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Heft 41 1959 J 413 Ein neuer Sittich aus Brasilien: Aratinga cactorum para~nsis, subsp, nova Von Helmut Sick Funda~o Brasil Central, Rio de Janeiro Im 5stlichen Einzugsgebiet des Tapaj6s, Par~ -- dieselbe Gegend, welche uns die schSne Pipra vilasboasi beschert hat -- ~and ich einen ,,Periquito", der mir bisher in Zentralbrasilien nicht begegnet war: den Kaktussittich, Aratinga cacto- rum. Man kannte die Art nut aus NO-Brasilien, wo sie in Ost-Maranh~o, Piaui, Cear£, Pernambuco, Bahia und Nord-Minas Gerais vorkommt. NSrdlich des Rio S~o Francisco findet sich die blasse A. c. caixana iSpix, sfidlich davon die dunklere A. c. cactorum (Kuhl), die bereits der PaINZ YON WIED im siidSstlichen Bahia feststellte (H~L~MAYR 1929, Field Mus. Nat. Hist. Zool. XII, p. 441--443). Diese Gebiete sind von dem neuen Fundort durcb ganz Goi~s und groBe unerforschte 55 50 45 40 lo 15 ¸ 5.5 £0 45 40 Abb. l. Verbreitung yon Aratinga cactorum. Waagerechte S~chraffur: A. c. caixana; senkrechte Schraffur: A. c. cactorum; schwarzer Kreis: A. c. para~nsis. R. C. = Rio Cururfl; SC = Serra do Cachimbo. Abschnitte der Staaten Mato Grosso und Parg~ getrennt, Landstriche, die zum Teil auch Lebensraum flit solche Periquitos bieten werden. Die jetzt an siidlichen Ver~stelungeu des Rio Cururd (,,KrStenfluB") zwischen Xingd und TapajSs ent- deckte Population lebt isoliert in einer ausgedehnten, yon Wald umgebenen Kampfl~che. Durch lebhaftere, dunklere F~rbung ist die Form hinreichend 4*

Ein neuer Sittich aus Brasilien:Aratinga cactorum paraënsis, subsp. nova

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Heft 41 1959 J 413

Ein neuer Sittich aus Brasilien: A r a t i n g a c a c t o r u m

para~nsis, subsp, nova

Von Helmut Sick

F u n d a ~ o Bras i l Central, Rio de Janeiro

Im 5stlichen Einzugsgebiet des Tapaj6s, Par~ -- dieselbe Gegend, welche uns die schSne Pipra vilasboasi beschert hat -- ~and ich einen ,,Periquito", der mir bisher in Zentralbrasilien nicht begegnet war: den Kaktussittich, Aratinga cacto- rum. Man kannte die Art nut aus NO-Brasilien, wo sie in Ost-Maranh~o, Piaui, Cear£, Pernambuco, Bahia und Nord-Minas Gerais vorkommt. NSrdlich des Rio S~o Francisco findet sich die blasse A. c. caixana iSpix, sfidlich davon die dunklere A. c. cactorum (Kuhl), die bereits der PaINZ YON WIED im siidSstlichen Bahia feststellte (H~L~MAYR 1929, Field Mus. Nat. Hist. Zool. XII, p. 441--443). Diese Gebiete sind von dem neuen Fundort durcb ganz Goi~s und groBe unerforschte

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Abb. l . Verbre i tung yon Aratinga cactorum. Waagerechte S~chraffur: A. c. caixana; senkrechte Schraffur: A. c. cactorum; schwarzer Kreis : A. c. para~nsis. R. C. = Rio

Cururf l ; SC = Serra do Cachimbo.

Abschnitte der Staaten Mato Grosso und Parg~ getrennt, Landstriche, die zum Teil auch Lebensraum flit solche Periquitos bieten werden. Die jetzt an siidlichen Ver~stelungeu des Rio Cururd (,,KrStenfluB") zwischen Xingd und TapajSs ent- deckte Population lebt isoliert in einer ausgedehnten, yon Wald umgebenen Kampfl~che. Durch lebhaftere, dunklere F~rbung ist die Form hinreichend

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gekennzeichnet, so da~ sich ihre gesonderte Benennung reehtfertigt. Auffallender- weise schliei~t sich unsere A. c. para~nsis nicht an die nSrdliche caixana, sondern an die siidliche Nominatform an, was klimatisch-biotopisch begriindet sein muB.

Der Kaktussittich ist eine derjenigen Vogelarten, die vom hohen Alter der zentralbrasilianischen Kamps zeugen. Dieselben sind offensichtlich keine sekundiir durch Br~nde geschaffene Landschaft, sondern eine primiire, durch die j~hrliehen Feuer nut modifizierte Klima-Formation, so urspriinglich wie und zum Toil ~lter als der Wald (ISIcK 1956, XVIII. Int. Geog. Kongr. Rio de Janeiro, im Druck). Mit dieser Erkenntnis kommen wir zu einer gewissen Umkehrung der friiher herrschenden Anschauung; bisher spricht man niimlich in Brasilien fast nur yon Kampbildung dutch Brand und Waldverwtistung -- also dem, was sich hier h e u t e st~ndig abspieltl).

