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Albrecht v. Graefes Arch. klin. exp. Ophthal. 174, 197--211 (1968) Die Netzhautcapillaren im Fluorescenzangiogramm bei StSrungen der Blutzirkulation I-I. BAUR~A~, P. Pn~nnsnoF, G. Kl~ffGng und G. Bn~K~ Klinisches Institut fiir experimentelle OphthMmologie der Universit.~t Bonn (Direktor: Prof. Dr. E. WnmEZ~:) Eingegangen am 29. September 1967 Einleitung Unter normMen Bedingungen erkennen wir das Capfllarnetz der mensehlichen Netzhaut ophthalmoskopiseh nur mit Hilfe starker Lieht- quellen (FmTz, 1954). Im Fluoreseenzangiogramm der getina (NovoTh-Y u. ALVIS, 1960) stellt es sich knrzzeitig ziemlich deutlieh dar, und zwar zwischen arterieiler und ven6ser Ffillungsphase. Da die Arm-l~etinazeit innerhMb bestimmter Grenzen individuellen Schwankungen unterworfen ist (I~nGLI u. Mitarb., 1964; BnrSTnMA u. Mitarb., 1964), gelingt es nieht immer, diese kurze eapillare Phase ganz zu erfassen. Das Netz eapillarer Gef~13e ist in der Netzhaut relativ weitmasehig; zur Peripherie hin werden die 3/iasehen noeh weiter und gehen nahe der Ora serrata in arkadenf6rmige Schlingen fiber (LEs~, 1903 ; MmgAELSOZq, 1954; KUWASA~A U. COGA~, 1960; TOUSSAI~T u. Mitarb., 1961; MA~Q~;A~DT, 1966). Auf die Besonderheiten im peripapill/iren Gebiet haben wir in einer VerSffentliehung mit fluorescenzangiographisehen Bildern hin- gewiesen (OphthMmologiea, ira Drnek). "~nderungen des Verhaltens der 5Tetzhautcapillaren Bei StSrungen des Netzhautkreislaufs k6nnen tiefgreffende Gef/~i]- ver~nderungen entstehen, die auch das Capillarnetz erfassen. KoR~- zwEm u. Mitarb. (1964) zeigten in einer Arbeit eindrueksvolle Bilder yon morphologischen Gef/~ver/~nderungen beim Zentralvenen- und Zentral- venenastversehlul~ (Abb. 7--13 der Arbeit). Die regelm~13ige Anordnung und Besehaffenheit der Gef/~e und Capillaren normaler Netzhs (MAtCQUARDT~ 1966) geraten beim Gefi~i~verschlu[3 in verwirrende Unord- nung. An Stelle des feinen Netzwerks zarter Capillaren ist nun ein Gewirr unregelm~Biger Gef/il3e sichtbar. Vielfach erkennt man shunts, die atro- phische und verSdete Capillarstrecken fiberbrfieken, ferner Aueurysmen, die durch die strukturellen Wandver~nderungen solcher Gefi~Be entste- hen. Dies sind Zeiehen eines gest6rten arteriolo-venSsen Druckgefiilles. 14 Albrecht v. Graefes Arch. kiln. exp. Opt~thal., Bd. 174

Die Netzhautcapillaren im Fluorescenzangiogramm bei Störungen der Blutzirkulation

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Albrecht v. Graefes Arch. klin. exp. Ophthal. 174, 197--211 (1968)

Die Netzhautcapillaren im Fluorescenzangiogramm bei StSrungen der Blutzirkulation

I-I. BAUR~A~, P. Pn~nnsnoF, G. Kl~ffGng und G. B n ~ K ~ Klinisches Institut fiir experimentelle OphthMmologie der Universit.~t Bonn

(Direktor: Prof. Dr. E. WnmEZ~:)

