15
EinsatzmOglichkeiten von Markovschen Prozessen bei der Kalkulation von Lebensversicherungsprodukten Carmen Wetzel und Hans-Joachim Zwiesler (Ulm) Einleitung Markov-Modelle werden seit geraumer Zeit zur Modellierung in den Aktuarwissenschaften verwendet. Allerdings haben sie bisher kaum Einzug bei der Entwicklung und Kalkulation neuer Lebensversicherungsprodukte gewonnen. Der vorliegende Artikel beteuchtet vor diesem Hintergrund die Einsatzm6glichkeiten und Vorteile Markovscher Modelle in diesem Bereich, und zwar am Beispiel eines real existierenden Produktes, namlich einer aufgescho- benen Rentenversicherung mit Berufsunf~higkeitsversicherung unter Einschluss einer Karenzzeit. Wir werden dabei demonstrieren, dass Markovsche Modelle ein sehr flexibles Modellierungswerkzeug darstellen, mit dem insbesondere komplexe Produkte sinnvoll modelliert werden k6nnen. Einen groBen Vorteil stellt dabei die Tatsache dar, dass Para- meter wie Karenzzeiten, Rentengarantiezeiten und A.hnliches im Rahmen der Modellierung v611ig frei bleiben k6nnen, und dass auch beliebige Reaktivierungen im Modell problemlos abgebildet werden k6nnen. Der wesentliche Unterschied zu traditionellen Formen der Produktkatkulation liegt in der Erstellung des Zustandsmodells mit den zugeh6rigen Obergangswahrscheinlichkeiten. Hier liegt auch ein wesentlicher Teil der fiar die konkrete Kalkulation n6tigen aktuariellen Arbeit, n~imlich die sinnvolle Sch~itzung der n6tigen Ubergangsintensit~iten. Beispiele hierfOr finden sich u.a. im Buch von Habermann/Pitacco ([2]) for die PHI-Versicherung in GroBbritannien. Ist dieses Modell gegeben, so ergeben sich daraus die versicherungsmathematischen Barwerte in der tiblichen Art und Weise, aus denen dann alle relevanten versicherungsmathematischen Gr6gen wie Deckungsrtickstellungen, Pr~imienzerlegung etc. ermittelt werden k6nnen. Dabei zeigt sich, dass eine stetige Formulierung des Modells zunachst eine elegante Handhabung der Formeln erlaubt. Diese k6nnen dann ohne grogen Aufwand auf den Falls eines Diskretmodells Obertragen werden. Es entstehen Diskretmodellformeln in derselben Bauart, wie sie sich bereits bei der traditionellen Kalkulation ergeben. Eine Abbildung in herk6mmlichen Vertragsverwal- tungssystem ist somit m6glich. Der Vorteil der Markov-Modellierung liegt auch hier insbesondere in einer sehr flexiblen Darstellung und Berechnung der zur Kalkulation relevanten Gr6gen. Der vorliegende Artikel geht mit den entsprechenden folgenden Schritten vor: Nach einer Definition und Beschreibung des Produkts im 1. Abschnitt wird in Abschnitt2 das zugeh6rige Grundmodell mit Zust~inden und 121bergangswahrscheintichkeiten beschrieben. Auf seiner Basis werden wir dann in Abschnitt 3 alle relevanten Barwerte ftir Alters- und BU-Rente sowie Todesfallleistung und auch den Pr~imienbarwert herleiten. Auf ihrer Basis k6nnen alle versicherungsmathematisch relevanten Gr6gen berechnet werden und wir werden dies im Abschnitt 4 am Beispiel einer Deckungsrtickstellung aufzeigen. Der 5. Abschnitt schlieBlich besch~iftigt sich damit, wie die stetigen Formeln in diskrete Versionen umgewandelt werden k6nnen. Wahrend der gesamten Arbeit werden wir vonder Nettobetrachtung, also ohne Kosten, ausgehen, da dies eine deutliche Vereinfachung tier Formel bewirkt. Der interessierte Leser, der sich far weitere Aspekte der Modellierung, der Berechnung weiterer versieherungsma- thematischer Gr/Sgen und der Bert~cksichtigung von Kosten interessiert, sei auf das Buch von Carmen Wetzel ([8]) verwiesen, in dem dies ausfOhrlich durchgeftihrt wird. 239

Einsatzmöglichkeiten von Markovschen Prozessen bei der Kalkulation von Lebensversicherungsprodukten

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Einsatzmöglichkeiten von Markovschen Prozessen bei der Kalkulation von Lebensversicherungsprodukten

EinsatzmOglichkeiten von Markovschen Prozessen bei der Kalkulation von Lebensversicherungsprodukten

Carmen Wetzel und Hans-Joachim Zwiesler (Ulm)

E i n l e i t u n g

Markov-Modelle werden seit geraumer Zeit zur Modellierung in den Aktuarwissenschaften verwendet. Allerdings haben sie bisher kaum Einzug bei der Entwicklung und Kalkulation neuer Lebensversicherungsprodukte gewonnen. Der vorliegende Artikel beteuchtet vor diesem Hintergrund die Einsatzm6glichkeiten und Vorteile Markovscher Modelle in diesem Bereich, und zwar am Beispiel eines real existierenden Produktes, namlich einer aufgescho- benen Rentenversicherung mit Berufsunf~higkeitsversicherung unter Einschluss einer Karenzzeit. Wir werden dabei demonstrieren, dass Markovsche Modelle ein sehr flexibles Modellierungswerkzeug darstellen, mit dem insbesondere komplexe Produkte sinnvoll modelliert werden k6nnen. Einen groBen Vorteil stellt dabei die Tatsache dar, dass Para- meter wie Karenzzeiten, Rentengarantiezeiten und A.hnliches im Rahmen der Modellierung v611ig frei bleiben k6nnen, und dass auch beliebige Reaktivierungen im Modell problemlos abgebildet werden k6nnen. Der wesentliche Unterschied zu traditionellen Formen der Produktkatkulation liegt in der Erstellung des Zustandsmodells mit den zugeh6rigen Obergangswahrscheinlichkeiten. Hier liegt auch ein wesentlicher Teil der fiar die konkrete Kalkulation n6tigen aktuariellen Arbeit, n~imlich die sinnvolle Sch~itzung der n6tigen Ubergangsintensit~iten. Beispiele hierfOr finden sich u.a. im Buch von Habermann/Pitacco ([2]) for die PHI-Versicherung in GroBbritannien. Ist dieses Modell gegeben, so ergeben sich daraus die versicherungsmathematischen Barwerte in der tiblichen Art und Weise, aus denen dann alle relevanten versicherungsmathematischen Gr6gen wie Deckungsrtickstellungen, Pr~imienzerlegung etc. ermittelt werden k6nnen. Dabei zeigt sich, dass eine stetige Formulierung des Modells zunachst eine elegante Handhabung der Formeln erlaubt. Diese k6nnen dann ohne grogen Aufwand auf den Falls eines Diskretmodells Obertragen werden. Es entstehen Diskretmodellformeln in derselben Bauart, wie sie sich bereits bei der traditionellen Kalkulation ergeben. Eine Abbildung in herk6mmlichen Vertragsverwal- tungssystem ist somit m6glich. Der Vorteil der Markov-Modellierung liegt auch hier insbesondere in einer sehr flexiblen Darstellung und Berechnung der zur Kalkulation relevanten Gr6gen. Der vorliegende Artikel geht mit den entsprechenden folgenden Schritten vor: Nach einer Definition und Beschreibung des Produkts im 1. Abschnitt wird in Abschnitt2 das zugeh6rige Grundmodell mit Zust~inden und 121bergangswahrscheintichkeiten beschrieben. Auf seiner Basis werden wir dann in Abschnitt 3 alle relevanten Barwerte ftir Alters- und BU-Rente sowie Todesfallleistung und auch den Pr~imienbarwert herleiten. Auf ihrer Basis k6nnen alle versicherungsmathematisch relevanten Gr6gen berechnet werden und wir werden dies im Abschnitt 4 am Beispiel einer Deckungsrtickstellung aufzeigen. Der 5. Abschnitt schlieBlich besch~iftigt sich damit, wie die stetigen Formeln in diskrete Versionen umgewandelt werden k6nnen. Wahrend der gesamten Arbeit werden wir vonder Nettobetrachtung, also ohne Kosten, ausgehen, da dies eine deutliche Vereinfachung tier Formel bewirkt. Der interessierte Leser, der sich far weitere Aspekte der Modellierung, der Berechnung weiterer versieherungsma- thematischer Gr/Sgen und der Bert~cksichtigung von Kosten interessiert, sei auf das Buch von Carmen Wetzel ([8]) verwiesen, in dem dies ausfOhrlich durchgeftihrt wird.

