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(Aus der Irrenanstalt Miinsingen b. Bern.) Die Dauernarkose mit fliissigem Dial bei Psychosen, spezieli bei manisch-depressivem Irresein. Von Dr. Max Miiller. Mit 4 Textabbildungen. (Eingegangen am 5. Dezember 1926.) In meiner Arbeit ,,Die Dauernarkose mit Somnifen in der Psych- iatrie ''1) versuchte ich vor 2 Jahren, einen ~Tberblick fiber die bisherigen Erfahrungen der Dauerschlafbehandlung zu geben. Eine kritische Durchsicht der Literatur und eigene Erfahrungen best/~tigten die von verschiedenen Autoren betonte Gef/ihrlichkeit der Somnifenkur, nament- lich in Hinblick auf die schweren Komplikationen und die relativ hohe Mortalit/~t (5%). Es mu•te deshalb im Anschlul~ an Werner2), Moser3), Malachowski4), Gundert 5) und M6llenho]/6) der Wunsch nach einem gefahrloseren Hypnotikum zur Erzeugung des Dauerschlafes aus- gesprochen werden. Ferner ergab eine Zusammenstellung des gesamten damals publi- zierten Materials (310 F/~lle) eine wesentliche Modifikation der ursprfing- lich von Kldisi 7) aufgestellten Indikationen. Kldsi hatte sich auf die Behandlung yon Schizophrenen beschr/~nkt und dabei schizophrene Aufregungszust/~nde, negativistische Abkehrungen und Einkapselungen, 1) M. Mi~ller, Die Dauernarkose mit Somnifen in der Psyehia~rie. Ein t)ber- blick. Diese Zeitsehr. 96, H. 4/5. 1925. 2) j. Werner, Somnifen in der Psyehiatrie und internen Medizin. Dtsch. reed. Wochenschr. 1923, H. 9. 3) Moser, Zur Sehizophreniebehandlung mit Somnifendauernarkose. Dtsch. med. Woehensehr. 1923, H. 27. 4) R. Malachowski, Klin. Wochenschr. 1924, Nr. 10. 5) Gundert, H., Erfahrungen mit Somnifen in der Psyehiatrie. Allg. Zeitschr. f. Psychiatrie u. psych.-geriehtl. Med. 1924, H. 1/2. 8) M6llendor/F., l)ber Gefahren bei Somnifenbehandlung. Klin. Wochenschr. 1924, H. 26. ~) J. Kliisi, Uber die therapeutisehe Anwendung des Dauerschlafes mittels Somnifen bei Sehizophrenen. Diese Zeitsehr. 74, H. 4/5. 1922.

Die Dauernarkose mit flüssigem Dial bei Psychosen, speziell bei manisch-depressivem Irresein

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Page 1: Die Dauernarkose mit flüssigem Dial bei Psychosen, speziell bei manisch-depressivem Irresein

(Aus der Irrenanstalt Miinsingen b. Bern.)

Die Dauernarkose mit fliissigem Dial bei Psychosen, spezieli bei manisch-depressivem Irresein.

Von Dr. Max Miiller.

Mit 4 Textabbildungen.

(Eingegangen am 5. Dezember 1926.)

In meiner Arbeit ,,Die Dauernarkose mit Somnifen in der Psych- iatrie ''1) versuchte ich vor 2 Jahren, einen ~Tberblick fiber die bisherigen Erfahrungen der Dauerschlafbehandlung zu geben. Eine kritische Durchsicht der Literatur und eigene Erfahrungen best/~tigten die von verschiedenen Autoren betonte Gef/ihrlichkeit der Somnifenkur, nament- lich in Hinblick auf die schweren Komplikat ionen und die relativ hohe Mortalit/~t (5%). Es mu•te deshalb im Anschlul~ an Werner2), Moser3), Malachowski4), Gundert 5) und M6llenho]/6) der Wunsch nach einem gefahrloseren Hypnot ikum zur Erzeugung des Dauerschlafes aus- gesprochen werden.

Ferner ergab eine Zusammenstellung des gesamten damals publi- zierten Materials (310 F/~lle) eine wesentliche Modifikation der ursprfing- lich von Kldisi 7) aufgestellten Indikationen. Kldsi hat te sich auf die Behandlung yon Schizophrenen beschr/~nkt und dabei schizophrene Aufregungszust/~nde, negativistische Abkehrungen und Einkapselungen,

1) M. Mi~ller, Die Dauernarkose mit Somnifen in der Psyehia~rie. Ein t)ber- blick. Diese Zeitsehr. 96, H. 4/5. 1925.

2) j . Werner, Somnifen in der Psyehiatrie und internen Medizin. Dtsch. reed. Wochenschr. 1923, H. 9.

3) Moser, Zur Sehizophreniebehandlung mit Somnifendauernarkose. Dtsch. med. Woehensehr. 1923, H. 27.

4) R. Malachowski, Klin. Wochenschr. 1924, Nr. 10. 5) Gundert, H., Erfahrungen mit Somnifen in der Psyehiatrie. Allg. Zeitschr.

f. Psychiatrie u. psych.-geriehtl. Med. 1924, H. 1/2. 8) M6llendor/F., l)ber Gefahren bei Somnifenbehandlung. Klin. Wochenschr.

1924, H. 26. ~) J. Kliisi, Uber die therapeutisehe Anwendung des Dauerschlafes mittels

Somnifen bei Sehizophrenen. Diese Zeitsehr. 74, H. 4/5. 1922.

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M. Mtiller: Die Dauernarkose mit fltissigem Dial bei Psychosen. 523

Stereotypien und akute halluzinatorisehe Sehfibe als besonders geeignet bezeichnet. Durch die Nachpriifung konnte jedoeh allgemein nur die relative Eignung agitierter schizophrener Aufregungszust/s be- st/~tigt werden. Daffir muBte ich das Hauptgewicht auf die Behandlung einzelner Phasen des inzwischen neu in den Kreis der Untersuchung einbezogenen manisch-depressiven Irreseins (Wylerl), Hoven~), Stuur- manna), Sacristan und Pinto4), Gans 5) u.a.) sowie der F/~lle mit zykli- schen Sehwankungen innerhalb der Schizophrenie verlegen. Besonders deutlich ergibt sieh diese Versehiebung der Indikationsstellung aus einem prozentualen Uberblick fiber die refrakt/~ren F/~lle: W/~hrend bei 64% der negativistisch-stuporSsen Sehizophrenen und bei 61% der Paranoiden und Hebephrenen unter vorsichtigster Einsch/~tzung und Mitberiieksichtigung auch nur voriibergehender Erfolge die Be- handlung vSllig wirkungslos geblieben war, sanken die entsprechenden Werte bei akuten schizophrenen Agitationen auf 47%, bei manisch- depressiven Formen der Sehizophrenie auf 21% und bei rein manisch- depressiven Phasen sogar auf 14,5%.

Als ieh deshalb bald darauf an die Versuche mit flfissigem Dial herantrat, ergab sich eine doppelte Fragestellung: Einmal die Prfifung, wieweit Dial geeignet war, den Dauerschlaf zu erzeugen und evtl. an die Stelle des gef/~hrlichen Somnifens zu treten. I n zweiter Linie sollte die Tragf/~higkeit der neuen Indikationsstellung auf manisch-depressive Phasen und schizophrene Aufregungszust/~nde untersucht werden. Von diesem letzteren Gesichtspunkte aus lieB sieh das gesamte behandelte Material - - 54 Kuren an 33 F/s (14 M/~nner, 19 Frauen) - - in zwei Gruppen einteilen. Bei den als ,,nicht indiziert" bezeichneten F/~llen (5 M/~nner, 6 Frauen) handelte es sich zum grSBten Teil um schizo- phrene Endzust/s die zur Priifung des Medikamentes und zur Ausarbeitung der Technik dienten. Aul~erdem wurden einige wenige F/~lle akuter oder chronischer Schizophrenie, die den urspriingliehen Kldisi- sehen Indikationen entspraehen, der Behandlung unterworfen. Die ,,indizierten Fdlle" (9 M/~nner, 13 Frauen) sind nach den oben an- gefiihrten Richtlinien ausgew/~hlt.

1) j . Wffler, Weitere Erfahrungen mit Somnifen in der Psychiatrie. Diesc Zeitschr. 94, H. 1. 1924.

2) H. Hoven, Sur un nouvel hypnotique: Le somnif6ne. Communication la soc. m6d. ment. M/~rz 1923.

3) F. J. Stuurmann, Die Behandlung yon Geisteskranken mit einer Somnifen- kur. Nederlandsch tijdschr, v. geneesk. 1924, H. 10.

4) j . Sacristan und J. Pinto, Die Dauernarkose yon Kl~si bei manisch-de- pressivem Irresein. Diese Zeitschr. 91, H. 3/5. 1924.

5) A. Gans, De Somnifenkuur van Kl~si met gunstig gefolg toegepast bij een vrouw, lijdende a~n melancholia agitata, Nederlandsch tijdschr, v. geneesk 1924, Nr. 11.

