26
25 Zweite Ab thoilung. C h e 111 i e. Historkche Skizze der Alchemie j H. Wackenroder. Vorb e m e r k ung. Dem ersten Theile dieser Skicze der Alchemie im B. XV. H. 1. 2. R. dieses Archivs lasse ich nunmehr den aweiten Theil derselben nachfolgen. Ich thue dies urn so lieber, als die erste Halfte dieses historischen Ver- suchs Interesse erweckt hat *) fur eine Erscheinun der Wisseoschaft, welche man nur von einer liic er- lichen Seite aufzufassen seit langer Zeit sich gewiihnt hatte. Die verziigerte Mittheilung aber hat darin ihren Grund, dars diese cweite Abtheilung erst im egenwar- der Reihe der hintervorlesungen, welclie im Schlosse zu Weimar gewiihnlich gehalten werden, bestimmt wurde. Da die Vorlesung in vorliegender Form eines genei ten reichender Grund, aufser I-linzufiigunv einiger Anmer- kungen nichts daran zu verandern. 6ebrigens beziehe ich mich hier auf die Vorbemerkim cii dem ersten von f in tigen Winter elesen werdeii konnte und cur B riiffnung Beifalls sich zu erfreiien hatte, so war dieses ein ff iin- Theile der historischen Slrizze der Alc 7 lemie. Zweite Periode, vom Anfange des aclitzehnten .Jaahrhun- M i t dcm Anfange des achtzehnten Jahrhunderts hatte die alchemistische Weisheit iliren Iliihe unct erreicht. Im Laufe des Jahrhunderts aber sanE sic herab und verschwand allrrilich vor der unwidersteh- lichen Gewalt, welchc die Wahrnchmung ewig gleich bleibender Naturvesetze auf den unbefangenell Geist des Gebildeten wie 8es Ungebildeten ausiibt. Kaum ist es denkbar, dafs jemals eine Periode wiederkehren werde, derts bis auf unsere Zeit. *) S. v. Froriep's neue Notizsn. Nr. 164. November, 1835. pag. 154.

Historische Skizze der Alchemie

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Historische Skizze der Alchemie

25

Zweite Ab thoilung.

C h e 111 i e. Historkche Skizze der Alchemie j

H. Wackenroder.

V o r b e m e r k u n g . Dem ersten Theile dieser Skicze der Alchemie im

B. XV. H. 1. 2. R. dieses Archivs lasse ich nunmehr den aweiten Theil derselben nachfolgen. Ich thue dies urn so lieber, als die erste Halfte dieses historischen Ver- suchs Interesse erweckt hat *) fur eine Erscheinun der Wisseoschaft, welche man nur von einer liic er- lichen Seite aufzufassen seit langer Zeit sich gewiihnt hatte. Die verziigerte Mittheilung aber hat darin ihren Grund, dars diese cweite Abtheilung erst im egenwar-

der Reihe der hintervorlesungen, welclie im Schlosse zu Weimar gewiihnlich gehalten werden, bestimmt wurde. Da die Vorlesung in vorliegender Form eines genei ten

reichender Grund, aufser I-linzufiigunv einiger Anmer- kungen nichts daran zu verandern. 6ebrigens beziehe ich mich hier auf die Vorbemerkim cii dem ersten

von

f in

tigen Winter elesen werdeii konnte und cur B riiffnung

Beifalls sich zu erfreiien hatte, so war dieses ein ff iin-

Theile der historischen Slrizze der Alc 7 lemie.

Zweite Periode, vom Anfange des aclitzehnten .Jaahrhun-

M i t dcm Anfange des achtzehnten Jahrhunderts hatte die alchemistische Weisheit iliren Iliihe unct erreicht. Im Laufe des Jahrhunderts aber sanE sic herab und verschwand allrrilich vor der unwidersteh- lichen Gewalt, welchc die Wahrnchmung ewig gleich bleibender Naturvesetze auf den unbefangenell Geist des Gebildeten wie 8es Ungebildeten ausiibt. Kaum ist es denkbar, dafs jemals eine Periode wiederkehren werde,

derts bis auf unsere Zeit.

*) S. v. Froriep's neue Notizsn. Nr. 164. November, 1835. pag. 154.

Page 2: Historische Skizze der Alchemie

26 Wackenroder :

welche eine so grofse Bedeutung fur die Entwickelung der Naturwissenschaften und somit fur die geistige Fiir- derung des Menschengeschlechtes uberhaupt haben miichte, als das achtzehnte Jahrhundert. Englands Dampf, Erankreichs Zucker , Deutschlands Iiriiftig emporstre- bende Gewerbsthltigkeit *), ja die gance industrielle Ent- wiclrelung unserer nierkwurdigen Zeit gleitet zuriick an Flden, die bis in die unscheinbaren Werlistatte der Physiker und Chemilier jenes Zeitalters hineinreichen**).

In der 1637 erschienenen Bio raphie: , , J o h a n n

Porzellans, aus autkentischen Quellen verfafst von dem Archivar und Kriegsministerialsecretair E n g e 1 h a r d t zu Dresden," spiegelt sich treuer und zuverliifsiger, als in irgend einer andern Schrift, die Alchemie ab. Darum ma etwas Ausfiihrlicheres uber diesen Alche-

jeder Art entstellten Erzshlungen von andern Gold- kunstlern, und uns belehren iiber das Bedeutungsvolle der Alchemie in den Tagen der Vorzeit. B i i t t g c r wurde 1685 zuSchleie geboren, aber in Magdeburg von seinem Stiefvater, dem Stadtmajor Ti e m a n sorgraltig erzogen. Schon im 12. Jahre seines Alters wurde e r zum Apotheker Z o r n in Berlin in die Lehre gegeben. Seine N e i p n g zur Chemie und Alchemie hrachte ihn sehr bald mit angesehenen Alchemisten in Verbindung, namentlich auch mit einem gewissen S t ru v e , welcher nebst seinem Bruder , dem beriihrnten weimarischen

F r i e d r i c h Bi j t taer ' s , des Erfin I ers des sachsischen

niisten voll 5 iommen ersetzen die durch Uebertreibung

*) Welchen W e r t h und welche Bedeutung auch fur das Ausland u n s e r c jetci e Jndustrie habe, das ersieht man am besten aus den Reien, welche bei dein Cornlaw-Mee- ling z u Manchester gehalten worden sind. (S. Allgem. Zeilung Nr. 42. 1839.)

**) Einen Beleg dacu giebt sowohl die in Glasgow, als auch die iin Jahre 1838 zu Greenock errichtete Marmorstatue J a m e s Wat t ' s , Letztere ist von S i r F r a n c i s C h a n - t r y , Englands erstem Bildhauer, verfertigt worden. Ihr hohes Fufsgestell aus sicilischein Marmor trlgt folgende von Lord J e f f r e y verfarste Inschrift: ,,Die. Einwohner von Greenock haben dieses BildnXs J a m e s W a t t ' s errich- tet, nicht uin einen Ruhin zu erhohen, der init deg Wun- dern dcr Danipfkraft idcntisch ist, sondern uin den Stolz und die Achtun , woinit sein Andenken in diesein seinen Geburtsorte he& gehalten wird, und uin ihre innige Dankbarkeit fur i i e grorsen Wohlthaten kund zu geben, die sein Genie der Menschheit erzeigt hat. Geboren den 19. Januar '1736; gestorben zu Heathfield in Staffordshire dcn 25. August 1819.

