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Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit | Fokus Menschenrechte Fokus Menschenrechte Nr. 15 / Juni 2015 Zusammenfassung Erneut ist es in Südafrika zu fremdenfeind- lichen Ausschreitungen gekommen. Seit 2008 hat sich die Xenophobie eher ver- schlimmert, während die vom Afrikanischen Nationalkongress (ANC) geführte Regierung die Lage leugnet. „Säuberungsaktionen“ setzen die falschen Signale, indem sie die Schuld von Einwanderern an einer hohen Kriminalitätsrate suggerieren. FNF-Partner bieten hingegen Lösungen an. Afrika – ein Volk und somit keine Probleme? Fremdenfeindliche Übergriffe in Südafrika Katerina Georgousaki Unter dem Motto “We are Africa” feierten afrikanische Staaten am 25. Mai 2015 den Afri- ca Day. Damit erinnerten sie an die Gründung der ORGANISATION OF AFRICAN UNITY 1963, die Vorgängerorganisation der AFRICAN UNION (AU). Die AFRICAN UNION, der alle Länder des Konti- nents bis auf Marokko angehören, wurde im Jahr 2002 ins Leben gerufen, um die Koopera- tion zwischen den afrikanischen Ländern auf diversen Gebieten zu fördern. Die derzeitigen fremdenfeindlichen Ausschreitungen in Südafrika weisen allerdings darauf hin, wie weit die hehren Wünsche von der Realität entfernt sind. Die Gründungsakte der AU benennt in 33 Arti- keln die Ziele und Prinzipien der Organisation, darunter die Förderung der Einheit und Solidari- tät zwischen den Mitgliedsstaaten, die Stärkung demokratischer Prinzipien und Institutionen, die Verwirklichung von Frieden, Sicherheit und Sta- bilität sowie den Schutz von Grund- und Men- schenrechten. Dass der Kontinent allerdings noch weit von einem panafrikanischen Gemeinsinn entfernt ist, wird im Angesicht der jüngsten fremdenfeindlichen Ausschreitungen in Südafrika deutlich. Dabei wurden Einwanderer aus anderen afrikanischen Ländern brutal angegriffen, ausge- raubt und getötet. Die langjährigen FNF-Partner SOUTH AFRICAN INSTIUTE OF RACE RELATIONS (IRR) und DEMOCRATIC ALLIANCE (DA) äußern sich zu den Ursachen von Fremdenfeindlichkeit in Südafrika und bringen Lösungsansätze vor, die vor allem auf die Bekämpfung der hohen Arbeitslosigkeit im Land abzielen. Anlässlich der Feierlichkeiten für den diesjähri- gen Africa Day hielt der südafrikanische Präsi- dent Jacob Zuma eine Rede an der Universität von Pretoria:

Fremdenfeindliche Übergriffe in Südafrika

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Unter dem Motto “We are Africa” feierten afrikanische Staaten am 25. Mai 2015 den Africa Day. Damit erinnerten sie an die Gründung der ORGANISATION OF AFRICAN UNITY 1963, die Vorgängerorganisation der African Union. Die AFRICAN UNION (AU), der alle Länder des Kontinents bis auf Marokko angehören, wurde im Jahr 2002 ins Leben gerufen, um die Kooperation zwischen den afrikanischen Ländern auf diversen Gebieten zu fördern. Die derzeitigen fremdenfeindlichen Ausschreitungen in Südafrika weisen allerdings darauf hin, wie weit die hehren Wünsche von der Realität entfernt sind.

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  • Friedrich-Naumann-Stiftung fr die Freiheit | Fokus Menschenrechte

    Fokus Menschenrechte

    Nr. 15 / Juni 2015

    Zusammenfassung

    Erneut ist es in Sdafrika zu fremdenfeind-

    lichen Ausschreitungen gekommen. Seit

    2008 hat sich die Xenophobie eher ver-

    schlimmert, whrend die vom Afrikanischen

    Nationalkongress (ANC) gefhrte Regierung

    die Lage leugnet. Suberungsaktionen setzen die falschen Signale, indem sie die

    Schuld von Einwanderern an einer hohen

    Kriminalittsrate suggerieren. FNF-Partner

    bieten hingegen Lsungen an.