239

Page 2: Einsatzmöglichkeiten von Markovschen Prozessen bei der Kalkulation von Lebensversicherungsprodukten

1. D a s V e r s i c h e r u n g s p r o d u k t

Die Untersuchungen werden in dieser Arbeit an einer aufgeschobenen Rentenversicherung mit Beitragsriickgew~ihr und Rentengarantie, gekoppelt mit einer BerufsunRihigkeitszusatz- versicherung innerhalb der Aufschubphase, durchgeftihrt. Die Zahlungen dieser Versiche- rung werden zun/ichst stetig modelliert und k6nnen dann zu jedem Zeitpunkt t => 0 erfotgen. Betrachten wit die Leistungen der Versicherung im Einzelnen: Die Rentenversicherung zahlt ihre Leistung, wenn der Versicherungsnehmer die Aufschub- zeit von r Jahren tiberlebt hat und bei Ablauf der Aufschubzeit keine Berufsunffihigkeits- leistung erh~ilt. Ist dies der Fall, tritt die Rentengarantie fiar den vereinbarten Zeitraum ( 4 Rentengarantiezeit m) in Kraft. Stirbt der Versicherungsnehmer innerhalb dieses Zeitraums, werden die Rentenzahlungen an die bezugsberechtigte Person bis zum Ende der Garantiezeit ausbezahlt ( ~ Zeitrente). Oberlebt der Versicherungsnehmer die Rent- engarantiezeit, erfolgt die Rentenzahlung, solange er lebt ( ~ Leibrente). Die Rentenh6he daft in diesem Modell vonder Dauer der Rentenzahlungen abhangen, um dem Versicher- ungsnehmer eine auf seine Bedtirfnisse angepasste Rentenauszahlung zu erm6glichen. Damit wird es zum Beispiel mOglich, in den ersten Jahren - solange der Versicherungs- nehmer noch keine gesetzliche Rente erh~lt - hOhere Renten auszubezahlen als in den darauf folgenden Jahren. Die Rentenh6he wird mit der Variablen

R(u); u => 0

gekennzeichnet, wobei u ftir die bisher verstrichene Dauer der Rentenzahlung steht. R(u) ist dabei eine Funktion, die von der Dauer der Rentenzahlung abh~ingt. R(u)du gibt die Rente an, welche im infinitesimalen Zeitraum [u, u + du) ausbezahlt wirdl). Verstirbt der Versicherungsnehmer innerhalb der Aufschubzeit, werden alle in die Rent- enversicherung eingezahlten Beitr~ige zurtickerstattet, die Beitr~ige der Zusatzversicherung sind davon nicht betroffen. Der Versicherungsnehmer leistet die Pr~mie h6chstens bis zum Ende der Aufschubzeit und nur, wenn er zum Zeitpunkt der F~illigkeit weder berufsunf~ihig noch tot ist. Die Pr~imie, die der Versicherungsnehmer zahlt, kann aufgeteilt werden in eine Pr~mie ftir die aufgeschobene Rentenversicherung und in eine Pr~imie fiir die Berufsunf~ihigkeitszu- satzversicherung. Die Pr~imienh6hen k6nnen dabei vom Zeitpunkt der Zahlung abh~ingen. Den Beitrag, den der Versicherungsnehmer zum Zeitpunkt t c [0, n) ftir die aufgeschobene Rentenversicherung einzahlt, kennzeichnen wir mit:

Pr(t); t c [0, n)

und den Beitrag ftir die Berufsunfahigkeitszusatzversicherung mit:

Pb(t); t c [0, n)

Die Gesamtpr~imie - bestehend aus den Pr/imien fur die aufgeschobene Rentenversicherung und die Berufsunf/ahigkeitszusatzversicherung - ergibt sich als:

P(t) := Pr(t) + Pb(t); t E [0, n)

i) Siehe auch [2]

240

Page 3: Einsatzmöglichkeiten von Markovschen Prozessen bei der Kalkulation von Lebensversicherungsprodukten

Ftir die H6he der Pramie gilt2):

Pr(t), Pb(t), P(t) _-> 0 Vt E [0, n) mit n > 0 (1)

Pr(t), Pb(t), P(t) _= 0 Vt _-> n

Um zu jedem Zeitpunkt t c [0, r) zu wissen, wie viel Pramie der Versicherungsnehmer in die aufgescbobene Rentenversicherung einbezahlt hat, ftibren wir die Variable

II( t) ; t c [0, r)

ein, die alle Pr~imienzahlungen fur die aufgeschobene Rentenversicherung bis zum Zeitpunkt t erfasst und definiert ist als:

t

:= / Pr(u) • )~u(aktiv)du II(t) J

mit o

1 falls VN zum Zeitpunkt u aktiv Zu(aktiv) = 0 sonst

In Abbildung 1 ist der Verlauf der Rentenversicherung noch einmal graphisch verdeutlicht. Wird der Versicherungsnehmer w~ihrend der Aufschubzeit berufsunf~ihig oder pflegebedfirf- tig und dauert dieser Zustand tiber eine festgelegte Zeitspanne ( ~ Karenzzeit f) hinweg an, leistet die Berufsunfiihigkeitszusatzversicherung eine sogenannte Berufsunf~ihigkeitsrente, wenn der Zeitpunkt der ersten Zahtung nicht in die Rentenzahlphase f~illt3). Verlasst der Versicherungsnehmer den Zustand der Berufsunfahigkeit innerhalb der Aufschubzeit, werden eventuell laufende Zahlungen aus der Zusatzversicherung eingestellt und die Pr~imienzahlung lebt wieder auf. Erhalt der Versicherungsnehmer am Ende der Aufschubzeit eine Berufsunfahigkeitsrente, wird ihm eine lebenslange Zahlung dieser zugesichert.

