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Aus der Direktorialabteilung der ~edizinischen Universit~tsklinik und dem Forschungsinstitut fiir Klinische Pharmakologie des Allgemeinen gd'ankenhauses Eppendorf. Experimentelle und k!inische Santoninstudien. I. Mitteilung: Uber die Ausscheidung des Santonins. u H. W. Knipping und H. Seel. (Mit 3 Abbildungen.) (Eingeg'angen am 26. XI. 1930.) Die therapeutische Anwendung des Santonins bzw. santoninhaltiger Drogen der verschiedenen Arten von Artemisia war schon im Altertum bekannt. Sie beschri~nkte sich aber nur auf die wurmtreibenden Eigen- schaften des Santonins, die ja auch heute noch die wesentliche Indikation ftir die Santoninanwendung bilden. In den letzten Jahrzehnten haben jedoch die eingehenden chemischen und pharmakologischen Untersuchun- gen in der Santoningruppe einige neue, bisher unbekannte Eigenschaften zutage gefSrdert. Es sei bier nur erinnert an die Erscheinungen der Xan- r (Ro s e 1), an den Einflul~ des Santonins auf den Warmehaushalt (Harnack und Hochheim~, Harnack und Starkea), ferner an seine Einwirkung auf das Zentralnervensystem, besonders auf das Atemzen- trum (STagel ~) und schliel~lieh an seine Beeinflussung der Blutzucker- kurve (Stasiak~). Von besonderem Interesse schienen uns aber einige spi~rliehe Hin- weise in der Literatur fiber den Einflul~ des Santonins auf die 5Tieren- i Rose, u Arch. f. pathol. Anat. u. Physiol. 1860, Bd. 18, S. 15; 1860, Bd. 19, S. 522 usw. IIarnack und Hochheim, Zeitschr. f. klin. Med. 1894, Bd. 25, S. 16. ttarnack und Starke, Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 1901, Bd. 45~ S. 477. 4 bTagel, Zeitschr. f. Psychol. u. Physiol. d. Sinnesorg. 1902, S. 267. Stasiak, Biochem. Zeitschr. 1925, Bd. 160, S. 298.

Experimentelle und klinische Santoninstudien

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Aus der Direktorialabteilung der ~edizinischen Universit~tsklinik und dem Forschungsinstitut fiir Klinische Pharmakologie des Allgemeinen

gd'ankenhauses Eppendorf.

Experimentelle und k!inische Santoninstudien. I. M i t t e i l u n g : Uber die A u s s c h e i d u n g des S a n t o n i n s .

u

H. W. Knipping und H. Seel. (Mit 3 Abbildungen.)

(Eingeg'angen am 26. XI. 1930.)

Die therapeutische Anwendung des Santonins bzw. santoninhaltiger Drogen der verschiedenen Arten von Artemisia war schon im Altertum bekannt. Sie beschri~nkte sich aber nur auf die wurmtreibenden Eigen- schaften des Santonins, die ja auch heute noch die wesentliche Indikation ftir die Santoninanwendung bilden. In den letzten Jahrzehnten haben jedoch die eingehenden chemischen und pharmakologischen Untersuchun- gen in der Santoningruppe einige neue, bisher unbekannte Eigenschaften zutage gefSrdert. Es sei bier nur erinnert an die Erscheinungen der Xan- r (Ro s e 1), an den Einflul~ des Santonins auf den Warmehaushalt ( H a r n a c k und H o c h h e i m ~ , H a r n a c k und Starkea) , ferner an seine Einwirkung auf das Zentralnervensystem, besonders auf das Atemzen- trum (STagel ~) und schliel~lieh an seine Beeinflussung der Blutzucker- kurve (Stasiak~).

Von besonderem Interesse schienen uns aber einige spi~rliehe Hin- weise in der Literatur fiber den Einflul~ des Santonins auf die 5Tieren-

i Rose, u Arch. f. pathol. Anat. u. Physiol. 1860, Bd. 18, S. 15; 1860, Bd. 19, S. 522 usw.

IIarnack und Hochheim, Zeitschr. f. klin. Med. 1894, Bd. 25, S. 16. t tarnack und Starke, Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 1901, Bd. 45~

S. 477. 4 bTagel, Zeitschr. f. Psychol. u. Physiol. d. Sinnesorg. 1902, S. 267.

Stasiak, Biochem. Zeitschr. 1925, Bd. 160, S. 298.

