno-logie stellt auch die Qualitätssicherung bei Audi vor immer neue Aufgaben. Der wachsende Anteil elektronischer Komponenten er-fordert modernste Analysemethoden und vor allem qualifizierte Mitarbeiter auf dem Gebiet der Elektronik und Infor mations tech-nologie. Zimmermann erklärt: „Mit unserem Halbleiterlabor ver-1,0 nm

Dimensionen: Mithilfe eines Laserscanners entstehen dreidimensionale Bilder der zu opti-mierenden Details.

Mikrokosmos: Die Rasterelektronenmikros- kopie ermöglicht die Analyse von Oberflächen mit einer Auflösung von bis zu 1,0 Nanometer bei maximal 900.000-facher Vergrößerung.

Fugenbild: Jede Fuge wird mit computer-gestützten bildgebenden Verfahren dreidimen-sional vermessen und dokumentiert.

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Skills Zu den großen Stärken von Audi gehört das Können jedes einzelnen Mitarbeiters. Es legt die Basis für Perfektion und Innovation.

Skills.Inhalt 74 e-tron quattro 82 Light Box 90 Artwork 94 Die sehende Diode 100 Vom TDI zum e-tron 106 High voltage 118 Neu denken 120 Dialoge Magazin 126 quattro concept 132 Virtual Reality 138 XX-Faktor 146 Sound der Zukunft 150 Testanlagen und Prüfstände 162 Aerolution 170 TechWorld

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Mit dem e-tron quattro in „Kalt 1“ Auch wenn wir elektrisch fahren: Der Fahrspaß wird bleiben, er wächst sogar. Mit einem völlig neuen Antriebssystem, dem elektrischen quattro, arbeitet Audi an einer faszinierenden Verbindung aus Dynamik und Effizienz – nicht nur auf skandinavischem Eis.

e-tron quattro

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Die Sonne ist bereits um 6.13 Uhr aufge-gangen, aber noch kämpft sie sich mühsam

durch den morgendlichen Dunst. Von wärmenden Strahlen ist nichts zu spüren; die minus 14 Grad, die das Thermometer misst, werden durch eine leichte Brise zu gefühlten minus 20.

Wo genau wir hier sind, darf natürlich nicht verraten werden. „Kalt 1“ ist die schlichte Bezeichnung für dieses Testge-lände im Norden Europas, und zwar sehr weit im Norden. Kalt ist es, ohne Frage, den ganzen Winter über, und der dauert lang in dieser Region. Die Ingenieure arbeiten hier an innovativen Ideen und an der Perfektionierung der künftigen Modelle, treiben Proto-typen über die Eisflächen einer Seenlandschaft oder über die kur-vigen Straßen in den ausgedehnten Wäldern. Funktions ent wick-lung, Abstimmungsfahrten, Dauerlauferprobung – die Zukunft der Marke steht auf dem Programm.

Perfekte quattro-Bedingungen also. Im leichten Drift kommt ein in Eissilber metallic lackierter Audi A5 um die letzte Kurve des Testkurses, lenkt ein auf die Gerade, beschleunigt weiter und lässt eine glitzernde Wolke hinter sich. Permanenter Allrad-antrieb mit intelligenter Kraftverteilung sorgt – nicht nur hier – für

überlegene Dynamik und feinsten Fahrspaß beim engagierten Piloten. quattro ist ein Inbegriff für automobile Sportlichkeit. Und wird es auch bleiben, ganz gleich, mit welcher Energieform wir uns fortbewegen: Denn dieser Audi A5 steht als Technologieträger für ein wichtiges Stück Zukunft – er trägt einen elektrischen quattro-Antrieb völlig neuer Bauart unter seinem Blech.

Bei den aktuellen Modellen verbinden eine Kardanwelle und ein Differenzial die Vorder- mit der Hinterachse. Dieses auf-wändige mechanische Mittendifferenzial garantiert die spontane und optimale Verteilung der Antriebskraft. Mit dem neuen Kronen-rad-Mittendifferenzial und der radselektiven Momentensteuerung hat Audi das quattro-Prinzip nochmal deutlich verfeinert, die bei-den Technologien stellen ein präzises und neutrales Fahrverhalten sicher. Das Sportdifferenzial schließlich verteilt die Kraft aktiv zwi-schen den beiden Rädern der Hinterachse, das Auto wird quasi in die Kurve hineingedrückt. Eine nahezu perfekte und dem Wett be-werb in vielen Dimensionen überlegene Lösung, schon heute.

Doch das beginnende Zeitalter der Elektromobilität erweitert die Möglichkeiten der Ingenieure um eine ganze Dimen-sion. Egal ob mit vollelektrischem Antrieb oder einem Hybrid-Konzept: In Zukunft steht im Fahrzeug Hochspannung zur Ver-fügung – und mit der lassen sich kraftvolle Elektromotoren betrei-ben, auch an der Hinterachse. Die Idee zum elektrischen quattro war geboren.

TextHermann Reil

FotosMyrzik und Jarisch

Fahrspaß im e-Modus Auch im vollelektrischen Betrieb tanzt der Audi A5 e-tron quattro hochdynamisch über das Eis.

Inspektion: Fahrwerk-Entwicklungschef Dr. Horst Glaser unter dem e-tron quattro. Die Batterie findet im Mitteltunnel den perfekten Platz.

Versuchsaufbau: Die Steuergeräte des Prototyps werden im Gepäckraum montiert. Die Leistungselektronik des Plug-in-Hybrid sitzt im Motorraum.

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Verbrennungsmotor:Hocheffizientes TFSI- oder TDI-Aggregat; kann je nach Betriebsmodus die Vorderräder direkt antreiben und/oder über den E-Motor/Generator elektrische Energie für Batterie und Hinterachs-antrieb liefern.

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E-Motor / Generator: Eingebaut zwischen Verbrennungsmotor und Getriebe; liefert Antriebsmoment für die Vorder-achse, alleine oder als Boost-Unterstützung für den Verbrennungsmotor; erzeugt elektrische Energie durch Rekuperation beim Bremsen oder aus der Kraft des Verbrenners.

Leistungselektronik: Regelt die Verbindung von Batterie (Gleichstrom) und E-Aggregaten (Wechselstrom).

Getriebe:Teil der Hybrid-Antriebseinheit, verschiedene Getriebetechnologien sind möglich.

Hochvolt-Leitungen:Verbinden Batterie, Leistungselektronik und E-Antriebe; Orange ist die standardisierte Signalfarbe für Hochvolt-Leitungen.

Elektrischer Hinterachsantrieb:Innovative Einheit aus E-Motor, Differenzial und zwei Überlagerungseinheiten für aktive Mo-mentenverteilung an die Hinterräder; ermöglicht optimale Traktion und überlegene Fahrdynamik. Die direkte und verlustarme Verbindung zwischen E-Einheit und Rädern ermöglicht maximale Effizienz beim Antrieb wie bei der Energie-Rück-gewinnung durch Brems-Rekuperation.

Batterie:Lithium-Ionen Batterieeinheit mit integriertem Kühlsystem; geladen wird sie von der E-Maschine, zu einem hohen Anteil über Rekuperation, oder an der Steckdose; damit ist rein elektrisches Fahren möglich.

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Der elektrische quattro Das Antriebs-Layout

Der quattro für das E-Zeitalter Mit dem elektrischen quattro entwickelt Audi seine Allrad - kompetenz konsequent weiter. Die intelligente Kraftverteilung hebt Dynamik und Sicherheit auf eine neue Stufe, die Effizienz ist wegweisend.

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Definiert wurde das Konzept im Projekthaus e-Perfor-mance* bei den Elektro-Vordenkern von Audi. In einer Art Think Tank arbeiten hier rund 30 Ingenieure aus allen Entwicklungs be-reichen konzentriert an neuen Ideen für die Elektromobilität, auch der erste e-tron ist hier entstanden. „Die Frage für uns war: Wie kombinieren wir für unsere zukünftigen Modelle den Elektroantrieb mit begeisternder Dynamik“, weiß Dr. Michael Korte, der Leiter des Projekthauses. Skizziert war die Idee schnell, dann vergingen viele Arbeitsstunden mit Prototypen-Konstruktion und Software-Ent-wicklung, doch nun staubt einer der ersten drei Technologieträger bereits durch den skandinavischen Schnee – das Ergebnis von Teamgeist und Leidenschaft der Projekthaus-Mannschaft.

Eine Runde noch, und der A5 kommt zurück an die „Box“. Dr. Horst Glaser steigt aus, er ist mehr als zufrieden. „Faszinierend, wie gut und wie leicht sich dieses System schon jetzt fahren lässt, absolut berechenbar und hoch präzise“, urteilt der Leiter der Fahr-werkentwicklung bei Audi. Das innovative Zusammenspiel von Mechanik und Elektrik, gesteuert durch eine ausgefeilte Elektronik, funktioniert also bereits erstaunlich gut. Dabei bedeutet es nichts weniger als eine technische Revolution.

Über der Vorderachse des e-tron quattro ist ein Hybrid-an trieb eingebaut, wie er beispielsweise beim neuen Audi Q5 hybrid verwendet wird als effiziente Kombination aus Benzinmotor, Elek-tro motor und Automatikgetriebe. Die mechanische Kardanwelle

wird beim e-tron quattro allerdings durch eine By-wire*-Kabelver-bin dung ersetzt. Das schafft Platz im Mitteltunnel – der als crash-sicherer Einbauort für die Batterie perfekt genutzt wird. Da mit bleibt auch der Gepäckraum vollständig erhalten und die Ver tei-lung der Achslasten im Lot. Die Batterie wird ausreichend dimensio-niert sein, so dass der e-tron quattro als Plug-in-Hybrid* – geladen an der Steckdose oder durch den Verbrennungsmotor – auf Kurz stre-cken rein elektrisch und damit lokal emissionsfrei unterwegs ist.

Das Herzstück des e-tron quattro sitzt zwischen den Hinterrädern, anstelle des klassischen Differenzials. In einem Ge-häuse arbeiten ein kräftiger Elektromotor und ein mechanisches Torque-Vectoring* in einer neu erdachten Einheit zusammen. Das bedeutet, dass sich die Antriebsmomente individuell zuteilen las-sen: Zwei Überlagerungseinheiten und elektrohydraulisch gesteu-erte Lamellenpakete leiten die Kraft überwiegend zum kurvenäu-ßeren Rad und unterstützen damit das Einlenken des Autos in die Kurve. Im Prinzip funktioniert dieses Sportdifferenzial beim elek-trischen quattro ganz ähnlich wie beim mechanischen Allradantrieb von Audi, unter Last ebenso wie im Schubbetrieb.

„Damit erreichen wir eine quattro-typische Fahr dyna-mik ganz egal, wie viel Antriebskraft wir an der Hinterachse aktuell einsetzen“, weiß Dr. Ralf Schwarz, der Leiter der Fahrwerks ent-wicklung für Hybrid- und Elektrofahrzeuge. Theoretisch könnte man dieses Torque-Vectoring auch mit getrennten E-Motoren für das

funktioniert beim elektrischen quattro so effizient, dass im norma-len Fahrbetrieb die hydraulische Bremse, der Energievernichter, kaum noch gebraucht wird. Und durch die „umgekehrte“ Nutzung des Torque-Vectoring kann auch in der Kurvenfahrt noch das letzte Quäntchen Energie zurückgewonnen werden.

Audi hat über 30 Jahre quattro-Erfahrung – und wird den Vorsprung weiter ausbauen, da ist Dr. Horst Glaser sicher. Der Fahrwerkchef sitzt schon wieder im silbernen A5, fährt jetzt die Serpentinen zu einem Hügel in „Kalt 1“ hoch, natürlich im vollen Drift – aber dennoch geräuschlos. Schließlich liefert der Prototyp auch im reinen Elektro-Modus überzeugenden Fahrspaß.

Wann also dürfen Audi-Kunden den auch erleben? Da wird Dr. Glaser zum ersten Mal etwas einsilbiger: Vom Techno logie-träger Nummer 1 bis zum Kundenfahrzeug ist es noch ein weiter Weg, die Serienentwicklung zur perfekten Reife dürfte ein paar Jahre dauern. Aber in Einem ist sich Dr. Glaser ganz sicher: „Auch im Zeitalter von Elektromobilität und maximaler Energieeffizienz wird uns an Dynamik und Fahrspaß nichts fehlen – zumindest in einem Audi.“

rechte und linke Rad erreichen, aber längst nicht vergleichbar mit der guten Wirkung des e-tron quattro. Da die Verlagerung der Mo-mente rein mechanisch erfolgt, verbraucht das System keine wert-volle elektrische Energie – damit ist es eine intelligente Kombi-nation von Mechanik und Elektronik.

Die Allradregelung des elektrischen quattro-Antriebs wertet den aktuellen Fahrzustand anhand zahlreicher Sensordaten laufend aus und verteilt die vom Fahrer gewünschte Antriebskraft binnen Sekundenbruchteilen variabel auf beide Achsen – bis zu 100 Prozent nach vorne oder hinten. So kann beispielsweise zusätzli-ches Moment an die Hinterachse geleitet werden, wenn die Vor der-räder mit der Seitenführung bereits vollends beschäftigt sind. Dazu kommt die Kraftverteilung zwischen links und rechts, im Prinzip lässt sich jedes Hinterrad einzeln ansteuern. Dr. Schwarz ist begeis-tert: „Wir haben hier völlig neue Möglichkeiten, denn Elektro mo to-ren reagieren extrem schnell. Für Fahrdynamiker ist das ein Traum, und in der Fahrsicherheit erreichen wir die nächste Stufe.“

Dabei sind Dynamik und Fahrspaß nur die eine Seite der Medaille, ihre Rückseite glänzt ebenso – die überlegene Effizienz. Die Rekuperation* ist ein zentrales Thema bei jedem Elektro- oder Hybridfahrzeug – die Rückgewinnung von Energie beim Bremsen, für geringeren Verbrauch und größere Reichweite. Die beiden E-Motoren an Vorder- und Hinterachse sind auch in der Bremsphase individuell regelbar und arbeiten mit maximaler Wirkung. Das

Zufrieden: Dr. Horst Glaser, Leiter der Fahrwerkentwicklung, dreht seine Runden mit einem der ersten Prototypen.

Konzentriert: Die Techniker Dr. Ralf Schwarz, Clemens Burow, Michael Wein, Jürgen Bader und Andreas Kastl checken die Testergebnisse.

Schnell: Die exakt regelbaren und schnell agierenden E-Motoren ermöglichen beste Beschleunigung selbst auf Eis – quattro-Kompetenz auf neuer Stufe.

Erleben Sie den e-quattro in Bewegung.www.dialoge.audi.de

* Siehe Glossar, S. 204 –207

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Leuchtende Innovation In der Lichttechnik baut Audi seinen Vorsprung konsequent aus: LED-Scheinwerfer mit Matrixbeam, adaptive Heckleuchten oder Nebellicht in Lasertechnik sind nur ein paar der spannenden Stichworte.

Innovatives Licht: Erst der Nebel in der Kunststoffbox macht den gebündelten Lichtstrahl der Laser-Nebelleuchte sichtbar.

Light Box

Erleben Sie die Laser-Nebelleuchte im Video.www.dialoge.audi.de

Sehen Sie die innovative Lichttechnik im Video.www.dialoge.audi.de

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Manch eine Innovation der Automobil tech-nik mag auf den ersten Blick fast beschei-

den erscheinen. In Wirk lichkeit aber beseitigt sie ein echtes Ärgernis und steht für klaren Fortschritt in Sicherheit und Alltagsnutzen: Ein innovatives Nebel licht beispielsweise bedeutet solch einen Fortschritt. Eine Leuchte, die bei schlechter Sicht ein deutliches Warn signal an den Hintermann sendet und bei wieder klaren Ver-hält nissen nicht blendet – auch wenn der Fahrer das Ausschalten mal vergisst. Oder eine Heck leuchte, die ihre Intensität automa-tisch der Sichtweite anpasst. Die Lichttechniker bei Audi haben solche Lösungen gefunden. Mit einer ganzen Reihe von innovativen Ideen wollen sie den Vorsprung von Audi auf dem Feld der Licht-tech nologie weiter ausbauen.

„Die Zukunft des Lichts liegt bei Audi im Nebel“, scherzt Stephan Berlitz. Natürlich hat der Leiter der Lichtvorentwicklung selbst einen ganz klaren Blick in die Zukunft. Vielmehr spricht er von jenen problematischen Witterungslagen, vor allem im Herbst oder auch im Frühjahr, in denen Sicht und Sicherheit der Autofahrer deutlich reduziert sind. Natürlich hat jedes moderne Fahrzeug starke Nebelleuchten an Bord. Doch deren situationsgerechte Be-dienung scheint manchen Fahrzeuglenker zu überfordern.

Im Laser liegt die Lösung, davon ist Berlitz überzeugt. Sein Team entwickelt eine Leuchte, die mit dem parallel gebündel-ten Licht eines Laserstrahlers ein Dreieck in den Nebel hinter dem Fahrzeug projiziert. „Ein Warndreieck, wenn man so will, das dem nachfolgenden Verkehr anzeigt, dass er Abstand halten sollte“, sagt Berlitz. Der Trick: Bei guten Witterungsverhältnissen und kla-rer Sicht sind die Laserstrahlen nicht zu sehen. Im Nebel oder Regen dagegen treffen die Strahlen auf die Wasserpartikel in der Luft und werden auf diese Weise deutlich sichtbar. Selbstver ständ-lich sind die Laser so angeordnet, dass sie den Hintermann zu kei-nem Zeitpunkt blenden können.

Für mehr Sicherheit bei schlechter Sicht hat Berlitz ein weiteres Ass im Ärmel: die adaptive Heckleuchte. Mittels eines Sichtweitesensors erkennt dieses System, wie gut oder wie schlecht die Sicht aktuell ist und passt die Leuchtkraft der Heckleuchte auto-matisch den Bedingungen an. Auch damit wird die Blendung des nachfolgenden Ver kehrs zuverlässig vermieden, zugleich aber eine stets optimale Warn wirkung erreicht.

Licht als Design- und Sicherheitselement spielt bei Audi eine große Rolle, spätestens seit Ende der 1990er Jahre die Xenon plus-Scheinwerfer eingeführt wurden. Eingangs des 21. Jahr hun-derts nutzte Audi als erster Hersteller das volle Potenzial von Leucht-dioden: 2004 ging das LED-Tagfahrlicht im Audi A8 in Serie, 2008 revolutionierte Audi mit den ersten Voll LED-Scheinwerfern im Hoch-leistungssportwagen R8 die Lichtwelt. Inzwischen ist die ses Licht für die Baureihen A6, A7 Sportback, A8 und R8 lieferbar. Dabei sind die optisch markanten LED-Scheinwerfer wartungsfrei, langlebig und extrem energieeffizient – beim Ab blend licht etwa hat jede Einheit nur 40 Watt Energiebedarf, noch weniger als bei der Xenon plus-Technik. Dazu integrieren die LED-Schein werfer ein All wetter-licht und ein Autobahnlicht, der Fern licht assistent schaltet selbst-tätig zwischen Abblend- und Fernlicht um.

TextAndreas Fingas

FotosMyrzik und Jarisch

LED mit Matrixbeam Mit den einzeln ansteuerbaren Arrays baut Audi seinen Vorsprung in der LED-Lichttechnik weiter aus.

Versuch: Mit der Taschenlampe simuliert die Person im Lichtkanal ein entgegenkommendes Fahrzeug. Sofort wird diese Fläche im Licht- kegel der LED mit Matrixbeam ausgespart und so Blendung vermieden.

Sensibel: Die adaptive Heckleuchte regelt ihre Helligkeit anhand eines Sichtweitesensors, bei Nebel steigt die Intensität.

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Erleben Sie die Funktion von LED mit Matrixbeam in der Animation. www.dialoge.audi.de

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Die einzeln ansteuerbaren Leuchtdioden eröffnen dem Lichtentwickler aber noch weit mehr Möglichkeiten. Stephan Ber-litz möchte den Vorsprung von Audi in dieser Technologie mit der nächsten Innovation ausbauen – LED mit Matrixbeam*. Hier leuch-tet jedes einzelne LED-Array* ein definiertes Segment der Fahrbahn aus und kann individuell zu- oder abgeschaltet werden. Eine am Innenspiegel angebrachte Kamera registriert vorausfahrende und entgegenkommende Fahrzeuge. Mit Hilfe dieser Daten und durch die intelligente Schaltung der einzelnen LED-Arrays wird dann der Lichtkegel um diese anderen Verkehrsteilnehmer herum ausge-spart. Dadurch ist die Fahrbahn immer optimal ausgeleuchtet. Gleichzeitig werden entgegenkommende oder voraus fahrende Fahrer aber nicht geblendet.

Zu wissen, was uns in der nächsten Kurve erwartet, gibt uns einen Sicherheitsvorsprung. Das adaptive Kurvenlicht passt den Lichtkegel dynamisch dem Lenkradeinschlag und der Aus rich-tung des Fahrzeugs an. Diese noch bessere Ausleuchtung der Fahr-bahn sorgt beim Durchfahren von Kurven für bestmögliche Sicht und in der Folge für mehr Sicherheit. Bislang ist die Funktion als adaptive light-Technologie in Verbindung mit Xenon plus-Schein-werfern verfügbar.

Doch auch die Lösung für LED-Scheinwerfer wird schon vorbereitet – und sie ist noch vorausschauender. Dieses navigati-onsbasierte Kurvenlicht leuchtet eine Biegung bereits aus, bevor der Fahrer überhaupt das Lenkrad in die entsprechende Richtung dreht. Dazu berechnet das System aus den Daten des Navi gations-systems und der GPS-Standortbestimmung den unmittelbar be-vorstehenden Fahrtweg und lenkt das Scheinwerferlicht selbst-ständig in die entsprechende Richtung. So wird der Fahrer in Zu-kunft seinem Licht folgen.

Doch das Team um Stephan Berlitz denkt auch über diese Schritte weit hinaus. Dank der technologischen Entwicklung eröffnen sich immer neue Möglichkeiten, Licht zu erzeugen und ästhetisch sowie sicherheitsrelevant im Auto einzusetzen. Eine dieser Neuerungen ist die OLED-Technologie*, die organische Leucht-diode. „Zwischen zwei Leiterplatten befindet sich ein reaktives, viskoses organisches Material, das zu leuchten beginnt, sobald eine Spannung angelegt wird“, erklärt Berlitz. Ein Vorteil: Ein solcher „Leucht körper“ kann extrem flach sein, etwa eine flexible Licht-Folie, die sich fast beliebig im und am Automobil anbringen und ins Fahr zeugdesign integrieren lässt.

Vordenker: Stephan Berlitz leitet die Lichtvorentwicklung bei Audi.

1 Kühlkörper 2 Reflektor für Autobahnlicht und Fernlicht 3 Kühlzapfen 4 Kühllüfter 5 Steuergerät für Blinker, Standlicht und Tagfahrlicht 6 Steuergerät für Abbiegelicht und Allwetterlicht 7 Steuergerät für Abblendlicht, Fernlicht und Autobahnlicht 8 Rahmen Abblendlicht 9 Abblendlichtgruppe (10 Leuchtmodule) 10 Linse 11 Flexboard für Blinker, Standlicht und Tagfahrlicht 12 Abdeckung 13 Reflektor für Abbiegelicht und Allwetterlicht 14 Kühlkörper 15 Abdeckung 16 Dickwandoptik für Standlicht, Tagfahrlicht und Blinker 17 Abdeckung 18 Blende für Abblendlicht

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Voll-LED-Scheinwerfer im Audi A8 Ein Scheinwerfer der modernsten Generation ist eine hochkomplexe Hightech-Landschaft.

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Erste Entwürfe gibt es bereits. Beispielsweise kann ein solches System erkennen, wenn sich jemand dem Fahrzeug nährt. Bewegt sich der Fahrer auf den Kofferraum zu, „fließen“ Lichter zu dieser Stelle und formen den Umriss der Heckklappen-Öffnung. Der Fahrer geht weiter zur Tür, das Licht folgt ihm dorthin und um-fließt die Öffnung der Fahrertür. Steigt er ein, folgt ihm das Licht auch in den Innenraum und zeichnet bestimmte Konturen des Interieurs nach, etwa das Lenkrad. Auch die Innenseiten der Türen können mit OLED-Leuchtmitteln versehen sein und in einem wei-chen Licht strahlen.

Die OLED-Technologie hat aber auch Relevanz in puncto Sicherheit: Während der Fahrt erkennen Sensoren an der Karos-serie, was sich um das Auto herum befindet. In Gefahrensituationen verfärben sich die OLED an den Türen und geben dem Fahrer damit einen Hinweis auf Gefahrenquellen. Wenn beispielsweise ein Fahr-radfahrer rechts am Auto vorbeifährt, schwenkt die Lichtfarbe in diesem Bereich in einen Signal-Ton um und lenkt so die Auf merk-samkeit des Fahrers in diese Richtung.

Die Einsatzmöglichkeiten der OLED-Technologie sind vielfältig. Sie werden das Design zukünftiger Audi-Modelle maß-geblich beeinflussen. „Die Designer sind dadurch nicht mehr auf Punkte oder Linien beschränkt, mit denen sie Licht am Fahrzeug erzeugen können. Ihnen eröffnet sich nun auch der Weg in die Fläche“, sagt André Georgi, bei Audi für das Design der Scheinwerfer verantwortlich. Anders als bei vielen Autobauern sitzt der Gestalter Tür an Tür mit dem Entwicklerteam von Berlitz. „Wir sind uns nicht nur räumlich nahe, sondern finden auch immer wieder einen Weg, um Technologie und Design perfekt zu vereinen.“

Kooperationen mit externen Entwicklerteams und Uni-versitäten wie der Uni Karlsruhe, dem Sitz der deutschen Prüfstelle für Automobilbeleuchtung, der TU Darmstadt, der Uni Hannover und der Uni Köln lassen immer neue Innovationen in das Audi-Lichtdesign einfließen. Erfahrene und kreative Mitarbeiter tragen den Rest dazu bei, dass Audi seinen Vorsprung ausbauen kann.

Ein gutes Beispiel dafür ist Dr. Wolfgang Huhn, Leiter Licht und Sicht der AUDI AG. Die Internetplattform Driving Vision News.com hat Huhn 2011 mit der Auszeichnung „Man of the deca-de“ geehrt. Grund ist sein großes Engagement, mit dem er die Be-deutung von Lichttechnik für Sicherheit und Design aufzeigt. „Diese Ehrung freut mich ganz besonders, da sie von Kollegen und Exper-ten aus dem Gebiet der Lichttechnik vergeben wird“, erklärte Huhn.

Leuchtobjekt: Mit der OLED-Technologie sind die Designer nicht mehr auf einzelne Punkte als Lichtquellen beschränkt.

Man of the decade: Dr. Wolfgang Huhn, Leiter Licht und Sicht der AUDI AG, wurde hoch ausgezeichnet.

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Die flexiblen Lichtfolien können verschiedenste Teile der Karosserie dynamisch illuminieren.

Bewegt sich der Fahrer zum Heck des Autos, so „fließen“ die Lichter zur Gepäckraumöffnung. Geht die Person weiter zur Fahrertür, so wandern die Lichter mit zum Türgriff.

OLED Licht aus organischen Leuchtdioden wird ganz neues Design ermöglichen: Dank der flexiblen Lichtfolien können richtige Leuchtkörper gestaltet werden.

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Artwork

Die Leuchtenmanufaktur Eine Designidee aus dem Nichts eines 3D-Daten-satzes in ein physisches Modell zu verwandeln, ist fast schon Kunst, zumindest ist es feinstes Handwerk. Bei Audi entstehen solche leuchtenden Einzelstücke.

Fine, Superfine, Ultrafine, Microfine: Schon die Werkzeuge zeigen, wie präzise in der Audi-Leuchtenmanufaktur gearbeitet wird.

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Verkabelt: Jede Leuchte aus der Manufaktur ist voll funktionsfähig.

nur einen Hauch zu viel abschleift, ist das Bauteil, in dem schon mehrere Stunden Arbeit stecken, ruiniert. Als Messinstrument dient ihr in diesem Stadium allein das Augenmaß. Konzentriert trägt sie minimale Schichten vom Kunststoff ab – eine Arbeit, die sich noch über weitere Stunden hinzieht. „Frauen haben einfach mehr Geduld für so etwas“, urteilt sie und wirft ihren männlichen Kollegen am Tisch ein herausforderndes Lächeln zu.

Rund fünf Wochen dauert es, bis aus einer Designskizze das Modell eines Scheinwerfers erwächst. Dabei stehen den Mo-dell bauern unterschiedliche Materialien zur Verfügung, Kunst-stoffe und Aluminium sind die wichtigsten. Freilich ist nicht nur Handwerkskunst im Spiel, sondern ebenso Hochtechnologie.

Beim so genannten Rapid Prototyping* werden Teile in Schichten aufgebaut – wie bei einem dreidimensionalen Drucker. Die Stereolithographie gehört zu diesen Technologien: Ein Laser „beschießt“ von oben flüssiges Epoxydharz in einem Behälter. Wo er auftrifft, härtet das Harz aus – und das Teil entsteht nach und nach in Schichten von 0,05 bis 0,1 Millimeter Dicke.

Weitere filigrane Teile werden von einer fünfachsigen Hochgeschwindigkeits-Fräsmaschine aus einem vollen Aluminium-block hergestellt. So entstehen die einzelnen Bau steine für das Scheinwerfer-Modell, dann werden sie lackiert oder verchromt. Jedes der insgesamt bis zu 80 Teile fügt sich perfekt in das andere, bis schließlich ein Scheinwerfer oder eine Heckleuchte fertig ist – jedes ein Unikat.

Inzwischen bereitet Johann Reitinger als Elektroniker im Modellbau das Layout für die Platinen vor, fertigt sie mittels Frästechnik, bestückt sie mit Leuchtdioden und verkabelt diese abschließend. Schließlich müssen alle Funktionen wie Tagfahr-, Stand-, Schluss- oder Nebellicht optimal funktionieren. Nur dann können die Ingenieure der Lichtentwicklung die Modelle in ihrem Lichtstudio bewerten und mit den errechneten Werten vergleichen – und damit klar belegen, was die innovativen LED-Technologien an wirklichem Fortschritt bringen.