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524 M. Miiller : Die Dauernarkosc

A. Technik.

Dial (Diallylbarbiturs~ure) wird v o n d e r Gesellschaft fiir chemische Industrie in Basel hergestellt und erfreut sich schon seit Jahren als Schlafmittel in Tablet tenform groBer Beliebtheit [FrShlichl), Hubbard'), Mayer3), Stern4), Juliusburger 5) u .a . ) . Erst seit kurzem ist es ge- lungen, das Medikament auch in flfissiger Form herzustetlen und mit der MSglichkeit der parenteralen Applikation sein Anwendungsgebiet namentlich in der psychiatrischen Klinik wesentlich zu erweitern. Es wird in Ampullen zu 2 ccm geliefert (1 ccm ----- 0,1 g Dial) und kann subcutan, intramuskul~r und intravenSs injiziert werden. Ffir meine Versuche wurden mir yon der Firma grSBere Mengen des Medikamentes bereitwillig zur Verffigung gestellt, ebenso verdanke ich ihr die Ein- sicht in einen Tell der mir sonst nicht zug~nglichen Literatur.

Schon bei den ersten Versuchen zeigte sich, dab speziell bei M~nnern mit den fiblichen therapeutischen Dosen ein Dauerschlaf nicht ein- geleitet werden konnte; selbst bei intraven6ser Applikation mui3te die v o n d e r Firma angegebene maximale Tagesgabe von 0,5 g meist fiber- schritten werden. Diese (3berdosierung erschien zun~ehst bedenklieh. Eine Durchsieht der Literatur ergab aber, dab bei zahlreiehen suicidalen Dialvergiftungen die Einnahme der 10--25faehen therapeutischen Dosis lediglich einen mehrt~gigen Schlaf zur Folge hatte [G. Biclcel und S. Katzenelbogen~)]. Ferner hat te de Vera 7) in 2 Fgllen innerhalb weniger Stunden 1,0g Dial ohne jeden Nachteil parenteral gegeben, ebenso Christo/]el s) per os bis zu 0,9 g in 24 Stunden. Die naehfolgenden Ver- suche gaben diesen Erw~gungen insofern recht, als schwerere Kom- plikationen mit wenigen Ausnahmen ausblieben und kein Todesfatl vorkam. Immerhin fehlten leichtere Nebenerscheinungen fast bei keiner Kur. Besonders h~iufig t ra t wie beim Somnifen Fieber auf, allerdings nur 8real fiber 38,0. Meist fehlte ein objektiver Organbefund, so dab eine zentrale Beeinflussung des Temperaturzentrums angenommen

1) E. Fr6hlich, t3ber ein neues Schlafmittel, das Dial-Ciba. Therapie d. Gegenw. 1914.

3) R. Y. Hubbard, Promising results with a new hypnotic. The American Physician 1925.

3) F. Mayer, Beitrag zur Wirkung eines neuen Sehlafmittels, des Dial-Ciba. Neurol. Centralbl. 1914, Nr. 9.

4) F. Stern, Erfahrungen mit dem neuen Schlaf- und Beruhigungsmittel Dial- Ciba. Berl. klin. Woehenschr. 1914, Nr. 27.

~) O. Juliusburger, Dial-Ciba, ein neues Sedativum und Hypnoticum. BerL klin. Wochenschr. 1914, Nr. 14.

6) G. Bickel und S. Katzenelbogen, Uber Intoxikationserscheinungen nach Dial-Uberdosierungen. Bull. G6n6ral de Th6rapeutique 175, Nr. 7. 1924.

~) R. de Vera, Del Dial soluble y de sus propedades. Publikation der Ciba Sociedad Anonime de Productos Quimicos Barcelona.

8) H. Christo]/el, Dial-Ciba und Dialcibismus. Diese Zeitschr. 43, H. 1/2. 1918.

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mR fliissigem Dial bei Psychosen, speziell bei manisch-depressivem Irresein. 525

werden mul~te. Ein Abbruch der Kur erfolgte nur dann, wenn, was allerdings sehr selten der Fall war, eine infektiSse Genese (klinisch nicht nachweisbarer Herd yon hypostatischer Pneumonie) vermutet werden durfte. Zur Beurteilung dieser oft recht heiklen Frage leistete die Bestimmung der BlutkSrperchensenkungsgeschwindigkeit gute Dienste. Vorversuche ergaben, dab die Senkungsreaktion durch die Dialkur als solche nicht beeinflui~t wird. War sie bei bestehendem Fieber beschleunigt, so wurde dies als Indizium zum Kurabbruch betrachtet, auch wenn kein Organbefund zu erheben war.

Auff~llig war ferner das Auftreten leichter Eiwei~spuren im Urin in etwas weniger als einem Drittel der F~lle. 5real fiel auch die Uro- bilinogenreaktion positiv aus. Diese Erscheinungen schwanden aber sofort mit Beendigung der Kur. L~stig war h~ufig das Erbrechen, das gelegentlich mit Atropininjektionen, wie sie Demole 1) ffir die Somnifen- kuren angeraten hat, bek~mpft werden konnte. Urinretention wurde 2real beobachtet.

An schwereren Komplikationen sind 2 Kollapse zu erw~hnen, die aber auff~llig leicht verliefen und sich auf Stimulantien hin augen- blicklich erholten. Einmal stellte sich im Verlaufe der Kur ein katar- rhalischer Ikterus ein, ob mit oder ohne Zusammenhang mit der Dial- behandlung bleibe dahingestellt. Ferner sei ein Fall yon Dialidiosyn- krasie erw~hnt, bei dem am dritten Kurtag ein generalisiertes Exanthem auftrat, das sich nach Aussetzen des Medikamentes sofort zurfick- bildete, um sich aber bei einer mehrere Monate sp~ter yon neuem eingeleiteten Kur prompt wieder einzustellen.

Eine der unangenehmsten Komplikationen der Somnffenkur bildete bekanntlich die Pneumoniegefahr (in 8 yon den 15 in der Literatur beschriebenen Todesf~llen handelte es sich um Lungenentzfindungen). Auch unter meinen Dialf~llen t ra t einmal eine Bronchopneumonie auf, die sparer ausheilte, und wie erwghnt, mu~te einige Male bei plStz- lichen Temperaturanstiegen ein objektiv nicht sieher naehweisbarer pneumoniseher Herd vermutet werden, und zwar regelmgBig im An- schluB an eine besonders ausgedehnte und tiefe Schlafperiode. Eine direkte Beeinflussung der Atmungst~tigkeit im Sinne einer grSi~eren Frequenz und Oberfl~chlichkeit wie beim Somnifen wurde zwar nicht beobachtet. Immerhin sei an die Tierversuehe yon Wiki 2) erinnert, wonach bei der Dialvergiftung zun~chst die t~espiration beeinflu~t wird und zur Lghmung des Herzens eine 7faeh sti~rkere Dosis not- wendig ist als diejenige, die zum Atmungsstillstand ffihrt. Die Haupt- gefahr bei der Dialkur wird aber doch auf Hypostase bei zu tiefem

1) V. Demole, La cure s~dative en psychiatrie Jouve & Cie., Paris 1922. 3) B. Wiki, l~eeherehes pharmacodynamiques sur les Somnif~res de la s6rie

barbiturique. Arch. internat, de Pharmaco dyn. et de Th~rapie 22, H. 1--2. 1922.

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und zu langem Schlafe verlegt werden mfissen, auf ein Moment also, das bei jeder Dauernarkose in Betracht kommen wird und nur un- wesentlich yore speziellen Medikament abh~ngt. Einzelne SchlaL perioden yon fiber 12 Stunden mit tiefer Somnolenz, aus der die Pa- tienten nicht zu wecken waren, haben sich regelm~l~ig als gef~hrlich erwiesen und sollten unbedingt vermieden werden. Ich werde sp~ter auf die sich daraus ergebenden Vorsichtsma~regeln in der Durch- ffihrung der Kur zuriickkommen.

Neben den Beeintr~chtigungen der Respiration bildete bei der Somnifenbehandlung die regelm~Bige Herabsetzung des Blutdruckes und die oft schon am ersten Tage auftretenden Kollapse mit schwerster Vasomotorenl~hmung das wichtigste Gefahrenmoment. Auch bei den Dialversuehen t ra t meist am 2. oder 3. Tage eine m~l~ige Depression des Maximaldruckes auf, die sieh aber regelm~$ig in den folgenden Tagen ausglich und gegen Ende der Kur nieht selten fiber das habituelle Mittel anstieg. Im fibrigen wurden, wie nach den Versuchen yon Wiki fibrigens zu erwarten war, abgesehen yon den beiden erw~hnten Kollapsen, keine KreislaufstSrungen beobachtet, und die ersteren zeich- neten sich im Vergleich zu den schweren Zust~nden bei Somnifen durch ihre Gutartigkeit aus, indem sie sehr rasch behoben werden konnten.

Eher starker als beim Somnifen waren die ataktisehen Ersehei- nungen, sowohl wKhrend der Kur wie aueh noch einige Zeit nachher. Sie ~uBerten sich in paralyse~hnlicher, sehmierender Sprache und starken Schwanken bei Versuchen, das Bert zu verlassen. Schluckbeschwerden waren dagegen nur selten vorhanden und gaben zu keinen StSrungen AnlaB. Wie die Somnolenz, so bildete sich aueh die Ataxie jeweilen nach Aussetzen des Mittels sehr rasch zurfick.

Das KSrpergewicht verminderte sich w~hrend der Kur um durch- schnittlich 3,3 kg. Nur bei 2 Frauen t ra t eine geringffigige Gewichts- vermehrung auf.