A u f s c h u b f r i s t A l t e r s r e n t e

I . . . . . . . r . . . . . . I . . . . . . . . . I ' R e n t e n g a r a n t i e 0 P r ~ i m i e n z a h l d a u e r n r r + m w - x

Abbildung 1. Verdeutlichung der Versicherungspolice am Zeitstrahl

Die HOhe der Berufsunfiihigkeitsrente hangt in diesem Modell von zwei Einflussfaktoren ab:

• vom Eintrittszeitpunkt der Invaliditat und • der seit der Invalidisierung verstrichenen Zeit.

Die Berufsunfahigkeitsrente zu einem Zeitpunkt t => 0 ergibt sich damit als:

B(s,u) m i t s < r , u _-> 0, t = s + u

In diesem Fall steht s ft~r den Eintrittszeitpunkt der Invalidit~it und u ftir die seit der Invalidisierung verstrichenen Zeit (siehe auch Abbildung 2).

2) Ffir die Einmalpramie gilt: Pr(0), Pb(0), P(0) > 0 und PRO), Pb(t), P(t) ~ 0Vt > 0. 3) Wann ein Versieherungsnehmer im Sinne des Vertrages als berufsunfiihig oder pflegebedtirftig angesehen wird, ist Bestandteil der vertraglichen Definition, auf die hier nicht naher eingegangen werden soll.

241

Page 4: Einsatzmöglichkeiten von Markovschen Prozessen bei der Kalkulation von Lebensversicherungsprodukten

t = 0

I

A b l e b e n s t l r t2

I n v a l i d i s i e r u n g B ( s , t l - s ) B ( 8 , t2 - 8)

Abbildung 2. H6he Berufsunf~higkeitsrente (beispielhaft)

Die Karenzzeit 4) belfiuft sich zu Beginn auf eine beliebige Anzahl von Tagen, Wochen oder Monaten. Sobald der Versicherungsnehmer einmal fiber diesen Zeitraum hinweg berufsun- f/ihig war, wird durch eine erneute Berufsunffihigkeit keine Karenzzeit mehr ausgel/)st.

2. M o d e l l i e r u n g

2.1 Das Grundmodell

Fiir unser Modell wollen wir die Annahme treffen, dass die Wahrscheinlichkeiten abh/ingen

• vom Alter x des VersicherungsnehmersS), • vom Ausgangszustand g und Endzustand h und • beim Ausgangszustand invalide zus/~tzlich noch yon der Dauer z des aktuellen Aufent-

hares im Zustand invalide.

Zur Modellierung 6) der oben beschriebenen Versicherungspolice le.gen wir folgendes Zustandsmodell zugrunde. Die Variable ix gh kennzeichnet dabei die Ubergangsintensit/it x, (z) vom Zustand g in den Zustand h.

akt iv (a) p~i • inval ide (i)

Abbildung 3. Das Grundmodell

Mit Hilfe des stochastischen Prozesses

{X(t);t => 0}mi tX: [0 , o~) ~ fl:= {a, i, d}

4) Die Karenzzeit ist eine Wartezeit. Tritt der Versicherungsfall ein, verzrgert sich die Zahlung der vereinbarten Berufsunffihigkeitsrente um die vereinbarte Wartezeit. Die Beitragszahlung entffillt jedoch so fort. 5) Wir betrachten hier stets einen mfinnlichen Versicherungsnehmer; insofern spielt das Geschlecht auch eine Rolle. 6) Die Modellierung basiert auf [5] S. 481 f.

242

Page 5: Einsatzmöglichkeiten von Markovschen Prozessen bei der Kalkulation von Lebensversicherungsprodukten

lassen sich die Abh~ngigkei ten vom Al t e r und dem aktuel len Zus tand abbilden, aber nicht die Abh~ingigkeit v o n d e r Daue r des Aufenthaltes. Die Daue r des Aufenthal tes in e inem Zus tand model l ie ren wir daher durch einen wei teren stochastischen Prozess 7)

{Z( t ) ; t ->_ 0 } m i t Z : [ 0 , ~ ) ~ R +

wobei Z( t ) definiert ist als:

Z(t) := max{s ] s < t und X(t - h) = X(t) Vh mit 0 < h < s}

Betrachte t man die Prozesse X(t) und Z(t ) gleichzeitig, erh~ilt man den zusammengesetz ten Prozess

{X(t), Z ( t ) ; t _-> 0},

der alle for unser Model l re levanten Abhfingigkei ten erfasst. Von dem zusammengesetz ten Prozess {X(t), Z( t ) ; t --- 0} wollen wir jetzt und im Folgenden voraussetzen, dass er ein zeitabh~ingiger Markov-Prozess 8) ist, d.h. die zukfinftige Entwicklung nur vom Al te r x und den momentanen Wer ten von X(x) und Z(x) abh~ingt. De r Prozess {X(t); t => 0} wird in e inem solchen Fall als ein (zeitabh~ingiger) Semi-Markov- Prozess bezeichnet9). Naheres fiber die al lgemeine Anwendung von Markov-Prozessen findet der interessierte Leser in den S tandardwerken [3], [6] und [7]. Unte r den von uns getroffenen A n n a h m e n ergibt sich die Obergangswahrscheinl ichkei t eines heute x-j~ihrigen innerhalb des Ze i t raums t => 0 vom Zustand aktiv in einen der drei Zust~inde aktiv, invalide oder tot als die bedingte Wahrscheinl ichkei t

tp ah := P(X(x + t) = h [ X(x) = a) mit h C {a, i, d} (2)

Die Obergangswahrscheinl ichkei t eines heute x-j~ihrigen, vom Zus tand invalide ausgehend, h~ingt zusatzlich noch v o n d e r aktuel len Daue r des Aufenhal tes im Zus tand invalide ab:

tP~z :=P(X(x + t) = h lX(x ) = i, Z(x) = z) mit h c {a, i, d} (3)

