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Gesetzeskunde, Notfallmedizin und Pharmakologie: Die ... · 86 4 N le kann mittels eines darüber gestülpten Gummifingerlings in ein Ventil umfunktioniert werden, das Luft aus dem

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86 4 Notfallmedizin

le kann mittels eines darüber gestülpten Gummifingerlings in ein Ventil umfunktioniert werden, das Luft aus dem Thorax heraus-, aber nicht hineinlässt. In der Klinik wird zusätzlich ein Unterdruck erzeugt (Bülau-Drainage, › Abb. 4.49).

Zusammenfassung

Pneumothorax

Eindringen von Luft in den PleuraspaltSymptome • Dys- und Tachypnoe • Tachykardie, evtl. Zyanose • evtl. Schmerzen und/oder Hustenreiz

• bei ausgeprägter Mediastinalverlagerung gestaute HalsvenenTherapie • bei umschriebenem Pneumothorax nicht erforderlich • beim Spannungspneumothorax Thoraxdrainage am Rippeno-

berrand

4.13 Verletzungen

Verletzungen, die einer Erstversorgung besonders dringend bedür-fen, sind sichtbare, stark blutende Wunden, Frakturen und Ampu-tationsverletzungen: • Stumpfe Verletzungen mit ausgedehnter Gewebetraumatisie-

rung entstehen beispielsweise durch Verkehrsunfälle oder Stür-ze aus großer Höhe (› Abb. 4.50).

• Kleinflächige, penetrierende Verletzungen werden durch Schusswaffen, Messer o.Ä. verursacht. Wesentlich ist, das penet-rierende Instrument in der Wunde zu belassen, weil es evtl. eine mögliche Blutungsquelle tamponiert. Wird es herausgezogen, ist die Verblutungsgefahr größer. Die Entfernung wird in der Klinik in OP-Bereitschaft vorgenommen.

• Zu beachten ist, dass der Patient nach Möglichkeit auf der ver-letzten Seite gelagert werden sollte.

Blutungen

Stark blutende Wunden werden auf zwei mögliche Arten versorgt: • Kompressionsverband (Druckverband, › Abb. 4.51) der Blu-

tungsquelle mit sterilen Kompressen und einer herumgewickel-ten straffen Bandage. Dies ist die bevorzugte Behandlungsme-thode (› Abb. 4.52).

• Kompression der zuführenden Arterie, also proximal der Blu-tungsquelle, was üblicherweise nur an den Extremitäten möglich ist. Die Kompression kann vorübergehend durch kräftigen Druck mit den Fingern im Arterienverlauf erfolgen (› Abb. 4.53), alternativ oder wenn eine längere Zeitspanne

Höhen-differenz→ Drainage durch Schwerkraft

Drainageschlauch

Sekretsammelflasche

Glasstab muss 2–3 cmunter dem Wasserspiegelsein = Wasserschloss

ca. 100 ml Aqua dest.

Austritt von Patientenluft

Pleura visceralisPleura parietalis

Abb. 4.49 Prinzip der Bülau-Drainage. Ziel ist es, wieder einen Unterdruck im Pleuraspalt herzustellen. Während der Ausatmung fließen Sekrete, die sich im Pleuraspalt gesammelt haben, in einen mit Flüssigkeit gefüllten Auffangbehälter. Die Flüssigkeit verhindert gleichzeitig, dass Luft zurück in den Pleuraspalt gelangt („Wasserschlossprinzip“). [L190]

Abb. 4.50 Stumpfes Thoraxtrauma und mögliche Fol-gen. [L234]

HerzrupturHerzkontusion

Zwerchfelleinriss

KlappenverletzungLungenkontusion

Lungeneinriss

AortenrupturBronchusabriss

874 .13 Verletzungen

überbrückt werden muss, durch Abbinden der Extremität (› Abb. 4.54). Zum Abbinden sollte wegen der zusätzlichen Gewebetraumatisierung kein Stauschlauch o.Ä. benutzt werden, sondern eine Blutdruckmanschette, die unbedingt auf einen Wert oberhalb des systolischen Drucks aufzupumpen ist. Liegt der Druck lediglich zwischen dem venösen und dem arteriellen systolischen Druck, wird die Blutung verstärkt. Eine Extremität darf bis zu 2 Stunden abgebunden bleiben, also „unbegrenzt”, weil die Transportzeit in die Klinik in jedem Fall kürzer ist als die Wiederbelebungszeit peripherer Gewebe.

