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(Institut fiir Krebsforschung, Buenos-Aires. - - Direktor: Prof. Dr. A. H..BoHo.) Die cytolytisehe Akfion des Selenium und seiner Verbindungen. Yon Dr. A. H. Roifo und Dr. L. M. Correa. (Eingegangen am 2. Januar 1926.) Die dutch die Arbeiten Gossios bekannt gewordene Eigenschaft des Chemietropismus, welche das Selenium auf die neoplasische ZeUe be- sitzt, hat ein eifriges Studiun~ dcsselben hervorgcrufen, haupts~chlich zwecks besserer Kenntnis der spezifischen Aktion auf die Krebszelle. Bei den beim Menschen unternommenen therapeutischen Versuchen wurden jedoch keine konkreten Resultate erzielt. In diesem Sinne wurde das Metalloid in verschiedener Art angewandt, als kolloidales Selenium, in Sa]zen als Anion S03--S04 und in verschiede- nen organischen Zusammensetzungen, sowohl in Ubereinstimmung mit den Valenzverimderungen, welehe das Metalloid erfahren kann, als auch in Form einer Zusammensetzung yon Adsorption mit den Koloranten. In dieser Arbeit werden wir uns mit den biochemischen Eigenschaften befassen, und zwar mit einer seiner organisehen Verbindungen, dem Kaliumseleniumcyanid und dem Rubidiumseleniumeyanid. Urn die Wirkungen dieser Verbindungen auf das Gewebe zu studieren, fingen wit an, die Aktion zu erforsehen, welche sie auf die in vitro isolier- ten Zellen ~usiiben, auf die neoplasischen sowohl als auch auf die norma- len. Hierzu bedienten wit uns der yon Freund und Kaminer beim Stu- dium der cytolitischen Aktion der Seren angewandten Technik. Man nimmt unter Beobachtung strengster Asepsie frische Gesehwulststfieke oder solche feingeschnittener Organe, welche man zu Brei zcrldeinert. Die Brei- masse wird solange dutch Zentrifugieren gewaschen, bis die oben schwimmende LSsung transparent ist. Man filtriert dann dutch Gaze und erh~lt auf dicse Weise eine Suspension yon in physiologischer L(isung gut isolierten Zellen. In kleine Reagensgl~er fiillt man nun 10 Tropfen Zellenemulsion mit einer Quantit~t Zellen, welche je nach der Konzentration verschieden ist. :Die Zahl derselben mug je- doeh durch eine vorhergehende Berechnung festgestellt werden. Man bestimmt den Inhalt der Reagensgl~ser durch den Blutk6rperz~ihlapparat, stellt sie in den Ofen, und durch eine neue Z~hlung bestimmt man den Prozentsatz der Zersetzung. Nachstehend die erhaltenen Resultate bei Anwendung ~tquimolekularer L6sungen mit dem SeO4K, .. Um die erhaltenen Resultate vergleiehen zu k6nnen, mu$ten wir Verdiinnungen von fiber 1 : 500 herstellen, denn konzentriertere Verdiinnungen, z. B. solche von l:100, rufen sowohl bei den normalen wie bei den neoplasisehen Zellen tief- gehende Ver~nderungen hervor. Als Gewebe zum Anstellen yon Versuchen nahmen wir ftir die neoplasischen Zellen das Spindelzellensarkom der l~atte und fiir die

Die cytolytische Aktion des Selenium und seiner Verbindungen

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Page 1: Die cytolytische Aktion des Selenium und seiner Verbindungen

(Institut fiir Krebsforschung, Buenos-Aires. - - Direktor: Prof. Dr. A. H..BoHo.)

Die c y t o l y t i s e h e A k f i o n des S e l e n i u m u n d se ine r V e r b i n d u n g e n .

Yon Dr. A. H. Roifo und Dr. L. M. Correa.

(Eingegangen am 2. Januar 1926.)

Die dutch die Arbeiten Gossios bekannt gewordene Eigenschaft des Chemietropismus, welche das Selenium auf die neoplasische ZeUe be- sitzt, hat ein eifriges Studiun~ dcsselben hervorgcrufen, haupts~chlich zwecks besserer Kenntnis der spezifischen Aktion auf die Krebszelle. Bei den beim Menschen unternommenen therapeutischen Versuchen wurden jedoch keine konkreten Resultate erzielt.