    Afrika ein Volk und somit keine Probleme? Fremdenfeindliche bergriffe in Sdafrika

    Katerina Georgousaki

    Unter dem Motto We are Africa feierten afrikanische Staaten am 25. Mai 2015 den Afri-ca Day. Damit erinnerten sie an die Grndung der ORGANISATION OF AFRICAN UNITY 1963, die

    Vorgngerorganisation der AFRICAN UNION (AU). Die AFRICAN UNION, der alle Lnder des Konti-

    nents bis auf Marokko angehren, wurde im Jahr 2002 ins Leben gerufen, um die Koopera-

    tion zwischen den afrikanischen Lndern auf diversen Gebieten zu frdern. Die derzeitigen

    fremdenfeindlichen Ausschreitungen in Sdafrika weisen allerdings darauf hin, wie weit die

    hehren Wnsche von der Realitt entfernt sind.

    Die Grndungsakte der AU benennt in 33 Arti-

    keln die Ziele und Prinzipien der Organisation,

    darunter die Frderung der Einheit und Solidari-

    tt zwischen den Mitgliedsstaaten, die Strkung

    demokratischer Prinzipien und Institutionen, die

    Verwirklichung von Frieden, Sicherheit und Sta-

    bilitt sowie den Schutz von Grund- und Men-

    schenrechten. Dass der Kontinent allerdings noch

    weit von einem panafrikanischen Gemeinsinn

    entfernt ist, wird im Angesicht der jngsten

    fremdenfeindlichen Ausschreitungen in Sdafrika

    deutlich. Dabei wurden Einwanderer aus anderen

    afrikanischen Lndern brutal angegriffen, ausge-

    raubt und gettet. Die langjhrigen FNF-Partner

    SOUTH AFRICAN INSTIUTE OF RACE RELATIONS (IRR)

    und DEMOCRATIC ALLIANCE (DA) uern sich zu den

    Ursachen von Fremdenfeindlichkeit in Sdafrika

    und bringen Lsungsanstze vor, die vor allem

    auf die Bekmpfung der hohen Arbeitslosigkeit

    im Land abzielen.

    Anlsslich der Feierlichkeiten fr den diesjhri-

    gen Africa Day hielt der sdafrikanische Prsi-

    dent Jacob Zuma eine Rede an der Universitt

    von Pretoria:

  • Fremdenfeindliche bergriffe in Sdafrika Nr. 15 / Juni 2015 | 2

    Friedrich-Naumann-Stiftung fr die Freiheit | Fokus Menschenrechte

    Wir haben uns heute auch versammelt, um die

    Solidaritt und Freundschaft, die Sdafrikaner

    in vielen Townships und Drfern anderen Afri-

    kanern, die sich auf der Suche nach

    einem besseren Leben in unserem

    Land niedergelassen haben, entge-

    gengebracht haben, zu feiern [].

    Sdafrika ist seit Jahrzehnten das

    Zuhause vieler Brger aus Mosam-

    bik, Ruanda, Sambia, Simbabwe, Ni-

    geria, der Demokratischen Republik

    Kongo, Tansania, Burundi, Somalia,

    thiopien, Lesotho, Swasiland,

    Botswana, Algerien, Uganda, Kenia

    und anderen. Es ist uns eine groe

    Freude, dass wir heute gemeinsam

    mit Brgern aus diesen Lndern die-

    se Feierlichkeiten begehen. Wir sind

    zu einem Volk geworden und wer-

    den ein Volk bleiben; wir werden zu

    allen Zeiten gemeinsam in Frieden

    und Freundschaft leben. [] Nur als

    Einheit werden wir Fortschritte er-

    zielen.

    In diesem Kontext konnten die fremdenfeindli-

    chen bergriffe, die sich im April dieses Jahres in

    Sdafrika ereignet haben, nicht unerwhnt blei-

    ben:

    Sdafrikaner sind nicht fremdenfeindlich. Es

    gibt kriminelle Elemente, die kriminell han-

    deln, um den Menschen ihr Hab und Gut zu

    rauben, und vorgeben, sie seien fremdenfeind-

    lich. Ich denke, dass es fr uns wichtig ist, sich

    diesen simplen Sachverhaltes bewusst zu sein

    []. Die Medienberichte ber Gewalt und Fremdenfeindlichkeit sind berzogen.