Ebenso eng ist natürlich die Zusammenarbeit mit Audi Design. „Wir können nur deshalb so präzise und effizient arbeiten, weil wir immer im Dialog mit den Designern stehen. Sie liefern die Idee und begleiten auch den Entstehungsprozess bis hin zum fer-ti gen Modell“, sagt Modellbau-Leiter Hans Gressmann. Die enge Vernet zung zwischen den Designern, den Konstrukteuren aus der Licht entwicklung und der Manufaktur hilft allen Seiten: Der Desig-ner kann sicher gehen, dass sein Entwurf so umgesetzt wird, wie er ihn sich vorstellt, der Konstrukteur erlebt seine Ideen in funkti-onieren der „Hardware“.

Hat ein Modell alle Hürden bis in die Serienproduktion geschafft, fließen die Informationen an die beauftragte Her steller-firma des Scheinwerfers. In der Serie ist die Zeit der Handarbeit vor-bei, dann arbeiten auch am Scheinwerfer die Roboter.

Der Kontrast zur benachbarten Ingolstädter Serienproduktion könnte nicht größer sein.

Dort arbeiten präzise Roboter an tausenden von Fahrzeugen am Tag, dort sind alle Ab läufe exakt definiert, dort wird höchste Qua-li tät am laufenden Band hergestellt. In der Leuchtenmanu faktur gibt es keine Roboter, hier ist kunstfertige Handarbeit gefordert, mit feinem Gefühl und höchstem Können. Denn buchstäblich aus dem Nichts entstehen hier aufwändigste Einzelstücke – die Schein-werfer und Heckleuch ten für Prototypen und Show cars.

„Für diese Arbeit braucht man viel Geduld und Liebe zum Detail“, erklärt Hans Gressmann, der Leiter des Modellbaus. Seine Abteilung ist wichtig für den schnellen Entwicklungsprozess bei Audi. Denn hier werden nicht nur die Ideen der Designer in reale Modelle umgesetzt, sondern auch die innovativen Technologien der Lichtentwickler. Schließlich sehen die hier entstehenden Leucht- Kunstwerke nicht nur perfekt aus – sie funktionieren auch ebenso.

Winzige Feilen, feinstes Schleifpapier und ein scharfer Blick sind die wichtigsten Instrumente, die dabei zum Einsatz kom-men. Julia Robl sitzt unter einer Tageslichtlampe, in die eine große Lupe eingelassen ist, an einem großen Werktisch, feilt, schleift und poliert. Wenn die Industriemeisterin für Kunststoff und Kautschuk

TextAndreas Fingas

FotosMyrzik und Jarisch

Geschliffen: Jedes Teil bekommt hochwertige Oberflächen.

Materialien: Kunststoffe und Aluminium sind die wesentlichen Grundstoffe für die Einzelanfertigungen.

Eingepasst: Neben Designmustern entstehen hier die Leuchten für Showcars.

Werkzeug: Handarbeit ist die Basis im Modellbau, ergänzt durch modernste Hochtechnologie.

* Siehe Glossar, S. 204 –207

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Fahrerassistenzsysteme Audi entwickelt ein innovatives System für den vorausschauenden Fußgängerschutz. Sein Herzstück ist ein neuartiger Sensor, der präzise dreidimen sionale Abstands-messungen vornehmen kann.

Die sehende Diode

PMD-Darstellungen: Links ein Grauwert-Bild, rechts die Entfernungs-Informationen.

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Mit einem Auto durch einen Busch hindurch zu fahren, fällt den meisten Menschen nicht

ganz leicht. Der Busch ist zwar nur virtuell, ein Datensatz in einer Simulation, aber er sieht sehr echt aus. Er ist Teil einer kleinen Stadt mit Straßen und Kreuzungen, mit Autos und Menschen und einem Park. Die Simulation ist so gerechnet, dass sie genau auf der Dynamikfläche des Audi-Test geländes bei Ingolstadt spielt, einer großen Asphaltplatte.

Dr. Frank Hänsel, Ingenieur bei einem externen Audi-Dienstleister, setzt den Datenhelm auf, und sofort katapultiert ihn dessen Brille mitten in den virtuellen Park. Hänsel startet den A4 allroad quattro, fährt ungerührt durch den Busch hindurch und rollt auf die Straße. Links liegt eine Bushaltestelle vor einer Schule; die Route beschreibt eine enge Rechtskurve. An der folgenden Kreu-zung hält Hänsel kurz an und lässt einem von rechts nahenden blauen A4 die Vorfahrt. „Haben Sie gerade das Pferd am Straßen-rand gesehen?“, fragt er. „Unser Programmierer hat uns ein paar kleine Extras gegönnt.“

Der Datenhelm dient den Audi-Enwicklern als smarte Alternative zum stationären Simulator, der im Umgang mehr Auf-wand erfordert und doch nicht den gleichen Realitätseindruck ver-mitteln kann. Dr. Karl-Heinz Siedersberger aus dem Audi-Pro jekt-haus Fahrerassistenzsysteme erklärt, warum: „Die Bewegungen, die der Simulator dem Auge vortäuscht, weichen von den Ein drücken ab, die das Gleichgewichtsorgan im Innenohr liefert. Selbst wenn wir die Fahrer-Zelle mit einer riesigen Hydraulik bewegen würden, wäre es kaum möglich, eine Vollbremsung realistisch abzubilden.“

Der Helm hingegen, der ursprünglich aus der Militär-technik kommt, lässt sich in jedem Testwagen problemlos nutzen. Die Signale gelangen über eine schnelle Grafikkarte an die Brille – aus einer Box voller Rechner, Monitore, Akkus und Modems, die anstelle des Beifahrersitzes montiert wird. Die Technik kommuni-ziert mit einem verfeinerten GPS-Ortungssystem auf dem Gelände, das auf zwei Zentimeter genau misst. Ein so genannter Headtracker verfolgt per Laserstrahl die Bewegungen, die der Kopf des Fahrers macht; das Bild in der Brille wird entsprechend angepasst.

Parallel dazu nutzen die Audi-Ingenieure ein zweites Simulationsverfahren, das sie selbst konzipiert haben. In der „aug-mented reality“ sieht der Fahrer die reale Umwelt; über die halb-durchsichtige Brille bekommt er andere Verkehrsteilnehmer ein-gespielt. Das kann ein Auto sein, das ihm die Vorfahrt nimmt, oder ein Kind, das plötzlich auf die Straße läuft. Mit beiden Simu lations-tech niken lässt sich genau ermitteln, wie sich der Fahrer in einer solch gefährlichen Situation verhält.

TextJohannes Köbler

FotosMyrzik und Jarisch

Die Erkenntnisse fließen in das Layout der neuen Fah-rer assistenz- und Sicherheitssysteme von Audi ein – auch in das System für den vorausschauenden Fußgängerschutz, das in einem der nächsten neuen Modelle debütieren wird. „Das Ziel besteht darin, Unfälle mit Passanten vorherzusehen“, erklärt Dr. Ulrich Widmann, Leiter Entwicklung Fahrzeugsicherheit der AUDI AG. „In vielen Fällen werden wir sie dadurch vermeiden können, fast immer können wir ihre Folgen mindern.“

Widmann umreißt die Größe der Aufgabe mit einer Reihe von Zahlen. „Zwölf Prozent des Unfallgeschehens in Deutsch-land sind Unfälle mit Fußgängern“, erläutert er. „2008 und 2009 waren hier jeweils rund 600 Tote zu beklagen, in vielen Ländern Süd- und Osteuropas lagen die Zahlen noch höher. Kinder sind lei-der überproportional oft beteiligt. Mehr als drei Viertel der Unfälle ereignen sich beim Überschreiten der Fahrbahn, dabei ist der Fußgänger zumeist nicht verdeckt. Bei jedem zweiten Fußgänger-unfall bremst der Fahrer nicht oder nur schwach.“

Das Fußgängerschutzsystem von Audi beobachtet die Straße vor dem Auto und erkennt querende Passanten. In einer kri-tischen Situation stellt es komplexe Berechnungen an – sie berück-sichtigen den möglichen Kollisionszeitpunkt, die aktuelle Eigen-ge schwin digkeit des Fahrzeugs und den anzunehmenden Weg des Fußgängers. Anhand dieser Parameter entscheidet das System, ob es eine Notbremsung auslösen muss. Die Rechenarbeit ist notwen-dig, um nicht zu oft blinden Alarm zu schlagen.

Wenn der Audi bei Beginn der Notbremsung 30 km/h schnell ist – etwa in einer verkehrsberuhigten Zone –, kommt er rechtzeitig zum Stillstand. Bei 50 km/h Anfangstempo baut er bis zur Kollision etwa 20 km/h ab. Falls der Aufprall mit 20 km/h oder langsamer erfolgt, geht er in aller Regel ohne schwerwiegende Verletzungen für den Fußgänger ab, wie die Untersuchungen von Audi ergeben haben.

Dr. Ulrich Widmann, Leiter Entwicklung Fahrzeugsicherheit:„Besser als alle passiven Lösungen.“

Die Autos von Audi werden drohende Unfälle mit Fußgängern vorhersehen. Häufig können sie diese dadurch vermeiden, fast immer die Folgen mindern.

Die Crash-Sensoren von heute reagieren erst, wenn der Aufprall stattfindet. Mit der PMD-Diode bringt Audi den Autos das Sehen bei.

Klein und smart: Prototyp des 40.000 Pixel-Chips.

Erleben Sie die Innovation im Fußgängerschutz im Video.www.dialoge.audi.de

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98 99Dialoge Technologie Dialoge Technologie * Siehe Glossar, S. 204 –207

Auf dem derzeitigen Stand integriert der Chip 1.024 Pixel, die auf einer Siliziumfläche von etwa 2,0 x 0,5 Zentimeter gepackt sind. Die nächste Generation, die sich bereits in der Ent-wicklung befindet, bietet Chipgrößen von 40.000 bis 100.000 Pixel – das erlaubt es, auch das Grauwert-Bild auszuwerten, das der Chip zusätzlich mitliefert. In der PMD-Technologie werden der Abstand und der Grauwert mit nur einer Kamera gemessen, das bringt große Vorteile beim Package und Design.

Die PMD-Technologie ist ein Musterbeispiel für die In-novations-Philosophie von Audi – sie überzeugt in jeder Hinsicht. Die Sensoren beobachten dank ihres Öffnungswinkels, der bis zu 90 Grad reichen kann, ein breites Feld. Sie eignen sich auch für Sys-teme mit schnellen Reaktionszeiten, etwa für die Anpassung von Rückhaltesystemen, weil sie 100 mal pro Sekunde neue Daten bil-der generieren. Sie können stehende Ziele sicher erkennen, brem-sen also auch auf stehende Autos hin und vermeiden damit viele Auffahr unfälle. Sie lassen sich von Regen oder starker Sonnen-einstrahlung nicht stören, und sie arbeiten auch bei Dunkelheit – 60 Prozent aller tödlichen Fußgängerunfälle passieren in der Nacht.

Die neue Technologie eignet sich für viele Einsatz ge-biete. „Das Auto der Zukunft wird sein Umfeld noch genauer wahr-nehmen können“, sagt Gollewski. „Die heutigen Crash-Sensoren reagieren erst dann, wenn ein Aufprall erfolgt – das ist so, wie wenn man blind gegen eine Wand liefe. Mit der PMD-Diode verleihen wir dem Auto Sehvermögen.“

Dr. Ulrich Widmann führt weiter aus: „Wir können die PMD-Sensoren überall dort benutzen, wo wir das Umfeld erkennen wollen – für den seitlichen Abstand in Autobahnbaustellen etwa, als Ergänzung zu unserem Radar-Tempomat ACC* oder für sicheres Rückwärtsfahren. Mittelfristig können sie auch als Nachtsicht-geräte dienen. Wir können aber auch im Innenraum beobachten, wie der Beifahrer sitzt, damit der Airbag beim Crash passgenau auslöst. Oder stellen Sie sich vor, dass Sie Ihren Audi eines Tages durch Gesten bedienen können, die der Sensor erkennt.“

Audi war an der Entwicklung der PMD-Diode intensiv beteiligt. Vor zehn Jahren wurde die damals neu gegründete Audi Electronics Venture GmbH (AEV), die Elektronik-Denkfabrik der Marke, auf die ersten Protoypen aufmerksam; Professor Rudolf Schwarte, ein Wissenschaftler aus Siegen, hatte sie entwickelt.

2002 gründeten beide Seiten ein gemeinsames Unter-nehmen, die PMDTechnologies GmbH. Gollewski, damals Leiter Stra-tegie und Finanzen der AEV, wurde einer der beiden Ge schäfts füh-rer. „Unsere Idee war immer, kleine, innovative Firmen zu suchen und sie zu unterstützen“, berichtet er. „Die AEV ist das schnelle Bei boot des großen Technologietankers Audi, sie bietet den Start-ups eine flexible Andockstelle.“

Außerhalb des Automotive-Bereichs hat sich die PMD-Diode bereits etabliert; Roboter oder Gabelstapler beispielsweise können mit ihr sehen. Auch die großen Unternehmen der Unter-haltungselektronik setzen voll auf die neue Technologie. Als Er-gänzung für Videospiel-Konsolen macht die Diode derzeit eine rasante Karriere, in deren Folge die Produktionskosten stark sin-ken. Die PMD-Diode, eine Entwicklung von Audi, kann unsere Welt bunter und unterhaltsamer machen – und vor allem sicherer.

Neben den intelligenten Simulationstechnologien haben die Ingenieure auch neue Methoden für die theoretische Berech-nung entwickelt. Mit ihnen können sie auf Basis der Fakten aus den einschlägigen Unfall-Datenbanken – darunter auch Audi-eigenes Material – die Effektivität ihres Systems sehr zuverlässig voraussa-gen. „Im Ergebnis schützt unsere Technologie den Fußgänger deut-lich besser als alle passiven Lösungen, also Eingriffe in die Kon-struktion oder das Design der Karosserie“, sagt Dr. Widmann. „Zu-dem profitiert auch der Fahrer von ihr.“

Die entscheidende Voraussetzung für das Fußgänger-schutzsystem ist die Fähigkeit zur präzisen dreidimensionalen Abstandsmessung. Einfache Kameras und Radarsensoren eignen sich dafür nicht, auch Stereokameras haben Nachteile. Audi setzt auf eine radikal neuartige, schlanke Technologie, die im eigenen Haus entstanden ist – die so genannte PMD-Diode (PMD = Photo-mischdetektor).

Die PMD-Technologie ist faszinierendes Hightech. Eine Lichtquelle sendet im Takt von 10 Millisekunden unsichtbares Infrarotlicht in das Feld vor dem Auto. Es wird von den Objekten dort reflektiert und auf den Sensor zurückgeworfen, der im Sockel des Innenspiegels sitzt. Detektoren im Sensor messen die Lauf-zeiten der Lichtstrahlen und gleichen sie mit einem Referenzsignal ab – so entstehen Informationen über die Entfernung der Objekte. Die Messung erfolgt auf 6,6 Billionstel Sekunden genau.

Die Photonen, in Elektronen umgewandelt, werden in einer so genannten Ladungsträgerschaukel voneinander getrennt, so lassen sie sich pixelweise darstellen. „Jedes Pixel nimmt eine eigene Abstandsmessung vor. Gemeinsam liefern sie ein differen-ziertes Bild und plausibilisieren sich gegenseitig“, erklärt Torsten Gollewski, Leiter Elektroniksysteme Fahrzeugsicherheit.

Torsten Gollewski, Leiter Elektroniksysteme

Fahrzeugsicherheit:„Viele Einsatzgebiete vorstellbar.“

Audi hat die Entwicklung der PMD-Technologie über Jahre hinweg intensiv unterstützt – eine weitblickende Investition in die Zukunft.

Entwicklungswerkzeug: Der Datenhelm von Audi im Einsatz auf der Teststrecke.

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Die Antriebs-Strategie von Audi Audi treibt den Fortschritt auf dem Technikfeld Antrieb voran – mit neuen Technologien, vom TDI über den TFSI bis zum Elektromotor.

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Neuentwicklung: Der 3.0 TDI mit Biturbo-Aufladung ist auf 230 kW (313 PS) Leistung ausgelegt.

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Die Welt von Axel Eiser ist eine hochkom-plexe Matrix. Ob es die Finessen der Thermo-

dynamik sind oder die CO₂-Sub sti tutionspotenziale* einzelner Ener-gieträger – der Leiter Entwicklung Aggregate ist einer, der in viele Richtungen denkt. Eiser hat eine gleichermaßen anspruchsvolle wie faszinierende Aufgabe: Er formuliert die künftige Antriebs stra-tegie von Audi – ein Szenario, das auf völlig neuem Terrain spielt.

„Die Automobilindustrie befindet sich in einem ra-santen Umbruch“, sagt Axel Eiser. „In der Gesellschaft werden neue Werte immer wichtiger, vor allem der Schutz der Ressourcen, der Umwelt und des Klimas. Damit verändert sich auch das Bild, das die Kunden vom Automobil haben. Wir wollen diese Entwicklung von der Spitze aus mitsteuern.“

Das Konzept, mit dem Audi die Mobilität der Zukunft gestaltet, ruht auf vier starken Säulen. Die Marke wird ihre führen-de Rolle bei den Verbrennungsmotoren, den TDI und TFSI, weiter ausbauen. Parallel dazu arbeiten die Ingenieure an einer nachhal-tigen Kraftstoff-Strategie und an der Elektrifizierung des Antriebs – an Hybrid- und an Elektrofahrzeugen.

Noch viele Jahre lang, da ist sich Axel Eiser sicher, wer-den der TDI und der TFSI die wichtigsten Antriebsquellen im Pkw bleiben. Beide Technologien sind originäre Audi-Entwicklungen. Der erste direkteinspritzende Turbodiesel mit elektronischer Re-gelung erschien 1989 im Audi 100, ein 2,5-Liter-Fünfzylinder mit 88 kW (120 PS). Seitdem sind die Schadstoff-Emissionen des TDI um 95 Prozent zurückgegangen; im gleichen Zeitraum ist die Leis-tung dagegen um über 100 Prozent und das Drehmoment um 70 Pro zent gestiegen.

Vor allem in der jüngsten Vergangenheit hat Audi große Fortschritte erzielt. Ein A8 2.5 TDI vom Jahrgang 2001 leistete noch 132 kW (180 PS) und verbrauchte auf 100 km 9,0 Liter Diesel. Die neueste Version der Luxuslimousine kommt mit dem 3.0 TDI auf 150 kW (204 PS) und auf 6,0 Liter pro 100 km. Ein Spitzenwert, aber nicht genug: Eisers Team arbeitet daran, den Verbrauch noch weiter zu reduzieren und zugleich das Abgas noch sauberer zu ma-chen, auch mit der aufwändigen clean diesel-Technologie. „Beim TDI bleiben die Emissionen die größte Aufgabe für die Zukunft“, sagt Eiser.

TextJohannes Köbler

FotosMyrzik und Jarisch

Das jüngste Produkt der Motorenschmiede von Audi ist der 3.0 TDI mit 230 kW (313 PS). Axel Eiser gerät förmlich ins Schwärmen, wenn er seine Technik beschreibt: „Biturbo-Aufladung mit zwei Ladern in Reihe, viele Modifikationen im Bereich der Zylin-derköpfe und bei den Kolben. Der neue Motor ist die Top-Version unserer Dreiliter-Familie in der zweiten Generation, die wir Anfang 2010 eingeführt haben. Er ist ein richtig sportlicher Diesel mit im-menser Kraft und schönem Klang.“

Erfolgsstory Nummer zwei schreibt Audi mit den Benzinmotoren. Schon in den 90er Jahren schlug die Marke den Weg des Downsizings* ein; die Ingenieure ersetzten Hubraum durch Aufladung. Beim TFSI, der 2004 unter tätiger Mithilfe Eisers de-bütierte, kommt die Direkteinspritzung dazu. Eines der Top-Trieb-werke von Audi ist der 2.0 TFSI – seit 2005 ist er fünfmal in Folge zum „engine of the year“ gewählt worden.

Die ideale Ergänzung zum Downsizing ist das Down-speeding*. Die drehmomentstarken Turbomotoren von Audi har-monieren ideal mit weiter gespreizten Getrieben, die in den oberen Gängen länger übersetzt sind und so die Drehzahlen senken. „Im gesamten Antriebsbereich haben wir mit Downsizing und Down - s peeding in den letzten zehn Jahren den Verbrauch um etwa 25 Prozent verringert“, sagt Axel Eiser.

Wie groß ist das Einsparpotenzial für die nächsten zehn Jahre? „Die Kurve wird sich abflachen, aber 10 bis 15 Prozent sind realistisch“, sagt Eiser. Ein Werkzeug, um dieses Ziel zu erreichen, ist der Modulare Effizienzbaukasten von Audi. Seit einigen Jahren packt die Marke immer neue Features in ihre Motoren – geregelte Ölpumpen, das innovative Thermomanagement, das Start-Stop-Sys tem und das Rekuperationssystem*. Großes Augenmerk gilt auch den klassischen Themen: Die innere Reibung aller Motor kom po-

Axel Eiser, Leiter Entwicklung Aggregate:„Die Branche erlebt einen rasanten Umbruch.“

* Siehe Glossar, S. 204 –207

Kompakt: Der scheibenförmige Elektromotor im Audi Q5 hybrid quattro leistet 40 kW (54 PS).

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Wind, Wasserstoff, Gas – Audi hat sich auf den Weg in die CO₂-neutrale Mobilität gemacht. Hier kommen auch die elek-trifizierten Antriebe, die vierte Säule der Strategie, ins Spiel. Noch 2011 bringt die Marke den Q5 hybrid quattro in Serie, wenig später folgen die e-tron Modelle. Das Kürzel steht für alle Fahrzeuge, die längere Strecken elektrisch zurücklegen können – als reine Elektro-autos wie der R8 e-tron, mit einem Range Extender* wie der A1 e-tron oder als Plug-in-Hybride* wie die Technikstudie e-tron Spyder.

In der Technologie-Matrix von Axel Eiser haben die neuen Konzepte unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen. „Die Alles-könner werden die Plug-in-Hybride sein. Sie erzielen mit den Bio-Kraftstoffen der zweiten Generation hervorragende CO₂-Bilanzen auf Langstrecken und fahren innerstädtisch emissionsfrei. Die rein elektrischen Fahrzeuge hingegen werden vor allem Stadt- und Zweitfahrzeuge sein.“

In der Elektromobilität sind noch viele Fragen zu beant-worten, bei den Kosten und bei der Technik. Audi erarbeitet ein Konzept ohne Schnellschüsse und Kompromisse. Die Ingenieure verfolgen einen integrierten Denkansatz, er reicht von der Position der Batterie in der idealen Schwerpunktlage bis zur Innen raum-heizung per Wärmpumpe – sie minimiert die Verluste bei der Reich-weite, die durch Heizung und Kühlung entstehen.

In der Denkwelt von Axel Eiser ist die Zukunft der Mobili-tät ein Mosaik aus vielen kleinen Steinchen. Sie wird von der Diver-sifikation geprägt sein, vom Nebeneinander verschiedener Techno-logien und Energieträger. Die globalen Märkte werden in Zukunft ganz unterschiedliche Anforderungen stellen – je nach den existie-renden Kraftstoff-Ressourcen, den gesetzlichen Regelungen und den ökologischen Fragestellungen vor Ort.

Audi vollzieht in diesem Szenario jetzt seine strate-gischen Schritte – die Marke stellt sich breit auf. „Unsere Kunden werden aus einem großen Angebot an Antriebs technologien aus-wählen können“, sagt Axel Eiser. „Wir werden für jeden Markt und für jeden Kunden die beste Lösung anbieten.“

nenten geht immer weiter zurück, die Einspritzdrücke werden beim TDI in Richtung 2.500 bar steigen, und die Brennverfahren werden immer weiter optimiert. Hilfreiche Werkzeuge dafür sind immer aufwändigere Simulationsmethoden für die Ladungsbewegung und die Verbrennung.

Etwa 20 Prozent des Verbrauchs-Fortschritts der letz-ten zehn Jahre sind den neuen Effizienz-Technologien zu verdanken, rechnet Eiser vor. Hier hat Audi noch viele Pfeile im Köcher. „Wir wollen bald Abwärme aus dem Abgasstrang zurückgewinnen und ins Thermomanagement einspeisen. Wir möchten die Wasser pum-pen und die Ölpumpen noch intelligenter regeln und noch präziser ansteuern. Und wir arbeiten an einer Ausbaustufe unseres Audi valvelift systems bei den Benzinmotoren. Wenn wir über die Ven-tilhubsteuerung einzelne Zylinder im Teillastbereich deaktivieren, machen wir den Motor zum engine on demand. Dann kann beispiels-weise ein V8 temporär auch als Vierzylinder laufen.“

Die dritte Säule der Antriebsstrategie von Audi bilden die Biokraftstoffe der zweiten Generation. Sie lassen sich aus Zellu-lose, also aus Holz und Stroh sowie biologischen Reststoffen, ge-winnen und stehen deshalb nicht mehr in Konkurrenz zur Nahr-ungsmittelproduktion. Ihre CO₂-Gesamtbilanz ist fast neutral, weil die Pflanzen das Kohlendioxid, das bei der Verbrennung anfällt, während ihres Wachstums der Atmosphäre entzogen haben.

„Wir rechnen ganzheitlich“, betont Axel Eiser. „Wenn man über einen Kraftstoff oder Energieträger nachdenkt, darf man nicht nur die Emissionen sehen, die am Auspuff entweichen. Viel sinnvoller ist die Well-to-wheel*-Betrachtung, die von der Quelle der Kraftstoffentstehung bis zur Fortbewegungsenergie am Rad reicht. In dieser Bilanz schneidet ein reines Elektrofahrzeug nur dann besser ab als ein effizienter TDI, wenn es in hohem Maße nachhaltig erzeugten Strom nutzt.“

In diesem ganzheitlichen Szenario kann das neue e-gas project von Audi ein großer Durchbruch werden. Dort produziert das Unternehmen mit Hilfe von Windenergie Strom und per Elektrolyse Wasserstoff; er wird anschließend in Methan, in syn-thetisches Erdgas, umgewandelt. Mit ihm lassen sich die neuen TCNG*-Fahrzeuge von Audi mit ihren modifizierten TFSI-Motoren antreiben. Diese Autos kämen Eisers Idealvorstellung von 20 Gramm CO₂ pro km in der Well-to-wheel-Bilanz schon sehr nahe.

Kurzstrecke unter 200 km Mittelstrecke Langstrecke über 500 km

Vollhybrid (HEV)

Plug-in-Hybrid (PHEV)

Brennstoffzelle (FCEV)

Verbrennungsmotor mit Biokraftstoff

Verbrennungsmotor

Verbrennungsmotor TFSI

TDI

Fuels

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Information Die vier Säulen der Mobilität

Wenn wir über Kraftstoffe und Antriebe nachdenken, rechnen wir ganzheitlich. Dann wenden wir die Well-to-wheel-Betrachtung an, von der Quelle bis zum Rad. Axel Eiser

* Siehe Glossar, S. 204 –207

BEV mit Range Extender

Elektroantrieb (BEV)

Kraftquelle: Die Batterie im Audi A1 e-tron speichert 12 kWh Energie, genug für 50 km Fahrstrecke.

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High voltage!

Audi A1 e-tron Das Zeitalter der Elektromobilität beginnt jetzt: Der kompakte A1 e-tron startet im Sommer in einen Flotten - versuch in München. Audi hat die teilnehmenden Autos mit äußerster Sorgfalt aufgebaut, zum großen Teil in Handarbeit.

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Urbaner Typ: Der A1 e-tron in der Salvatorgarage in der Münchner City.

München leuchtet Ein A1 e-tron aus der Versuchsflotte besucht schon mal sein künftiges Revier, hier die Ludwigstraße. Der Flottenversuch ist auf sechs Monate Dauer angelegt.

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Unter Strom am Siegestor Audi erwartet sich vom Flottenversuch wichtige Erkenntnisse darüber, wie sich Kunden und Autos verhalten.

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Information Flottenversuch A1 e-tron

München

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Im Sommer startet Audi den Flottenversuch mit dem A1 e-tron in München. In der ersten Welle rollen 20 Autos für sechs Monate auf die Straßen der bayerischen Landeshauptstadt. Audi wird exakt beobachten, wie sie sich im Alltag verhalten und wie sie von den Kunden genutzt werden. Einer von vielen Aspekten ist dabei die Datenkommunikation via Smartphone zwischen dem Fahrer und dem Auto. Der Flottenversuch in München illustriert den breiten Ansatz, mit dem Audi das Thema Elektro-mobilität angeht. Hier arbeiten die Spezialisten aus verschiedensten Abteilungen des Unter-nehmens – Technische Entwicklung, Elektromobili-tätsstrategie, Vorseriencenter, IT-Management, Kundendienst und Vertrieb – besonders eng zu-sammen. Vor Ort betreut die Autohandelsgruppe Mahag die Versuchsfahrzeuge. Mit im Boot sind weitere externe Projektpartner – der Energie versorger E.ON, die Stadtwerke München und die Technische Universität München. Im Rahmen des Versuchs sollen im Großraum 200 neue Ladestationen entstehen, die mit regenerativ erzeugtem Strom gespeist werden. Auch das Bundesverkehrsministerium unterstützt den Versuch im Rahmen eines Förderprojekts.

1 Range Extender-Modul2 Kraftstofftank für Range Extender3 Lithium-Ionen-Traktionsbatterie4 Hochvolt-Leitung5 Hochvolt-Verteilermodul6 Klimakompressor7 Elektromotor8 Gleichstromwandler9 Ladegerät

Lokal emissionsfrei Audi hat den A1 e-tron speziell für urbane Ballungsräume konzipiert. Strecken bis 50 km Länge legt er elektrisch und lokal emissionsfrei zurück. Ein Range Extender, der bei Bedarf die Batterie nachlädt, ermöglicht auch längere Distanzen.

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Roland Wenzel ist ein Mannsbild von einem Bayern – einer, den so schnell nichts aus der

Ruhe bringt. Als Auf bausteuerer im Vorseriencenter (VSC) im Werk Ingolstadt koordiniert er viele Details und löst immer wieder die kleinen und großen Fragen des Arbeitsalltags. In diesem Frühjahr betreut Wenzel ein besonders spannendes Projekt – den Aufbau von 20 Audi A1 e-tron für den Flottenversuch in München, der im Sommer anläuft.

Das Vorseriencenter in Ingolstadt ist ein großes, ele-gantes Gebäude, das vor drei Jahren fertig gestellt wurde. Nahezu 1.000 Kollegen arbeiten hier, viele von ihnen in einer lichtdurch-fluteten Halle, die sich über ein ganzes Geschoss erstreckt. In der Audi-Organisation ist das VSC ein wichtiges Bindeglied zwischen der Technischen Entwicklung und der Produktion; es ist 2006 aus Organisationen beider Bereiche entstanden.