Die eigentliehe Technik der Behandlung lehnte sich eng an die fiir die Somnifenkur geltenden Vorschriften an. Wenn mSglich, wurde sie auf 9--10 Tage ausgedehnt. Begonnen wurde meist am Vormittag des 1. Kurtages mit 0,4 g Dial - - eine geringere Dosis genfigte nie zur Einleitung des Sehlafes - - eventuell, je nach dem Grade der Aufregung, kombiniert mit 0,5 mg Scopolamin oder mit 1 ccm der ebenfalls von der ,,Ciba" hergestellten Pavon-Scopolamin-LSsung (1 ccm ~ 0,02 Pa- yon ~ 0,0003 Scopolamin). Am Abend desselben Tages erfolgte dann die 2. Injektion yon 0,2---0,4 g Dial. Uber den weiteren Verlauf der Kuren geben die folgenden Tabellen eine gute Ubersicht, in denen die mittleren Tagesschlafzeiten und die mittleren Tagesdosen von Dial graphisch dargestellt sind.

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mR fliissigem Dial bei Psyehosen, speziell bei manisch-depressivem Irresein. 527

~7 /6

0,7 15 lq

0'6 13 12

O,5 r 10

O# $

o,3 o,2 6s

Es zeigt sich demnach folgendes gesetzm~Biges Verhalten: In den ersten 24 Stunden der Kur trotz hoher Dosen relativ wenig Schlaf, yon da an Zunahme des Schlafes bei absteigenden Dosen, derart, dab in der Zeit etwa vom 3. bis 5. Kurtage das Minimum der Tagesgabe mit der l~ngsten Schlafdauer zusammenfgllt. Vom 5.--6. Tage an sinken die Schlafzeiten wieder bei gleichzeitigem starkem Ansteigen der Dialdosen. In den ersten 5 Tagen finder offenbar eine Kumulation start, in der 2. Hglfte der Kur eine Gew6hnnng. Ferner ist ersichtlich, dab die gef~hr-

K u r t a g e S tdn 2 3 q 5 6 7 2 $ 1o

_ I I I [ I I I [ I

Abb. 1. Frauen.

Stdn Kurtage 2 3 q S 6 7 8 9 10

18 I I I I I I 1 I ] 17-

"~ r

lq ~ . , . 0'713

12

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0,3 Abb. 2. M~tnner.

$ tdn Kur/'age I 2 3 v 5 5" 7 g g 1o

18 I I I I I I l I i 1 7 -

�9 -. 16

~q l q O,7 ~3

13 0'6 r

Io O,5 P

8 o,~ e7 0,3 5

Abb. 8. Gesamtdurchschni t t .

. . . . Durchschni t t l iche 8chlafdauet pro Tag in S tunden

. . . . . Durchschni t t t iche Dosis Dial pro Tag in Gramm.

lichste Zeit diejenige vom 3. bis 5. Tage ist. Hier traten in der Tat oft auf relativ kleine Dialmengen sehr lange Schlafperioden (bis zu 36 Stunden) auf, die die oben berfihrte Gefahr der Hypostasen mit sich brachten. Auch die fibrigen Komplikationen fielen meist in diesen Zeitraum. Es ergibt

sich deshalb die Regel, selbst bei scheinbar ungeniigendem Schla]e vom

Morgen des 3. Tages an entweder mi t den In]ektionen auszusetzen oder nur relativ kleine Dosen (nicht fiber 0,4 g pro die bei Frauen und 0,5 g bei M~nnern) zu geben. Im iibrigen halte ich eine m6glichst weitgehende

Individualisierung in der Dosierung als eines der Haupterfordernisse fiir das Gelingen der Kur, wobei man sich vom K6rpergewicht, vom All- gemeinzustand und vonder St~rke des Aufregungszustandes leiten l~gt.

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528 I~I. Miiller: Die Dauernarkose

Immerhin babe ich 0,8 g I)ial pro die und 0,4 g pro dosi nie fiber- schritten. Die mittlere Tagesdosis betrug ffir die M/~nner 0,58 g, fiir die Frauen 0,48 g. I-I/iufig konnte in den letzten Tagen der Kur ohne jede Schi~digung 0,8 g pro die mehrmals hintereinander gegeben werden. Bei st/irkerer Aufregung hat sich recht wertvoll die Kombination mit kleinen Gaben Scopolamin erwiesen (yon 0,1 mg an), mit denen sich, entsprechend dem bekannten Biirgischen Gesetze yon der potenzierten Wirkung gleichzeitig verabfolgter Schlafmittel mit verschiedenem zen- tralem Angriffspunkt, ein bedeutend st/~rkerer Erfolg zeigte, als eine blol~e Addition erwarten lieB.

Bei M/innern babe ich der prompten Wirkung wegen anf/inglieh die intraven5se Injektion bevorzugt. Es zeigte sich aber bald, dab bei dem infolge der grol~en Zahl yon Injektionen unvermeidlichen wiederholten Anstechen derselben Vene mit der Zeit Thrombosen auf- traten, wie sie schon Wyler 1) beim Somnifen beobachtet hatte. Vor einer nur intraven5sen Durchfiihrung der Kur mug deshalb abgeraten werden, yon einer einmaligen intravenSsen Injektion, etwa zu Beginn der Behandlung bei sehr aufgeregten Patienten, sah ich dagegen nie eine Sch/idigung. Aufgegeben habe ich ferner auch die subcutanen Injektionen, nachdem sich 2mal, offenbar infolge zu wenig tiefem Einstich, schwere Hautnekrosen ausbildeten. Als Methode der Wahl blieb schhel~lich die intramuskuliire Applikation, die yon allen Patienten ohne irgendwelche lokalen Beschwerden ertragen wurden.

Ein Uberblick fiber meine Erfahrungen zeigt, dab das Dial noch nicht das ideale Mittel zur I)urchffihrung der Dauernarkose ist. Man hat auch hier noch mit gewissen Gefahren und namentlich mit leichteren Komplikationen zu rechnen, die die I)urchfiihrung der Behandlung erschweren. Bei richtiger individueller Dosierung und namentlich bei sorgf/iltiger Beachtung der kritischen Zeit yore 3. his 5. Kurtage 1/i$t sich abet die Lebensbedrohung der Patienten auf ein Minimum herab- mindern. Wenn ich meine Erfahrungen mit Somnifen und Dial ver- gleiche, so kann kein Zweifel an der (~berlegenheit des letzteren be- stehen. Von meinen 24 mit Somnifen behandelten F/illen starben 2, aul~erdem sah ich 5 aul3erordentlich schwere, fiber mehrere Tage dauernde Intoxikationen mit Cyanose, hohem Fieber, beschleunigter Atmung, und zwar auch auf kleinere und mittlere Dosen hin. Bei den 33 mit I)ial behandelten F/illen trat dagegen kein Todesfall auf und schwerere Komplikationen auger einer Bronchopneumonie und zwei relativ harmlosen Kollapsen wurden nicht beobachtet. Es erscheint zweifellos, dab Dial in brauchbaren I)osen Kreislauf und Respiration weniger stark beeintr/~chtigt ats Somnifen. Zudem hat es den Vorteil

1) j . Wyler, Weitere Effahrungen mit Somnifen in der Psychiatrie. Diese Zeitschr. 94, II. 1. 1924.

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mit fliissigem Dial bei Psychosen, speziell bei manisch-depressivem Irresein. 529

einer geringeren Nachdauer: Die Patienten erwachen rascher aus dem Schlaf, die Naehwirkungen (Ataxie) sind vielleicht zun/~ehst ausgepr/ig- ter, dauern aber weniger lange an. Damit ist das Mittel aber auch leichter zu handhaben, die Dosierung besser abzustufen. Ich mSchte deshalb Dial mindestens zur Naehprfifung ffir Dauernarkosen warm empfehlen.

Als Kontraindikation gilt wie beim Somnifen jede Erkrankung der inneren Organe. Besonders gef/~hrdet sind die Atmungswege. Es sollten deshalb vor allem s/~mtliche F/~lle mit Verdacht auf Lungen- tuberkulose sowie mit Neigung zu rezidivierenden Katar rhen und Bronchitiden ausgeschlossen werden. Dasselbe gilt im Hinblick auf die h/~ufig festgestellte Nierenreizung und die gelegentlich beobachtete Urinretention fiir Erkrankungen der Harnwege.

B . D e r t h e r a p e u t i s c h e E r f o l g .

Die im Sinne der vorliegenden Untersuchung als ,,nicht indiziert" bezeichneten F/~lle scheiden hier aus. Nur bei dreien derselben liel3 sich eine gewisse Wirkung der Dauernarkose feststellen:

Eine alte, g/~nzlich zerfahrene Katatonica mit massenhaften motorischen und verbalen Stereotypien war nachher fiir einige Tage ruhig, verbigerierte nicht mehr und sehrieb sogar einen zusammenh/~ngenden, affektiv gut angepal3ten Brief. - - Eine andere, jiingere, ganz gesperrte, meist ~ngstlich-ratlose Katatonika mit pl6tzlichen motorischen Entladungen wurde w/~hrend 14 Tagen ebenfalls ruhiger und aufgesehlossener. Naehher bot sie wieder das frfihere Bild. - - Der einzige bis jetzt andauernde, wenn auch bescheidene Erfolg in dieser Gruppe trat bei einem Schizophrenen ein, der, vor ca. 3/4 Jahren in vorgeriickterem Alter akut erkrankt, nach Ablauf einer akuten, stark organischen Phase nach und nach in einen katatonen Stupor versunken war mit ausgepr/~gtem Negativismus und dem Hervorbrechen' koprophiler Tendenzen. Seit der Kur ist er zug/~nglieher, geord- neter und nicht mehr unrein. Auf die Halluzinationen und ~Vahnideen hatte die Dauernarkose keinen Einflul3.