In diesem Sinne wurde das Metalloid in verschiedener Art angewandt, als kolloidales Selenium, in Sa]zen als Anion S03--S04 und in verschiede- nen organischen Zusammensetzungen, sowohl in Ubereinstimmung mit den Valenzverimderungen, welehe das Metalloid erfahren kann, als auch in Form einer Zusammensetzung yon Adsorption mit den Koloranten.

In dieser Arbeit werden wir uns mit den biochemischen Eigenschaften befassen, und zwar mit einer seiner organisehen Verbindungen, dem Kaliumseleniumcyanid und dem Rubidiumseleniumeyanid.

Urn die Wirkungen dieser Verbindungen auf das Gewebe zu studieren, fingen wit an, die Aktion zu erforsehen, welche sie auf die in vitro isolier- ten Zellen ~usiiben, auf die neoplasischen sowohl als auch auf die norma- len. Hierzu bedienten wit uns der yon Freund und Kaminer beim Stu- dium der cytolitischen Aktion der Seren angewandten Technik.

Man nimmt unter Beobachtung strengster Asepsie frische Gesehwulststfieke oder solche feingeschnittener Organe, welche man zu Brei zcrldeinert. Die Brei- masse wird solange dutch Zentrifugieren gewaschen, bis die oben schwimmende LSsung transparent ist. Man filtriert dann dutch Gaze und erh~lt auf dicse Weise eine Suspension yon in physiologischer L(isung gut isolierten Zellen. In kleine Reagensgl~er fiillt man nun 10 Tropfen Zellenemulsion mit einer Quantit~t Zellen, welche je nach der Konzentration verschieden ist. :Die Zahl derselben mug je- doeh durch eine vorhergehende Berechnung festgestellt werden. Man bestimmt den Inhalt der Reagensgl~ser durch den Blutk6rperz~ihlapparat, stellt sie in den Ofen, und durch eine neue Z~hlung bestimmt man den Prozentsatz der Zersetzung.

Nachstehend die erhaltenen Resultate bei Anwendung ~tquimolekularer L6sungen mit dem SeO4K, ..

Um die erhaltenen Resultate vergleiehen zu k6nnen, mu$ten wir Verdiinnungen von fiber 1 : 500 herstellen, denn konzentriertere Verdiinnungen, z. B. solche von l:100, rufen sowohl bei den normalen wie bei den neoplasisehen Zellen tief- gehende Ver~nderungen hervor.

Als Gewebe zum Anstellen yon Versuchen nahmen wir ftir die neoplasischen Zellen das Spindelzellensarkom der l~atte und fiir die

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n o r m a l e n die Ra t t en l ebe r . Das S a r k o m ist h ierbei dem Carc inom vor- zuziehen, well das le tz te re f r i ihzei t ig Zonen von Erwe ichung mi t da rauf - fo lgenden Ze l l enver~nderungen bi ldet , welche die Resu l t a t e beeinflussen. Dagegen erhi~lt m a n mi t dem 10- -15 Tage a l ten Sa rkom ein kompak tes , homogenes Gewebe, welches ausgeze ichnete Zel lenemuls ionen ergibt .

Die auflOsende Eigenschaf t , welche das Selenium gegeni iber den neoplas i schen Zellen h a t und welche e inwandfre i im exper imente l l en K r e b s naehgewiesen wurde , wiede rho l t sich in v i t ro , wie f r i iher an- geste l l te Versuehe gezeigt haben . I n e iner solchen f r i iheren A r b e i t h a b e n wir bei den Se len ia ten in ih ren anorgan ischen Verb indungen eine E l e k t i v i t ~ t beobaeh te t , welche sieh in den vo r s t ehenden :Versuchen bei d e n organ ischen Zusammense t zungen wiederhol t .

Reagens- glas ihTe ~ ]l Zellen l~ormale Zellen Ii (Leber)

vorher .21 St. Sl0ater vorher .24 St. spater I~rr.

AuflSsungsprozentsatz

neopl. Zellen I normale Z'ellen

1 2 3 4 5

I. Affuimolekulare L58ung von SeCNK, 1:500,

48 14 17 10 51 16 19 11 50 18 20 12 55 20 15 8 49 18 18 9

Durchschnitt

~quimoleku~re LSsunfvon SeCNK, 1.'1000,

54 26 18 14 56 19 2 1 15 57 20 20 14 53 23 19 ]4 51 I7 17 13

Durchschnitt

mit SeO4K~.