Eingegangen am 29. September 1967

Einleitung Unter normMen Bedingungen erkennen wir das Capfllarnetz der

mensehlichen Netzhaut ophthalmoskopiseh nur mit Hilfe starker Lieht- quellen (FmTz, 1954). Im Fluoreseenzangiogramm der get ina (NovoTh-Y u. ALVIS, 1960) stellt es sich knrzzeitig ziemlich deutlieh dar, und zwar zwischen arterieiler und ven6ser Ffillungsphase. Da die Arm-l~etinazeit innerhMb bestimmter Grenzen individuellen Schwankungen unterworfen ist (I~nGLI u. Mitarb., 1964; BnrSTnMA u. Mitarb., 1964), gelingt es nieht immer, diese kurze eapillare Phase ganz zu erfassen. Das Netz eapillarer Gef~13e ist in der Netzhaut relativ weitmasehig; zur Peripherie hin werden die 3/iasehen noeh weiter und gehen nahe der Ora serrata in arkadenf6rmige Schlingen fiber ( L E s ~ , 1903 ; MmgAELSOZq, 1954; KUWASA~A U. COGA~, 1960; TOUSSAI~T u. Mitarb., 1961; MA~Q~;A~DT, 1966). Auf die Besonderheiten im peripapill/iren Gebiet haben wir in einer VerSffentliehung mit fluorescenzangiographisehen Bildern hin- gewiesen (OphthMmologiea, ira Drnek).

"~nderungen des Verhaltens der 5Tetzhautcapillaren Bei StSrungen des Netzhautkreislaufs k6nnen tiefgreffende Gef/~i]-

ver~nderungen entstehen, die auch das Capillarnetz erfassen. KoR~- zwEm u. Mitarb. (1964) zeigten in einer Arbeit eindrueksvolle Bilder yon morphologischen Gef/~ver/~nderungen beim Zentralvenen- und Zentral- venenastversehlul~ (Abb. 7--13 der Arbeit). Die regelm~13ige Anordnung und Besehaffenheit der Gef/~e und Capillaren normaler Netzhs (MAtCQUARDT~ 1966) geraten beim Gefi~i~verschlu[3 in verwirrende Unord- nung. An Stelle des feinen Netzwerks zarter Capillaren ist nun ein Gewirr unregelm~Biger Gef/il3e sichtbar. Vielfach erkennt man shunts, die atro- phische und verSdete Capillarstrecken fiberbrfieken, ferner Aueurysmen, die durch die strukturellen Wandver~nderungen solcher Gefi~Be entste- hen. Dies sind Zeiehen eines gest6rten arteriolo-venSsen Druckgefiilles.

14 Albrecht v. Graefes Arch. kiln. exp. Opt~thal., Bd. 174

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198 H. BAUr~IANN, 1 ~. PETEt~SHOF, G. KRi~GE:a und G. BaI~K~IA~N:

W/ihrend normale Netzhautcapillaren histologisch Erythrocyten ent- halten (MARQUARDT), sind hier viele Capillaren verSdet und prolfferativ vergndert.

Kliniseh kSnnen wir einen Teil dieser Veranderungen mit Hilfe der Fluoresceinangiographie erfassen. St6rnngen der Netzhautzirkulation fiihren je nach Ausma~ zu geringerer oder grSl~erer Verhaltens~nderung der Capillaren im betroffenen Gebiet. Ein vermehrtes Hervortreten der Capillaren im Kontrastbild ist Folge ihrer Erweiterung und vermehrten Blutfiillung. Diese Hypergmie erfolgt entweder 1. durch vermehrten Zuflul~ (aktive, im wesentlichen arterielle Hyperamie), oder 2. durch StSrung des Abflusses oder Drosselung des Zuflusses mit riickl~iufiger Fiillung der Capillaren aus den Venen (passive, im wesentliehen venSse Hyper~mie oder Stauungshyperamie). Physiologische und pathologische t typeramie unterseheiden sieh nieht prinzipiell, sondern nur graduell (TA~NE~BEUG U. FISCUEu-WASELS, 1927).

