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Entwicklungspsychologie

Geburt und frühe Kindheit

Die ersten drei Jahre

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Geburt und frühe Kindheit

• Wie wichtig sind die ersten drei Jahre?Bindung

• Wie entwickelt sich das interpersonelle Verhalten („Sozialverhalten“)?

Kognitive EntwicklungAchtmonatsangst (Kindlicher) Egozentrismus

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Geburt und frühe Kindheit

• Was wissen wir?Wenig - frühkindliche Amnesie

(erste Erinnerungen ab 3./ 4. Lebensjahr)Überlieferung der Eltern

• Macht es Sinn, mehr zu wissen?Feld der Selbsterfahrung u. Selbstheilungz.B.: Geburtstraumen

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Geburt und frühe Kindheit

• z.B.: Geburtstraumen(Beispiele aus: Verny, Thomas; Kelly John: Das Seelenleben des Ungeborenen. Wie Mütter und Väter schon vor der Geburt Persönlichkeit und Glück ihres Kindes fördern können. Frankfurt 1990)

Erstickungsangst beim Anziehen von Pullovern

Sadomasochismus

Mögliche Folgen von Kaiserschnittgeburten

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Warum sind Geburt und frühe Kindheit (infancy) so wichtig für gesamte Biografie?

völlige Abhängigkeit des Säuglings von Beziehungsperson

Elementare Erfahrungen der Bedürfnisbefriedigung (ernährt werden, gepflegt werden, Kontakt über alle Sinne)

Erhalt oder Verlust des „Urvertrauens“ (Erikson)

Gefahr früher Störungen

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Bindung (Bonding) - Befunde

• Die Mütter/ primäre Bezugspersonen:

Mütter, die unmittelbar nach der Geburt mit ihren Kindern in Kontakt treten, haben später weniger Probleme beim Füttern,Windeln, kommunizieren ruhiger

Anwesenheit/ Schreien der Neugeborenen regt die Milchproduktion an, diese fördert den Rückbildungsprozeß der Gebärmutter

Isolierung von Mutter und Kind problematisch (z.B. Vertauschphantasien)

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Bindung (Bonding) - Befunde

• Erklärungen - Menschen sind keine Ratten, aber: In Rattenexperimenten wurde nachgewiesen, daß

Mutterinstinkte von der Produktion eines bestimmten Hormons abhängen, welches sich gegen Ende der Schwangerschaft bildet, und dessen Produktion nach der Geburt von der Anwesenheit des Rattenbabys abhängt. Werden sie gleich nach der Geburt fortgenommen, verschwand das Hormon aus dem Körper der Mutter, und das mütterliche Verhalten ging verloren. (Verny 1990; 135)

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Bindung (Bonding) - Befunde

• Die Kinder:• Der Franziskanermönch Salimbene aus Palermo über brachiale

Experimente des Staufferkaisers Friedrich II. (1212 - 1250): "Seine Wahnidee war, daß er ein Experiment machen wollte, welche Art Sprache und Sprechweisen Knaben nach ihrem Heranwachsen hätten, wenn sie vorher mit niemandem sprächen. Und deshalb befahl er den Ammen, sie sollten den Kindern Milch geben, sie baden und waschen, aber in keiner Weise mit ihnen schön tun und zu ihnen sprechen. Er wollte nämlich erforschen, ob sie die hebräische Sprache sprächen, als die älteste, oder griechisch oder lateinisch oder arabisch oder aber die Sprache der Eltern, die sie geboren hatten. Aber er mühte sich vergebens, weil die Kinder alle starben. Denn sie vermochten nicht zu leben ohne die Koseworte ihrer Ammen." (aus Grimm in Oerter/ Montada 1987, S. 590/ 591)

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Bindung (Bonding) - Befunde

• Die Kinder:• Untersuchungen von René Arpad Spitz (40er Jahre Amerika):

• Er verglich Entwicklung von Kindern im Säuglingsheim mit denen, die regelmäßigen Mutterkontakt hatten (obwohl die Mütter im Frauengefängnis einsaßen)