Page 3: Historische Skizze der Alchemie

liistorische Gkieze der Alchemie. 27

Historiographen S t r u ve , der Alchemie sehr ergeben war. Selbst der geheime Staatsrath v o n H a u g w i t z laborirte niit B i i t t g e r in der Auffindung der rothen Tinctur, und so konnte es nicht fehlen, dafs wunder- same Geruchte von der geheimen Kunst des jungen Alchemisten in Berlin sich verbreiteten und die Eitel- keit desselben bestachen. Die Scheinlrunst eines fahren- den hdepten, Namens L a s c a r i s , fandalsoin Bii t tger’n ein williges Oman, und es ist nicht zu verwundern, dab der junge d a n n sich veranlarst sah, demimmer zuneh- menden Geriicht auch Ehre zu machen undProben sei- nes Goldniachens vor Zeugen abzulegen , unter denen sich namentlich ein Consistorialrath W i n k 1 e r aus Mag- deburg befand. Hatte man gleich darnals den Irrthum, velchem man nicht geradezu einen absichtlichen Betrug unterzuschieben braucht, erkannt, SO waren die nach- folgenden theils ernsten, theils komischen Wi r ren uber B i i t t e r sicher nicht entstanden. Nun aber drang das

F r i e d r i c h ’ s I., welcher, nachdern ihm ein Stuck des B ii t t g e r’schen Goldes iibergeben worden, beschlors, durch inquisitorisches Verfahren untersuchen zu lassen, ob B i i t t g e r Adept oder ein Betriiger sei. Dieser aber, von seinen Giinnern und Freunden gewarnt, entwich heim- lich aus der Z o r n’schen Apotheke und verbarg sich in Berlin. Da der Kiinig durch iiffentlichen Anschlag 1000 Rthlr. Belohnung auf die Wiederbringung B ii t t - 0 er’s setcte, so entfloh der nun schon wichtig ewor- %ene 16jiihrige Alchemist nach Wittenberg un% mel- dete sich daselbst zur Aufnahme als Student. Sobald seine Flucht in Berlin bekannt eworden und allgemei-

mando Soldaten unter dem Lieutenant M e n zel nach Wittenberg mit dem gemessenen Befehle, sich B ii t t ge r’s gerichtlich oder auch gewaltsam zu bemschtigen. Ein nachtr8gliches von dem Kiinige eigenhEndig unterzeich- netes Requisitorialschreiben gab der Sache eine solche Wichtigkeit, dab auf erstattetell Bericht des witten- ber ischen Kreisamtmanns nach Dresden der Statthalter Sac fl sens, Fiirst E g o n v o n F u r s t e n b e r g , sofort in

eheimer Conferenz mit dem Geheimenrathsdirector v o n 6 e r s d o r f , Kanzler v o n F r i e s e n und Feldmarschall v. S t e i n a u beschlolk, unverciiglich iiber den Vorgang an den Kiinig F r i e d r i c h A u g u s t II., damals gerade in Warschau, zu berichten, unter dessen aber dem zu Arrest gebrachten B ii t t g e r eine verstiirkte Bewachung cugeben.

Geriic pi it der eclatanten Transmutation zu den Ohren

nes Aufsehen erregt hatte, schic ffi te derKiinig ein Com-

Page 4: Historische Skizze der Alchemie

28 Wackenroder :

Die ungemessene Wichtigkeit, welche man auf die Sicher- stellung des Arrestanten ge en etwaige Gewalt von Sei-

3esorgnifs vor einem Kriege zwischen den Kiinigen zweier bedeutenden Staaten urn eines Alchemisten wil- len. Diese Besorgnifs hegte besonders der Director v o n G e r s d o r f und zeigte sie dadurch entschieden, dab e r den Berichten des Statthalters Fiirsten E g o n v o n F u r - s t e n b e r g an den Kiinig von Polen in dieser Angelegen- heit fortan seine Unterschrift verweigerte. Es wurden auch wirlclich im Stillen Befehle ertheilt cu einer etwa niithigen schnellen Verstarkung der Garnison Witten- bergs, wobei man zudeich einen besorglichen Aufstand

ihres Commilitonen im der Studenten zur b Auge hatte. Der Kiinig von redsen sol1 wirklich die Absicht gehabt haben, einige Regimenter Cavallerie und Infanterie nach der Festung Wittenberg zu beordern, um B ii t tg e r’n mit Gewalt zu befreien und nach Berlin zu fuhren. Indessen blieb es gliicklicher Weise bei blorsen Verhandlun en. Der Kiinig sendete eigenhan- dig unterceichnete ~equisitorialschreiben an den Wit- tenberger Commandantsn, so wie auch an den Statthal- t e r Sachsens und liefs durch seinen Minister in War- schau die Sache dem Kiinig A u g u s t 11. selbst vortragen. lnzwischen wurde in Wittenberg die Aufregung immer griXser, und nicht minder frtnd sich der Kiinig Aug u s t in Warscbau so sehr dariiber beunruhigt, d a b e r einen besondern Courier nach Dresden mit Befehlen abfer- tigte, B ii t t g e r’n ganz irn Geheimen aus der Grenzfestung nach Dresden zu schaffen und ihn auf das Sorgfd t ip te beobachten zu lassen. Den mit dem Transporte Bi i t t - g e r’s beauftragten Officieren ward, weil man immcr eine Ueberrumpelung von den Preursen befiirchtete, bei Verlust der Ehre und des Lebens die sicherste und allergeheimste Ueberlieferung des Alchemisten nach der Hauptstadt zur Pflicht gemacht. Nachdem der Fiirst v. F i i r s t e n b e r mit dem Adepten Frobeo des Gold- machens angestel f t hatte, eilte er, der Statthalter des Kurfiirstenthums, selber bum Kiinige nach Warachau, urn mit Sr. Majestat die Proben cu wiederholen. Da der am 2. Dec. 1701 eriiffnete polnische Reichstag den Kiinig verhinderte, die Probe sogleich anzustellen, so schrieb derselbeeigenhhdigauf F u r s tenberw’s Rath an Bii t t g e r und versicherte ihtn seine hohe protection. (Siehe Bii t t er’s Bio raphie pag. 98.) Erst in der Nacht des zweiten beihnacgtsfeiertages unternahmen der Kii-

ten Preuhens legte, ist nic P i t weniger frappant, als die

efreiun%

Page 5: Historische Skizze der Alchemie

Historische Skizze der Alchemia. 29

nigund Fiirs t e n b e r g ganz allein in einem abgesonderten Zimmer des Schlosses die Transmutation, welche aber nur eine Schlaclce lieferte. Hieriiber gerieth Fii rs t e n - b e r g , weil e r das Gelingen des Versuches als viillig sicher angeEeben hatte, in die riifsteBestiirzun , wah- rend der Konig gelassen und geichmtithicf 7 das bifslin- gen der Arbeit dem nicht hinliinglich staryien Gliihfeuer euschrieb. In einem Briefe an B ii t t g e r beklacft sich Fii r s t e n b e r iiber den ungliicklichen Erfolg, scsildert seine grofse terlegenheit, da der Kiinig selbst iiber zwei Stunden beim Feuer gesessen habe, und betheuert, dafs BB an der niitliigen Eriimnii keit weder beim KG-

wurde die Kunst B ii t t g e r's nicht bezweifelt, son%ern der Fiirst E g o n nahm vielmehr nach seiner Riicblrehr nach Dresden B ii t t g er'n, dessen Entfiihrung man immer noch befiirchlete, zu sich in sein eigenes Haus. B ii t t e r aber

eine strenge Gefangenschaft war, in eine bis zum Wahn- sinn gesteigerte Aufregung, so dafs ihn der Statthalter im Geheinien und unter besondern Instructionen an den Festungscommandanten auf den Kiinigsstein schaffen liefs. Die damals in Dresden herrschende Vorliebe fur die Alchemie und die Achtung, welche auch der beriihmte Baron v o n T s c h i r n h a u fs vor derselben hegte, ander- ten jedoch nach liurzer Zeit das Schiclrsal Biittger's. Der Fiirst v. F i i r s t e n b e r g versetzte ihn wieder nach Dresden, trat zu ihrn i n die nachste persiinliche Bezie- hung und liefs ihn zwar auf das Strengste beobachten, verschaffte ihm aber alle erdenklichen Bequemlichkei- ten und eine an enehme Unterhaltung, damit B ii t t g e r's gute Laune un 9 Lust zum Ausarbeiten der Tinctur erhalten werden miichte. Auch der Kiinig befahl, dafs Niemand ,,von widrigem Naturell" B ii t t g er'n aufgedrun-

Der durch alle Umstande wichtig, 5urch Gefangenschaft mifsmuthig, durch Wohlthaten ubermuthig gewordene junge Mann von 18 Jahren wurde hiichst anmafsend nicht allein gegen Fii rs t e n b e r g , son- dern auch gegen den Kiinig selbst, mit welchem ein directer Briefwechsel bestand, was bei der Abneigung des Kiinigs vor dem Schreiben urn so bedeutungsvoller war. Unter Anderem erbat Bi i t t e r vom Kiinige ein Regiment CavalleriezurDisposition f ' i i r s tenb erg's, ihn

egen gewaltsame Entfiihrung, cu schiitzen. Kiinig i u g us t versicherte hierauf B o t t ge r'n , dafs e r ihn zu schiitzen wissen werde, und alle Verantwortlichkeit

nige noch bei ihm selber gefehlt f iabe. Dessenuneeachtet

gerieth iiber seinen Gewahrsam, welcher in 5 er That

en werden solle.