    Xenophobie? ist nicht der Fall

    Ramaphosaville, ein Township am Ostrand von

    Johannesburg, am 18. Mai 2008: Ein wtender

    Mob strmt auf einen jungen Mann aus Mosam-

    bik los, schlgt ihn, sticht mit Messern auf ihn

    ein und setzt ihn bei lebendigem Leibe in Brand.

    Ernesto Nhamuave ist einer von Hundertausen-

    den Mosambikanern, die in der Hoffnung auf ein

    besseres Leben ihre Heimat verlassen haben und

    ihr Glck im Nachbarland Sdafrika suchen. Sie

    leben meist in den Elendsvierteln der Grostdte

    in rmsten Verhltnissen und schicken das weni-

    ge Geld, das sie verdienen, an ihre Familien in

    der Heimat. Die Bilder des Flammenmannes, wie er spter in den Medien genannt wird, gehen

    um die Welt und werden zum Symbol fr die

    fremdenfeindlichen Angriffe, die sich im Mai

    2008 in weiten Teilen Sdafrikas ereignen. Bei

    den Ausschreitungen kommen insgesamt 62

    Menschen ums Leben und etwa 100.000 werden

    vertrieben. Prsident Thabo Mbeki ordnet den

    Einsatz der Truppen an zum ersten Mal seit dem Ende der Apartheid 1994 wird das Militr

    zur Bekmpfung von Unruhen auf die Straen

    geschickt. Zahlreiche Stimmen, sowohl aus der

    Politik als auch aus der Zivilgesellschaft, werden

    laut, man msse etwas dafr tun, damit sich

    derlei Ereignisse nicht wiederholten:

    Am heutigen Tag, an dem wir hier stellvertre-

    tend fr unser Land versammelt sind, mssen

    wir uns dazu verpflichten, nicht noch einmal

    zuzulassen, dass irgendwer Schande ber un-

    sere Nation bringt, indem er die Ubuntu-

    Werte verrt [Anm.: Ubuntu bezeichnet eine

    afrikanische Lebensphilosophie, in der

    Menschlichkeit und gegenseitiger Respekt ei-

    ne wichtige Rolle spielen], Verbrechen gegen

    Besucher und Reisende in unserem Land

    begeht und dadurch unsere Nation, die aus

    Menschen grundguten Charakters besteht, in

    Verruf bringt, als wren wir ein Volk, das von

    der wie Krebs wuchernden Krankheit der

    Fremdenfeindlichkeit befallen ist. [] Wir

    werden sicherstellen, dass all diejenigen, die

    fr die kriminellen Handlungen gegen afrika-

    nische Einwanderer whrend jener dsterer

    Tage im Mai verantwortlich sind, die volle

    Hrte des Gesetzes zu spren bekommen, so

    der damalige Prsident Mbeki.

    Nelson Mandela und Erzbischof Desmond Tutu betrachten unglubig die Flagge

    der Regenbogengeneration, die infolge fremdenfeindlicher Angriffe mit Blut

    bedeckt wird. Quelle: 2012 Zapiro (All Rights Reserved) Printed/ Used with

    permission from www.zapiro.com

  • Fremdenfeindliche bergriffe in Sdafrika Nr. 15 / Juni 2015 | 3

    Friedrich-Naumann-Stiftung fr die Freiheit | Fokus Menschenrechte

    Bis zum heutigen Tag ist kein einziger Verdchti-

    ger fr die Ermordung von Ernesto Nhamuave

    zur Rechenschaft gezogen worden. Die Polizei

    stellte 2010 die Ermittlungen ein, da keine Zeu-

    gen auffindbar seien. Doch als Anfang dieses

    Jahres Journalisten der SUNDAY TIMES Ra-

    maphosaville besuchten, konnten sie einen Au-

    genzeugen ausfindig machen, der

    die Tter namentlich benennen

    konnte.