Die Verbleibewahrscheinl ichkei t im Zus tand aktiv ist wie folgt definiert :

tP~ := P(X(x + t) = a, Z(x + t) >= t I X(x) = a) (4)

Durch die Hinzunahme von Z(x + t) => t i m Ereignis von (4) wird sicher gestellt, dass der Versicherungsnehmer den Zus tand aktiv t iber die gesamte Daue r t nicht verl~isst. Ana log ermit te ln wir die Verbleibewahrscheinl ichkei t im Zustand invalide. U m sicher zu stellen, dass sich der Versicherungsnehmer fiber den gesamten Ze i t r aum t hinweg im Zustand invalide aufh~ilt, wird in das Ereignis die Bedingung Z(x + t) = z + t aufgenommen. Damit gilt:

tP~,z :=P(X(x + t) = i, Z(x + t) = z + t I X(x) = a, Z(x) = z) (5)

Abschl ieBend ben6t igt man noch die Obergangsintensit~iten:

/tah := lim tpah ffir h = i, d (6) t~0 + t

•ixh, z : : l im tpxi~'~z ffir h = a, d (7) t--O + t

7) Die Dauer des Aufenthaltes in einem Zustand wird hier im Modell nur fiar den Zustand invalide wirklich ben6tigt. 8) Definition Markov-Prozess siehe z.B. [3] S. 152. 9) N~ihere Informationen iiber Semi-Markov-Prozesse findet der Leser in [2] S. 32 ft.

243

Page 6: Einsatzmöglichkeiten von Markovschen Prozessen bei der Kalkulation von Lebensversicherungsprodukten

Hierbei nehmen wir an, dass diese Limites existieren, die Ubergangsintensit~iten stetige Funkt ionen von x bzw. (x, z) sind und auf jeder beschrankten Menge von Werten ffir (x, z) beschrfinkt sind. Die 15bergangsintensitat ~,h z mit g . h kann als die bedingte Wahrscheinlichkeit des lJbergangs vom Zustand g in den Zustand h innerhalb des infinitesimal kleinen Zei t raums Ix, x + dx) - unter der Bedingung, dass sich der Versicherungsnehmer im Al te r x im Zustand g befindet - interpret ier t werden 10). Bedingt durch die Tatsache, dass die Karenzzei t nur einmalig zu beachten ist, ist es sinnvoll den schon bekannten Wahrscheinlichkeiten noch weitere hinzuzufiigen. Ftir die kommenden Berechnungen interessieren vor al lem folgende zwei Wahrscheinlichkeiten:

1. die Wahrscheinlichkeit, dass ein heute x-j~hriger Akt iver zum Zei tpunkt t aktiv ist und dabei innerhalb des Zeitraums (0, t] mehr als f Jahre ununterbrochen bemfsunffihig war11):

t - f

/ " - ~Px (f)]~+ufP~+~.ot-u-fP×+u+f,f du : t => f ; f > 0

. ~ , f f [~pa . . . . i U ia

tPx ~ ) := 0 (8) 0 : t < f ; f > 0

tPx a~ : t _--> 0; f = 0

2. die Wahrscheinlichkeit, dass ein heute x-j~hriger Akt iver zum Zeitpunkt t berufsunfahig ist und dabei innerhalb des Zeitraums (0, t] l~nger als f Jahre ununterbrochen berufsunf~hig war:

[ [uPx~a . . . . . q ai i_[ ii J U ~Px kI)j/~x+~fPx+u,ot-u fPx+~+f,f ta : t > = f ; f > 0 ~p~ ai ( f ) : = 0 (9)

0 : t < f ; f > 0 t p ai : t = 0; f = 0

• Wir wollen durch diese Wahrscheinlichkeiten sicher stellen, dass ein Versicherungsnehmer zum Zei tpunkt t schon einmal f Jahre lang ununterbrochen berufsunffihig war. Deshalb unter tei len wir - im einzigen interessanten Fall t => f; f > 0 - die Zei t t in eine Zei tspanne u vor und eine Zei tspanne t - u - f nach der f-jahrigen Invaliditat (siehe Abbi ldung 4).

f fleet) q

I i I I 0 u u + f " t - u - f " t

(variabel) (variabel)

Abbildung 4. Aufleilung der Zeitspanne t ftir die Wahrscheinlichkeit innerhalb dieser Zeitspanne mindestens f Jahre invalide zu sein.

Dazwischen sichert fP~+u. 0 die f-j~ihrige Invalidit~it. In welchen Zust~inden sich der Versicherungsnehmer in der Zei tspanne t - u - f aufhfilt, interessiert uns dabei nicht. Er muss nur zum Zei tpunkt u vom Zustand aktiv in den Zustand invalide wechseln - ohne dabei schon einmal tiber f Jahre hinweg konstant berufsunffihig gewesen zu sein - und sich zur Zei t

~0) Vgl. [2] S. 17. 11) Ftir t ~ f liefert Gleichung (8) eine Volterra'sche Integralgleichung fiir ~p~(f). Unter sinnvollen Stetigkeitsannahmen for die dabei auftretenden Ubergangswahrscheinlichkeiten und -intensit~iten ist diese Integralrechnung eindeutig 16sbar. (siehe [4] S. 13-15)

244

Page 7: Einsatzmöglichkeiten von Markovschen Prozessen bei der Kalkulation von Lebensversicherungsprodukten

t i m gewtinschten Zustand befinden. Der 0 b e r g a n g yon aktiv in den Zustand invalide kann zu e inem beliebigen Zei tpunkt u innerhalb des Intervalls (0, t - f) erfolgen. Aus diesem Grund integriert man tiber dieses Intervall. Ist t < f u n d f > 0, kann der Versicherungsnehmer nie innerhalb der Zei tspanne t tiber f Jahre konstant berufsunf/ihig sein, weswegen gilt:

tpx~a(f) = tPx~i(f) = 0

Im Fall f = 0 ist tpx~"(f) mit tPx "a und tp~i(f) mit tPx ~ identisch.

2.2 Der Rechnungszins und weitere notwendige Variablen

Der Zins soil in diesem Modell dutch eine konstante Zinsrate 6 modell iert werden. Der j~hrliche Diskontfaktor ergibt sich - da wir ein stetiges Modell zugrunde legen - als:

v :=e ~ (10)

M6chte man tiber die Zei tspanne t C R+ diskontieren, ben6tigt man den Diskontfaktor

V t = e 6t

Ob die Karenzzeit bei Eintri t t einer Invalidit~it zum Zei tpunkt t c [0, r) noch zu beachten ist, gibt die Variable

K(t) = / 0 : keine Karenzzeit zur Zeit t (11) 1 : Karenzzeit zur Zeit t

a n .

Als letztes ben6t igen wir noch die Variable

to E ~ + ,

durch die das kalkulatorische H6chstalter des Versicherungsnehmers erfasst wird. Dami t gilt ftir das Eintri t tsalter:

x c [0, ~0].