Die Cururfl-Kamps sind keine Gras-iSavannen, sondern ein Busch- und Baum- kamp, oft felsdurchsetzt und unwegsam; Kakteen (vgl. Speziesnamen unseres Sittichs!) kommen nicht vor, im Gegensatz zum Lebensraum der Art in NO-Bra- silica. Eine ~hnliche Landschaft wie am Cururfl existiert auf der unweit siidSstlich gelegenen Serra do Cachimbo (,,Pfeifengebirge"), wo man Aratinga cactorum auch erwarten kann; bisher sammelten wit dort nur den nahe verwandten KSnigs- odor Goldstirn-Perikit, Aratinga aurea, fiir den ieh vom Cururfi keinen Beleg besitze.

D i a g n o s e : Ahnlich A. cactorum cactorum (Kuhl), abet Kehle, Kropf, Brust mit noch st~rkerem Sepiabraun-Ton. Diese Farbe nimmt auch die Kopfseiten ein, die bei A. c. cactorum und A. c. caixana griin sind. Unterbauch noch kriiftiger orangefarben als bei A. c. cactorum. Stirn und Scheitel kriiftig blaugrtin, nicht mattbriiunlich odor blaugrau. Unterm Auge ein dunkel orangegelber F led~ (ein solcher Fleck fehlt bei c. cactorum undc . caixana oder ist bei ihnen nur angedeu- tet und dann hellschwefelgelb). Schnabel dunkel-hornbraun, nicht hellgelblich. Das Grtin der Oberseite ist ebenso dunkel oder noch tiefer als bei A. c. cactorum,

wogcgen caixana holler wirkt.

B e s c h r e i b u n g d e s T y p u s ((~ad.). Stirn und Scheit~l blaugriin; Rest des Oberkopfes und der Hinterhals dunkelgrtin, letzterer mit Spuren br~unlichgelber Kan- ten; Riicken, Biirzel, Oberschwanzdecken dunkelgrtin, desgleichen die sichtbaren R~nder des Schulterfittichs und der Oberfliigeldeeken, ebenso der proximale Abschnitt der Au2en- fahnen der 2. bis 6. Handschwingen; Aul3enfahne der 1. (4- der reduzierten 1.) Hand- sehwinge, das distale Ende der fibrigen Hand- und der Armschwingen dunkelblau, ihre Innenfahnen am Rande schwarz; Afterflfigel griin, Innenfahnen bl~ulich. Steuerfedern

1) Die Voge]welt der zentralbrasflianischen und amazonischen Kamps -- auch der im Wa]d isolierten! - setzt sich fast ganz aus weitverbreiteten und h~ufigen Artea zusammen, die vielf~ch auch in der feuerverheerten Kultursteppe vorkommen. Nach S~ETaLACE (1909, Bo]. Mus. Coe]di VI, p. 226--235) sollen die weitverstreuten Kamps ihre Vogelwelt durch die iiberall hingelangenden Flul31~ufe erhalten, deren o~fene durchsormte Ufer eine Pflanzen- und Tierwelt besitzen, die~ jener der Kamps ganz ~hnlich ist. So spricht SNETH~AG~. yon einer ,ornls ~uvo~campestre". Bei unserer Annahme eines prim~ren, allmiihlich durch den vordringenden Wald zergliederten GroBkamps er- fiillen die FluBl~ufe nicht minder die Aufgabe der Kommunikation yon Kamp zu Kamp und tragen dazu bei, dab es moist zu keiner Endemismenbildung in den Kamps kommt.

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(Oberseite) dunkelgrfin wie der Riicken, ihre Spitzen bl~iulieh. Unter, hinter und hinten i~ber dem Augo befindet sich ein leuchtend orangegelber Fleck, der sieh in einer Spitze bis fiber die Ohrdecken zieht; Ziigel und Kopfseiten dunkel-sepiabraun; Halsseiten, Kehle, Kropf, Brust sepiabraun, zum Teil mit ganz leiehten Spuren yon Gelblich. Bauch dunkel-orangegelb, Vorderbaueh mit Sepia und Griinlieh gemischt. K5rperseiten, Weichen, Hosen und Unterschwanzdecken griin, etwas hell~r als die Oberseite. Fliigelrand, die kleinen und mittleren Unterflfigeldecken und Axillaren griin; groBe Unterflfigeldecken und Unterseite der Schwingen schwarz. Steuerfeder-Unterseite matt grfinlich, ihre AuBen- fahnen und die zentralen Federn schw~rzlich. Schnabel am Balg hornbraun, Schneide des Untersehnabels weil~lich; Lauf, Zehen und Krallen braunschwarz. Am friscbtoten Vogel notierte ich ,,Sehnabel, Fii!~e schwarz". Iris dunkelrot. Ma]3e: Flfigel 142, Schwartz 104, Schnabel 21, Lauf 15 mm. Frischgewicht 78 g. Alto Curur6, Par~, 23. Juli 1957, leg. H. SICK als Nr. 2977 col. Funda~o Brasil Central. Typus im Museu Nacional, Rio de Janeiro.