    Alexandra, eines der rmsten Viertel

    Johannesburgs, am 18. April 2015:

    Drei Mnner gehen auf einen jungen

    Mann aus Mosambik los, schlagen

    und treten ihn, bis er zu Boden

    strzt. Emmanuel Sithole liegt auf

    einem Mllhaufen am Straenrand

    und bettelt um sein Leben verge-bens, denn einer der Mnner sticht

    mit einer Machete immer wieder auf

    ihn ein. Journalisten der SUNDAY

    TIMES, die vor Ort mit den Anwoh-

    nern sprechen, deren Lden in der

    Nacht zuvor geplndert worden sind,

    werden zu Augenzeugen des Angriffs

    und halten ihn in Bildern fest. Nach-

    dem die Angreifer geflchtet sind,

    bringen die Journalisten den

    schwerverwundeten Mann in die

    nchstgelegene Klinik, die wenige

    Meter vom Tatort entfernt ist. Hier

    kann man den Verletzten nicht ver-

    sorgen der Arzt, der eigentlich Dienst htte, ist nicht anwesend aus Angst, Opfer der fremden-feindlichen Angriffe zu werden, da er ebenfalls

    nicht aus Sdafrika stammt. Emmanuel Sithole

    wird anschlieend in das nchste grere Kran-

    kenhaus gefahren, wo er seinen Verletzungen

    erliegt.

    Wenige Tage spter feiert Sdafrika den Freedom

    Day, der an die ersten freien Wahlen am 27. April

    1994 erinnert. Jacob Zuma hlt im Rahmen der

    Feierlichkeiten eine Rede in den Union Buildings

    in Pretoria, dem Sitz der sdafrikanischen Regie-

    rung:

    Wir feiern in diesem Jahr den Freedom Day vor

    dem Hintergrund einer schwierigen Zeit fr

    unser Land. Sieben Menschen wurden wh-

    rend der entsetzlichen Angriffe gegen Ausln-

    der in Durban und Johannesburg gettet, da-

    runter drei Sdafrikaner. [] Unter den Aus-

    lndern, die in derselben Woche verstorben

    sind, ist der mosambikanische Staatsbrger

    Manuel Jossias, der von den Medien als Em-

    manuel Sithole identifiziert wurde. Er wurde

    whrend eines brutalen Raubberfalls

    (callous robbery) im Township Alexandra

    ermordet. Berichten zufolge hat er einen fal-

    schen Namen verwendet, um zu vermeiden,

    dass ihn die Behrden auffinden, da er ein ille-

    galer Einwanderer war.

    Wer die Ereignisse rund um die Ermordung des

    jungen Mosambikaners mitverfolgt hat, sollte bei

    der Wortwahl Zumas stutzig werden. Der Angriff

    sei nicht durch Fremdenfeindlichkeit motiviert

    gewesen, vielmehr habe es sich um einen bruta-len Raubberfall gehandelt man wundert sich, weshalb nach einem Raubberfall in den Ho-sentaschen des Toten Bargeld und ein Handy

    gefunden wurden.

    An dieser Stelle sei ein Vergleich angestellt Sdafrika 2008 und 2015: In beiden Jahren fin-

    den gewaltsame Ausschreitungen gegen Einwan-

    derer aus anderen afrikanischen Lndern statt.

    Tausende von Menschen verlieren ihr Hab und

    Gut und suchen Schutz in provisorisch errichte-

    ten Flchtlingslagern oder kehren aus Angst vor

    erneuten bergriffen in ihre Heimat zurck. Es

    kommt zu zahlreichen Todesfllen und schweren

    Verletzungen. Es sind in beiden Fllen junge

    Mnner aus Mosambik, deren brutale Ermordung

    von den Medien in Bildern dokumentiert wird

    und die zum Symbol der Gewaltwelle gegen Aus-

    lnder werden. In beiden Jahren verurteilt der

    Quelle: UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (OCHA)

  • Fremdenfeindliche bergriffe in Sdafrika Nr. 15 / Juni 2015 | 4

    Friedrich-Naumann-Stiftung fr die Freiheit | Fokus Menschenrechte

    sdafrikanische Prsident die Geschehnisse und

    verspricht, die Verantwortlichen zur Rechen-

    schaft zu ziehen. Sowohl 2008 als auch 2015

    bezeichnet der Prsident die fremdenfeindlichen

    Angriffe allgemein als kriminelle Handlungen und nicht als Ausdruck von Fremdenfeindlichkeit.