Experimentelle und klinische Santoninstudien. 203

sekretion und die Harnsi~ureausscheidung (Abl 1, Ro see), um so mehr, als diese Wirkung noch kaum untersucht war. Ma~gebelld hierftir war abet vor allem die Tatsache, dal~ I s h i k a v a 3 darauf hinwies, dag bei pathologischen Veri~nderungen der Leber (Leberzirrhose, Leberkarzinom, Stauungsikterus, Phosphor-, Arsen- oder Chloroformvergiftungen) die Santoninausseheidung deutlich verzSgert war. I s h i k a v a glaubte daher die Santoninausscheidung zur Funktionspriifung der Leber verwenden zu kSnnen.

Der Gedanke, den bequemen Nachweis des fl-Oxysantonins im Harn ftir die Leberfunktionsprfifung nutzbar zu maehen, schien sehr be- stechend, zumal die ein~ache Handhabung der Reaktion ~icht nur ttir die Verwendung in der Klinik, sondern auch in der Praxis groge Vorteile bieten konnte. Dutch die Untersuchungen yon J a f f e ~ fiber die Ent- stehung der Oxysantonine im TierkSrper naeh Darreichung yon San- tonin wissen wir ja, dal~ neben a-Oxysantonin aueh fl-Oxysantonin im Urin ausgeschieden wird, und dal~ letzteres leieht durch seine Rotf~rbung nach Zusatz yon alkoho]iseher Kalilauge im Urin nachgewiesen werden kann. Ehe jedoch der Frage naher getreten werden konnte, ob sich diese Naehweismethode als Leberfunktionspriifung eignete, mugte man sieh nieht nur darfiber klar werden, welehe Anforderungen an die Leber- funktionsprt~fung in der Klinik zu stellen sind, sondern aueh, ob die Ver- wendung des Santonins sieh ffir spezifisehe Lebererkrankungen eignet und ob gegenttber den sehon vorhandenen Methoden Vorteile zu er- warten sind.

Die Klinik braueht die Leberfunktionsprfifung zungehst far die Differen- tialdiagnose, dann aber aueh zur Festlegung des Krankheitsgrades (wie wit uns ]a aueh bei allen Nierenerkrankungen fiber die Konzentrationsleistung u. a. m. sorg- f~ltig unterriehten), tells far die Prognose, teils ffir die Kontrolle aller thera- peutisehen Nal~nahmen. Bei den mannigfaehen LeberMstungen und -aufgaben wfirde es viel zu weit ftihren, alle diese Funktionen einzeln prtifen zu wollen. In der klinisehen Praxis wird sieh lediglich eine oder eine kleine Zahl yon Me- thoden durehsetzen, welehe fiber den Grad der Sehhdigung yon spezifisehem Parenchym aussagen. Welehe der Leberfunktionen man ffir diesen Zweek am besten herausgreift,ist noeh nicht zu fibersehen. Sieher am empfehlenswertesten ist diejenige Funktion, welehe ganz und aussehlieglieh an die Leber gebunden ist. Ist diese Bedingung erffillt, so wird man sieh weiterhin auf diejenigen Funktionen beschr[inken, deren Prfifungsmethode am giinstigsten ist, sowohl hinsiehtlieh der Einfachheit Me aueh der Genauigkeit. Ganz allgemein kann man sagen, dal~ alle quantitativen Proben bisher nur wenig befriedigt haben.

Abl, Arch. s exp. Pathol. u. Pharmakol. 1913, Bd. 74, S. 119. 2 Rose, Virchows Arch. f. pathol. Anat. u. Physiol. 1859, Bd. 16, S. 293. :t Ishikava, Journ. of oriental, med. 1926, Bd, 57 S. 22.

Jaffe , Hoppe-Seylers Zeitschr. f. physiol. Chem. 1896, Bd. 22, S. 538.

20~ H.W. KNIPPING und It. SE~L.

