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(Vom Physiologischen Institut der Universit~t Oslo. -- Chef: Prof. Dr. S. Torup.) Die Milchs~iurebfldung bei statischer YIuskelarbeit und bei lokaler Asphyxie*. Von Otto Jervell. (Eingegangen am 28. September 1931.) In seiner bekannten Arbeit ,,Untersuchungen fiber statische 1Yluskel- arbeit" land Lindhard 7 (1920), ,,dal~ die Sauerstoffaufnahme w~hrend der Arbeit auffallend wenig zunimmt, w~hrend unmittelbar nach Be- endigung der Arbeit eine bedeutende Stoffwechselsteigerung vorliegt". Auf Grund seiner Versuchsresultate nahm Lindhard an, ,,dab die statisch kontrahierten Muskeln dem Blutstrom ein mechanisches I-Iin- dernis entgegensetzen, daI3 die statische Muskelarbeit daher in grol~er Ausdehnung anaerob ist und dab die bei statischer Muskelarbeit schnell auftretende starke ]~rmiidung yon einer Anh~ufung yon Milch- s~ure in den arbeitenden Muskcln herriihrt". Cathcart, Bedale und Mc- Callum 1, Dusser de Barenne und Burger 3 haben jedoch keine Steigerung im Sauerstoffverbrauch nach statischer Muskelarbeit nachweisen kSn- nen. Kektscheew und Braitzewa ~ haben dies bei einzelnen ihrer Versuche beobachtet, betrachten es abet nut als die Folge davon, dab der Brust- kasten w~hrend statischer Arbeit fixiert wird. hTach beendeter Arbeit steigt die Lungenventilation und Sauerstoffaufnahme..Marschak s, der, fibereinstimmend mit Lindhard, eine bedeutende Steigerung des Sauer- stoffverbrauches findet, h~ilt es ffir ausgeschlossen, dal3 diesc Erschei- nung durch gehemmte Respiration wKhrend solcher Arbeit verursacht sein kann. Marschalc ffihrt ferner an, dab ,,die allm~hliche Zunahme des Milch- s~uregehaltes im Blur bei statischer und bei dynamischer Az'beit durch verschiedene Prozesse verursacht wird: bei dynamischer entsteht eine Anh~ufung der Milchs~,ure in den Muskeln, weft ein grSi]erer Oa-Ver- brauch als es dem 02-AufnahmevermSgen der betreffenden Person ent- spricht, stattfindet. Die Anh~iufung der Milchs~ure in den statisch * Die Unt~rsuchungen wurden ausgefiihrt mit finanzieller Beihilfe der A/S Freia Chokoladefabriks medizinischem Fond.

Die Milchsäurebildung bei statischer Muskelarbeit und bei lokaler Asphyxie

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Page 1: Die Milchsäurebildung bei statischer Muskelarbeit und bei lokaler Asphyxie

(Vom Physiologischen Institut der Universit~t Oslo. - - Chef: Prof. Dr. S. Torup.)

Die Milchs~iurebfldung bei statischer YIuskelarbeit und bei lokaler Asphyxie*.

Von

Otto Jervell.

( Eingegangen am 28. September 1931.)

In seiner bekannten Arbeit , ,Untersuchungen fiber statische 1Yluskel- a rbei t" land Lindhard 7 (1920), ,,dal~ die Sauerstoffaufnahme w~hrend der Arbeit auffallend wenig zunimmt, w~hrend unmit te lbar nach Be- endigung der Arbeit eine bedeutende Stoffwechselsteigerung vorliegt". Auf Grund seiner Versuchsresultate nahm Lindhard an, ,,dab die statisch kontrahierten Muskeln dem Blutstrom ein mechanisches I-Iin- dernis entgegensetzen, daI3 die statische Muskelarbeit daher in grol~er Ausdehnung anaerob ist und dab die bei statischer Muskelarbeit schnell auftretende starke ]~rmiidung yon einer Anh~ufung yon Milch- s~ure in den arbeitenden Muskcln herri ihrt". Cathcart, Bedale und Mc- Callum 1, Dusser de Barenne und Burger 3 haben jedoch keine Steigerung im Sauerstoffverbrauch nach statischer Muskelarbeit nachweisen kSn- nen. Kektscheew und Braitzewa ~ haben dies bei einzelnen ihrer Versuche beobachtet , betrachten es abet nut als die Folge davon, dab der Brust- kasten w~hrend statischer Arbeit fixiert wird. hTach beendeter Arbeit steigt die Lungenventi lat ion und Sauers toffaufnahme. .Marschak s, der, fibereinstimmend mit Lindhard, eine bedeutende Steigerung des Sauer- stoffverbrauches findet, h~ilt es ffir ausgeschlossen, dal3 diesc Erschei- nung durch gehemmte Respiration wKhrend solcher Arbeit verursacht sein kann.

