Ernsthafte Infektionen und Biologika bei der juvenilen ... · PDF fileBiologika-exponiert waren. 341 Infektio-nen traten unter Etanercept auf, verglichen mit 281 Infektionen in der

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Ernsthafte Infektionen und Biologika bei der juvenilen idiopathischen Arthritis

Schattauer 2016 arthritis + rheuma 2/2016

119bersichtsartikelKinder-

rheumatologie

Ernsthafte Infektionen und Biologika bei der juvenilen idiopathischen ArthritisA. C. Schulz; G. HorneffKinderrheumazentrum Sankt Augustin, Zentrum fr Allgemeine Pdiatrie und Neonatologie, Asklepios Klinik Sankt Augustin

SchlsselwrterJuvenile idiopathische Arthritis, Adalimumab, Abatacept, Canakinumab, Etanercept, Inflixi-mab, Tocilizumab, Sicherheit, Infektionen

ZusammenfassungBiologika haben die Therapiemglichkeiten der juvenilen idiopathischen Arthritis (JIA) in den letzten 15 Jahren erheblich erweitert. Trotz der hohen Wirksamkeit sind Sicherheits-aspekte, insbesondere Infektionen, von gro-em Interesse. Das Risiko fr medizinisch be-deutsame bakterielle Infektionen scheint al-lein aufgrund der Erkrankung bei JIA- Patienten erhht und weiter durch die anti -rheumatische Behandlung anzusteigen. Insge-samt ist die Hufigkeit ernsthafter Infektionen niedrig. Die Kombination von Daten aus ver-schiedenen Quellen ergeben vergleichbare Ra-ten ernsthafter Infektionen pro 100 Patienten-jahre fr Abatacept (1,1 [0,52,5]), Adalimu-mab (1,9 [1,42,6]), Etanercept (1,5 [1,41,8]) sowie Tocilizumab (2,06 [1,04,3] und gering-fgig hhere fr Golimumab (3,0 [1,37,3]) und Infliximab (3,4 [1,76,8]). Der Vergleich von Patientenkohorten ohne eine Biologika-therapie (0,67 [0,480,93]) ergibt ein signifi-kant erhhtes Risiko (p < 0,05) fr ernsthafte Infektionen fr alle Biologika mit Ausnahme von Tocilizumab und Abatacept aufgrund klei-nerer Fallzahlen. Ein Herpes zoster ist die ein-zige hufiger auftretende spezifische Infekti-on. Opportunistische Infektionen einschlie-lich Tuberkulose sind sehr selten. Insgesamt sind die Sicherheitsprofile von fr die JIA zuge-lassenen Biologika sehr akzeptabel.

KeywordsJuvenile idiopathic arthritis, Adalimumab, Abatacept, Canakinumab, Etanercept, Inflixi-mab, Tocilizumab, safety, infections

SummaryBiologics for therapy of juvenile idiopathic ar-thritis (JIA) have opened new options since for about now 15 years. Despite high effec-tiveness, safety effects, especially infections are of great interest. The risk for medically important bacterial infections seems in-creased in JIA patients by the disease itself and seems to be further increased by anti-rheumatic treatment. Combining data from several sources, rates of serious infections per 100 patient-years seem comparable for Abatacept (1.1; 0.52.5), Adalimumab (1.9; 1.42.6), Etanercept (1.5; 1.41.8), and Tocilizumab (2.1; 1.04.3], and were slightly higher for Golimumab (3.0; 1.37.3) and In-fliximab (3.4; 1.76.8). Using patient cohorts treated with Methotrexate without a biologic as comparator, risk ratios for serious infec-tions were significantly increased for all bi-ologics except for Tocilizumab and Abatacept due to fewer patient numbers. Opportunistic infections including tuberculosis ware very rare. Herpes zoster is the only specific infec-tion occurring more frequently throughout the studies. Thus, the safety profiles of ac-tually approved biologics are highly accept-able.