Die physiologische (Arbeits-) Ityperamie spielt im Bereich der Netz- und Aderhaut bei der Fluoreseeinangiographie keine erfaBbare t~olle. Dagegen beobachten wir bei der pathologisehen Form versehiedene Erscheinungsarten, die yon Charakter und Ausmal~ der StSrung abhan- gen. Sie sind vor allem im Gebiet der Netzhaut siehtbar. Die Darstellung der Capillaren und dis Gefal~-Retinasehranke stehen in Abhgngigkeit vom Gef~t[tdruek. Nach ASHTON (1965) ist die Schranke in der Wand der Capillaren zu suehen. TAS~E~UEUG n. FISCHER-WASELS unterscheiden zwisehen einfaeher Hyperamie mit Besehleunigung der StrSmung und Hypergmie mit Verlangsamnng des Blutstromes. Letztere weise auf grSl~ere Exsudationen im hyper~imischen Bezirk hin, dis den Fliissigkeits- strom im Gewebe behinderten. Hierbei muB die Blut-l~etinasehranke eine golle spielen.

Wit mSchten die sich darbietenden Formen der pathologischen Capillardarstellung im Iqetzhautangiogramm nach folgenden Gesiehts- punkten beurteilen :

1. Capillardarstellung bei arterieller Hyperamie. 2. Darstellung veno-venSser Capfllaranastomosen. 3. Arteriolo-venSse Capillarstauung bei DruckerhShung in der auf-

nehmenden Vene. Auf dis Teehnik der Fluoreseenzangiographie haben wit an anderen

Stellen hingewiesen (1965 u. Ophthahnologica, ira Druck).

1. Arterielle Hyperi~mie

Bei Entzfindung besteht ein erhShter O~-Bedarf im betroffenen Gewebe. Der Organismus versucht, diesen durch erhShtes Blutangebot zu kompensieren. Unter normalen Kreislaufbedingungen seheint die Blur- l%etinaschranke ffir Flnorescein-Natrium nahezu undurchlgssig zu sein.

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Fluoreseenzungiogramm der Netzhauteapillaren 199

Nach HODGE und DOLLERY (1964) sind mehr als 80 % des Fluoreseein-Na im Plasma vermutlieh leieht reversibel an Proteine gebunden. Bei ein- getretener Ityper/imie wird die Gef/~13-Retinasehranke durchbroehen. Nun trit~ woh] aueh eiweiggebundenes Fluoreseein fiber (vgl. Abb. 1, Angiogramm bei Chorioretinitis).

Abb. 1. Entzfindliehe arterielle Hypergmie. C~pillarerweiterung, ~)bertritt yon Farbstoff ins retin~le Gewebe

Von Bedeutung ist weiterhin die arterielle kollaterale I-Iyper~mie. Sie kommt naeh Versehlul3 yon Arteriengsten vor. Eine besondere Form dieses Vorganges zeigt Abb. 2. Wit haben diesen interessanten Fall in einer unserer oben erw/~hnten Arbeiten n~her besehrieben (Ophthalmo- logiea). Bei zeitweiligem Versehlul3 der A. eentralis retinae war es zur Ausbildung tines Kollateralkreislaufs fiber die A. eentralis n. optiei (F~ANgOlS , 1954; W~BA~, 1956) gekommen ; er ffihrte fiber die Papille zum peripapill/~ren Capillarplexus. Dieser wurde zusgtzlieh fiber eine eilio-retinale Arterie versorgt. Naeh Ausbildung der Kollateralverbin- dungen bestand im peripapillgren, vom fibrigen ret,inalen Capillarsystem unabhgngigen Capillarplexus (ToussAI~-T U. Mitarb., 1961) ein erhShtes Blu~angebot. Sieher spielte hierbei neben der WiderstandserhShung in der versehlossenen Zentralarterie der Netzhaut eine dutch Hypoxydose

14"

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200 H. BAUI~MANN eta]. : Fluorescenzangiogramm der Netzhautcapillaren

Abb. 2. Arterielle koll~terale Hypergmie bei zeitweiligem Zentralgr~erienverschlui~. Hervortreten des peripapillgren C~pillarplexus. Cilio-retinale Arterie (Pfeil).Vgl. Text

verursachte Capillarerweiterung eine l~olle. Ffir eine sekund~re Hyper- iimie ist in einem vorher vom B]utstrom abgedrosselten Gef~Bgebiet eine starke Dilatation der G e f ~ e eine Voraussetzung. Sie ist Folge eines 5rtliehen O~-Mangels und des Freiwerdens vasoaktiver Stoffe im hypoxy- dotisehen Gebiet (GRossE-B~ocKnOFS, 1950). Die Vasodilatation bewirkt eine Verringerung des StrSmungswiderstandes und damit eine VergrS- l~erung des Durehflul~volumens.

