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Aus dem Neurologischen Institut (Direktor: Prof. ])r. Goldstein) und der medizin. Klinik (Prof. Dr. v. Bergmann) der Univcrsitii~ Frankfurt a. M. Ein Fall yon Schlafl ihmung des Plexus brachialis nach Einnahme yon Sehlafmitteln. Yon Dr. Franz Stein, Vol.-~kssister~t am :Neurolog. Institut der Universit/it. (Mit 1 Abbildung.) Auamnese: Bei dem 51j~ihrigen Werkmeister St. besteht seit Geburt e.in tIerabh/ingen des rechten oberen Augenlides; cr soll auch rnanchmal das rechte Bein fast unmerklich nachschlei~en. ]gr sclbst ist sich dessen jedoch nicht bewul3t, auch hatte er in Armen und Beinen beiderseits stets die gleiche Kraft. Seit der Schulzeit fast t/iglich Kopfschmerzen. Diese beginnen meist o'egen 3 I,Thr naehts und verschwinden gegen 6 Uhr abends. ,,Da die Schmer- zen am heftigsten seien, wenn cr attf dem Riicken liege, d. h. wcnn ermit dem Hinterkopf altfliege, bringe er sich in eine solche Lage, dab di e- Stirn oder eine Stirnseite auf der Unterlage ruhe. DannlaufedasBlut nach vorn". Seit vielen Jahrcn Gcbrauch yon Migriinin. Nie hatte er Doppeltsehen, nie war er unsichcr im Dunke]n, nie zeigten sich StS!'ungen bei feinerer Arbeit. Keine Anhaltspunkte fiir eine Lucs des ZentralneIvensystems. WaR. (Serum) zweimal 0. Psychisch vollst~indig intakt. Gemiitliche:Ver- fassung, Erinnerung, Merkfiihigkcit, h6herc Ve~standesleistungcn sind bei dem ruhigen, inte!ligenten und einsichtigen :Pat. in einwandfreiem Zustand. Alkoholabusus: 0. Nikotinabusus: 0. Berufsschiidigung: 0, ~it 21 3ahrea Go. Spiiter operative Entfernung des rechten Hodens. Jetzige Erkrankung: Am 8. VI[. 1921 bekam :Pat. nach einem kalten Trunk bei Erhitzung heftige krampfartige Schmerzen in der 5Iagengegend ohne Erbrechen und ])archfall. Er nahm 20 Tropfen einer HeroinlSsung ein, die ihm sein Arzt bei ungeniigender Migriininwirkung einzunehmen empfohlen hatte. Aul3erdeln trank er noch den Rest (~) eines mit einer hellen, bitter schmeckenden und nach 3Iandeln riechenden Fliissigkeit gefiillten 20-ccm-F]/ischcLens aus, das ,nr yon einem Freund e:'halten haben x~-ill, Die Sehmel zen lieften sehr seIme]l l)eutschc Zeitschrift f. Nervenheilkunde. 13d. 78. 1

Ein Fall von Schlaflähmung des Plexus brachialis nach Einnahme von Schlafmitteln

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Page 1: Ein Fall von Schlaflähmung des Plexus brachialis nach Einnahme von Schlafmitteln

Aus dem Neurologischen Insti tut (Direktor: Prof. ])r. G o l d s t e i n ) und der medizin. Klinik (Prof. Dr. v. B e r g m a n n ) der Univcrsitii~

Frankfurt a. M.

Ein Fall yon Schlafl ihmung des Plexus brachialis nach Einnahme yon Sehlafmitteln.

Y o n

Dr. F r a n z Stein, Vol.-~kssister~t am :Neurolog. Institut der Universit/it.

(Mit 1 Abbildung.)

Auamnese: Bei dem 51j~ihrigen Werkmeister St. besteht seit Geburt e.in tIerabh/ingen des rechten oberen Augenlides; cr soll auch rnanchmal das rechte Bein fast unmerklich nachschlei~en. ]gr sclbst ist sich dessen jedoch nicht bewul3t, auch hatte er in Armen und Beinen beiderseits stets die gleiche Kraft.

Seit der Schulzeit fast t/iglich Kopfschmerzen. Diese beginnen meist o'egen 3 I,Thr naehts und verschwinden gegen 6 Uhr abends. ,,Da die Schmer- zen am heftigsten seien, wenn cr attf dem Riicken liege, d. h. wcnn e rmi t dem Hinterkopf altfliege, bringe er sich in eine solche Lage, dab di e- St i rn oder eine S t i rn se i t e auf der Un te r l age ruhe. DannlaufedasBlut nach vorn". Seit vielen Jahrcn Gcbrauch yon Migriinin. N i e hatte er Doppeltsehen, nie war er unsichcr im Dunke]n, nie zeigten sich StS!'ungen bei feinerer Arbeit. Keine Anhaltspunkte fiir eine Lucs des ZentralneIvensystems. WaR. (Serum) zweimal 0. Psychisch vollst~indig intakt. Gemiitliche:Ver- fassung, Erinnerung, Merkfiihigkcit, h6herc Ve~standesleistungcn sind bei dem ruhigen, inte!ligente n und einsichtigen :Pat. in einwandfreiem Zustand. Alkoholabusus: 0. Nikotinabusus: 0. Berufsschiidigung: 0, ~ i t 21 3ahrea Go. Spiiter operative Entfernung des rechten Hodens.