KorrespondenzadresseProf. Dr. Gerd HorneffAsklepios Klinik Sankt AugustinArnold-Janssen-Str. 29, 53757 Sankt AugustinTel.: 0 22 41/24 92 01, Fax: 0 22 41/24 92 03E-Mail: [email protected]

Serious infections and biologicals in juvenile idiopathic arthritisarthritis + rheuma 2016; 36: 119127

Noch vor 15 Jahren bedeutete die Diagno-se einer juvenilen idiopathischen Arthritis (JIA) eine manchmal lebenslange Er -krankung mit Schmerzen und Behinde-rungen. Mit der Einfhrung der Biologi-ka, wie der Tumornekrosefaktor (TNF)-Inhibitoren, der Antagonisten von Inter-leukin (IL)-1 oder IL-6 oder der B- oder T-Zell-Inhibitoren kommt das Therapie-ziel einer inaktiven Erkrankung fr die Mehrheit der Patienten in Reichweite (1, 2).

Daten aus kontrollierten, fr die Zulas-sung durchgefhrten Studien, Verlnge-rungsstudien solcher klinischen Studien und nationalen Registern werden genutzt, um auch die langfristige Sicherheit von biologischen Therapien zu bewerten (36). Whrend Verlngerungsstudien ein pro-spektives Design aufweisen, muss aus ethischen Grnden auf einen Placeboarm in Langzeit-Follow-up-Studien verzichtet werden. Die Patientenzahlen solcher Studi-en sind in der Regel relativ klein und neh-men im Verlauf weiter ab. Somit sind diese Studien zur Analyse von seltenen und manchmal gar nicht so seltenen uner-wnschten Ereignissen ungeeignet (79). Register sind dagegen in der Lage, eine groe Anzahl von Patienten zu verfolgen. Die Behandlungsentscheidungen folgen aber keinem einheitlichen Protokoll und Daten mssen retrospektiv analysiert wer-den (1014).

Etanercept

Etanercept ist der erste TNF-Inhibitor, der nach einer ersten placebokontrollierten Studie zur Behandlung der polyartikulren JIA zugelassen wurde (3). Initial erhielten 69 Kinder offen Etanercept bis Woche 12, danach wurden 51 Patienten (74 %) rando-

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misiert, entweder zur Placebo- oder zur Fortsetzung der Etanercept-Therapie fr bis zu 16 Wochen. In den ersten zwlf Wo-chen wurden Infektionen der oberen Atemwege bei 35 % der Patienten beobach-tet. Whrend der vier Monate der Doppel-blindstudie zeigten sich keine Unterschie-de in der Hufigkeit zwischen Patienten, die Etanercept, und denen, die ein Placebo erhielten. 58 Patienten wurden in einer of-fenen Erweiterungsstudie fr bis zu acht Jahre (7, 8) verfolgt. Am hufigsten wurde ber Infektionen der oberen Atemwege, Pharyngitis, Hautinfektionen, Grippe-symptome, Mittelohrentzndung und Bin-dehautentzndung berichtet. Auch mit lngerer Behandlungszeit war kein Anstieg der Rate unerwnschter Ereignisse oder Infektionen zu beobachten. Sechs von neun ernsthaften Infektionen, die zu ei-nem Krankenhausaufenthalt fhrten, wa-ren Peritonitis/Blinddarmentzndung, aseptische Meningitis im Rahmen einer primren Varizella-Zoster-Virus-Infektion, Weichteil infektion, postoperative Wund-infektion, Zahnabszess und eine Sepsis bei einem Patienten, der zustzlich Kortiko-steroide und Methotrexat (MTX) erhielt.