Unabhängig vom Vorgehen sollte die Blutungsquelle möglichst hochgelagert werden, um den hydrostatischen Druck und damit die Blutungsintensität zu verringern.

Das verloren gegangene Volumen muss über eine Infusion so-weit ersetzt werden, dass der Blutdruck in ausreichender Höhe ver-bleibt. Wird zu viel Volumen substituiert, kann dies über eine Blut-druckerhöhung die Blutung verstärken!

Amputationsverletzungen

A C H T U N GLiegt eine Amputationsverletzung vor, muss das Amputat in jedem Fall in die Klinik mitgegeben werden!

Abb. 4.51 Druckverband. [L190]

Abb. 4.52 Erstversorgung von Blutungen. [L108]

Abb. 4.53 Kompressionspunkte großer Gefäße. [L157]

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Idealerweise wird das Amputat (abgetrennter Finger, Hand usw.) trocken in sterile Kompressen eingewickelt und anschließend in ei-nen wasserdichten Plastikbeutel verbracht. Dieser Beutel wird dann in einen weiteren Beutel bzw. irgendein Gefäß gelegt, in dem sich ein Eis-Wasser-Gemisch befindet (› Abb. 4.55). Das Eis darf kei-nen Kontakt zum Amputat erhalten. Ebenso darf das Amputat in keinem Fall auf unter 0°C abgekühlt, also beispielsweise tiefgefro-ren werden! Sind weder Beutel noch Eis zur Hand, sollte das Ampu-tat lediglich in trockene sterile oder möglichst saubere Tücher ein-gewickelt werden.

Frakturen

Allgemeines Vorgehen

Sichere Frakturzeichen sind • abnorme Fehlstellung einer Extremität • abnorme Beweglichkeit • Knochenreiben (Crepitatio) • sichtbare KnochenfragmenteLiegen keine sicheren Frakturzeichen vor bzw. wird wegen der Schmerzhaftigkeit gar nicht daraufhin untersucht, genügen allge-meine und unsichere Frakturzeichen (Schmerz, Hämatom, Funk-tionseinschränkung), um für den Transport in die Klinik von einer Fraktur auszugehen und entsprechend zu verfahren.

Frakturen können mit einem erheblichen Blutverlust einherge-hen (›  Abb.  4.56). Falls erforderlich, sollte daher eine Infusion angelegt werden. Die Vitalfunktionen sind zu überprüfen und ggf. zu sichern. Offene Wunden werden steril abgedeckt. Bei einer even-tuellen Schmerzbehandlung sollte man mit Acetylsalicylsäure (ASS) zurückhaltend sein, um die Blutung nicht zu verstärken. Besser ge-eignet sind Paracetamol und Ibuprofen.

Bei der Achsenfehlstellung einer Extremität kann vorsichtig und unter Längszug eine Reposition versucht werden. Danach folgt die

Abb. 4.54 Abbinden. [L108]

Abb. 4.55 Idealer Transport eines Amputats. [L190] Abb. 4.56 Möglicher Blutverlust bei Frakturen. [L108]

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Ruhigstellung der Extremität durch Schienung (› Abb. 4.57). So-fern die Vitalfunktionen nicht bedroht sind, erfolgt die Lagerung des Patienten bevorzugt liegend auf dem Rücken.

Rippenfrakturen

Rippenfrakturen sind häufig. Sie lassen sich anhand der meist hefti-gen posttraumatischen Schmerzen vermuten. Nicht so selten kann man bei der vorsichtigen Palpation eine Stufe im Rippenverlauf er-tasten. Die Gefährdung des Patienten entsteht vor allem durch se-kundäre Verletzungen der Pleura mit Ausbildung eines Pneumo-thorax. Bei einer Rippenserienfraktur kommt es zur Instabilität des knöchernen Thorax mit paradoxer Atmung (› Abb. 4.58).