3. D i e B a r w e r t e

Bei einer aufgeschobenen Rentenvers icherung mit Beitragsrtickgewahr und Berufsunf/ihig- keitszusatzversicherung ben6tigt man die Leistungsbarwerte (LBW) der Rente, der Todesfallleistung, der Berufsunf~ihigkeitsrente und den Pr~imienbarwert (PBW). Betrachten wir zuerst den erwarteten Barwert der R e n t e : Zun~ichst behandeln wir den Fall, dass der Versicherungsnehmer das Ende der Aufschubfrist als Aktiver erreicht ( ~ rp~a). In diesem Fall erh~ilt er die Rente ft~r die ersten m Jahre auf jeden Fall. In den Jahren nach der Rentengarant ie wird die Rente nur ausbezahlt, wenn der Versicherungsnehmer noch lebt ( ~ uPx+r + ai aa uPx+0" Der Rentenbarwer t ftir dieses Ereignis ist somit12):

12) Die Darstellung von Rentenbarwerten im stetigen Fall wird ausftihrlich in [1] S. 134 ff behandelt. Der Ausdruck in Klammern ist der Fall einer Leibrente mit Rentengarantiezeit, der in [1] S. 140 bei Formel (5.2.24) zu finden ist - mit variabler Rentenh6he R(u). Der Vorfaktor v r rp~ a beschreibt die Aufschubfrist, die der Versicherungsnehmer als Aktiver iiberstehen muss. Ftir den Leser mag es hilfreich sein, hier und im Folgenden die A_hnlichkeit zwischen den stetigen Barwerten und den iiblichen diskreten Barwerten zu beachten, bei denen die Integrale durch Summen ersetzt werden.

245

Page 8: Einsatzmöglichkeiten von Markovschen Prozessen bei der Kalkulation von Lebensversicherungsprodukten

R " "" + ~' ] VrrPx aa R(u)vUdu+ (U)V [uPx+r uPx+rJ du

m

Die Rentenleistung aus der Hauptversicherung wird aber aueh ausgel6st, wenn der Versicherungsnehmer zum Zeitpunkt t = r invalide ist und noch keine Berufsunfiihigkeits- rente erh~ilt. Um invalide zu sein und keine Leistung aus der Zusatzversicherung erhalten, daft der Versicherungsnehmer die Karenzzeit zum Zeitpunkt r noch nicht beendet haben. Die letzte Invalidit/it innerhalb der Aufschubzeit daft also erst zum Zeitpunkt s C (r - f, r) eintreten, wobei sich die Karenzzeit zum Zeitpunkt s auf f Jahre belaufen muss. Aus diesem Grund integrieren wir [~PI" - ~p~a( f ) ] . ~%~ ~ ~p~+,, 0 tiber den Zeitraum (r - f, r). Die Rentenleistung wird auf jeden Fall m Jahre lang ausbezahlt, danach nur so lange der Versicherungsnehmer lebt

( ~ i~ + n,a uPx+r, r-s u V x + r , r s / "

Der gesamte Rentenbarwert fiir den Fall, dass ein Versicherungsnehmer zum Zeitpunkt r invatide ist und die Karenzzeit noch nicht beendet hat, ergibt sich damit als:

f~r sPxaa(f)]~i+s [ i R(u)vU + ,,,~r ] v r / [ s p a a ii d u R ( u ) u it ia - - V [uPx+r, + du ds r-s uPx+r, r s r s P x + s , 0

r f 0 m

Insgesamt folgt damit:

Y ] aa u aa ai L B W (Rente) :=v ~ rPx R(u) v~du + R(u) v [~p~+~ + uPx+~]du

0 m

• ii R u + vr [sPa a -- sPxaa(f)] ]X]'+s ' ~Px+~.0 ( ) vUdu r - f 0

o) x r

v [.p~+ . . . . + .Px+~,~-~] d u d s

m

Betrachten wir als n/ichstes den erwartelen Barwert tier Toflesfallleistung: Stirbt der Versicherungsnehmer zum Zeitpunkt u E (0, r), werden alle in die Hauptver- sicherung eingezahlten Pr/imien zurtickerstattet. Da man zu Beginn der Versicherung noch nicht weiB, wie viel Pr/imie der Versicherungsnehmer bis zu seinem Tod einzahlen wird, betrachtet man anstelle einer festen Leistung den Erwartungswert der einbezahlten Priimien ftir die Rentenversicherung zum Zeitpunkt des Todes und diskontiert diese auf t = 0. Die Pr~imienzahlung erfolgt, wenn der Versicherungsnehmer aktiv ist. Wechselt er in den Zustand invalide oder verstirbt er, fallen keine Pr~mien an. Da wir davon ausgehen, dass der Versicherungsnehmer zum Zeitpunkt u verstirbt, zahlt er seine Pr/imie im Zeitraum [0, u) auf jeden Fall, aul3er er ist invalide. Der bedingte 13) Erwartungswert der einbezahlten Pr/imien ftir die Rentenversicherung zum Zeitpunkt u bestimmt sich somit als:

u

E[P(u)] :=/(1 - wPxam)pr(w)dw (13)

0

Die Pr/imienrtickerstattung wird dadurch ausgel6st, dass der Versicherungsnehmer entweder als Aktiver oder als Invalider stirbt.

13) Unter der Bedingung, dass der Versicherungsnehmer vor dem Zeitpunkt u lebt.

246

Page 9: Einsatzmöglichkeiten von Markovschen Prozessen bei der Kalkulation von Lebensversicherungsprodukten

Da der Zeitpunkt u c (0, r), zu dem der Versicherungsnehmer verstirbt, beliebig ist, ergibt sich der erwartete Barwert der Todesfallleistung ffir den f_)bergang von aktiv nach tot als:

r

j v u upx aa ~d+uE[Pr(u)] du

0

Die Todesfallleistung im Fall, dass ein heute aktiver Versicherungsnehmer in s Jahren invalide wird und nach weiteren u Jahren verstirbt ohne den Zustand invalide noch einmal zu verlassen, ergibt sich aus dem bedingten Erwartungswert der einbezahlten Pr~imien zum Zeitpunkt s. Da u und s variabel sind und s + u innerhalb der Aufschubzeit liegen muss, gilt ffir den erwarteten Barwert der Todesfallleistung bei Tod als Invalider:

r [ - s

t3 0

Insgesamt erhalten wir damit: r

L B W (Todesfall):=/vu up~ g~d+uE[Pr(u)] du

0

+ v s sp~a N~+sE[Pr(s)] v u ii id (14) uP~+~,o N+s+u,u d u d s

0 0

mit u

E[Pr(u)] := / (1 - wp~ i) Pr(w)dw

0

Ffir die Zusatzversicherung ben6tigen wir den erwa~eten Bar~e~ der Benffsu~'filfigkeits- rente: Ein Versicherungsnehmer erh~ilt Leistungen aus der Zusatzversicherung, wenn er innerhalb der Aufschubzeit invalide wird und w~ihrend der Karenzzeit ununterbrochen berufsunf~ihig bleibt. Die Karenzzeit belauft sich dabei entweder auf f oder 0 Jahre, je nachdem ob der Versicherungsnehmer vor dem Eintritt der ausl0senden Invalidit~it schon einmal fiber die Karenzzeit hinweg invalide war oder nicht. Betrachten wit als erstes den Fall, dass der Versicherungsnehmer noch nie f Jahre lang ununterbrochen invalide war. Die Wahrscheinlichkeit, dass er in diesem Fall zum Zeitpunkt s C (0, r - f] invalide wird, bel~iuft sich auf:

[~p~ - ~p~(f)]~+~.

