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Instituut voor Anatomie, Faculteit der Diergeneeskunde, Utrecht. Direktor: Prof. Dr. H. A. Meyling Experimentelle Dystrophie bei Kanin~hen')')~) Von P. KREDIET (Eingegangen am 3. Februar 1961) Nach einem Trauma, einer Oberlastungsperiode oder nach einem inneren Leiden (Herz, Lungen oder Zentralnervensystem) koinmt bei Menschen manch- ma1 ein Krankheitsbild zur Entwicklung, welches mit posttraumatischer Dystro- phie (P.T.D.) bezeichnet wird. Die Erscheinungen, welche dabei, besonders an der Hand oder an der Schulter auftreten, weisen stark auf eine Storung der trophischen Versorgung hin. HACKETHAL hat nach vielen Experimenten mit Kaninchen, bei denen er den N. ischiadicus durchschnitt oder quetschte, die Folgerung gezogen, dai3 Quet- schungen eines cerebrospinalen Nerven die Ursache darstellen. Nach seiner Theorie entsteht nun eine ascendierende Neuritis, welche bis zum Wurzelteil in den Foramina intervertebralia fortschreitet. Diese Abklemmung sol1 die Er- scheinungen hervorrufen. Unser Einwand gegen die Experimente von HACKE- THAL ist, dafl der N. ischiadicus auch vegetative Nervenbahnen enthalt, welche bei Quetschung auch unmittelbar die Erscheinungen hervorrufen konnen. Bei den Experimenten ist es das Ziel gewesen, vegetative Zentren zu schadigen, ohne zerebrospinale Bahnen zu beruhren. Nach dem Beispiel von COUJARD hat man Phenol als Agens gewahlt. Es wurde zuerst beim Ganglion stellatum und am Plexus pelvicus versucht. Spater, nachdem deutlich wurde, dai3 beim Kaninchen in beiden Fallen die Erscheinungen am Hinterbein auf- traten, wurde nur der Plexus pelvicus behandelt. Die Ergebnisse waren, dai3 bei so gut wie allen Kaninchen nach einer Phenolbehandlung P.T.D.-Erschei- nungen am unteren Teil der Hinterbeine auftraten, wahrend auch einige Male die vorderen Teile angegriff en wurden. Die klinischen Erscheinungen gleichen stark denen, die bei Menschen gefunden wurden: Haarausfall, Odem, Ver- farbung der Haut, Wundbildung. Auflerdem tritt in vielen Fallen eine ver- minderte reflektorische Reizbarkeit im unteren Teil der Beine auf (Abnahme der Spreizreflexe). Manchmal fuhrt dieses zur Bildung eines Klumpfui3es. (Beim Menschen kommt die Hand in einen klauenahnlichen Zustand.) Die 1) Seit 1963 werden diese Untersuchungen (FOLKERTS, KREDIET, WIERTZ-HOESSELS) von der Niederlandischen Organisation fur reinwissenschaftliche Untersuchungen (2. W. 0.) in Den Haag unterstutzt. 2) Fur einen Teil dieser Untersuchungen (FOLKERTS, KREDIET, SNEEP, WIERTZ-HOESSELS) ist eine Unterstiitzung von der E. G. K. S. in Luxemburg empfangen worden. 5) Referat, gehalten an der Arbeitstagung der Veterinaranatornen in Munchen vom 11. bis 13. Juli 1964.

Experimentelle Dystrophie bei Kaninchen,,

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Page 1: Experimentelle Dystrophie bei Kaninchen,,

Instituut voor Anatomie, Faculteit der Diergeneeskunde, Utrecht. Direktor: Prof. Dr. H . A . Meyling

Experimentelle Dystrophie bei Kanin~hen')')~)

Von

P. KREDIET

(Eingegangen a m 3. Februar 1961)

Nach einem Trauma, einer Oberlastungsperiode oder nach einem inneren Leiden (Herz, Lungen oder Zentralnervensystem) koinmt bei Menschen manch- ma1 ein Krankheitsbild zur Entwicklung, welches mit posttraumatischer Dystro- phie (P.T.D.) bezeichnet wird.