Page 6: Historische Skizze der Alchemie

30 Wackenroder :

,,wegen seiner Echappirung von Berlin" auf sich nehme. Uehrigcns versprach der Kiinig, nie den Statthalter Sachsens ohne die Zustimmung B ii t t ge r's nach Polen zu rufen, und gab dem Eiirsten h g o n auf, sich niemals uber Nacht aus Dresden zu entfernen.

Aus mehreren Handschreiben des Kiinigs an B ij t t - g e r ersieht man, dafs, je mehr die polnischen Angele-

enheiten einen schlimmen Ausgang befiirchten lielben, $as Vertrauen des Kiinigs auf B ii t t g e r und dessen Kunst zunahm. Hieraus erklart sich auch die mehr als gna-

worin die Briefe (s. Biographie p. 134) sind *), und die unerhiirte Fiigsamlreit des

nicht allein die von B ii t t g e r aufgestellten Be- en, unter welchen dieser die rothe Tinctur und

griil'sten Reichthiimer anzufertigen versprach, (S. 139) zu unterschreiben, sondern auch tausend Du- katen, so wenig sie auch damals entbehrlich sein moch- ten, B ii t t g e r'n zur Anstellung seines rofsen Werkes zu iibehenden. Zugleich machte jedoch f e r Kiinig die Frei- lassung B ii t t g er's allein abhlngig von der Erfullung der groben Verheifsangen. B(i t t g e r suchte und fand indes- sen Gelegenheit, a m seiner streng gehaltenen Gefangen- schaft zu entfliehen, wurde aber zu Ens unweit W i e n eingeholt und wieder zu Dresden in ganz geheimer und wo miiglich noch sorgfdtigerer Haft wehalten. Nichts destoweniger schenkte der Kiinig un8 der Statthalter Sachsens der Kunst Bii t t g er's fortwghrend ihr Ver- trauen. Ja, der Fiirst von Fiirstenberg bat sogar B ii t t - g e r in einem Briefe aus Ojarsdow instandigst, dem Kii- nige zu helfen in seinen Bedrlngnissen we en Kiinig Carl XII. von Schweden (S. 170). Die Unfalle desKii- nigs von Polen trugen ohne Zweifel wesentlich mit dazu bei, das Vertrauen des Kiinigs und des Fiirsten v. F i i r s t e n b e r g zu Bi i t tger 'n in einerunsfastuner- klsrlichen Weise zu steigern (S. 172). Dafs diezuver- sichtliche Hoffnung auf die ergiebige Goldquelle nicht ohne groben Einflufs auf die politisehen Ereignisse der damaligen Zeit geblieben sei, ist mehr als wahrscheim lich nach den actenmiifsigen Aiifschliissen, welche der Biograph B ij t t g e r's vielfaltic giebt. Nachdem B ii t t w e r von 1701 bis 1704 dem Konige gegen 40,000 Rthr.

*) W e r wiirde es ohne die actenm'a'rsigo Nachweisung glaub- l ich finden, dars der Koni initten in den wichtigsten Staatsaffairen auch seines 8oldkiinstlers in Dresden ge- dachte und deinselben in eigenhiindigen Bchreiben zuln Jahreswechsel Gliick wunschte?

b .F

Page 7: Historische Skizze der Alchemie

Historische Skizze der Alchemie. 31

ekostet hatte, wurde ein fiirmlicher Contract zwischen f em Kiinig und B ii t t g e r abgeschlossen, dessen unver- briichliche Haltung der Kiinig mit einem schriftlichen Eide gelobte (S.-183). Dieser Eid wird weniger auf- Qllig, wenn man erfahrt, dars in dieser alchemistischen Angelegenheit gegen 150 Eide von den betheiligten Per- sonen geschworen worden sind. Alu inzwischen nach der ungliiclrlichen Schlacht von Punit% eine Invasion der Schweden in Sachsen befiirchtet wurde, murste B b' t t - g e r auf die Bergveste Kb'nigstein in Sicherheit gebracht werden, wo aber sein Name eben so wenif genannt werden durfte, als in seiner veheimcn Haft inDresden. Nachdem die Ruhe wieder kergestellt worden, mufste B ii t t g e r 1707 nach Dresden auriickkehren. Er erhielt auf der Jungfrau-Bastei seine Wohnung und ein Labo- ratorium, sollte aber nunmehr sein ge ebenes W o r t erfullen und die versprochenen goldenen E chatze liefern. Den Kiinig verliefs encllich die Langmuth. Er drohte B ii t t g e r'n in einer dem bisherigen traulichen Verhalt- nisse entsprechenden, aber doch sehr ernsten Weise. Hierdurch gerieth der unter dem Einflussg seines Zeit- alters und durch die Umstande zum Betriiger gewor- dene Alchemist in grol'se Bestiirzung. Gerettet wurde er nur durch die Erfindung des Porcellans.

Der Baron v o n T s c h i r n h a u r s , de rwach te rund Vertraute B ii t t g c r's , rieth niimlich dem Geangstigten, wenigstens einstweilen bis er mr Ausarbeitung der ro- then Tinctur die gehiiri e Fassung wieder erlangt habe, der Erfindung des Porce f lans die gehiirige Aufmerksam- keit zu widmen, einer Erfindung, auf welche Her r v o n T s c h i r n h a u Is schon viele Jahre hindurch ohne onii- genden Erfolg seine Bemiihunaen g.erichtet hatte. %e- nigstensistsovielgewib, dds $ s c h i r n h a u l ' s B i i t t g e r aufmunterte, die damals sehr geschatate hollandische Fayence - oder die Delftergefafse - nachzumachen. Demnach kam B ii t t g e r nicht ganz zufallig und in Folge alchemistischer Versuche, wie man gewiihnlich glaubt, zu seiner weltberiihmten Erfindung, welche ihrn alle Ehre macht und Zeugnifs ablegt von seinen iibrigen tiichtigen chemischen Kenntnissen. Die Wichtigkeit dieser Erfindung nahm der Kiinig A u g u s t fiogleich wahr und enehmigte schon im Januar 1708 einen bedeuten- den B tat zur Fabrication des Porcellans, welche auch von B i i t t g e r mit vielem Ernstc betrieben wurde. Im Besitze dieser Erfindung hielt es B ii t t g e r endlich nicht fiir zu gewagt, in einem demiithigen, halb poetischen,

Page 8: Historische Skizze der Alchemie

32 Wackenroder :

halb prosaischen Schreiben (S. 296) an den Kiinig als sein eigener Anklliger aufzutreten und sein glinzlicbes Unvermiigen des Goldmachens, einzu estehen. Der Kii-

d e n d u n g der Dinge in Yolen, theils die Fiirsprache des Fiirsten v o n F ii r s t e n b e r g, theils und vorziiglich der unglaubliche Eifer des Kiinigs in der weiteren Verfol- gung der sorgfaltig geheirn gehaltenen Porcellanfabri- cation den gerechten Zorn des Kiinigs ablenlrten und allmiilich das langjahrig gehegte Vertrauen zu B ii t t g er’s geheimer Kunst schwachten. Nach 14 iahriger Gefan-

enschaft erhielt Bii t t g e r endlich gegen Leistung eines Eides, das Land nicht zu verlassen und die Arcana der Porcellanfabrication an Niemaadem cu , verrathen, seine Freiheit wieder und blieb b k zu seinem Tode im Jahre 1719 Director der inzwisclien nach Meirsen ver- legten Porcellanfabrik. Man eollte meinen, dark nach dem Erzahlten die Anforderungen an B 6 t t ger’s alche- mistische Weisheit gttnzlich aufgehiirt hatten. Gleich- wohl vermochte es der Kammerrath N e h m i tz , welcher von 1701 an fast besthdig mit der Beobaclitung oder eigentlich Bewachung B ii t t g er’s beauftragt gewesen, ihn noch anf seinern Kranlrenlaaer einioe Wochen vor sei- nem Tode mit der UngnaJe &s giinigs zu angstigen, wenn er nicht sein Geheirnnib des Goldmachens offen- bare (pag. 454.).