Marschalc ffihrt ferner an, dab ,,die allm~hliche Zunahme des Milch- s~uregehaltes im Blur bei statischer und bei dynamischer Az'beit durch verschiedene Prozesse verursacht wird: bei dynamischer ents teht eine Anh~ufung der Milchs~,ure in den Muskeln, weft ein grSi]erer Oa-Ver- brauch als es dem 02-AufnahmevermSgen der betreffenden Person ent- spricht, stattfindet. Die Anh~iufung der Milchs~ure in den statisch

* Die Unt~rsuchungen wurden ausgefiihrt mit finanzieller Beihilfe der A/S Freia Chokoladefabriks medizinischem Fond.

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O. Jervell: Die Milehs~urebildung bei st~tischer Muskelarbeit. 151

k o n t r a h i e r t e n Muskeln is t du rch die beh inder t e B l u t z i r k u l a t i o n und du rch den h ie rdurch en t s t ehenden O2-Mangel v e r u r s a c h t . "

Auch Riabuschi~sl~y 9 e rw~hnt ebenfal ls , dab Z u n a h m e des Milch- ~ iuregeha l tes im Blur fiir s ta t i sch a rbe i t ende Muskeln , ,vorzugsweise durch S tauungse r sche inungen und eine ungenf igende Sauers to f fzufuhr zu den Muskeln bed ing t w i r d " . I n e iner sp~iteren A r b e i t l~ f i ihr t derse lbe Verf. an, dal3 die Mi lchs~urebi ldung bei s t a t i sche r A r b e i t wahrschein- l ich d i r ek t yon d e r ' d y n a m i s c h e n A r b e i t abh~ngig ist . J ede s ta t i sche A r b e i t i s t m i t e iner gewissen d y n a m i s c h e n ve rbunden .

W~re nun die A n n a h m e r icht ig , d a b die Z u n a h m e der Milchs~ure bei s t a t i sche r A r b e i t nu r d u r c h beh inde r t e B l u t z i r k u l a t i o n ve ru r s a c h t ist , so mfil]te m a n e rwar ten , d a b m a n bei beh inde r t e r B l u t z i r k u l a t i o n bei s t a t i sehe r Arbei~ ke ine Ve rmehrung der Milchs~ure des Blu tes im Ver- h~l t~is zu d e m Geha l t des Blu tes be i de rse lben A r b e i t ohne S t a u u n g f inder .

U m ~ a r z u s t e l l e n , ob dies de r Fa l l ist , s ind B e s t i m m u n g e n der Milch- s i u r e v o r g e n o m m e n in d e m ven6sen Blur yon e iner i so l ie r ten Muskel . g ruppe (Arm) be i gesunden Versuehspersonen vor u n d nach s t a t i s ehe r Muske la rbe i t bei b e h i n d e r t e r und freier Z i rku la t ion . Z u m Vergleieh i s t auch die B e s t i m m u n g der Milchs~ure im Blu t naeh loka le r As- p h y x i e bei R u h e vo rgenommen .

Methodilc.

Als Versuchspersonen wurden medizinische Studenten bcnutzt. Die Blut- probe wurde in si~mtliehen Fiillen der Ven. cubit, entnommen. Die Milchsiure ist nach einer vorher angegebenen Methode 5 festgestell~. Die Blu*proben wurden nach wenigstens 1/2 Stunde l~uhe genommen. Versuehsperson 6 zeigte trotzdem eine relativ hohe Milchsiurekonzcntration im Blut (Tab. 1). Er hatte eine krMtige, gut entwiekelte Muskulatur. Um die ~uskulatur zu entspannen und die Bhlt- zirkulation zu fSrdern, wurde der Arm vor den spateren Versuchen (Tab. 2 u. 3) 5 Minuten lang in Wasser yon 37--38 ~ eingetaucht. Hiernach land man eine konstante Milchsiurekonzentration yon 32 mg %. Das AufhOren tier Blutzirkula- tion wurde dureh Kompression des Oberarmes mi~ einem gewShnlichen Riva- Rocci-Blutdruckapparat herv0rgerufen. Bei simflichen Versuchen wurde in der Manschette ein Druck yon 130 mm Hg angewandt. Der systolische Blutdruck bei den Versuchspersonen lag zwisehen 110 und 120 mm gg. Die Btutprobe wurde einige Sekunden, naehdem die Blutzirkulation wieder einsetzte, genommen. Da- dutch hat man zu umgehen gesuch~, das Blut zu bekommen, alas in den grol3en Venen distal zur Manschette gestanden hatte.