W e i t e r e s M a t e r i a l , V e r g l e i c h s m a t e r i a l . Au~er dem Typus liegen noch 1 ~ und 2 ~ yore selben Fundort (Lager Curur~-ass~ und Alto Curur6 der Funda~o Brasil Central) vor, erlegt am 2. Juni und 23. Juli 1957. Alle 4 Stiicke ~hneln sich weitgehend. DieWeibchen sind etwas kleiner, ihre Iris war etwas heller. MaBe: ~ Flfigel 148, Schwartz 103 ram; ~ Flfigel 141 und 144, Schwanz 92 und 108 ram. Die Curur6- VSgel sind anscheinend kurzschw~nziger a l sc . cactorum und c. caixana, bei denen ich 114 bis 123 bzw. 111 bis 120 mm messe; HEL~MAYR (1918, Field. Mus. Nat. Hist. XIII; 59) gibt fiir 1 ~ caixana 128 mm Schwanzl~nge an. Abgeriebener Federzustand erschwert eine exakte Gegeniiberstellung. -- Gewicht yon 1 ~ vom Cururd 77,5 g.

Zum Vergleich standen mir yon Aratinga cactorum im Museu Nacional, Rio, 6 Exem- plare aus Cear~ (A. c. caixana) und 7 Exemplare aus Bahia und Minas Gerais (Lapa Bora Jest~s 1, Janu~rio 6: A. c. cactorum) zur Verf/igung; weiteres entsprechendes Material sah ieh im Dep. de Zoologia in S~o Paulo. Ein yon S~BrHLAGE bei L. Born Jes6s gesammeltes ~ ist etwas heller als die fibrigen c. cactorum im Museu Nacional und n~hert sieh damit caixana. Ein Exemplar aus Cear~ hat 3 weil31ich-gelbe Schwingen: xanthochromistiseher Defekt, wie er 5fter bei Psittaciden auftritt. Zuf~llig zeigt der yon Srlx (1824,Tar. 19, Fig. 1) recht kfimmerlich abgebildete Typus yon caixana (ein aus der Gefangenschaft stammender Vogel mit beschnittenem Fliigel und zu kurzem Schwanz) eine ~hnliche Entartung.

E r g ~ n z e n d e b i o l o g i s c h e A n g a b e n . Ein Weibchen yon Ara- tinga c. para~nsis hat das Brust- und Bauchgefieder so s tark abgerieben, dab die bedunten Federbasen, ja zum Teil die nackte Haut zum Vorschein kommen. J~hnliche Sch~iden land ich schon friiher in vereinzelten F~llen bei VSgeln in Brasilien, z. B. einem ZaunkSnig (Troglodytes musculus) und einem Bfindelnister (Phacellodomus tuber). Den ZaunkSnig gab ich Miss CLAY zur Begutachtung. Ihre Antwort lautete, dal3 es sich nicht um Mallophagen- oder Milbenfrai3 handele, sondern wahrscheinlich um ,,some pathological condition, in which the birds damage their own feathers".

Die gesamte Muskulatur eines Miinnchens (Typus yon para~nsis) war mit 1 bis 3 mm langen weiBen Strichen durchmustert, vermutlich Cysten. Das zur histologischen Unter- suchung konservierte Material ging verloren. Ento- oder Ektoparasiten wurden bei keinem der Sittiche gefunden.

Das P~rchen yore 2. Juni (~ mit etwas Flfigelmauser) inspizierte ein Nest der Baumtermite. Ffir mehrere Periquitos, Trogons, FaulvSgel usw. sind diese aus zerkauter Holzmasse bestehenden, etwa medizinballgroBen Klumpen bevorzugte

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Pl~tze zum Ausnagen ihrer NisthShle. Die Gonaden meiner Kaktussittiche waren weder im Juni noch ira Juli voll entwickelt; auch im Juli flogen die Aratingas paarweise. In der N~ihe befanden sich noch weitere Exemplare. Die Art ist in jenen Kamps keine Seltenheit, ihr schrilles Geschrei ertSnt oft in der EinSde. Meist beobachteten wir sie in Trupps von einem halben Dutzend Exemplaren. Das Fleisch der Sittiche wanderte wie alles andere, was halbwegs geniel]bar war, in unseren Kochtopf und erwies sich wie das Wildpret der meisten VSgel als schmackhaft.