Die mannigfaehen Nethoden, welehe sieh mit den Gallenfarbstoffen bzw. ihren Abk6mmlingen beseh~ftigt haben, wie z.B. der Bilirubinnaehweis im Blur usw., m0gen bier auger aeht bleiben. Nan wird sie kaum entbehren k6nnen. Von besonderer Bedeutung sind sie bei der Differentialdiagnostik der Gallen- wegserkrankungen, in zweiter Linie erst ft~r die prim~ren Parenehymerkran- kungen. Nit den eehten Leberparenehymprtifungen liegen die Dinge sehon un- g~instiger. Far die kliniseh-praktisehe Arbeit ist eine gute Funktionsprt~fung aber dringend erwt~nseht. Nehmen wit das Beispiel der Leberzirrhose. Wenn die Leber naehweislieh verkleinert, der Ikterus deutlieh, die Milz ft~hlbar ist oder gar sehon Aseites und Venenzeiehnung vorhanden sind, dann ist die Zirrhose sehon weit vorgesehritten. Ffir die Praxis aber kommt es darauf an, ganz friihe EntMeklungsstufen genau zu erfassen.

Far solehe Aufgaben ist die Widalsehe Nethode - - Prtifung des Leuko- eytensturzes naeh Eiweigmahlzeit - - unzul~nglieh, da noeh viele andere Fak- toren das sehr bewegliehe Leukoeytenbild beeinflussen. Bessere Erfahrungen zeitigte die Prtifung der aliment~ren L~vulosurie nach S t r a u g, wenn sie quanti- tativ durehgeftihrt wird. Hierbei ist aber zu bertieksiehtigen, dag aueh gering- fiigige, kurz vorangegangene Infekte die Toleranz oft wesentlieh verringern kSnnen. Auger dieser Str a u g sehen Lhvuloselorobe befriedigte noeh am meisten die Bestimmung der Aminos~urenfraktion im Reststiekstoff. Hierbei ist der Ernhhrungszustand yon Bedeutung, und aul3erdem m~issen die Patienten fieber- frei sein. Unter peinlieher Beobachtung derartiger Kautelen lassen sieh aber sehon Parenehymseh~den bei kliniseh noeh kaum naehweisbarer Symptomatik naehweisen. Die Teehnik ist allerdings sehr kompliziert; wir versuehen daher fetzustellen, ob die Bestimmung der Aminos~urenfraktion im Blut sieh dureh eine Belastungsprobe mit versehiedenen Aminos~uren und die Bestimmung der Aminos~urenbilanz im Urin ersetzen ]h6t. Uber die einsehl~gigen Erfahrungen so]l an anderer Stelle beriehtet werden.

Vergliehen mit diesen beiden zur Zeit wohl ftihrenden ~Iethoden ist der Naehweis yon fl-Oxysantonin nach Santoninbelastung techniseh viel leiehter. Das fl-Oxysantonin bzw. seine Ausseheidung lggt sieh mit hin- reichender Genauigkeit kolorimetriseh bestimmen. Urn die notwendige Klarheit dariiber zu sehaffen, ob die VerzSgerung der Santoninaussehei- dung sieh nur auf Leberparenehymsehgdigungen besehrgnkte oder ob aueh pathologisehe Ver~nderungen anderer Organe die Santoninaus- seheidung beeinflussen kOnnen, mugten eingehende Untersuehungen bei den versehiedensten Krankheiten vorgenommen werden. Vor allem war es aber aueh notwendig, zunaehst die normale und die unter versehie- denen Bedingungen pathologiseh ver~nderte Ausseheidung des Santonins eingehend experimentell zu untersuehen, um brauehbare Vergleiehs- werte ftir die klinisehe Beurteilung zu sehaffen. Zu diesem Zweek wur- den zun~ehst experimentelle Untersuehungen am normalen Kaninchen und an normalen ~ensehen angestellt. Weiterhin wurden Versuehe au Kaninehen unternommen, bei denen dureh Verabreiehung grofier Dosen

Experimentelle und klinische Santoninstudien. 205

Ergosterins 5Tierenschi~digungen oder durch Phosphorinjektionen Leber- schi~digungen gesetzt wurden.

Da das Santonin in Wasser sehwer 15slich ist und infolgedessen die Resorption eventuell ersehwert werden kann, schien es uns yon Inter- esse, auch analoge Versuehe mit dem wasserlSslichen und infolgedessen injizierbaren 5Tatriumsalz der Santoninsaure zu unternehmen.

Die Darstellung der Santonins~ure bzw. des santoninsauren ~Natriums (C15H19NaO~§ erfolgte dureh Einwirkenlassen yon einer w~sserig- alkoholisehen Na2COs-L6sung auf Santonin, bis die hierbei auftretende rote Farbe versehwunden war. Es sehieden sieh naeh dem Erkalten I~'istalle yon santoninsaurem 5Tatrium aus (Schmidt 1), welehe durch mehrmaliges Um- kristallisieren gereinigt wurden.