Ein Pneumothorax sollte auskultatorisch ausgeschlossen wer-den. Abgesehen von Analgetika und dem Verbinden offener Wun-den ist keine notfallmäßige Therapie möglich.

Fraktur der Wirbelsäule

Besteht der Verdacht auf eine Fraktur der Wirbelsäule, sollte der Patient unter Vermeidung jeder nicht unbedingt erforderlichen Be-wegung nach Möglichkeit flach auf dem Rücken verbleiben. Die Si-cherung der Vitalfunktionen hat mit besonderer Vorsicht zu erfol-gen. Auch beim Transport ist die Wirbelsäule möglichst perfekt zu immobilisieren.

Schädel-Hirn-Traumen

Bei Schädel-Hirn-Traumen komatöser Patienten sollte der Ober-körper hochgelagert werden (etwa 30°), soweit der Blutdruck stabil ist, um den intrazerebralen Druck möglichst niedrig zu halten. Bei erniedrigtem Blutdruck erfolgt Flachlagerung.

Ein Brillen- (› Abb. 4.59) oder Monokelhämatom weist auf ei-ne Schädelbasisfraktur im Bereich der vorderen Schädelgrube hin. Blutungen aus dem Ohr entstehen u.U. durch Frakturen der mittle-ren Schädelgrube. Erste-Hilfe-Maßnahmen beziehen sich grund-sätzlich auf eine evtl. erkennbar werdende Mitbeteiligung des Gehirns, nicht auf die Schädelfraktur.

Schultergelenkluxation

Bei Luxationen im Schultergelenk ist der Humeruskopf meist nach vorne und unten ausgetreten (› Abb. 4.60) und kann in der Ach-selhöhle getastet werden. Der Notarzt wird, z.B. mit der Methode nach Hippokrates, eine Reposition versuchen, wenn die Durchblu-tung der Extremität gefährdet scheint oder bereits Sensibilitätsstö-rungen aufgetreten sind. Allerdings können durch die Reposition zusätzliche Verletzungen entstehen bzw. bereits im Rahmen einer traumatischen Luxation entstanden sein. Sie sollte deshalb generell in der Klinik stattfinden, in der sowohl eine Kurznarkose unter Muskelrelaxation als auch Röntgenkontrollen möglich sind.

Zusammenfassung

Blutende Wunden

• Druckverband unter Hochlagerung der betroffenen Körperteile als Therapie der Wahl

• manuelle Kompression der zuführenden Arterie

Abb. 4.57 Pneumatische Schienen im Rettungsdienst. [V192]

Abb. 4.58 Rippenserienfraktur. Die normalerweise bei der Einatmung entstehende Hebung und Aufdehnung des Thorax ist bei einer Rippenserienfraktur im betroffe-nen Bereich nicht mehr möglich. Der Unterdruck im Thorax, der bei der Einatmung noch erhöht wird, kann sogar zu einer Einziehung der Thoraxwand an der ver-letzten Stelle führen. [L190]

Abb. 4.59 Brillenhämatom bei Schädelbasisfraktur. [M117]

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• Abbinden einer Extremität nur, wenn der Druckverband nicht zur Blutstillung führt

Amputationsverletzungen

• Blutstillung durch Druckverband und Hochlagerung, kein Abbinden

• Amputat in trockene, sterile bzw. saubere Tücher wickeln und in einen Plastikbeutel legen; diesen Beutel, falls möglich, in ein Eis-Wasser-Gemisch verbringen

Frakturen der Extremitäten

• Auch bei unsicheren Frakturzeichen sollte von einer Fraktur ausgegangen werden.