Wie wenig iiberhanpt der Glaube an die Golderzeu- sung bei Kiinig A u g u s t 11. und dessen nachste Umge- gung erscliiittert worden durcli die gemachte Erfahrung, ersieht man damn, dafs im Jahre 1713 der Baron H e c - t o r v o n K 1 e t t e n b e r aus Frankfurt a. M., welcher vom

Bericht einer Commission, da e r Vera rochen hatte, aus dem Ilmenauer Kupferschiefer mehr Eilber, als Kupfer abzuscheiden, als Betriiaer fortgeschickt worden, in Dresden aufs Neue mit %em Kiiniglichen Zutrauen i n seine angebliche Kunst beehrt und aurn Karnmerherrn und Amtshauptmann ernannt wurde. Nachdem Herr v. K 1 e t t e P b e r g jahrlich groke Summen als Gehalt und zum Zweck alchemistischer Versuche erhalten und ver- hraucht hatte, wurde er 1720, also ein Jahr nach Bi i t t - g e r’s Tode, auf dem Hohenstein enthauptet.

Sehr grofses Aufsehen machte in derselben Zeit der schlaue Italiener C a B t a n o , welcher sich Graf von Ruggiero nannte, am Hofe Kurfiirst M a x i m i 1 i a n E m a- n u e l’s von Bayern zu Briissel und Kaiser L e o p o 1 d’s I.

n i m verzieh ihm wirklich, indem t f eils die gliiclrliche

Herzoge W i l h e l m B r n s t v o n W e i m a r auf den

Page 9: Historische Skizze der Alchemie

Historischo Skizze der Alchernie. 53

zu Wien. Hier entging er eben noch der Bestrafnng seiner Betriigereien, fand sie aber 1709 zu Kiistrin, wo er in einem mit Flittergold belrlebten Kleide an einem mit Flittergold iiberzogenen Galgen aufgehEngt wurde. Er hatte zwar, weil er in Berlin mit einer A r t von Hof- staat erschien, lreine Unterstutzung an Geld von Kiiaig F r i e d r i ch 1. von Preufsen erhalten, mar aber von dem- selben zum Generalmajor der Artillerie ernannt, mit dem in Brillanten gefafsten Portrait des Kiinigs beschenkt, und Uberhaupt mit dern gnldigsten Zutrauen beehrt worden. Kiinig F r i e d r i ch mochte wohl anfangs in C a e t a n o einen Ersatz fiir B ii t t g e r gesehen haben, und spater um 8 0 tiefer das Unangenehme des ges ielten Betrugs empfin- den. Aufs Stren ste verbot der R ijnig, in seiner Gegen- Tvart irgendwie % ieses Goldkiinstlers zu erwahnen.

vermandlung angesehen worden sin f uncl noch wohl' an-

Ein Paar andere Transmutationsgeschichten aus dcm zweiten Decenniurn des 18. Jalirhunderts merden mit solcher Zuversicht und mit Hinzufiignng solcher Um- stlnde eraiihlt, dafs sie von den Freunden derAlchemie als vorziigliche Beweise fur die Mii lichlreit der MetalG

gaehen werden. Der eifrige Alchemist, Baron v o n t, r e u z zu Honiburg v. Hiihe erhielt von einem frem- den Ungenannten einen %,such. Bei seiner Abreise hin- terliefs der Fremde etwas von seiner rothen Tinctur nebst Anweisung ihres Gebrauches und als Probe eine eur Halfte in Gold verwandelte silberne Sclinalle. Der Hr. Baron vollzog nun in Gegeawart seiner Freunde, so wie auch des Landgrafen E r n s t L u d w i g von Hes- sen - Darmstadt, eines grorscn und thxtigen Verehrers der Alchernie, die Transmutation. Hierauf erhielt der Hr. Landgraf von unbekannter Hand durch die Post eine kleine Menage der rothen und weifsen Tinctur iiebet Gebrauchsanweisung. Zugleicli wurde ihm seine hiichst lrostbaren Versuche zur Bereitung e r Tinc- tu r aufzugeben. Es gehiirt wenig Scharfsinn dam, urn einzusehen, dafs das Letztere das Motiv des wahlge- meinten, neckischen Betruges war. Man sorgtc auch dafiir, dafs die Tincturen ihre Dienste thaten, als der Hr. Landgraf die Verwandlung von Blei in Gold und Silber vornahm. bus dieeen kiinstlichen Metallen liefe der Landgraf 171'7 einive Elundert Dillcaten und S ecies-

r r a then ,

thaler pr# en, welche 8ann als unverbriichlicher i eweis der Metal 7 verwandlung galten.

liche Gewifs f eit das merkwiirdige Protokoll, welches ewahrte den G1;ubigen eine unumstiifs-

3 Arch. d. Pharin. 11. Reihe. XIX.Bds. 1. Hft.

Page 10: Historische Skizze der Alchemie

34 Wacken:oder :

den 19. Juli 1716 zu W i e n iiber eine Metallverwand- lung in Gegenwart des biihmischen Vicekanzlers Grafen v o n W i i r b e n und F r e n d e n t h a l , dee preufsischen Geheimen Etatwaths E r n s t, des Brandenburg-Culmbach- und Anspachschen Gesandten W o If , der Grafen und Freiherren Gebriider v. M e t t e r n i ch und des Schwarz- burgschen Hofraths P a n t z e r nebst dessen Sohn aufge- nommen worden war. Ma verwandelte Kupferpfen- nige in Silber auf eine Art, welche die Selbsttauschung eur Schau tragt. So vollkommen formell richti das Protokoll sein mag, so vollstlndig entbehrt die kkat- sache selbst jede innwe Glaubwiirdigkeit.

Nicht weniger seltbam ist die Geschichte der Reichs- r#fin A n n a S o p h i e von Erbach zu Frankenstein im

$denivalde. Diese einsam lebende Dame nahm einen unbelcannten, anfangs fur einen Wilddieb gehaltenen Reisenden auf, welcher dann zur Dankbarlieit fur den kurzen Aufenthalt von einigen Tagen in- der Wolinung der Griifin das siimmtliche Silbergeschirr derselben in Gold verwanclelte. Als der Graf E r b a c h , welcher, ge- trennt von seiner Gemahlin, in auswartigen Diensten stand, den groken Reichthum der Grafin erfuhr, machte er Anspriictie auf eine Theilung desselben. Indessen erhielt der Graf von der Juitstenfacultlt in Leipzig 1725 den gutaclitlichen Bescheid, dafs, da der Grafin das Siberzeug ei enthumlich gehiirt habe, es allerdings

delt worden sei. Hieran zeigt sich, wic wenig man noch vor hundert Jahren daran zweifelte, dars alche- mistisches Gold der Gegenstand eines Rechtsstreites sein kiinne, wlhrend die Juristen unserer Tage nu r zuwei- len noch iiber den Betrug des Goldmachens ein Urtheil cu fallen haben"). Den ihrer officiellen Form wegen

