3
Komponenten & Peripherie 2 Heft 7/2010Ein gebräuchliches Verfahren zur Mes- sung der Isolation prüft die Kapazität und den Verlust-/Leistungsfaktor bei 50/60 Hz. Diese Prüfungen werden nor- malerweise bei 10 kV und Betriebstempe- ratur durchgeführt; es gibt jedoch auch Prüfungen mit variabler Spannung (Kippspannung) sowie Prüfungen, bei de- nen der Tan Delta gegen die Temperatur gemessen wird. Die Analyse basiert auf historischen Statistiken und dem Ver- gleich mit Werkswerten. Da die Isola- tionseigenschaften temperaturabhängig sind, muss für Messungen, die nicht bei 20 °C durchgeführt werden können, ein Temperaturausgleich verwendet werden. Das übernimmt normalerweise ein vorde- finierter Tabellenwert innerhalb einer bestimmten Geräteklasse (Tabelle 1). Typische Temperatur-Korrekturwerte werden in Bild 1 gezeigt. Es ist offensichtlich, dass sich die ge- gebenen Werte den Richtlinien nur annä- hern. IEEE 62-1995 [1] stellt daher fest: „Während die Leistungsfaktoren für die älteren Transformatoren auch <0,5 % (20 °C) sein werden, können Leistungs- faktoren zwischen 0,5 % und 1,0 % (20 °C) akzeptiert werden; Leistungsfak- toren >1,0 % (20 °C) sollten jedoch unbe- dingt nachgeprüft werden.“ Die dielektrische Frequenzganganalyse 1995 wurden die ersten Vor-Ort-Geräte für die Dielectric Frequenzy Response (DFR) und die Frequenzy Domain Spect- roscopy (FDS) an Transformatoren, Durch- führungen und Kabeln eingeführt (Bild 2). Seither gab es zahlreiche Weiterentwick- lungen in diesen leistungsfähigen Techno- logien. Inzwischen erklären mehrere inter- nationale Projekte und Berichte die dielek- trische Frequenzganganalyse zur besten Methode zur Beurteilung des Feuchtig- keitsgehalts im Isolieröl von Leistungs- transformatoren (Bild 3 und Bild 4). Bei DFR-Prüfungen werden die Kapa- zität und der Verlust-/Leistungsfaktor gemessen. Das Messprinzip und der Auf- bau sind im Prinzip das Gleiche wie für das 50/60-Hz-Prüfen. Jedoch werden die Explosionsgefahr in Transformatoren durch „thermisches Durchgehen“ Die Isolation und ihr Zustand ist ein wichtiger Aspekt für die Betriebssicherheit von Leistungstransformatoren, Generatoren, Kabel und anderen Hochspannungseinrichtungen. In einem Leistungstransformator wird unter anderem auch mit flüssigem Öl isoliert. Deshalb besteht bei Transformatoren mit einem hohen Feuchtigkeitsgehalt im Isolieröl ein hohes Explosionsrisiko bei höheren Lasten. Der Grund: das sogenannte „thermische Durchgehen“ bei zu hohen Temperaturen in Durchführungen und Kabeln mit hohem dielektrischen Verlustfaktor. Peter Werelius • Matz Öhlén Tabelle 1. IEEE 62-1995: Typische Leistungsfaktor-Messwerte bei 20 °C  Typische Leistungsfaktorwerte bei 20 °C  „Neu“ „Alt“ Warn-/Alarmgrenze Leistungstransformatoren, ölisoliert 0,2 % – 0,4 % 0,3 % – 0,5 % > 0,5 % Durchführungen 0,2 % – 0,3 % 0,3 % – 0,5 % > 0,5 % Dr. Peter Werelius ist Applikations- und Produkt-Manager der Megger Schweden AB in Täby/Schweden. E-Mail: [email protected] Matz Öhlen ist Produkt- und Marketing-Manager der Megger Schweden AB in Täby/Schweden. E-Mail: [email protected] Bild 1. Typische Temperaturkorrekturen des dielektrischen Verlustfaktors Temperatur 3,5 3 2 2,5 1,5 1 0 0 20 40 60 °C typische Temperatur- Korrektur, Leistungs- transformatoren typische Temperatur- Korrektur, Durch- führungen 80 0,5 Bild 2. DFR/FDS-Prüfaufbau C L C H C HL Hi Lo Ground Messen bei mehreren Frequenzen Ohmsches Gesetz anwenden: V A U Z I ω ω ω , tand, PF und C Z ω ε ε ′′