• Schienung der Extremität für den Transport, Lagerung bewusst-seinsklarer Patienten flach auf dem Rücken, bei gleichzeitigem Schädel-Hirn-Trauma mit angehobenem Oberkörper

• bei Frakturen mit möglicherweise starken Blutverlusten (z.B. Becken, Oberschenkel) Notarzt rufen und Infusion legen

Rippenfrakturen

• Kontrolle der Lungenfunktion • Analgetika (Ibuprofen, Paracetamol), ambulant keine weitere

Therapie

Schädelfraktur

• mögliche Hinweise sind Monokel- oder Brillenhämatom bzw. Blutung aus dem Ohr

• Oberkörperhochlagerung

Wirbelsäulenfraktur

• Lagerung flach auf dem Rücken, jede Bewegung vermeiden

4.14 Elektrolytstörungen/Tetanie

Elektrolytstörungen, die Notfallmaßnahmen erforderlich machen, betreffen hauptsächlich das Serum-Calcium oder das Serum-Kali-um. • Eine Hyper- oder Hypokaliämie kann ohne Messung der

Serumwerte kaum diagnostiziert werden; sie brauchen deshalb im Rahmen der Notfallmedizin nicht besprochen zu werden. Zu bedenken ist höchstens im Rahmen von Herzrhythmusstörun-gen und gleichzeitig bestehender Obstipation, Müdigkeit und muskulärer Schwäche, dass eine Hypokaliämie diesen Sympto-men zugrunde liegen könnte.

• Auch eine Hyperkalzämie lässt sich kaum aus irgendwelchen Symptomen definieren und noch weniger notfallmäßig behan-deln. Man sollte sich bezüglich Ca2+ aber daran erinnern, dass eine Calcium-Injektion bei einem digitalisierten Patienten zu unterbleiben hat.

Notfälle durch Elektrolytstörungen reduzieren sich also auf die Hypokalzämie, wobei es keine Rolle spielt, ob es sich tatsächlich um ein Zuwenig an Calcium handelt oder ob lediglich im Rahmen einer Alkalose das freie (ionisierte) Ca2+ des Serums vermindert ist. Das Ergebnis ist in jedem Fall an der sog. Pfötchen- bzw. Geburts-helferstellung der Hände abzulesen und über die Zeichen nach Trousseau (› Abb. 4.61) und Chvostek (Beklopfen des N. facialis präaurikulär) nachzuprüfen. Beim Beklopfen der Zunge entstehen aufgrund muskulärer Kontraktionen umschriebene Dellen (Zun-genphänomen).

H I N W E I S D E S A U T O R SEs sei daran erinnert, dass die Hypokalzämie für sich genommen für die entstehende Symptomatik nicht verantwortlich ist (› Fach Endokrinologie mit Stoffwechsel). Vielmehr geht eine Hypokalzämie stets mit einer Hypo-magnesiämie einher. Im Gefolge einer Alkalose entsteht die Hypomagne-siämie aus derselben Ursache wie die Hypokalzämie, weil Magnesium als 2-wertiges Ion genau wie Calcium an die zusätzlich entstandenen Negativ-ladungen der Serumproteine bindet. Die freien Magnesiumionen des Inter-stitiums stabilisieren die synaptischen Vesikel an motorischen Endplatten und nervalen Synapsen. Bei einem Mangel an Mg2+ kommt es entspre-chend zur Destabilisierung mit dem Auftreten muskulärer Krämpfe und nervaler Symptome. Ein Mangel an Calcium würde dagegen die Freiset-zung von Acetylcholin an der motorischen Endplatte gerade behindern, mithin also auch muskuläre Kontraktionen. Schließlich lässt sich die ursäch-liche Beteiligung des Magnesiums auch aus seiner intrazellulären Bindung an ATP ableiten: Ein Mangel an Magnesium bedingt einen funktionellen Mangel an ATP und damit eine Behinderung muskulärer Erschlaffung.