J e t z i g e E r k r a n k u n g : Am 8. VI[. 1921 bekam :Pat. nach einem kalten Trunk bei Erhitzung

heftige krampfartige Schmerzen in der 5Iagengegend ohne Erbrechen und ])archfall. Er nahm 20 Tropfen einer HeroinlSsung ein, die ihm sein Arzt bei ungeniigender Migriininwirkung einzunehmen empfohlen hatte. Aul3erdeln trank er noch den Rest (~) eines mit einer hellen, bitter schmeckenden und nach 3Iandeln riechenden Fliissigkeit gefiillten 20-ccm-F]/ischcLens aus, das ,nr yon einem Freund e:'halten haben x~-ill, Die Sehmel zen lieften sehr seIme]l

l)eutschc Zeitschrift f. Nervenheilkunde. 13d. 78. 1

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STEIN

nach, ,,er wurde merkwiirdig schnell miide" und fielin einen 19stiindigen Schlaf. Als er erwachte, lag er auf der reehten Seite. Erlagso, dab er rait der ganzen Schwere seines ObeIk6~pers den iechten Obelarra bedeckte. Der rechte Obersehenkel ruhte anf der rechten Hand. Aus der Sehilderung ist ersiehtlieh, dal~ die reehte Sehnlter nicht, wie wires bei bequemer Seiten]age gew6hnt sind, etwas gehoben und nach voiwgrts gesehoben war, sondern er lag raehr auf der ven t ro la t e ra l en Seite des reehten Oberarras, so dal~ der ganze Sehultergi ir tel durch die Sehwere des OberkSrpers naeh ri iekwgrts geschoben wurde. Auf diese Weise kara passiv eine extrerae Annghernng des rechten Schlfisselbeines an die 1. Rippe zustande.

Als Pat. wegen Brechreizes sieh auI die ]inke Seite legen wollte, rae~kte er, dal~ er den rechten Arm fiberhaupt nicht raehr spiirte. Er war aul~ erdera gel~hrat, und :Pat. mu~te rait seiner gesunden linken ttand die reehte Hand unter dem rechten Oberschenkel heivorziehen. Ferner ffiMte er sich ,,ganz dSsig" im Kopfe.

Unmittelbarer Befund bei der Aufnahme ira st~dtischen Xrankenhaus am 10. VII. 1922 (Dr. Berg):

:Pat. ist leicht benoraraen. Die Pupillen sind eng. Komplette schlaffe L~hmung der reehten oberen Extrerait~t, veto Ellbogen nach abw~rts zunehmende teigige Schwellung und Cyanose. Der Puls ist an allen der Tastung zugiinglichen Stellen gut ffihlbar, reehts wie links. Die Sensibilit~t ist an der rechten Hand aufgehoben, am iibrigen Aim jedenfalls hoehgTadig herabgesetzt. Pat. klagte fiber Schmerzen in der rechten oberen Schlfissd- beingrube. In der Tiefe derselben hinter dera Schlfisselbein, in der Gegend des Scalenns ant. war eine sehr druekerapf indl iche Stel!e (Plexusgegend).

Befund 17. YII. 1922: Mittlerer Ern~hrnngszustand. Fettpolster gering. Muskulatnr gehSrig.

Reehter Hoden fehlt (1909 Operation). Urin: Spuren yon Albumen. Reiehlich Leukocyten, einzelne :Ery-

throeyten. Innere Organe: o. B. Ira Gesieht besteht eine leichte Asyraraetrie. Die ~echte Gesichtsh~lfte

erseheint etwas kleiner als die linke. Die Gesichtslinie ist nicht ganz gelade, sondern etwas gebogen (Konvexit~t nach links). Die Spitze des Xinns ist etwas nach reehts versehoben, ebenso die Mundspalte ira ganzen.

Ptosis des reehten oberen Lides. Stehen die Augenaehse~ senkreeht zur K6rperaehse (bei Fernblick), dann wird die reehte Pu- pille ira oberen Drittel bedeckt. Bei AufreiBen der Angen wird am linken Auge 1--2 tara der oberen Skleraperiphe~ie sichtbar, auf der rechten Seite kein tteben des oberen Lides. Die Augenbrauen sind beideiseits hoch-- gezogen, ferner korapensatorisches ~inaufziehen der Stilnhaut, r. ~ 1.

Bliek naeh oben vielleicht etwas eingesehi~nkt, sonst nach allen= Seiten, besonders nach unten ohne StSrnng, ebenso Kon,~ergenz. Leichter:

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Nystagmus in seitlicher Endstelhng (kuize Komponente naeh der Seite der Einste]lung). Kein ttoineIsches Syndrom.

PupiUen: Form, Weite, siimtliche Reaktionen o. B. Es besteht Prespyopie leichten Grades r. ~ 1. Faeialisinnervation r. = 1. Naso]abialfa]te vielleicht iechts weniger

fief als links (?, da Asymmetric des Gesich~s). Zun_ge: o. B. Vagus: o. B. Geschmaek: r. = l . -k- GehSr: r . = ] . q-.

Geruch: r. -~ ]. q-. Trigeminus: motor, u. sens. o. St. Nasenkitzeheflex und Kolnealreflex r. = 1. q-.

Witbelsifule gerade, frei beweglich. Brustkorb schlank, gut gew61bt. Mal]e (17. VII. 1922): Brustkorb: r. -----42,5 cm!, 1. ~ 44,0 cm. Achsel:

r. 35,5 cm, l. 235 ,5 era. Mitre Oberaim: r. = 25 cm!, 1. ~- 25,7 c m . Ellen- bogen: r. = 23 cm, 1. ~ 23 cm. Mitre Unterarm: 22 cm, r. = 21,7 era. Mitre Oberschenkel: r. 43,3 cm, 1. = 43,3 cm. Mitre Unterschenkel: r. ~- 30,7 cm, t. = 30,7 cm.

R e f l e x e: Pupillenreflex siehe oben. Radiusper . : r . ~ ]. -~; Ulnar: r. : l . ~-; Supinator: r. = ] . -~; Triceps: r. =1 . -~; Biceps: r. = 1 . - - ; M~yerscher Reflex: r. ~ 1. ~-; Hoffmannscher Knipsreflex: r . : 1. - - . Bauchdeckenreflex (in allen ttShen): r. ~ 1. -~; Kremasterreflex: rechter Itoden fehlt, L. -~. Fatellar: r. ~ 1. ~ ; Achilles: r. = I. + ; Ful]sohlen- reflex: r. ~ 1., Plantarflexion; Oppenheim: r. = I. ~ ; Gordon: r. ~-!, .1. - - ; Rosolimo : - - ; Mendel-B, : - - .