Explosionsgefahr in Transformatoren durch „thermisches ... · 0,4 % bis 0,5 % 0,1 % bis 0,3 % Bild 7. Temperaturkorrektur für Transformatoren in verschiedenen Zuständen Temperatur

  • Upload
    lamtu

  • View
    216

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Explosionsgefahr in Transformatoren durch „thermisches ... · 0,4 % bis 0,5 % 0,1 % bis 0,3 % Bild 7. Temperaturkorrektur für Transformatoren in verschiedenen Zuständen Temperatur

Komponenten & Peripherie

2 Heft 7/2010•

Ein gebräuchliches Verfahren zur Mes-sung der Isolation prüft die Kapazität und den Verlust-/Leistungsfaktor bei 50/60 Hz. Diese Prüfungen werden nor-malerweise bei 10 kV und Betriebstempe-ratur durchgeführt; es gibt jedoch auch Prüfungen mit variabler Spannung (Kippspannung) sowie Prüfungen, bei de-nen der Tan Delta gegen die Temperatur gemessen wird. Die Analyse basiert auf historischen Statistiken und dem Ver-gleich mit Werkswerten. Da die Isola-tionseigenschaften temperaturabhängig sind, muss für Messungen, die nicht bei 20 °C durchgeführt werden können, ein Temperaturausgleich verwendet werden. Das übernimmt normalerweise ein vorde-finierter Tabellenwert innerhalb einer bestimmten Geräteklasse (Tabelle 1).

Typische Temperatur-Korrekturwerte werden in Bild 1 gezeigt.

Es ist offensichtlich, dass sich die ge-gebenen Werte den Richtlinien nur annä-hern. IEEE 62-1995 [1] stellt daher fest:

„Während die Leistungsfaktoren für die älteren Transformatoren auch <0,5 % (20 °C) sein werden, können Leistungs-faktoren zwischen 0,5 % und 1,0 % (20 °C) akzeptiert werden; Leistungsfak-toren >1,0 % (20 °C) sollten jedoch unbe-dingt nachgeprüft werden.“

Die dielektrische Frequenzganganalyse

1995 wurden die ersten Vor-Ort-Geräte für die Dielectric Frequenzy Response (DFR) und die Frequenzy Domain Spect-

roscopy (FDS) an Transformatoren, Durch-führungen und Kabeln eingeführt (Bild 2). Seither gab es zahlreiche Weiterentwick-lungen in diesen leistungsfähigen Techno-logien. Inzwischen erklären mehrere inter-nationale Projekte und Berichte die dielek-trische Frequenzganganalyse zur besten Methode zur Beurteilung des Feuchtig-keitsgehalts im Isolieröl von Leistungs-transformatoren (Bild 3 und Bild 4).

Bei DFR-Prüfungen werden die Kapa-zität und der Verlust-/Leistungsfaktor gemessen. Das Messprinzip und der Auf-bau sind im Prinzip das Gleiche wie für das 50/60-Hz-Prüfen. Jedoch werden die

Explosionsgefahr in Transformatoren durch „thermisches Durchgehen“

Die Isolation und ihr Zustand ist ein wichtiger Aspekt für die Betriebssicherheit von Leistungstransformatoren, Generatoren, Kabel und anderen Hochspannungseinrichtungen. In einem Leistungstransformator wird unter anderem auch mit flüssigem Öl isoliert. Deshalb besteht bei Transformatoren mit einem hohen Feuchtigkeitsgehalt im Isolieröl ein hohes Explosionsrisiko bei höheren Lasten. Der Grund: das sogenannte „thermische Durchgehen“ bei zu hohen Temperaturen in Durchführungen und Kabeln mit hohem dielektrischen Verlustfaktor.

Peter Werelius • Matz Öhlén

Tabelle 1. IEEE 62-1995: Typische Leistungsfaktor-Messwerte bei 20 °C

  Typische Leistungsfaktorwerte bei 20 °C  „Neu“ „Alt“ Warn-/Alarmgrenze

Leistungstransformatoren, ölisoliert 0,2 % – 0,4 % 0,3 % – 0,5 % > 0,5 %

Durchführungen 0,2 % – 0,3 % 0,3 % – 0,5 % > 0,5 %

Dr. Peter Werelius ist Applikations- und Produkt-Manager der Megger Schweden AB in Täby/Schweden.

E-Mail: [email protected]

Matz Öhlen ist Produkt- und Marketing-Manager der Megger

Schweden AB in Täby/Schweden.