Abb. 4.60 Schulterluxation. [L157]

Abb. 4.61 Trousseau-Zeichen. [G146]

914 .15 Todeszeichen

Symptomatik

Im Vordergrund einer hypokalzämischen Tetanie stehen, auch wenn die typische Haltung der Hände nicht gesehen wird, sehr schmerz-hafte tonische Kontraktionen der Muskulatur, von denen beson-ders häufig die Muskeln an Händen und Füßen (Karpopedalspas-men) oder die mimische Muskulatur des Gesichts betroffen sind. Begleitend bestehen Sensibilitätsstörungen, z.B. als Parästhesien oder in der Form verminderten Schmerzempfindens. Sensibilitäts-störungen sieht man auch in Vorstadien einer Tetanie, häufig ver-bunden mit allgemeiner Müdigkeit und Schwäche (→ Magnesium-mangel). Klagt der Patient darüber hinaus über Knochenschmer-zen, auch peripher, so ist an eine fortgeschrittene Osteomalazie mit resultierender Hypokalzämie und Hypomagnesiämie zu denken.

Therapie

Die Therapie der Tetanie besteht, sofern es sich nicht um einen di-gitalisierten Patienten handelt, in der langsamen i.v. Injektion von Calcium.

Handelt es sich um eine respiratorische Alkalose mit vermutlich normalen Gesamtcalciumwerten, die durch eine forcierte Atmung oder gar Hyperventilation eines verängstigten, psychisch erregten oder schmerzgeplagten Patienten zustande gekommen ist, besteht die Erstmaßnahme in einem beruhigenden Zureden und der Auf-forderung, langsam zu atmen. Reicht dies nicht aus, lässt man den Patienten für etliche Atemzüge in eine Plastiktüte atmen (sog. Rü-ckatmung), um über das sich anreichernde und wieder eingeatmete CO2 die Alkalose und Tetanie aufzuheben. Der Notarzt wird evtl. zusätzlich mit Diazepam therapieren. Calciumgaben sind hier selbstverständlich nicht indiziert. Bei Patienten, die zu muskulären Krämpfen neigen, sollte an eine Magnesiumsubstitution oder zu-mindest an eine Kontrolle des Magnesiumspiegels gedacht werden.

Zusammenfassung

Tetanie

Muskelkrämpfe und Parästhesien als Zeichen der Übererregbarkeit von Muskeln und NervenUrsache • Mangel an freiem Calcium und MagnesiumSymptome • Muskelkontraktionen, insbesondere Karpopedalspasmen • Sensibilitätsstörungen (Kribbeln, vermindertes Schmerzempfin-

den)Therapie • Rückatmung bei Hyperventilation • Calcium oder Magnesium i.v. bei echtem Mangel

4.15 Todeszeichen

Ein Patient ohne erkennbare Lebenszeichen (Atmung und Puls) kann tot sein oder auch nicht. Eine Reanimation muss so lange

noch als potenziell möglich und erfolgreich angesehen werden, wie nicht eines der sicheren Todeszeichen nachgewiesen werden kann. Dies bedeutet, dass fehlende Vitalfunktionen und selbst eine Nullli-nie in EKG oder EEG (unsichere Todeszeichen) kein Hindernis für den Versuch einer Reanimation darstellen.

Unsichere Todeszeichen

• fehlende Atmung, Pulslosigkeit, weite und reaktionslose Pupil-len

• Nulllinien in EKG und EEG • Trübung der Kornea

– bei offenem Auge (ca. 1 h) – bei geschlossenem Auge (ca. 24 h)

• spürbare Abkühlung – unbedeckter Körperteile (ca. 1–2 h) – bedeckter Körperteile (ca. 4–5 h)

Sichere Todeszeichen

Als sichere Todeszeichen gelten Totenflecke, Leichenstarre und die Verwesung (› Tab. 4.1). Totenflecke werden dadurch verur-sacht, dass das Blut aus den insuffizient gewordenen Blutgefäßen ins Gewebe austritt, wo es der Schwerkraft entsprechend Hämato-me bildet und lediglich druckbedingt die direkt der Unterlage auf-liegenden Partien ausspart. Zur Leichenstarre kommt es, wenn die ATP-Vorräte der Muskelzellen aufgebraucht sind. In dessen Folge bleiben Aktin und Myosin miteinander verzahnt, wodurch der Muskel erstarrt und nicht mehr gedehnt werden kann. Erst die Zer-setzung der Moleküle im Rahmen der Verwesung löst die Leichen-starre. Dieser Prozess geht in warmer Umgebung wesentlich schnel-ler vonstatten als in kalter, während die Zeit bis zur Leichenstarre von den ATP-Vorräten zum Todeszeitpunkt abhängt, bei zuvor beanspruchten Muskeln also kürzer sein kann.