Gang: Nichts Auffi~ltiges (auch spi~erhin). Spmche: o. B. U n t e r s u c h u n g der m o t o r i s c h e n L e i s t u n g : Bei S c h u l t e r -

h e b u n g besteht zwisehen rechts und links kein nachweisbarer Unter ' sehied, auch night bei Hebung gegen Widerstand.

Bei Annahme militiirischer Haltung ( S c h u l t c r n a c h ri ickwi~rts und a b w g r t s ) g i o b e Kraft rechts gleich links, gut.

Die Vor w i i r t s r o t a t i o n der Schulter ist iechts schlechter als links. Leichter Widers~and kann night iibeIwunden werden, dabei spann~ sich der Pectoralis mQor nur ganz wenig an.

H e b e n des r e c h t e n A r m e s n a c h der Se i te vollstiind~g unmSg- lieh, ebenso nach riickwihts und vorwgIts. Beim Vetsnch, den iechten Ober- arm nach vorwgIts zu heben, wird die Schulter Jm ganzen gehoben und etwas nach vorwgrts gedreht. Der Deltoideus bleibt bei allen Bewegungen volls~iindig schlafL'

R o t a t i o n des r e c h t e n O b e r a r m e s nach vorn und hinten un- m~iglich.

U n t e r a r m b e u g u n g sehr erheblich helabgesetzt. Der zechte Unter- arm kann gerade gegen die eigene Schwele in Beugeste]lung gehalten werden. Eine minimale Be]astung geniigt aber, um ihn herabsinken zu lassen. Etwas schwiieher noch ist die S t r e c k u n g d e s U n t e r a r m e s .

S u p i n a t i o n erheblich eingeschJiinkt. P r o n a t i o n etwas besser, aber auch schlecht. F l e x i o n im H a n d g e l e n k verhiiltnismgBig gut, besondeis ulnar-

whirs, im ganzen jedoch r. ~ 1. 1"

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Die Dorsa l f l ex ion der r e c h t e n H a n d ist wieder bedeutend schlechter. Bei geringstem Druck auf den Handriicken sinkt die Hand herab.

A b d u k t i o n und A d d u k t i o n herabgesetzt, Abduktion besser als Adduktion.

Fi ng er s t r eeku n g im ganzen etwas Vermil~dert, gegen links. F a u s t b i l d n n g gut mSglich, abet doeh r. < 1. Spre izen , A d d u k t i o n der F inge r , Beugung und S t r eekung

im ~etakarpophalangealgelenk (Interossei und Lumbricales) nut etwas sehleehter als links. Ebenso ist die D a u m e n b e u g u n g , O p p o s i t i o n und A_dduktlon nur m~l]igen Grades herabgesetzt; etwas mehr wieder die A b d u k t i o n und Ex tens ion .

K l e i n f i n g e r a b d u k t i o n : r. = 1. ~-. K l e i n f i n g e r o p p o s i t i o n : r. - - l . ~ .

I s o l i e r t e Bewegungen der Finger ganz gut ra6glich Klav ie r - sp i e l be w e gunge n reehts beinahe so gut wie links. D iadochok inese r. -- ]. (beinahe).

Bei Fa'ustsehluI~ wird zun~chst in normaler Weise die tIand dorsal- flektierf~, dann abet sinkt die Faust herab. Ebenso wird bei F]ngerstrecknng die typische Mitbew egung im I~Iandgelenk nach abw~its gemacht.

Die Motilith~t der linken oberen ~Extremit~ten, des Halses nnd der beiden unteren Extremit~ten ist vollst~nd~g in~akt.

Bei der e i ek t r i s chen Pr i i fung zeigt sich eine deut]iche I{erab- setzung der direl~ten ga],vanisehen Erregbaikeit des Deltoidcns (A. S. Z. > K. S. Z.); keine trKge Znckung; ferner eine direkte Herabsetzung der gal- van~sehen Erregbarkeit des Biceps, Triceps, Supinator long. Sens ib i l i t~ t : Im ganzen rechten Arm mit seharfer Grenze nach abw~Its yon dem dnrch die lffN. snpraclavicnlares versorgten Hautgebict PaI/isthesien, besonders stark im reehten Daumen und Daumenballen. Ausgenommen ist das vona Iq. inte~costohumeralis mitversorgte Hautgebiet des N. cut. b~ach, reed.

tIyp~sthesie fiir Beriihrung, Schmerz, warm nnd kalt ]m Gebiet des hi. cut. brach, let.

Keine LageempfindungsstSrung mehr nachzuweisen. 20. VII. 1922. Der Deltoideus ist noch volikomlnen gel/ihmt. Es kann

jedoch mit Hilfe des Serratus nnd Supraspinatns eine geringe VoIw/iIts- rotation and eine minimale Abdnktion nach vorn auSen gemacht werden. Beuge-, Streck-und Supinationsbewegungen des Unteraxmes sichtlich ge- bessert, besonders auch die ~otilit~t der Hand; immerhin ist der I-I~nde- druck noch ganz erheblich sehwgcher als links.

Pat. kann schon mit Miihe eSwas schreiben; beim An- und Ausziehen jedoeh ist er allein noeh voHst~ndig hilflos. Bei der elektrischen Pdifnng ergibt sich keine wesentliche Herabsetzung der galvanischen nnd faradischen Erregbarkeit bei l%eizung des Erbsehen Punktes. Die Reizung des Axillaris ergibt keine einwandfreien ~Resultate. Farad~sche und galvanische l%eiznng der iibrigen haupts~eh]ichen Nervenst/imme: r. -- 1. Bei direkter Re~zung war nut tier Ddto~deus A. S. Z. > K. S. Z. (nicht tr~ge), Biceps, Triceps

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und Supinator zcigen keine deutlichc tterabsctzung der elektrischen Erreg- barkeit.