Zwischen dem Entwicklungsbeginn eines neuen Mo-dells und seinem Start in die Serie nimmt das Vorseriencenter zahl-reiche Aufgaben wahr, darunter den aufwändigen Bau der Proto-ty pen bis hin zu Vorserienfahrzeugen. Etwa 3.000 von ihnen rollen jedes Jahr aus dem Gebäude in Ingolstadt und seinen Schwester-Einrichtungen in den Werken Neckarsulm und Brüssel.

Beim A1 e-tron ist der Aufbauprozess noch etwas kom-plexer als sonst, wie Roland Wenzel erklärt. Bevor die 20 Flotten-Fahrzeuge in Ingolstadt montiert werden, sind sie schon einige Wochen lang durch Europa gereist. Ihre Rohkarosserien entstehen, gesteuert durch das dortige VSC, im Audi-Werk Brüssel auf der Serien-Linie, danach gelangen sie für einen ersten Aufenthalt nach Ingolstadt. Dort nehmen die Karosseriebau-Spezialisten ihre Ände-rungen vor – vor allem am Boden des Hinterwagens, der das Range Extender*-Modul aufnimmt. Weitere Modifikationen betreffen den Bereich unter den Fondsitzen, das Bodenblech und den Mittel-tunnel rund um den Schalthebel.

Danach reisen die Karosserien zurück nach Brüssel, wo sie ihre Lackierung erhalten – der A1 e-tron ist im hellen Ton Glet-scherweiß gehalten, sein Dachkontrastbogen in Daytonagrau ab-gesetzt. Auch Teile der Ausstattung, etwa der Dachhimmel oder die Verglasung, werden in Brüssel eingebaut. Abschließend kom-men die teilmontierten Fahrzeuge zum zweiten Mal nach Ingol-stadt – für den Einbau der etwa 250 speziellen Komponenten, von denen etwa die Hälfte zu den elektrifizierten Umfängen gehört. Bei den ersten Autos dauerte diese Phase noch neun Wochen, jetzt sind es nur noch sechs Wochen. 30 VSC-Mitarbeiter sind mit der Mon-tage beschäftigt, insgesamt arbeiten fast 50 Ingolstädter Kollegen am A1 e-tron.

„Viele Dinge müssen sich erst einspielen“, erklärt Dr. Joachim Columbus, der Leiter Aufbausteuerung im VSC Ingolstadt. „Ich meine etwa die Aufbaureihenfolgen oder die Änderungen, die wir mit den Kollegen in Brüssel vereinbaren. Wir finden immer wie-der noch ein paar Punkte, die wir gegenüber der ursprünglichen Konstruktion verbessern können. Wir dokumentieren sie präzise, denn wir haben immer die mögliche Serienfertigung im Auge – das ist generell eine unserer Hauptaufgaben.“

Der Aufbau der A1 e-tron im VSC ist ein großes Tech-nikpuzzle. Auf einer der Hebebühnen erfolgt die Montage der Bat-terie. Der Lithium-Ionen-Akku speichert 12 kWh Energie und lässt sich in etwa drei Stunden mit 230 Volt-Strom voll laden. Er hat die Form eines T – der schmale Längsbalken passt in den Mitteltunnel, der breite, doppelstöckige Querbalken unter das Blech im Bereich der Rücksitzanlage.

Für den Einbau haben die Spezialisten im Vorserien cen-ter einen speziellen Montagewagen konstruiert. Seine Arbeits flä-che lässt sich in vier Richtungen neigen, um den etwa 140 Kilo-gramm schweren Akku perfekt auszurichten. Am Ende verbinden ihn 16 Verschraubungen mit der Karosserie.

„Wir haben hier im VSC eine hoch qualifizierte Mann-schaft“, erklärt Technikumsleiter Stefan Kreutmayer. „Viele Kolle-gen haben sich schon in den 90er Jahren mit dem Audi duo beschäf-tigt, dem ersten Serien-Audi mit Hybridantrieb. Damals haben sie wichtige Erfahrungen mit der Hochvolt-Technik gesammelt.“ Den-noch erfordert die Arbeit am A1 e-tron eine neue, den einschlägi-gen Vorschriften entsprechende Qualifikation. Sie reicht von der „Sensibilisierung“, einer kurzen Einweisung, bis zur höchsten Stufe Verantwortliche Elektrofachkraft (VEFK).

TextJohannes Köbler

FotosMyrzik und Jarisch

Eine Stadt voller Spannung Nächtliche Impression vom Mittleren Ring: Der A1 e-tron parkt vor dem Bürokomplex „Münchner Tor“.

Vormontierter Block: Das Range Extender-Modul.

* Siehe Glossar, S. 204 –207

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Roland Wenzel macht an einer Werkbank Halt, auf der ein kompakter schwarzer Quader steht: „Das ist unser Range Exten-der-Modul, in einbaufertigem Zustand mit allen Nebenaggregaten und der Akustik-Kapsel vormontiert.“ Das Herzstück der Baugruppe ist ein ultrakompakter Einscheiben-Wankelmotor mit 254 cm³ Kammervolumen. Der ganze Block wiegt wenig mehr als 60 Kilo-gramm – inklusive Generator, eigener Leistungselektronik, Kabeln, Kühler, Hilfsrahmen, Ansaug- und Abgasanlage. „Bei der Montage schrauben wir das Modul an vier großen Aufnahmen von unten an den Ladeboden“, erklärt Wenzel.

Der Range Extender hat keine mechanische Verbindung mit den angetriebenen Vorderrädern – sein Job ist es, bei Bedarf über den Generator, der 15 kW leistet, die Traktionsbatterie nach-zuladen. Der A1 e-tron hat einen Aktionsradius von 250 km; mindes-tens 50 km davon kann er rein elektrisch fahren, unterstützt von der Rekuperation* in Brems- und Verzögerungsphasen. Der Fahrer kann ihre Intensität über Wippen am Lenkrad in fünf Stufen steu-ern, ein spezielles Display informiert ihn über die Reichweite und die Betriebszustände des Autos.

Roland Wenzel setzt seinen Rundgang fort. Auf einer weiteren Hebebühne erfolgt der Einbau des Elektromotors und des Getriebes in den Vorderwagen. Die permanent erregte Synchron-maschine, die bis 12.000 1/min drehen kann, gibt 45 kW (61 PS) Dauerleistung und 75 kW (102 PS) Spitzenleistung ab, ihre 240 Nm Drehmoment stehen praktisch ab Leerlauf bereit. Wenn ge-wünscht, beschleunigt der Elektromotor den A1 e-tron in 10,2 Sekunden von null auf 100 km/h und weiter auf über 130 km/h Spitze. Als Getriebe dient die Siebengang S tronic aus der Serie, allerdings radikal ausgeräumt – eine feste Übersetzung genügt.

An einem Montageplatz nebenan erledigen zwei Mecha-niker bei einem weiteren A1 e-tron den nächsten Arbeitsschritt: Sie ziehen die orangefarbenen Hochvolt-Kabel und die Kühlwasser-schläuche in den Motorraum ein; einige von ihnen verlaufen durch den rechten Längsträger weiter zum Heck. Die Antriebskom po nen-ten des A1 e-tron wollen gekühlt sein – das gilt für die E-Maschine, in der es bis zu 180 Grad heiß werden kann, für die Batterie, den Range Extender und die große Leistungselektronik, die den Gleich-strom der Batterie in Wechselstrom umwandelt.

Das Kühlmittelvolumen des A1 e-tron ist größer als beim Serienauto, zwei Pumpen wälzen es um. Ebenso wie der Kom-pressor der Klimaanlage und die Pumpe des Bremskraftverstärkers haben sie einen elektrischen Antrieb. Zwei Ladegeräte, ein Gleich-stromwandler zwischen dem Hoch- und Niedervoltnetz sowie eine Verteiler- und Sicherungsbox komplettieren die Technik des Vor-der wagens im A1 e-tron.

All diese Komponenten müssen im Betrieb fehlerfrei zusammen arbeiten, deshalb gilt der Inbetriebnahme der elektri-schen Systeme besonderes Augenmerk. Zwei Spezialisten prüfen mit einer Checkliste und einem Laptop, ob alle Kabelsätze perfekt passen und die Software-Komponenten der Steuergeräte flüssig miteinander kommunizieren.

An einem der komplettierten Fahrzeuge sitzt Friedrich Teufel, Spezialist für Prozess- und IT-Systemintegration. Er gehört zu der Gruppe von Experten, die den Flottenversuch in München betreuen werden. Teufel und seine Kollegen wollen wissen, wie sich die A1 e-tron Fahrzeuge im urbanen Alltag verhalten – wie etwa die Kommunikation über das Smartphone des Kunden abläuft und vieles mehr. Bei Audi sind Entwickler, IT-Experten, Qualitätssicherer und Vertriebsstrategen gleichermaßen an den Ergebnissen des Flottenversuchs in München interessiert.

Das Protokoll, das dabei entsteht, wird wichtige Para-meter erfassen. Jeder A1 e-tron aus dem Flottenversuch trägt einen Festplatten-Daten-Logger im Gepäckraum. Verschiedene Kunden-befragungen komplettieren das Gesamtergebnis. Ob beim Aufbau im VSC oder im Flottenversuch in München: Audi startet mit einem ganzheitlichen Konzept in die Ära der Elektromobilität – und mit dem kompromisslosen Qualitätsanspruch der Marke.

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Blick in die Halle: Aufbau der Fahrzeuge für den Flottenversuch.

Besprechung: Roland Wenzel (links) mit seinem Team.

Leiter Aufbausteuerung:Dr. Joachim Columbus.

Inbetriebnahme: Überprüfung von Hard- und Software.

Montageschritt: Einbau von Elektromotor und Getriebe.

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InterviewDaniel Schuster

FotosMyrzik und Jarisch

Patentrezepte eines Oscar-Gewinners Nachdenken, ausprobieren, überzeugen – als Erfinder zerbricht sich Norbert Enning täglich seinen Kopf. Mit großer Neugierde entwickelt er innovative Lösungen, baut Modelle, diskutiert mit seinen Kollegen. Wertvoll ist jede Idee – auch wenn sie nicht zum Serienprodukt gedeiht.

Neu denken

Herr Enning, sind Sie ein waschechter Erfinder?

Norbert Enning: Sicherlich ein Stück weit, wobei ich mich eher als Innovator beschreiben würde.

Sie tragen keinen weißen Kittel oder stehen ölverschmiert an der Werkbank? Enning: Eher selten. Die meiste Arbeit findet heute doch am Com pu ter statt. Früher war das anders.

Sie sagen früher. Wie lange sind Sie denn schon Erfinder bei Audi? Enning: Seit 30 Jahren arbeite ich in der Vorent wick-lung. Da sind doch einige Patente zusammengekommen. Wahr-scheinlich habe ich sogar die meisten Patente hier bei Audi.

Immer als Einzelkämpfer? Enning: Nein, natürlich nicht. Viele Patente sind im Team entstanden. Des halb steht auf der Urkunde immer, welche Erfinder an einem Patent beteiligt sind. Nach einem Innovations-Workshop kann man oft auch nicht mehr genau unterscheiden, welche Idee von wem war.

Soll heißen, eine Erfindung ist planbar? Enning: Wir entwickeln ja nicht einfach ins Blaue hinein. In der täglichen Arbeit ergeben sich immer wieder klare Problem-stel lungen. Wenn mir dann eine innovative oder vielleicht auch ungewöhnliche Lösung einfällt, treibe ich das Thema voran.

Und was haben Sie so vorangetrieben? Enning: Lösungen zu Fußgängerschutz, Dach kon zep-ten, Tür öffnungs-Schar nieren und so weiter. Vieles sind Kleinig-keiten oder Details, ganz besonders bei den Patenten für den Audi Space Frame*. Meine ersten 25 Patente haben sich wesentlich mit Alu minium beschäftigt. 2008 bekam ich mit meinen Kollegen da-für ja auch einen Award.

Den „Inventor of the Year“ des Europäischen Patent amts. Enning: Das war ein richtiges Highlight für uns. Den Preis haben wir für ein spezielles Patent beim ersten Audi A8 be-kommen. Bei dieser Ver lei hung geht es um Erfindungen, die sich in der Praxis bewährt haben.

Wie muss man sich das vorstellen? Enning: Das läuft ein bisschen so ab wie beim Oscar. Die Patentämter der einzelnen Länder reichen Vorschläge ein. Dann wählt eine europaweite Kommission in jeder Kategorie – bei uns war das Industrie – drei Nominierte. Bei der feierlichen Ehrung wird dann verkündet: And the winner is…

Waren Sie überrascht? Enning: Das war schon sehr spannend. Und als wir dann als Gewinner bekannt gegeben wurden, waren wir richtig stolz. Wir sind für Audi und für Deutschland bei einer internationalen Aus-zeichnung geehrt worden.

Gehört Ihnen als Mitarbeiter eigentlich das Patent? Enning: Als Mitarbeiter bin ich der Erfinder. Das steht auch auf jeder Patentschrift. Aber der Patent-Inhaber ist die AUDI AG.

Lohnt sich ein Patent dann auch für Sie? Enning: Wird ein Patent am Ende auch eingesetzt, gibt es natürlich Prämien. Die Höhe berechnet sich anhand der ange-nommenen Stückzahl über Laufzeit.

Nach all den Jahren: Haben Sie ein Lieblingspatent? Enning: Ich habe so viele. Aber besonders stolz bin ich auf das Showcar Al2 open end. Da sollte ich eigentlich nur als tech-nischer Projektleiter das Design unterstützen. Ich hatte aber die verrückte Idee, die ganze Heckklappe im Stoßfänger zu versenken und das komplette Dach vorne oberhalb der Scheibe aufzurollen. Das war eine trickreiche Geschichte. Bis kurz vor Ende standen die Wetten hoch gegen mich. Aber es hat funktioniert.

Gibt es das Dach heute zu kaufen? Enning: Leider nein. Insgesamt schaffen es vielleicht 10 bis 20 Prozent der Patente in die Serienproduktion. Das ist bei mir aber auch ein Sonderfall, da ich in einer sehr frühen Phase der Vorentwicklung tätig bin. Bei den Kollegen aus der seriennahen Entwicklung ist die Quote natürlich höher.

Ist das zufriedenstellend? Enning: Es ist eine Grundbedingung für die Vor ent-wicklung, schließlich sollen wir weit voraus denken. Wenn jemand damit hadert, dass gute Ideen auch im Papierkorb landen, dann ist das der falsche Job für ihn. Klar tut es auch manchmal weh.

Haben Sie denn eine besonders schmerzhafte Erinnerung? Enning: Vor Jahren habe ich ein versenkbares Hartdach für Cabrios entwickelt und die Idee sogar in einem Modell umset-zen dürfen. Dann fiel die Grundsatzentscheidung für Faltverdecke. Damit war das Thema natürlich gestorben.

Darf denn bei Audi jeder erfinden und patentieren? Enning: Jeder, der auf eine tolle Idee kommt, kann einen Patentvorschlag einreichen. Bei mir hat oft schon ein DIN A4-Blatt mit einer Skizze und vier erklärenden Sätzen gereicht. Die Idee muss nur pfiffig und vor allem neu sein.

Haben Sie ein Patentrezept für pfiffige Ideen? Enning: Nachdenken und sich einfach trauen, etwas einmal ganz anders zu machen.

Und wie geht es nach der Idee weiter? Enning: Die Patentabteilung prüft, ob die Idee patent-würdig ist. Dann geht sie zur Anmeldung zum Patentamt. Dort wird dann wieder geprüft. Zwischen der Anmeldung und dem Tag der Er teilung können sechs bis zehn Jahre liegen.

Warum dauert das so lange? Enning: Das fragen Sie mal die Leute im Patentamt. Der Regelablauf sollte im Schnitt bei etwa zwei bis vier Jahren liegen.

Woran arbeiten Sie im Moment? Enning: Bei den Konzepten für Elektroautos sollten die heutigen Batterien nicht im Crash-Bereich liegen. Ich glaube aber, dass wir irgendwann Zellen sogar aktiv in den Unfallschutz einbin-den können. Dazu habe ich mir ein paar Gedanken gemacht und das Ergebnis patentieren lassen.

Da sind Sie uns ja wieder Jahre voraus. Wie sieht die Zukunft denn aus? Enning: Wir müssen die Mobilitätswünsche der Men-schen mit minimalem Energieaufwand erfüllen. Ob da das Bat-terieauto der einzig richtige Weg ist, will ich als Leichtbau-Freak ja noch nicht ganz glauben. Viel Platz für Patente bietet das Thema aber auf jeden Fall.

Neue Wege: Für das Showcar Audi Al2 open end dachte sich Norbert Enning eine innovative Dachkonstruktion aus.

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Information Patente bei Audi

Audi hält derzeit weltweit rund 7.000 Patente, jedes Jahr werden etwa 600 neue Erfindungen zum Patent angemeldet. Die Schwerpunktthemen dabei sind die Bereiche Leichtbau, Produktionsver-fahren und Motortechnik.

Die Bedeutung von Patenten für den Erfolg eines Unternehmens ist nach wie vor sehr groß. Denn ein Patent schützt neue technische Erfindungen und ermöglicht es seinem Inhaber, einem anderen die gewerbliche Nutzung der patentierten Idee zu verbieten. Nur so kann eigene Inno vation auch zu wirtschaftlichem Erfolg führen.

* Siehe Glossar, S. 204 –207

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V8CFK

62Die Hörschwelle der meisten Menschen liegt bei 0 dB (A), bei 120 dB (A) beginnt die Schmerz-grenze. Die Fahrzeug-Akustiker von Audi arbeiten vor allem mit relativ niedrigen Frequenzen im Be reich zwi-schen 40 und 70 dB (A).

Die Klangabstimmung eines Autos ist immer eine Gratwanderung; die Zusammensetzung der Fre-quenzen und ihre Änderung über die Zeit bestimmen den Sound. Tiefe Frequenzen stehen in der men schli-chen Wahrnehmung für Kraft, höhere für Dreh freude und Sportlichkeit. Sind die hohen Frequenzen jedoch schlecht ausbalanciert, kann der Sound träge oder dünn klingen. Ein schnelles Auf- und Abschwellen von Pegeln oder Frequenzanteilen erzeugt Geräusch muster, die, richtig moduliert, attraktive Effekte erzielen.

Sound-Design: Ein Verbrennungsmotor bei der Akustik-Analyse.

Kann man Sound sehen? In der Fahr zeug-akustik schon. Der Ordnungsfächer, mit dem die Audi-Ingenieure arbeiten, visualisiert die Frequenzspektren eines Motors (vertikal) über die Drehzahl (horizontal). Die Vielfachen der Motordrehzahl – die so genannten Ordnungen – treten als Linien hervor, da sich an ihnen die Schallenergie konzentriert. Der Ordnungsfächer im Bild (unten) zeigt den satten Klang eines V8-Ben zin-mo tors von Audi.

V8-Aggregat Kunstwerk Motorklang

Die Frequenz steigt mit der Drehzahl: Ordnungsfächer eines V8.

Spezialschiff: Offshore-Windcarrier mit Voith-Antrieb zum Errichten von Windkraftanlagen auf hoher See.

Voith GmbH Partner in der Entwicklung

62 Dezibel (A) Der Ton macht die Musik

Kohlenstofffaser-verstärkte Kunststoffe zäh len zu den besonders spannenden Materialien für automobilen Leichtbau – ganz besonders für Sport-wagen. Lam borghini hat besondere Erfahrung mit CFK*, seit mehr als 30 Jahren wird das sehr leichte, aber ex-trem steife Material bei den Supersportwagen aus Sant’Agata Bo lognese eingesetzt. Der neue Aventador LP 700-4 besitzt sogar ein Voll-Monocoque aus CFK.

Mit dem Technologieträger Sesto Elemento geht Lamborghini nochmals einen deutlichen Schritt in die Zukunft. Das Chassis, die vollständige Karosserie und eine Reihe von Mechanikteilen bestehen aus Koh-len stofffaser, auch ein neuartiges Material kommt zum Einsatz: Während die üblichen CFK-Materialien auf lan-gen, verwobenen Fasern basieren, besteht das so ge-nannten Forged Composite aus wenige Zentimeter kur-zen Fasern. Rund 100.000 ineinander verflochtene Fasern pro Quadratzentimeter ergeben ein Material, das nur ein Drittel der Dichte von Titan aufweist, aber noch höher belastbar ist.

Messerscharfes Sportgerät: 570 PS, aber nur 999 Kilogramm Gewicht – das Concept Car Lamborghini Sesto Elemento.

Lamborghini Forged Composite

Magazin Technik in Höchstform: Audi setzt mit seinen Lösungen auf vielen Feldern die Maßstäbe. Eine kleine Reise durch die verschiedensten Bereiche.

Die Voith-Gruppe ist ein Schwer gewicht im industriellen Anlagenbau, aber auch in der re genera ti-ven Energiegewinnung. So wird beispielsweise ein Viertel der weltweit aus Wasserkraft gewonne nen Energie mit Turbinen und Generatoren von Voith Hy dro erzeugt. Daneben befasst sich Voith seit Jahren in tensiv mit dem Einsatz von CFK, etwa als Leichtbau-Kompo nen ten in Papiermaschinen oder in der Antriebs technik.

In einer Entwicklungspartnerschaft wollen Audi und Voith ihre Kompetenz bündeln: Ziel der Koope-ration ist es, die Nutzung von faserverstärkten Werk-stoffen für die automobile Großserienproduktion vor-anzutreiben.

* Siehe Glossar, S. 204 –207120 121Dialoge Technologie Dialoge Technologie

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1.800Audi hat eine Fahrwerks-Technologie entwi-ckelt, welche die Querkräfte kompensiert, die bei Kur-ven fahrten auftreten. Eine Videokamera beobachtet den Verlauf der Straße vor dem Auto. Anhand ihrer In-for mationen wird das Fahrwerk geregelt, und zwar rechtzeitig, bevor Querkräfte auftreten – ein großer Unter schied zu bisherigen Systemen. Die aktive Nei-gung macht den Aufenthalt an Bord viel komfortabler, der Passagier kann in Ruhe arbeiten oder lesen.

1.800 Nm – das ist die maximal mögliche Differenz der Drehmomente, die das Sportdifferenzial zwischen den Hinterrädern verteilen kann. Das Sport-differenzial ist ein Highend-Achsgetriebe. Beim An-lenken oder Beschleunigen in Kurven leitet es das Gros der Kräfte auf das kurvenäußere Rad – sie drücken das Auto förmlich in die Kurve hinein. Audi liefert das Sport-differenzial für den RS5 und eine Reihe weiterer Mo-delle mit längs eingebautem Motor.

99 Gramm CO₂ pro km emittieren der Audi A3 und der A1 in ihrer jeweils effizientesten Version mit dem 1,6-Liter-TDI – ein mittlerer Verbrauch von 3,8 Liter Kraftstoff pro 100 km. Neben dem Motor tragen die Technologien aus dem Modularen Effizienz bau kas-ten von Audi – das Start-Stop-System und das Rekupera-tions system* – stark zu diesem Top-Wert bei. Beim A3 1.6 TDI kommen eine verlängerte Achsübersetzung, Retuschen an der leicht tiefer gelegten Karosserie und spezielle Rollwiderstands-optimierte Reifen dazu.

Nur 3,5 Watt beträgt die Leistungs auf nah-me der jeweils 54 Leuchtdioden in den Schlusslichtern des A1. Die so genannten SuperRed-LEDs geben ein intensiv tiefrotes Licht ab und formen gemeinsam eine plastisch wirkende Lichtskulptur. Sie bestechen durch hohe Energieeffizienz und extrem lange Lebensdauer. Audi, die führende Marke in der Beleuchtungs-Techno-logie, bietet in allen Modellreihen unterschiedliche LED-Lösungen an – für das Tagfahrlicht, für das Rück-licht oder als Voll LED-Scheinwerfer.

Circa 950 Grad Celsius beträgt die Tem pe-ra tur, wenn die B-Säulen in der Karosserie der A4-Mo-delle formgehärtet werden. Die Blechplatinen werden in einem Durchlaufofen extrem erhitzt und direkt da-nach im wassergekühlten Presswerkzeug auf rund 200 Grad abgeschreckt – dadurch entsteht ein Gefüge von extremer Festigkeit. Viele Audi-Modelle vom A1 bis zum A8 haben formgehärtete Bleche in der Passagier-zelle.

Doppelter U-Bogen: Die Rückleuchten des Audi A1 in LED-Technologie.

Höchste Festigkeit: Die B-Säulen des A4 werden bei 950 Grad Celsius formgehärtet.

Komfort in neuer Dimension: seitenkraftfrei fahren

1.800 Nm Drehmoment Audi RS5

99 Gramm CO₂ Audi A3

1.240 Kilogramm Audi TT

3,5 Watt Audi A1

950 Grad Celsius Audi A4

1.240 kg – mit diesem Leergewicht unter-bietet der TT 1.8 TFSI seine Wettbewerber bei den kom-pakten Sportwagen um gut 100 Kilogramm. Die Grund-lage dafür bildet die ASF-Karosserie aus Alu mi nium mit den Stahl-Komponenten im hinteren Bereich. Mit 118 kW (160 PS) liefert der hocheffiziente Vier zylinder-Turbo genug Kraft für dynamische Fahrleis tungen – jedes PS muss nur 7,8 Kilogramm bewegen.

Erleben Sie die neue Komfort-Dimension im Video.www.dialoge.audi.de

* Siehe Glossar, S. 204 –207122 123Dialoge Technologie Dialoge Technologie

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600.000

0,8210

1,3 3.000

1,3 KWh Audi Q5 hybrid quattro

Gerade mal 210 kg bringt die Alu minium-karosserie des R8 auf die Waage. Sie ist in der Audi Space Frame-Bauweise (ASF)* konzipiert: Strang press-profile und Gussknoten bilden das tragende Ge rüst, Aluminiumbleche schließen es und steifen es aus. Ge-genüber der konventionellen Stahl-Bauweise erzielt die ASF-Technologie einen Gewichtsvorteil von etwa 40 Prozent. Auch der Audi A8 und der TT sowie der TT Road-s ter haben ASF-Karosserien, ergänzt durch Kompo nen-ten aus Stahl.

Ungefähr 3.000 Musiktitel kann die Fest-platte des neuen Audi Q3 speichern. Sie ist Teil der MMI Navigation plus, eines Highend-Systems mit einem großen, ausfahrbaren Farbmonitor, der ein dreidimen-sionales Kartenbild zeigt. Zu einem etwas späteren Zeitpunkt kommt – unter dem Begriff Audi connect – das Internet an Bord des kompakten SUV. Das Blue-tooth*-Autotelefon online koppelt den Q3 via UMTS* an das Web an, ein WLAN*-Hotspot stellt die Verbindung zu den Smartphones und Laptops der Passagiere her.

210 Kilogramm Audi R8

3.000 Musiktitel Audi Q3

Mit 0,8 bar relativem Ladedruck arbeitet der Kompressor des 3.0 TFSI. Der mechanische Lader, im Innen-V der Zylinderbänke platziert, erhält seinen Antrieb direkt vom Motor. Zwei Ladeluftkühler kühlen die komprimierte und erhitzte Luft wieder ab – so ge-langt noch mehr Sauerstoff in die Brennräume. Mit seiner hohen Effizienz ist der kraftvolle 3.0 TFSI ein Musterbeispiel für die Audi-Philosophie des Down-sizings*, den Ersatz von Hubraum durch Aufladung.

0,8 bar Audi A7 Sportback

600.000 mal kann der Fahrer das Touchpad in der MMI* Navigation plus berühren, ohne seine Ober-fläche erkennbar zu beeinträchtigen. Das sensitive Be-dienfeld ist eine wegweisende Innovation von Audi. Der Fahrer gibt sein Navigationsziel oder die Telefon num-mer ein, indem er die Buchstaben und Ziffern mit dem Finger auf das Touchpad zeichnet. Dabei kann sein Blick auf der Straße bleiben, weil das System nach jedem Zeichen eine akustische Rück meldung liefert.

600.000 Berührungen Audi A8

1,3 kWh Energie speichert die Lithium-Ionen-Batterie des Audi Q5 hybrid quattro. Eine unge-wöhnlich aufwändige Luftkühlung hält den Akku über weite Strecken im geeigneten Temperaturbereich, was seine Performance steigert. Der Audi Q5 hybrid quattro bietet 180 kW (245 PS) Systemleistung und 480 Nm Systemdrehmoment. Sie sorgen für sportliche Fahrleis-tungen – bei einem mittleren Verbrauch von nur 6,9 Liter Kraftstoff pro 100 km.

Schlankes Layout: Die wichtigsten Komponenten im Audi Q5 hybrid quattro.

76,576,5 GHz ist die Frequenz, auf der die Ra-

dar sensoren der adaptive cruise control (ACC)* arbeiten. Das System regelt den Abstand zum Voraus fahr en den selbsttätig durch Bremsen und Beschleunigen. Audi liefert die ACC in verschiedenen Ausbaustufen. In der aktuellsten Variante deckt sie den ganzen Ge schwin -digkeitsbereich von null bis 250 km/h ab, unterstützt den Fahrer also auch im Stop-and-Go-Verkehr.

76,5 Gigahertz Audi A6

125 Dialoge Technologie124 Dialoge Technologie * Siehe Glossar, S. 204 –207

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Design ist applizierte Kunst Er sorgt für die italienischen Momente im Auto von morgen: Wolfgang Egger, 48, Leiter Design Audi Konzern. Im Land der Liebe lernte er die Sprache der Schönheit und die Leidenschaft für Materialien. Ein Gespräch mit Wolfgang Egger über den heißen Umgang mit Carbon, die Harmonie der A-Säule und über die futuristische Anmut des quattro concept.

Der Audi quattro concept: Für Wolfgang Egger schlägt er den Bogen von den historischen Wurzeln der quattro-Idee zur Zukunft der Audi-Designsprache.

quattro!

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128 129Dialoge Technologie Dialoge Technologie

Herr Egger, Sie arbeiten im Audi‑Design studio

München. Worin liegt der Reiz dieses Studios? Wolfgang Egger: München ist facettenreich. Man spürt

den Lifestyle und die Trends der Zukunft. Hier können sich unsere Ideen und Gedan ken für das Auto-Design von morgen frei entfalten und wachsen. Wir sind in Schwabing zu Hause. Ein Stadtteil, der sich immer wieder von einer neuen Seite zeigt. Hier kann ich zum edlen Italiener oder auch in eine urige Studentenbar gehen. Und ich treffe auf den modernen Galeriebesucher genauso wie auf den tra-ditionellen Handwerker.

Ist der quattro concept historisierend oder eher zukunftsweisend?