    Thabo Mbeki spricht von naked criminal activi-ty, Jacob Zuma sieben Jahre spter von callous robbery. Was sich in den vergangenen Tagen ereignet hat, [] war nicht von Fremdenfeind-lichkeit motiviert, so Mbeki 2008. Wenn wir auf die Medien hren, die manchmal zu ber-

    treibungen neigen, dann knnten wir den Ein-

    druck gewinnen, wir htten ein Problem was nicht der Fall ist. Sdafrikaner sind nicht frem-

    denfeindlich, bei den Angreifern handelt es sich

    um Kriminelle, die auf opportunistischer Basis

    agieren, so Zuma 2015. Die Parallelen sind nicht zu bersehen und veranschaulichen, dass die

    Politik in den vergangenen sieben Jahren nicht

    genug getan hat, damit sich Angriffe gegen Aus-

    lnder wie im Jahr 2008 nicht wiederholen.

    Die falschen Signale des ANC

    Anfang April brachen in der Hafenstadt Durban

    an der Ostkste Sdafrikas Ausschreitungen

    gegen Auslnder aus anderen afrikanischen Ln-

    dern aus. Huser und Geschfte wurden gepln-

    dert, es kam zu ersten Todesfllen und zur Ver-

    treibung von ganzen Menschenmassen. Die Ein-

    wanderer nhmen den Einheimischen die Ar-

    beitspltze weg, so die Meinung vieler Sdafri-

    kaner. Ausgelst wurde die Gewaltwelle von den

    Aussagen des Zulu-Knigs

    Goodwill Zwelithini, der in einer

    Rede Auslnder mit Flhen ver-

    glich und sie aufforderte, ihre Sachen zu packen und nach

    Hause zu gehen. Bald schwappte die Gewalt in die

    Hauptstadt Johannesburg ber,

    wo es zu mehrtgigen Straen-

    kmpfen kam, die erst durch

    den Einsatz der Armee beendet

    werden konnten. Die genaue

    Zahl der Todesopfer liegt Scht-

    zungen zufolge zwischen acht

    und fnfzehn, mehrere hundert

    Menschen befinden sich in pro-

    visorisch errichteten Flcht-

    lingslagern und haben Angst in

    ihre Huser zurckzukehren.

    Diese Ereignisse liegen nun an-

    derthalb Monate zurck was hat die sdafrikanische Regie-

    rung in der Zwischenzeit unternommen? Die

    Antwort der Regierungspartei AFRICAN NATIONAL

    CONGRESS (ANC) lautet Operation Fiela, was auf

    Sotho, einer der elf Amtssprachen des Landes, in

    etwa Suberung bedeutet. Hinter dem Begriff steht eine Reihe von Razzien durch Einsatzkrfte

    der Polizei und Armee in Grostdten, durch die

    das Land von illegalen Waffen, Drogen, Prostitu-tion und anderen illegalen Aktivitten gesubert werden soll, so die offizielle Erklrung der Regie-

    rung. Doch zahlreiche Menschenrechtorganisati-

    onen sprechen von institutionalisierter Frem-denfeindlichkeit und betonen, dass die Razzien in erster Linie gegen Auslnder gerichtet sind.

    Ferner werfen sie den Streitkrften in Zusam-

    menhang mit den Razzien Menschenrechtsver-

    letzungen vor. Die Nicht-Regierungsorganisation

    LAWYERS FOR HUMAN RIGHTS erklrte, dass viele

    Auslnder zu Unrecht in Haft gehalten wrden

    und die Behrden ihren Anwlten den Zugang zu

    den Hftlingen verweigerten.

    Offiziell sollen die Suberungsaktion der Regie-rung die Kriminalitt im Land bekmpfen. Im

    Grunde richtet sie sich jedoch vornehmlich ge-

    gen Auslnder und frdert fremdenfeindliche

    Ansichten, indem sie Auslnder fr die hohe

    Kriminalittsrate in Sdafrika verantwortlich

    macht. Insgesamt sendet der ANC mit seiner

    Politik Signale, die den Eindruck erwecken, dass

    Einwanderer in Sdafrika nicht willkommen sind.

    So traten im vergangenen Jahr verschrfte Ein-

    wanderungsgesetze in Kraft, die den Erhalt eines

    Arbeitsvisums nahezu unmglich machen. In

    Ein sog. spaza shop in Kapstadt, ein kleines Ladengeschft, das in vielen Townships von

    Auslndern betrieben wird.