• Die Heimkinder zeigten zunehmend allgemeine Entwicklungsrückstände bis hin zu Schwachsinnigkeit und erhöhter Morbidität. (Symptome: Weinerlichkeit, gehemmte Motorik oder starke Unruhe, Nägelbeißen...Morbidität der Heimkinder bis zu 40%, irreversible Schäden nach 5 Monaten)

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Bindung (Bonding) - Befunde

• Untersuchungen von René Arpad Spitz (40er Jahre Amerika):• Spitz stellte fest, daß es den Heimkindern am Austausch von Gefühlen

mangelte, daß sie zu wenig emotionale Wärme und Zuwendung bekamen, obwohl sie, was (Flaschen-)Ernährung und Hygiene betraf, ausreichend versorgt wurden.

• Er nannte dieses Syndrom Gefühlsmangelkrankheit (Affektentzugssyndrom).

• Seit Anfang des Jahrhunderts: Hospitalismus (Oberbegriff für Gesamtheit psychischer Schädigungen aufgrund längerer Krankenhaus-, Anstalts- oder Heimaufenthalte).

• Deprivation (nach Bowlby 1951)

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Bindung (Bonding) - Befunde

• Entwicklungsbeschleunigung durch Stimulation:• “20 Frühgeburten ... wurden dreimal täglich 15 Minuten lang

massiert; die »Massage« bestand aus Streicheln (außer an Brust und Bauch, wo Neugeborene sich nicht gern berühren lassen) und Radfahr-Bewegungen mit Armen und Beinen, ca. 45 Sekunden lang täglich für 20 Tage, um die Berührungen des Babys durch die Uteruswände zu ersetzen. Die so massierten Babys entwickelten mehr Noradrenalin und Dopamin als die Kontrollgruppe und zeigten durchschnittlich 47% mehr Gewichtszunahme pro Tag, obwohl sie die gleiche Menge Nahrung zu sich nahmen wie die Kontrollgruppe ... und konnten durchschnittlich 6 Tage eher aus dem Krankenhaus entlassen werden. Ein deutlicher Entwicklungsvorsprung konnte auch nach 8 Monaten noch festgestellt werden ...“

• (versch. Autoren, in Wendt, D.: Entwicklungspsychologie.Stuttgart 1997; S. 184)

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Warum brauchen Kinder „Streicheleinheiten“?

• Warum entwickeln sich Säuglinge besser aufgrund sinnlicher Stimulation?

• “Regelmäßiges Streicheln fördert die Entwicklung, vermutlich durch die Hemmung der körpereigenen Produktion von Beta-Endorphin. Im Tierreich entwickeln junge Tiere besonders viel Beta-Endorphin, wenn sie kurzfristig von der Mutter verlassen werden – wahrscheinlich lindert dieses körpereigene Opiat den einsetzenden Hungerschmerz und hemmt die Produktion von Insulin und Wachstumshormonen; der Stoffwechsel der Jungen wird dadurch auf ein Minimum gedrosselt und das Wachstum stark verlangsamt – eine evolutionär sinnvolle Strategie, um das Überleben der Nachkommenschaft »auf Sparflamme« bei längerer Abwesenheit der Mutter zu sichern.”(Wendt, D.:1997; S. 183)

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Praktische Folgerungen:

• Frühe Förderung der Kinder

• Väter an Geburt beteiligen

• Rooming in

• Stillen

• Förderung der Eltern-Kind-Interaktion (z.B. „Pekip“ = Prager Eltern-Kind-Programm)

• Säuglinge/ Kleinkinder nicht in Heime, sondern in Pflegefamilien

• Lange Krankenhausaufenthalte verhindern bzw. primäre Kontaktpersonen dabei zulassen.

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Interpersonelles Verhalten

• Der Mensch ist kein hormongesteuertes Reflexwesen• Auch der Säugling ist bereits ein aktives,

informationsverarbeitendes, interagierendes, kontaktsuchen-des Subjekt.