Die Erscheinungen, welche dabei, besonders an der Hand oder an der Schulter auftreten, weisen stark auf eine Storung der trophischen Versorgung hin. HACKETHAL hat nach vielen Experimenten mit Kaninchen, bei denen er den N. ischiadicus durchschnitt oder quetschte, die Folgerung gezogen, dai3 Quet- schungen eines cerebrospinalen Nerven die Ursache darstellen. Nach seiner Theorie entsteht nun eine ascendierende Neuritis, welche bis zum Wurzelteil in den Foramina intervertebralia fortschreitet. Diese Abklemmung sol1 die Er- scheinungen hervorrufen. Unser Einwand gegen die Experimente von HACKE- THAL ist, dafl der N. ischiadicus auch vegetative Nervenbahnen enthalt, welche bei Quetschung auch unmittelbar die Erscheinungen hervorrufen konnen.

Bei den Experimenten ist es das Ziel gewesen, vegetative Zentren zu schadigen, ohne zerebrospinale Bahnen zu beruhren. Nach dem Beispiel von COUJARD hat man Phenol als Agens gewahlt. Es wurde zuerst beim Ganglion stellatum und am Plexus pelvicus versucht. Spater, nachdem deutlich wurde, dai3 beim Kaninchen in beiden Fallen die Erscheinungen am Hinterbein auf- traten, wurde nur der Plexus pelvicus behandelt. Die Ergebnisse waren, dai3 bei so gut wie allen Kaninchen nach einer Phenolbehandlung P.T.D.-Erschei- nungen am unteren Teil der Hinterbeine auftraten, wahrend auch einige Male die vorderen Teile angegriff en wurden. Die klinischen Erscheinungen gleichen stark denen, die bei Menschen gefunden wurden: Haarausfall, Odem, Ver- farbung der Haut, Wundbildung. Auflerdem tritt in vielen Fallen eine ver- minderte reflektorische Reizbarkeit im unteren Teil der Beine auf (Abnahme der Spreizreflexe). Manchmal fuhrt dieses zur Bildung eines Klumpfui3es. (Beim Menschen kommt die Hand in einen klauenahnlichen Zustand.) Die

1) Seit 1963 werden diese Untersuchungen (FOLKERTS, KREDIET, WIERTZ-HOESSELS) von der Niederlandischen Organisation fur reinwissenschaftliche Untersuchungen (2. W. 0.) in Den Haag unterstutzt.

2) Fur einen Teil dieser Untersuchungen (FOLKERTS, KREDIET, SNEEP, WIERTZ-HOESSELS) ist eine Unterstiitzung von der E. G . K. S . in Luxemburg empfangen worden.

5) Referat, gehalten an der Arbeitstagung der Veterinaranatornen in Munchen vom 11. bis 13. Juli 1964.

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histologische Untersuchung der Haut zeigt, dai3 schoii sehr schnell nach der Phenolgabe die Kapillaren und die Venulae und Arteriolae im subkutanen Bindegewebe stark erweitert sind.

In den Praparaten, welche nach der Champy-Coujard-Technik angefertigt wurden, zeigen sich der periphere Teil des vegetativen Nervensystems und die sogenannten interstitiellen Zellen von CAJAL sehr reaktiv. Auch tritt bei dieser Methode manchmal Granulierung in der basalen Zellschicht der Kutis auf, wahrend auffallend mehr Langerhanssche Zellen in der Kutis positiv sind. Aus- laufer von ihnen dringen bis zum Stratum corneum durch. Diese Zunahme der Champy-Coujard-Aktivitat vermehrt sich auch in den Muskeln. Merkwurdig war die Beobachtung, dai3 bei Abnahme der reflektorischen Reizbarkeit wohl eine Korrelierung mit der vermehrten Champy-Coujard-Reaktivitat auftrat, aber nicht, dai3 heii3t nicht in erster Linie, Abweichungen in Bau der motori- schen Endplatten, welche man mit Hilfe der Cholinesterasetechnik sichtbar macht (WIERTZ-HOESSELS). Hieraus glauben wir folgern zu durfen, dai3 Ab- weichungen in den motorischen Endplatten sekundar verursacht werden durch primare Storung des Gleichgewichtes im peripheren Teil des vegetativen Nervensystems.

Als Schlui3folgerung kann man sagen, dai3 P.T.D. uber den vegetativen und nicht uber den zerebrospinalen Weg induziert wird.

Literatur kann beim Verfasser angefordert werden.

Anschrift des Verfassers: Dr. P. Krediet, Instituut voor Anatomie, Faculteit der Diergeneeskunde, UtrechtlHolland.