2. Veno-venSse Capillaranastomosen

Der vSllige Verschlul~ einer Vene kann zur Ausbildung direkter Ver- bindungen zwisehen Venen oder Veneni~sten fiihren. I m wesentlichen wird dies fiber pri~formierte Kans yon der verschlossenen zu einer oder mehreren benachbarten Venen geschehen. Voraussetzung f fir das Funk- tionieren solcher Anastomosen ist ein Druekgef~lle yon der verschlos- senen zur aufnehmenden Vene. Der Druck in der aufnehmenden Vene darf also nieht direkt dutch die Widerstandserh6hung im versehlossenen Gef~]~ beeinflul~t sein. Unsere Abb. 3 und 4 zeigen solehe Verbindungen. Am reehten Auge einer Patientin war ein kompletter Verschlul~ der

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Abb. 3. Veno-venSse Capillaranastomosen (oberes Bilddrittel). Verschlul~ der V. temp. inf. (Pfeil). Anastomosen yon tier verschlossenen Vene zu einem Nebenast. Vgl. Abb. 4 und 7. Arteriolo-venSs gestaute Capillaren stromaufw~rts yore Ver-

schluB. - - Spgte ven6se Phase

Abb. 4. Derselbe Fundus wie Abb. 3, Ausschnitt . Veno-ven6se C~pillarunastomosen zu Nachb~rvenen (oben und rechts im Bild)

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202 H. BAU~MASN, P. PETERSHOF, G. K~i~oEg und G. Bt~INKMANN:

V. temp, inf. eingetreten. Es haben sich Anastomosen yon der ver- sehlossenen Vene zu einem aus dem Maeulagebiet kommenden und zu einem yon unten heraufziehenden Ast der Vene ausgebildet ; beide Aste miinden an der Papille in den freien Endteil der V. temp. inf. Der ver- sehlossene Teil der Vene wurde so umgangen. Die Str6mung im Anasto- mosengebiet ist dureh erh6hten Widerstand verlangsamt. Die Anasto- mosen und Capillaren sind daher stark erweitert und prall gefiillt.

Abb. 5. Derselbe Fundus wie Abb. 3 und 4, arterielle Phase. Zwisehen Arterien und Venen treten Capillaren hervor (arteriolo-ven6se Stauung)

3. Arteriolo-venSs gestaute Capillaren Die Abb. 3 und 4 zeigen stromaufw~rts vom Verschlu~ noeh zahl-

reiche weitere Capillarerweiterungen. Hier handelt es sich aber urn Capillaren, die in die Versehtugvene oder ihre stromaufw~rts vom ttin- dernis gelegenen Aste einmfinden; sie k6nnen also keine Kollateralfunk- tion ausiiben. Wghrend der arteriellen Ffillungsphase (Abb. 5) treten zwisehen den ]~sten der A. temp. inf. und der versehlossenen Vene gele- gene Capillaren sehon etwas hervor. In der arterio-ven6sen Phase (Abb,6) sind sie als unregelmaSiges Netzwerk gewundener GefgBe zwisehen den Arterien- und Venen/tsten gut erkennbar. Dutch DruekerhShung in der aufnehmenden Vene und ihren ~sten ist der normale Strom zwisehen

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Flnorescenzangiogramm der Netzhautcapitlaren 203

arteriellem und ven6sem Schenkel gest6rt. Auffallend ist der eapillar- freie Bezirk temporal unten in Abb. 3: veno-venSse Anastomosen k6n- nen sieh in ihm nieh~ ausbilden, da in den begrenzenden Venen als J, sten der verschlossenen Vene gleieher Druek herrseht. Das Fehlen yon arteriolo-ven6sen Capillarstauungen lgl3t sieh wohl nur dutch Versehlul3 der dieses Gebiet versorgenden Arteriole erkl~ren, tIierffir bietet das Angiogramm einen deutliehen Anhalt (Abb. 6).