Uber das Verhalten der ,,indizierten" F/ille gibt die folgende Tabelle Aufschlul~ :

Auffi~llig ist zun/s das vSllige Versagen der 4 Depressiven. Bei keinem zeitigte die Kur irgendeine Wirkung, bei einem t ra t sogar die schizophrene Komponente in Form andauernder Sperrung und deut- lichem Negativismus naehher mehr in den Vordergrund als vorher. Allerdings ist die Zahl der F/~lle klein, und es findet sich keine reine endogene Melancholie darunter. Es fehlten ferner bei allen sowohl Agitation wie stKrkere Angst, diese beiden yon den Autoren [GansZ), Kldisi2)] als ffir Dauernarkose besonders giinstig angesehenen Kompo-

z) A. Gans, De Somnifenkuur van K1/~si met gunstig gefolg toegepast bij een vrouw, lijdende aan melancholia agitata. Nederlandseh tijdschr, v. geneesk., 1. u. 2. Hi~lfte, 1924, Nr. 11.

3) j . Kldisi, 1. c. Z. f. d. g. Neur. u. Psych. 107. 34

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530 M. Miiller : Die Dauernarkose

Tabelle 4.

15 9 6 1 3

Diagnose

Sehizophr.Aufregungszustande 4 Manisehe Sehiibe:

Total . . . . . . . . . . . 34 Reine Manie . . . . . . . ~20 Sehizophrene Manie . . . ]14

] Psyehogene Depression �9 �9 �9 I 1 Schizophrene Depression. ~ 3 I

negativ

8 ( 2 3 % ) 3 (15%) 5 (35%) 1 3

total

positiv

Erfolg 1)

vorfibergeh.! dauernd

1

26 (76%) ]7 (s5%) 9 (64%) 0 0

1

8 ( 2 3 % ) 5 (25%) 3 ( 2 1 % ) 0 0

18 (53%) 12 (60%) 6 (42%) 0 0

nenten. Man wird deshalb mit SehluBfolgerungen vorsichtig sein miissen, wird aber doch, zumal im Hinbliek auf die recht spi~rlichen Resultate, der in meiner Somnifenarbeit zusammengestellten Ergebnisse bei Depressiven, in Zukunft die Indikation der melancholischen Phasen als fraglieh bezeiehnen mfissen.

_~hnlich verh/~lt es sieh mit den drei schizophrenen Erregungs- zust/~nden. Nur in einem Fa]le war ein Erfolg mit einer zwar voll- kommenen, aber nur kurz dauernden Beruhigung zu verzeichnen. Ein halbes Jahr sp/~ter genas die betreffende Kranke spontan yon ihrem Schube. Die beiden andern verhielten sieh vSllig refrakt~r, der eine auch bei Wiederholung der Kur.

Ein ganz anderes Bild zeigen nun abet die manischen Phasen bei reinen Cyclikern und Schizophrenen.

Nimmt man die reinen Manien allein, so fallen auf 20 Kuren nur 3 Versager. Zwei davon betreffen die gleiche Patientin, und zwar mui~ten die Kuren am 3. bzw. 5. Tage abgebroehen werden. Da wir bei der Betreffenden friiher schon einen manischen Schub mit Erfolg coupiert hatten, ist es zum mindesten recht wahrscheinlich, dab auch diese Kuren wirksam gewesen w/~ren, h/~tte man sie zu Ende ffihren kSnnen. Der dritte Versager f/~llt auf eine alte Anstaltsinsassin, bei der die friiher periodischen StSrungen in den ]etzten Jahren nach und naeh in das Bild einer ehronischen Manie fibergegangen waren.

Wir linden demnaeh bei reinen Manien in 85% der Kuren eine positive Wirkung, bei 60% war der Erfolg dauernd.

Unsicherer sind die Resultate bei sehizophrenen Manien. Immerhin waren auch hier noch 9 yon 14 Kuren erfo]greich, davon 6 dauernd.

1) Unter ,,dauerndem Erfolg" wird im folgenden die Heflung des einzelnen Sehubes mit l~bergang in ein eigentliches freies Intervall verstanden. Als ,,vor- fibergehender Erfolg" werden 1/~nger dauernde Besserungen (mindestens einige Woehen) aufgefaBt, die aber doeh zu kurz waren, nm yon einem riehtigen Inter- vall zu spreehen. Eine nur wenige Tage w~hrende Beruhigung, wie sie sieh ge- legentlieh im AnsehluB an die Kur zeigte, wird als ,,negativer Erfolg" rubriziert.

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In den nebenstehenden Kurven I--VI ist an einzelnen herausgegrif- fenen F/~llen die Einwirkung der Dialkuren graphisch dargestellt. I--IV sind reine, V und VI schizophrene Manien. Die manisehen Phasen sind dureh Erh6hungen gekennzeichnet, die freien Intervalle durch eine gerade Linie, wobei Schwankungen nach der depressiven Seite hin, die fast in keinem Falle fehlten, nie aber erheblich waren, der Einfaehheit halber vernachl/~ssigt wurden. Die prompte Unterbrechung der manischen Periode tritt namentlich in den F/~llen I, III, IV und VI deutlich hervor. Bei Fall II, der 1/s Phasen zeigt, brachten 2 Kuren (die 2. mul3te friihzeitig abgebrochen werden) nur einen voriibergehenden Unterbrueh, die 3. fiihrte zum Abschlul~ des Schubes, der damit immer- hin bedeutend kiirzer verlief als der friihere. Kurve V zeigt in typischer Weise die Unberechenbarkeit der schizophrenen F/~lle: Eine 1. Kur eoupiert prompt den Anfall, es folgt aber ein relativ nur wenig langes Intervall. Die beiden folgenden sind dagegen nur von kurzer Wirkung, die 4. schlie~t die Periode nach 1/~ngerer Dauer ab. Beim Wieder- anstieg bleibt die 5. Kur ganz erfolglos.

Von gewissem Interesse sind die k6rperbaulichen Verhdiltnisse der be- handelten F/~lle. Allerdings ist auch hier das Material zu klein. S/~mt- fiche reinen Manien waren ausgesproehene Pykniker. Bei den schizo- phrenen Manien war der einzige Fall, der bei 3maliger Behandlung trotz im fibrigen ausgesproehen periodischem Verlauf und sp/~terer spontaner Heilung des betreffenden Schubes sich g~nzlich refrakti~r verhielt, rein asthenisch. Ebenso ist der in Kurve V dargestellte Fall vorwiegend astheniseh. Die iibrigen 4, die besser reagierten, wiesen zahlreiche pyknische Elemente auf, am ausgesprochensten der Fall der Kurve VI. Schliel3hch war auch der obenerw/ihnte Katatoniker, der als einziger der ,,nichtindizierten" F/~lle einen gewissen dauernden Erfolg zeigte, vorwiegend Pykniker. Man wird also mit aller Vorsieht die Vermutung/~uBern diirfen, der KSrperbau besitze bei Schizophrenen fiir die Prognose der Schlafkur insofern eine Bedeutung, als sie bei Pyknikern gfinstiger sei. Sollte sich diese Annahme best/itigen, so wiirden sich damit interessante Beziehungen zu den neuesten konstitu- tionell-pathologischen Untersuchungen der Tiibinger Schule bei pyk- nischen Schizophrenen [Eyrichl), Gaupp und Mauz ~) u. a.] ergeben.

Was die Qualitdit der ~eweiligen Unterbrechungen manischer Phasen dureh die Narkose anbetrifft, so geht sie in allen F/~llen, wo von ,,dauern- dem Erfolg" gesproehen wird, eindeutig dahin, da$ es sich nicht nur etwa um eine D/s der manischen Erregung, um ein bloBes

1) M. Eyrich, Zur Klinik und Psyehopathologie der pyknischen Schizophrenen. Diese Zeitschr. 97. 1925.

~) R. Gaupp und F. Mauz, Kran'kheitseinheit und Mischpsychosen. Diese Zeitschr. 11@1. 1926.

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Ruhigerwerden, sondern um einen ausgesproehenen Umsehlag, einen Phasenwechsel handelt, genau gleich, wie er beim spontanen Ablauf oft innerhalb weniger Stunden eintritt. Nicht selten waren die Patienten w~hrend einiger Zeit sogar leicht depressiv gehemmt. Auch bei den als ,,voriibergehender Erfolg" bezeiehneten kiirzeren Unterbrechungen wurde oft dasselbe Verhalten beobachtet. H~ufiger handelte es sieh hier aber doch nur um eine bloi~ sedative Wirkung, um eine Abschw~i-

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D Manische Phase ; I Dialkur;

Abb. 4.

ruhiges resp. depressives Intervall in der Ans ta l t ; verlaufender Schub mit Verliingerung des nachfolgenden freien Interval les; ~ ist bis

chung des Brides, so etwa, da~ w~hrend mehrerer Wochen ein leicht submanischer Zustand bestehen blieb, der sich nach und nach wieder zur vollen Starke der manischen Erregung steigerte.

Wenn somit die Wirkung der Kur meist durchaus mit einem spon- tanen Ablauf eines manischen Schubes verglichen werden daft, so zeigte doch oft die Qualit~it de~ darau]]olgenden/reien Intervalles gewisse Abweichungen. Die Haltung der Patienten war nicht ganz dieselbe wie nach einem voll durchgemachten Anfall, sie waren weniger ,,gut" als sonst, wie sich das Wartepersonal spontan ausdriickte. Einzelne

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waren reizbar, mfirrisch, bei andern fehlte die sonst in dieser Phase vorhandene Arbeitslust; wieder andere zeigten eine ungewohnte Neigung zum Querulieren, waren schwatzhafter als frfiher oder wiesen anderer- seits eine negativistische F/~rbung ihrer Depressionen auf. Kurz, man gewann den Eindruck, nicht dis Qualitis des Phasenweehsels, wohl aber diejenige des freien Intervalles sei bei der kfinstlichen Unter- brechung des Anfalles gegenfiber dem natfirlichen Ablauf ver/s

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Abb. 4.