Wird der Versicherungsnehmer nach dem Zeitpunkt r - f invalide, kann er die Karenzzeit nicht mehr innerhalb der Aufschubfrist beenden. Aus diesem Grund muss s in (0, r - f] liegen. Die Versicherungsleistung zum Zeitpunkt t < r erh~lt er, wenn er in t mehr als f Jahre ununterbrochen invalide ist, Der erwartete Barwert der Berufsunf~higkeitsleistung inner- halb der Aufschubfrist, bei einer Karenzzeit yon f Jahren, berechnet sich damit als:

r f r - s

~P~+~,o du ds

0 0

Bleibt der Versicherungsnehmer bis zum Ende der Aufschubzeit invalide, erh~ilt er die Leistung der Zusatzversicherung lebenslang.

247

Page 10: Einsatzmöglichkeiten von Markovschen Prozessen bei der Kalkulation von Lebensversicherungsprodukten

Der erwartete Barwert der Berufsunfiihigkeitsleistung nach der Aufschubfrist, bei einer Karenzzeit von f Jahren, berechnet sich somit als:

r f ~o x r

VS[spaa _ sPxaa(f)]bL~i+s Vr_s ii V u B(s, u + r s)[upx+ . . . . . ~- r-sPx+s, 0 ' -- uPx+ . . . . ]du ds 0 0

Der zweite zu beachtende Fall bei der Auszahlung der Berufsunffihigkeitsrente ist, dass ftir den Versicherungsnehmer bei Eintri t t der Invalidit~it keine Karenzzeit mehr anf~illt. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Versicherungsnehmer zum Zei tpunkt s E (0, r) invalide wird und keine Karenzzeit zu beachten ist, ergibt sich als:

spaa(f) ~L~i+ s

Da die Karenzzeit wegfiillt, erfolgt die Auszahlung der Rente sofort nach Eintri t t der Invaliditat. Der erwartete Barwert der Berufsunfahigkeitsleistung innerhalb der Aufschub- frist ohne Beachtung der Karenzzeit berechnet sich damit als:

i r i s vS sPxaa(f) ~.~1+ S vUB(s, d U)up~+s. o du

0 0

Bleibt der Versicherungsnehmer bis zum Ende der Aufschubzeit invalide, erhalt er die Leistung der Zusatzversicherung nach wie vor lebenslang. Der erwartete Barwert der Berufsunf~ihigkeitsleistung nach der Aufschubfrist ohne Beachtung der Karenzzeit berechnet sich damit als:

i v s ~paa(f) P~'+~ " Vr-s ' - ~pxii+ ~, 0 vUB(s, u + r - S)[upx +il . . . . + upx+ia . . . . ] duds

0 0

und wir erhalten insgesamt: r - f r s

" U)uPx+s, o du

0 0

2 t- V r s ii vUB(s, U 2/_ r ii ia - S)[uPx+ . . . . . q - uPx+ . . . . ] du ds r-sPx+s, o 0

+ v s ~p~(f) Ni+~ v ~ B(s, ii U)up;+s. o du 0 0

~o-x-r

J ii ia ] + v r ~ p ~ v u B ( s , u + r - s)[upx+ . . . . . + uPx+ . . . . ]du ds (15) f - S --+s~0

0

SchlieBlich ergibt sich der erwartete Barwert tier Pri imieneinnalmaen als: n

P B W (Priimie) = ] v u P(u) upaadu (16)

0

Aus dem erwarteten Barwert der Gesamtpr~imie for die Haupt- und Zusatzversicherung erhiilt man den erwarteten Barwert der Pr~imie fur die Hauptversichertmg, indem m an in (16) P( . ) durch P r ( . ) ersetzt:

n

(Pr~imie-Rente) = / vu Pr(u) ~paadu P B W (17)

0 248

Page 11: Einsatzmöglichkeiten von Markovschen Prozessen bei der Kalkulation von Lebensversicherungsprodukten

Ebenso l~isst sich der erwartete Barwert der Prfimie fiir die Zusatzversicherung bestimmen, indem in (16) P( . ) durch Pb(. ) ersetzt wird:

PBW (Pr•mie-BU) = i vu P(u) upx"adu (18)

0

Wie Pr~imienzerlegung, Dynamik, Betragsfreistellung und Ktindigung mit Semi-Markov- Prozessen realisiert werden k/~nnen, ist, wie auch der Umgang mit Kosten, in [8] nachzulesen.

4. D ie D e c k u n g s r f i c k s t e l l u n g e n

In diesem Abschnitt werden explizite Formeln fur die Deckungsrtickstellung angegeben, da in Abschnitt 5 demonstriert werden soil, dass diese Formeln auch in einem herk6mmlichen Bestandsfiihrungssystem verwendet werden k6nnen. Selbstverst~indlich sind auch andere Darstellungen mOglich, wie z.B. die implizite Darstellung mit Hilfe der Thieleschen Differentialgleichung 14). Die Deckungsrtickstellungen werden bier nach der prospektiven Methode, wie in § 341 f HGB vorgeschrieben, berechnet. Die Deckungsrtickstellung V zum Zeitpunkt t => 0 definiert man somit als:

erwarteter Kapitalwert der kiinfiigen Leistungen minus

dem erwarteten Kapitalwert der kiinfiigen Priimieneinnahmen,

diskontiert auf den Zeitpunkt t >= O, unter der Bedingung, dass der Vertrag zum Zeitpunkt noch besteht.

Die erwarteten ktinftigen Leistungen und Pr~mien sind nicht zu jedem Zeitpunkt identisch. Sie unterscheiden sich durch den Betrachtungszeitpunkt t, den Zustand des Versicherungs- nehmers zum Zeitpunkt t und die Leistung, die der Versicherungsnehmer erhalt. Betrachten wir beispielhaft die Deckungsriickstellung der aufgeschobenen Rentenversiche- rung 15) zum Zeitpunkt t innerhalb der Aufschubzeit fiir einen Aktiven, der die Karenzzeit schon einmal erfiillt hat und Pr'~aien leistet, also t < n _< r: Ffir die Bestimmung dieser Deckungsrt~ckstellung ben6tigt man den erwarteten Kapitalwert

• der k~nftigen Renten[eistung KWT. (Rente) (t), • der ktinftigen Todesfallleistung KWT~ (Todesfall) (t), • der kt~nftigen Pr~imieneinnahmen aus der Rentenversicherung KWT. (Pr~imie-Rente) (t).