Abb. 6. Derselbe Fundus wie Abb. 3--5. Ausschnigg aus dem Stromgebiet oberhMb des Versehlusses. Arteriolo-venSse Phase. Arteriolo-venSs gestaute Capillaren. Pfeil:

Versehlossene Arteriole

Einen Uberbliek fiber die verschiedenen Formen yon Capillarver- /~nderungen gibt die sehematisehe Darstellung (Abb. 7).

Das fluoreseenzangiographische Bild bei R/iekstauung in den Capil- laren erinnert sehr an die yon Kon~zwEm gezeigten histo-pathologisehen Abbildungen. Bei Gef/iBstenosen best immt das Ausmal3 der Strom- behinderung den Grad der Darstellung der Capillaren. Aueh der Sitz der Stenose spie]t eine l~olle. Je ausgeprggter eine Stenose und je umfangreieher das yon ihr betroffene Gebiet ist, desto mehr wird man mit einer Capillarstauung reehnen m/issen, sofern nieht kompensato- risehe Abflul?m6gliehkeiten bestehen. Es kommt also aueh auf den

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204 H.B.&URYiANN, P. PETERSI-IOF, G. KRiYGEtt u n d G. BI~INKMANN:

Zeitpunkt der Beobachtung an. Bei Stenosen linden wir vielfach ein I tervortreten der Capillaren in der Nachbarsehaft yon Arteriolen (vgl. Abb. 8). Eine andere Folge solcher Strombehinderungen ist der Dureh- brueh der GefS, g-Retinaschranke. I m Angiogramm ist dann ein Aus- tr i t t yon Farbstoff in das benaehbarte Retinagewebe zu sehen (Abb. 9 und 10); er erfolgt in der Nachbarschaft yon Arteriolen, da hier der

.'. t. ~,

===Arterien ,....-.Ve hen, :~,we rschlossene Vene ~veno-ven~se Capillar~n~sfomosen, !"':'::.! ~ebief deP ~pillarenriJoks~uung, A r~6kstauungss zwisohen Yenen mif gleiohern Pru6k.

Abb. 7. Versehlu8 der V. temp. inf. Veno-ven6se Capillaranas~omosen und arteriolo- venSs gestaute Capillaren. Halbschematische Darstellungen des Falles der Abb. 3--6

Druck am h6chsten ist, sowie um gestaute Venen. Bei schwerer Stenose oder Verschlu6 der Zentralvene zeichnet sich der Schrankendurchbruch oft besonders deutlich ab (Abb. 11). Am Papillenrand und in der Umge- bung der Papille entstehen neben Blutungen groBe Farbstoffseen. Bei Versehlu8 oder hoehgradiger Stenose yon Xsten der Zentralarterie wird die Capillardarstellung anf der venSsen Seite beginnen. Das proximal vom Hindernis sich ausbreitende Capillarnetz erhglt fiber die Neben- gste der verengten oder verschlossenen Arterie vermehrt Blut; das distal yore Stopp gelegene Capillargebiet kann sich riieklgufig aus den Venen aufffillen.

Diskussion

Aus den dargelegten Uberlegungen und Befunden geht hervor, da6 die pathologische Darstellung der retinalen Capillaren yon verschiede- nen Faktoren abh/~ngt. Sie kann aus unterschiedlichen Grfinden zustande-

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Fluoreseenzangiogramm der Netzhauteapillaren 205

Abb. 8. Arteriolo-ven6s gestaute Capillaren. Einflugbehinderung der V. temp, sup. Arterio-venSse Phase

Abb. 9. Durehbrueh der Gefiil~-Retinaschranke bei Venenaststenose. VenSse Phase

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Abb. 10. Durehbrueh der GefSA3-Retinasehranke bei Venenastverschlul3. Spi~tere venSse Phase