Egger: Der quattro concept kann beides. Er ist histo-risch verwurzelt und weist gleichzeitig den Weg in die Audi-Zukunft. Das automobile Konzept des Ur-quattro, Leichtigkeit kombiniert mit einer kompakten Hochleistungsmaschine und dem Allrad-antrieb quattro, war seinerzeit eine Revolution für Audi. Genau dieses Kon zept passt auch in die Gegenwart, die uns Effi zienz in extremer Form abverlangt.

Herr Egger, wenn Designer Jubiläen feiern, setzen sie gerne Retro‑Design ein. Warum Sie nicht?

Egger: Retro-Design ist kein gutes Design! Und noch viel wichtiger: Retro passt nicht zu Audi. Gutes Design muss immer auch eine Aussage für eine Vision sein. Retro ist romantisch und selbstver liebt, aber prägt keine Tendenz nach vorne. Für mich heißt Design, mutig nach vorne zu schauen, die Zukunft zu antizipieren.

Als Sie den ersten Strich des quattro concept ange‑setzt haben, hatten Sie zu diesem Zeitpunkt schon ein klares Bild im Kopf? Oder entsteht gutes Design Stück für Stück?

Egger: Beim quattro concept war die Grundidee von Anfang an da. Dann sind die tragenden Design-Elemente entstan-den, die das Auto unverwechselbar machen. Wir haben eine scharfe Haube, den Knick in der Dachlinie und anschließend den flachen Verlauf im Heck. Die extreme Säule schließt das Konzept ab. Allein durch diese Merkmale ist das Auto schon sehr charakteristisch.

Haben Sie ein Lieblingsdetail an diesem Auto?Egger: Es kommt immer auf das große Ganze an. Denn

erst wenn jedes Detail und die Proportionen am Auto stimmig sind, handelt es sich wirklich um ein Gesamtkunstwerk. Eine Stelle gibt es aber, auf die ich besonders stolz bin: Den Bogen an der A-Säule. In den 1970ern und 1980ern gab es an dieser Stelle eine harte Kan te. Im quattro concept haben wir diese Ecke aber bewusst fu-turistisch interpretiert und einen harmonischen Bogen angesetzt.

Welches ist die markanteste Stelle am quattro concept?

Egger: Die C-Säule. Sie verläuft stark trapezförmig und trägt damit die Gene des Ur-quattro. Bereits in den 1980er Jahren war das Auto dadurch sehr charakterstark. Und so verhält es sich auch mit der modernen C-Säule des quattro concepts. Man erkennt auf den ersten Blick, dass es sich um einen Audi handelt. Und wer weiß, vielleicht sehen wir diese Art von C-Säule bald in Serie.

InterviewMelanie Goldmann

FotosMyrzik und Jarisch

Anders als in Serien‑Autos sind die Ringe in die C‑Säule eingeprägt. Warum?

Egger: Das ist eine Hommage an den Ur-quattro und zeigt den Manufakturcharakter des quattro concept. Wir haben gezielt an wenigen Stellen eine Prägung eingesetzt. So auch hinten an der Carbon-Blende. Hier ist mit klaren Lettern ‚quattro‘ einge-prägt. Und auch in der Einstiegsleiste sehen Sie dieses Zitat vom Ur-quattro wieder.

Sie sind Designer in einem Automobilunternehmen. Und Sie müssen sehr viel von der Technik verstehen. Wann haben Sie sich dieses Wissen angeeignet?

Egger: Ein Automobil ist erst dann ein Statement für die Marke, wenn Design und Technik perfekt zueinander passen. Und ich lerne im Umgang mit den Technikern jeden Tag dazu. Über die Jahre hinweg bekommt man ein Gespür und ein Verständnis für diese Themenwelt. Ich habe so etwas schon mal erlebt, als ich als Deutscher in Italien studierte. Da habe ich zunächst auch geglaubt, die Italiener nie zu verstehen. Doch man lebt die Kultur schneller, als man glaubt. Wie Sie sehen, prägt mich das bis heute.

Was können die Nachwuchsdesigner von Ihnen lernen?

Egger: Ich sage ihnen immer: Verliebt Euch nicht in das eigene Design. Man muss immer einen gesunden Abstand haben und eigene Ideen kritisch prüfen. Design ist applizierte Kunst. Wir arbeiten für die Marke und für den Kunden, nicht für uns selbst.

Audi lebt den Leitsatz: form follows function. Heißt das für Sie als Designer, dass Sie Ihre Ansprüche hinter den technischen Anforderungen anstellen müssen?

Egger: Nein. Der ideale Zustand ist die gleichberech-tigte Verbindung beider Aspekte. Das Design eines Autos muss in seiner Formgebung die Technik darstellen. Wenn Sie sich zum Bei-spiel die Motorhaube des quattro concept anschauen, erkennen Sie auf den ersten Blick, wie viel Kraft sich darunter verbirgt. Nicht um-sonst haben wir hier eine sehr muskulöse Linie gewählt. Und die asymmetrische Motorraumentlüftung auf der Haube ist ein starkes Charaktermerkmal mit Funktion.

Wie haben Sie es geschafft, das Interieur des quattro concept so reduziert zu gestalten?

Egger: Reduktion wird hauptsächlich von Intuition ge-lenkt. Es ist wichtig, dass der Kunde Funktionen instinktiv bedient. Und das führt uns automatisch zu einem reduzierten Design. Im quattro concept platzieren wir die Funktionen konzentriert hinter dem Lenkrad und räumen so die Mittelkonsole auf. Weniger ist mehr. Dieses Prinzip werden wir in Zukunft konsequent weiterent-wickeln.

Zum ersten Mal setzen Sie in einem Interieur Carbon in Verbindung mit Leder ein. Wie kombinieren Sie diese beiden sehr unterschiedlichen Materialien?

Egger: Die Idee ist, das Carbon nicht direkt an das Leder heranzubringen, sondern eine Biese einzusetzen. Diese trennt die bei den Materialien klar und lässt ein Spiel entstehen, das die Ge-schichte des Manufakturcharakters erzählt. Die weiße Biese zeich-net das Grundkonzept des Interieurs mit einem feinen Strich und läuft über das gesamte Cockpit.

Warum ausgerechnet Carbon?Egger: Carbon ist ein noch junges Material, und wir sind

gerade dabei, seine technischen Eigenschaften voll auszureizen. Bis lang dominieren Materialien wie Alu oder auch Holz und Leder das Interieur. Nun sind unsere Designer dabei, Carbon als Material der Zukunft zu erforschen. Das ist, wie wenn man frisch verliebt ist. Man will sein Gegenüber bis in die letzte Faser kennenlernen.

Zukunft: Gutes Design muss immer auch eine Aussage für eine Vision sein, sagt Wolfgang Egger, es muss mutig nach vorne schauen und die Zukunft antizipieren.

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130 131Dialoge Technologie Dialoge Technologie

Wie schließen Sie diese Lücke und bauen Erfahrungsschatz auf?

Egger: Wir leben mit dem Material. Und setzen es be-wusst in unseren Designstudios hier in München ein. So sind wir in der Lage, die Schönheit und Emotionalität des Carbons konsequent anzuwenden und in unser Design zu übersetzen.

Was heißt das konkret?Egger: Unser Carbon-Ski zum Beispiel. Wir haben den

Ski in drei Jahren gestaltet und gefertigt. So bekommen wir eine Affinität zum Material und lernen, mit den Raffinessen dieses Werk-stoffs umzugehen.

Gibt es schon eine Richtung, wie Carbon in Zukunft bei Audi als Designelement eingesetzt wird?

Egger: Ja, unbedingt! Sie können das sehr schön am quattro concept erkennen. Das Carbon wurde hauptsächlich einge-setzt, um technische Eigenschaften zu untermalen, wie beispiels-weise am Heckspoiler und -diffusor. Diese Idee für den Heckdiffusor stammt übrigens aus dem Sportwagenbau. Im nächsten Schritt werden wir das Carbon auch an unerwarteten Stellen verwenden. Die großen Carbonflächen im Interieur des quattro concept geben hier schon mal einen Ausblick.

Geht Ihnen die Kreativität auch mal aus?Egger: Immer wenn ein Auto ganz fertig ist, gibt es ei -

nen kurzen Moment der völligen Leere. Da muss ich mit allem Alten abschließen. So schaffe ich Platz für ganz neue Ideen. In der täg-lichen Arbeit ist es wichtig, auf sein Team zu bauen. Das heißt auch, sich gegenseitig zu motivieren. Manchmal ist es wie bei einem Domi no-Spiel: Wenn der erste Stein gefallen ist, reihen sich die Ideen aneinander.

Haben Sie eine bestimmte Methode, um zur Kreativität zurückzufinden?

Egger: Ich gehe gerne gut essen. Und Kochen ist auch eine Art von Design. Der Koch in meinem italienischen Stamm-restaurant kombiniert immer wieder neue Geschmacksrichtungen. Diese Vielfalt ist für mich immer wieder aufs Neue sehr inspirierend.

Sie besuchen immer wieder Möbelmessen. Mit welcher Intention?

Egger: Die großen Trends für Farb- und Material kombi-nation entstehen zum Großteil zuerst im Modedesign, dann ziehen sie ins Möbeldesign ein, und erst dann werden sie im Automobil-design aufgegriffen.

Was sind die neuen Trends, die Sie in diesem Jahr in Mailand erwarten?

Egger: Wir werden auf der Möbelmesse ganz sicher die Kom bination weiß/grau sehen. Diese Farben wirken zusammen mit Rot sehr futuristisch und passen wunderbar zu Audi. Im vergange-nen Jahr waren zum Beispiel Schuhe in dieser Farbgebung der Ren-ner auf Modemessen. Wir probieren schon aus, ob weiß/rot/grau auch einem Interieur steht.

Der Ur‑quattro feierte im letzten Jahr seinen 30. Geburtstag. Wie wird der quattro concept in 30 Jahren gefeiert?

Egger: Ich habe ein Faible für schöne Oldtimer und werde dem quattro concept einen Platz in meiner Garage freihalten, bis er einmal das richtige Alter hat. Bisher ist der Alfa Spider mein liebstes Stück, aber der quattro concept kann ihm den Rang ablau-fen. An seinem 30. Geburtstag können wir dann eine Ausfahrt ma-chen. Das ist mein Traum!

Einzigartig: Wolfgang Egger empfindet den quattro concept als sehr charakterstark, von der scharf gezeichneten Haube bis zur extremen C-Säule. Carbon wird im Interieur mit Leder kombiniert.

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TextHermann Reil

FotosMyrzik und Jarisch

Gepäck: Der Warenkorb in seiner digitalen Version. Selbst Fahrrad oder Kinderwagen werden als Datenmodell in den Autos „verstaut“.

Bezug: In der virtuellen Darstellung können Ausstattungen und Oberflächen schnell verändert werden.

Peter Fromm, Leiter Entwicklung Aufbau: „Wenn Audi-Ingenieure einen Audi entwickeln, dann tun sie es unter klarer Berück sichtigung der Kunden-erwartungen und Ansprüche in den ver schiedenen Märkten.“

Eine ganze Ecke voll mit Golfbags, mit ver-schiedenen Schlägersätzen, mit und ohne

Trolley. Ein eigenes Lager, gefüllt mit Reisekoffern in verschiede nen Größen, von diversen Marken, aus unterschiedlichsten Ma te rialien. Oder erst die Trinkbehälter: Von den schmalen Aludosen, die in Japan bevorzugt werden, über eigentümlich geformte 0,6-Liter-Flaschen, die man nur in China benutzt, bis zu den XXL-Cups, wie sie von Amerikanern bevorzugt werden, ist alles da. Auch Hand-taschen, Sonnen brillen, Regenschirme, Fahrräder, ja selbst ein Teddybär und eine ausgewachsene Waschmaschine gehören zum umfangreichen Fundus der Abteilung Design Check in der Karos-serie ent wick lung bei Audi.

Hier geht es also ganz offensichtlich um Nutzwert, um Alltagstauglichkeit – um die vermeintlich einfachen, aber doch so komplexen Ansprüche der Kunden an ihr Automobil. So individuell die Lebensstile der Menschen, so differenziert sind ihre Ansprüche und so unterschiedlich die Utensilien, mit denen sie sich auch mobil umgeben möchten. Und die sie natürlich einfach verstauen, sicher transportieren und problemlos nutzen wollen. Die Techniker im Design Check überprüfen all dies in verschiedenen Stadien der Automobilentwicklung, und zwar parallel in zwei Welten: in der physischen Realität der Aufbauten und Prototypen sowie der Uten-silien aus dem Fundus, aber ebenso in der virtuellen Realität der dreidimensionalen Datenmodelle.

Auf dem Entwicklungsweg eines neuen Audi bedeutet Design Check die Überprüfung der Karosserie- und Interieur kon-struktion. Hier finden die entwickelten Baugruppen zum ersten Mal zusammen, hier werden Einzelteile zu einem Automobil. Oder zu-mindest zu einem Modell von einem Automobil. Im Design Check

wird geprüft, ob alles zusammenpasst – und wie es um Ergonomie und Nutzwert steht. „Es ist unsere Aufgabe als Entwickler, dem Kunden ein unverwechselbares Produkt mit einzigartigem Charak-ter anzubieten“, sagt Peter Fromm, Leiter Entwicklung Aufbau. „Diesen Charakter definieren wir – wenn Audi-Ingenieure einen Audi entwickeln, tun sie es immer unter Berück sich tigung der Kun-den erwartungen und der Ansprüche in den verschiedenen Märkten.“

„Wir sind der Anwalt des Kunden“, sagt Heiko Kühne vom Design Check, als seine Kollegen einen Rollwagen mit Koffern in die Halle bringen und anfangen, das Gepäck für ganze Weltreisen in das Aufbaumodell des neuen Audi Q3 zu verstauen. Ein halber Zentimeter kann den Unterschied machen zwischen Mitnehmen und Daheimlassen, zwischen Zufriedenheit und Ärger. Natürlich werden die Nutzungsgewohnheiten der Kunden schon bei Gestal-tung und Konstruktion berücksichtigt, dennoch ist die reale Über-prüfung nicht zu ersetzen. Es geht ja nicht nur um einzelne Zenti-meter Laderaumbreite, es geht auch um den Bewe gungs ablauf beim Einladen oder um die Ergonomie der Mittelarmlehne. Ein Cup-holder muss Gefäße jeglicher Form sicher aufnehmen, aber er muss auch ergonomisch günstig zu erreichen sein.

Groß, sehr groß: Die 6 Meter breite Powerwall gestattet enorme Vergrößerungen in bester Auflösung. So können auch kleinste Details vom Team diskutiert werden.

Virtual

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134 135Dialoge Technologie Dialoge Technologie

RealityPrüfung: Mag die Virtuelle Realität noch so hilfreich sein, der Check in der physischen Realität behält seine Bedeutung. Eine Vielfalt an Koffern gehört zum Basisprogramm.

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136 137Dialoge Technologie Dialoge Technologie

„Wir spielen verschiedenste Nutzungsszenarien durch“, erklärt Kühne, mit Verweis auf seinen Fundus – vom Business-Kunden auf Geschäftsreise über den Freizeitsportler bis hin zum Familienausflug, vom Wochenendeinkauf bis zum kurzen Besuch beim Bäcker. Der Haken für eine Einkaufstasche ist ebenso wichtig wie die Maximal-Kapazität bei umgeklappten Sitzen. „Wir haben schon Clinics gemacht, bei denen es nur um den op ti malen Platz für die Handtasche oder um das perfekte Fach für einen Schlüssel ging.“, weiß Kühne um diese „Klassiker“ in jedem Ablagenkonzept. Schließlich darf auch ein Schlüsselbund in einem Audi niemals klap-pern. Zusätzlich wird wissenschaftlicher Rat bemüht: „Mit der Tech-nischen Universität Chemnitz haben wir eine Studie zur optimalen Anordnung der Cupholder durchgeführt.“

Damit der Design Check den Entwicklungsprozess auch beeinflussen kann, kommt er sehr früh ins Spiel. Bei „minus 33“, also 33 Monate vor Serienanlauf, baut Christian Ziller mit seinem Team aus den Daten der verschiedenen Konstrukteure die ersten vir-tuellen Modelle zusammen, bei „minus 27“ gibt es das erste reale Modell, hier wird die äußere Form aus soliden Kunststoff blöcken ge-fräst. Später folgt ein richtiges Aufbaumodell, die Teile dafür entste-hen im so genannten Rapid Prototyping* im Laser-Sinter-Verfahren*, denn Formen gibt es zu diesem frühen Zeitpunkt natürlich noch nicht. Dieses Modell kommt – zumindest auf den ersten Blick – einem realen Auto schon recht nahe. Als dritte Stufe wird ein Proto-typ gebaut, schon mit Prototypenteilen der Zulieferer.

Parallel zu den Modellen von Heiko Kühne verfeinert Christian Ziller sein virtuelles Modell: 6 Meter breit ist die Power-wall* im Design Check und 2,50 Meter hoch, damit lässt sich auch ein Luxusklasse-Modell in Originalgröße darstellen. Dabei sind die Datensätze so detailliert und das Projektionssystem so gut, dass nahezu jede Vergrößerung in bester Qualität möglich ist. Ziller: „Wir haben dieses Visualisierungssystem mit Partnerfirmen ent-wickelt, eine solche Qualität gab es in der Automobilindustrie zuvor nicht.“

Dabei sind die reale und die Daten-Welt ähnlich wichtig, schließlich lassen sich auf der großen Projektionswand der Virtual Reality-Kollegen die unterschiedlichsten Ausstattungs-, Farb- und Materialvarianten durchspielen. Jedes Serienmodell von Audi lässt sich in höchstem Maße nach Kundenwunsch individualisieren, und das stellt die physische Entwicklerwelt natürlich vor Probleme. Die Datenmodelle sind hier schneller und leichter zu verändern.

Denn allein die Vordersitze des neuen Audi A6 sind in vielen tausend Varianten lieferbar, wenn man alle Ausstattungs- und Materialmöglichkeiten durchspielt. Bei den Einzel anfer ti-gungen von Audi exclusive geht die Zahl der möglichen Varianten gegen unendlich. Allein von der vorderen Türverkleidung in einem Audi A8 gibt es mehr als 5.000 Varianten. „Wir bieten unseren Kun-den nahezu unerschöpfliche Wahlmöglichkeiten. Für uns bedeutet dies aber eine enorme Komplexität, wie sie wohl kein anderer Automobilhersteller weltweit beherrscht“, weiß Aufbauleiter Peter Fromm. „Und natürlich muss jede einzelne Variante dasselbe hohe Qualitätsniveau besitzen. Das Audi-Interieur ist weltweit der Maß-stab – und wir tun alles, damit das auch so bleibt.“

Die Nutzungsgewohnheiten der Kunden zu beobach-ten, wird in den kommenden Jahren noch wichtiger, davon ist Peter Fromm überzeugt. „Das Auto wird immer mehr zu einem Lebens-raum auf Rädern.“ Dabei ist Klarheit für Fromm ein wichtiges Stich-wort für die Interieurgestaltung der Zukunft, klare Gestal tung, formale Reduktion, einfache Bedienung – und vor allem Harmonie. „Der Kunde spürt, dass in einem Audi einfach alles passt. Und er fühlt sich wohl.“

Massiv: Den Design Check durchläuft ein neues Fahrzeug in mehreren Stufen, zuerst als Fräsmodell aus solidem Material. Handicap: Die ganze Palette an Golfbags gehört zum Pflichtprogramm.

* Siehe Glossar, S. 204 –207

Reality

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138 139Dialoge Technologie Dialoge Technologie

Menschen ein Auto genauso bequem bedienen können wie große, passen wir die Ergonomie in allen Punkten an.“ Dafür hat sich Weps nicht nur in der Entwicklung von TT und A3 eingesetzt. „Beispiels-weise ist uns bei Audi die Erreichbarkeit der geöffneten Heckklappe sehr wichtig.“ Wenn Uschi Weps mit ihren 1,60 Metern die Heck-klappe mit ausgestreckten Armen noch gut erreicht, ist der „Uschi-Test“ bestanden, heißt es bei den Audi-Ingenieuren.

Bei Uschi Weps laufen die Fäden der gesamten Tech-nischen Entwicklung zusammen. In der Frühphase, etwa vierein-halb Jahre vor Produktionsstart, definiert sie mit den Konzept ent-wicklern und Fachbereichskollegen die Eigenschaften eines neuen Fahrzeugkonzeptes. Sind die Grundzüge beschrieben, werden sie in Form von technischen Zielwerten in einem Lasten heft festgelegt. Auf dieser Basis überwacht Weps Termine, Technik und Kosten und sorgt dafür, dass die anfangs gesetzten Zielwerte eingehalten wer-den. In ihrem Job ist es sehr wichtig, Ingenieure aus allen Bereichen zu verlinken, denn auch kleine Ände rungen in einem Entwicklungs-bereich wirken sich oft unmittelbar auf die anderen Bereiche aus.

Bei einem neuen Projekt müssen bis zur Frei gabe viele Entwicklungsschritte durchlaufen und Entscheidungen getroffen werden, alle nach ihrem abgestimmten Zeitplan. „Der virtuelle Ent-wicklungsanteil steigt von Fahrzeugprojekt zu Fahr zeug projekt und ermöglicht uns, Entwicklungszeit zu sparen“, sagt Weps. Neben den Simulationen werden nach wie vor viele reale Fahrversuche durchgeführt. So verbringt Uschi Weps etwa 30 Pro zent ihrer Zeit hinter dem Steuer, vorwiegend auf Test geländen. Sie beurteilt je-des technische Detail, alle kundenrelevanten Fahrzeug eigen schaf-ten. Dabei bringt sie viel Erfahrung und Herzblut ein. Wie fühlt sich Uschi Weps, wenn sie “ihren“ Audi A3 oder „ihren“ TT auf der Straße sieht? „Stolz“, sagt sie ohne zu zögern. „Mein Team und ich sind jedes Mal unglaublich stolz auf das, was wir gemeinsam erreicht haben.“

Uschi Weps ist eine Pionierin, die erste ihrer Art. Sie hat den Weg bereitet für viele junge Ingenieurinnen, die nach ihr kamen und noch kommen werden. Sehr viel hat sich verändert, seit Weps in den Beruf eingestiegen ist: „Die Akzeptanz von Frauen in technischen Berufen hat sich in den letzten 20 Jahren erheblich verbessert.“ Von verbindlichen Frauenquoten hält Uschi Weps nichts: „Man tut Frauen keinen Gefallen damit. Qualifizierte Frauen finden immer einen qualifizierten Job.“ Viel wirksamer als Quoten einzuführen sei es, Frauen überhaupt für technische Berufe zu in-teressieren und zu begeistern. „Das fängt schon in der Kindheit an. Eltern sollten ihre Kinder genau beobachten und technisches Inter-esse bei Mädchen gezielt fördern“, meint Uschi Weps. Nach denklich fügt sie hinzu: „Immer wieder werde ich gefragt, ob denn unbe-dingt mehr Frauen technische Berufe ergreifen müssen. Ich sage eindeutig ja. Wenn Frauen und Männer im Team zusammenarbei-ten, fördert das die Kreativität. Die Abläufe werden durch das Miteinander effizienter. Daher sollten Frauen Prioritäten und Ent-scheidungen beeinflussen. Es ist enorm wichtig, Frauen für tech-nische Berufe zu begeistern.“

TextAgnes Happich

FotosMyrzik und Jarisch

Mathematik und Physik waren in der Schule ihre Lieblingsfächer. Wenn Uschi Weps von

ihrer Jugend erzählt, von ihrem Weg zur Technik, muss die In ge ni-eurin lächeln. Eine Begegnung hat alles verändert: „Als ich das erste Mal mit einem Motorrad fuhr, ging mir das Herz auf. Die Maschine hatte einen traumhaften Sound und sah unglaublich fas-zinierend aus. Motor und Fahrwerk waren perfekt aufeinander ab-gestimmt. Fahrspaß pur.“ Mit 18 baute sie sich selbst ein Motorrad zusammen, aus lauter Einzelteilen. In dem Feld des Fahrzeug-scheins, in dem der Hersteller aufgeführt ist, steht ihr Name.

Ihre Liebe zu Motorrädern, Autos und deren Technik war es auch, die sie zum Maschinenbaustudium brachte. Und schließ-lich zu Audi. Als erste Frau übernahm sie dort einen Ingenieurstelle in der Motorenentwicklung. „Mein Chef erzählte mir später, dass immer wieder Kollegen Bedenken darüber geäußert haben, dass er eine Frau für den Job ausgewählt hat. Am Ende siegte seine Neugier.“ Von Anfang an stand sie im Mittelpunkt der Aufmerksam-keit. „Für mich war das nichts Neues. An der Uni hatten wir einen Frauenanteil von etwa einem Prozent. Wenn man sich immer in einem männlich geprägten Umfeld bewegt, wird das zur Routine.“ Ihr Selbstbewusstsein und ihre Zielstrebigkeit haben ihr in dieser Situation geholfen: „Ich bin schon immer meinen eigenen Weg gegangen. Wenn ich hätte beweisen wollen, dass ich ein besserer Mann bin, wäre das schief gegangen.“

Ihr Weg bei Audi führte Uschi Weps von der Motoren-entwicklung zum Sportwagen TT, dessen Entwicklung sie vom ers-ten Entwurf an begleitete. Viele ihrer Ideen sind in die Entwick-lungsarbeit eingeflossen. Ist der TT deshalb ein Frauenauto? „Ein klares Nein. Ich freue mich natürlich, dass auch viele Frauen den TT lieben und kaufen – weil sich dadurch insgesamt die Zahl der Audi-Kunden erhöht“, sagt Weps und lacht. Überhaupt scheint sie nicht viel von „Frauenautos“ zu halten: „Wir Frauen wollen kein Frauen-auto. Es sind die gleichen Bedürfnisse nach Freiheit, einem hohen technischen Anspruch, nach Ästhetik und pfiffigen Detaillösungen, die Frauen wie Männer faszinieren. Entscheidend ist, dass ein Auto so konzipiert ist, dass es alle Kunden begeistert. Damit etwa kleine

Das Porträt einer Pionierin. Uschi Weps fing vor 27 Jahren als erste Ingenieurin in der Technischen Entwicklung der AUDI AG an. Heute verantwortet sie mit ihrem 19-köpfigen Entwicklungsteam die Typbegleitung und technische Projekt-steuerung der Audi A3- und TT-Familie.

Der XX-Faktor

Information Traumberuf Ingenieurin

Wie die AUDI AG technische Berufe für Frauen interessant macht

Wer Frauen für Technik interessieren will, muss früh anfangen. Da ist Thomas Sigi, Personalvorstand der Audi AG, sicher: „Wir müssen Frauen und Mädchen schon vor der Ausbildungs- oder Studienfachwahl für technische und naturwissenschaft-liche Berufe begeistern“. Basteln, experimentieren, Technik hin-terfragen: Beim Mädchen für Technik Camp setzen junge Frauen über mehrere Tage ein eigenes technisches Projekt um. Sie er-fahren hautnah, wie Audi-Technik entsteht und können eigene Ideen einbringen. Wie spannend Technik ist, erleben Schüle-rinnen auch beim Girls Day. Einmal im Jahr können sie da Ingeni-eurinnen und Technikerinnen über die Schulter schauen. Und bekommen dabei vielleicht Lust, selbst eine Ausbildung bei Audi oder ein Ingenieurstudium zu beginnen.

Auch wenn die Technikbegeisterung einmal geweckt ist, beglei-tet das Unternehmen die angehenden Technikerinnen und In-genieurinnen auf ihrem Berufsweg. Die Audi-Personaler wenden sich zunächst gezielt an Frauen auf Berufsmessen und an Univer-sitäten. „Uns ist sehr daran gelegen, begabte Studentinnen und Ingenieurinnen zu gewinnen“, erklärt Thomas Sigi. Aus diesem Grund rief Audi den Ing.Day ins Leben. Im Audi-Trainingscenter am Flughafen München konnten Studentinnen und ausge-bildete Ingenieurinnen Ende März den beliebtesten Arbeitgeber Deutschlands näher kennenlernen. Weil der Ing.Day bei den technikbegeisterten Frauen so gut ankam, wird aus dem Event nun eine Veranstaltungsreihe. Den aussichtsreichen Nachwuchs an den Universitäten fördert Audi auch über Mentoring-Pro-gramme. Dabei engagieren sich Ingenieurinnen des Unterneh-mens als Mentorinnen für je eine Studentin.

Wenn eine Frau heute bei Audi einsteigt, muss sie nicht zwischen Kind und Karriere wählen. Flexible Arbeitszeiten, Teilzeitmo-delle und Telearbeit erleichtern es den Mitarbeiterinnen, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Auch während der Eltern-zeit bleiben die Mütter dran und nehmen an Qualifi zierungs-maßnahmen teil. Das erleichtert den Wiedereinstieg in den Be ruf. Audi unterstützt seine Mitarbeiterinnen – nicht nur die aus der Technischen Entwicklung – auch bei der Kinderbetreuung. Das Unternehmen arbeitet mit verschiedenen Kindertagesstätten zusammen und stellt den Kindern der Audi-Mitarbeiter Betreu-ungsplätze zur Verfügung. „Wenn es darum geht, Beruf und Familie zu vereinen, sind die Möglichkeiten bei Audi sehr vielfäl-tig. Und wir entwickeln dieses Angebot kontinuierlich weiter, um die Rahmenbedingungen noch attraktiver zu gestalten“, so Doris Walle, Beauftragte für Chancengleichheit bei Audi.

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140 141Dialoge Technologie Dialoge Technologie

Frauen am Steuer Viele Wege führen in die Technik. Audi-Mitarbeiterinnen stellen sich und ihre Arbeit vor.

Beruf(en)

Name: Sonja Pichler-WilhelmAlter: 30 JahreBei Audi seit: 2009

Tätigkeit: Bauteileentwicklerin im Bereich Mittelkonsole. „Ich verantworte und ko -ordiniere die Konstruktion und Erprobung der Mittelkonsole von der Konzeptphase bis zum Serienstart.“

Ausbildung: Diplomingenieurin Fahrzeugbau (FH)

Sonstiges: „Das Zusammenspiel von Kreativität und technischer Präzision ist auch Teil meiner Freizeit. Beim Foto-grafieren kann ich beides miteinander ver-binden und gleichzeitig entspannen.“

Name: Silvia MerkourisAlter: 36 JahreBei Audi seit: 2007

Tätigkeit: Projektsteuerung im Vor serien-center. „Meine Aufgaben sind sehr ab -wechslungsreich. Vom ersten Design modell bis zum ersten Serien fahr zeug ko -ordiniere ich die Termine und das Budget.“

Ausbildung: Diplom-Wirtschafts ingenieurin

Sonstiges: „In meiner Freizeit klettere ich gerne – auch dazu braucht man die richtige Technik. Außerdem bastle ich mit meiner Tochter Modelle von Autos und Flugzeugen.“

Ihr Reich ist die Mitte Früher – als noch nicht so viel Elektronik im Auto verbaut war – war das Reparieren von Autos ein Hobby von mir.