E-Mail: [email protected]

Bild 1. Typische Temperaturkorrekturen des dielektrischen Verlustfaktors

Temperatur

3,5

3

2

2,5

1,5

1

00 20 40 60 °C

typische Temperatur-Korrektur, Leistungs-

transformatoren

typische Temperatur-Korrektur, Durch-

führungen80

0,5

Bild 2. DFR/FDS-Prüfaufbau

CL CH

CHL

Hi

Lo

Ground

Messen bei mehreren FrequenzenOhmsches Gesetz anwenden:

V

A

UZ

Iωωω

, tand, PF

und

CZ ω

ε ε⇒

′ ′′

Page 2: Explosionsgefahr in Transformatoren durch „thermisches ... · 0,4 % bis 0,5 % 0,1 % bis 0,3 % Bild 7. Temperaturkorrektur für Transformatoren in verschiedenen Zuständen Temperatur

Komponenten & Peripherie

3 • Heft 7/2010

Isolationseigenschaften im Bereich von mHz bis kHz gemessen. Die Ergebnisse werden als Kapazität bzw. als Tan-Delta/Leistungsfaktor gegen die Frequenz dar-gestellt.

Die Fähigkeit des DFR, den dielektri-schen Verlustfaktor als Funktion der Fre-quenz zu messen, gibt dem Anwender ein leistungsfähiges Werkzeug zur Diagnose-prüfung in die Hand.

Die beiden Kurven in Bild 4 stellen zwei Transformatoren dar. Beide haben den gleichen dielektrischen Verlustfaktor bei 60 Hz, aber einen unterschiedlichen Alterungszustand. Transformator 1 (rot) hat gutes Öl, muss aber getrocknet wer-den. Transformator 2 (schwarz) hat einen

geringen Feuchtigkeitsgehalt, benötigt aber einen Ölwechsel oder eine Ölaufbe-reitung.

Diagnose von DurchführungenDie Alterung von Hochspannungs-

durchführungen ist ein Problem – sowohl für Hersteller als auch für Energieversor-ger. Um solche alterungsbedingten Durchführungsprobleme zu entdecken, bevor sie zu Ausfällen führen, können verschiedene Methoden eingesetzt wer-den. Dazu gehören in erster Linie die Online-Überwachung und die Offline-Diagnosemessung.

Herkömmliches 50/60-Hz-Prüfen des dielektrischen Verlustfaktors/Leistungs-

faktors kann einen wichtigen Hinweis auf den Alterungszustand bzw. auf den Grad der Feuchtigkeit im Öl liefern, be-sonders dann, wenn wie in Bild 5 ge-zeigt, das Prüfen bei verschiedenen Tem-peraturen durchgeführt wird.

Ein erhöhter dielektrischer Verlustfak-tor bei höheren Temperaturen ist ein si-cheres Zeichen für Probleme in der Durchführung. Diese Probleme können im schlimmsten Fall bis zu einer Explosion führen – versursacht durch das soge-nannte „thermische Durchgehen“. Ein ho-her dielektrischer Verlustfaktor bei höhe-ren Temperaturen führt zur Erhitzung der Durchführung. Diese wiederum erhöht den dielektrischen Verlust und verursacht zusätzliches Erhitzen; so wird der dielek-trische Verlust immer weiter erhöht und die Durchführung explodiert schließlich.

Die DFR-Messungen und -Analysen samt Modellierung des Isolationssystems beziehen die Temperatur mit ein. Eine neue Vorgehensweise besteht nun darin,

Bild 3. DFR/FDS-Tan-Delta-Messungen an vier verschiedenen Transformatoren mit einem Feuchtigkeitsgehalt, der von 0,3 % bis 3,4 % reicht

3,4 %

2,4 %

0,3 %

1 %

Bild 4. Feuchtigkeitsanalyse (Mods) für zwei Transformatoren mit unterschiedlicher Ölqualität und Feuchtigkeitsgehalt

Gleicher LF-Wert bei 60 HzFeuchter Transformator

mit gutem Öl (niedrigeKonduktivität)

Trockener Trans-formator mit altem

Öl (hohekonduktivität)

Page 3: Explosionsgefahr in Transformatoren durch „thermisches ... · 0,4 % bis 0,5 % 0,1 % bis 0,3 % Bild 7. Temperaturkorrektur für Transformatoren in verschiedenen Zuständen Temperatur

Komponenten & Peripherie

4 Heft 7/2010•

die DFR-Messungen durchzuführen und deren Ergebnisse in den dielektrischen Verlustfaktor bei 50/60 Hz und als Funktion der Temperatur umzuwandeln. Diese Technik bietet viele Vor-teile, zum Beispiel eine erhebliche Vereinfachung und Abkür-zung des Messverfahrens. Anstelle des zeitintensiven Erhitzens und Abkühlens der Durchführung und mehreren Messvorgän-gen bei verschiedenen Temperaturen, wird eine DFR-Messung durchgeführt und die Ergebnisse in 50/60-Hz-Tan-Delta-Werte als Funktion der Temperatur umgewandelt.