1. V e r s u c h e an n o r m a l e n Tieren.

Diese Versuche an Kaninchen wurden zuni~ehst so durchgeftihrt, dab die Tiere in einer etwa 8tiigigen Vorperiode bei gleichmiiBiger Ffitte- rung (ti~glieh 100 g Haler und 250 g Runkelrfiben oder Grfinkohl) ge- halten wurden und die Urinausscheidung vor allem hinsiehtlieh der Menge kontrolliert wurde. Vor dem Versueh wurden die Tiere fiber 5Taeht, also mindestens 12 Stunden lang, hungern gelassen; am ni~chsten Morgen erhielten sie fiir den orientierenden Vorversuch fiber die normale Urin- ausscheidung eine LSsung yon 1,0--1,5 g Urethan pro Kilogramm KSrper- gewieht in 100 ccm Wasser per os. Gleiehzeitig wurde durch Katheteri- sieren etwa vorhandener Blasenurin entfernt und tier Urin innerhalb der niiehsten 3 Stunden aufgefangen und gemessen, um festzustellen, in wel- cher Zeiteinheit die Wasserbelastung von 100 ecru von dem Tier wieder ausgeschieden wurde. Am ni~ehsten Tage, zur selben Zeit und unter denselben Bedingungen, wurde der Belastungsversueh mit Santonin unternommen, wobei das Tier 1,0 Santonin pro Kilogramm KSrper- gewieht per os, bzw. 0,1 g santoninsanres Zqatrium intravenSs verabreieht erhielt.

Versneh 1.

Kaninchen, m~nnlich, braun, 1950 g KOrpergewicht, erh~lt nach einer R~tichternperiode yon 10 Stunden am 11. II. 1930 a. m. 2,5 g Urethan in 100 cem Wasser gel5st per os; aus der Blase konnten etwa 5 ecru Urin entfernt werden. In der 1. Stunde, nach Eingabe der Wasserbelastung, erfolgt kein Urin; in der 2. Stunde werden etwa 10 ccm ausgeschieden und in der 3, Stun@ noch etwa 76 cem klaren, hellen Urins von einem spezifisehen Gewieht yon 1004; Urin o. B.

i Schmidt, Lehrbuch der pharmazeutischen Chemie 5. Aufl., 1911, S. 1859.

206 It. W. Kxim,;z~G und H. SEEL.

t I a u p t v e r s u e h a m n h c h s t e n Tage .

Nach einer Belastung yon 100 ecru Wasser + 1 , 0 g Santonin per os pro Kilogramm KSrpergewieht. (Urethannarkose.) Naeh Einlage des Katheters wird kein Urin entleert.

11 h 00'. Beginn des Versuehs. 11h10 '. 30 eem Urin; Santonin: 0. ii h 30'. 25 ~) >> >> + . 12 h00 ' . 15 >> >> ~> + + + .

l h 0 0 '. 21 }> ,> ,> + + + . 2h00 '. 14 }> >> ~> + @ .

Um 2 h Off wurde der Versuch abgebrochen, nachdem insgesamt 105 ccm Urin gegentiber 86 ccm Urin am Vortag ausgeschieden waren. Die Santonin- ausscheidung erfolgte innerhalb der 1. Stunde und war erst in der 18. Stunde nach Versuchsbeginn beendet. Der Urin flog in der 1. Stunde etwas triibe, dann klar, hellgelb; o. B. (1005).

Versuch 2. Versuch mit Nat r ium santoninicum 0,1 g pro Kilogramm KSrpergewicht

intravenSs.

a) V o r v e r s u c h . Kaninchen, weil~, m~nnlich, 2230 g Gewicht, Kathetereinlage und Urethan-

narkose. 10 h0ff . 100 ccm Wasser per os. 10 h30 ' . 10 ~> Urin. 11 h 00'. 9 >> >> 11 h30 ' . 16 ~ >> 12 h 00'. 2 ~> >> 12 h 30'. 7 ~> ~>

1 hOff. 31 >> >> Innerha lb 3 Stunden waren also 75 ccm Wasser wieder ausgeschieden,

Urin leicht trtibe, sonst o. B.

b) H a u p t v e r s u c h . Wie Vortag + 0,1 g Nat r ium santoninicum pro Kilogramm KSrpergewicht

intravenOs. 10 h Off. 100 ccm Wasserbelastung. 10 h30 ' . 15 >> Urin; Santonin: 0. 11 h 00'. 7 >> ~> >~ 0. 11 h30 ' . 11 >> )> >> O. 12 h00 ' . 24 }> ~> >> 0. 12 h 30'. 17 }> ~> ~) 0. i h 00'. 12 >> ~> ~> 0.