Schauen wir uns den erwarteten Kapitalwert der ktinftigen Rentenleistung zu einem Zeitpunkt t unter den oben getroffenen Voraussetzungen an. Der Barwert der Rent- enleistung ergibt sich wie in (12).

14) Siehe hierzu [3] S. 426. 15) Der Einfachheit halber betrachten wir hier nur die Hauptversicherung und lassen die Riickstellungen der Berufsunffihigkeitszusatzversicherung unbetrachtet. Diese k6nnen aber analog mittels der in Abschnitt 3 abgeleiteten Barwerte berechnet werden.

249

Page 12: Einsatzmöglichkeiten von Markovschen Prozessen bei der Kalkulation von Lebensversicherungsprodukten

Da in dem von uns betrachteten Fall die Karenzzeit schon erfiillt wurde, wird die erste Berufsunf~ihigkeitsrente sofort nach Eintritt einer Invalidit~it f~illig. Bei einer Invalidit~it zum Zeitpunkt r wird damit keine Rentenzahlung aus der Hauptversicherung ausgel6st. Der Versicherungsnehmer erh/ilt stattdessen eine lebenslange Berufsunf~ihigkeitsrente. Der erwartete Kapitalwert der ktinftigen Rentenzahlungen ergibt sich somit folgenderma- Ben:

. . . . . uPx+r] du (19) KTWa (Rente)(t):= V r- t r - tPx+t R(u) v u du + R(u) v [uPx+r + ai

0 0

AuBer der Rentenversicherung enthfilt die Hauptversicherung noch den Todesfallschutz. FOr die Berechnung des erwarteten Barwerts der Todesfallleistung (14) ben6tigt man den bedingten 16) Elwartungswert der einbezahlten Pr/imien bis zum Todeszeitpunkt u c [0, r). Betrachtet man den Versicherungsvertrag zu einem beliebigen, aber festen Zeitpunkt t innerhalb der Aufschubfrist weil3 man, welche Summe ~r(t) bis zu diesem Zeitpunkt vom Versicherungsnehmer in die Rentenversicherung einbezahlt wurde. Der bedingte 17) Elnvartungswert der zuktinftigen Pr/imienzahlungen Pr(- ) vom Zeitpunkt t bis zum Tod in u berechnet sich analog zu (13):

u

E[Prt(u) ] := 1(1 - wp]i+,)Pr(w + t)dw (20)

0

Der erwartete Kapitalwert der kiinfligen Todesfallleistung zum Zeitpunkt t < n _< r ergibt sich somit als:

r - t

KWT~ (Todesfall)(t):= ] v u upaa~t p~a+t+u(1-l(t ) + E[Prt(u)]) du

0

r t r - t - s

+ / V S s P x + t a l a a ].1~ +t +s . ( H ( t ) + E[Prt(s)])[ I v uPx+t+s,0 ~+t+s+u,u duJ d s U ii id (21) 0 0

AbschlieBend wird noch der erwartete Kapitalwert der ktinftigen Pr/imienzahlungen fiir die aufgeschobene Rentenversicherung ben6tigt. Die Pr/~mienzahlung erfolgt nur bis zum festgelegten Zeitpunkt n < r. Der Kapitalwert zum Zeitpunkt t( < n) berechnet sich analog zum Barwert (17):

n - t

KWTa (Pramie-Rente)(t) := [ v u Pr(u + t) upa~tdu (22)

0

Die Deckungsriickstellung der aufgeschobenen Rentenversicherung (Vr...(t)) eines Aktiven zum Zeitpunkt t - unter den angegebenen Bedingungen - berechnet sich nach der prospektiven Methode somit als:

"V'r~,n(t) = KWTa (Rente) (t) + KWTa (Todesfall) (t)

- KWTa (Pr/imie- Rente) (t)

16) Unter der Bedingung, dass der Versicherungsnehmer vor dem Zeitpunkt u lebt. 17) Unter der Bedingung, dass der Versichei-ungsnehmer vor dem Zeitpunkt u lebt.

250

Page 13: Einsatzmöglichkeiten von Markovschen Prozessen bei der Kalkulation von Lebensversicherungsprodukten

5. D i s k r e t i s i e r u n g

In der Realit/it effolgt weder die Pr/imien- noch die Leistungszahlung stetig. Der Versicherungsnehmer und das Versicherungsunternehmen leisten vielmehr zu lest definiert- en, diskreten Ze i tpunkten t die Pr~imie bzw. die Rentenzahlungen. Auch die Todesfallleis- tung kann h6chstens auf den Tag genau ausbezahlt werden. Unsere Variablen n, m, r, f, x, z liegen somit nicht mehr in ~ + sondern in Q+. Modelliert man die Obergangswahrscheinlichkeiten - wie hier geschehen - durch stetige Semi-Markov-Prozesse, k6nnen die in den vorangegangenen Kapiteln angestell ten Uberle- gungen einfach in ein diskretes Modell Obertragen werden. Da wir fox jeden Zei tpunkt t _-> 0 die Ubergangswahrscheinlichkeiten und Intensit~iten kennen, erh~ilt man das diskrete Modell, indem man die Zahlungen fiJr best immte Zei tpunkte in Q+ gr6Ber Null setzt18). Dami t werden viele Integrale zu Summen und die Terme k6nnen nach eventuel len Umformungen for die gewiJnschten Gr66en n, r, m, f, x E ~+ in Tabellen hinterlegt und im Bestandsffihrungssystem eines Versicherungsunternehmens berechnet werden. U m die gewonnene Flexibilitat des Modells nicht zu verlieren, halten wir an den stetigen Wahrscheinlichkeiten und Ubergangsintensit~iten lest. Hier soil die Diskretisierung beispielhaft am erwarteten Barwert der Berufsunf/ihigkeits- rente innerhalb der Aufschubzeit ohne Beriicksichtigung der Karenzzeit unter der Annahme, dass die Zahlung jeweils zu Beginn des Jahres erfolgt mit gleichbleibender Versicherungs- summe B, vorgestellt werden19):

r r s

v ~ sp~a(f) N~+s v~B( s, u) ~P;+~,o d u d s

0 0

(1} [ Is 1 aa/~x ai ii / ~ u i_i l d s B - J v sPx LU#x+sN sP~+,,0 [ 2_., v upx+r~l.[~l sJ

0 L u=0

(24)

k

I ] =(2/B ~ vksPxaa~f'( )/Ax+sk_sPx+s, 0 a i ii vU uPx+k.kil s •ds

k=l L u=0 k 1

(25)

k r 1 r -k -1 = Z ~ I aa ai ii ii (3) B vk+U ~P~ (f)g~+~k-~P;+~,o~,P;+k,k ~ds

k=l u=O k 1

=:k-~l:~P**'(f)

(26)

zu (1): 2°) Geht man von konstanten, jeweils zu Beginn des Jahres erfolgenden Zahlung B(s, u) ~_ B aus, erh/ilt ein Versicherungsnehmer, der zum Zeitpunkt s c R+ invalide wird, die erste Zahlung zum Zeitpunkt Is], wenn er zu diesem Zeitpunkt immer noch invalide ist ( ~ rsl sP~+s. 0). Die letzte Berufsunfiihigkeitsrentenzahlung innerhalb der Aufschubzeit effolgt zum Zeitpunkt r - 1.