Ebenfalls Riickgang der Sensi b i l i t i i t s s t6 rungen . Nur noch leichten Giades fiir Schmeiz und Tempel atur im Cutaneus br. lat. ; Beriih~ung r. = l.; Lageempfindlichkeit r. ~ l. E~heblicLe laaliisthesien nut noch im Daumen und Daumenballen; leicLten GIades nut ncch an der Yo]al- und ]2orea!seite der Finger, am Handliicken und ferner !m Gebiete des Cutaneus b., ach. ]at. (Pariisthetische Zone gi61~er sis die der SensibililiitsstSlu~gen.)

9. VIII. 1922. Die Moti!itiit hat sich nur ~xenig gebessert. Die s e:stleckt sich noch auf alle diejenigen l~$uskeln, die yon so'.chen :Plexus - herren, welche unter dem SchliisseJbein hindu:ch ziet:en, ven, o:gt x~ e~den. Der Deltoideus ist noch vollkommen pa:alytisch. Die ge~ingc seitl[ct.e Abduktion, die mSglich ist, wild ohne die geringste BeteiiJgung des I~eltoi- deus gemacht, sondeln es beuegt sick lediglieh das Schulterb:att. Die iibrigen Muskeln der Schulter, des Armes und der Hand sind funktionell seit der letzten oben ve~zeichneten Untelsuchung vielleieht etwas besser ge- women. In der Reihenfolge der Sehwei e der :Pal e~e hat sieh jedoeh nichts gegndert, am wenigsten aber immer noch deutlich genng ist das 1j]naris- gebiet ergriffen.

Jetzt ist such eine deutliche Atl oph ie s / imt l i cher in F r a g e k o m m c n d e n Muske ln zu elkennen, am s t i i rk s t en wieder des De l to i - deus , am wenigsten der Handmuskeln. Speziell die x'cm U]naris vel ,~ol glen Interossei lassen noch keine dutch blol~e :Betrachtung und Betastung er- kennbai e Atrophic erkennen. Die Haul li~$t sieh am rechten Arm in D 51~elen Falten abheben als links; auch das gnterhautfettgew ehe ist reehts weniger dick und schlaffer als links.

E l e k t r i s c h e E r r e g b a r k e i t . Die P~iifung yore ~Nerven aus ergab folgendes: F a r a d i s c h : Axillaris:? Musculocut., Median., Ulnar. und Radial. zeigen lechts Herabsetzung der Erregbarkeit. Ga lvan i sch : Axillalis : ? Musculocut. : Mittlere tIe~absetzung der Erlegba~keit rechts, Median. und Radial.: Starke He~absetzung der Erregbarkeit rechts, Ulnaris r. = 1. c. Sl.

Erbseher Punkt: galvanisch und faradi~ch rechts Itcrab~etznng der Erregba,.keit.

Direkte Priifung yore Muskel aus: Deltoideus faradisch herabgesetzt, galvanisch stark he~abgesetzt ; I. 6 M. A. ; r. 20 M. A. (Ka.S.Z.), A.S.Z.>Ka. S.Z. tr/ige Zuckung; Pectoralis maj. faradisch und galvanisch herabgesetzt, Ka.S.Z.-= A.S.Z., blitza~tig; M~sc. lat. doisi faradisch und galvaniseh mai~ig herabgesetzt, Ka.S.Z. -----A.S.Z., blitzartig; Infi aspinat, fatadisch und galvanisch m~il~ig herabgesetzt, Ka.S.Z. > A.S.Z., blitzaatig; Biceps fara- disch und galvanisch m/il3ig helabgesetzt, A.S.Z. > Ka.S.Z.t etwas tfiige; T~iceps faradiseh und galvanisch m~l~ig herabgesetzt, A.S.Z. > Ka.S.Z.! weniger schnell als links; Ext. digit, comm., fa~adi~ch und galvanisch mM~ig herabgese~zt, Ka.S.Z. = A.S.Z., blitzartig; Flex. carp. ~ad., faradisch und galvaniseh mii$ig herabgesetzt, Ka.S.Z. = A.S.Z., blitzartig; Flex. carp.

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uln., faradisch und galvanisch etwas herabgesetzt, Ka.S.Z.~A.S.Z., blitzartig; Inteross. dors., faradisch und galvanisch r .=l . , Ka.S.Z.~ A.S.Z., blitzartig. Die iibrigen Muskeln wurden nieht mehr einzeln durch- gepriift, sondern in Gruppen und ergaben h6chstens leichte I-Ierabsetzung der galvanischen und faradischen Eiregbarkejt odor auch nichts.

Es kann also zurzeit nut sicher eine partielleE.A.R, im Del toideus k0nstaties werden, w~hrend die moisten anderen Nerven und Muskeln nur eine I-Ierabsetzung der elektrischen Erregbarkelt, bzw. Umkehrung odor aueh normale Zuekungsformeln aufweisen bei Fehlen einer ausge- sprochen tr~gen Zuckung.

Vasomotorisehe odor SehweiBanomaIien sind bei blol~er BetIaehtung keine erhebl~chen zu erkennen. Vie]leicht fiihlt sich die I-Iaut des rechten Armes etwas feuehter a]s die des linken Aimes an.

Bei Reizung des Deltamuskels mit starken galvanisehen Str6men trat jedoch eine weil~e Ve~f~rbung der Haut ein, die der Ausdehnung dot hyp- ~sthebisehen Zone des N. axi]]aris entsprach.

Was die Sensibilit~t anbetrifft, so besteht immer noch im Bereieh des I-Iautastes des Axillaris eine leiehte IIerabsetzung flit Schme~z und Tempe- tatar, S0wie Par~sthesien in Form yon K~ltegdiihl dase]bst und sehr starkes Ge~iihl des Pe]zigseins an Daumen nnd Zeigefinger. Die Sensibilit~t ist jedoeh deft nicht gestSrt. Jedoch bestoht an der rechten Hand eine leichte aber deutliche Herabsetzung des Tasterkennungsveim6gens.