Es wurden also nach Eingabe von 0,1 g Nat r ium santoninicum pro Kilo- gramm KSrpergewicht 86 ccm gegeniiber 75 ccm Urin am Vortage ausge- schieden.

f i-Oxysantonin war nach Nat r ium santoninicum intravenSs im Urin nicht nachzuweisen.

Experimentelle und klinische Santoninstudienl 207

Vergleicht man die beiden Versuche, so findet man, dab sowohl nach Ver- abreichung yon Santonin wie nach l~atrium santoninicum nicht nut eine schnel- ]ere Ausscheidung des Urins stattfindet, sondern dab auch die Gesamtmenge vermehrt wird. Hierbei wirkt das l~atrium santoninicum schwhcher wie das Santonin. Diese Vermin@rung der Harnausscheidung nach Natrium santoni- nicum ist nicht so sehr yon der Dosis des verabreichten Santonins abh~ngig; denn auchVersuche mit Santonin in der Dosis yon 0,1 g zeigten immerhin noch eine st~irkere Wirkung als das l~atrium santoninicium. Auch bier diirfte dem- nach die bessere Wirkung des Santonins mit dora Vorhandensein der Lakton- gruppe zusammenh~ngen, deren Bedeutung fiir die Santoninwirkung yon T r e n d e l e n b u r g 1 nachgewiesen wurde.

10--]2 h. 0 12 h 00'. 75

1 h 00'. 200 2 h 00'. 130 3 h 00'. 90 4 h 00'. 100 6 h 00'. 70

2. Versuche am gesunden Menschen.

Versuch 3.

S e l b s t v e r s u c h nach 12 s t i ind iger N i i ch te rnpe r iode .

7--9 h. 240 ccm Urin.

mg per os + 300 ccm Wasser. ecru Urin; Santonin: •

>) >) ~) § >> ,> ~) § ~) ~> >> + + + .

~) ~) >) + + + o Normale Mahlzeit § 500 ccm Wasser. 9h00 '. 280 ccm Urin; Santonin: + + . 71~ 00'. 420 ~ >> ~> +.

Der Beginn der Santoninausscheidung erfolgt also beim normalen Menschen noch innerhalb der 1. Stunde und ist nach etwa 20 Stunden

beendet. Wie eine Reihe weiterer Selbstversuche mit Einschaltung eines Vorversuches am Vortag ohne Santonin gezeigt hat, erfolgt die San- toninausscheidung unter Umst~nden bereits 20--30 Minuten nach der Santoninaufnahme, gleichzeitig wird auch die Urinausscheidung gegen-

fiber dem Kontrolltag unter Santonin um etwa 10--20 % gesteigert. Die Versuche wurden mehrmals an normalen Kaninchen und 3Ienschen wiederholt und lieferten im wesentlichen dieselben iibereinstimmenden Ergebnisse: Leichte Zunahme der Gesamturinausscheidung um etwa 10--20%, Beschleunigung der I~ierensekretion in den ersten Stunden; die Santoninausscheidung beginnt etwa 30 Minuten nach der Saatonin- aufnahme und ist nach 20--24 Stunden beendet, l~atrium santoninicum ist im wesentlichen yon geringerer Wirkung auf die Urinsekretion.

I T rende lenburg , Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 1916, Bd. 79, S. 190.

2 0 8 1=[. W. KNIPPING und ~-[. SEEL.