*) SO wurde, wie inir aus sichererQuelle bekannt geworden, im gegenwartigen Jahre (1838) ein Schenkwirth im Reu- rsischen zu verdienter Strafe gezogen, weil e r unter an- dern Betrugcreien sich auch das Goldmachen hatte zu Schulden kominen lassen. Auch an den beriichtigten Tho in, genannt Sir W i l l i a m C o u r t e n a y zu Boughton i n Can- terbury, welcher bei einein von ihln veranstalteten Auf- laufe erschossen wurde, darf hier erinnert werden. Er versicherte, den Stein der Weisen zu besitzen und iiber 2000 Jahre al t zu sein. Nach einer geistlichen Vorlesung schofs er einst,' nach der Versicherung seiner zahlreichen Zuharer, den Polarstern mit einer Pistole heruriter. Seine Leiche wurde von 20,000 Personen - in England, dem Lande der Cultur - ! besucht. Der Enthusiasmue fur die-

i h r Eigenthum b f eibe, wenn es gleich in Gold verwan-

Page 11: Historische Skizze der Alchemie

Historische Slrizze der Alchemie. 35

scheinbar sichern Berichten und Actenstuclren iiber die Erfolge der Alchemie aus dieser Zeit ist durchaus nicht zu trauen. Dies erhellet auch aus der Geschichte des

olnischen Generallieutenants I? a yk u 11, welcher in dem kriege C a r l s XII. ge en Polen I705 mefangen genom- men und von einem ariegsgerichte afs geborner Lief- lander des Hochverrathes schuldig erlrlart wurde. Er suchte seine Rettung in dem Glauben an die Alchemie, was ihm auch SO weit gliickte, dafs ihm der Kiinicl. eine Probe seiner Kunst vor einer Commission mehrer tolien Staatsbeamten in Stockholm abculeven gestattete. Die Probe gelang vollkommen, und die e'ommission berich- tete, dafs P a y l t a l l eine Guantit8t Gold, 147 Dulraten an Werth, aus Blei gemacht habe. Eine Denkmunze von 2 Dukaten an Wer th , aus diesem Golde gepragt, sollte das Gelingen der Arbeit recht versinnlichen. Den- noch m u b C a r l XII. seinen Vortheil nicht erkannt haben, da er die versprochenen jlhrlichen Lieferungen von 1 Mill. Thaler Gold verschmahete und bald nach der vorgeblichen Transmutation, den 4. Febr. 1707, den Gefangenen enthaupten liers.

Einen Bericht von ghnlicher Gattung stattete der Bischof von Senes 1709 an den Finanzminister D e s m a - r e ts uber einen provenzalischen Alchemisten, Namens D e l i s 1 e , ah, welchen er auf einer Episcopalreise lren- nen gelernt hatte. D e l i s l e hatte ein lhnliches Schick- Sal, wie B i i t t g e r , nur ein schlimmeres Ende, weil er kein Porcellan erfand. Nachdem er auf den anpreisen- den Bericht des Bischofs erst nach Versailles vergebens @ingeladen worden, murde er 1712 von Militair aufge- hoben und in der Bastille eingesperrt. Als man von ihm die Ausarbeitung der Tinctur verlangte, gestand e r zuietzt, im Widerspruche mit seiner friihern Angabe, ein, dars er das Geheimnifs gar nicht besitze. Da die- ges sicherlich wahre GestandniD nur als Widersetzlich- keit galt und seine Gefangenschaft nur verschlimmerte, SO endete der Gefangene seinen qualvollen Zustand durch Selbstmord. Dieser ungliickliclie Ausgang that aber in Paris dem Glauben an die Alchemie eben PO wenig Ein- trag, als anderwlrts iihnliche tra@sche Vorfiille die 1ange gehegte Ueberzeugung von der giittlichen Kunst zu erschuttern vermochten. Der I-Ierzog v. R i c h e l i e u

sen Heiland und Apostel der Annen, der in einem gewis- sen F i t e o s b e r t im Jahre 1195 zu London seinen Vor- g'iinger hatte, sprach sich noch ger';iuschvoll iiber dein Grabe desselben aus. (Allgenieine Zeilung oorn 44. Juai 1838.)

3"

Page 12: Historische Skizze der Alchemie

36 Wackenroder :

versicherte einst den AhbC d u F r e s n o y , dare er zur Zeit, als er Gesandter in Wien war, mit einem Fran- Losen A 1 u ys mehre Male Gold und Silher selbst gemacht habe, wobei jede denkbare Vorsicht gegen Tauschung angewendet worden sei. Der Alchemist A l u y s , ein Landsmann und Bekannter des erwiihnten D e l i s l e , machte 1726 - 1728 in W i e n und h a g grofses Aufsehen in den hikhsten Kreisen, und kehrte dann nach der Provence zuriick. Er wurde aber nun des Falschmiin- cens verdachtig und gefangen gesetet, entfloh jedock aus seiner Haft.

Nach dem ersten Viertel dee 18. Jahrhunderts ver- lor jedoch endlich die Alchemie allmalich ihr Ansehen, ihren W e r t h und ihre Wichtigkeit. Zwar beliielt man zuniichst noch ciemlich allgemein den Glauben an die Moglichkeit der Metallverwandlung imc Sinne der Al- chemisten bei, welchen wir nun 100 Jahre spl ter auf das Entschiedenste abzuweisen hinreichenden Grund ha- ben. Dahei hegniigte man sich mit blofsen auf Theoso- phie und andere mystische Lehren egriindeten Syecu-

lingen der alchemistischen Versuche mit der Hoffnung, cs sei die geheime Kunst nicht untergegangen, sondern sie entziehe sich nur den Verfolgunoen der Wel t , erbe sich fort im Stillen von Adept EU A%ept, und so werde einst unter gunsti en lureern Verhiiltnissen ihr Licht

Irrlicht gewesen, - oder sie konne auch gele entlich

findung doch niemals .constatirt worden war. Also ent- zogen sich die fahrenden Alchemisten immer mehr den hiichsten, hiiheren und uberhaupt gebildeten Kreisen, ja selbst der Publicitat; denn wo sie auftauchten, kamen und verschwanden sie gewiihnlich namenlos. Man ge- wiihnte sich allmalich, die meist nur noch in niederyn Spharen sich bewegenden umherstreifenden Alchemisten eo ips0 fur Betriiger anzusehen, wofur sie egenwgrtig ohne alles Bedenken gehalten und demgeinl F s vom Arme der Gerechtiokeit erreicht werden, wenn sie sich noch jetzt hin un% wieder ceioen. Die Wunderverrichtun- gyn solcher namenlosen Azepten als Thatsachen der Rich- tigkeit der Alchemie bis xum Ausgange des Jahrhun- derts nachzuereahlen, konnte man allardings mit dem tief 6ewurEelten Glauben der eben verschwundesen Ge- iieratioii entschuldi en. Wenn aber Professor S ch m ie - d e r i m Jahr 1632 sasselbe thut und damit das Resultat

lationen, oder triistete sich bei dem f ortdauernden Mih-

wieder hervorbrec % en - obwohl sie immer nur ein

einmal wieder erfunden werden - ungeachtet i i re Er-

Page 13: Historische Skizze der Alchemie

Historische Sbizee der Alchnmie. 37 seiner historischen Forschun en iiber die Alchernie am- 8 richt: so entzieht er der ii ritik allen Grund und Bo- %en. Gleichwohl ist seine Meinung nicht ohne alien

meblieben, aber doch wohl nur bei denen, wel- che nic t edenken, dafs erst die auf laubmiirdige Zeug- nisse gestutzte Geschichte die W i r k ichkeit von Ereig- nissen beweist, aber auch dann noch nicht immer die Wahrheit des Ge enstandes derselben bestatigt ; denn eonst miifsten ja %e wirklich vorgekommenen Hexen- processe die schwarze Kunst unzweifelhaft darthun.

In den zweideutigen Wundergeschichten der Alche- misten aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts gehiirt die einee gewirsen S e h f e 1 d, welcher in der Nahe von Wien sein Wesen trieb. Nach Ruchtbmwerden seines Treibens wurde e r auf Befehl der Kaiserin M a r i a The r e s i a gefanglich eingezogen, damit er sich von dem Verdachte seiner Betriigerei durch Angabe seiner vermeiotlichen Kunst reinige. Der Glaube an letztere war in Wien noch stark und hatte auch insbesondere bei dern Kaiser F r a n c Ein an gefunden, wefshalb man schliefsen darf, dafs S e h P i e l vorziiglich auf Verwen- dung des Kaisers spIter seiner Haft aus der Festung Temeswar entlassen wurde und zwei zuverlassige Offi- ciere zur steten Begleitung erhielt. Nach einiger Zeit verschwanden aber alle drei zur groDen Verwunderung derWiener and zur Satisfaction der Anhznoer der Al- chemie. Ein Paar Jahre epiiter (1750) gescgah in der Waisenhausapotheke eu Halle von einem Unbekannten, den man nachgehende f ir den entwichenen S e h f e l d halten wollte, eine Transmutation, velche dep Rriegs- nnd Doiaainenrath und sehr geschiitzte Berg- nnd Sali- nendirector v o n L e y s 8 e r , in seiner Zeit beriihmter Naturforscher zu Halle, 1774 in1 Style der Ueberzeu- gFng .erzahlt. Den F r a n k e'schen Stiftungen konnte ewe solche Ereahlung , hauptsiichlich wenn sie von Leysser 's Autoritiit unterstiitzt wurde, in so fern Nutzen ewiihren, a+ der wohlthiitige Grander derselben darauf pi edacht nehmen mul'ste, seinen ehemals weltbe- riihmten und auch jetzt noch selbst in andern Weltthei- len gesuchten Geheimmitteln einen der damaligen Zeit entsprechenden mptischen Nimbus zu verschaffen. Ei- ner Sage nach gebrauchte man noch bis in unser Jahr- hundert hinein einen Klumpen Goldes von zweifelhaf- tern Ursprunge zur Anfertigung der so enannten Halle- achen Goldtropfen, so dars sich liierin f ie Legande voni Trinkgolde bis fast auf unsere Tage erhalten hat.