Abb. l l . Durchbrueh der Gef~13-getinaschranke bei hoehgradiger Zentralvenen- stenose. Gestaute Capillaren am Papillenrand. Farbstoffseen neben Blutungen u m

die Papille

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kommen. Voraussetzung ftir ein vermehrtes Hervortreten yon Capillaren ist eine StLrung der normalen StrLmung, die zu einem erh6hten Blut- gehalt ffihrt, sei es dureh vermehrten Zuflug, sei es infolge yon Stauung: Die Capillarstellung steht in Abhangigkeit vom Gefagdruek, der aueh die Gefag-getinasehranke beeinfluBt. Ein Beispiel ftir eine Hyperi imie zei- gen die Capillarerweiterungen auf unserer Abb. 1. Wean zwisehen einer versehlossenen und aufnehmenden Vene ein Druekgefalle besteht, kLn- hen erweiterte Capillaren einen Kollateralkreislauf bilden (Abb. 3 und 4). Das B]ut wird dureh praformierte nnd sekundar erweiterte Kanale yon der Stelle h6heren Drueks zu Gefagen T i t niedrigerem Druek geleitet. An ,,Versehlugstellen" ist ein StrLmungshindernis vorhanden. Es kann eine Verlegung oder eine Einengung der Strombahn bewirken. Die Folge ist eine Riielcstauung T i t Ausbfldung yon arteriolo-venLsen Capillar- anastomosen. Diese sind bei frischen Fallen und so lange zu beobaehten, als keine kompensatorisehen Abflul3mLgliehkeiten bestehen, die ein grin- stigeres Druckgefalle herstellen kLnnen (Abb. 3, 4 und 7).

Die ven6sen Astversehlfisse erfolgen nahezu aussehliel~lich an Kreu- zungsstellen (SEITZ, 1962). Die bier gezeigten Phanomene bei Strom- behinderung sind yon einigem Interesse fiir die Entstehungsweise der sog. Zentralvenen- und Netzhautvenenthrombosen. Sie wird T i t mehre- ten, im wesentlichen zwei Theorien erklart:

1. Der Venenversehlul3 wird dureh einen Thrombus verursaeht (CoATs, 1904, 1913).

2. Die Thrombenbildung ist meist Folge einer primaren Wanderkran- kung (CL. HAI~MS, 1905 u.a.) . Die benachbarte Arterie ist oft mit- erkrankt. Der VersehluB einer Vene kann naeh HARMS erfolgen ,, 1. duroh Thrombose des vorher frei durehggngigen Lumens, welche entsteht a) auf rein marantiseher Basis (AxENFELD-GOK, V. MICHEL, ANGELUCCl, WELT), b) auf Grund leiehterAllgemeinerkrankungen (v. MIcI~EL, Ti~aKE, HAlf,IS) ; 2. dureh primare Wanderkrankungen, vornehmlieh in Form der Meso- und Endophlebitis proliferans, indem dieselbe a) dureh progressive Wueherung selbst zum VersehluB des Lumens ftihrt (Fall I-IAR~S), b) einen sekunds Thrombus verursaeht, weleher entweder an der Stelle der Intimawueherung selbst das ges t lumen oder stromabwarts yon der verengten Stelle das noeh annahernd normal weite Lumen ver- sehlieBt."

KLIE~ (1953) beriehtet yon zwei versehiedenen Hauptfaktoren beim Versehlul3meehanismus der Zentralvene: ,,1. Primare Endotheldegene- ration mit sekundarer intramuraler Thrombenbildung, 2. extreme Phlebo- sklerose mit sekundarer Endothelsehadigung. Beiden (histo-pathologiseh untersuehten) Fallen war eine fast isolierte primare Erkrankung der Vene gemeinsam ohne degenerative sklerotisehe Veranderungen des

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umgebenden Gewebes... Diese Fs mit Hypertonie erggnzen frfihere Untersuchungsbefunde (KLI~N, 1950)."

Naeh V ~ g o g F s (1907) wird der Venenverschlug dureh eine Endothel- oder Subendothelwueherung hervorgerufen: ,,Vollst/~ndiger Zentral- venenversehluB mit dem klassisehen ophthalmoskopisehen Bild der Thrombose dieses Gef/~ges kann dureh Endophlebitis proliferans ohne

Abb. 12. Stenosen der V. temp. inf. (Pfeile), Blutungen im I~fiekstauungsgebiet. Keine gr513eren Blutungen im Bereich der Stenosen. Arterio-venSse Phase

Thrombose erzeugt werden ... Alle anatomisch untersuchten F/tlle, deren Versehlug der Zentralvene einer niehtseptisehen Thrombose zugesehrie- ben wurde, k6nnen erklgrt werden und beruhen aller Wahrseheinliehkeit naeh nur auf einer Endophlebitis proliferans."