Name: Susanne JacobAlter: 29 JahreBei Audi seit: 2004

Tätigkeit: Assistentin Entwicklung Auf-bau. „Ich habe einen sehr abwechslungs-reichen Job. Ich koordiniere und organi-siere zum einen den Strategie prozess des Bereichs Entwicklung Aufbau. Ich bin außerdem die zentrale Schnittstelle zum Controlling in Personalfragen. Meine wichtigste Aufgabe ist jedoch, für meinen Bereichsleiter die notwendigen Infor ma-tionen zusammenzutragen, aufzubereiten und zur richtigen Zeit zur Verfügung zu stellen. Ansonsten bin ich tägliche An -sprech partnerin für Mitarbeiter und Chef.“

Ausbildung: Diplom-Mathematikerin (FH). „Ich habe schon meine Diplomarbeit bei Audi geschrieben und bin dann im Bereich Fahrzeugsicherheit eingestiegen. Ab 2008 kümmerte ich mich als Pro jekt inge-ni eurin um das Exterieur von Q3 und Q5.“

Sonstiges: „Meine Erfahrung als Projekt-leiterin nützt mir auch privat. So konnte ich mir beim Bau meines Hauses den Bau-leiter sparen. Das habe ich selbst in die Hand genommen.“

Die Vielseitige

FotosMyrzik und Jarisch

TextAgnes Happich undIna Hämmerling

Name: Melanie StäblerAlter: 27 JahreBei Audi seit: 2007

Tätigkeit: Projektkoordination Produkt und Prozesstechnik für die Montage des Nachfolgemodells des Audi Q7

Ausbildung: „Studiert habe ich Multi-media und Kommunikation. In meiner Diplomarbeit habe ich Ergonomie kon zepte virtuell analysiert.“

Sonstiges: „Seit 2009 bin ich im Spitzen-mitarbeiterprogramm von Audi. Im Rahmen dieses Programms mache ich berufsbegleitend den ‚Master of Automotive Electronics‘. Der technische Schwerpunkt des Studiums ergänzt optimal mein erstes, weniger technisches Studium der Kommunikation.“

Die Kommunikative

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142 143Dialoge Technologie Dialoge Technologie

Name: Dr. Jutta BlobnerAlter: 38 JahreBei Audi seit: 2000

Tätigkeit: „Ich leite ein Team von Inge-nieuren, das die Akustik und den Schwingungskomfort im Auto optimiert. Wir betreuen den Audi A1, den A3 und den TT.“

Ausbildung: „Während meines Maschi-nenbau-Studiums habe ich ein Praktikum in der Technischen Entwicklung bei Audi gemacht. Die Zeit in der Motoren ent wick-lung hat mir so gefallen, dass ich nach Studium und Promotion in der gleichen Abteilung eingestiegen bin.“

Sonstiges: „Ich bin froh, dass ich mich mit Technik ein wenig auskenne. Mein kleiner Sohn (2 ½ Jahre alt) interessiert sich sehr für alle möglichen Fahrzeuge, Landmaschinen und Flugzeuge. So kann ich viele seiner Fragen beantworten.“

Nach dem Abitur habe ich mich für ein Ingenieurstudium entschieden. Ich fand es faszinierend, wie mein Vater alle kaputten Haushaltsgeräte immer wieder zum Leben erwecken konnte.

Name: Susana Moranchel CaballeroAlter: 34 JahreBei Audi seit: 2007

Tätigkeit: Projektsteuerung im Vorserien-center. „Ich bereite die Modelle der Mittelklasse auf ihren Serieneinsatz vor.“

Ausbildung: Diplom-Ingenieurin Maschinenbau

Noch heute ruft meine Mutter an, wenn sie mit der „neumodernen“ Technik der Haushaltsgeräte überfordert ist.

Name: Melanie SchuderAlter: 31 JahreBei Audi seit: 2005

Tätigkeit: Aufbausteuerung im Vor seriencenter. „Ich bin dafür verant-wortlich, dass die Prototypen und Vorserienfahrzeuge termingerecht fertig werden. Ich sorge dafür, dass alle nötigen Teile zur richtigen Zeit am rich-tigen Ort sind.“

Ausbildung: Diplom-Wirtschafts ingenieurin (FH)

Sonstiges: „Schon als Kind habe ich alle technischen Geräte in der Familie an -geschlossen. Vielleicht, weil ich mir als einzige die Mühe gemacht habe, mich intensiv mit der Anleitung auseinander - zu setzen.“

Good Vibrations: Sie sorgt für positive Schwingungen.

Name: Sonja CzeschlikAlter: 29 JahreBei Audi seit: 2007

Tätigkeit: Planung, Durchführung und Koordination von Reifenerprobungen im In- und Ausland sowie Freigabe von Reifen. „Ich bin dafür zuständig, dass der A1 vom Band rollen kann.“

Ausbildung: Diplom-Wirtschaftsingenieurin (FH)

Sonstiges: Sonja Czeschlik ist Mutter einer einjährigen Tochter. „Vollzeitjob und Familie sind bei Audi vereinbar.“

Als Kind hat mich an Barbie nur Kens Ferrari interessiert.

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144 145Dialoge Technologie Dialoge Technologie

Das schönste Geschenk in meiner Kindheit war ein Mini-Werkzeug koffer.

Name: Karin HönigAlter: 40 JahreBei Audi seit: 1999

Tätigkeit: „Ich leite eine Abteilung, in der wir Audi Zubehörprodukte entwickeln und freigeben, beispielsweise das Rear Seat Entertainment, Kindersitze, Dachträger und Aerostyle-Pakete. Darüber hinaus bearbeite ich sehr vielfältige Sonder the-men vom Aufbau von Showcars bis hin zum Sonderfahrzeugaufbau.“

Ausbildung: „Ich habe Fahrzeugtechnik studiert, doch das ‚Schöne und Anmutige‘ kam in diesem Studium einfach zu kurz. Deshalb entschied ich, zusätzlich tech-nisches Design zu studieren. Das war eine große Bereicherung für mich – auch per-sönlich.“

Sonstiges: „Alle Frauen meiner Familie mütterlicherseits waren starke Per sön-lichkeiten. Besonders geprägt hat mich meine Großmutter. Ich glaube, dank ihr bin ich Führungskraft geworden. Von ihr habe ich gelernt, gerne mit und für Menschen zu arbeiten – faszinierende Pro-dukte entstehen dann fast von alleine.“

Wenn es so nicht geht, wird es anders gehen.

Name: Alexandra KohneAlter: 32 JahreBei Audi seit: 2002

Tätigkeit: „Als technische Projektleiterin baureihenübergreifender Projekte erar-beite ich zusammen mit Fachbereichs ver-tretern vernetzte Systeme. Die setzen wir in allen Modellen ein. Solche Systeme sind zum Beispiel Thermomanagement oder Start-Stop.“

Ausbildung: Diplom-Ingenieurin Maschinenbau/Automatisierungstechnik

Sonstiges: „Mittlerweile besitze ich einen richtigen Werkzeugkoffer und gehe mit Vorliebe bei IKEA einkaufen, um anschlie-ßend alles selber zusammenzubauen.“

Seit sieben Jahren arbeitet Anna Trevissoi bei Automobili Lamborghini im nord-italienischen Sant’Agata Bolognese. Ihr Aufstieg ist so rasant wie das Auto, für das sie verantwortlich ist. Heute ist sie die technische Projektleiterin des neuen Lamborghini-Flaggschiffs.

Frau Trevissoi, Sie sind eine der wenigen weiblichen Ingenieu rinnen bei Italiens Supersport wagen schmiede Lamborghini und dazu noch Projektleiterin des Aventador. Wie muss man sich Ihren Tages ablauf vorstellen?Anna Trevissoi: Ich erstellte einen Zeit- und Kostenplan für das Projekt, arrangierte die technischen Arbeiten und kümmerte mich um den Informationsfluss zwischen den Abteilungen bei Lambor ghini und Audi. Aber als erstes musste ich unsere besten Ingenieure an einen Tisch bringen.

Der Aventador war das erste Auto, dessen Entwicklung Sie von Anfang an beglei ‑ tet haben. Was war das für ein Gefühl, als Sie ihn zum ersten Mal in seiner ganzen Pracht gesehen haben? Trevissoi: Nicht nur ich – sondern mein ganzes Team – hat alles für dieses Auto ge geben! Ich hätte niemals gedacht, dass mich der Anblick eines Motors rühren würde. Aber als wir den Zwölfzylinder- Motor des Aventador zum ersten Mal an ge -lassen haben, war das ein sehr be we-gender Moment – wir alle hielten den Atem an.

Das klingt, als ob Sie Ihren Job sehr mögen. Was gefällt Ihnen am besten daran?Trevissoi (lacht): Die Testfahrten in Nardò (Anm. d. Red.: „Pista di Nardò“, Test-strecke im süditalienischen Apulien). Jedes Mal, wenn ich dort mit unseren Testfahr-zeugen über die Strecke dahinfliege, denke ich, was für ein Glück ich doch habe, dass ich Ingenieurin bei Lamborghini bin.

Waren Sie auch mit dem Aventador schon auf der Teststrecke?Trevissoi: Na klar! Das Fahrgefühl ist fan-tastisch. Man tippt leicht aufs Gaspedal und spürt sofort die Kraft des Motors. Die Beschleu nigung und die Schaltzeiten – vor allem im „Corsa“-Modus, also dem Rennmodus – sind beeindruckend. Und dank des stabilen Fahrwerks, der Genau-igkeit der Len kung und des reaktions-schnellen All radantriebs des Aventador kann sich auch ein ungeübter Fahrer darin sicher fühlen – und vor allem viel Spaß haben.

Haben Sie eigentlich ein Traumauto? Trevissoi: Natürlich! Den Aventador!

Der Anblick des Motors rührte mich.

Die Bauteile in unseren Autos sind in hohem Maße vernetzt. Deshalb arbeite ich mit sehr vielen unter-schiedlichen Menschen zusammen.

Name: Julia HalbeiAlter: 37 JahreBei Audi seit: 2007

Tätigkeit: Projektleitung für die Entwicklung eines neuen Tanksystems

Ausbildung: Diplom-Ingenieurin Chemiewesen

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Page 75: Dialoge-Technologiemagazin, Mai 2011

146 147Dialoge Technologie Dialoge Technologie

Der Sound der Zukunft

Klang-Entwicklung: Der Audi e-tron Spyder im Soundlabor.

Leise wird zum neuen Laut Elektroautos sind keine Zukunftsmusik mehr. Audi arbeitet mit Hochdruck an der Entwicklung seiner e-tron Modelle und komponiert dabei auch ihren Sound.

PLAY

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148 149Dialoge Technologie Dialoge Technologie

TextLeonie Thim

FotosMyrzik und Jarisch

Chicago im Jahr 2035. Detective Del Spooner fährt mit seinem Audi RSQ durch einen Tun-

nel, als ihn plötzlich Ro boter angreifen. Die Musik wird schneller, ein einziger Ton schwillt an, untermalt von einem futuristischen Rauschen, dem Strahl triebwerk des RSQ. In dem Augenblick, in dem die Musik den Zu hörer zu erdrücken scheint, löst sich die Spannung, der Rhythmus beruhigt sich, Del Spooner entkommt den Robotern. Diese Szene aus dem Blockbuster „I, Robot“ gibt Filmliebhabern eine Idee, wie die Mobilität der Zukunft aussehen, und wie sich künftige Audi-Modelle anhören könnten.

Bei Audi hat die Zukunft bereits begonnen. Dr. Friede-mann Vogel ist Akustiker in der Abteilung Fahrzeugphysik, er kre-iert, moduliert, komponiert den Sound von Audi. Seit rund zwei Jahrzehnten designt Vogel den Klang von Verbrennungsmotoren. Jetzt beginnt eine neue Ära, und Leise wird zum neuen Laut.

Große Absorptionsflächen verkleiden den weißen Raum. Jede Bewegung klingt dumpf im Soundlabor, es gibt kein Echo. „Manchem wurde hier schon schlecht“, sagt Vogel. Denn im Ohr sitzt auch der Gleichgewichtssinn. „Stimmt die gelernte Relation zwischen relevanten Umweltreizen nicht, reagieren manche mit Schwindel oder Übelkeit“, erklärt der Akustiker. Für seine tägliche Arbeit ist diese Ruhe im Labor das Wichtigste, denn nur so kann der direkte Schall des Autos ohne Reflektion an den Wänden gemessen werden. Auf den vier Rollen des Prüfstands steht der e-tron Spyder, die Studie eines offenen Sportwagens mit Plug-in-Hybridantrieb*.

Im Gegensatz zu den grenzenlosen Freiheiten der Klang-erfinder aus Hollywood existieren für den Akustiker Vogel beim Sounddesign des e-tron erste eindeutige Leitplanken: Der Fahrer muss nicht nur fühlen, wie er beschleunigt und bremst, er muss es auch hören. Das Motorengeräusch des Elektroautos sollte trotz Roll- und Windgeräuschen deutlich zu vernehmen sein, Fußgänger müssen hören, wann und woher es sich nähert. Bevor ein Modell in Serie geht, arbeitet Vogel daran, die Außen- und Innengeräusche abzustimmen.

Man könnte Dr. Friedemann Vogel als Komponisten von Audi bezeichnen, denn sowohl der Komponist als auch der Akus-tiker haben ein Gespür für den guten Ton. Musik ist Geschmacks-frage. Und stimmungsabhängig. Sie kann die Sinne faszinieren, schafft das aber nie auf Dauer, denn es gibt kaum eine Musik, die der Hörer ununterbrochen erträgt. „Je schöner eine Melodie, desto eher droht die Gefahr, dass sie mich übersättigt“, erklärt Vogel. Die Geräuschkulisse eines Autos aber muss dem Fahrer für sehr lange Zeit gefallen. „Hochwertigkeit, Sportlichkeit, Laufkultur oder Leis-tungsentfaltung erlebe ich ganz wesentlich über das Hören. Der Sound spielt eine vielfach unterschätzte Rolle bei der Kauf ent-scheidung“, sagt Vogel.

Mit seinen Sinnesorganen nimmt der Mensch manche Reize bewusst, andere unbewusst auf. „Ein guter Motor ist nicht nur Kraft, sondern vor allem, was man erlebt. Dazu gehört der Sound“, erklärt Vogel. Der Fahrer soll aus dem Auto steigen und sich gut fühlen, ohne genau zu wissen, woran es liegt. „Der Sound ist immer auch ein Indikator für einen gesunden Motor.“

Um diesen Klang serienreif zu gestalten, muss der Akustiker physikalische Grundlagen aus der Schwingungslehre, dem Maschinenbau und der Fahrzeugtechnik beachten. Seine In-strumente sind Messgeräte, Mikrofone und Computer. Frei wie ein Komponist ist er bei seiner Arbeit freilich nicht, denn der Motor ändert seine Drehzahl und mit ihr seinen Klang immer wieder. Es gibt keinen Takt, keine Tonleiter wie in der Musik. „Das Auto folgt dem Befehl des Fahrers, je nach Fahrsituation spielt es immer ein neues Stück“, beschreibt der Akustiker.

Bei einem konventionellen Auto bestimmen der Mo-toraufbau und der Ladungswechsel den Sound – die Zündfolge der Zylinder sowie die Form und Gestaltung der Abgasanlagen. Ein Elektromotor aber hat keine Zylinder, sein Klang erinnert eher an das Anfahren eines Zuges als an ein Auto. Außengeräusche – vor allem die Abrollgeräusche der Reifen – sind erst ab Geschwin-digkeiten von 25 km/h zu hören.

„Genau darin liegen aber die Vorteile. Ruhe ist ein Wert“, erläutert Vogel. Elektroantriebe erzeugen nicht nur weniger Geräusche, sondern auch weniger Vibrationen, die die Karosserie dröhnen lassen. In der Vergangenheit arbeiteten die Akustiker vor allem daran, diese lauten Brummgeräusche zu dämpfen. Kritisch für die Elektromotoren sind eher hohe Frequenzen, die schnell als störend empfunden werden können.

Wie futuristisch darf der Sound des e-tron sein? Wie konservativ soll er bleiben? Die Entwürfe reichen von eher hinter-gründig bis prägnant. Fest steht, dass jedes Elektromodell, ob Kom-pakter wie der A1 e-tron oder Sportwagen wie der e-tron Spyder, seinen eigenen, unverkennbaren Sound haben wird. „Aber mit der gleichen DNA“, sagt Vogel. Ein Audi soll immer als ein Audi erkenn-bar sein, auch durch seinen Klang.

Um die e-tron Modelle hörbar zu machen, wenn sie langsam fahren, arbeiten Vogel und seine Kollegen an einem ak-tiven Sounddesign. Im Soundlabor nimmt der Akustiker die Ge-räusch kulisse des e-tron auf und bereinigt sie von störenden Ein-flüssen, wie sie etwa die Reifen und der Wind verursachen. Danach beginnt die Abstimmung des Antriebsgeräuschs. „Der Sound muss eine klare Struktur aufweisen“, erklärt Vogel. „Er folgt exakt der Kraft ent faltung. Beim e-tron Spyder gilt es, einen eleganten Sport-ler zu inszenieren – weder aufdringlich noch protzig.“

Dämm- und Absorptionsmatten aus Vlies oder Filz, ver-schiedene Arten von Schaumstoffen zum Dichten oder Dämpfen – allein bei der Abstimmung des Motorgeräuschs haben die Akustiker eine Vielzahl an Möglichkeiten. 2012 kommt der R8 e-tron in einer Kleinserie auf die Straße. Er wird faszinierend klingen.

Der Audi e-tron Spyder: Ein eleganter Sportwagen, auch akustisch.

Dr. Friedemann Vogel: „Der e-tron Sound bekommt eine eigene Audi-DNA.“

Information Wie ein Auto Geräusche erzeugt

Das Innengeräusch eines Autos ist besonders vielfältig, weil ganz unter-schiedliche Baugruppen als Schallquellen mitspielen. Auch wenn es keine ge-setzlichen Vorgaben gibt, ist ein möglichst niedriger Pegel das allgemeine Ziel. Auch das Außengeräusch setzt sich aus verschiedenen Quellen zusammen. Laut Gesetzgeber darf es bei der so genannten beschleunigten Vorbeifahrt 74 dB (A) nicht überschreiten. Zum Gesamtpegel tragen im Einzelnen folgende Quellen bei:

1 Motor 2 Ansauganlage 3 Reifen / Fahrbahn 4 Getriebe 5 Abgasanlage 6 Umströmung

Innen- und Außengeräusche

Geräuschquellen

6

1

5

2

3

4

1

3

* Siehe Glossar, S. 204 –207

REC

STOP

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150 151Dialoge Technologie Dialoge Technologie

Testanlagen und Prüfstände gehören zu

den wichtigsten Entwicklungswerkzeugen von Audi.

Mit ihnen können die Ingenieure die Voraussagen aus

den Simulationen am realen Objekt überprüfen, kön-

nen sie sich und der Umwelt unzählige Testfahrten-

Kilometer ersparen. Audi betreibt mehrere hundert

Prüfstände – jeder von ihnen ist eine Hightech-An-

lage. Hier geht es um die klassischen Themenfelder

Mo toren, Getriebe und Fahrwerk, aber auch um die

Traktionsbatterien der e-tron- und Hybrid-Modelle,

um die Komponenten der Bordelektronik und um die

Fahrerassistenz systeme. Manche Prüfstände dienen

zur Erprobung von Einzelteilen, andere sind auf Bau-

gruppen ausgelegt. Auf den größten Anlagen testet

Audi seine Gesamtfahrzeuge, teilweise unter simu-

lierten klimatischen Extrembedingungen. Im Werk

Ingolstadt ist vor wenigen Monaten ein neues großes

Entwicklungs- und Prüfzentrum für elektrifizierte

Antriebe in Betrieb gegangen, am Standort Neckar-

sulm läuft noch bis 2012 die zweite Baustufe des

Motoren prüfzentrums. In den nächsten Monaten will

Audi allein dort die Zahl der Motorenprüfstände auf

54 erhöhen.

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152 153Dialoge Technologie Dialoge Technologie

Elastokinematik-Prüfstand:Die Kinematik und Elastokinematik der Radaufhängungen nehmen großen Einfluss auf Dynamik, Stabilität und Komfort des Fahrwerks. Ein Roboter dreht das Lenkrad, an den Rädern werden die Kräfte simuliert, die auf der Straße einwirken.

Page 79: Dialoge-Technologiemagazin, Mai 2011

154 155Dialoge Technologie Dialoge Technologie

Hybrid-Getriebeprüfstand:Auf den großen Antriebsstrang prüfständen für die Hybridfahrzeuge spielen der Verbrennungsmotor, die E-Maschine, das Getriebe und die Differenziale zusammen. Nur die Batterie und die Räder fehlen in der Regel noch; ein Simulator und elektrische Belastungsmaschinen ersetzen sie.

Page 80: Dialoge-Technologiemagazin, Mai 2011

156 157Dialoge Technologie Dialoge Technologie

Elektronik-Brettaufbau:Auf Prüfständen wie diesem testen die Audi-Entwickler das hochkomplexe Zusammenspiel der elektrischen und elektronischen Komponenten. Im Bild der so genannte Brettaufbau, der die Elektronik eines Audi A6 umfasst; ein Fachmann überprüft die Bus-Kommunikation.

Page 81: Dialoge-Technologiemagazin, Mai 2011

158 159Dialoge Technologie Dialoge Technologie

Elektromotoren-Prüfstand:Bis zu 100.000 km unter verschärften Bedingungen müssen die Elektromotoren abspulen, das entspricht bis zu 300.000 km in Kundenhand. Der Strom, den sie dabei verbrauchen, wird ins Netz zurückgespeist.

Page 82: Dialoge-Technologiemagazin, Mai 2011

160 161Dialoge Technologie Dialoge Technologie

Assistenzsysteme-Prüfstand: Audi bietet in vielen seiner Modelle hochkomplexe Fahrerassistenzsysteme an. Ein spezieller Prüfstand dient dazu, ihre Funktionen zu überprüfen und sie mit höchster Präzision auf ihren Arbeitsbereich zu kalibrieren und zu justieren.

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163 Dialoge Technologie

1939: Der Horch 930 S war eine Spitzenleistung der Vorkriegszeit, nicht nur in der Aerodynamik.

Aero lution Feinarbeit im Windkanal Die Aerodynamiker bei Audi verbinden einzigartiges Design mit hohem Akustikkomfort, sicherer Fahrdynamik und bester Effizienz. Das gelingt nur in konsequenter Detailarbeit.

2010: Trotz seiner einzigartigen Form mit dem eleganten, flachen Heck erreicht auch der Audi A7 Sportback einen Spitzenwert.

162 Dialoge Technologie

Page 84: Dialoge-Technologiemagazin, Mai 2011

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TextChristian Günthner

FotosMyrzik und Jarisch

Potenzial: Mit ihrem heutigen Kenntnisstand sehen die Audi-Aerodynamiker am Horch natürlich deutliche Verbesserungsmöglichkeiten.

Stille: Der Audi A7 Sportback ist dank der Feinarbeit im Aeroakustik-Windkanal zum leisesten Auto seiner Klasse geworden.

„Aerodynamik ist etwas für Leute, die keine Motoren bauen können.“ Über das berühmte

Zitat von Enzo Ferrari kann Dr. Moni Islam nur schmunzeln. Der Leiter der Aerodynamik- und Aeroakustik-Entwicklung bei Audi kennt viele Meilensteine der Automobilwelt, die sowohl durch ihre Aerodynamik wie auch durch ihre Motoren überzeugten. Vielmehr geht es in seinem Job darum, einzigartiges Design mit besten fahr-dynamischen Eigenschaften zu kombinieren und durch konsequente Detailoptimierung die Effizienz der Fahrzeuge weiter zu steigern.

Ein frühes Beispiel für eine gelungene Aerodynamik ist der Horch 930 S – er feierte seine Premiere auf der IAA 1939, war zu jener Zeit extrem modern und prägte die Formensprache vieler Nach-kriegsmodelle. Mit den 92 PS seines V8 war der Horch 930 S ge-messene 178 km/h schnell, ein Spitzenwert im Wett bewerbs ver-gleich seiner Zeit. Kein Wunder, schließlich war seine Aerody na mik auch Spitze: Einen cw-Wert von 0,42 ergibt die aktuelle Über prü-fung im Audi-Windkanal. Mit dem 930 S vergleichbare Luxus limou-sinen damaliger Zeit erreichten nur Werte um 0,60.

Im Jahr 2011 sieht Dr. Gerhard Wickern, Aerodynamiker im Audi-Windkanalzentrum, hier natürlich wesentliche Verbesse-rungs möglichkeiten: „Beim heutigen Kenntnisstand könnte man die sen Horch mit wenigen Änderungen aerodynamisch erheblich günstiger ge stalten. Die Grundform der Außenhaut ist noch nicht ideal, ein ver kleideter, glatter Unterboden würde die Luftwirbel verringern, und in einem dritten Schritt müsste die Kühlluftführung überdacht werden.“

Der Horch 930 S ist in einer frühen Glanzzeit der Aero-dy namik-Entwicklung in Deutschland entstanden. Einen weiteren Meilenstein setzten die Vier Ringe im Jahr 1982 mit dem Audi 100 der Baureihe C3 – als Aerodynamik-Weltmeister ging er mit einem cw-Wert von 0,30 in die Geschichte ein. Besonders die stromlinien-förmige Leichtbaukarosserie und die hochgezogene Bordkante gal-ten als revolutionär und ermöglichten im damaligen Vergleich sehr niedrige Verbrauchswerte. Mit noch besserem Verbrauch, einer Aluminium-Karosserie und einem cw-Wert von nur 0,25 unterstrich der Audi A2 im Jahr 1999 die Kompetenz der Audi-Ingenieure und be sonders der Aerodynamiker.

Optisch liefert der Audi A7 Sportback mit seinem ele-ganten und langgezogenen Fließheck den Gegensatz zu dem klei-nen Van. Dank der Integration der Aerodynamik bereits in den frü-hen Entwick lungs prozess erreicht auch das fünftürige Coupé mit einem cw-Wert von 0,28 aero dyna mische Spitzenwerte in seiner Klasse. „Unser Ziel ist es, besonderes Design zu ermöglichen und nicht zu verhindern“, betont Dr. Moni Islam. So wurde der ausfahr-bare Heckspoiler in Abstimmung mit dem Windkanalteam be-schlossen. Damit konnte das Heck flach gehalten und dennoch das Fahrverhalten bei hohen Geschwin dig keiten optimiert werden.

Aerodynamik wird sehr stark vom Design geprägt. „Aero- dynamiker arbeiten am gesamten Fahrzeugkonzept. Wir steigen ganz früh in die Fahrzeug- und Bauteilentwicklung ein“, verdeutli-cht der 41-jährige Strömungsmechaniker Dr. Islam. „Wer in der Aerodynamik einen Fortschritt erzielen will, der muss wissen, wo die richtigen Potenziale liegen.“ In ihrer Grundform seien viele Fahrzeuge sehr ähnlich, größere Unterschiede gebe es im Gesamt-paket: dem Maßkonzept und der Technik in den Fahrzeugen. „Exte-rieur, Unterboden, Komponenten im Motorraum, Kühler, Räder, Reifen, Fahrwerksteile. Alles zählt. Hier eignen wir uns das re-levante Wissen an und steigen ganz tief in Details ein.“

0,42 Luftwiderstandsbeiwert Der Horch war seiner Zeit weit voraus. Immerhin ist er inzwischen 72 Jahre alt.

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298,7 km/h Windgeschwindigkeit Hochgeschwindigkeits-Messungen sind selbstverständlich im Audi-Windkanalzentrum. Schließlich werden hier auch die erfolgreichen Le Mans-Rennfahrzeuge optimiert.

Volle Leistung: Hinter dem Gebläsesystem mit einem Durchmesser von 5 Metern steht eine Antriebsleistung von stolzen 2,6 Megawatt.

Herr der Lüfte: Dr. Moni Islam leitet die Aerodynamik- und Aeroakustik-Entwicklung bei Audi.

Herr Dr. Islam, was macht den Audi-Windkanal einzigartig? Hören Sie die Antwort im Video. www.dialoge.audi.de

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Um Details von Luftströmungen an der Fahrzeugaußen-haut, dem Unterboden und im Motorraum analysieren und verbes-sern zu können, nutzt das Team um Dr. Islam Computer simu la ti-on en. „Um immer ehrgeizigere Aerodynamik-Ziele zu erreichen, müssen wir einen tiefen Einblick in die Strömung bekommen“, er-klärt er. „Deswegen arbeiten wir mit Großrechnern, die bis zu 2.500 vernetzte Prozessorkerne haben, um die Details der Strö mung aufzulösen. Wir entwickeln die Berechnungsmethoden weiter, und wer sich die Fachliteratur dazu ansieht, wird feststellen, dass wir auf diesem Feld federführend sind.“

Ein Schwerpunkt der täglichen Arbeit ist die Verbes-serung der Aeroakustik, zum Beispiel im Bereich der Dichtungs- und Verglasungskonzepte. Das Windkanalteam führt seit 1999 ausgeklügelte Aeroakustik-Tests in Ingolstadt durch. Die gesam-melten Erkenntnisse werden längst für Serienmodelle genutzt, und so ist der Audi A7 Sportback zum leisesten Auto seiner Klasse ge-worden. Mit Hohlspiegel-Mikrofonen* und Kunstköpfen* messen die Aeroakustiker beispielsweise die Geräusche der Außenspiegel und minimieren sie. Mit der als Mehrausstattung erhältlichen Akus-tik verglasung, einem Mehrschichtglas mit spezieller Akustikfolie, gelangen kaum noch Geräusche in den Innenraum.