Aul~erdem klagt Pat. fiber heftige neuraigffotme Schmerzen in Schnlter und Arm.

23. VIII. 1922. Stad. id., insbesondete hat sich niches hinsichtiich der elektrischen Erregbarkeit geiindert, Am De]toideus besteht noch E. R. wie bisher.

Z u s a m m e n f a s s u n g .

Ein Mann, dessen recht.e Seite yon Oeburt an etwas schlechter als die ]inke entwickelt ist (MaBe des rechtsn Obsrarms, dot rechten Brustseite, mit Andeutung yon Pyramidenzeichen rechts, Ptosis des rechten Augenlides), erlitt nach E i n n a h m e einer zu gro~en Dosis eines N a r k o t i k u m s (Opiumderivat?) mit anschlieBendem 19stiin- d igem Schlaf zungchst eine k o m p l e t t e schlaf fo La.hmung des r e c h t e n Armes mit Angs thes i e bez. H y p g s t h e s i e in bezug auf alle Empfindungsqualit~en. Ausgenommen war eine in ihrer grS~ten kusdehnung e~wa 15 cm lange und 8 cm breite Pattie an der Innenseite des rechten Oberarmes (N. intercostohumeralis veto 2. (und 3.) D. S.

Im Laufe der nachsten Tage gingen die Erscheinungen im ganzen zuriick. Es zeigte sich, dal~ mit Ausnahme der Muskeln Trapezius, Levator scapulae und Rhomboidei. s~mtliche veto rechten Plexus

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Eiu Fall yon Schlafliihmung des Plexus brachialis usw. 7

brachialis versorgten Muskeln an der L~hmung teilnahmen. Am

sti~rksten betroffen wa r der DeRoideus. Er war vollsti~ndig para- [ytisch. Bei einer elektrischen Priifung nach acht Tagen erwies sich seine Erregbarkeit gegen links ale deutlich herabgesetzv, ferner zeig~e sich Umkehrung der Zuckungsformel und tr~ge Reaktion. Die iibrigen Muskeln wiesen bei elektrischer Reizung keine deutlichen Abweichungen yon der Norm auf. Hinsichtlich ihrer Kraft standen die proximalen Muskeln hinter den distalen, au•erdem zeigten sich die yore Ulnaris versorg~en Muskeln am wenigsten beeintri~chtig~.

Nach vier Wochen b o t d e r Status der Motiliti~t hinsichtlich der Reihenfolge in der Schwere der L~hmung ein ganz ~hnliches Bild. Eine nennenswer~e Besserung fund sich nur in den vom Ulnaris inner- vie~en Muskeln. Die iibrigen hatten sich funk~ionell nut wenig erholt. Der Tendenz zur Kontraktur im Schultergelenk in Adduktionsstellung wurde dutch entsprechende Belehrung und Behandlung begegnet. Jetzt war eine schon bei blol]er Betrachtung ohne weiteres deut- liche Atrophie beinahe s~mtlicher yon au]en sichtbaren Muskeln des Schultergiirtels, des Oberarmes und des Unterarmes zu erkennen. Bei der Priifung auf elektrische Reize traten jetzv deutliche Abweichun- gen yon der Norm in Erscheinung. Die mit der Elektrode erreichbaren Nerven (Axillaris nicht) zeigten mit Ausnahme des Ulnaris eine mittlere bis starke Herabsetzung der faradischen und galvanischen Erregbar- keit. Dasselbe land sich bei den 5~uskeln mit Ausnahme der vom Ulnaris innervierten.

Der Flexor rechte carpi ulnaris zeigte sogar eine Steigelung der elek- trischen Eiregbarkeit.

Vielfach bestand Umkehrung bzw. Gleichheit der Zucknngsformel ( A . S . Z : > K a . S . Z oder K a . S . Z . = A . S . Z , ) . Tr~ge Zuckung fand sich nur im Deltoideus. Dieser Muskel-allein hatte partielle E. R., war stark atrophisch, zeigte fibrillate Zuckungen und war noch voll- kommen auger Funktion gesetzt.

Die Sensibilitiit, die, anfanglich mit scharfer Grenze gegen das yon den Nn. supraelaviculares versorgte Hautgebiet, im ganzen Arm gestSrt war mit Ausnahme der vom N. intercostohumeralis verso~gten Zone, besserte sieh im Gegensatz zur Motilit~t sehr raseh. Bald be- schrankte sich die Herabsetzung der Empfindung fiir Sehmerz und Temperatur nur noch auf Bin enges Gebiet der lat. Seite des rechten Oberarmes (Axillaris-Hautast), w~hrend die Beriihrungsempfindung rechts gleich links war. Am schnellsten gingen die Lageempfindungs-

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stSrungen zuriick. Die Pur.gsthesien, die sich unfangs fiber den ganzen Arm erstreckten, beschrgnkten sich spa~ei nut noch auf zwei eng- umschriebene Felder: 1. auf das Gebiet der EmpfindungsstSrung am rechten Oberarm, 2, auf Daumen, Duumenbalten, Zeigefinger und daza gehSrende Mittelhandpurtie (Radiulis- und Med!anus-Hauvus~). Hier zeigten sich auch leiehte StSrungen des Tasterkennens, w~hrend die einfachen Empfindungsqnulit~ten so rein wie links wuren.

Von seiten der Gerald- und Schweil~nerven fund sieh eine geringe Vermehrung der Huutfeuchtigkeit gegen links.