    Foto: Wikimedia_Spaza_shop_in_Joe_Slovo_Park

  • Fremdenfeindliche bergriffe in Sdafrika Nr. 15 / Juni 2015 | 5

    Friedrich-Naumann-Stiftung fr die Freiheit | Fokus Menschenrechte

    seiner Rede zur Lage der Nation im Februar die-

    ses Jahres erklrte Prsident Zuma, in Zukunft

    solle Auslndern der Immobilienbesitz in Sdafri-

    ka nicht mehr erlaubt sein. Als letztes Beispiel sei

    die Aussage von Lindiwe Zulu, Minister of Small

    Business, angesichts fremdenfeindlicher Aus-

    schreitungen in Soweto Anfang dieses Jahres

    erwhnt, auslndische Ladenbetreiber sollten

    ihre Geschftsgeheimnisse mit Sdafrikanern

    teilen, wenn sie Gewalt und Plnderungen ver-

    hindern wollten. Angesichts derartiger Gesetze

    und Aussagen einer Regierung, die nicht einmal

    wei, wie viele Auslnder in Sdafrika leben Schtzungen reichen von zwei bis sechs Millio-

    nen und allgemein von kriminellen Handlungen spricht anstatt das Problem beim Namen zu be-

    nennen, sind in Zukunft weitere Angriffe gegen

    Auslnder nicht auszuschlieen.

    Ursachen und Lsungen von FNF-Partnern

    Mitte April hat das SOUTH AFRICAN INSTITUTE OF

    RACE RELATIONS (IRR), langjhriger FNF-Partner,

    auf seiner FACEBOOK-Seite gepostet: Was wir schon 2008 gesagt haben und nun wiederholen, gefolgt von einem Artikel zu den Ursachen fr

    die fremdenfeindlichen Angriffe im Jahr 2008,

    den das Institut direkt im Anschluss an die Er-

    eignisse publiziert hat. Sieben Jahre spter ist

    der Artikel noch immer aktuell ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Regierung in der Zwi-

    schenzeit nicht viel fr die Bekmpfung von

    Fremdenfeindlichkeit getan hat. Dr. Frans Cronje,

    Leiter des IRR, argumentiert in dem Artikel, dass

    die bergriffe gegen Auslnder auf das Versagen

    der Regierung zurckzufhren seien, das zu ei-

    nem explosiven Gemisch aus Gesetzlosigkeit,

    Armut und unerfllten Erwartungen gefhrt

    habe, das sich nun in Form von Gewalt entznde.

    Unter anderem in folgenden Bereichen habe die

    Politik versagt:

    Unfhigkeit, die Rechtsstaatlichkeit zu bewahren: Die Unfhigkeit des Polizei-

    dienstes sowie der zustndigen Ministe-

    rien, fr Recht und Ordnung zu sorgen,

    frdert Gewalt.

    Unzureichende Grenzkontrollen: Viele il-legale Einwanderer strmen durch die

    nicht gengend geschtzten Landes-

    grenzen nach Sdafrika und sind wegen

    ihres Status einfache Beute.

    Korruption: Korruption auf allen Regie-rungsebenen frdert fremdenfeindliche

    Ressentiments, etwa gegen illegale Ein-

    wanderer, die ihre Papiere durch Beste-

    chung erhalten.

    Arbeitslosigkeit: Die hohe Arbeitslosen-quote, die bei jungen Schwarzen bei

    ber 50 % liegt, sorgt fr Frustration

    und Zorn auf erwerbsttige Auslnder.

    Bildung: Das marode Bildungssystem des Landes entlsst jedes Jahr Tausende von

    Schler in eine Arbeitswelt, in der sie

    keinerlei Chancen haben, da sie nicht

    gengend qualifiziert sind.

    Wirtschaftliches Wachstum: Der Inter-ventionismus des Staates hemmt das

    Wirtschaftswachstum des Landes, in

    wichtigen Bereichen, wie Stromversor-

    gung und Telekommunikation.

    ffentliche Dienstleistungen: Die Ge-meinden knnen, teils wegen Inkompe-

    tenz, teils wegen Korruption, die Bevl-

    kerung nicht ausreichend mit ffentli-

    chen Dienstleistungen versorgen, was zu

    gewaltsamen Protesten fhrt.