. . . . . . . n icht i n t em ie r t ; E Ent lassung ; (x) zwischen die Dialkuren eingeschobener , u n g e h e m m t zum Zei tpunkt der Fer t igstel lung der Arbei t (Dezember 1926) n icht wieder erkrankt .

In FMlen, wo eine kurzfristige Periodizit~t den Uberblick fiber eine gr5Bere Reihe yon Schiiben gestattete, sehienen ferner die einzelnen manischen Phasen unter der Wirkung der Dialkuren n~her zueinander zu rficken, die Intervalle kfirzer zu werden. Besonders deutlieh zeigt sich dies in den Kurven I und III . Bei beiden ist zudem erkennbar, wie ein zwischen mehrere Dialunterbrechungen eingesehobener, ungehemmt verlaufender Anfall (x) sofort das n~chstfolgende Intervall verl~ngert.

Diese Befunde sind freilich nicht durchgehend, und auch bei meinem Material finden sich eine Anzahl Fi~lle, in denen das kfinstlich erzeugte

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freie Intervall dem natiirlichen in jeder Beziehung /~quivalent war. Trotzdem sind sic auffi~lhg und verdienen Beachtung. Man wird an i~hnliehe Erseheinungen der genuinen Epilepsie erinnert, wo sich hi~ufig paroxysmelle Verstimmungen bei Unterdrtiekung des Anfalles dureh Brom verli~ngern, bis sic sehlieBlieh doch noeh durch einen Anfall ab- gesehlossen werden [Bleulerl)], und wo aueh sonst das Ausbleiben eines erwarteten Anfalles sieh gelegentlieh in vermehrter Reizbarkeit, H/iufung yon petits mals, Absenzen usw./~uSert. Diese Beobachtungen haben mit zur Annahme einer Autointoxikation als Ursaehe des epilep- tisehen Krampfes gefiihrt, und es liegt nahe, auch fiir den manisehen Schub ~hnliches anzunehmen, gerade im Hinblick auf seine unzweifel- haften Beziehungen zum endokrinen System, speziell zur Sehilddrfise. Ob man freilieh dabei den Anfall als , ,Entgfftungsversuch" auffassen will, bleibt namentlich angesiehts der neueren humoralpathologischen Unter- suehungen [Wuth2)] fraglich. Es wird vorsichtiger sein, sieh mit der Feststellung einer khnisehen Analogie zwisehen epileptischem Anfall und manischer Phase zu begnfigen, die etwa so formuhert werden kSnnte, dab es bei beiden h/iufig des natfirliehen, ungestSrten Ablaufes bedarf, damit naehher das habituelle Gleichgewieht wieder erreieht wird, oder m. a .W., dub ihre kiinstliehe Unterdrfiekung oder Unterbreehung eine StSrung, eventuell Verkfirzung der nachfolgenden Periode mit sich bringt. Zur weiteren Verfolgung dieser Probleme scheinen die Dauersehlafversuche besonders geeignet zu sein.

Im AnsehluB an diese ErSrterungen erhebt sich nun auch die Frage naeh dem Wirkungsmechanismus der Dauernarkose. Bisher hatte man dafiir zwei theoretische Vorstellungen, eine rein psychologisehe und eine sehlafphysiologische. Die erstere stellt - - namentlieh in der Bleuler- sehen Pr/~gung - - im wesentlichen darauf ab, alas die Patienten im Dauersehlaf hilfs- und anlehnungsbedfirftig werden. Der schizophrene Autismus und Negativismus wird damit durchbrochen, die Kontakt- mSghchkeit mit der Umgebung gehoben und infolgedessen tier Zugang zu weiterer psychotherapeutischer Beeinflussung erSffnet. Dazu kommt die Wirkung der vermehrten Besch/fftigung mit dem Kranken, tier gesteigerten Anteilnahme der Xrzte und des Pflegepersonals. Es handelt sieh bier also hauptsi~ehlich um psychisehe Einflfisse, ffir die tier Dauer- schlaf nut den Boden vorzubereiten hut. Es kann kein Zweifel sein, dal~ diese Auffassung bei der Behandlung Schizophrener ihre Berech- tigung hut - - ich betonte ja auch in meiner Somnifenarbeit, da$ die Erfolge der Dauernarkose bei Sehizophrenen in erster Linie vom psycho- therapeutischen Geschiek abhs - - , bei Erregungszustiinden und

1) Bleuler, Lehrbuch der Psychiatrie. 2. Aufl. 1918. 3) O. Wuth, Untersuchungen fiber die kSrperlichen StSrungen bei Geistes-

kranken. Monograph. a. d. Gesamtgeb. d. Neurol. u. Psych. 1922, H. 29.

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manischen Phasen versagt sie aber. Hier dfirfte eher die sehlafphysio. logische Theorie ihre Geltung haben, wonach die Wirkung auf einer zentralen An~sthesie beruht und auf der ,,Unterbrechung eines Cireulus vitiosus zwischen Affekterregung, motorischer Agitiertheit und Ver- st~rkung der Affekterregung" dutch den produzierten innern Reiz. Das Hauptgewicht wird demnach auf den Schlaf als solehen geleg~. Beide Theorien beziehen den Erfolg nicht auf das verwendete Mitre], sondern auf sekund~re Wirkungen desselben; mehrfaeh wurde denn auch betont, es sei v611ig irrelevant, mit welchem Medikament die Narkose erzeugt werde.

Die Theorie der zentraien An~sthesie erweckte mlr schon bei meinen Somnifenversuchen an Manischen gewisse Bedenken. Ich bemfihte reich deshalb beim Dial yon vornherein (dies ist dem Abschnitt fiber die Technik noch nachzutragen) um Ausschaltung psychischer Beeinflussung sowie ~uBerer Ma~nahmen, die den Eintritt des Schlafes begfinstigen konnten (Dunkelraum, Ruhe der Umgebung), um die Wirkung des Mittels mSglichst rein beobachten zu kSnnen. Die Patienten blieben ganz sich selbst fiberlassen. Es ergab sich nun in der Tat, dab die Beruhigung, die tempor~re Ausschaltung innerer und ~uI3erer Reize, nur bei einer Minderzahl der Unterbreehungen manischer Phasen der urs~chliche Mechanismus sein kann. Es w~re dann n~mlich ohne weiteres zu erwarten, dab der Umschlag im Verlaufe der Narkose nach und nach eintritt und mindestens sofort nach dem Abbrueh und dem endgfiltigen Aufwachen zu beobachten ist. Es mfil3te sich mit dem Fortschreiten der Kur die Beruhigung in den sehlaffreien Intervallen auch yon Mal zu Mal deutlicher zeigen. Dieser sedative Modus war tats~chlich zu beobachten, aber, wie gesagt, nut bei einer kleineren Zahl yon Fs die ers~ noch meist nut einen vorfibergehenden Erfolg aufwiesen. Weitaus in der Mehrzahl war dab Verhalten vielmehr so, daft wa'hrend der ganzen Kur bis zuletzt die Erregung mit unverminderter Stdrlce au/trat, sobald die Patienten einigermaflen wach waren, daft sie auch nach dem Abschlu[3 der Narlcose und nach dem endgiiltigen Ver- 8chwinden der Somnolenz welter dauerte, sich sogar gegeni~ber dem Zwstand vor der Kur noch steigerte, um dann nach 2--3 Tagen im Verlau/e von 1--2 Stunden abzubrechen und einem pl6tzlichen Phasenwechsel Platz zu machen. Der Gegensatz zwischen der hochgradigen Aufregung in der ersten Zeit nach der letzten Injektion, die es meist nur mit Mfihe gestattete, die Kranken auf der halbruhigen Abteilung, nach welcher sie zur Vornahme der Dialkur gebracht worden waren, zu halten, zu der plStzlichen Beruhigung war so frappant, dab ich mich anf~nglich immer wieder t~uschen lieB und in den ersten Tagen nach Abbrueh glaubte, die Kur sei mi[31ungen, bis ieh reich mit steigender Erfahrung yon der Gesetzm~Bigkeit dieses Verhaltens fiberzeugen mul3te. Ober

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536 M. Mtiller : Die Dauernarkose

das Verh~ltnis zwischen dem sedat iven Modus und dieser eigenart igen Phase zwischen Abbruch der K u r und dem endgfiltigen Umschlag

sowie fiber die Dauer der letzteren gibt Tab. 5 AufschluB. Es hande l t sich dabei um die 26 erfolgreichen K u r e n bei re inen und schizophrenen Manien.

Tabelle 5.

Zahl Vorfiber- der gehender

Kuren Erfolg

1. Allmghliche Beruhigung w/~hrend und nach der Kur] ohne eigentlichen Umschlag (Sedativer Modus) . . . I 5

2. Umschlag innert 24--36 St. nach der letzten Injektion 3 ,, , 36--48 . . . . . . . . . . 12 . . . . 48--72 . . . . . . . . . . ]i ,, sp~ter als 72 . . . . . .