Ferner zeig~e die Haut des Oberurms folgendes uuffgllige Verhalten, auf das zuerst H i t z i g hingewiesen hat und dus yon Erb , B e r n h a r d t , P u g e n s t e e h e r , Egger u. u. bestgtig~ worden ist. Bei geizung des gelghmten Deltamuskels mit starken galvunisehen, labilen StrSmen fanden wir, wenn aueh nieht in der sehSnen IntensitSot. wie sie in den Hitz igsehen und anderen Fallen zu erreiehen war, eine weil~e Ver- fgrbung der Huut. Die Begrenzung der weiSen Flgehe fiel mit der hyp- iisthetisehen Zone zusammen und kontrustierte mit der RStung der Rundzone. Leider war dieses Phgnomen naeh einigen Tagen nieht mehr herv0rzubringen. Wit mul~ten uns duher mit dem erstmaligen Befund begniigen und verweisen im iibrigen uuf die einsehlSgige Literutur.

Ep ikr i se .

Befassen wit uns bei der epikritischen Betruchtung unseres Falles zunachst m it derFruge, welche B e d i n g u n g e n far dus Z u s t u n d e - k o m m e n einer Sch l a f l~hmung gegeben sein miissen, so miissen wir an erste Stelle als ein sine qua non die m e c h a n i s c h e N e r v e n s c h ~ d i g u n g setzen. Begiinstigend abet nicht unbedingt erforderlich, wie wir unnehmen mOchten, k0nnen verschiedene Me. mente, insbesondere Intoxikutionen sein. Darauf wollen wir uber ers~ Sparer eingehen.

Als mechun i s che Ursache k o m m e n bei den Schluf l~h- mungen nur K o m p r e s s i o n und D e h n u n g eines N e r v e n bzw. des P l e x u s in Frage .

Schwere~e Traumen, die zu einer Zerreignng yen Nerven wsw. gefiihlt haben, kommen fiir die Schlafl~hmung nieht in Betracht.

Die Kompression kann bei sehr versehiedenen Stellungen des Armes zum iibrigen K5rper sich geltend muchen. Es kunn die spezifische

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Ein Fall yon Schlafliihmung des Plexus brachialis usw. 9

Armhaltung bei der Narkose vorgelegen haben, der Patient kann auf dern in die tt6he geschlagenen Arm gesehlafen hubert, sei es irn Sitsen oder Liegen, er kann ~erner sitzend rnit dern fiber die Stuhllehne h~n, genden Arm eingeschlafen sein oder auch, wie bei unserern Patien~en, er kann einfaeh auf der 8eite rnit an den K6rper angeprel~tem Arm geruht haben.

Fast imrner resultieren bei derartigen 8tellungen, wie ~dr der Literatur entnehmen, nut Lg.hrnunge n eines oder zweier ~erven, am hiiufigsten des Radialis, erheblieh se!tener des Axitlaris, Ulnaris usw., fast hie eine Lghmung des ganzen Plexus, wie itberhaupt totale Plexnslghmungen Ilicht hgufig sin& Ein einziger naeh Oppenheirn set~r ungewShnlicher Fal! yon to t a l e r P l exus lgh rnung naeh Sehls~f wird yon K e n n e d y besehrieben. Hier war Pat. rnit, dem iiber die 8tuhllehne hi*ngenden Arrn eingesehlafen und butte sich ein Aneu- rysma der A. axillaris zngezogen, das seinerseits die anliegenden iNerven- stgmm e komprirnierte.

�9 In unserem Falle kornmt kein Aneurysma in Frage, aueh war die Lage des Pat. eine andere. Sie war bei nnserem Pat. eine nicht ganz gew5hnliehe aus folgendern Grunde. Als Erleiehterung fiir seine Kopf- sehrnerzen hatte er sich angewShnt, so izu liegen, dab mSglichst die ganze Stirn oder wenigstens eine Stirnseite auf der Unterlage rnhte. ,,Dann flSsse das Blur naeh vorwgrts." Bei der Reproduktion seiner darnaligen Lage konnte rnan erkennen, dal~ die Schnlter gewaltsam naeh riiekwiirts gedrgngt wurde (s. Anamnese). In dieser Position kommt eine extreme Ann~therung yon Sehltisselbein und 1. Rippe zustande und somit besteht die MSglichkeit einer Kompression der dutch die hintere Scalenusliieke ziehenden Nervenstgmrne des Plexus brachialis.

Am meisten geschgdigt war die Funktion des Deltoideus: Paralyse, degenerative Atrophie, partielle E. R. -- Wit g]auben, dab n i eh t der D r u e k auf den . P lexus a l le in die Sehwere der Lghrnung des se lben bed ing t e , sonde rn dab aueh der De l to ideus rnuske l se lbs t d u t c h die K S r p e r l a s t w g h r e n d des 19s t i ind igen Schlafes gedr i i ck t worden war. Dies nirnrnt auch B e r n h a r d t bei einern von S t r a u l ] beschriebenen ~all mit isolierter Deltoideus- Schlafdrue!diihmung und ebenso Seel igmii l le r bei seinen Bergleuten an. Leider :waren mir beide Arbeiten im Original nicht zuggnglich.

Die sche inbare ge r inge re Be te i l i gung des Ulnar i s - geb ie tes an der Liihmung bedarf auch einer ErSrterung. Bei genauerer