5 dnk'a?!i B

Page 14: Historische Skizze der Alchemie

38 Wackenroder :

Sonderbar, ja lromisch ist, daCs die Prahlerei mancher friiheren Alchemisten, illre Goldverwandlungskunst sei 80 leicht, wie Kinderspiel und eine .wahre Frauenarbeit - ein opus mulierum - zuletzt buchstablich in Erfiil- lun ging. Uenn den Reigen der wandernden Adepten schfierst cierlich das schiine Geschlecht. Im Jahre 1'752 verltaufte eine Frau ausRe ensburg an die Freunde der Alchemie in W i e n eine d n c t u r eu gegenseitiger ZU- friedenheit, aber wohl zum griirseren eignen Vortheil ; denn die Goldlriinstlerin soil 20,000 Gulden bei ihrem Handel profitirt haben. Uni dieselbe Zeit kam eine Frau vo n P f u e 1 nebst zwei Tiichtern aus Sachsen mach Pots- dam, um F r i e d.r i ch 11. ihre goldltiinstlerischen Dienst- leistungen angutragen. Die den Damen nacli und nach iiherwiesenen 10,000 Rthlr. miissen indessen dem grofsen Kiinig wenig eingetragen haben, da e r sich spater gern in Spott iiber die gebeime Kunst uberhaupt ausliefs.

Nach dell glWnzenden Vorgiingen in friiherer Zeit und seit Jahrhunderten ltann es nicht befremden, dafs noch urn die Mitt9 dee achtzehnten Jahrhunderts die erleuclitetsten Manner den Glauben an die Goldverwand- lung hegten, wenn sie gleicli die Ausiibung derselben

ewiihnlich den Leuten vom Each und den Streit uber 8ie Wahrheit der Alchemie den sogenannten Gelehrten iiberliefsen. Gleicb F ri e d r i ch dem GroCsen bahen wohl die meisten gleichzeitigen Fiirsten, und so auch der Her- cog E r n s t A u g u s t von Weimar cliesen Glauben ge- hegt. Dieser erlauchte Ahn unsers Durchlauchtigsten Grol'sherzogs wurde, wie aus der 1749 in Erfurt gedruck- ten, wahrscheinlich von dem siichsischen Historiogra- phen J u n ck e r verfabten Biogra hie desselben hervor-

Eingezogen, dars dieser Furst nicht nur in einer nahen Beziehung stand zu Kiinig A u g u s t 11. von Polen, son- dern auch als commandirender General der kaiserlichen Cavallerie zu, Kaiser C a r l VI. Aus jener Bbgrapliie ergiebt sich jedoch nicht uiiniittelbar die Vorliebe des H e r z o p E r n 8 t A u g us t zur Alchemie, sondern es heifst nur darin S. 171 : ))dafs der Hercoo vie1 Zeit auf Le- sung mancker, insonderlieit mystiscter Bucher verwen- det und auch im Jahre 1742 ein Buch, betitelt: ))Christ- liche Herzensandachten(~ i n Druclr gegeben babe. Z u diesem Buche hiitten die Schriften Anderer, besonders des T h e o p h r a s t u s P a r a c e l s u s den Stoff darglebo- ten. Aus mundlicben Ueberlieferungen und am alten Raueinrichtungen in den Schliissern Hersog E r n s t Au-

eht, auch durch den begondern BT mstand cur Alchemie

Page 15: Historische Skizze der Alchemie

Historische Skizze der Alchemie. 39

gu s t’s elit jedoch hervor, dars dieser Fiirst, dem Geiste stines geitalters gemafs, sich auch practisch mit der 4chemie beschafti t habe. In einem auf der grofsher-

unter dem Titel : )JFortgesetzte Sammlung von alten und neuen theologischen Sachen u. 8. w. 1746~ S. 1027 wird der Titel der Schrift Herzo E r n s t A u g u s t’s folgen- derrnafsen angegeben : ~ Z U $em hijchsten alleinigen Je- hovah gerichtete, theosophische Herzensandachten, oder Furstliche selbst abgefarste Gedanken, wie wir durch Gottes Goade uns von dem Fluch des Irdinchen befreien und im Gebete zum wahren Lichte und hiinmlisclier Rahe in Gott eingehen sollen; nebst einigen aus dem Buche der Natur und Schrift hergeleiteten philoso hi- sahen Betrachtungen von den dreien Naushaltungen l o t - tes im Feuer, Liclit und Geist cur Wiederbringung der Creatur.(( Ebendaselbst wird S. 1011 erwiihnt : Himm- lisches Vademecum vor alle cliristliche Regenten, auch hohe, mittlere und gemeine Standespersonen znm tag- 1iche-1, nutzlichen Gebrauch und erster Verbindung mCt Gott; herausgegeben auf S ecialbefehl des Hrn. Hercog E r n s t A u g u s t von dem Ifof- und Feldcapellan Gran t . Schon aus den Titeln dieser Bucher ergiebt eich eine innime Friimmigkeit, welche ihre Thatkraft zei t theils

estifteten Ordens der Wachsamkeit, theils in mehren becreten des erhabenen Hereogs, unter denen das S. 156 in der erwahnten Biographie ausfuhrlicli mitgetheille hiichst ausgezeichnet ist. Dasselbe fiilirt den Titel : &nadigstes Avertissement Ihro regierenden Hocbfiir4tb Durchlaucht zu Sachsen -Weimar, Eisenach und Jena, Dero uralten, renommirten Universita t Jena Verbesse-

Aufnahnie und dahin einechla ende Sachen betgef-

50 denen auch am Hofe fieraog E r ns t A u g u s t’s ve- sentlich die Alchernie gehiirte, wie sich aus den auf rokhercoglicher Bibliothek zu Weimar befind lichen

hichern des Heraogs 6 r n s t A u g us t ergiebt, bestan- den sehr wohl mit den religiiisen Ueberzeugungen der damaligen Zeit, oder acheinen vielmehr von dieser in gewisser Hinsicht gefordert worden zu sein. Auch dem nachriickenden Geschleclite aehen wi r die starlie H in- neignng dazu an. Ein Beis iel liefert uns Einer fur Alle -Giithe. Zwanzig Ja E re nacli dem Tode E r n s t

tiefte sich der von Leipcig lieim ekehrte

coglichen Bibliothe 9 c cu Weimar aufbemahrten Buche,

in $en Statuten des zu Ehren Kaiser C a r l vg I. 1732

fen r‘nffj, u. s. w. 1742.(( Die eheimen & issenschaften also,

em Studium der KoryphPen der A f chemie,

Page 16: Historische Skizze der Alchemie

40 Waclseiiroder :

des T h e o . h r a s t u s B o m b a s t u s P a r a c e l s u s , Bal

ama8 f,nftsalz*) genannt, welche von der Hand des Ham- aretes ilim das Leben gerettet hatte, selber 5u erfinden. G ii t h e bericlitet in seiner Autobiographie mit heitewr Laiine und sichtlich mit Vorliebe von seinem mystisoh- alchemistischen Treiben. W e r mag sagen, wohin das- selbe den mfstrebenden, ungewiihnlichen Geist ein Jzhr- kundert friiher wiirde getrieben haben? So aber ver- dankte G i i t h e dem Friiulein v o n K i e t t e n b e r g , ahne Zweifel einem Nachkommen des 60 Jahre zuvor vom Hereog W i 1 h e 1 m E r n 6 t zu Weimar fortgeschickten betrii erischen Alchemisten v o n K 1 e t t e n b e rg , nur die 9 orliebe zur Chemie, insbesondere zu der das Ver- borgene an den Ta bringenden analyfischen Chemia, welche G i i t h e noc% bis auf die letzten Tage seines Lebens behielt und auch mir in iiberraschender W e 6 0 mehrfach EU erkennen gegeben hat. Wir aber verdan- ken der guten und fronimen Alchemistin offenbar einen aicht unwesentlichen Gehalt des sFaustcc. W e n n man weirs, wie auch die miichtigsten Geister friiherer Jahr- hunderte tief und nachhaltig von dem M sterium der

ergriffen und angezogen wurden, so darf man dasselbe auch bei Giithe vorausaetcen. Es fra t sich, ob dieser

den Naturwissensohaften, mit in Anschlag gebracht wor- den ist.