Um Störgeräusche der Fahrzeugumströmung eliminie-ren zu können, benötigen die Ingenieure perfekte Rahmenbe din-gungen. „Wir haben hier bei Audi den leisesten KFZ-Windkanal der Welt“, ist sich Dr. Gerhard Wickern sicher. Der Spezialist für Aero-akustik* war maßgeblich an der Entwicklung und dem Neubau des Audi-Windkanalzentrums beteiligt und seine patentierte Anti-schallanlage markiert den Stand der Technik. Heute hat Audi neben dem kombinierten Aerodynamik-/Aeroakustik-Windkanal einen speziellen Motorkühlungswindkanal und einen Klimawindkanal in Betrieb. Dabei absolviert jedes Fahrzeug vor seiner Premiere circa 250 Stationen in den verschiedenen Windkanälen. In zwei Schichten tes ten die Mitarbeiter jährlich 6.500 Stunden in den drei Anlagen.

Ideenreich: Dr. Gerhard Wickern war maßgeblich an der Entwicklung des Audi-Windkanalzentrums beteiligt und entwickelte die Antischallanlage.

Perfekt: Die optimierte Form des Spiegelgehäuses reduziert das Innengeräusch deutlich.

Vorreiter: Der Horch 930 S ist ein früher Beleg für die Bedeutung der Aerodynamik-Entwicklung.

Dr. Islam ist davon überzeugt, dass die Be deutung der Aerodynamik und Aeroakustik in Zukunft noch weiter zunehmen wird, insbesondere bei Elektro- und Hybridfahrzeugen. „Mit diesen Antriebstechnologien ist die Rekuperation* von Energie aus der Fahrzeugbewegung möglich. Damit kann ein Teil der Energie, die für die Beschleunigung des Fahrzeugs aufgebracht wird, zurück-gewonnen werden. Dies gilt jedoch nicht für die Energie, mit der man den Luftwiderstand überwindet. Somit steigt der relative Anteil der Aerodynamik am Gesamtverlust im Vergleich zu den restlichen Komponenten des Energieverbrauchs.“

Für das Aerodynamikteam ist das Entwicklungsziel auch in Zukunft ganz einfach: „Best in Class“. Aktuell haben die Modelle Audi Q3, Q5, Q7 und A8 im Wettbewerbsvergleich die Spitzenposition in der Aerodynamik inne. Audi A6, A7 und A8 sind die leisesten Autos ihrer Klasse. Die Anforderungen an jede neue Fahrzeuggeneration sind aus Sicht der Aerodynamiker bereits de-finiert: die Optimierung der Aero dy na mik bis ins letzte Detail der Karosserie, des Unterbodens und des Motor raums, das Minimieren von Geräuschen im Innenraum durch konsequente Aeroakustik-entwicklung und die Entwicklung neuer Strömungskonzepte zur Verbrauchsminimierung bei neuen An triebs konzepten. So ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Marke mit den Vier Ringen den näch-sten Meilenstein setzt – durch optimale aerodynamische Eigen-schaften und einen Motor in technischer Perfektion.

Der Strömungswiderstandskoeffizient oder cw-Wert ist ein Maß für die Wind-schlüpfigkeit eines Körpers. Der cw-Wert einer senkrecht stehenden Platte beträgt etwa 1,0. Moderne PKW erreichen im Schnitt einen cw-Wert von 0,30. Im Wind-kanal wird der cw-Wert mit einer 6-Kom-ponenten-Waage standardmäßig bei 140 km/h gemessen, da er sich ab 80 km/h stabilisiert und zur Geschwindigkeits-unab-hängigen Größe wird. 140 km/h liegen genau in der Mitte dieses stabilen Bereichs. cw = Fw ⁄ ½ p∞ u∞² A

Information Luftwiderstandsbeiwert

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96 96 Lautsprecher Auch die patentierte Antischallanlage macht den Audi-Windkanal zum leisesten der Welt und schafft perfekte Bedingungen für die Akustikoptimierung.

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* Siehe Glossar, S. 204 –207

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Herr Dr. Wickern, wer profitiert noch vom Audi-Windkanal? Hören Sie die Antwort im Video. www.dialoge.audi.de

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BrainDriver 3D

Air

Egal ob Notebook, Smartphone oder Elek-tro auto: Ziel der zukünftigen Powerakkus muss es sein, mehr Energie auf weniger Platz zu speichern. Forscher auf der ganzen Welt suchen nach neuen Lösungen – und werden dabei erstaunlich kreativ. Besonderes Aufsehen hat eine Studie der amerikanischen Universität Mary-land erregt. Dort haben die Wissenschaftler mit mikro-skopisch kleinen Mosaikviren experimentiert, die ei-gentlich auf Tabakpflanzen wachsen. Diese biologischen Viren werden auf den Elektroden aufgebracht und mit Metall beschichtet. Das Ergebnis ist eine extrem feine Ober flächenstruktur der Elektrode. Dadurch vergrößert sich die Kapazität der Akkus um ein Vielfaches. „Infi-zier te“ Akkus sollen sechsmal soviel Energie abgeben können wie „virenfreie“ Vergleichsmodelle. Dabei dienen die Viren nur als Gussform und sind später nicht direkt an den Prozessen im Akku beteiligt.

Dagegen haben sich die Forscher am Rens-selaer Polytechnic Institute im US-Bundesstaat New York in ihren wissenschaftlichen Studien auf klassische Nanotechnik konzentriert. Hier werden die Elek troden mit so genannten „Nanoscoops“ beschichtet. Das sind winzige, eistütenförmige Zellen auf Silizium-Basis. Diese Schicht kann sich während des Aufladens ausdeh-nen und beim Entladen wieder zusammenziehen. Da-mit lassen sich die beschichteten Akkus rund 40- bis 60-mal schneller aufladen und können zugleich in kür-zerer Zeit mehr Strom abgeben. Außerdem sollen sie eine längere Lebensdauer haben, verspricht das Forscher-team unter der Leitung von Professor Nikhil Koratkar.

Friendly virus

Lenkräder aus Ananasblättern? Armaturen-bretter und Fensterheber aus Bananenstauden? Brasi-lianischen Wissenschaftlern der Universität in Saõ Paulo ist es gelungen, Nanofasern aus Pflanzenteilen zu ge-winnen. Damit könnten Teile des Cockpits in der Zukunft aus pflanzlichem Faserverbundstoff bestehen. Die neuen Pflanzenfaserstoffe könnten die heutigen Kunst-stoffe ersetzen. Die Blätter und Stän gel der Ananas sollen am besten für die Herstellung von Nano-Zellu-losefasern geeignet sein. Anders als die herkömm-lichen mineralölbasierten Kunststoffe sind die Pflan-zen fasern nachwachsend und biologisch abbaubar.

Außerdem sind Nano-Zellulosefasern beson-ders leicht. So soll ein Auto, das vollständig aus pflanz-lichen Kunststoffteilen gebaut ist, viel weniger wiegen, als wenn herkömmliche Kunststoffe verbaut werden. Weniger Treibstoffverbrauch wäre die Folge – gut für die Umwelt und den Geldbeutel der Autofahrer. Außerdem sei der pflanzliche Faserver bund kunststoff drei bis vier Mal stärker und hitzebeständiger als bisher verwendete Kunststoffe, so die Forscher. Zu dem könnten ihm Benzin und Wasser weniger schaden. Nach An sicht des brasili-anischen Forscherteams rund um den Leiter Alcides Leão wäre es bereits in den kommenden zwei Jahren möglich, zumindest Teile der Innenaus stattung aus dem neuen pflanzlichen Kunst stoff zu fertigen.

Plant your car!

Eine Revolution im Bereich der Fertigungs-verfahren kommt zunächst auf zwei Rädern. Das so ge-nannte „Airbike“ ist das erste Fahrrad der Welt, das aus Nylonpulver „gedruckt“ wurde. Das Nylon-Rad ist voll funktionstüchtig und genauso stabil wie Aluminium- oder Stahlmodelle. Das neue Herstellungsverfahren nennt sich „Additive Layer Manufacturing“ (ALM). Es ähnelt dem 3D-Druck und lässt das Fahrrad in Schichten entstehen. Dabei wird das Nylonpulver schichtweise aufgetragen, und ein Laser arbeitet in jeder Lage die gewünschte Form heraus. Auch bewegliche Teile oder spezielle Strukturen, wie zum Beispiel die Radachsen oder der Sattel, sind kein Problem. Der Laser lässt sich so fein dosieren, dass er dem Nylonpulver unterschied-liche Materialeigenschaften verpasst – von gummiartig weich bis stahlhart.

Hinter der revolutionären Entwicklung ste-cken britische EADS-Ingenieure, die eine neue Leichtig-keit am Himmel anstreben. Denn verglichen mit her-kömmlichen Fertigungsverfahren sind Elemente, die mittels der ALM-Technik gedruckt wurden, um bis zu 65 Prozent leichter – bei gleicher Stabilität.

Print your bike!

Mit dem Auto einfach von der Straße abhe-ben – ein Traum, der einst nur in Film und Fernsehen wahr wurde. Doch jetzt geht in den USA ein fliegendes Auto in Kleinserie. Das amerikanische Unternehmen Terrafugia hat die Flug-Fahr-Kombination mit dem Namen „The Transition“ entwickelt und dafür von der US-Luftfahrtbehörde die notwendige Ausnahme ge-nehmigung erteilt bekommen.

Auf der Straße ist das Gefährt mit einge-klappten Flügel und Frontantrieb unterwegs. Vor dem Start in die Lüfte müssen lediglich die Flügel ausge-klappt werden. Innerhalb von 20 Sekunden wandelt sich das Auto zu einem kleinen Flugzeug mit einer Flügel-spannweite von 8 Metern. In der Luft kann das 6 Meter lange Flugauto dank eines Heckpropellers auf eine Geschwindigkeit von rund 185 Kilometer in der Stunde beschleunigen. Die Reichweite soll nach An ga ben des Herstellers bei 787 Kilometern liegen.

Allerdings darf der fliegende Zweisitzer mit dem 100-PS-Motor nicht direkt von der Autobahn star-ten, sondern nur von der Startbahn eines Flughafens. Auch eine Sportpiloten-Lizenz ist notwendige Voraus-setzung – ebenso wie ein ausreichend großer Geldbeu-tel: Der Kaufpreis liegt bei stolzen 200.000 Dollar. Trotz-dem haben nach Angaben eines Terrafugia-Sprechers bereits rund 70 Interessenten das fliegende Auto be-stellt.

Flying car

Leicht und stabil: Dank eines neuen Herstellungs- verfahrens aus der Weltraumforschung ist dieses Zweirad ein echtes Leichtgewicht.

TechWorld Nur wer über den Tellerrand schaut, kann den eigenen Vorsprung bewerten und ausbauen. Technologie-News aus aller Welt.Auto steuern mit Gedankenkraft – was sich

wie ein Hirngespinst anhört, wird längst im Innova-tions labor AutoNOMOS getestet. Wissenschaftler der Freien Universität Berlin forschen intensiv an einer Fahr-zeugsteuerung via Gedankenübertragung. Nach dem sie ihre Testfahrzeuge bereits per iPhone, iPad und Au-gen schlag lenkten, sind nun Gehirnwellen an der Reihe.

Bei einer Gedankenfahrt ist der so genannte „Brain Driver“ mit einer Sensorenkappe auf dem Kopf ausgestattet. Sie zeichnet seine Gehirnströme auf und gleicht sie mit bioelektrischen Wellenmustern ab, die zuvor am Computer eindeutig als Kommandos inter-pretiert wurden. Da jeder gedachte Befehl, wie „rechts“, „links“, „beschleunigen“ oder „bremsen“, ein spezifi-sches Muster erzeugt, kann er über den Rechner in eine Aktion umgesetzt werden. Das Testfahrzeug ist mit der dafür benötigten Technik ausgestattet. Senso ren, Laser, Radargeräte und ein GPS ermöglichen die Erfassung von anderen Verkehrsteilnehmern, Fahrbahn markie-rungen, Ampeln, Geschwindigkeiten und Ab stän den.

So zukunftsträchtig sich das neue Steuer-ungssystem auch anhört, birgt es noch erhebliche Man-kos. Zum einen verarbeitet der Computer die Datenflut erheblich langsamer als das menschliche Gehirn, was wiederum die Umsetzungszeit der Kommandos verlän-gert. Zum andern fehlt es der künstlichen Intelligenz an Spontaneität, da sie auf Unregelmäßigkeiten im Straßenverkehr nicht adäquat reagieren kann. Von daher wird es wohl noch einige Zeit dauern, bis die Ge danken-fahrer die Straßen erobern.

Think smart!

Mit Köpfchen: Der Brain Driver steuert sein Fahrzeug mit Gedanken – doch der Computer zur Steuerung arbeitet wesentlich langsamer als das menschliche Gehirn.

Weitere Informationen finden Sie unter www.autonomos.inf.fu-berlin.de

Weitere Informationen finden Sie unter www.terrafugia.com

Weitere Informationen finden Sie unter www.usp.br

Weitere Informationen finden Sie unter www.eads.com

Weitere Informationen finden Sie unter www.umd.edu und www.rpi.edu

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Page 88: Dialoge-Technologiemagazin, Mai 2011

Passion Leidenschaft ist eine Triebfeder in der Entwicklungsarbeit von Audi. Leidenschaft bedeutet Liebe, manchmal Lust und immer volles Engagement.

Passion.Inhalt 174 Der Klangmagier 180 Tanto Amore 184 Testen extrem 188 Lack und Leder 194 Le Mans 200 Future Urban Mobility

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Frequenzbild des Wortes „Audi“

Der Klangmagier Hoch konzentriert lauscht Adam Sulowski den natürlichen Klangfarben eines neuen Lautsprechers. Schließlich soll in einem Audi ein Klavier klingen wie ein Klavier, nicht mehr und nicht weniger.

Unterstützung: Die Soundingenieure nutzen Kunstkopf und Frequenzanalyse, doch mehr noch verlassen sie sich auf ihr eigenes Gehör. Im schalltoten Raum (rechts) werden neue Lautsprecher intensiv getestet.

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In stiller Büroatmosphäre funktioniert das natürlich nicht. Von Klassik bis Hardrock, von Celine Dion bis AC/DC – aus der Soundgarage des Labors tönt eigentlich immer Musik. Zwar von Haus aus Techniker und Ingenieure, sind die meisten von Sulowskis Kollegen im Soundlabor auch passionierte Musiker. Da liegt es nahe, dass sie die Soundsysteme vor allem im Praxistest auf Herz und Nieren prüfen. „Wenn ein Chorsänger mit einem Gitarristen im Auto sitzt und Musik hört und sie dann über Klang und Töne disku-tieren, kann das ein ziemlich hitziges Gespräch werden“, sagt Sulowski, der selbst passionierter Klavierspieler ist.

Dies ist auch der Grund, warum er und seine Kollegen sich nicht allein auf programmierbare Frequenzanalysatoren* ver-lassen. „Computer kennen nur mathematische Vorschriften, Musik ist jedoch etwas Subjektives“, sagt er. Ob der Ton crispy oder bril-lant ist, eine gewisse Rauigkeit oder Staffelung hat, kann der Mensch laut Sulowski immer noch besser beurteilen als ein Com-puter. Auch Aspekte wie Raumklang* oder Psychoakustik* können nur schwer berechnet werden. „Deshalb sitzt das beste Messgerät zwischen den Ohren“, sagt Sulowski lachend.

Dennoch greift auch er regelmäßig auf Kunstköpfe* zurück, mit deren Hilfe er den Frequenzgang auf den vorderen Sitzen oder der Rückbank messen kann. Die Arbeit im Soundlabor ist eben Teamwork. Objektive Messungen und subjektive Eindrücke ergänzen sich. Ein Vorgehen, das sich mittlerweile für alle Audi-Sound systeme bewährt hat.

Adam Sulowski wippt mit dem Fuß im Takt der Musik. Vorsichtig dreht er am Laut stär-

ke knopf, verstellt Höhen, Mitten, Bässe und Frequenzen. „Ein Kla-vier muss wie ein Klavier klingen“, murmelt Sulowski. Was sich für viele wie eine Selbstverständlichkeit anhören mag, ist für ihn jeden Tag eine neue Herausforderung. Seine ganz persönliche Heraus-forderung. Denn Adam Sulowski lebt für den perfekten Sound.

Seit neun Jahren arbeitet der 48-Jährige im Audi-Sound-team und ist verantwortlich für den Klang in der B- und D-Reihe, also in A4, A5 und A8. Tagtäglich optimiert er Soundsysteme für verschiedene Modelle, erstellt Konzepte für Lautsprecher, misst, testet und beurteilt die Versuchsmuster, die das Audi-Soundteam zusammen mit Partnerunternehmen wie Bose oder Bang & Olufsen entwickelt. Sulowskis Ziel: den Klang der Hi-Fi-Anlagen im Auto weiterentwickeln und dabei zur Vollendung bringen.

TextChristine Maukel

FotosMyrzik und Jarisch

Gefühl: Nahezu alle Mitarbeiter im Soundteam sind passionierte Musiker.

Vergleich: Das Soundlabor besitzt auch eine Heim-Audioanlage aus dem absoluten Highend-Bereich.

Frequenzbild des Wortes „Computer“

Der Mensch und die Kunstkopf-Messpuppe arbeiten Hand in Hand. Das letzte Wort hat aber der Mensch. Adam Sulowski

Erleben Sie Adam Sulowski und das Soundlabor im Video. www.dialoge.audi.de

* Siehe Glossar, S. 204 –207

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Information Das Soundsystem des Audi A8 in Zahlen

Um den idealen Anlagen-Klang zu tunen, tauschen sich Sulowski und das Team vom Soundlabor von Beginn an eng mit den Konstrukteuren und Designern der jeweiligen Modelle aus. Denn die Soundkonzepte müssen immer speziell auf die jeweilige Fahr-zeugkabine und ihre Raumverhältnisse abgestimmt sein. Zwei bis drei Jahre dauert die Entwicklung eines solchen Systems vom Kon-zept bis zur Auslieferung. „Klassische Fehler, wie etwa das Dröhnen der Bässe, toleriert kein Premium-Kunde mehr“, erklärt Sulowski. „Durch die Einstellmöglichkeiten im MMI* kann der Kunde den Sound zwar personalisieren, aber die grundlegende Komposition muss einfach perfekt passen.“ Auch die Nachrüst-Lösungen frühe-rer Tage sind nicht mehr vorgesehen, deshalb ist die Anpassung schon bei der Soundsystem-Entwicklung elementar.

Für Sulowski ist die Arbeit im Soundlabor mehr als nur ein Beruf. „Wer hier arbeitet, braucht vor allem eines: Leidenschaft für Klänge“, sagt er und ist selbst das beste Beispiel. Von Kindes-beinen an interessierte er sich für Akustik und Musik, baute sogar selbst Kopfhörer zusammen. Nach dem Studium der Elektro tech nik, bei dem Sulowski als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehr stuhl für Elektroakustik arbeitete, begann seine berufliche Lauf bahn im Sounddesign der Audi-Gesamtfahrzeugentwicklung. Einige Jahre später wechselte er in die Abteilung Entwicklung Soundsysteme und baute dort das Soundlabor mit auf. Seitdem widmet er sich ganz und gar dem Klangerlebnis im Auto. Und dem bei sich zuhau-se. Denn auch privat kann Sulowski nicht genug vom Thema Sound bekommen. So betreibt er mittlerweile ein kleines Studio, in dem er komponiert und Aufnahmen macht.

Doch auch Stille hat für Adam Sulowski eine besondere Bedeutung. Deshalb genießt er die Zeit, die er im reflexionsarmen Raum des Soundlabors verbringt, wo er Lautsprecher auf harmo-nische Verzerrungen testet. „Einfach mal eine Minute die Ruhe in sich aufnehmen“, weist Sulowski seine Gäste im schallisolierten Raum an. Dann hockt er sich auf den Boden und hält sein Ohr ganz nah an den Lautsprecher. Vollkommen fokussiert auf die synthe-tischen Geräusche, die eigens für diese Tests von den Mitarbeitern des Soundlabors kreiert wurden und für das Laien-Ohr kaum hörbar sind. Sulowski schließt die Augen. „So kann ich mich am besten auf das Gehörte konzentrieren und selbst die feinsten Unterschiede wahrnehmen“, erklärt er.

Sulowski ist leidenschaftlicher Perfektionist. Zufrieden ist er nie lange. Denn jedes Modell stellt für ihn und das Sound la-bor team eine neue, individuelle Herausforderung dar. Das spürt letztlich auch der Kunde. Laut Sulowski am besten im Audi A8: „Mit dem Advanced Sound System spürt der Fahrer ein Klangerlebnis, das das einer 40.000 Euro teuren Highend-Anlage zuhause noch toppen kann“, sagt er und lächelt stolz. „Audi“ – „Höre“: Adam Sulowski lebt das jeden Tag intensiv.

Lautsprecher integriert das Advanced Sound System von Bang & Olufsen. Sie werden über 19 Kanäle angesteuert.

Watt leisten die beiden Endstufen des Advanced Sound Systems.

Parameter – in etwa – kann der Benutzer individuell beeinflussen.

Audiogenuss in Highend-Qualität – das bietet das Bang & Olufsen Advanced Sound System im Audi A8. Das Herzstück des Systems sind zwei Verstärker mit mehr als 1.460 Watt Gesamtleistung, die hinter der Rücksitzlehne integriert sind. Mit ihren energieeffizient arbeitenden digitalen Endstufen steuern sie über 19 Kanäle 19 Lautsprecher an. In Verbindung mit der MMI Navigation plus bringt das System gleichzeitig eine Surround-Funktion mit an Bord. Bang & Olufsen nutzt einen firmeneigenen Algorithmus, um Schallreflexionen zu erzeugen, wie sie in einem Konzertsaal auftreten. So wird jede Fahrt im A8 zum einzigartigen Musikerlebnis.

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Frequenzbild des Wortes „Musik“ Perfektion: Das Bang & OlufsenAdvanced Sound System im Audi A8 ist die höchste Ausbaustufe in der Klangwelt von Audi.

Musik Für seine Systeme im Auto kennt Adam Sulowski nur eine Referenz – das originale Instrument. Ein Flügel muss wie ein Flügel klingen.

* Siehe Glossar, S. 204 –207

Page 92: Dialoge-Technologiemagazin, Mai 2011

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Manufaktur für Motoren-Kunstwerke Hochtechnologie und Passion: Der Zwölfzylinder ist das starke Herz des neuen Lamborghini Aventador LP 700-4. Gebaut wird er in Sant’Agata Bolognese komplett von Hand.

Tanto Amore

Manufaktur: Die Montage des Zwölfzylinders ist bei Lamborghini 100 Prozent Handarbeit.

Feinarbeit: Jede Schraube braucht das richtige Drehmoment.

Strahlend: Hochglänzend verlässt der neue Lamborghini Aventador LP 700-4 die Montagehalle.

Bartolomeo Miele: Der Teamleiter kennt jeden Arbeitsschritt am legendären Zwölfzylinder auswendig.

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Erleben Sie den Lamborghini Aventador LP 700-4 im Video. www.dialoge.audi.de

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Das Höchstleistungs-Triebwerk ist eine Eigenent wick-lung von Lamborghini und wird in Sant’Agata Bolognese auch kom-plett gefertigt. Miele: „Das ist Tradition bei Lamborghini, auch Renn-motoren werden von Hand gebaut.“ Und voller Stolz fügt er hinzu: „Diese Tradition muss erhalten bleiben.“

An Arbeitsstation zwei setzt Miele Ölpumpe und Ventil-steuerung ein und montiert die Wasserpumpe, die die Zy linder-köpfe kühlen wird. Mit einem elektrischen Schrauber zieht der Teamleiter die Schrauben mit einem Drehmoment von exakt 145 Newtonmetern an. Jede Schraube hat jetzt die ideale Span nung – dennoch werden die Muttern per Hand geprüft: Die Ratsche klickt zweimal – fertig. Der elektrische Schrauber ist die einzige mecha-nische Hilfe, die die Monteure haben. Darauf sind Miele und seine Kollegen besonders stolz. „Die Arbeit am Zwölfzylinder ist 100-pro-zentige Handarbeit – das ist Manu faktur. An unsere V12-Moto ren lassen wir nur unsere Hände und keine Roboter“, sagt Miele.

Die Monteure arbeiten in Zweier-Teams an den Sta ti-onen. Jeder Handgriff sitzt, alle Arbeitsschritte greifen wie Zahn-räder ineinander. Heute schaut Fertigungsgruppenleiter Giuseppe Marescalchi vorbei. Aber nicht nur zur Kontrolle. Er scherzt mit den Monteuren, motiviert sie. Er hat immer ein Lob auf den Lippen: „Das Montage-Team ist das eigentliche Herz des Motors“, sagt Marescalchi und klopft Miele väterlich auf die Schulter. Miele freut sich. „Bei so viel Lob arbeiten wir noch schneller“, verrät er lä-chelnd, „und auch unser Motor bekommt noch mehr PS.“ Nötig hat er das nicht. Der Zwölfzylinder mit 6,5 Litern Hubraum hat eine unglaubliche Leistung von satten 700 PS bei 8.250 Umdrehungen pro Minute und ein maximales Drehmoment von 690 Newton-metern. In nur 2,9 Sekunden katapultiert er den Aventador auf Tempo 100 – und erst bei 350 km/h ist Schluss. Das Triebwerk hat 8 Prozent mehr Leistung als sein Vorgänger, aber 20 Prozent we-niger Verbrauch und CO₂ Emissionen.

„Die dritte Arbeitsstation ist mir am liebsten“, verrät Bartolomeo Miele. Aber nicht etwa, weil endlich die Zylinderköpfe montiert und die Nockenwellen aufgelegt werden, sondern weil hier der Motor eingestellt wird. „Das ist ein bisschen wie das Stim-men eines Klaviers. Nur wenn alles perfekt zusammenspielt, ertönt die harmonische V12-Symphonie“, schwärmt der 39-Jährige.

Fast ist der Zwölfzylinder komplett. Zeit für eine Dich-tigkeitsprüfung an Station vier: Luft wird mit 0,2 bar in den Öl- und mit 0,5 bar in den Wasser-Kreislauf gepumpt, um eventuelle Lecks ausfindig zu machen. „Hier wird der Motor auf Herz und Nieren überprüft.“ Jetzt kann Miele den Motor auf dem Prüfstand zum ersten Mal anlassen. Vorher ergänzen er und sein Team an Station Nummer fünf das mächtige Ansaugsystem, den Kabelbaum oder die Nebenaggregate wie Lichtmaschine oder Klimakompressor.

„Am Anfang setzt man einfach nur Einzelteile zusam-men. Sie sind schön, aber total leblos. Auf dem Prüfstand erwacht alles zum Leben. Erst dann ist die Magie komplett“, schwärmt Miele und schiebt den mächtigen Zwölfzylinder in die Testkammer. Eine Stunde und 40 Minuten dauert die Prüfung – für ausnahmslos jede der Maschinen.

 In einer einzigen Schicht baut das Team drei bis fünf V12-Motoren. Exakt 19 Stunden und 36 Minuten beträgt die kom-plette Bauzeit inklusive Getriebe. Dann steht das Happy End an, die Hochzeit von Supersportwagen und Hochleistungs-Aggregat. Millimetergenau taucht der V12 in das Heck des Aventador ein und wird an den Aluminiumrahmen befestigt, die mit dem Kohlefaser-Monocoque verbunden sind. Mieles Job ist hier zu Ende. Wie viel von ihm selbst steckt im Zwölfzylinder? Da strahlt er übers ganze Gesicht: „Tanto Amore!“ – so viel Liebe.

TextIna Hämmerling

FotosMyrzik und Jarisch

Gefahren hat Bartolomeo Miele den neuen Lamborghini Aventador LP 700-4 noch nicht

– aber immerhin das Triebwerk angelassen. „Bellissimo! Wie eine Symphonie“, freute sich der Motorenexperte. Dann allerdings musste er wieder aussteigen und zurück an seinen Arbeitsplatz, die Montagelinie für den Zwölfzylinder in Sant’Agata Bolognese, dem Stammsitz von Auto mobili Lamborghini. Die hochmoderne Ferti-gung inmitten der komplett renovierten Produktionshalle ist die Geburtsstätte eines faszinierenden Stücks Technologie – des 515 kW (700 PS) starken, aber 784 Millimeter kurzen und 235 Kilo-gramm leichten V12.

Miele kennt sich aus mit großen Maschinen. Nach seiner Lehre als Kfz-Mechaniker ging er zur Marine und montierte in Neapel die Motoren stattlicher Touristenschiffe. 2002 hatte er genug von den Ozeanriesen und bewarb sich bei Lamborghini. In seine Be-werbung schrieb er: „Ich komme nur, wenn ich Motoren bauen darf.“ Er durfte. Heute ist der 37-jährige Leiter des zehnköpfigen V12-Teams und beherrscht alle fünf Arbeitsstationen der Montage-linie aus dem Effeff.

Miele steht an der ersten Station, beugt sich über den silbernen Motorblock und nimmt vorsichtig den Deckel ab. Der Leichtmetall-Block ist für die Montage auf einem Wagen mit Rollen befestigt. So lässt er sich schnell und einfach von Station zu Station schieben. Miele legt den Deckel beiseite und setzt die Kurbelwelle ein – mit 24,6 Kilogramm ein Leichtgewicht. Aus einer Schublade mit Sicherheitsverschluss zieht der Teamleiter zwölf blitzende, silberne Kolben aus geschmiedetem Stahl. Fast ehrfürchtig befreit Miele ein Stück nach dem anderen aus seiner wattierten Halterung, montiert die Kolbenringe und befestigt die zwölf Pleuel. Kon zen-triert und in einer festgelegten Reihenfolge lässt er anschließend Pleuel und Kolben nacheinander in die zwölf Laufbuchsen gleiten.

„Sitzt ein Kolben in der falschen Zylinderbuchse, passt der gesamte Motor nicht mehr“, sagt Miele und blickt dabei nur kurz auf, um sich gleich wieder dem Innenleben des mechanischen Kunstwerks zu widmen. Mit Dehnschrauben befestigt er die Pleuel-stangen an der Kurbelwelle, kleine gelbe Farbmarkierungen weisen ihm die richtige Stelle. Mit Hilfe der Pleuel setzt die Kurbelwelle die Auf- und Abwärtsbewegung der Kolben in eine Drehbewegung um – und ermöglicht so die imposante Beschleunigung des Aventador.

Das ist ein bisschen wie das Stimmen eines Klaviers. Nur wenn alles perfekt zusammenspielt, ertönt die harmonische V12-Symphonie. Bartolomeo Miele, Teamleiter V12-Montage

Leistung: Der V12 ist nicht nur eine eigene Entwicklung von Lamborghini, er wird in Sant’Agata Bolognese auch komplett gefertigt.

Alle Hände voll zu tun: Zwölf Kolben, zwölf Pleuel, zwölf Zylinder und nur eine richtige Reihenfolge.