Tab. 4.1 Sichere Todeszeichen .

Merkmal Dauer bis zum ersten Auftreten

Totenflecke • an abhängigen Partien ca. 30 min • am übrigen Körper ca. 1 h • wegdrückbar (Fingerdruck) bis 10 h • bei Umlagerung wandernd bis 4 h

Totenstarre (Leichenstarre) • am Kiefergelenk ca. 1–3 h • am ganzen Körper ca. 8–10 h • Beginn der spontanen Lösung ca. 2 (1–6) Tage

Leichenzersetzung (Fäulnis) • Fäulnisvenenzeichnung, Verwe-

sungsgeruch1–6 Tage

• vollständige Mumifikation mindestens 1 Jahr

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4.16 Zwischenfälle nach Injektionen

H I N W E I S P R Ü F U N GFür die Heilpraktikerprüfung relevante Zwischenfälle bestehen vor allem aus versehentlichen paravasalen (perivasalen, perivaskulären) und verse-hentlichen intraarteriellen anstatt beabsichtigter intravenöser Injektionen. Nun wird allerdings gerade hierbei angesichts der homöopathischen oder pflanzlichen, in jedem Falle aber rezeptfrei erhältlichen, vergleichsweise schwachen Medikamente des Heilpraktikers in beiden Fällen nicht viel pas-sieren können und keine Gegenmaßnahmen erforderlich machen. Ande-rerseits gab es in Prüfungen lang zurückliegender Jahre einzelne Fragen zu dieser Thematik.

Paravasale Injektionen

Bei paravasalen Injektionen landet das gespritzte Medikament übli-cherweise im interstitiellen Bindegewebe, verteilt sich dort, wird verdünnt und findet im Laufe der Zeit anteilig seinen Weg zurück ins Blut. Es kann also ausschließlich von Bedeutung sein, ob es in konzentrierter Form, also im Augenblick der paravenösen Injekti-on, das interstitielle Gewebe schädigen kann und ob es dem Patien-ten evtl. Schmerzen bereitet.

Schmerzen können auch bei harmlosen Medikamenten allein aufgrund des Gewebedrucks des verabreichten Medikamentes auf-treten, abhängig von der Menge des Infiltrates. Gewebeschädigun-gen sind bei allen, vom Heilpraktiker durchgeführten, sowie bei fast allen durch einen Arzt möglichen Injektionen weitgehend ausge-schlossen.

In aller Regel genügt es vollkommen, bei Hämatombildung durch aus dem verletzten Gefäß austretendes Blut oder Ödembildung durch das gespritzte Medikament die betroffene Extremität ruhig-zustellen und mit einem Salbenverband (z.B. Heparin) zu versor-gen, um innerhalb weniger Tage ein folgenloses Abklingen der Beschwerden zu erreichen.

H I N W E I S P R Ü F U N GFür die Heilpraktikerprüfung ist davon auszugehen, dass die homöopathi-sche Spritze das Gewebe schädigen kann. In einem solchen Fall wird eine „Gegenspritze“ empfohlen, die sterile Kochsalzlösung (5–10 ml), evtl. mit einem lokalanästhesierenden Zusatz enthält, wodurch das verabreich-te Medikament im Gewebe verdünnt und gleichzeitig der Schmerz be-kämpft wird. Zuvor kann man versuchen, durch Aspirieren wenigstens ei-nen Teil des verabfolgten Mittels in die Spritze zurückzuziehen. Die Nadel muss in ihrer paravenösen Position belassen werden, damit nach dem Tausch der ursprünglichen Spritze gegen eine solche mit Kochsalzlösung die Verdünnung möglichst exakt im betroffenen Gewebe stattfindet. An-dernfalls hätte sie ja auch keinen Sinn. Abschließend wird der zumeist betroffene Arm ruhig gestellt und mit einem Salbenverband versorgt.