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I0 SwEi~

Untersuchung zeigte sich niimlich, dal] aicht alle voa ibm innervierten Muskela in gleicher Weise weniger funktionsuntiichtig waren als die iibrigen Muskeln. Fualrtionell auffallend leistungsf~higer als die iibrigen Muskeln des N. ulaaris sind die Interossei, die Lmnbrieales, der Adductor ]?ollieis und der Flexor carpi ulnaris. Diese werden yon Cs und D 1 und der letztgenannte mit einem geringen Anteil noeh yon C~ innerviert. Die- jenigen Muskeln des Ulnaris hingegen, die ihre radikuliire Innervation aus hSheren Segmenten beziehen -- Ext. carpi ulnaris und Ext. Digitiqinti, haupts~chlieh aus C6 undCT--, waren hinsichtlieh ihres L~hmungsgrades genau so gestSrt, wie die Muskeln des Medianus usw. Ein rein peripherer Li~hmungstyp wiire, iibrigens aueh bei der Mehrzahl der iibrigen Muskeln, sehon aus der rein topographiseh-ana$omischen Betraehtungsweise heraus Unwahrseheialich. Dean der Ulnaris geht zusammen mit den beiden Hautnerven flit die mediale Seite des Ober- nil& Unterarms schon ein gutes Sttiek unterhalb der Druckstelle aus dem Ramus seeundarius 2 ab. Eine reinUehe Scheidung, ob peripher oder radikul~r geli~hmt, l~gt sich allerdings klirfiseh bei den iibrigen Muskeln nicht maehen. Denn sic sind mit Ausnahme des Deltoideus alle ziemlieh gleiehm&l~ig betrolfen~ und daher ist eine Zusammenstellung der Muskeln naeh Gruppen unter el~v~hntem Gesiehtspunkt radikul~r ocler peripher nieht mSglieh. Aueh naeh Oppenhe im ergreift die toggle Plexusl~hmung die Muskeln meist nieht naeh ihrem peripherischen, sondern entspreehend ihrer radiku- lgren Iat~ervation.

Die Feststellung des radikul i~ren L ~ h m u n g s t y p u s , wenigsgens der in das U l n a r i s g e b i e t f a l l e n d e n Muskeln , erschien uns des- halb wiehtig, um flit die geringere Beteiligung der oben erw~hnten Mus- keln an der Liihmung den Versuch einer Erkl~l~ng auf topographisch- anatomischer Basis maehen zu kOnnen. An der in Frage kommenden Drueksgelle, d. i. dort, wo der Plexus aus der hinteren Sealenusliieke heraust, ritt, liegt der den Mm. interossei, lumbrieales usw. entspreehende Plexusanteil am weitesten kaudM und tritt, wenn wit ihn entgegen- gesetzt seiner Verlaufsrichtung verfolgen, sofort in die Tiefe, um zu C s u M D1 zu gelangen. Die iibrigen Plexusanteile hingegen, die eum grano salis einen mehr sehr~gen Veflauf naeh oben nehmen, kommen auf einer etwas liingeren Strecke oberfli~ehlich zu liegea uad sind daher einem Druek der Clavieula rnehr ausgesetzt, als die unteren. Hinzu kommt noch, dug geralde an der Stelle, wo die Clavieula den Plexus kreuzt, die kaudMen Teile dcsselben aus G8 und D 1 (Versorgung der obigen Muskeln) aahezu ganz iiberpol ster~ sind vonder Art. axillaris, welehe

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Ein Fall yon Schlafl/ihmung des Plexus braehialis usw. 11

kurz nach ihrem Hervortreten hinter dem Scalenus ant. die untersten Plexusanteile eine kleine Strecke hin bedeckt (s. Abbildung).

Der Vollst/indigkeit halber sei es uns noeh gestattet, darauf hinzu- weisen, dab von den Muskeln des Schultergiirtels drei von Anfang an intakt beftmden wurden. Es waren der Trapezius, der seine Inner- vierung veto Akzessorius und dcm Plexus cervicalis hat, und dessen Nerven iiberhaupt nicht unter die Clavicula gelangen, sowie der Levator

iVI. pect. rain. d'~

/ ~ N . cu~. brachii u. / antibrachii med.

N'. ulnaris. Aus Oorning, Top. Anatomie.

I ( / - - Scalenus reed.

N. thoracal, long.

ang. scapulae und die Rhomboidei, deren Nerv, der N. dots. scapulae, ebenfalls yon oben aus C5--C 6 kommt und nach karzem Verlauf entlang dem Levator ang. scapulae bald in die Tiefe nach riickwc/irts tritt, so daI~ auch er einer Kompression nur sehwer ausgesetzt sein h a rm.

Das Freibleiben yon StSrungen der Sensibilit~t an der medialen Seite des Oberarms anf/~nglich, wo die StSrungen noch ausgedehnt wa,ren, wurde sehon oben bemerkt. Es erkl~ir~ sich bekaImterweise aus der Mitversorgung dieses Hautstreifens durch den N. intercostohume- falls (D~).

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12 ST~.~

Die so h/~ufige Diskrepa~ in der Schwere der StOrung a uf moto- fischem und sensiblem Oebiet bei Druckl:,ihmungsn fand sich auch in unserem Falle.

Wit bemsrkten singar~s unscrer epikritischen Betrachtung, dab neben dem sine qua non dsr mechanischcn Schh.digung bei dem Zu- standekommen tinct Schlafliihmung racist noch andere Ursachen ge- gebcn sind. Bei allen diesen Gelegenheitsursaehcn ist wohl das Wesent- liche dis hochgradige Hcrabsetzung bzw. Aufhebung der Perzeption ~tuBerer Reize. Unfer normalen Verh~ltnissen wiirden die entstehenden Par~sthesien zum Erwachen und zur Beseitigung dsr unzweck- m~i$igen Lage fiihren. Die PcrzeptionsunmSglichkeit kaml durch grob anatomische Sch:,i.digung des peripheren Neurons bestimmt sein; wit z. B. bei Tabes, Syri~tgomyelie, Neuritis usw. in der groften Mehr- zahl der F~lle ist jedoch die lferabsetzung der Perzsption zentraler Ursache. ]~s besteht eine abnorme Schlaftiefe. Sie kann die Folge einer hoshgradigen Ermtidung seinl Es kSnnen kachektiscbe Zust~nde oder solche mit Triibung des Sensoriums verschisdenster Art vorliegen.