Wird diese Technik bei echten DFR-Messungen an Durchfüh-rungen angewandt, liefert sie Ergebnisse, wie in Bild 6 gezeigt wird. Zwei Durchführungen, „OK“ und „Schlecht“, werden mit den Werten des Herstellers verglichen. Bei der „schlechten“ Durchfüh-rung wird geschätzt, dass sie einen Feuchtigkeitsgehalt von ca. 4 % hat. Sie sollte deshalb als gefährdet betrachtet werden.

Individuelle TemperaturkorrekturTemperaturkorrektur-Tabellen, wie in IEEE/C57.12.90, liefern

Werte, die einen durchschnittlichen Zustand annehmen; sie sind aber für einen einzelnen Transformator oder eine einzelne Durchführung nicht korrekt. Diese Tatsache ist bekannt. Einige Versorgungsunternehmen versuchen deshalb die Anwendung der Temperaturkorrektur zu vermeiden. Sie empfehlen deshalb, Messungen innerhalb eines schmalen Temperaturbereichs (Bild 7) durchzuführen.

DFR und die patentierte Technik der Datenumwandlung in Temperaturabhängigkeit ermöglichen es jetzt, einen präzisen und individuellen Temperaturausgleich vorzunehmen. Bei einer guten Komponente ist die Temperaturabhängigkeit schwach. Sobald aber die Komponente älter und/oder schlechter wird, wird der Temperaturkorrekturfaktor immer größer. Das bedeu-tet: Die Temperaturkorrektur ist eine Funktion des Alterungs-zustands.

Beispiele der individuellen Temperaturkorrektur für Durch-führungen und Leistungstransformatoren werden in Bild 8 und Bild 7 gezeigt. Die Tabellendaten der Hersteller gelten nur für neue Durchführungen. Sobald Alterungseffekte bei der Durchführung sichtbar werden, erhöht sich auch die Tem-peraturabhängigkeit. Schlechte Durchführungen haben eine große Temperaturkorrektur.

Wie in Bild 7 ersichtlich, hat jeder Transformator seine ei-gene, individuelle Temperaturkorrektur. Neue Geräte haben eine „negative“ Korrektur für geringfügig erhöhte Temperatu-ren. Deshalb werden sie unterschiedliche Ergebnisse anzeigen, wenn die Standard-Tabelle verwendet wird. Gealterte Trans-formatoren zeigen das gleiche Verhalten wie die Standard-Tabellen, aber mit einer stärkeren Temperaturabhängigkeit im Vergleich zu den IEEE-Durchschnittswerten.

Literatur

[1] IEEE 62-1995: IEEE Guide for Diagnostic Field Testing of Electric Power Apparatus; Part 1: Oil Filled Power Transformers, Regulators, and Reactors. www.ieee.de n

Bild 6. Dielektrischer Verlustfaktor der Durchführung als Funktion der Temperatur. Gemessene und konvertierte Daten im Vergleich zu veröffentlichten Daten

Temperatur

100

0,120 30 40 50 60 70 80 °C

4 % Feuchtigkeit 1 % Feuchtigkeit

GE Typ U (schlecht)

90

10

1 0,4 % bis 0,5 %Feuchtigkeit

0,1 % bis 0,3 %FeuchtigkeitGE Typ U (OK)

Bild 5. Dielektrischer Verlustfaktor gegen Temperatur für Durchführungen mit unterschiedlichem Feuchtigkeitsgehalt

Temperatur

10

0,120 30 40 50 60 70 80 °C

4 %

1 %

90

10,4 % bis 0,5 %

0,1 % bis 0,3 %

Bild 7. Temperaturkorrektur für Transformatoren in verschiedenen Zuständen

Temperatur

12

00 20 3010 40 50 60 70 80 °C

typische Korrekturliniefür Transformatoren

Yorkshire 10MVA, 1977,ausrangiert

90

10

8

6

4

2

Westinghouse 40MVA, 1985,entbehrlich

Pauwels 80MVA, 2005, neu

Pauwels 20MVA, 2000, neu

Bild 8. Standard-Temperaturkorrektur im Vergleich mit individueller Temperaturkorrektur für Beispiele von GE-Durchführungen vom Typ U

Temperatur

12

00 20 40 60 °C

GE Type U,schlecht

GE Type U,gut

80

10

8

6

4

2

GE Type U,Herstellerangaben

GE Type U, gut?