Dall- ernder Erfolg

Es ergibt sich somit deutl ich die Uberlegenhei t von Modus 2 gegen-

iiber Modus 1 in bezug auf den dauernden Erfolg. Ferner ist ersichtlich,

dal3 bei 2 der Umschlag in mehr als der H/ilfte der F/ille im Laufe des

2. Tages, und zwar gegen Ende desselben erfolgte.

Ich fiihre ffir den Modus 2 einige St ichproben an :

M. G. (vgl. Kurve I): Reine Manie. 2. Kur. Hat regelm/~13ige manische Perioden von 2--3 Monaten Dauer. Wird am

11. II. 1926 ohne Vorboten nach einem 21/2monatigen freien Intervall, wKhrend dessen er fleiBig arbeitete, pl~tzlich manisch, singt, schwatzt ideenfliichtig, haut einem Mitpatienten ohne jeden Grund eine Ohrfeige, muB auf die unruhigste Abteilung versetzt werden. Dort in den folgenden Tagen stark erregt, tagsiiber im Dauerbad, nachts in der Zelle. - - Am 15. II. Beginn der Dialkur, in den wachen Zeiten w~hrend derselben stets laut, singt, versucht trotz Benommenheit und Ataxie das Bett zu verlassen. Letzte Injektion von 0,2 Dial -~ 0,02 Pavon A-0,0003 Scopolamin am 24. II. 1926 abends 8 Uhr.

Schl~ft in der folgenden Nacht 8 Stunden, f/~ngt nach dem Erwachen sofort ununterbrochen zu sprechen an, am 25. II. w~hrend des ganzen Tages laut, Rede- drang, ideenfliichtig, schl~ft in der Nacht vom 25. bis 26. II. nur 11/~ Stunden, schwatzt in der iibrigen Zeit best/indig vor sich hin, bleibt aber im Bert. Am Morgen des 26. II. (36 Stunden nach der letzten Injektion) plStzlicher Umschlag, ist ganz still, klar, leicht deprimiert, miirrisch. Es folgt nun ein freies Intervall von 6 Wochen, in denen M. aber st~ndig leicht depressiv verstimmt ist und die gewohnte Arbeitslust vermissen l~Bt. Am 1.1V. 1926 neuer manischer Anfall von 11/~ Monaten Dauer, den man auf der unruhigsten Abteilung spontan ab- laufen 1/iBt. Nachher freies Intervall w~hrend 21/4 Monaten, in dem Patient wieder zur Arbeit geht. Am Abend des 28. VII. 1926 Umschlag, ist in der folgenden Nacht hochgradig unruhig, am Morgen des 29. VII. ger6teter Kopf, glanzende Augen, schwatzt, gestikuliert, f~hrt und nestelt auf der Abteilung herum, mud ins Bad genommen werden, wo er sehr unruhig ist.

3. Kur. - - Beginn 29. VII. mittags. - - Letzte Injektion von 0,2 g Dial am 6. VIII. morgens 9 Uhr 35 Min. Schl/ift daraufhin 11/2 Stunden, ist ffir den Rest des Tages stark benommen, murmelt best/~ndig leise vor sich hin, hat noch

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leichte Temperaturen. In der Nacht vom 6. bis 7. VIII. schl~ft er gar nieht, spricht bestandig, zeitweilig sehr laut. Am 7. VIII . ganz wach, in starker motorischer Erregung, gestikuliert, geht best/indig aus dem Bert, sehr gereizt, schimpft, stark ideenflfichtig. In der Nacht vom 7. bis 8. ebenfalls keinen Augenblick Schlaf, sehr laut, verl/~13t h/~ufig das Bert, sehmiert mit Stuhlgang. Am Morgen des 8. VIII . Umsehlag innerhalb weniger Stunden (48 Stunden naeh der letzten Injektion), wird ruhig, murmelt hie und da noch ein leises Wort vor sieh hin, sehlaft die ganze folgende Nacht durch und ist am 9. VIII . vSllig klar, kann aufstehen. Es folgt ein freies Intervall von 6 Wochen, ist aber leicht depressiv, verschlossen, arbeitsunlustig.

M. J. (vgl. Kurve III). Reine Manie - - 3. Kur. Hat manische Perioden von 2- -5 Monaten Dauer. Seit 3z/2 Monaten freies

Intervall, ist ruhig, arbeitet fleiBig. Vom 25. III . 1926 an depressiv, bleibt im Bert, stark gehemmt, gibt mit leiser Stimme kaum Auskunft, klagt, es sei ihm sehwer. Am 2. IV. Umschlag in eine manische Phase, sehl/~ft in der folgenden Naeht nicht, sehr laut, schreit zum Fenster hinaus, singt, schwatzt best~ndig, stark ideenflfiehtig. Beginn der Dialkur am 3. IV. 1926 mittags. Wahrend der- selben in den sehlaffreien Zeiten fast immer sehr laut. Letzte Injektion yon 0,4 Dial + 0,02 Pavon ~- 0,0003 Seopolamin am 12. IV. morgens 10 Uhr 20 Min. Schlaft daraufhin nur noch 35 Min., sonst den ganzen Tag fiber sehr laut, schwatzt in einemfort, ist dabei noeh stark benommen und ataktisch. Naeht vom 12. bis 13. IV. : Vfllig sehlaflos, immer in sitzender Stellung im Bett, zeitweilig aul3er- ordentlieh laut, brfillt Feuer und Mordio, singt. Ebenso am 13. fiber Tag, in der Naeht vom 13. bis 14. : keinen Augenblick gesehlafen, spricht bestandig vor sich hin; stark ideenflfichtig. Am 14. dasselbe Bild, in der Naeht vom 14. bis 15. wieder vSllig schlaflos, ruft die anderen Patienten an, sucht sie aufzuwecken. Am 15. IV. mittags plStzlicher Umsehlag (72 Stunden nach der letzten Injektion), wird ruhig, still, verschlossen, klagt fiber Mfidigkeit, kehrt sich gegen die Wand, seheint den Sehlaf nachholen zu wollen. - - Von da an ruhig, klar, kann nach 2 Tagen auf die ruhigste Abteflung versetzt werden, geht sofort zur Arbeit. Das freie Intervall - - quali tat iv nicht beeintrachtigt - - halt 2 Monate an.

St. A., schizophrene Manie (vgl. Kurve V). - - 2. Kur. Unregelmal3ig manische Perioden von 11/2--9 Monaten. Nach 2monatigem,

freiem Intervall am 22. I. 1926 Umschlag in einen maniseh-katatonen Schub auf eine 4t/~gige, steif-depressive Periode hin. Mug sofort auf die unruhigste Abteflung ins Dauerbad gebracht werden, dort sehr laut, poltert st~ndig mit den Fausten gegen die W~nde der Badewanne, schreit, klatscht in die Hande, stark ideen- flfichtig, scheint lebhaft zu halluzinieren. Am 1. II. 1926 Beginn der Dialkur. Zwischen den Schlafzeiten sehr laut, weint, laeht, sehimpft durcheinander, fahrt im Bet t herum, zupft am Bettzeug herum, in fast best~ndiger motorischer Er- regung. - - Letzte Injektion von 0,4 Dial ~-0,02 Pavon ~-0,0003 Scopolamin am 9. II. 1926 abends 7 Uhr 25 Min. - - Schl/~ft in der Nacht 6 Stunden, ist nachher stark benommen und ataktiseh, sucht aber best~ndig zu sprechen. Am 10. II . motoriseh hoehgradig erregt, singt, pfeift, wirft das Bettzeug herum, zerrei$t das Hemd. In der Naeht vom 10. bis 11. II. keinen Augenblick Schlaf, schimpft und flueht sehr laut, turnt naekt auf der blol3en Matratze herum, st513t mit F~usten und Ffil3en dagegen, halluziniert lebhaft, hSrt schiel3en, geht viel aufler Bett und sucht den anderen Patienten das Bettzeug zu zerreif3en. Am 12. II. im Laufe des Vormittages Umschlag (60 Stunden naeh der letzten Injektion) spricht noch etwas viel und ist leicht ablenkbar, aber ruhig, halluziniert nieht mehr, in der Nacht vom 12. bis 13. tiefer Schlaf, am 13. ganz klar und geordnet, hat grol3en Appetit, erklart spontan, ,,es habe ibm gebessert". Nur vorfiber-

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gehender Erfolg, in den n~ehsten Woehen Wechsel zwischen depressiven und hypomanischen Tagen, kann immerhin auf der halbruhigen Abteilung gehalten werden. Eine weitere Dialkur vom 18.--26. II. ~ndert niehts an diesem Bfld, vom 11. III. an wieder in st~rkster maniseher Erregung, wird auf die unruhigste Abteilung versetzt. Dort in den folgenden Monaten ununterbroehen tobsiiehtig, einer der unruhigsten Patienten der ganzen Anstalt.

Daraufhin 4. Kur: Beginn am 10. VI. 1926. - - Letzte Injektion yon 0,4 Dial am 18. VI. abends 6 Uhr 50 Min. - - Schl~ft ia der Naeht 91/2 Stunden, am Morgen des 19. VI. noeh etwas benommen, wird aber bald sehr laut, pfeift und grShlt, schl~ft in der Nacht vom 19. bis 20. gar nieht, ist in best~ndiger moto- riseher Unruhe, sehl~gt mit der Faust an die Wand und auf die Betkleeke, paekt das Bettzeug zu einem Kn~uel zusammen, reiBt mit einem l~uck die Wandleiste los, sucht des Herod zu zerreiBen. Am 20. VI. fiber Tag des gleiehe Bfld, gegen Abend etwa~ ruhigcr, sehl~ft aber in der Nacht vom 20. bis 21. nut 2 Stunden, ist viel auBer Bert, spricht laut, nestelt am Bettzeug herum. Gegen Morgcn plStz- licher Umschlag (ca. 55 Stunden naeh der letzten Injektion), wird still, ist am 21. VL ruhig, wortkarg, etwas ruppig, macht leieht depressiven Eindruek. Bleibt w~hrend des folgenden Intervalles yon 2 Monaten steif-gehemmt, sprieht wenig, queruliert gelegentlich.