SEITZ (1962) stellt einen weiteren Gesiehtspunkt zur Disknssion: I m Stenose- bzw. Versehlugbereieh kSnne es zu einer Nekrotisierung und Ruptur der Venenwand kommen. In keinem der 3 yon ihm untersueh- ten F&lle (2 frisehe Fs yon ,,Pr~thrombose", 1 friseher Fall yon Netz- hautvenen-, ,Thrombose") bestand ein Anhalt ffir eine Thrombenbildung. Die bei Zentralvenenversehlug fiber den gesamten Fundus verteilten Blutungen stellen seiner Meinung naeh Diapedeseblutungen infolge yon Str6mungsverlangsamung und RfiekfluBstauung dar.

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Fluorescenzangiogramm der Netzhautcapillaren 209

Die yon CL. ItAn~s, KLIEN und VEUI~OEFF dargelegten Erkl/~rungen f/it die Entstehungsweise des Venenverschlusses entsprechen den funk- tionellen Gegebenheiten, wie sie das Fluorescenzangiogramm erkennen 1/igt, Es zeichnet sich im allgemeinen eine d/inne farbige Bluts~nle ab (vgl. Abb. 9 : 1 4 Tage alte Venenstenose; Abb. 1 2 : 3 Tage bestehende Stenose). Es kann auch eine Unterbreehung der Blutsgule eintreten (Abb. 10). Bei chief Wandruptur kann es zu keiner Capillarr/ickstauung kommen, da kein erh6hter Widerstand mehr bestcht. Eine mSgliche sekundare Verlegung des Venenkalibers kann zu einer sekund/tren Stau- ung fiihren, Bei einer solchen Entstehungsweise des ven6sen Versehlus- ses ist aber zu erwarten, dab die Blutungen zun/ichst an der Rupturstellc auftreten. Dies kommt, wie SmTZ zeigen konnte, auch vor. Zweifellos ist aber die Wandruptnr bei ven6sem Verschlul~ nicht die Regel. Wenig- stens bei frischen Verschliissen mill?re man sonst stets noch 1/ingere Zeit I~este einer massiven Blutung um die Rupturstelle linden, und zwar pr~retinal oder in den innersten Netzhautschichten.

Zusammenfassung

Im normalen Fluorescenzangingramm zeichnet sich das capillare Netz der Retina zart zwischen arterieller und ven6ser Phase ab. Ein vermehr- tes Hervortreten der Capillaren ist Folge ihrcr Erwciterung und ver- mehrten Blutfiillung. Eine solche tIyper/~mie entsteht durch vermehrten ZufluB oder durch verminderten Abflul3. St6rungen des Abflusses f/ihren zur Darstellung veno-ven6ser Capillaranastomoscn oder, bei Druckstei- gerung in dcr aufnehmcnden Vene, zu arteriolo-ven6ser Capillarstauung. Die Capillardarstellung steht in Abhi~ngigkeit vom Gef/~13druck, der auch die Blut-Retinaschranke beeinflugt. An Hand yon fluorescenz- angiographischen Bildern werden patho-physiologischc Fragen solcher StSrungen diskutiert.

Summary The normal fluorescence photographs show the retinal capillary net-

works between the arterial and the venous phases of the angiogramm. The capillaries become more visible in consequence of their dilatation and by an increase of their content of blood. Such an hyperemia is produced by an increased afflux or by a decreased drain of blood. Trou- bles of drain produce a representation of venous capillary anastomoses. In case of an increased pressure in the receiving vein an arteriolo-venous capillary congestion is shown. The visibility of the capillaries depends on the intravascnlar pressure, which influences moreover" the blood-retinal barrier. By means of fluorescence angiographic pictures certain problems of such disturbances are discussed.

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210 H. BAUI~lVIANN, P. PETERSHOF, G. ]~I~iJGER und G. BRINKMANN:

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Dr. H. BAU~h'~ANN Universitgts-Augenklinik 5300 Bonn-Venusberg