Happy End: Nach 19 Stunden und 36 Minuten Arbeitszeit finden Zwölfzylinder und Aventador zusammen.

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Location Von Ürümqi nach Korla, China Höhe 2.200 bis 4.250 Meter ü.d.M. Temperatur 19°C bis 24°C Luftfeuchtigkeit 30%

Location Von Golmud nach Xining, China Höhe 1.000 bis 2.500 Meter ü.d.M. Temperatur 0°C bis 25°C Luftfeuchtigkeit 35%

Location Von Bangalore nach Chennai, Indien Höhe 400 Meter ü.d.M. Temperatur 30°C bis 42°C Luftfeuchtigkeit 60% bis 80%

Location Von Golmud auf den Kunlun Shan, China Höhe 1.600 bis 4.500 Meter ü.d.M. Temperatur 22°C bis 26°C Luftfeuchtigkeit 30%

Location Von Chengdu nach Kangding, China Höhe 400 bis 3.800 Meter ü.d.M. Temperatur 24°C bis 38°C Luftfeuchtigkeit 40% bis 95%

Location Vereinigte Arabische Emirate Höhe 200 Meter ü.d.M. Temperatur 34°C bis 46°C Luftfeuchtigkeit 10%

Gefühl für Schnee Karl Hofer ist unterwegs im Auftrag des Kunden. Er testet jedes Audi-Modell vor der Markteinführung auf seine Alltagstauglichkeit – in jedem erdenklichen Alltag, überall auf der Welt. Oft mit erstaunlichen Erkenntnissen.

XtremKlimaberechnungen: Für Karl Hofer besteht die Welt aus Superheißländern, Heißländern und gemäßigten Ländern.

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Manchmal ist es Detektivarbeit, die Karl Hofer macht. Er sitzt in seinem Büro in Ingolstadt vor einer Reliefkarte, sie zeigt die Höhen und Tiefen Chinas. Aus einer Schublade holt er einen kleinen Glasbehälter. Darin befindet sich grobkörniges, klumpiges Salz. Hofer schüttelt den Behälter, der Inhalt knistert. „Das ist Streusalz von Moskaus Straßen. Es hat eine völlig andere Kon sistenz als unser deutsches Streusalz. Wenn sich dieses Salz mit Schneematsch und Schmutz verbindet, entsteht eine Masse, die hart wie Beton wird und das Fahrwerk verkrustet.“

Hofers Team erprobt fast überall auf der Welt, die meis-ten Reisen führen aber nach China. „In China sind die Höhen- und Klimaunterschiede besonders groß“, erzählt der studierte Ma-schinenbauer. „Im tibetischen Hochplateau beträgt die Temperatur auf 2.000 Höhenmetern noch 35 Grad. Selbst wenn es nur zwei Berge auf der ganzen Welt gibt, auf denen diese extremen Bedin-gungen herrschen, testen wir dort. Schließlich müssen unsere Autos für jeden Weg, den der Kunde fahren will, gewappnet sein.“ Hofer teilt die Welt ein in Superheißländer, Heißländer und Länder mit gemäßigter Temperatur. So stellt der Österreicher sicher, dass alle möglichen klimatischen und topografischen Bedingungen in die Erprobung einfließen.

Wenn die Autos von der Erprobung zurück nach Deutsch-land kommen, werden sie zerlegt und auf Herz und Nieren geprüft. Die Erkenntnisse, die Hofers Team bei den Erprobungsfahrten ge-winnt, gibt er danach an die Kollegen in der Entwicklung in Ingol-stadt weiter. So verdanken es die brasilianischen Audi-Fahrer Hofer und seinem Team, dass sie nicht mehr so oft in die Werkstatt müs-sen. Früher hatten die Brasilianer häufig Probleme mit den Unter-böden ihrer Autos.

In Brasilien gruppieren sich viele Dörfer um eine einzige Durchfahrtsstraße, so genannte Straßendörfer. Damit die einfah-renden Autos ihre Geschwindigkeit reduzieren, bringen die Ein-wohner Schwellen am Ortseingang an. Die Höhe dieser Schwellen ist aber nicht genormt wie in Deutschland. „Das ist oft ein Selbst-schutz der Anwohner. Da wird vor allem dafür gesorgt, dass die Autos wirklich abbremsen müssen. Ob alle Autos auch unbeschadet über die Schwellen kommen, scheint nicht so wichtig“, erklärt Hofer. Wenn etwa ein Audi A5 so eine Schwelle überfahren muss, kann es passieren, dass der Unterboden auf der Schwelle schram-mt. Karl Hofer hat deshalb dafür gesorgt, dass der Unter boden-schutz der brasilianischen Audi verstärkt wurde.

330 Tage im Jahr ist das Erprobungsteam auf der ganzen Welt unterwegs, 12 Millionen Kilometer legen die Autos dabei zu-rück. Einen Großteil des Jahres verbringt Karl Hofer selbst auf Er-probungsreisen. In seinem Büro in Ingolstadt erzählen Weltkarten und Behälter mit Staub aus China oder Streusalz aus Russland von seinen Reisen in ferne Länder. Wenn man Karl Hofer aber fragt, ob er auch in seiner Freizeit gerne reist, muss er schmunzeln: „Nein, Reisen ist für mich kein Hobby mehr. Am liebsten bin ich zu Hause bei meiner Familie, besuche vielleicht mal eine Ausstellung oder ein Konzert.“

TextAgnes Happich

FotosMyrzik und Jarisch und AUDI AG

Nordchina, minus 38 Grad. Feinster Pulver-schnee bewegt sich wie Staub über die end-

lose, schnurgerade Landstraße. Karl Hofer hat ein Gespür für Schnee, auch für diesen. Er weiß, vor welche besonderen Heraus for-derungen er einen Audi stellt: „Der Schnee im chinesischen Norden dringt in jede Ritze, legt sich an jede Dichtung des Autos.“ Es ist Hofer, der dafür sorgt, dass die Dichtungen in China besonders ro-bust sind, dass der Unter bodenschutz in Brasilien verstärkt ist oder die Klimaanlage auch in den feuchten Tropen verhindert, dass die Scheiben beschlagen.

Karl Hofer leitet die Erprobung in den Audi-Märkten auf der ganzen Welt. Er beobachtet Kunden, die einen vollkommen anderen Alltag haben als die deutschen Käufer. Etwa ein Jahr, bevor ein Modell in einen neuen Markt eingeführt wird, beginnt Hofers Team mit dem Alltags-Check: Mit 20 bis 25 Spezialisten fährt er in das jeweilige Land und testet die neuen Audi-Modelle vor Ort. Im Unterschied zur klassischen Fahrzeugerprobung mit Erlkönigen werden die Autos dabei nicht gezielt an ihre Grenzen gebracht. Hofers Team testet unter Realbedingungen, also genau so, wie der Kunde das Auto später nutzt. Dabei stellt er zuerst die Frage, wo der Kunde fährt. Hofer und sein Team analysieren Klima, Höhe und Luftfeuchtigkeit im Land.

Genauso wichtig wie das Wo ist aber, wie der Kunde mit dem Auto umgeht. Um das herauszufinden, bittet Hofer Ein-heimische hinter das Steuer und beobachtet deren Fahrverhalten: Wie häufig hupt der „Testkunde“, wie fährt er durch Pfützen, auf welche Stufe stellt er die Klimaanlage ein? „Nur jemand, der jeden Morgen sein Auto bei minus 35 Grad startet, kann wirklich beurtei-len, wie schnell die Scheiben entfrosten“, sagt Hofer. Er möchte den Alltag der Kunden nachvollziehen und verstehen – egal, wo auf der Welt sie leben. Besonders wichtig sind Hofer dabei die Ge-spräche mit den Menschen vor Ort: „Das Wichtigste, was man in meinem Beruf neben dem technischen Fachwissen braucht, ist ein Interesse für fremde Kulturen, für die Menschen. Ich will wissen, wie der Kunde denkt und handelt. Ich will, dass unsere Autos genau zum Kunden und in den Markt passen.“

Das beginnt schon bei der Fahrzeugpflege. Hofer er-zählt von den Beobachtungen, die er macht, wenn er die Menschen vor Ort bittet, ein Testauto zu waschen: „In vielen Ländern gibt es keine Waschstraßen wie bei uns. Da wird das Auto häufig mit ver-schmutztem Wasser und einem groben Lappen gewaschen. Oder mit Reinigungsmitteln, die wir nicht kennen. All das muss unser Lack aushalten.“ Damit der Lack das schafft, nimmt der Perfek tio-nist Hofer Proben der Chemikalien und des Wassers mit nach Ingol-stadt. Die werden dann im Audi-Labor auf ihre Zusammensetzung hin untersucht. Die Audi dieser Welt werden nicht nur beim Wa-schen unterschiedlich stark beansprucht. Auch die Kraft stoff-qualität schwankt stark von Land zu Land, manchmal gar von Tank-stelle zu Tankstelle. Deshalb analysiert das Erprobungsteam auch den Tankinhalt ferner Länder.

Man plant zwar die Erprobungsstrecke von einem bestimmten Ort A zu einem Ort B. Was aber dazwischen passiert, bleibt ungewiss. Karl Hofer

Homebase: Globetrotter Hofer in seinem Büro in Ingolstadt. Exotische Andenken zeugen von seinen China-Reisen.

Location Von Korla nach Golmud, China Höhe 1.600 bis 3.400 Meter ü.d.M. Temperatur 19°C bis 36°C Luftfeuchtigkeit 35%

Location Von Recife nach São Paulo, Brasilien Höhe 200 bis 1.400 Meter ü.d.M. Temperatur 35°C bis 42°C Luftfeuchtigkeit 30% bis 80%

Kilometer legte Hofers Erprobungsteam allein im Jahr 2010 zurück.

Mal haben die Testfahrer die Welt umrundet, wenn man die Kilometer zusammen- rechnet, die Hofers Team in den letzten zehn Jahren gefahren ist.

Tage im Jahr wird erprobt.

Klimazonen und 5 Kontinente umfasst die Erprobung. Die Temperaturspanne reicht von minus 36 °C (Nordchina) bis plus 48 °C (Vereinigte Arabische Emirate).

Die Erprobung umfasst Höhenunterschiede von 154 Metern unter dem Meeresspiegel (Turpan-Senke, China) bis 4.560 Metern ü.d.M. (Kunlun Shan, China).

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Information Die Audi-Erprobung in Zahlen

Erleben Sie die Audi-Erprobung im Video. www.dialoge.audi.de

Location Hokkaido, Japan Höhe 100 bis 1.600 Meter ü.d.M. Temperatur -14°C bis -4°C Luftfeuchtigkeit 40% bis 70%

Location Nordostchina Höhe 500 Meter ü.d.M. Temperatur -30°C bis -18°C Luftfeuchtigkeit 40%

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Natürliche Schönheit: Hirschnappaleder und Eiche-Schichtholz werden möglichst naturbelassen verarbeitet.Mit Lack und Leder

Ein Fest für die Sinne Leidenschaft ist ihr Antrieb, Perfektion das Ziel: Mit naturgegerbtem Hirschnappaleder, offenporigen Schichtholz-Applikationen oder Lacken mit Kristalleffekt formen drei Audi-Designerinnen vom Team Colour & Trim außergewöhnliche Ästhetik und einzigartige Hochwertigkeit.

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Team mit Leidenschaft: Im offenen Foyer des Theaters Ingolstadt treffen sich die drei zum Fotoshooting. Ob grob oder geformt, sichtbar oder lackiert – in allen Variationen kommt dort der Baustoff Beton zum Einsatz.

Glanz: Gelb ist nicht gleich gelb, jede Audi-Farbe muss zu Audi passen. Auch Lampenschirme dienen als Farbmuster.

Sehen Sie das Making-of im Video. www.dialoge.audi.de

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Stolz streicht Johanna Hoch über eine Tür-blende aus Schichtholz. Über fünf Jahre hat

die junge Designerin an den innovativen Applikationen im neuen Audi A7 Sportback und im A6 gearbeitet. Dass sie dafür amerika-nisches Eichenholz ausgewählt hat, ist kein Zufall: „Ich wollte die Yacht-artige Anmutung des In nen raums unterstreichen. Helle Farben und vor allem offenporiges Holz sollten es sein.“ Ein An-spruch, der sie im Laufe der Zeit vor so manche Probleme gestellt hat. Denn eine offenporige Haptik schließt die Versiegelung mit dicken Lack schich ten aus. Das fast naturbelassene Eichenholz sollte in seinem ursprünglichen Cha rakter erhalten bleiben. Na-türli che Alterungs prozesse sind in gewissem Rahmen sogar er-wünscht. „Holz lebt. Und genau das macht den Charme aus.“

Doch nicht nur das Problem der Farbbeständigkeit machte das Projekt für die studierte Textildesignerin zu einer Prü-fung mit vielen Herausforderungen. „Wie ein Prophet bin ich durch alle Abteilungen gelaufen.“ Denn nicht nur bei der Materialwahl, auch bei seiner Verarbeitung wollte sie neue Wege gehen. Ihre Idee: Holz als ursprünglichster aller Baustoffe sollte eine tech-nische Anmutung erhalten.

Jetzt, wo sich das Holz in feinen Linien über die verklei-deten Bauteile spannt, ist Hoch zufrieden. Dafür wurden Furniere übereinander geschichtet und verleimt. Aus dem entstandenen Block konnten so erneut Furniere geschnitten werden – jedes ge-rade einmal 0,6 Millimeter dick, nicht viel mehr als fünf übereinan-der gelegte Haare. Für die Serienfertigung mit den großen Werk-zeugen bedeutet das einen immensen technischen Aufwand, völlig neue Verarbeitungsprozesse mussten erdacht werden. Das Er-gebnis überzeugt mit Natürlichkeit. Hoch und das Colour & Trim Team haben aus einem natürlichen Stoff ein unverwechselbares Element geschaffen.

Ihre Ideen gewinnen Hoch und ihre Kolleginnen aus Mode, Möbeln, Architektur und allem, was ihnen gefällt; oft ist ihre Arbeit ein Aufspüren von Trends. Manche sind langfristige Ent-wicklungen, wiederum andere eher sprunghaft und spontan. Bei der Wahrnehmung von Farben geht eine Gesellschaft jedoch unbe-wusst in dieselben Richtungen – da sind sich alle drei einig. Die Auto-mobilindustrie greift diese Trends auf und setzt eigene Akzente.

Beim Lack braucht es durchaus fünf bis zehn Ar beits-schleifen, bis das Ergebnis den Anforderungen von Sandra Hart-mann entspricht. Die erfahrene Colour & Trim-Designerin hat eine klare Vorstellung von jedem neu zu definierenden Farbton. Schließ-lich geht es nicht darum, eine möglichst bunte Palette zu kreieren. Jede Farbe muss zu Audi passen. „Knallig ist einfach, Unifarben sind deut lich anspruchsvoller“, erklärt sie. Denn bei Audi ist Panther-schwarz nicht einfach nur schwarz. Und das sportliche Ibisweiß schon gar kein schlichtes Standardweiß. Hartmann interpretiert die Farben immer wieder neu, sie nimmt Effekte und Trends auf und definiert Abstufungen. „Auch Ferrari hat nicht seit 50 Jahren das gleiche Rot“, fährt sie fort. „Mal ist es mehr gelb, mal mehr blau. Die Welt verändert sich und unsere Kunden mit ihr.“

Um bei all diesen Feinheiten an den richtigen Stell-schrauben zu drehen, braucht es Erfahrung und den Willen zur Perfektion. Hartmann muss sich deshalb nicht nur mit Farbtönen, sondern auch mit Effektgruppen auskennen. Denn neben Unifarben hat Audi auch Metallic-, Perl- und Kristalleffekte im Angebot. Für jede Modellreihe gibt es eine definierte Auswahl, abhängig von der Produktpositionierung. Zwei neue Farben im Schnitt entwickelt die Designerin für ein Modell-Facelift, bei einer neuen Baureihe sind es mehr. „Hier kann ich besonders gut Trends einfließen lassen. Auch das Design verändert sich hier stärker.“

Doch nur weil eine Farbe am Ende den richtigen Ton trifft, heißt das nicht, dass sie in der Großserienproduktion auch funkti-oniert. „Da kann es schon mal passieren, dass ich den gleichen Farb-ton mit einer vollkommen neuen Rezeptur nachmischen muss.“ Doch die aufwändige Arbeit lohnt sich. Schließlich bestimmt das Ergebnis ihrer Kreativität den ersten Eindruck beim Kunden. Und der darf im fertigen Dialog von Form und Farbe nicht laut sein.

Fein und edel muss jeder Audi wirken. Und das nicht nur beim Lack, sondern auch beim Interieur. Erst in einem perfekten Zusammenspiel entsteht eine stimmige Designwelt. Ein Luxus, den der Kunde über alle Sinne erleben, nicht nur sehen, sondern auch riechen und fühlen will. „Gerade beim Leder arbeiten wir mit einem Naturprodukt“, sagt Barbara Krömeke. „Und wenn wir diese Na-türlichkeit der Materialien erhalten wollen, müssen wir die Natur respektieren.“ Beim neuen Hirschnappaleder hat sie deshalb eine ganz traditionelle Art der Verarbeitung gewählt.

Bei Audi wird Leder zum Schutz der Umwelt grundsätz-lich chromfrei gegerbt. Im A8 gibt es eine neue Lederart, welche zudem rein vegetabil gegerbt wird. „Wie bei einem Tee werden pflanzliche Extrakte von Eichenlohe, Mimosa und diversen Rinden vermischt und aufgekocht“, erklärt sie den schonenden Prozess. In diesem Sud wird das Leder umweltfreundlich zum exklusiven Leder Valonea gegerbt. Die gewünschte Natürlichkeit wird anschließend um wasser- und schmutzabweisende Eigenschaften ergänzt. Im Audi A8 hat Krömeke diese Lederqualität mit einem zweiten Highlight kombiniert: Hirschleder. Dieses sehr weiche Material wirkt wie ein Handschmeichler und wird bei Bauteilen mit direktem Haut kontakt eingesetzt: den Kopfstützen, dem Wählhebel und dem eigens gefertigten Kuschelkissen.

Doch nicht nur das Material, auch die technischen Ge-gebenheiten stellen Krömeke immer wieder vor Heraus forde rungen. Beim Armaturenbrett zum Beispiel wurden zum ersten Mal keine Nähte im Funktionsbereich des Airbags gesetzt. Im Falle eines Unfalls muss dieser also das stabile Leder auf der Schalttafel und im belederten Lenkrad sauber durchbrechen können. Keine ein-fache Aufgabe, mit Erfahrung aber machbar.

Seit 25 Jahren ist Krömeke schon bei Audi Design tätig. Als eine der ersten hat sie für den flächendeckenden Einsatz von Leder im Interieur gekämpft. Ihre Augen funkeln, wenn sie über Nähte, Formen und Farben spricht. Ihr An spruch an die eigene Arbeit ist hoch: „Der Kunde muss sich beim er sten Anblick des Autos begeistern, wohlfühlen, verlieben können.“

Wichtig dafür ist am Ende nicht nur der Beitrag jedes Einzelnen, sondern die Summe aller. Doch so unterschiedlich die Werkstoffe von Johanna Hoch, Sandra Hartmann und Barbara Krömeke auch sind, alle drei verbindet der Wunsch, etwas Außer-gewöhnliches zu erschaffen. Das Gewohnte und Bekannte bis zur vollkommenen Perfektion zu treiben. Leidenschaft ist das, was sie bewegt.

Faszination: Die Werkstoffe sind unterschiedlich, verbindend ist das Ziel, etwas Außergewöhnliches zu erschaffen.

TextDaniel Schuster

FotosMyrzik und Jarisch

Barbara Krömeke: „Wenn wir die Natürlichkeit der Materialien erhalten wollen, müssen wir die Natur respektieren.“

Sandra Hartmann: „Wir interpretieren jede Farbe immer wieder neu.“

Johanna Hoch: „Holz lebt. Und genau das macht den Charme aus.“

Page 99: Dialoge-Technologiemagazin, Mai 2011

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Le Mans!

Im Falle des neuen Audi R18, mit dem das Audi Sport Team Joest am 11./12. Juni den zehnten Le Mans-Sieg für Audi ins Visier nehmen möchte, bedeutet das konkret: Im Heck des spektaku-lären LMP1-Sportwagens mit seiner vom Reglement diktierten Finne zwischen Cockpit und Heckflügel sitzt ein ultrakompakter, ultraleichter und hocheffizienter V6-TDI-Motor mit nur 3,7 Liter Hubraum. Zum Vergleich: Das Vorgängermodell R15 TDI, mit dem im vergangenen Jahr in Le Mans ein Dreifacherfolg inklusive neuem Distanzrekord gelang, hatte noch stolze 5,5 Liter Hubraum und zehn Zylinder. Dessen Vorgänger R10 TDI, 2006 der erste Diesel sieger in Le Mans überhaupt, verfügte sogar über einen Zwölf zylin dermotor.

Zwölfzylinder, Zehnzylinder, Sechszylinder – innerhalb von nur sechs Jahren hat Audi die Zylinderzahl bei seinen Diesel-Rennsportwagen halbiert, nicht aber die Motorleistung. Wie viel kW das neue Audi-Triebwerk tatsächlich liefert, darüber schweigen die Tech niker eisern. Man möchte der Konkurrenz keine Steilvorlage lie-fern. Doch blickt man Dr. Ullrich tief in die Augen, dann lässt sich er -ah nen, dass es seiner Mannschaft ganz gut gelungen ist, die von den Regelmachern des ACO beabsichtigte Leistungsreduktion von rund 20 Prozent wesentlich kleiner zu halten.

„Wir haben die spezifische Leistung des Motors gegen-über dem Zwölf- und Zehnzylinder noch einmal deutlich gestei-gert“, sagt der Chef zufrieden. „Und dabei ist auch noch die Ver-wandtschaft zu unserem kleineren V6-Diesel aus der Serie viel enger geworden. Alles, was wir an diesem Motor in Richtung Leis-tung umsetzen, werden wir auch bei unseren künftigen Serien-motoren sehen können – entweder in Form von mehr Leistung oder weniger Verbrauch und Emissionen. Was man an einem Le Mans-Motor verbrennungstechnisch und mechanisch lernt, kann man sehr gut in die Serie überführen.“

Wenn Dr. Wolfgang Ullrich über die 24 Stun- den von Le Mans spricht, beginnen seine

Augen zu leuchten. „Das ist eines der drei wichtigsten Rennen, die es auf der Welt gibt, und jedes Mal eine neue Herausforderung“, sagt der Leiter von Audi Sport. „In Le Mans wird fast eine gesamte Formel-1-Saison an einem Wochenende gefahren – mit ein und demselben Auto. Und das mit zukunftsorientierter Technik und immer wieder neuen Rahmenbedingungen.“

Seit Audi in Le Mans startet, haben sich die Vorgaben noch nie so stark verändert wie in diesem Jahr. Der Automobile Club de l’Ouest (ACO) hat den engagierten Automobilherstellern ein striktes Downsizing* verordnet und liegt damit im Trend der Zeit. Denn auch in der Serie sind immer kleinere, aber dennoch leistungs-starke Motoren gefragt. „Die neuen technischen Anforderungen in Richtung Downsizing passen perfekt zu unserem roten Faden im Motorsport“, so Dr. Ullrich. „Audi tritt bei den 24 Stunden von Le Mans an, um neue Technologien im Rennsport zu erproben, die wir später unseren Kunden zugänglich machen wollen.“

TextThomas Voigt

FotosBernhard Spöttel

Vom Roadster zum Coupé Kein einziges Teil hat Audi Sport bei der Entwicklung des neuen LMP1-Sportwagens R18 vom Vorgängermodell R15 TDI übernommen. Nur das Ziel blieb gleich: der Sieg beim wichtigsten Langstrecken-Rennen der Welt.

2011: Der neue Audi R18 startet in Le Mans im puristischen Kohlefaser-Design. Charakteristisch für die neue Sportwagen-Generation ist die lange Finne zwischen Cockpit und Heckflügel.

2009: Der Audi R15 TDI in seiner ursprünglichen Form, wie er im März 2009 beim 12-Stunden-Rennen in Sebring debütierte. Anders als beim aktuellen R18 waren die Vorderräder kleiner als die Hinterräder.

* Siehe Glossar, S. 204 –207

Sehen Sie den Audi R18 TDI in Aktion. www.dialoge.audi.de

Page 100: Dialoge-Technologiemagazin, Mai 2011

2011: Typisch für den R18 sind ein tief sitzender Heckflügel und das flache, schlanke Heck, das auch durch den kompakten V6 TDI-Motor möglich wird.

2011: Ziel der Ingenieure von Audi Sport war es, die Stirnfläche des R18 so klein wie möglich zu halten und höchste aerodynamische Effizienz zu sichern.

2009: Der R15 TDI verfügte in seiner Urversion über ein Konzept der Fahrzeug-Durchströmung, das vom Audi A4 DTM adaptiert wurde. Entsprechend groß waren die Öffnungen am Heck.

2009: Der R15 TDI war auf Durchströmung ausgelegt, deshalb hatte er an der Frontpartie sehr große Lufteinlässe.

Page 101: Dialoge-Technologiemagazin, Mai 2011

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Die neuen Vorgaben der Regelmacher haben Audi Sport auch beim Fahrzeugkonzept zum Umdenken bewogen. Zum ersten Mal seit 1999, als beim Le Mans-Debüt der offene R8R und das Coupé R8C gleichzeitig an den Start gingen, setzt Audi beim Lang-strecken-Klassiker wieder auf ein geschlossenes Fahrzeug – was für den Leiter von Audi Sport durchaus mit etwas Wehmut verbunden ist. „Mir persönlich haben die offenen Le Mans-Prototypen sehr gut gefallen“, sagt der gebürtige Österreicher. „Aber ich finde, dass auch der R18 einen eigenen optischen Charakter darstellt und sehr gut zur Marke Audi passt, die immer wieder mit eigenen Design lö-sungen bei den Straßenfahrzeugen auf sich aufmerksam gemacht hat. Was mir besonders gefällt, ist, dass diese Form zunächst einmal im Windkanal definiert wurde und wir dann gemeinsam mit unserer Designabteilung ein optisch sehr ansprechendes und sehr sportlich und aggressiv wirkendes Fahrzeug auf die Beine gestellt haben.“

Die Entscheidung zum LMP1 mit Dach wurde durch das neue Motorenreglement fast schon diktiert. „Die kleineren Motoren werden im Endeffekt auch weniger Leistung haben“, sagt Dr. Ullrich. „Und je geringer die Motorleistung ist, umso wichtiger ist es, dass man in Le Mans eine sehr hohe aerodynamische Effizienz hat. Das heißt sehr wenig Luftwiderstand bei guten Abtriebswerten. Und die rein aerodynamische Effizienz eines geschlossenen Fahr-zeugs ist ganz einfach besser als die eines offenen, weil dieses immer mit Verwirbelungen im Bereich der Cockpitöffnungen kon-frontiert ist. Mehr Effizienz bedeutet entweder eine höhere Höchst-ge schwin dig keit oder mehr Abtrieb bei gleicher Höchstge schwin-dig keit. Beides sorgt für bessere Rundenzeiten.“

Doch das war nicht der einzige Grund, weshalb sich die Ingenieure von Audi Sport nach drei offenen Le Mans-Siegertypen (R8, R10 TDI und R15 TDI) erstmals für eine geschlossene Variante entschieden. In der Vergangenheit war ein schneller Fahrerwechsel in Le Mans von großer Bedeutung. Dabei war das Roadster-Konzept ein deutig im Vorteil. Inzwischen aber wurde die Anzahl der Mecha-ni ker, die während eines Boxenstopps gleichzeitig am Auto arbeiten dürfen, reduziert. Deshalb sind nicht mehr die Fahrerwechsel der bestimmende Zeitfaktor an der Box, sondern die Reifenwechsel.

Generell sieht Dr. Ullrich keinen Unterschied darin, ob man ein geschlossenes oder ein offenes Fahrzeug für Le Mans ent-wickelt: „Die Aufgaben sind ganz ähnlich: Man versucht, maximale aerodynamische Effizienz mit einer so leicht wie möglich gebauten Karosserie, die aber reparaturfreunlich ist, einem kräftigen und verbrauchsgünstigen Motor und einem guten Fahrwerk zu kombi-nieren.“ Etwas komplexer ist die Aufgabe dennoch. Am R18 müssen Bauteile funktionieren, die es bei den Vorgängermodellen nicht gab: Türen, die auch jenseits von 300 km/h perfekt geschlossen sein müssen. Ein Scheibenwischer, der in diesen Geschwindig keits-bereichen eine schwierige Aufgabe hat, insbesondere wenn die Scheibe mit Öl verschmiert ist. Und last but not least gilt es, das Cockpit optimal zu belüften und zu kühlen – denn das Reglement schreibt eine Maximaltemperatur vor, und die Fahrer müssen sich wohl fühlen, um Top-Leistungen liefern zu können.

Dies lässt sich mit Hilfe einer Klimaanlage lösen, die jedoch Leistung kostet. Deshalb ist es Ziel aller Konstrukteure, die geforderte Innenraumtemperatur durch andere im Audi-Klima-Windkanal erprobte intelligente Lösungen zu erreichen. Dazu zählt eine clevere Durchströmung des Fahrzeugs, das Anordnen heißer Bauteile (zum Beispiel der Kühler) möglichst weit weg vom Cock pit oder ganz simple Dinge wie eine reflektierende und damit wärme-dämmende silberne Folie am Dach.

Apropos Dach: Hier sitzt zusätzliches Gewicht an einer für den Schwerpunkt denkbar ungünstigen Position. Deshalb war die Aufgabe beim R18, das Dach so leicht wie möglich zu gestal ten, ohne Kompromisse bei Sicherheit und Steifigkeit einzugehen. Dafür wählte Audi Sport einen bei LMP1-Sportwagen bisher nicht alltäglichen Weg: Das komplette Kohlefaser-Monocoque ist aus einem Stück gefertigt und wiegt keine 75 Kilogramm.