3. Versuche an mit bestrahl tem Ergoster in und mit Phosphor verg.ifteten Kaninchen.

Aus der Literatur fiber das bestrahlte Ergosterin sowie aus zahl- reichen eigenen Untersuchungen fiber etwa.ige toxische i~ebenwirkungen des bestrahlten Ergosterins 1 ist bekannt, dal~ dutch Einwirkung yon bestrahltem Ergosterin charakteristische/qierensch~digungen (Schrumpf- niere) erzeugt werden kSnnen . Letztere macht sich ktinisch zunachst in einem Auftreten yon Eiwei$ im Urin bemerkbar. TStet man das Tier 4Wochen sparer, so findet man pathologisch-anatomisch nicht nur die be- kannten Veranderungen der Gef~l~wande, sondern auch in etwa 50 ~o der F~lle typisehe Schrumpfnieren. Um festzustellen, ob etwa solche 51ieren- veranderungen die Ausscheidung des Santonins verzSgern kSnnen, wurden Versuche an mit Ergosterin vergifteten Kaninchen angestellt. Hierbei wurde so vorgegangen, da$ die Tiere zunachst wieder in einer 8 Tage dau- erndenVorperiode bei gleich bleibender Fiitterung (100g ttafer und etwa 250 g Rfiben bzw. Grtinfutter) beobachtet wurden. Die Urinmenge wurde t~glich gesammelt und hinsichtlich 3fenge, spezifischem Gewicht, Harn- saureausscheidung, Eiweil~ usw. untersucht. Am 8. Versuchstag erhielten die Tiere 100000 Einheiten bestrahlten Ergosterins in 51iger LSsung per os verabreicht. Wenn bei diesen Tieren Eiweil~ im Urin nachweisbar und die Urinmenge deutlich eingeschr~nkt war, wurde - - etwa am 6.--8. Vet-

Versuch 4. a) Vorversuch.

Kaninchen, m~nnlich, wei$, 2400 g Gewicht. Erh~lt t~glieh 250 g Riiben und 100 g Haler.

Datum Urinmenge Spezifisehes Harns~iure Bemerkungen 1930 in ccm Gewieht in mgO/0

1. III. 2. III. 3. III. 4. III. 5. III. 6. III. 8. hi.

125 123 120 110 135 115

100000

1016 1014 1015 1015 1011 1012

1,95 24 Stunden Urin. 1,65 1,50 -- 1,80 1,75 2,05

Einheiten bestrahlten Ergosterins per os 9. III.

10. IIL 11. III. 12. III. 13. IlL 14. IlL

0 180 1015 110 1016 30 1020 24 10

1 Seel,

4,4 6,0 7,1 6,8 4,5

Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 1930, Bd. 150, S. 198.

Tier frif3t nicht.

Eiweii3 q- §

Experimentelle und klinische Santoninstudien. 209

suchstag nach Verabreiehung des Ergosterins - - der Hauptversuch mit Santonin vorgenommen. Am 2. oder 3. Tag nach dem Hauptversuch wurde das Tier getStet und seziert.

~achdem das Auftreten yon Eiweil~ sowie die Einschriinkung der Urinmenge vermuten liel~, dal~ krankhafte Prozesse in tier 5tiere vorlagen - - was also in diesem Falle am 6. Tag naeh der Ergosterinverabreichung der Fall war -- , wurde der Hauptversuch mit und ohne Santonin und Wasserbelastung nach der in den friiheren Versuchen beschriebenen Methode vorgenommen.

b) Haup tve r such . 15. III. 1930. Wasserbelastung 100 ccm in Urethannarkose ohne Santonin;

Kathetereinlage. In den ersten 2 Stunden des Versuchs wurden insgesamt 12 ecru Urin aus-

geschieden, in der 3. Versuchsstunde 34 cem Urin. Die Urinausscheidung war also verzSgert und in der Menge beschriinkt,

Eiweifl in Spuren vorhanden. i6. III. 1930. Hauptversuch mit 1,0 g Santonin pro Kilogramm KSrper-

gewicht nach der fiblichen Methode: 10 h Off. 100 ccm Waster per os. 10 h 30'. 8 ~> Urin; Santonin: 0. 11 h 00'. 9 ~) ~> ~> i . 11 h 30'. 16 ~ ~> ~) +.