Verfolgt man die Literatur der Alchemie im vori- gen Jahrhundert, 80 findet man die Vermehrung der alchemistischen Sdhriften im gleicheu Verhlltnisse zu dem Aufsehen, welohes die fahrenden Adepten mach- ten. Incwischen bestanden diese Biicher theils nur in neuen Ausgaben iilterer beriihmter Schriften, theils in mystfschen und theoso hischen Tractaten, zum Theil mit ganz wunderlichen t i t e ln , e. B. amor proximi, ge- flossen aus dem Oel iittlicher Barmhereigkeit, eschgrft mit dem W e i n der Le i she i t , bekriiftigt wit 8;em S a h

8 s i l i n s Va P e n t i n u s , H e l m o n t u. A., in nicht erin. erer Absicht, als urn die Universalmedicin,

Chemie und ihrer vermeintlichen Krone, dy e r Alchemie,

Um'stand bei der neuerdip s in Fran f reich versuchten Schilderung G ii t h e's, in Bi etreff seiner Leistungen in

*) K a r s t e n s in Halle untersuchte das Luftaalz, und fand, daD dasselbe Bittersah war, welches van einem Baron v o n H i r s c h e n zii llresden verkauft wurde. Eine If3 Loth betragende Aufltisung diems Salzes in Wasser kostete 1 Ducaten. (S. Karstens physisch- clienhche Abhandlungen. l lu l l e 1786.)

Page 17: Historische Skizze der Alchemie

Historische Skizze der Alchemie. 41

der giittlichen und natiirlichen Weisheit. Frankf. a. M. 1746 ; Edelgeborne Jungfrau A 1 c h y m i a 1730; Philo- sophischer Perlenbaum, ein Gewachs der drei Princi- pien, in deutlicher Erblarung des Steins der Weisen, won D o r o t h e a W a l l i c h zu Weimar 1705. AJch an polemischen Schriften emen die Chemiker, welche eich immer schroffer den AffcRemisten entgegen stellten, fehlte es nicht, bis auch diese verschwanden vor dem regen Eifer, mit welchem besonders in den gelehrten Gesellschaften zu London, Paris und Berlin, 80 wie i n andern deutschen naturwissenschaftlichen Societiiten nnnmehr die Chemie cultivirt wurde.

Der sichere Untergang der Alchemie lag aber in der ersten allgemeinen und consequent durchgefiihrten chemischen Theorie, welche der beriihmte S t a h 1, - b h e n 1660 zu Ansbach, gestorben 1734 zu Ber% sufstellte. Dieser scharfsinnige Cliemiker hatte zwar bei seiner Doctorpromotion zu Jena, so wie spater vythrend seines Lehramtes zu Halle in mehrern Schrif- ten der Alchemic das W o r t getedet. Seit e r aber 1716 als Kiini 1. PreuI'sischer Leibarzt in Berlin lebte und so mit den keistungsn der Berliner Akademie besser be- kannt werden mochte, trat er mit der Hypothese auf, dah alle Metalle ausammengesetzt seien aus einer Erde und einer die Flamme hervorbringenden Materie, welche er Phlogiston nannte. Da nun weiter das Phlogiston auch in jedem andern brennbaren Kiirper angenonimen wurde, so erhob dieses sogenannte phlogistische System die Chemie zuerst zu einer wahren Wissenschaft, indem sich alle damals bekannten chemischen Erscheinungen mittelst dieser Theorie, als eines obersten Grundsatzes, erklaren lieken. Das nunmehr miiglich emachte sy-

einer unubersehbaren Menge von Thatsachen Bur haufunf Fo ge, bis endlich im Jahre 1774 aiich das Sauer- itoffgas entdeckt murde. Von dieser Zeit an konnte das alte S t a hl'sche S stem nicht niehr geniigen, und der in den Annalen i e r Wissenschaft unvergefsliche L a v o i s i e r , deseen friihes Ende unter der Guillotine im Jahre 1794 wir noch jetzt s u beklagen haben, sah sich veranlarst, ein neues chemisches Systfm, das anti- phfogistische, 9.u begriinden. Diese Lehre gilt im W e - sentlichen noch heul zu Ta e, und macht, da sie sich

selben Ans riiche auf Geltung, wie das Weltsystem des K o p e r n i l u s . Alle liiirper, welche bis jetzt nicht

stematische Forschen hatte binnen lrurzer k eit die An-

auf Maara und Gewicht, a ff so auf Zahlen stutat, die-

Page 18: Historische Skizze der Alchemie

42 Wackenroder :

zerlegt werden konnten in heterogene Bestandtheile, wie z. B. der Sauerstoff und Wasserstoff, die das Waa- aer zusammensetzen, sind bie auf Weiteres Elemente. Die Metalle, (Messing, Bronze, Argentan und andere kifnstlichen Metallgemische abgerechnet) sind nun auf beine Weise in verschiedenartige Theile zerlegbar. Sollten sie aber einst irgendwie zerlegt werden , SO werden ihre Bestandtheile sammtlich oder doch zum Theil fur uns neue Elemente sein. Ohne diese Uran- fange wird man dann aber eben so wenig die Metalle hervorbringen kiinnen, als das Wasser ohne Sauerstoff und Wasserstoff; denn die chemischen Bestandtheile eines Kiirpere sind eben der Kiirper selbst. Gleich wie ein zerbrochenes Glas durcli Einfiigung eines Porcellan- atuckes nie wiener zu einem voll&andigen, gleichartigen Ganzen werden kann, so wenig wiirde irgeud ein Me- tall hervorzubringen sein, wenn nicht der letzte seiner supponirten Bestandtheile vorhanden wlre. Auch kiinnte dieser nach aller bisherigen Erfahrung uber eusammen-

esetzte Kiirper aus der unorganischen Natur kein Bu- fserst lileiner Theil sein, so dafs die alchemistische Tinctur, als Bestandtheil des Goldes betrachtet, in der eingebildeten unendlich geringen Men e auch nicht aus- reichen wiirde, mit den ubrigen iestandtheilen des Goldes, wie etwa Blei, Zinn oder Quecksilber, das edle Metall hervorzubrin en *). Obgleich wir nunmehr die Un ereimtheiten in ien Vorstellungen der Alchemisten

vorigen Jahrhunderta der uralte Glaube xu allgemein verbreitet und zu tief verwachsen mit den iibrigen Na- turkenntnissen, als dars derselbe iiicht einige eifrige Vertheidiger hatte finden oollen aegen die scheinbaren Anmafsungen der unerbittlichen hahrhei t . Z u diesen

leic 5 it einsehen, so war noch in dem letztenviertel des

gehiirten namentlich W e n z e 1, Professor und S c h r i i d e r , Professor zu Marburg.

Aufsehen erregte aber Doctor P r i c 8 , ractischer Arzt zu Guilford. Nocli gane nach alter

b e i s e tingirte er Metalle, besonders Quecksilber in

*) W e r das Gesetz der Schwerkraft nicht leugnet, m u b die Lehre des P t o l e m a u s fur irrig halten; we? das Gesete der chemischen Atome oder der Rlischungsgewichte, wel- ches Einige mit dem Gesetze der Schwere eu identificiren beginnen, fur weniger uberzeugend halt, mag den Wahn der Alchernie fur eine Wahrheit ansehea. Die Fra e nach der Zersetzbarkeit der Elementarstoffe, also auch ter Me- talle bedeutet in der Chemie dasselbe, wie dieFrage aaoh unbekannten Himmelsktirpern in der Astronomie.