Auch an dieser Stelle profitierte Audi Sport von der ul-tra-Leichtbau-Kompetenz der AUDI AG, die in Le Mans 2011 nicht nur in Form von Schriftzügen auf den drei R18 sichtbar wird. Das Fahrzeug mit der Startnummer „1“, der Vorjahressieger, startet in einem puristischen schwarzen Carbon-Kleid. „Ich denke, damit kann man die konsequente Verwendung dieses sehr leichten, mit sehr hoher Festigkeit ausgestatteten Materials gut sichtbar ma-chen“, meint Dr. Ullrich. „ultra-Leichtbau ist in Le Mans ein sehr wichtiger Faktor, weil ein leichtes Auto immer ein effizientes Auto ist. Das technische Reglement in Le Mans erlaubt es, mit Mate-rialien zu arbeiten, die bestens für den Leichtbau geschaffen sind. Alles, was wir in den letzten Jahren mit diesen Materialien und ins-besondere beim R18 gelernt haben, wird über das ultra-Konzept künftig auch den Kunden der AUDI AG zur Verfügung stehen und relevant sein für bessere Fahrleistungen, geringeren Verbrauch und geringere Emissionen. Das gilt nicht nur für das Monocoque, son-dern für die gesamte Struktur des Fahrzeugs, aber auch für alle anderen Komponenten wie Fahrwerk, Motor und Antrieb.“

Ein Highlight und markantes Erkennungszeichen des R18 sind zudem die Voll LED-Scheinwerfer, die gemeinsam mit der Fachabteilung für Lichttechnik entwickelt wurden. „Ähnliche Schein-werfer gibt es schon heute bei zwei Spitzenmodellen der AUDI AG“, betont Dr. Ullrich. „Aber wir gehen noch einmal einen Schritt weiter. Und für Le Mans ist es auch ein sehr wichtiger technologischer Fort-schritt, nachts eine bessere Lichtausbeute zu haben.“

Eine stufenweise Elektrifizierung des Antriebs in Rich-tung e-tron sieht das R18-Konzept ebenfalls vor. „Ein Einsatz kommt für Audi jedoch erst in Frage, wenn eine solche Technologie auch die effizienteste ist“, so Dr. Ullrich. „Das haben wir aktuell noch nicht erreicht. Nach wie vor ist die TDI-Technologie, die von Audi erfun-den wurde, die modernste und effizienteste Möglichkeit, einen Pkw und auch einen Le Mans-Sportwagen anzutreiben.“

Um die Kraft des V6 TDI-Motors, der nur einen Turbolader hat, optimal einsetzen zu können, stehen den Fahrern nun sechs statt wie bisher fünf Gänge wie im R15 TDI zur Verfügung. Nur einer von vielen kleinen, aber entscheidenden Unterschieden zwi schen dem Siegerwagen der 24 Stunden von Le Mans 2010 und dem neuen R18, mit dem Audi seine Le Mans-Erfolgsstory fortsetzen möchte. Um ein faszinierendes Kapitel Technologie reicher ist sie schon jetzt.

Information 24h Le Mans

Audi startet seit 1999 bei den 24 Stunden von Le Mans und hat den Langstrecken-Klassiker inzwischen neunmal gewonnen. Mehr Siege hat nur Porsche.

Mit fünf Triumphen am erfolgreichsten war der Audi R8 (2000, 2001, 2002, 2004 und 2005). Mit dem Audi R10 TDI gelang 2006 der erste Sieg eines Dieselfahrzeugs in Le Mans. Auch 2007 und 2008 siegte der R10 TDI. Der Audi R15 TDI durfte auf-grund einer Reglementänderung in seiner ursprünglichen Form (wie auf diesen Seiten gezeigt) nur einmal starten. 2010 kam eine stark überarbeitete Version zum Einsatz. Mit dem „R15 plus“ (interner Pro-jektname) feierte das Audi Sport Team Joest einen Dreifachsieg und erzielte einen Distanzrekord.

Audi

Gesamtsiege

Dialoge Technologie198

Vater des Erfolges: Dr. Wolfgang Ullrich führte Audi zu bisher neun Le Mans-Siegen.

Innovativ: Der R18 verfügt bereits über die nächste Generation von Voll LED-Scheinwerfern.

Sehhilfe: Die Sicht aus einem geschlossenen LMP1 ist eingeschränkt, große Außenspiegel helfen.

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Hohe Lichtausbeute Highlight und markantes Erkennungszeichen des R18 sind die Voll LED-Scheinwerfer, die gemeinsam mit den Audi- Lichttechnikern entwickelt wurden.

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201 Dialoge Technologie

TextLisa Füting

FotosMyrzik und Jarisch

Wird es noch Mobilität geben in den Mega-cities der Zukunft? Und wie kann sie ausse-

hen, wenn im Jahr 2030 60 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben? In China steigt der Anteil der Stadtbevölkerung in den näch-sten 20 Jahren von 30 auf 60 Prozent, die indische Stadt Mumbai wächst in dieser Zeit auf über 26 Millionen Einwohner. Städte wer-den sich grundlegend wandeln – doch wie? Jürgen Mayer H., Archi-tekt aus Berlin, und Franciscus van Meel, verantwortlich für Elek-tro mobilitäts stra tegie bei Audi, im Gespräch über die Veränderung der Stadt und die Wechselwirkungen mit dem Automobil. Als Moderator fungiert Christian Gärtner, Architektur-Experte und Vorstandsmitglied der Stylepark AG aus Frankfurt am Main.

Christian Gärtner: Im vergangenen Jahr‑ hundert hat das Auto die Stadt stark geprägt. Wird in Zukunft anders herum die Stadt das Auto prägen?

Jürgen Mayer H.: Neue Technologien wie die Elektro-mo bilität setzen ein völlig neues Potenzial für die Stadt frei. Das Auto ist ein dynamisches Produkt. Es wird spannende Auswirkungen auf die Stadt haben.

Gärtner: Ist Elektromobilität ein Treiber von Veränderung in der Stadt?

Franciscus van Meel: Wenn wir über reine Elektro fahr-zeuge reden, reden wir sehr häufig über Megacity Vehicles. Diese sind mit dem Gesamtfahrzeugkonzept von vorneherein auf Metro-polräume ausgerichtet, Elektroauto und Stadt sind sehr eng mit-einander verknüpft.

Gärtner: Ist eine Kombination von Elektro mobilität und autonomem Fahren denkbar?

van Meel: Wir entwickeln unsere Fahrer assistenz sys-teme stetig weiter. In Situationen wie dem Stop-and-Go-Verkehr bietet Audi bereits heute Systeme an, die bestimmte Fahraufgaben übernehmen. Ein Beispiel ist die adaptive cruise control mit Stop-and-Go-Funktion. Bis aber ein Auto völlig selbständig zum Ziel fahren kann, ist es noch ein weiter Weg. Langfristig ist das durch-aus denkbar.

Gärtner: Was bedeutet das für den Fahrer und die Stadt?

van Meel: Wenn das Auto autonom fährt, was macht dann der Fahrer? Das Thema Fahrspaß wird sich in 20 Jahren anders definieren als heute, es wird neue Dimensionen ge ben. Das heißt allerdings nicht, dass das Auto nicht mehr die Fahr leistungen von heute bringt. Denn wenn die Straße frei ist, will ich nach wie vor selbst fahren können.

Gärtner: Herr Mayer H., Sie haben in Ihrem Beitrag für den Audi Urban Future Award die These aufgestellt, dass der Spaß im Jahr 2030 aus etwas Anderem als dem reinen Fahren resultieren wird.

Mayer H.: Ja, ich glaube, dass sich die Erfahrung von erlebter Geschwindigkeit auf wenige Strecken reduzieren wird. In meiner Vision ermöglicht das Fahrzeug, das dann auch völlig auto-nom fährt, eine individuelle Wahrnehmung der Stadt. Wie beim Fernsehen kann ich programmieren, welchen Teil der Stadt ich sehen und erfahren möchte. Damit wird eine ganz andere Art der Kommunikation möglich.

Gärtner: Wieso sprechen Sie vom Auto als Wahr‑nehmungsmaschine? Wird die Emotionalisierung des Autos nicht mehr allein im Objekt liegen, sondern darin, was ich im Objekt erlebe?

Mayer H.: Durch das autonome Fahren werden sich große Chancen ergeben. Im Stadtraum selbst können Hilfs sys teme wie Ampeln und Straßenmarkierungen wegfallen. Auch Licht ist in unserer Vision nicht mehr notwendig. Die Auf merk sam keit kann sich weg von der Infrastruktur, hin auf die gebaute Stadt richten. Das Auto wird zum Interface zwischen mir und der Stadt. Ich sehe eine Ähnlichkeit zu Social Media, wo wir bereits heute individuelle digitale Profile anlegen.

Gärtner: Wie wird die Elektromobilität die Stadt verändern?

van Meel: Bislang war es nicht attraktiv, an stark befah-renen Straßen zu wohnen. Wenn Autos in Zukunft geräuschlos fah-ren, weil sie elektrisch autonom fahren, können bislang unattrak-tive Gegenden aufblühen. Damit sind auch Ver schie bungen der Wohn-Arbeits-Aufteilung möglich.

Future Urban Mobility

Neue Technologien wie die Elektromobilität setzen ein völlig neues Potenzial für die Stadt frei. Das Auto ist ein dynamisches Produkt. Es wird spannende Auswirkungen auf die Stadt haben. Jürgen Mayer H.

Franciscus van Meel: Verantwortlich für das Thema Elektrifizierung der Automobile bei Audi.

Jürgen Mayer H.: Architekt und Stadtentwickler in Berlin.

Page 103: Dialoge-Technologiemagazin, Mai 2011

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Information Audi Urban Future Award

Audi Urban Future AwardFür den alle zwei Jahre stattfindenden Wett-

bewerb lädt Audi international renommierte Archi tek-turbüros und Städteplaner ein, den urbanen Raum der Zukunft und die Möglichkeiten der Mobilität darin zu entwerfen. 2010 gewann Jürgen Mayer H. diesen höchst-dotierten deutschen Architekturpreis. Der von Audi ini-tiierte Wettbewerb ist Teil der langfristig angelegten Audi Urban Future Initiative. Hier beschäftigt sich Audi mit internationalen Experten aus unterschiedlichen Dis ziplinen umfassend mit den Fragestellungen urba-ner Mobilität. Die Ergebnisse aus dem Dialog mit Archi-tekten, Stadtplanern, Soziologen, Ökonomen oder Na-tur wissenschaftlern fließen ins Unternehmen ein.

Jürgen Mayer H.In visionären Entwürfen lotet das Berliner

Architekturbüro J. Mayer H. Architects die Schnitt stel-len zwischen Architektur und Stadtentwicklung, Kunst-installationen und neuen Materialentwicklungen aus. Vor seiner Bürogründung 1996 studierte Jürgen Mayer H. in Stuttgart, New York und Princeton. Er wurde 2003 als Nachwuchstalent mit dem Mies van der Rohe Award for European Architecture ausgezeichnet und erhielt unter anderem den International Architecture Award des Chicago Athenaeum (2009). Zu den bekanntesten Gebäuden von J. Mayer H. Architects zählen die Mensa Moltke in Karlsruhe sowie die „Dupli.Casa“ bei Ludwigs-burg. Der Metropol-Parasol-Entwurf zur umfassenden Neugestaltung der Plaza de la Encarnación in Sevilla ist derzeit im Bau.

Christian GärtnerChristian Gärtner ist Mitglied des Vorstands

der Stylepark AG. Das Unternehmen aus Frankfurt stand Audi bei der Konzeption und inhaltlichen Ausrichtung des ersten Audi Urban Future Awards als Partner zur Seite.

Gärtner: Wie viel Infrastruktur ist für die Elektromobilität notwendig?

van Meel: Heute existiert noch keine Lade-Infra struk-tur. Sie wird aber entstehen. Grundsätzlich ist es möglich, das Auto zu Hause zu laden. Parallel dazu treibt Audi den Aufbau von kon-taktlosen Ladesystemen voran, die während des Parkens Strom per Induktion übertragen. Denkbar sind zum Bei spiel Lademöglich-keiten vor Kaufhäusern.

Gärtner: Entstehen dadurch auch neue Businessmodelle?

van Meel: Wir werden unserem Kunden im Zeitalter der Elektromobilität eine ganze Reihe von Services anbieten, die über das reine Fahren hinausgehen. Über digitale Vernet zung ermögli-chen wir ihm eine optimale Lade- und Stre cken planung. Die Vernet-zung mit der Infrastruktur ist wichtig. Dann kann das Naviga tions-system Ladesäulen anzeigen und eine Reservierung ermöglichen.

Gärtner: Wie verändert sich die Rolle des Architekten in der Zukunft?

Mayer H.: Architekt ist ein sehr weites Berufs feld. Die Ausbildung ist eine der wenigen, die universell an Pro bleme heran-führt und Raum in allen Maßstäben und in allen Me dien durch-denkt. Im urbanen Kontext ist gerade die Verbindung zur Mobilität wichtig, denn die Stadt ist ein System, das durch Mobilität lebt.

Gärtner: Was wird die Rolle des Auto mobilherstellers in der Zukunft sein? Werden Automobil‑her steller zu Mobilitätsanbietern?

van Meel: Wie bei den Architekten wird auch bei uns die Komplexität größer. Früher haben wir die Autos klassisch entwi-ckelt und hergestellt. Heute sind vernetztes Denken und Arbeiten wichtiger. Audi wird auch das Thema der regenerativen Stromer-zeugung massiv fördern. Ein Beispiel ist unsere Koope ration mit Desertec für Solarstrom aus der Wüste.

Gärtner: Das heißt, auch unsichtbare Eigenschaften wie die Frage, ob der Strom in meinem Auto aus nachhaltigen Quellen kommt, werden zu Markenwerten.

Mayer H.: Ich denke an weitere Partnerschaften. Ein Netzwerk wäre möglich, das nicht nur das Auto, sondern verschie-dene Formen von Mobilität anbietet. Partner in einem solchen Netzwerk kann neben dem Automobilhersteller die Stadt sein.

Gärtner: Wird das Elektromobil ein globales Konzept sein, oder wird es zu starken Differen‑zierungen kommen?

van Meel: Es gibt jetzt schon nicht das eine Elektro mo bil. Wir arbeiten an verschiedenen Konzepten, vom rein elektrischen Sportwagen bis zum A1 e-tron, der als Elektrofahrzeug mit Range Extender* eher auf Megacities abzielt. Auch Plug-In Hybride sind ein wichtiges Thema. Wir werden unterschiedliche Konzepte an bieten, je nach dem Mobilitätsverhalten im entsprechenden Markt.

Gärtner: Werden das Haus und das Auto eine Kooperation eingehen, als Erzeuger oder Speicher von Energie?

van Meel: Sehr weit gedacht, könnte man die Batterie im Auto als einen großen Kompensator im System des Strom ver-brauchs sehen. Wenn das Auto von acht Uhr abends bis sieben Uhr morgens in der Garage steht und drei Stunden zum Laden braucht, könnte man in der übrigen Zeit die Energie an eine andere Bedarfs-quelle lenken.

Gärtner: Heute ist das Auto eine sehr vertraute Sphäre. In Ihrer Vision, Herr Mayer H., wird sich die Privat sphäre weiter ausdehnen als heute.

Mayer H.: Das reflektiert natürlich die Idee, die wir vom Individuum in der Gesellschaft haben. Jeder kann seine eigene Welt generieren. Das Auto wird Teil dieser Selbstver wirk lichung.

van Meel: Ein kleines Beispiel wäre die Ver netzung der Soundanlagen von Wohnung und Auto. Ich nehme also einen Teil meiner häuslichen Umgebung mit, als würde ich mit meinem Wohn- zimmer losfahren. Das Auto wird wirklich zum integralen Be stand-teil meines Lebens.

Christian Gärtner: Diskutierte mit Franciscus van Meel und Jürgen Mayer H. (v.r.) über die mobile Stadt der Zukunft.

Wenn wir über reine Elektrofahrzeuge reden, reden wir sehr häufig über Megacity Vehicles. Elektroauto und Stadt sind eng miteinander verknüpft. Franciscus van Meel

Mehr zum Audi Urban Future Award. www.dialoge.audi.de

* Siehe Glossar, S. 204 –207

Page 104: Dialoge-Technologiemagazin, Mai 2011

Glossar ACC – adaptive cruise controlDie adaptive cruise control, zu deutsch Adaptive Geschwindigkeitsregulierung, bezeichnet bei Audi einen Abstandsregeltempomat, der mithilfe von Radarsensoren und Kameras die Distanz zu voraus-fahrenden Fahrzeugen automatisch regelt.

AeroakustikDie Aeroakustik befasst sich mit der Messung und Minderung aerodynamisch, also durch Luftströmung erzeugter Geräusche.

Apps Das oder auch die App bezeichnet als Kurzwort den englischen Begriff Application. Dabei handelt es sich um kleine Anwendungsprogramme, etwa für die Verwendung in Smartphones oder Tablet-Computern.

Audi Space Frame Audi Space Frame (ASF) bezeichnet eine hochfeste Aluminium-Rahmenstruktur. Der Einsatz von Aluminium bewirkt eine deutliche Gewichtsreduktion, die den Verbrauch senkt und die Effizienz steigert.

Bluetooth Bluetooth bezeichnet einen Industriestandard für die drahtlose Funkübertragung von Daten zwischen jeweils zwei Bluetooth-fähigen Geräten über kurze Distanz.

By-wire-VerbindungBy-wire bedeutet ins Deutsche übersetzt „per Draht“. Die By-wire-Verbindung bezeichnet ein Kabel, über das etwa die elektronischen Schaltbefehle an die Stell -motoren eines Getriebes gesendet werden, die dort den mechanischen Gangwechsel vornehmen.

Car-to-X-KommunikationUnter Car-to-X-Kommunikation versteht man eine Kommunikationstechnologie, bei der Fahrzeuge über drahtlose Netzwerke miteinander, mit ihren Besit- zern und mit der Verkehrsinfrastruktur kommunizieren können. Davon profitieren die Verbrauchseffizienz und Sicherheit, zudem werden Dienstleistungen wie bargeldloses Tanken möglich.

CFKCFK ist die Abkürzung für „Carbon-faserverstärkter Kunststoff“. Häufig wird auch die englische Abkür-zung CFRP für „Carbon-Fiber-Reinforced Plastic“ für diesen Werkstoff verwendet, bei dem Kohlenstoff-fasern in mehreren Lagen zur Verstärkung in einen Kunststoff eingebettet werden.

CO₂-SubstitutionDie CO₂-Substitution bezeichnet bei der Produktion anorganischer Substanzen den Ersatz von CO₂ aus fossilen oder mineralischen Quellen durch CO₂, das aus erneuerbaren Ressourcen stammt.

ComputertomographieDie Computertomographie (CT) ist ein bildgebendes Verfahren, bei dem mithilfe von aus verschiedenen Richtungen aufgenommenen Röntgenaufnahmen com-putergestützt Schnittbilder von dreidimensiona len Objekten berechnet werden. Sie findet vor allem An -wendung in der Medizin. Im Automobilbau dient sie der zerstörungsfreien Analyse von komplexen Bauteilen.

Google POI Voice SearchGoogle POI Voice Search bezeichnet eine Funktion, mit der sich bei der Navigation im Auto so genannte „Google Points Of Interest (POI)“ in der näheren Um gebung sprachgesteuert abfragen lassen. Als Da ten grundlage dienen die in der Software Google Maps enthaltenen POIs.

Hohlspiegel-MikrofonEin Hohlspiegel-Mikrofon dient der Lokalisation von Geräuschen. Das Mikrofon nimmt, vergleichbar mit der Empfangsfunktion einer parabolen Antenne, im Zentrum des Hohlspiegels eingebaut, die Geräusche auf.

KunstkopfDer Kunstkopf ist ein dem menschlichen Kopf nach-gebildetes Gerät für spezielle Tonaufnahme tech-niken. Mithilfe von zwei in den künstlichen Ohren des Kunstkopfes platzierten Mikrofonen lassen sich Tonaufnahmen erstellen, welche eine dem mensch-lichen Gehör ähnliche Richtungslokalisation von Schallereignissen vermitteln.

Laser-Sinter-VerfahrenDas Laser-Sinter-Verfahren ist eine Methode, mit der sich durch schichtweises Sintern von pulverförmi- gen Ausgangsstoffen komplizierte dreidimensionale Strukturen von Werkstücken auf der Grundlage von CAD-Konstruktionsdaten erzeugen lassen, etwa für das Rapid Prototyping (siehe dort).

LED-ArrayLED-Array bezeichnet mehrere Gruppen von Leucht dioden, die, in Reihe und parallel zusammmen-geschaltet, ein so genanntes Array ergeben.

MatrixbeamDer LED-Matrixbeam bezeichnet bei Audi einen intel-ligenten Scheinwerfer. Er schaltet partiell Dioden bei Gegenlicht aus, um andere Verkehrsteilnehmer nicht zu blenden. Die Fahrbahn wird jedoch weiter ausgeleuchtet.

MetamerieMetamerie bezeichnet in der Optik das Phänomen, dass ein farbiges Objekt beim Betrachten unter Lichtquellen mit unterschiedlichen Lichtspektren ver-schiedene Farbeindrücke hervorrufen kann.

MMIMMI ist die Abkürzung für „Multi Media Interface“ und bezeichnet bei Audi eine Einrichtung, welche die Bedienung aller Infotainmentkomponenten in einem Anzeige- und Bediensystem und die einfache, schnelle und intuitive Nutzung einer Vielzahl von Funktionen und Technologien ermöglicht.

OLED-TechnologieDie Abkürzung OLED steht für den englischen Begriff „Organic Light Emitting Diode“. Er bezeichnet ein dünnschichtiges Leuchtelement, das im Gegensatz zu herkömmlichen LEDs ein organisches, halbleitendes Material enthält. Die Materialcharakteristik ermög licht den Bau flächiger und biegsamer Leucht elemente.

DownsizingDownsizing bezeichnet im Automobilbau die Ver klei-nerung des Hubraums eines Motors, der durch effi-zienzsteigernde Maßnahmen danach vergleichbar viel Leistung bringt wie ein Motor mit größerem Hubraum.

DownspeedingUnter Downspeeding versteht Audi das Verlängern der Getriebe- beziehungsweise Achsübersetzungen. Dadurch läuft der Motor mit niedrigeren Drehzahlen und geringerem Verbrauch.

3D-ErkennungDie 3D-Erkennung bezeichnet ein Verfahren, das mit-hilfe von Kameras, auch Laserscannern oder PMD-Sensoren die Lage und Position von dreidimensionalen Objekten im Raum erkennt und erfasst.

e-PerformanceDer Begriff bezeichnet bei Audi das Projekthaus e-Performance, in dem interdisziplinär ein integriertes Konzept für elektrische Antriebe im Automobil ent-wickelt wird. Im gleichnamigen Forschungsprojekt e-Performance, gefördert vom Bundesforschungs-ministerium, arbeitet ein Team aus Entwicklern der AUDI AG und Wissenschaftlern verschiedener Hoch-schulen an der Entwicklung eines neuen Gesamt-konzepts für Elektro-Fahrzeuge, von der Karosserie über die Batterie bis hin zur Leistungselektronik.

Faserverbund-KunststoffeFaserverbund-Kunststoffe sind Werkstoffe, bei denen Fasern, beispielsweise Kohlenstofffasern, in meh-reren Lagen zur Verstärkung in einen Kunststoff ein-gebettet werden.

FrequenzanalysatorDer Frequenzanalysator ist ein elektronisches Gerät zur Messung und Darstellung der in einem Ton - signal enthaltenen Frequenzen, beispielsweise zur Analyse von elektrischen Tonsignalen aus Ton-wiedergabegeräten.

Google EarthGoogle Earth ist eine Software des Internetkonzerns Google, mit der ein virtueller Globus dargestellt wird. Dabei werden Satellitenbilder der Erde verwen-det, die mit großer Detailschärfe ein reales Bild der Erdoberfläche zeigen. Diese Bilder können auch in die Umgebungsdarstellung auf dem Bildschirm eines Navigationsgerätes eingebunden werden.

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Page 105: Dialoge-Technologiemagazin, Mai 2011

Plug-in-HybridAls Plug-in-Hybrid (PHEV) bezeichnet man ein Fahr-zeug mit Hybridantrieb, bei dem die Batterie auch extern mit einem Netzstecker (Plug-in) über das Strom-netz aufgeladen werden kann.

PowerwallPowerwall bezeichnet eine Einrichtung zur Darstel-lung computergenerierter, virtueller Realität in Echtzeit. Zur Erzeugung eines räumlichen Eindrucks werden auf einer Rückprojektionswand zwei Bilder aus unterschiedlichen Perspektiven erzeugt und dar-gestellt, auch Stereoprojektion genannt.

PsychoakustikDie Psychoakustik bezeichnet einen Teilbereich der so genannten Psychophysik. Sie befasst sich mit dem Zusammenhang zwischen der Schallwelle als objektiv-physikalischem Reiz und den Eindrücken, die Schallwellen beim Hörenden hervorrufen, wie etwa die Tonhöhe oder Klangfarbe.

QualitätsmanagementAls Qualitätsmanagement bezeichnet man Maßnah-men des Managements, die auf der Grundlage standardisierter Verfahren der Verbesserung von Produkten oder Dienstleistungen dienen.

Range ExtenderRange Extender, zu deutsch Reichweitenverlängerer, sind Aggregate, welche die Reichweite eines Elek-trofahrzeugs erhöhen. Dabei treibt ein Verbrennungs-motor als Range Extender einen Generator an, der einen Akku und den Elektromotor mit Strom versorgt.

Rapid PrototypingRapid Prototyping, zu deutsch schneller Proto typen-bau, bezeichnet unterschiedlichste Verfahren, mit denen sich direkt aus CAD-Konstruktionsdaten Proto-typen von Bauteilen herstellen lassen.

Rasterelektronenmikroskopie Die Rasterelektronenmikroskopie ist ein mikrosko-pisches Verfahren, das durch die zeilenweise Abtas tung (Rasterung) einer Oberfläche mit einem Elektronen-strahl ein Bild erzeugt. Die Wechselwirkung der Elektronen mit der Oberfläche liefert Informationen über deren Beschaffenheit, die auf einem Röhren-bildschirm parallel zur Rasterung als Bild mit hoher Schärfentiefe dargestellt werden. Der maximale Vergrößerungsfaktor liegt bei etwa 900.000 zu 1.

RaumklangRaumklang bezeichnet den räumlichen Klang ein druck bei Tonaufnahmen mit zwei oder mehreren Ton-kanälen. Die Stereophonie, die Quadrophonie und der Surround-Sound sind Verfahren zur Aufnahme und Wiedergabe des Raumklangs.

Well-to-wheelWell-to-wheel, zu deutsch „von der Quelle bis zum Rad“, bezeichnet die Untersuchung des gesamten Prozesses der Herstellung und Verwendung von Kraftstoffen, von der Ölquelle bis zur Kraftübertra gung auf die Räder eines Fahrzeugs. Well-to-wheel-Analysen dienen der Bemessung des erforderlichen Gesamtenergieverbrauchs und der damit verbun-denen CO₂-Emissionen, etwa zur Erstellung der Um -weltbilanz eines Autos.

WLANWLAN ist die Abkürzung für Wireless Local Area Network, zu deutsch „drahtloses lokales Netzwerk“. Dabei handelt es sich um ein lokales Funknetz, in dem beispielsweise Internet-fähige Computer oder Telefone drahtlos über eine Funkverbindung ins Internet gelangen können.

RekuperationRekuperation bedeutet die Nutzung der Bewegungs-energie beim Verzögern. In Schub- und Bremsphasen wandelt der Generator die kinetische in elektrische Energie um, sie wird in der Batterie zwischengespei-chert. Die Rekuperation senkt den Verbrauch bei Verbrennungsmotoren und ist ein wichtiger Baustein bei allen Hybrid- und Elektro-Antrieben.

SeitenlinienorganDas Seitenlinienorgan ist ein Sinnesorgan für Bewe-gungsreize, das sich bei fast allen Fischen und einigen Amphibien findet. Das Organ besteht aus reihenartig angeordneten Poren auf den Seitenflanken des Fisches, die in mit einer gallertartigen Flüssigkeit gefüllte Kanäle unter der Haut münden. Trifft eine Wasser-druckwelle als Bewegungsreiz auf die Poren, wie etwa durch den Flossenschlag eines nebenschwimmen-den Fisches verursacht, wird die Gallertflüssigkeit in eine Schwingung versetzt, die wiederum einen Ner-venreiz am Ende des Kanals unter der Haut auslöst, der ans Gehirn weitergeleitet wird. So kann der Fisch unmittelbar auf Bewegungen in seiner Umgebung reagieren und sich dem Schwarmverhalten anpassen.

SimTD (Sichere und intelligente Mobilität Testfeld Deutschland)SimTD bezeichnet ein Forschungsprojekt, das sich mit der Erforschung und Erprobung der Car-to-X-Kommunikation (siehe dort) und ihrer Anwendungen für die sichere und intelligente Mobilität der Zukunft befasst.

SkypeSkype ist ein Programm, welches das kostenlose Telefonieren, das Chatten und den Austausch von Videos zwischen Skype-Anwendern über das Inter -net ermöglicht.

TCNGTCNG ist das Kürzel für die künftige Generation Autos von Audi, die das regenerativ produzierte e-gas als Kraftstoff nutzen werden. Der Begriff lehnt sich an das Kürzel CNG (Compressed natural gas) an, mit dem fossiles Erdgas bezeichnet wird.

TMCTMC ist die Abkürzung für „Traffic Message Channel“. Dabei handelt es sich um einen Radiodienst, der über Verkehrsbeeinträchtigungen informiert.

Torque-VectoringTorque-Vectoring meint die Verteilung der Antriebs-kräfte auf die Räder. Bei vielen Audi-Modellen mit quattro-Antrieb läuft diese Funktion über das Sport-differenzial. Bei schneller Kurvenfahrt werden die Motormomente gezielt zwischen den Hinterrädern verschoben, um das Handling zu verbessern.

UMTSUMTS ist die Abkürzung für den englischen Begriff „Universal Mobile Telecommunications System“. Er bezeichnet einen Standard für die Datenüber tra-gung im Mobilfunk.

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Page 106: Dialoge-Technologiemagazin, Mai 2011

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Impressum

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Verantwortlich für den Inhalt:Toni Melfi,Leiter Kommunikation,I/GP

Redaktion und Organisation:Agnes HappichLisa Füting

Konzept und Realisation:Hermann Reil

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Autoren:Andreas FingasLisa FütingMelanie GoldmannChristian Günthner Ina HämmerlingAgnes HappichThomas ImhofLena KieningJohannes KöblerChristine MaukelLuise NiemschHermann ReilJulio SchubackDaniel SchusterLeonie ThimBernhard UbbenhorstThomas Voigt

Fotografie:Myrzik und JarischBernhard Spöttel

Illustrationen:Steven PopeOliver KentnerCedric Kiefer

Postproduktion:Martin Tervoort

Ausstattung:Roland LustigKlaus Stark

Druck:HEIDENREICH PRINT

Page 107: Dialoge-Technologiemagazin, Mai 2011

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