12 h 30'. 5 ~) ~) ~ -~ +. lh00 '. 2 ~) ~) ~) § 2 4 7

Am nachsten Tag wurde das Tier getStet und dutch Sektion fest- gestellt, daf~ eine 5Tierenentztindung vorlag. Kontrollversuehe, welche an insgesamt sechs Kaninchen vorgenommen wurden, zeigten, dal] bei vier Tieren deutliche pathologisehe Veritnderungen der 5Tieren innerhalb 10 Tagen naeh der Verabreichung des bestrahlten Ergosterins vorlagen. Die par veriinderte 5Tiere vermochte nieht mehr die 100 ccm Wasser aueh nur ann~hernd auszuscheiden. Nach Santonineingabe wurde die Urinausscheidung ebenfalls wieder u m etwa 20 ~o gegeniiber dem Vor- versuch gesteigert. Die Santoninausscheidung war jedoch kaum ver- zSgert, da noch innerhalb der 1. Stunde eine, wenn auch schwache, Santoninreaktion festzustellen war. Als interessanter Nebenbefund konnte weiterhin beobachtet werden, dab unter dem EinfluB yon bestrahltem Ergosterin die bei Pflanzenfressern an und ftir sieh recht geringe Harn- s~ureausscheidung gesteigert wurde. Diese Tatsache spricht ebenfalls ltir die bereits frtiher yon mir 1 im Rattenversuch festgestellte Einschriin-

Seel~ Klin. Wochenschr. 1929. Archiv f. experiment. Path. u. Phal'makol. Bd. 159. 14

210 H.W. KNIPPING Ulld H, SEEL.

kung der Oxydationen im Organismus unter dem Einflug iibergroi~er Dosen bestrahlten Ergosterins. Hierauf soll in der II. _M_itteilung nigher eingegangen werden.

Die Versuehe an den mit Phosphor vergifteten Xaninchen wurden ganz analog wie die Ergosterinversuehe vorgenommen; hierbei erhielten die Tiere an 3 Tagen hintereinander je 1,0rag Phosphor in (Jl gel(ist sub- kutan. Danaeh maehte sich imVerlauf yon 8 Tagen zuni~chst eine geringe Einsehri~nkung der Urinmenge bemerkbar; in einzelnen Fallen war vortibergehend Eiweil~ im Urin naehweisbar; ferner konnte ebenfalls eine Steigerung der Harnsi~ureausscheidung im Urin festgestellt werden. Die Belastungsversuehe mit Santonin zeigten im grogen Ganzen ganz i~hn- liehe Ergebnisse Me die Versuche an den mit Ergosterin vorbehandelten Tieren; auch bier konnte keine deutlich wahrnehmbare VerzSgerung der Santoninausseheidung festgestellt werden. Die Versuehe (insgesamt vier Tiere) waren aber deswegen nicht als sehr beweisend anzusehen, well die Sektion der getSteten Tiere zeigte, dab bei den verabreichten Dosen innerhalb der ersten 8 Tage keine sehr auffi~lligen pathologisehen Ver- hnderungen der Leber gefunden wurden. Es wurde daher versucht, dureh grSgere Phosphorgaben einsehneidendere Sch~digungen der Leber zu er- zielen. Aueh diese Versuche ftihrten zu keinem Resultat, weiles dann nieht gelang, die Tiere fiir den notwendigen Zeitraum yon 8--10 Tagen am Leben zu erhalten. Die Kaninehen gingen vielmehr gewShnlich am 2. oder 3. Tag naeh der Phosphordarreiehung plStzlieh ein. Aus diesen teehnisehen Griinden mul3te auf eine weitere experimentelle Unter- suehung der Santoninausscheidung bei mit Phosphor vergifteten Tieren abgesehen werden.

4. Untersuchungen fiber die Santoninausscheidung bei kranken Menschen.

Die Versuche wurden folgendermaSen vorgenommen: Die Patienten (Erwachsene) erhielten immer 75 mg Santonin, und zwar in einer w~sserigen Emulsion mit Gummiarabikum (1 : 200) per os. Irgendwelche Nebenwir- kungen und unangenehme Sensationen oder SehstSrungen (Farbensehen) wurden bei dieser Dosis niemals beobachtet. Zu 10 ecru jeder Itarn- fraktion wurden 2 ccm 10 % alkoholischer benzinfreier KOH-LSsung ge- geben. Beztiglich der Intensit~t der Farbreaktion wurden zun~chst nur vier Farbstufen unterschieden und die gr58te Beachtung der Dauer der Ausscheidung gewidmet. Die Versuche erstreckten sieh auf 80 Patienten bei den verschiedensten Krankheiten, wie Mitra]stenose, Mitralinsuffi- zienz, Concretio pericardii, Angina, Pleuritis, Lungentuberkulose, chroni-

Experimentel le und klinisehe Santoninstudien. 211

sche Glomerulonephritis, Pyelocystitis, maligne Sklerose, ~agenkarzinom mit Lebermetastasen, Cholangitis, Arsen- und Kohlenoxydvergiftungen, Epilepsie, Graviditi~t, sowie auf gesunde Personen.