Die statische Arbeit bestand darin, mit ganz ausgestrecktem Arm und mit der Hand in Supinationslage eincn Gummischlauch (Diameter 32 ram) zusammen zu drticken und ihn gegcn einen gewissen Widerstand zusammengeprel3t zu halten. Der Gummischlauch wurde mit einem Quecksilbermanometer in Verbindung gesetzt. Die in der Tabelle angeffihrten Werte geben den Druck an, der wiihrend der statiseben Arbeit in dem Gummischlaueh geherrscht hat. In einem Fallo Warde Goltln, Dynamometer angewandt. Si~mtliehe Versuehe wurden ausgefiihrt, bis Ermiidung eintrat. Die Blutproben sind unmittelbar naeh AbschluB der Arbeit genommen.

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152 O. Jervell:

Milchsgurekonzenlration in ven68em Blut yon dem Unterarm bei Ruhe vor und nach behinderter Btutzirkulat ion.

DaB behinder te B lu tz i rku la t ion eine Steigerung des v o r h a n d e n e n Milchss des Blutes verursachen k a n n , ist seit l angem be- k a n n t u n d sell hier n i ch t nhher erSrter t werden. D i e Resu l ta te yon eigenen Versuchen gehen aus Tab. 1 hervor. Dor t sieht man, dM3 d ie Z u n a h m e der Milchs~urekonzentra t ion ira ven6sen Blur bei den Ver. suchen am grSgten ist, we die Asphyxia 5---6 Minu ten dauerte . Beim Berechnen der Konzen t ra t ionss te ige rung der Milehsgure in Mil l igramm- prozent per Minute wird m a n sehen, dab diese Steigerung sehr ver~nder- lich ist, yon 0,77--2,60 mg pro 100 ccm pro Minute.

Tabelle 1. I

Vet- Dauer [ Milel~iurekonzentrat!on im Blur in ing%

suchs- der Stase | V e t der AufhSren . Z u n a h m e person in hfin. [ Stase der Stase D2fferenz pro 31in.

1~

3. 5. 6. 4. 6. 2. 3.

5 5 5 6

10 13 15 15

32 25 25 35 28 39 30 32

39 33 32 42 54 49 56 44

7 8 7 7

26 10 26 12

1 , 4 0 1,60 1,40 1,17 2,60 0,77 1,73 0,80

Max. 2,60 Min. 0,77

Milchsdurekonzentration in ven6sem .Blur veto A r m v o r u n d nach statische~ Arbeit der Fingermuslceln ohne Au/hebung der Blutzirlculation.

Nach stat ischer Muskelarbei t ohne behinder te Blu tz i rku la t ion ist die Hyper lac tac idgmie , wie es aus Tab . 2 hervorgehen wird, gr6ger, mi t

Tabelle 2.

Ver- Buohs- person

6.

6. 6.

A r m

Rechter

Linker Rechter

Versuchs- dauer in S ta t i sehe

Min. Arbe i t

Collins Dyna lnom.

i 10 kg Manometer

, i 20 mm Hg 13 I10 ,, ,,

[5 . . . .

Milchsi iurekonzentra t ion im Blu r in rag%

AufhSren Vor der der K e n - Differenz

Kont rak t ion t r ak t i on

25 41 16

Zllnahl:[l~ pro Min.

I 3,20

32 32 32

65 60 44

33 I 28 [ 12

5,50 2,15 0,91

Max. 5,50 Min. 0,91

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Die Milchs~urebildung bei statiseher Muskelarbeit und bei lokaler Asphyxie. 153

einer Konzentrat ionszunahme, die yon 0 ,91- -5 ,50mg% pro Minute variierb. Eine kurzdauernde maximale Konzentrat ion verursacht eine gr6Bere Steigerung a]s eine gemSBigte Arbeitsleistung yon l ingerer Dauer.

Milchs~iurekonzentration in venSsem Blut vom Arm vor u ~ nach 8ta- tischer Muskelarbeit mit gleichzeitig behinderter Blutzirl~ulation.

Eine bedeutend grSBere Bildung yon :M]lchs~ure finder s tat t , wenn die statische Arbeit gleichzeitig mit behinderter Biutzirkulation aus- gefiihrt wird (Tab. 3).

Tabelle 3.

~rer. suchs- person

Arm

6. Reehter

6. Linker

dauer in Min.