Es kann kein Zweifel dariiber bestehen, da~ diese Fortdauer der manischen Erregung w~hrend der Kur und fiber diese hinaus sowie der sp~tere plStzliche Umschlag nieht mit einer Ausschaltung innerer und ~uBerer t~eize, mit einer zentralen An~sthesierung in Zusammen- hang gebraeht werden kann. Des zuf~llige Zusammentreffen mit einem spontanen Ablauf des Schubes ist ferner in Anbetraeht der Zahl meiner Beobachtungen xficht wahrscheinlieh. Es muff deshalb eine pharma. kologische Umstimmung des Organismus dutch das Medilcament an. genommen werden, die erst einige Zeit nach Beendigung der Kur ein- tritt. Besteht diese Auffassung zu l~eeht, so h~tten w i r e s mit einer spezifisehen Wirkung des Dials auf den manischen Anfall zu tun, wobei seinen hypnotisehen Eigensehaften mSglicherweise nur eine sekund~re I~olle zuk~me. Wir n~hern uns damit der Theorie Schildersl), wonaeh jede psychische Giftwirkung eine spezifisehe sei, d .h . mit einem be- stimmten psychischen System in Beziehung stehe. Schon MSllenho]] 2) hat die versehiedene eharakterologisehe Wirkung einzelner t typnotica betont, die motorisehe B~ndigung des Seopolamins, die dumpfe Sehl~f- rigkeit des Luminals und die 5ffnende und gl~ttende Wirkung des Somnifens. Schilder fiihrt ferner die schizophrenie~hnlichen Bilder des Meskalinrausches an, die Beziehungen des Cocains und des Alkohols zur Homosexualit~t, diejenige des ParMdehyds zum epileptisehen D~mmerzustand. Wenn er freilieh die Vermutung aussprieht, Somnifen kSnnte naeh den Kl~ischen Erfahrungen ein Specifieum fiir des System

1) p. Schilder, Zur Lehre yon den Amnesien Epileptischer, yon der Sehlaf- mittelhypnose und vom Gedaehtnis. Arch. f. Psych. ~ 2 . - Entwurf einer Psych- iatrie auf psychanalytiseher Grundlage. Int. Psyehan. Bibliothek 1925, Nr. 17.

~) M61l~nhoff, 1. c.

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Schizophrenic sein, so kann ich ihm hier aus verschiedenen Grfinden nicht beipflichten. Einmal kann wohl kaum von einem einheitliehen ,,System Schizophrenie" gesproehen werden und dann spreehen meine eigenen Erfahrungan wie auch wohl diejenigen der meisten andern Autoren, die sich mit diesem Gebiet besch~ftigt haben, durehaus fiir eine unspezifisehe Wirkung des Somnifens bei Sehizophrenen und fiir ein Uberwiegen der sekund~ren, mit der Kur in Zusammenhang stehen- den psychischen Einfliisse. Mit viel mehr Reeht wiirde man das Som- nifen, zusammen mit dem Dial, als Specificum ffir das zudem an sieh, wohl auch ganetisch, viel einheitlichere System des manisehan Anfalles bezeichnen diirfan. Ob eine solche Spezifit~t der Barbiturs~urederivate angenommen werden darf, und ob ferner, was ich nieht ffir unwahr- scheinlich halte, die Hypnose im Sinne dar aigentlichen Heilwirkung ein blo$ koordiniertes Symptom ist, liaBe sich durch die Faststellung kl~ren, ob andere, pharmakologisch differente Hypnotiea, die gaeignet sind, ainen Dauerschlaf yon gleicher IntensitKt zu erzeugen, bei mani- schen Schiiben ebenfalls eine derartiga umstimmende und nicht nur sedative Wirkung entfalten. Von systematischen Varsuchen bai Ma- nischen sind mir nur diejenigen yon Kohn 1) bekannt, dam as mit hohen Bromdosen gelungen ist, manische Phasen zu unterdriicken. Wieweit es sich dabei aber wirklich um aine Umstimmung in unserem Sinne und nieht blo$ um eine D~mpfung der Erregung gehandelt hat, geht aus den betreffenden Mitteilungen nicht deutlieh hervor. Zudem ist Brom ein Sedativum, der eigentliche Dauerschlaf f~llt hier wag. Da- gagan k6nnten Versuehe mit der rectalen Paraldahydnarkose nach Wiethold 2) oder der Trionalkur Wol]]s3), des eigentlichan Begriinders dar Dauersehlaftherapie, hiar weiter fiihren, bei denen sowohl die Ba- dingung einer richtigen Dauernarkose wie auch der pharmakologisehen Verschiedenheit yon der Barbiturs~uregruppe vorhanden ist.

Weitere Anhaltspunkte fiir die Wirkungsweise der Dialkur ergeben sich aus der Fraga, ob es Medikamente gibt, die ohne hypnotisehe Eigenschaften ebenfalls den manischen Anfall zu coupieren vermSgen. Hier sind die Versuche Hitzigs 4) zu erw~hnen, dar auf Grund der l~ngst iiberwundenen Meynertsehen Zirkulationstheorie manisehe und depressive Phasen mit Atropinkuren behandelte. Seine sparer durch

1) R. Kohn, Uber Coupicrung yon Anf~llen chronisch Geisteskranker durch Chinininjektionen und Bromkali. Arch. f. Psych. II. 1881.

2) F. Wiethold, Die Anwendung der Dauernarkose bei Geisteskranken. Mfinch. reed. Wochenschr. 1924, H. 42.

3) O. Wol]], Trionalkur (Dauernarkose). Zentralbl. f. Nervenheilk. u. Psych- iatrie 1901 u. 1907; diese Zeitschr. 94. 1925.

4) E. Hitzig, l~ber die nosologisehe Auffassung und fiber die Therapie der periodischen GeistesstSrungen. Berl. klin. Wochenschr. 35. 1898.

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Beeli tz 1) zum Teil best/~tigten Ergebnisse sind insofern bemerkenswert, als nach den in extenso mitgeteilten Krankengeschichten wenigstens in 2 F/s yon periodischer St5rung mit vorwiegend manischer F/~rbung die Anf/~lle durch dauernde Atropindarreichung vollst/~ndig znm Ver- schwinden gebracht werden konnten.

Bei flfichtiger Betrachtung scheinen diese Erfolge mit Atropin, die offenbar in erster Linie auf einer Beeinflussung des vegetativen Tonus beruhen, allerdings keine Beziehung zu unserer Dialwirkung zu be- sitzen. Nun ist es aber durchaus nicht ausgemacht, dal~ die letztere sich ausschliei31ich auf die Gehirnrinde beschr/inkt und nicht auch vegetative Zentren mitbetrifft. Daffir spricht das beim Dial wie beim Somnifen h/iufige Auftreten yon zentral bedingtem Fieber, Ierner das Erbrechen als Vagussymptom2). Die Narkose selbst zeigt groi~e J~hn- lichkeit mit dem Schlaf bei Encephalitis lethargica; bier wie dort sind die Patienten bei mittlerer Schlaftiefe jederzeit zu wecken. Man wird deshalb an eine direkte Beeinflussung des Schlafzentrums denkml diirfen. Bei einem sp/~ter noch n/~her zu besprechenden Schizophrenen t ra ten ferner im Anschlul] an die Kur verschiedene ausgesprochen vegetative Symptome auf. Endlich sei noch an folgendes erinnert: W u t h 3) hat kfirzlich die Theorie sehr einl/~f~lich begriindet, wonach es sich beim Morphinismus in der Gew6hnung und Abstinenz haupt- s/~chlich um Erscheinungen des vegetativen Nervensystems unter Mitbeteiligung des endokrinen Systems handelt. Er erinnert daran, dab zur Bekgmpfung der Abstinenzerscheinungen die gewShnlichen Hypnot ica mit ihrer vorwiegend auf die Hirnrinde gerichteten Einfluf~- nahme sehr h/iufig vSllig wirkungslos bleiben, w/ihrend andererseits die sog. , ,Fiebernarkotica" wie Aspirin, Pyramidon usw. mit ihren zweifellosen Beziehungen zu den vegetativen Zentren oft iiberraschend gute Dienste leisten. Nun unterscheiden sich in dieser Beziehung gerade Dial und Somnifen wesentlich yon andern Narkotica. Sanch i s -Ban l t s 4) berichtet fiber eine ganze Reihe yon Erfolgen mit Somnifen bei Mor- phiumentziehungskuren. Ebenso sahen JuliusburgerS), de Vera 6) und Collier-Colvin 7) in F/illen von schwerstem Morphinismus, bci denen

1) Beelitz, Systematische Atropinkuren bei periodischen Geistesst6rungen. .~lg. Zeitschr. f. Psychiatrie u. psychisch-gerichtl. Med. 61. 1904.

2) Klgisi hat beim Somnifen den erbrochenen Mageninha|t erfolglos auf rei- zende Substanzen untersuchen lassen. Vgl. auch die h/~ufig sehr prompte Gegen- wirkung des Atropins!

a) O. Wuth, Uber Probleme des Morphinismus. Diese Zeitschr. 96. 1925. 4) j . Sanchis-BanCl.s, La cura de la narcosis durandera por el Somnifen.