    Im Anschluss an die fremdenfeindlichen ber-

    griffe im vergangenen April erluterte Frans

    Cronje in einem Interview die Hintergrnde der

    Ereignisse und brachte Lsungsanstze vor. Hin-

    ter derlei Ausschreitungen stehe stets ein drei-

    stufiger Prozess, so Cronje. Erstens werde die

    entsprechende Zielgruppe stigmatisiert, indem

    gegen sie Vorwrfe vorgebracht wrden. Konkret

    im Fall Sdafrikas werde Auslndern vorgewor-

    fen, sie nhmen den Einheimischen die Arbeits-

    pltze und Frauen weg. Als zweiter Schritt folge

    daraufhin eine Dehumanisierung der Zielgruppe,

    indem dieser ber einen lngeren Zeitraum in

    zunehmendem Ma Gewalt zugefgt werde,

    sodass sich die Gesellschaft gewissermaen da-

    ran gewhne und abstumpfe. Ich glaube, dass

    Dr. Frans Cronje Leiter des IRR

    Foto: IRR, FNF-Partner

  • Fremdenfeindliche bergriffe in Sdafrika Nr. 15 / Juni 2015 | 6

    Friedrich-Naumann-Stiftung fr die Freiheit | Fokus Menschenrechte

    dies auch in Sdafrika passiert ist. Die vielen

    Jahre von Gewalt gegen Einwanderer haben die

    Sdafrikaner zu einem gewissen Grad kalt wer-

    den lassen gegenber der Angst und dem Leid

    der Auslnder []. Nachdem man Fremde als Gruppe stigmatisiert und dehumanisiert habe,

    bedrfe es, drittens, einer Anstiftung zur Gewalt.

    Dies sei durch die Aufforderung des Zulu-Knigs

    und die Aussagen des ltesten Sohnes Zumas,

    der Auslnder als tickende Zeitbombe, die droht, unser Land zu bernehmen bezeichnete, erfolgt. Die Tatsache, dass solch knappe Kommentare gengten, um eine derartige Gewaltwelle gegen

    Fremde auszulsen, verdeutlicht, wie sehr die

    Stigmatisierung und Dehumanisierung von Aus-

    lndern in Sdafrika vorangeschritten ist.

    Frans Cronje schlgt vor, dass es zur langfristigen

    Bekmpfung von Fremdenfeindlichkeit in Sdaf-

    rika zu einer Umkehrung dieses dreistufigen Pro-

    zesses kommen msse. Zunchst msse man

    Anstiftungen zu Gewalt gegen Fremde straf-

    rechtlich verfolgen und anschlieend gegen die

    Dehumanisierung und Stigmatisierung von

    Fremden vorgehen. Dies sei nur mglich, wenn

    man das Narrativ ber Fremde in Sdafrika lang-

    fristig verndere. Es seien in der Regel hartarbei-

    tende und motivierte Menschen, die das Risiko

    einer Auswanderung aus sich nhmen; sie min-

    derten nicht die Chancen der Einheimischen auf

    dem Arbeitsmarkt, sondern schufen oftmals zu-

    stzliche Arbeitspltze. Die von weiten Teilen der

    Bevlkerung erhobene Forderung, man msse die

    Einwanderung durch die Schlieung der Grenzen

    regulieren, sei der falsche Weg. Vielmehr msse

    die Politik Wege finden, um eine legale Einwan-

    derung von Auslndern, die zur wirtschaftlichen

    Entwicklung des Landes beitrugen, zu erleich-

    tern. Wenn wir als Land den Punkt erreichen, an dem wir verstehen, dass es vlliger Unsinn ist,

    alle Auslnder vertreiben zu wollen, dann erst

    werden wir [] zum ersten Mal eine Chance haben, den Kampf gegen fremdenfeindlich moti-

    vierte Gewalt zu gewinnen. Ich befrchte, dass

    Fremdenfeindlichkeit auch in Zukunft eine Rolle

    in unserem Land spielen wird, solange wir nicht

    an diesem Punkt angelangt sind.