18) Eine andere M6glichkeit zu diskretisieren ist. anstelle eines stetigen Modells von vorneherein ein zeitdiskretes Modell zugrunde zu legen. tg) Is] gibt dabei die kleinste ganze Zahl gr6Ber gleich s an. 20) Einheitliche Formeln erh~lt man durch Stieltges-Integrale, worauf wir hier aber aus Grtinden der einfacheren Darstellung verzichten.

251

Page 14: Einsatzmöglichkeiten von Markovschen Prozessen bei der Kalkulation von Lebensversicherungsprodukten

zu (2): Da Is] E N+ A (0, r - 1) das Versicherungsjahr angibt, in dem der Versicherungsnehmer die erste Berufsunffihigkeitsrente erh~ilt, k6nnen wir das Jahr und den genauen Zeitpunkt der Invalidisierung in diesem Jahr getrennt betrachten. Mit k = 1, 2 . . . . . r - 1 erfassen wir die

m6glichen Jahre der ersten Rentenzahlung und mit Hilfe des Integrals ~ den genauen Zeitpunkt der Invalidisierung innerhalb des Jahres. k 1

ZU (3): Dutch Umstellen erh~ilt man eine Formel, in der die Wahrscheinlichkeit, dass der Versicherungsnehmer zum Zeitpunkt k + u eine Berufsunfhhigkeitsrente erh~ilt, die durch eine Invalidit~it im Zeitraum [k - 1, k) ausgel6st wurde ( ---, k-llk, uPa'(f)), getrennt enthalten ist.

Nach diesen Umformungen erh~ilt man somit eine Formel, wie sie auch aus der konvent ionel len Lebensversicherungsmathematik bekannt ist. Hat man die benr t ig ten Wahrscheinlichkeiten einmal berechnet und hinterlegt, erfolgt die Best immung der Barwerte wie immer. Zusammenfassend k r n n e n wir feststellen, dass der Vorteil einer Modell ierung mittels Semi- Markovscher Prozesse in einer groBen Flexibilit~it der mrgl ichen Modelle liegt. Ein wesentlicher Schritt liegt dann in der Sch~itzung und Berechnung der re levanten (Uber- gangs-)Wahrscheinlichkeiten. Sind diese gegeben, so k r n n e n die aktuariel len Werte (Pdimie, Deckungsrtickstellungen etc.) analog zur tradit ionellen Lebensversicherungsmathematik berechnet werden. Insbesondere entstehen so nach Diskretisierung Formeln, die in herk6mmlichen Bestandsfiihrungssystemen verwaltet werden k6nnen.

LITERATUR

[1] N. L. Bowers et al. (1997): Actuarial Mathematics, 2nd edition, Schaumburg, IlL: Society of Actuaries.

[2] S. Habermann und E. Pitacco (1999): Actuarial Models for Disability Insurance. Boca Raton, Fla. [u.a.]: Chapmann & Hall/CRC.

[3] M. Helbig und H. Milbrodt (1999): Mathematische Methoden der Personenversicherung. Berlin, New York: de Gruyter.

[4] W. V. Lovitt (1924): Linear Integral Equations. New York: Dover Publication, Inc. [5] H.-G. Mrller und H.-J. Zwiesler (1996): Mehrzustandsmodelle in der Berufsunf~ihigkeitsversi-

cherung. Blatter der DVGM XXII, S. 479- 499. [6] R. Norberg (1991): Reserves in Life and Pension Insurance. Scan& Actuarial Journal, S. 3-24. [7] R. Norberg (1992): Hattendorff's Theorem and Thiele's Differential Equation Generalized.

Scand. Actuarial Journal, S. 2-14. [8] C. Wetzel (2002): Modellierung eines speziellen Lebensversicherungsproduktes mit Hilfe von

Semi-Markov-Prozessen. Ulm: IFA.

Zusammenfassung

Einsatzm6glichkeiten yon Markovschen Prozessen bei der Kalkulation von Lebensversicherungsprodukten

In dieser Arbeit stellen wir ein Modell zur Kalkulation von Lebensversicherungsprodukten mit Hilfe zeitstetiger Markov-Prozesse vor, und zwar anhand einer aufgeschobenen Rentenversicherung mit Beitragsr~ckgew~hr in der Aufschubzeit, verbunden mit einer Berufsunfahigkeitsversicherung. Das Modell umfasst die bisher in Deutschland verwendete Kalkulationsmethode, ist wesentlich flexibler und erlaubt vielfaltige Produktvarianten, wie z.B. beliebige Kombinationen von Vertragsdauer, Karenzzeit, Wartefrist, Rentenzahlungsdauer. Bei Diskretisierung des Modells zeigt sich, dass hierbei die herkrmmlichen Barwert-Formeln ftir Deckungsrtickstellungen und andere relevante GrrBen entstehen. Dies macht eine Abbildung in herkOmmlichen Vertragsverwaltungssystemen m6glich, wodurch das vorliegende Modell praktisch einsetzbar wird. Der Vorteil der Nutzung von Markov- Prozessen liegt dabei in der flexiblen Modellierung der nrtigen Ubergangswahrscheinlichkeiten.

252

Page 15: Einsatzmöglichkeiten von Markovschen Prozessen bei der Kalkulation von Lebensversicherungsprodukten

Summary

Using Markov Processes for the Calculation of Life Insurance Products

In this article we propose a model for the calculation of life insurance products using continuous Markov processes. As an example we consider a deferred annuity with a return-of-premium guarantee over the deferral period combined with an occupational disability rider. The model comprises the conventional German method of calculating such a product but is much more flexible and can therefore be used for numerous product variations. By discretization of the model we arrive at the customary present value formulas for reserves and other relevant quantities. This allows the practical use of such a model within a traditional life administration system. The advantage of using Markov processes lies in the flexible modeling of the necessary transition probabilities.

253