In einer zweiten Studie, der CLIPPER-Studie, wurden 127 Patienten mit einer der JIA-Kategorien extended Oligoarthritis, Enthesitis-assoziierte Arthritis und Psoria-sis-Arthritis mit Etanercept fr zwlf Wo-chen offen behandelt (6). Bei 58 (45,7 %) Patienten wurde ber Infektionen berichtet (198/100 Patientenjahre), drei davon waren ernsthaft (Gastroenteritis, Bronchopneu-monie und Pyelozystitis). In der CLIPPER-Verlngerungsstudie traten in insgesamt 442,5 Expositionsjahren zwlf ernsthafte Infektionen auf. Zwei Zosterinfektionen wurden als opportunistische Infektionen klassifiziert (15).

In der TREAT-Studie (Trial of early aggressive therapy) wurden 85 Patienten randomisiert mit MTX, Etanercept und Prednisolon oder MTX und zwei Placebos behandelt (16). 51 Infektionen wurden gemeldet, 18 traten in der MTX-Kohorte auf (87/100 Patientenjahre), 16 unter der Kombination von MTX und Etanercept (65/100 Patientenjahre) und 17 unter der Kombinationstherapie mit MTX, Etaner-cept und Prednisolon (57/100 Patienten-jahre).

Infektionen der oberen Atemwege wa-ren in beiden genannten Studien am hu-figsten, gefolgt von Magen-Darm-Infektio-nen. Zwei schwere Infektionen (Lungen-entzndung, septische Arthritis der Hfte) traten in der TREAT-Studie auf. Die Pa-tienten der TREAT-Studie wurden fr zwei weitere Jahre (17) verfolgt. Vier Patienten hatten sechs Infektionen, darunter eine Lungenentzndung, die eine systemische antibiotische Therapie erforderte. Tuberku-lose oder andere opportunistische Infektio-nen traten in keiner der klinischen Studien auf, die unter Etanercept durchgefhrt wurden.

Mehrere nationale Register bieten eine weit grere Anzahl von mit Etanercept behandelten Patienten. Seit 1999 schloss das niederlndische ABC-Register 146 Pa-tienten ein, bei denen Etanercept verwen-det wurde (12) bei einem medianen Fol-low-up von 2,5 Jahren pro Patient. In einer Registrierungsstudie aus den USA wurden 397 JIA Patienten mit Etanercept oder Eta-nercept plus MTX ber einen Zeitraum von 36 Monaten behandelt (14). 197 Pa-tienten mit MTX ohne Biologika bildeten die Kontrollgruppe. Die Raten medizinisch bedeutsamer Infektionen waren in der Eta-nercept-Kohorte (1,8 und 2,1/100 Patien-tenjahre) hher als in der MTX-Kohorte (1,3/100 Patientenjahre). Zwei Flle von Herpes zoster wurden berichtet.

In einer britischen Kohortenstudie tra-ten 184 medizinisch bedeutsame Infektio-nen (158 mit Etanercept, 26 mit MTX) mit einer Gesamtinzidenz von 4,8/100 Patien-tenjahre (95 % KI 4,05,6) auf. Die hufigs-ten Infektionen waren Infektionen der Atemwege, primre Varizellen sowie Zos-ter. In der Kohorte mit Etanercept-Mono-therapie war die Inzidenzrate 4,3/100 Pa-tientenjahre (95 % KI 3,25,7) gegenber 7,2/100 Patientenjahre (95 % KI 5,49,3) in der Kohorte mit einer Kombinationsthera-pie aus Etanercept plus MTX. Medizinisch bedeutsame Infektionen traten nach Ad -justierung mit einer 2,1-fach erhhten Rate bei Patienten unter Etanercept im Ver-gleich zu denen mit MTX auf (13). Ad -justierte Parameter waren der Baseline Childhood Health Assessment Question-naire Disability Index und der Juvenile Arthritis Disease Activity Score, Krank-heitsdauer, die Therapie mit oralen Steroi-

den und die JIA-Kategorien. Darber hi-naus wurden insgesamt 64 ernsthafte In-fektionen gemeldet, 46 unter Etanercept (22 Monotherapie, 24 Kombinationsthera-pie) mit einer