• Freud: Primärer Narzißmus

• Balint: Primäre Liebe

• Winnicott: Interaktionsmodell

• Ainsworth: Sozio-emotionale Bindung

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Interpersonelles Verhalten

• Bindungssystem und Explorationssystem. (Ainsworth)• Durch Bindung wird Exploration möglich (sichere Bindung als Basis für

risikoreiche Exploration...) Wo sichere Bindung fehlt (das “Urvertrauen”), fehlt auch das “freudige Draufzugehen”.

• Entwicklung des Bindungssystems in vier Etappen: ab Geburt: Kind ist “allgemein sozial ansprechbar”, sendet Signale

nicht zielgerichtet an Personen ab 3. Monat: Personenspezifische Ansprechbarkeit (gezielte Signale

an best. Personen) ab 7. Monat: Eigentliche Bindung (Bezugsperson wird aufgrund der

entwickelten Objekt- und Personpermanenz vermißt) ab 3 Jahre: “zielkorrigierte Partnerschaft” (angemessene Reaktionen

auf Zuwendung und Zurückweisung) (vgl.Wendt 1997; 219)

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Interpersonelles Verhalten

• Bindungstypen (nach Ainsworth):

• A = unsicher-vermeidende Bindung• B = sichere Bindung• C = ambivalent-unsichere Bindung

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Bindungstypen (nach Ainsworth):

AdäquateZuwendungAdäquateZuwendung Übergriffig

„zu viel“Übergriffig„zu viel“

Sichere Bindung(B)

Sichere Bindung(B) Bindungs-

vermeider (A)Bindungs-

vermeider (A)

Vernachlässigend„zu wenig“

Vernachlässigend„zu wenig“

Bindungs-vermeider (A)Bindungs-

vermeider (A)

AmbivalenteBindung (C)

AmbivalenteBindung (C)

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Bindungstypen - Bezug zu Partner- und Sexualverhalten im Erwachsenenalter

(Hazan & Shaver)

• A (unsicher-vermeidend): Lassen sich wenig auf Partner ein, trennen sich öfter, neigen zu Sex ohne Liebe, sind in Formen des Körperkontakts eingeschränkter als Typ B

• B (sichere Bindung): Leben variantenreiche Sexualität in fester Beziehung ohne Tendenz zu one-night-stand und Außenbeziehung.

• C (ambivalent-unsicher): Engagieren sich sehr in Beziehung, trennen sich, kommen mit selbem Partner wieder zusammen ...

(vgl. Wendt, 1997, S. 227)

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„Achtmonatsangst“

• (Fremdeln, Trennungsangst)

• Symptome: Versteifen, Schreien, Kopf wegdrehen

• Manche Autoren unterscheiden:

• Fremdenangst (Furchtreaktionen beim Anblick fremder Personen)

• Trennungsangst (Reaktion beim Weggehen der Bezugsperson)

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Achtmonatsangst

Erklärungsansatz:

Fähigkeit zur Subjekt-Objekt-Differenzierung.

Ausbildung der Objektkonstanz.

Fremdeln ist intellektuelle Leistung.

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Allgemeine Entwicklung im 2./ 3. Lebensjahr:

Gegen Ende des 1. Lebensjahres: • Vom Säugling zum Greifling• vom Krabbeln (toddlehood) zum Laufen• Beginn der sprachlichen Interaktion

Im 2. Lebensjahr:• Beginn des symbolischen Denkens

Bis ins 3. Lebensjahr hinein:• Kindlicher Egozentrismus

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Egozentrismus

• Kind ist noch nicht in der Lage, sich in andere Personen hineinzuversetzen.

• Unfähigkeit zum Perspektivenwechsel.

• Es hält eigene Empfindungen für die Realität.

• Realität und Fiktion werden vermischt.

• Wahrnehmung ist eindimensional.

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Sind Kinder „grausam“?

• Ein Befund (nach Cairns 1979): Im 2. Lebensjahr sind noch durchschnittlich 50% der Interaktionen zwischen Kindern aggressiver Natur, während die Rate im 3. Jahr auf 20% sinkt. (Kruse, O.: Entwicklung von Ärger und Aggression, Erfurt 1998)

• Das veranlaßt Kruse (1998) zur Feststellung: “Kinder beginnen ihre Entwicklung also mit einem hohen Niveau an Aggressivität und müssen ihren Ärger verlernen. Das ist also genau die entgegengesetzte Entwicklungsaufgabe wie die, die Bandura formuliert hat.”