70,83 68,62 64,00 63,63 63,26

66,14 i

mit SeO4K~.

51,85 66,07 64,91 56,60 66,66

61,21 I

II. ~quimolebu~re L6sungvon SeC2VRb, 1.'500, mit

50 4 17 8 54 6 18 8 53 5 19 10 56 6 21 10 51 4 17 8

Durchschnitt

~quimolekulare LSsung yon SeCNRb, 1:1000,

53 8 19 14 48 7 21 15 49 8 18 13 46 6 17 12 47 6 15 12

Durchschnitt

SeO4K2.

92,00 88,88 90,56 89,28 92,15

90,57

mit SeOaK2.

84,90 85,41 83,67 86,95 87,22

85,63

41,17 46,36 45,00 46,66 50,00

46,03

22,22 28,57 30,00 26,31 29,41

27,30

50,00 55,55 47,36 52,38 52,92

51,64

27,36 28,57 27,77 29,41 20,00

26,62

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Die Bedeutung, welche diese Aktion auf die Zelle hat, wird dureh die Toxizit~t herabgemindert . Diese ist sehr grol~ im Verh~ltnis zur Dosis, welche in vivo angewandt werden muB, um deutliche Resultate zu er- halten. Wir haben daher zwei K6rper unter •nderung des Kat ion her- gestellt, welche korrelative Resultate beziiglich der Toxizit~t aufwiesen und mit denselben oder noch ausgesprocheneren Wirkungen auf die Zelle.

Wir meinen hierbei das SeCNK und das SeCNRb, deren Toxizit~t laut unseren Messungen unter Anwendung ~quimolekularer L6sungen die folgende is~:

Bei dem Meerschweinchen: SeCNK = 0,00052 g je 100 g Tiergewieh~ SeCNRb = 0,00258 g ,, 100 g ,,

Somit ist die letztere Zusammensetzung fiinfmal weniger toxisch. Andererseits sind die Resultate mi~ denjenigen vergleiehbar; welche wir mit den anorganischen Verbindungen yon SeOcK 2 und SeO4Rb2 erhielten. Die Resultate beim Meersehweinchen sind folgende:

SeO4K, = 0,008~ je 100 g Tiergewicht SeO4Rb ~ = 0,010% ,, 100 g ,,

d .h . , dab das SeO4Rb 2 12,5 mal weniger toxisch ist. Man lernt daraus, da~ die Toxizit~t in diesen Zusammensetzungen yon dem Kat ion ab- h~ngt, denn das Se t r i t t in diese Verbindungen in immer gleichbleibender Menge ein. Ira Einklang mit dieser Aktion, die fiberdies beim Studium der pharmakodynamischen Wirkungen zwei gut vergleichbarer Salze, wie das C1K und das C1Rb, s wurde, haben wir gesehen, dab das erstere eine Wirkung auf das Herz ausiibt, welehe intensiver und raseher ist, bei einer grS~eren Beharrlichkeit der hervorgerufenen Ver~nderungen. Denselben Charakter haben die Resultate, welche wir beim Studium dieser Aktion auf den Blutdruck erhielten. U m diesen herabzusetzen, ben6tigt man eine grS~ere Dosis C1Rb, welche zwisehen 0,043 und 0,048 je Ki logramm Tiergewich~ schwank~, w~hrend fiir das C1K eine mittlere Dosis yon 0,022--0,026 je Ki logramm geniigt.

Uberblieken wir nun die Vergleichsziffern der 1)rozentue]len Zellen- auflSsung, so bemerken wir, da~ diese bei den neoplasisehen Zellen immer gr6Ber als bei den normalen ist. Sie ist indessen viel gr6~er, wenn man das SeCNRb einwirken ] ~ , was man den naehfolgenden Ziffern ent- nehmen kann. Durchschnit t yon 5 Zellnumerationen:

L6sungen Aufl~sung der neoplas. Zellen AuflSsung der no~malen Zellen

SeCNK 1:1000 66,21 27,60 SeCNRb 1 : 1000 85,62 26,62

Somit besteht bei dem SeCNI~b eine Aufl6sung zugunsten der neo- plasischen Zelle yon 33,91%, vrelcher Prozentsatz auf 59,01 beim SeCNRb ansteigt.