    Auch der politische Partner der FNF, die Opposi-

    tionspartei DEMOCRATIC ALLIANCE (DA), uerte

    sich kritisch zum Umgang der Regierung mit der

    seit nunmehr mehreren Jahren grassierenden

    Auslnderfeindlichkeit im Land. Mmusi Maimane,

    Parteivorsitzender der DA, erklrte, dass die

    Hauptursache fr die fremdenfeindlichen Aus-

    schreitungen in der hohen Arbeitslosigkeit liege,

    und formulierte liberale Lsungsanstze, die u.a.

    auf die Frderung von Jungunternehmern abzie-

    len:

    Whrend der vergangenen zwei Wochen sind

    wir in Sdafrika zum wiederholten Male Zeu-

    gen einer Welle fremdenfeindlicher bergriffe

    in weiten Teilen des Landes geworden; unsere

    Medien werden von herzzerreisenden Bildern

    von Kameraden aus Afrika beherrscht, die auf

    grausamste Weise behandelt werden. [] Ich

    verstehe den Frust der Sdafrikaner, vor allem

    der arbeitslosen Jugendlichen, die sich schwer

    tun, einen Weg zu finden, um ihr Leben zu ver-

    bessern. Arbeitspltze sind rar. Unsere Wirt-

    schaft schliet weiterhin Millionen Sdafrika-

    ner aus. Indem man diesen Zorn und Frust auf

    eine kleine Gruppe von Auslndern projiziert,

    die zu Unrecht diffamiert und zu Opfer von

    Gewalt geworden sind, bekmpft man aller-

    dings nicht die Ursachen dieses Frusts. [] Die

    Wurzeln dieses Problems liegen in unserer Un-

    fhigkeit, wirtschaftliches Wachstum zu

    schaffen und die Ungleichheit, die unsere Na-

    tion plagt, abzubauen. [] Wenn wir die ei-

    gentlichen Ursachen von Fremdenfeindlichkeit

    bekmpfen wollen, dann mssen wir die Ar-

    beitslosigkeit bekmpfen. Wir mssen kleine

    und mittelstndische Unternehmen frdern

    und Arbeitspltze schaffen. [] Der Feind sind

    nicht die Unternehmer. Der wahre Feind ist ei-

    ne von Korruption geprgte Kultur, die [] le-

    diglich der Elite Mglichkeiten bietet und den

    Rest ausschliet. Wenn wir zusammenarbei-

    Mmusi Maimane, Parteivorsitzender DA

    Foto:

    http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/

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  • Fremdenfeindliche bergriffe in Sdafrika Nr. 15 / Juni 2015 | 7

    Friedrich-Naumann-Stiftung fr die Freiheit | Fokus Menschenrechte

    ten, um diese Kultur von Grund auf zu vernich-

    ten, dann haben wir eine Chance, Fremden-

    feindlichkeit zu bekmpfen und Menschlich-

    keit in unserer Gesellschaft wiederherzustel-

    len.

    Um die in Sdafrika weitverbreitete Fremden-

    feindlichkeit zu bekmpfen, bedarf es mehr als

    Polizeirazzien und Beteuerungen durch die Re-

    gierung. Solange die Arbeitslosenquote weiter

    ansteigt und das Wirtschaftswachstum nicht

    angekurbelt wird, wird die Verzweiflung vor al-

    lem unter jungen Menschen, die nichts zu verlie-

    ren haben und Auslndern die Schuld fr ihre

    Misere geben, anhalten. Der Schlssel zu einer

    langfristigen Lsung des Konfliktes liegt in Inves-

    titionen in eine bessere Bildung ein Bereich, in dem die aktuelle Regierung miserabel abschnei-

    det. Hinzu kommen Korruption auf allen Regie-

    rungsebenen, die Verletzung von Grund- und

    Menschenrechten sowie die Missachtung der

    Rechtsstaatlichkeit. Gerade in diesen Bereichen

    hat die junge Demokratie noch einiges aufzuho-

    len, um das Versprechen, das ihr erster Prsident

    Nelson Mandela in seiner Amtsantrittsrede 1994

    gegeben hat, dass es niemals, niemals, niemals wieder in diesem wunderschnen Land dazu

    kommen soll, dass der eine den anderen unter-

    drckt, einzulsen.

    Katerina Georgousaki, Regionalbro Sdafrika der Friedrich-Naumann-Stiftung fr die Freiheit mit

    Sitz in Johannesburg..

    Impressum

    Friedrich-Naumann-Stiftung fr die Freiheit

    Bereich Internationale Politik

    Referat Asien und Menschenrechte Karl-Marx-Strae 2

    D-14482 Potsdam

    [email protected]

    www.freiheit.org