]

Milchs~iurekonzentration im Blur in rag%

Statische [ Vor der Arbeit I K~176

Manometer ] 6V4 2 0 m m H g 32 8 10 . . . . 32 6 10 . . . . 32 8 5 . . . . 32

AufhSren der Kon- Differenz traktion

80 48 77 45 68 36 59 27

Zunahme pro ~in.

7,68 5,63 6,00 3,38

Max. 7,68 Min. 3,38

Wenn also in diesen Versuchen eine gr6Bere Milchs~urekonzentra- tion im Blut gefunden wird nach statischer Muskelarbeit als bei behin- der ter Blutzirkulation ohne Muskelkontraktion und die gr6Bte Hyper- lactaeid~mie nach Versuchen, wo s t a t i s e h e Muskelarbeit unter be- hinderter ]~lutzirkulation ausgefiihrt wurde, so daft man daraus sehlies- sen, daft in statisch kontrahier ten Muskeln Milchs~ure produziert wird. Die Steigerung kann nicht, oder nur zum Teil, von behinderter Blut- zirkulation herriihren.

Dolgin und Lehmann 2 finden, dab krs Druck am Collinsehen Dynamomete r bei abgeklemmter Braehialarterie ebenso lange aus- gefiihrt werden kann wie bei freier; geringerer Druek dagegen nur dutch kiirzere Zeit. Hieraus wird yon den Verff. gesehlossen, dab dutch kr~ftige Dauerkontrakt ionen eines Muskels die Blutzirkulation vollkommen abgedrosselt wird. Dies kann insofern mi t meinen Versu- ehen tibereinstimmen, als auch hier die Ermiidung w~hrend bedeutender statischer Arbeit bei behinderter Blutzirkulation nicht friiher eintrat als bei freier (Tab. 2 und 3). Die Milchsiiurekonzentration im Blute war jedoeh am grSBten bei Versuehen mit komprimierender Binde der Oberarme.

Man mul~ hieraus sehliel]en, dal~ selbst lo'i/ftige Dauerkontrakt ionen die Blutzirkulation nieht ganz aufheben. Bei statiseher Arbeit unter

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behinder ter Blutz i rkula t ion ist die Zunahme der Milchss tells du tch die Asphyxie verursacht , tells aber dadurch, dal) sich w~hrend der Muskelarbeit Milchsiiure bildet.

Es ist aber auch in diesen Versuchen auffallend, wie gering die Steigerung in der Milchs~urekonzentrat ion im Blur nach stat ischer Muskelarbeit im Vergleieh mi t der Steigerung n~eh dynamischer A t - belt ist a.

Z u s a m m e n ] a s s u n g .

1. U m die Frage zu erleuehten, ob die Milchs~urebildung bei stati- scher Muskelarbeit durch behinderte Blutzirku]at ion verursacht oder durch Kon t r ak t ion erzeugt wird, wurde die Milehss in dem ven6sen Blur yon einer isolierten Muskelgrulal0e (Arm) vor und nach stat iseher Muskelarbeit bei behinder ter und freier Zirkulat ion best immt.

2. Es ergab sieh, dab bei stat ischer Muskelarbeit ohne Aufhebung des Kreislaufes die M i l e h s ~ u r e k o n z e n t r a t i o n im Blur grSl3er Jst als bei Stase ohne Muskelkontrakt ion. Bei stat ischer Muskelarbeit und gleich- seitig behinderter Blutz i rkulat ion wird eine bedeutend gr6f~ere Milch- s~iurekonzentration gefunden.

3. Bei stat ischer Muskelarbeit wird die Milehs~ure nieht allein durch behinderte Blutzirkulat ion verursacht .

4. Es gibt keine ~be re ins t immung zwischen Ermf idungssymptomen und der Milchkonzentrat ion im Blute.

Literaturverzeiehnis. 1 Cathcart, Bedale u. McCallum, J. of Physiol. 57, 161 (1923). - - ~ Dolgin u.

Lehmann, Arb.physiol. 2, 248 (1929). - - 3 Dusser de Barenne u. Burger, Pfliigcrs Arch. 218, 239 (1928). - - a Jervell, Act~ reed. scand. (Stockh.) Suppl. 24 (1928).

Jervell, Biochcm. Z. 235, 101 (1931). - - 6 Kektscheew u. Braitzewa, Arb.physiol. 2, 526 (1930). - - 7 Lindhard, Skand. Arch. Physiol. (Berl. u. Lpz.) 40, 145 (1920). - - s Marschak, Arb.physiol. 4, 1 (1931). - - 9 ~iabuschinsky, Biochem. Z. 193, 161 (1928). - - lo Riabuschinsky, Pfltigers Arch. 226, 79 (1931).