5 I _ t + l !_Y___I____I__I

O l Z a ~ s e z e s z z z 16 z zo zz e~ a) 0

Abb, I. Verz6gerung der S~ntoninausscheidung bei Kreislauferkrankungen. Zu- fuhr 75 rag. a und b = hIitralinsnffizienz. Dekompensation. c ~ Concretio peri-

eardii. Herzinsuffizienz.

5 _ i=~ i I

a l z s ~ s e z e 3 z l e z z e l s z e z z z ~ , a) b ) r ~ d) 2-

Abb. 2. Verz(igerung der Santoninausscheidang bei Nierenerkrankungen and bei Senium. Zufnhr 75 rag. a ~ maligne Sklerose. b = chronische Glomerulo-

nephritis, e -~ Senium. d ~ chronische Glomerulonephritis.

5 , �9 ,

a t / I 2

q ~- i r j ! gTz3q567837a z 1~ z 18 za zz z~ b) c)

a) i z

Abb. 3. Ausseheidung der Santonins. Zufuhr 75 rag. a und b ~ Magenkarzinom mit Lebermetastasen. c ~ Cholangitis.

Wie aus den Kurven ersichtlich, beeinflussen nicht nur Leber- erkrankungen, sondern auch Kreislaufinsuffizienz und Nierenerkrankun- gen sehr deutlich die Ausscheidung des Santonins. In diesen F~llen war noch am 2. und mitunter am 3. Tag fl-0xysantonin im Urin nachweisbar. Im Gegensatz hierzu konnte bei schwerer Arsenvergiftung und bei Kohlenoxydvergiftnng keine wesentliche VerzSgerung der Santoninaus- scheidung beobachtet werden. Der Beginn tier Santoninausscheidung er- folgte in fast allen Fi~llen noch innerhalb der 1. Stun@; sie war sogar bei Arsenvergiftung und auch bei den Anginaf~llen sehr intensiv. In maximal 3 Tagen waren in ]edem Falle auch die kleinsten Spuren yon

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21~ H.W. K~I~Plxc~ and H. SEEL. Santoainstudien.

fl-Oxysantonin aus dem Urin versehwunden. Aus den Versuehen geht infolgedessen hervor, dab die VerzSgerung der Santoninausseheidung bei den mamfigfaltigsten pathologisehen Zust~nden auftreten kann; so be- sonders bei Kreislaufinsuffizienz, Leber- and INierenkrankheiten. Die VerzSgerung der Santoninausscheidung ist aber nicht so ausgepr~gt und so eharakteristiseh, daf~ die Heranziehung der Santoninbelastung als Leberfunktionspriifung zweekm~$ig erscheinen kSnnte.

Z u s a m m e n f a s s u n g .

1. l~aeh Verabre%hung des Santonins erfolgt beim normalen Tier und Menschen eine geringe Besehleunigung der Urinausscheidung und eine Vermehrung tier Urinmenge um etwa 10--20 %. Diese Wirkung ist offenbar auch an die Unversehrtheit der Laktongruppe gebunden, da ~atrium santoninicum eine wesentlich geringere Wirksamkeit zeigte.

2. Die Ausscheidung des Santonins selbst beginnt etwa 30 Minuten naeh der Santoninaufnahme und ist nach etwa 24 Stunden beim normalen ~ensehen beendet.

3. Bei Kaninchen mit pathologischer Veranderung der l~ieren and der Leber (Ergosterin- und Phosphorvergiftungen) wird die aa und fiir sich eingesehr~nkte Urinmenge durch Santonin um ein Geringes gestei- gert. Eine deutliche YerzSgerung der Santoninausscheidung war nicht zu beobachten.

4. Die Untersuehungen an 80 Patienten bei den versehiedensten Krankheiten haben gezeigt, da$ auch hier kaum eine VerzSgerung des Beginns der Santoninausscheidung zu beobaehten war. In F~illen yon Leber- und l~ierenerkrankungen, sowie bei Kreislaufinsuffizienz wurde der Endpunkt der Santoninausscheidung deutlich verzSgert. Diese Ver- ~nderungen sind aber keineswegs so charakteristisch, da6 die Reaktion zur Funktionspriifung einzelner Organe, besonders der Leber, heran- gezogen werden kSnnte.