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Konsequenzen:

• Verlängerung des Erziehungsurlaubs

• Problematisierung der Kinderkrippe

• Vor dem 3. Lebensjahr Bevorzugung von Tagesmüttern

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Egozentrismus in verschiedenen Lebensaltern (vgl. Mönks, Knoers,S.88 ff.):

1. Egozentrismus im sensumotorischen Stadium (0-18 Monate): Kind ist nicht in der Lage, sich selbst in Beziehung zu anderen zu setzen, allmähliche

Differenzierung von “selbst” und andere

2. Egozentrismus in der präoperationalen Phase (18 Monate – ca. 6 Jahre): Entwicklung von Vorstellungen und Worten, noch mangelnde Fähigkeit der Unterscheidung zwischen Phantasie und Realität, Irreversibilität des Denkens

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Egozentrismus in verschiedenen Lebensaltern (vgl. Mönks, Knoers,S.87 ff.):

3. Egozentrismus im Stadium der konkreten Operationen (6 – 11 Jahre): Unklare Unterscheidung zwischen Wahrnehmungen und mentalen Produkten, Stadium der “postulierten Wirklichkeiten” (Elkind 1970), pars-pro-toto-Wahrheiten mit “kognitiven Einbildungen” (z.B. “was die Lehrerin gesagt hat, stimmt”), Kinder können noch nicht Informationen verschiedener Quellen zusammenbringen (eindimensionale Wahrnehmung ...) Hinzu kommt in diesem Alter Autonomiestreben, das Streben den Eltern überlegen zu sein, Rechthaberei, wollen ihre Klugheit und Überlegenheit gegenüber Eltern beweisen, schwindeln z.B., um Überlegenheit zu zeigen...

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Egozentrismus in verschiedenen Lebensaltern (vgl. Mönks, Knoers,S.87 ff.):

4. Egozentrismus bei Jugendlichen: Jugendliche differenzieren oft nicht zwischen ihrem eigenen Denken und dem, was sie denken, was andere denken. “In extremen Maße nimmt der Jugendliche den Standpunkt anderer ein. Laufend nimmt er vorweg, wie andere auf ihn reagieren werden... Elkin nennt diese andauernde Erwartungshaltung dessen, was andere von einem denken werden imaginäres Publikum. Faktisch ist das Verhalten des Jugendlichen eine Reaktion seiner eigenen Erwartungen auf das, was dieses imaginäre Publikum oder die Zuhörerschaft denkt. Er reagiert also auf etwas, das er zuvor als Erwartung in andere hineingelegt hat.. dadurch differenziert er auch nicht zwischen dem, was ihn beschäftigt und dem, was andere beschäftigt.” (90)

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Egozentrismus in verschiedenen Lebensaltern (vgl. Mönks, Knoers,S.87 ff.):

5. Egozentrismus bei Erwachsenen:Das ewige Problem, sich in andere hineinzuversetzen... aus sich herauszutreten... Selbstgerechtigkeit

Aber wenig Untersuchungen

Pathologischer Verbleib im Egozentrismus, z.B. bei Sexualtätern.

6. Egozentrismus im Alter:Wenig systematische Untersuchungen, Annahme, daß E. zunimmt aufgrund kognitiver Regressionen, zunehmender Rigidität (Altersstarrsinn), verringerte soziale Kontakte (evt. das “Unterstellungssyndrom” wie im Jugendalter)

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Zum Weiterdenken:

Wenn Egozentrismus ein generelles menschliches Problem ist, inwieweit ist das Konzept nutzbar, z.B. zur Erklärung von Fremdenfeindlichkeit?

Wie steht es um unsere Fähigkeit zum Perspektivenwechsel, z.B. in Bezug auf Nationalitäten/ Ethnien?

(Wir alle sind Ausländer, fast überall ...)