H I N W E I S D E S A U T O R SDie „Gegenspritze“ wird zwar empfohlen, stellt aber keinen medizini-schen Standard dar, sodass das sofortige Herausziehen der Kanüle und anschließende Versorgung lediglich durch Ruhigstellung und evtl. Salben-verband keinen Kunstfehler darstellt.

Intraarterielle Injektionen

Eine weitere mögliche Komplikation stellt die versehentliche intra-arterielle (anstatt einer venösen) Injektion dar. Das Medikament landet hier also nicht gut verdünnt im peripheren bzw. zunächst Lungenkreislauf, sondern relativ konzentriert in einer distalen Ext-remität. Möglich ist eine solche Injektion vor allem in der Ellenbeu-ge, aber theoretisch auch in der Leiste, wo die A.  femoralis direkt neben der V.  femoralis verläuft, auch wenn hierzu schon sehr viel Ungeschick gehört. In der Ellenbeuge läuft die A. brachialis/cubitalis häufig nur knapp unterhalb der V. basilica, sodass die Punktion der Arterie bei unbemerktem Durchstechen der Vene durchaus möglich ist. Das Medikament wird sich hierbei auf das Gewebe von Unter-arm und Hand verteilen. Einzelne Medikamente, vor allem die längst nicht mehr gebräuchlichen Barbiturate, aber auch Röntgen-kontrastmittel oder manche Narkosemittel und Antibiotika können die arteriellen Blutgefäße selbst schädigen und z.B. arterielle Throm-bosierungen mit Gangrän des Gewebes verursachen, die in einzel-nen Fällen bis zur Amputation des Unterarmes führen können.

H I N W E I S P R Ü F U N GWenn man auch bei der Spritze des Heilpraktikers von einer möglichen Schädigung ausgehen möchte, zeigt sich die versehentliche arterielle Injek-tion an Hautverfärbungen oder Hauteinblutungen, Zyanose der Extremität und Schmerzen. Auch hier sollte die Kanüle im Gefäß belassen werden, wobei allerdings eine „Gegenspritze“ mit Kochsalzlösung weniger Sinn er-gibt, weil das nachströmende arterielle Blut bereits für eine Verdünnung des Mittels gesorgt hat. Für die Beantwortung der Prüfungsfragen sollte man trotzdem eine Kochsalzinjektion in Erwägung ziehen. Ansonsten genügt es, die Kanüle mit einer Spritze zu verschließen, um eine Blutung zu vermei-den, Kanüle und Spritze zu fixieren und den Arm ruhig zu stellen. Gezielte Gegenmaßnahmen bleiben dem Notarzt bzw. der Klinik überlassen.

Weitere Zwischenfälle

Zwischenfälle nach regulär verabfolgten, intravenösen Injektionen sind vorstellbar als Nebenwirkung des Medikaments oder in Form einer allergischen Reaktion bis hin zum anaphylaktischen Schock. Die Erste-Hilfe-Maßnahmen bestehen in der entsprechenden Lage-rung, Sicherung der Vitalfunktionen und Verständigung des Notarz-tes. Da über eine normale Kanüle keine Infusion möglich ist, sollte man sie lediglich vorsichtshalber so lange belassen, mit Heftpflaster fixieren und mit einer Spritze verschließen, bis an anderer Stelle ein belastbarer Zugang gelegt worden ist. Auch das beim anaphylakti-schen Schock evtl. lebensrettende Antihistaminikum (z.B. Fenistil®) könnte direkt in die noch liegende Kanüle verabfolgt werden.

Zusammenfassung

Komplikationen nach Injektionen

Paravasale Injektionen • Medikament/Infusionsflüssigkeit befindet sich im Interstitium. • Aspirieren, um evtl. einen Teil des Medikaments/der Flüssigkeit

wieder zurückzuziehen