In praxi hande!t es sich jedoch racist um exogene Intoxikationen. Als h~ufigster m~iehlichsr Faktor ist tier Alkohol zu nemlen. Dis meisten Sshlafl~,hmungen kommen nach reiehlichcm Alkoholgenul~ vor. Haufig wlu'den auch Narkosel~ihmungen beobachtet. Sshlaf- liihmnngen nach Einnahme der gebr:~iuchlichen Hypnotika und Anal- getika wie in unsersm Fails werden wohl auch beobach~t worden sein. Wit fanden zwar ~'tber letzteres in der Literatur nichts erw:,ihnt, viel- leicht deshalb, well sie sich im Pri~ip ja nisht yon dcr gewShnlichen NarkoselShmnng unterschsiden.

Wenn auch im allgemeinen die wesentlichste Vorbedingung fiir dis Schlafl:~ihnmng in der abnormsn Schlaftiefe zu suehen ist, so ist doch die Wahrscheinlichkeit nicht zu leugnen, dab in gewissen F~llen eine dutch toxische Einfliisse bedingte PrSdisposition zur Schlaf- l~hmung vorgelegen hat. Bei ehroni.~chem Alkolholismus, bei Blei- und Msenintoxikationen, nach Diphtheric, im Senium, vislleicht auch bsi schwerer Kachexie miisssn wit mit der Wahrscheinlichkeit rsehnen, dal~ eine Alteration des Nerven schon vorgelegen hat und da$ es nut einsr verh~,iltnismSf~ig geringen mechaniscben Einwirkmlg bedarf~ um eine -- sit venia verbo -- latente LShmung al~lt werdsn zu lassen.

Ob abet auch bei siner ~ku ten Verg i f tung , wir haben besonders den Rausch nicht gewohnheitsm~il3iger Trinker im Auge, oder bei der Narkosc oder bei Intoxikation mit andern Narkoticis bzw. mit andern

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schlaferz(mgeIlden Mittcln ,,die Intoxikation als solche" priidisponierend wirkt, wagen wit nicht zu entscheiden. Wir gestehen jedoch, dab es uns wenigstens zweifelhaft erscheint, da bislang uns nichts dariiber bekannt ist, dal3 eine t~kute I n t o x i k a t i o n a l le in (wohlverstanden im Gegensatz zur chronischen) eine periphere Liihmung gesetzt hat.

Als Weitaus das w e s e n t l i c h s t e Momen t im a l l geme inen und auch im spez ie l len in u n s e r e m Fal l e rb l i cken wir also die v e r m e h r t e Sch la f t i e f e und die wohl haupts~ichl ich ko r t ika l bed ing te I t e r a b s e t z u n g der ] ' e r zep t i on fiir Schmerzre ize . Die I n t o x i k a t i o n spielt unseres Erachtens bei den a k u t e n Vergiftungen wohl im wesentlichen eine , , ind i rek te" Rolle. Deshalb sollten wir, wie es sinngemiLB auch aus dcm Lel~rbuch Oppenhe ims hervorgeht, n u t d i e j cn igen als t o x i k o t r a u m a t i - sche bezeichnen, wo wir u , l ter Z u g r u n d e l a g e der b e k a n n t c n k l in i schen und p a t h o l o g i s e h - a n a t o m i s c h e n T a t s a c h e n eine schon vor dem T r a u m a b e s t c h e n d e A l t e r a t i o n des Nel:vcn a n n e h m e n diirfen.

Daft bei unserem Patienten der chronische Gebrauch von Anal- geticis uud II3~pnoticis eine Disposition geschaffen hat, ist nicht an- zunehmen, da diese 3Iittel vorwiegend zentral wirlr

Noch ein anderer I'unkt bedarf dcr ErwiLhnung, die Anomalie der rechten K6rperhglftc. Sie zeigt sich in einer sehr !eichtcn nur bei genauer Betrachtung feststellbaren Untercntwicklung der rechten Gesichtsh~ilf~e, in einer deutlichen Ptsois des rechten Augenlides, in geringen Magunterschieden der Brusthii]ften und der Oberarme sowie in tinct Amteutung yon Gordon rechts. Es sei jedoch llieht verschwie- gen, d a b dic ersten Messungen erst 9 Tage nach Eintritt der Liihmung vorgenommen wurden und dab die rechte untere Extremitgt in-ihren Mal3en als auch in ihrer Funktion der ]inken absolut gleich~vertig ist. Aul3erdem gibt der intelligente Patient, Rechtshgnder, auf eindring- liches Befragen an, dag friiher die Gebrauchstiichtigkeit des rechten Armes stets genau so gut war wie die des linken. Im Hinblick auf diesen Befund wollen wir daher nicht entscheiden, ob diese vorliegendc Anomalie zu einer pathogcnetischen Deutung herangezogen werdeTl kann und wit lassen diese Frage often.

Die Prognose ist in Anbetra.cht der nicht gerade giinstigen HeilmNs- tendenz bei Plexusl'ahmungen -- Bruns spricht yon 74~ Nicht heihmgen -- nicht gerade gut. Da jedoch aussehlieBlich des I)eltoideus

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14 ST~I~, Eia Fall yon Schlaflfihmung des Plexus brachialis usw.

stets nut Abnahme der elektrischen Erregbarkeit und teilweise Um- kehrung der Znckungsformel festgestellt worden ist, abet keine eigent- fiche Entartungsreak4ion, so rechnen wit doeh mi t einer schlieBlichen

wenn auch lunge dauernden Heilung. In bezug auf den Del+~oideus liegen die Ye~hgltnisse etwas ungiinstiger. Wit glauben jedoch auch

bei ihm eine wenigstens teilweise Wiederherstellung der Funktion in einigen ~ona t en oder sparer erwarten zu diirfen.

Interessant ist der Fall - - und deshalb glaubten wit ihn pubfi-

zieren zu diirfen - - weil mi t Ausnahme des im einzetnen iib~igens ganz anders gelagerten Falles yon K e n n e d y unseres Wissens eine

t o t a l e S c h u l t e r p l e x u s - S c h l a f d r u c k l ~ h m u n g noch nicht be- schrieben ist.

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