Valencia 1923. ~) Juliusburger, 1. c. 6) de Vera, 1. c. 7) j . Collier-Colvin, Two cases treatted with Dial under the care. The Med.

Press & Circ. 1924, Nr. 4466.

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mit fltissigem Dial bei Psychosen, speziell bei manisch-depressivem Irresein. 541

alle andern Schlafmittel versagt hatten, iiberraschende Wirkungen mit Dial. Der letztgenannte Autor berichtet fibrigens auch von einem Falle hartn~ckiger Schlaflosigkeit nach Encephalitis lethargica, der ebenfalls nur auf Dial reagierte. Wuth bringt ferner auch das Problem der Sfich- tigkeit und der GewShnung beim Morphinismus in Beziehung zum vegetativen System und erw~hnt, dab auch bei den ,,Fiebernarkotica" derartige Erscheinungen bekannt sind (AntipyringewShnung, Pyramido- nismus). Gerade bei Dial findet sich aber ebenfalls nicht selten Siich- tigkeit [Christo//el l,2) ].

Zusammenfassend kann deshalb gesagt werden, dab in der Dauer- narkose bei reinen und schizophrenen Manien scharf zwischen einer blol] sedativen Wirkung, wahrscheinlich im Sinne einer zentralen An~sthesie nach Kldsi , und einer eigentlichen Umstimmung, die dutch die letztere nicht erkl~rt werden kann, unterschieden werden mu~. Dieser umstimmende Modus ist bei der Dialkur der weitaus hi~ufigere und meist auch erfolgreichere. Ob es sich dabei um eine spezifische Be- ziehung des Dials bzw. der Barbiturs~urederivate zum manischen Anfall handelt, mu$ dutch weitere Versuche mit pharmakologisch differenten Schlafmitteln abgekl~rt werden. Gewisse Anhaltspunkte bestehen ferner, dai~ diese Umstimmung auf einer Beeinflussung des vegetativen Nervensystems, auf einer vegetativen Tonus~nderung beruhen kSnnte, ~hnlich wie beim Atropin, wozu die Auffassung der manisch-depressiven Affektsehwankungen als Syndrom des Hirnstammes [Kleist3)] nicht fibel stimmen wfirde. Die hypnotisehe Wirkung des Medikamentes w~re in diesem Falle nur als eine koordinierte Nebenerscheinung zu betrachten, die aber als Indizium fiir die momentane Wirkung des Mittels und damit ffir die Dosierung ihre Bedeutung behalten wfirde. Experimentelle Stoffwechseluntersuchungen bei Dauernarkosen an Tieren kSnnten hier vielleieht weiter ffihren.

Bei der Schizophrenie endlieh wird, abgesehen yon den manisch gef~rbten Schiiben, nach wie vor die psychische Beeinflussung bei der Dauerschlafbehandlung im Vordergrund stehen. Freilich kSnnten auch hier gelegentlich direkte pharmakologische Wirkungen mit hinein- spielen, vielleicht im Sinne einer Verschiebung der primitiven Affek- tivit~t und Triebhaftigkeit, die neuerdings ja auch in Beziehung zum Hirnstamm gebraeht werden (Kleist u.a.). Die folgende Beobachtung 1/~f~t jedenfalls an so etwas denken:

1) H. Christo//el, 1. c. 2) Nicht ohne Interesse in diesem Zusammenhang ist ein Fall, den ich kiirz-

lich zu beobachten Gelegenheit hatte, bei dem eine manische Attacke nach einer aus anderen Grtinden gegebenen mittleren Dosis yon Aspirin abklang. Das propter oder post hoc bleibt freflich fraglich.

3) K. Kleist, Die gegenw~trtigen StrSmungen in der Psychiatrie. Allg. Zeit- schr. f. Psychiatrie u. psych.-gerichtl. Med. 82. 1925.

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U.R., 31 Jahre. Seit 10 Monaten ununterbrochen schwerster katatoner Aufregungszustand mit leicht manischer Fi~rbung. Verbigeriert, motorisehe Stereotypien, halluziniert massenhaft. Vom 30. III. bis 11. IV. 1925 Dialkur. Naeh dem Erwaehen ruhig, aber sehr gereizt und geladen, sehimpft fiber die Injektionen. Negiert Halluzinationen. Naeh 2 Tagen pl6tzlieher Umschlag in eine steife Depression, li~$t den ganzen Tag wortlos die Tr/~nen herunterlaufen, mutazistisch, l~l]t sich zu Boden fallen, wenn er aufstehen soll. Nach weiteren 2 Tagen sehwerste katatone Erscheinungen organischen Charakters: Liegt vSUig steif im Bert, Maskengesicht, Flexibilitas cerea, profuse Schweiflausbrfiche, Hyper- sekretion des Speiehels, der ibm st/indig aufs Kissen hinuntertropft, kongestio- nierter Kopf, Pro~usio bulbi. Nahrungsverweigerung. W~hrend 4 Tagen in diesem Zustand, dann plStzliehes Aufwachen, wird zugi~nglieh, freundlich, iflt spontan. Geht vom folgenden Tag an regelm/~Big zur Arbeit, bleibt dabei noch etwas steif und gehemmt, negiert aber Halluzinationen vollstiindig. Nach 2 Monaten neuer Sehub.

Atfff/~llig ist der kurzfristiges Wechsel des'Zustandsbildes in direktem AnsehluB an die Kur mit dem Hervortreten vegetativer St5rungen, bei Fehlen irgendwelcher psychotherapeutischer Beeinflussungsversuche.

Zum Sehlusse mSehte ich mich fiber den praktischen Wert des Dauerschlafes bei manischen Sehiiben eher zurfickhaltend /~uBern. Abgesehen yon der auch mit Dial nicht absolut gefahrlosen Methodik, handelt as sieh doch immer nur um eine Abkfirzung des einzelnen Sehubes, wobei zudem das naehfolgende freie Intervall nicht selten an Qualit/~t und Dauer beeintr/~chtigt wird. Immerhin ist diese Verkfirzung namentlich bei langdauernden Schfiben oft eine recht wesentliche Erleichterung, aueh in anstaltstechniseher Beziebung. Aueh scheint mir der wissenscha/tlich-theoretische Weft dieser Versuche betr/~eh~lich, namentlieh bei Weiterveffolgung in den angegebenen Riehtungen.

C. Zusammenfassung.

1. An 33 F/~llen wurden 54 Dauerschlafkuren mit flfissigem Dial durchgeffihrt. Es handelte sieh dabei in teehnischer Hinsieht um die Erprobung der Eignung des Dials zur Erzeugung des Dauerschlafes, in therapeutiseher um Priifung der in meiner Arbeit fiber Somnifen auf- gestellten Indikationen (manisch-depressives Irresein, manische Phasen bei Schizophrenen, katatone Aufregungszust/s Im ttinbliek auf die Ietzteren wurde das Material in 2 Gruppen, indizier~e (22) und nieht- indizierte (11) F/~lle eingeteilt.

2. In technischer Beziehung zeigte sich das Dial dem Somnifen insofern iiberlegen, als weniger und namentlieh weniger gefi~hrliche Komplikationen auftraten. Es ergab sich die Regal, li~ngere zusammen- h/~ngende Schlafperioden (fiber 12 Stunden) zu vermeiden, als besonders gef/~hrdet erwies sich in dieser Hinsieht die Zeit vom 3. bis 5. Kurtag.

3. Der therapeutische Erfolg best/~tigte die ffir die manischen Phasen aufgestellte Indikation, und zwar vor al]em fiir reine Manien (85%

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Erfolg - - 60 % dauernder Erfolg im Sinne einer vollst~ndigen Coupierung des Anfalles mit naehfolgendem freiem Intervall). Bei schizophrenen Manien waren die Ergebnisse unsicherer und schienen in gewissen Beziehungen zu stehen zu den kSrperbaulichen Verh~tltnissen, insofern pyknische Schizophrene besser reagierten als asthenische. 4 F~lle yon Depression (worunter allerdings keine reine Melancholie) verhielten sich refrakt~r, von 3 F~llen akuter katatoner Erregung zeigte nur einer einen voriibergehenden Erfolg.

4. Bei den erfolgreichen Kuren war in einer grSSeren Anzahl von Fgllen das nachfolgende freie Intervall sowohl in bezug auf Qualit~t wie auch Dauer gegen~ber dem spontanen Ablauf beeintrKchtigt.

5. Bezfiglich der Wirkung des Dauerschlafes ergab sich die Not- wendigkeit einer seharfen Trennung zwischen einer blo$ sedativen Beeinflussung, bei der wohl der Mechanismus einer zentralen AnKsthesie und einer Unterbrechung des Circulus vitiosus zwischen Affekterregung - - motorischer Agitiertheit - - verstgrkter Affekterregung anzunehmen war, die meist nur zu einem voriibergehenden Erfolg fiihrte, und andererseits einer viel hgufigeren, erst 2--3 Tage nach Beendigung der Kur einsetzenden, zu einem dauernden Erfolg ffihrenden Um- stimmung. Beziiglieh der letzteren ergaben sieh gewisse Anhaltspunkte fiir die Annahme einer pharmakologiseh spezifischen Wirkung des Medikamentes, mSglicherweise auf dem Wege des vegetativen Nerven. systems. Die Frage, ob der Sehlaf dabei eine notwendige Voraus- setzung fiir den Erfolg bedeutet, oder ob er nur eine koordinierte Neben- erseheinung darstellt, muBte often gelassen werden.