Page 19: Historische Skizze der Alchemie

Historische Skizze der Alchemie. 43

Gold nnd Silber, und zwar in Gegenwart vieler vor- nehmen und aufgeklarten Manner, unter denen sich die Lords O n s l o w , K i n g und P a l m e r s t o n e befanden. Von den Lords wurde ein Theil des gemachten Goldes und Silbers dem Kiinige Georg 111. vorgelegt. Weil man aber an der Richti keit der Sache zweifelte, so theilte Doctor P r i c e f en ganzen Vorgang in einer besondern Schrift 1782 mit, theils zu eigener Ehrenret- tung, theils zu r Satisfaction der Lords. Als Doctor Pr ice diese Schrift, welche auch 1783 im Giittin ischen

Royal Society, von welcher er Mitglied war, iibergeben hatte, verlanote Sir Jos . B a n k s , als Prhsident der So- cietat, eine Vhederholung der Versuche. Doctor P r i c e sah nun entweder seinen Irrthum ein, oder er fuhlte eich durch den Unglauben an seine vermeintliche Kunst compromittirt, und fie1 als letztes Opfer des alten Wah- nes durch Salbstmord. Dieses Opfer ware wenigstene ein wiirdiges gewesen fur einen Glauben, der die edel- sten Geister und Gemuther seit Jahrhunderten so vieL fach beschiiftigt hatte. Allein, gleichwie die fahrenden Alchemisten, sollten auch die elehrten Verfechter der

riihmte und hochverdiente Hallesche Theolog S e m 1 e r namlich trieb nebenher Alchemie und fiigte seinen iibri- gen wichtigen theologischen Schriften auch eine Ab- handlung : ))Van achter hermetischer Arznei, Leipzig 1786(( hinzu. Da man am Schlusse des Jahrhunderts vorziiglich nach der Universalnledicin suchte, so berei- tete S e m l e r , gleich Gii t h e , besonders das LuftsaIz*). Aus dem warm gehaltenen Luftsalze sah nun der geist- liche Herr offenbar Gold hervorwachsen. Urn den sich erhebenden Widerspruch abzuwehren, wendete er sich 1789 an den beruhmten Chenliker K 1 a r o t h in Ber-

der vornehmsten Personen Berlins vorgenommene Un- tersuchung deckte aber den gutgemeinten Betrug eines armen Soldaten auf, welchen dieser seinem Wohlthater, dem Dr. S e m l e r gespielt hatte, nm ihm Vergniigen zu machen. So gesellten sich denn zu der Ueberfiih- rung des Irrthums der Alchemisten noch Spott und Hohn. Es wagte spater kein distinguirter Mann der

*) S e m 1 er's Schrift und Luftsalz veranlahte K a r s t en s (a. a. 0.3 w einer derben Polemik gegen seinen Halleschen Collegen, der man jedoch noch einige Unsicberheit in ihren Grlnden anmerkt.

Magazin von L i c h t e n b e r g aufgenommen wur 8 e, der

Alchemie mit einer Lacherlic fl keit endigen. Der be-

lin. Die in Gegenwart einer glgnzen dp en Gesellschaft

Page 20: Historische Skizze der Alchemie

44 Wackenroder :

Wiseeaschaft mehr, die alchemistischen Ideen in W o r t und Schrift zu vertheidigen, und nur so wunderliche Menschen, wie der gelehrte und beriihmte HelinstIdter Professor B e i r e is , welcher 1809 starb, mochten das Ansehen der Adepten bie in unsere Zeit hinein affec- tiren. Der Durst nach Gold ist aber zu grofs, sder Reiz des Geheimnisses zu stark fur den menschlichen Verstanda (Kas t n e r 8 dnfangsgriinde der Mathematik. ,

JZZ. 2. Vorrede), der Nimbus des Heimlichen nnd Geisterhaften zu anlockend, als dafs die Alchemisten hatten ganz verschwinden sollen und nicht hie und da fortdauern bis auf diesen Tag. In den neuneiger Jahren des vorigen, Jahrhunderts entstand eine Aennetische Ge- sellschaft in Thuringen, welche in dem Reichsanzeiger, namentlich vom Jahre 1798, mehrere Aufsatze lieferte. Dafs diese thiirichte Gesellschaft noch besteht, ist nicht wahrscheinlich. Gleichwohl habe ich Griinde zu glau- ben, dafs die thiiringischen Alchemisten, deren es noch inimer iebt, Notiz von einander nehmen und sich auch

einige Wittheilungen machen, indem sie sich gegensei- tig auszuforschen suchen. Die dargebotene Gelegenheit, von einem derselben unterwiesen EU werden in der seltsamen Anstellun der Projectionen auf Blei und Sil-

die einst bedeutungsvolle Afterweisheit nicht abweisen, und ich mufs gestehen, unsere Wissenschaft in ihrem alten Kleide macht den Eindruck einer Faschings -Mum- merei *).

uber i z re Versuche eur Hervorbringung des Goldes

ber mit einem Parti 9 ular, mochte ich aus Interesee fur

*) Die alchemistiscben Versuche, welche von einem iibrigens esobickten und braven practischen Metallurgen i n meaner

Cegenwart angestellt wurden, inowen dem geneigten Lrser 'einen Begriff geben von der wunxerlichen Art der Alcher misten und ihrer Arbeiten. Uin die Versuche abzukurzen, war alles zur Proiection Nothige in inein Laboratorium mitmbrin en ausgemacht worden. Als Beweismittel fdr die Unfehkarkeit der Runst wurde eine Probe #tin irtes Silberx vorgelegt. Dieses Silber hinterliere auch wir t l ich, als ioh dasselbe i n Salpeterslure aufloste, ein braunes Pul- ver, welches beirn Schmelzen mit Soda vor dem L'athrohr auf der Rohle ein golddnffiges Silberkorn 8;ab. Die Auf- g!be war nun, eben solches Silber mlas rnlt Salpetcrsiure eme Scheidung Gold gcber hervorzubringen. Also wurde nun etwa 3 Loth feines Silber, welches auf nassern W e g e durch Kupfer reducirt worden sein sollte, und das sich auch bei der Priifung vollstandig aufliislich in Salpeter- d u r e eeigte, mit ctwa 1 Loth eines sogenannten Oeles ubergossen und mit demselben eingetrocknet. (Diases Oel

Page 21: Historische Skizze der Alchemie

Historische Skizze der Alchemie. 45

Vecgeblich ist aber die Miihe, einen Alchemisten von seiner Ansicht znriickenbringen. Man darf anneh-

war Eisenchlorid, konnte aber wegen uiizureichender Menge nicht ausfuhrlich son mir untersucht werden. Wahrschein- lich wurde durch Verdampfen einer solchen Fliissigkeit die Goldtinctur dar estell?, welche Veranlassung zu dieser Vorlesung iiber Al&emie gegeben hat.) Hierauf wurde dem tingirten Silber eine kleine Menge eines fixen Mercu- rius (eines eisenhaltigen Gemenges von Quecksilberchloriir und Quecksilberchlorid) beigefugt und das Ganze nebst gereinigter Pottasche in einen hessischen Schmelztiegel ge eben. Sodann wurde der Tiegel allmYlich zumGliihen gefracht und hierauf etwa die doppelte Menge des an wendeten Silbers metallisches Blei und ein wenig ROE binzugefigt. (Das Blei .war angoblich mehre Male durch die Capelle egan en und wurde deshalb fur vollkominen rein ausgegefen. ffndessen hinterliefs eine Probe desselben beim Auflosen in Salpeterslure ein braunes Pulver, aus welchem vor dem1Athrohr auf der Kohle ein weni Zinn reducirt werden konnte. Die 'Yriifung nach r'd&erem Mdsstabe zu wiederholen, war fur den Augenhick un- thunlich.) Dae leicht erklirliche Aufschaumen des flie- $senden kohlehalti en kohlensauren Kalis schrieben wir der Wirkung des hercurius eu, indem er das Silber in Gold verkbhre; iiberhaupt betrachteten w i r ndas Brausen ond Sieden und Kochen und Zischen, als sotlte die Masse das Gold nun geb'irena. Wir hielten die Gcburt fur be- endigt, d s die Masse ruhig flob, ossen den negulus aus, und trieben dae Blei auf der Cape& ab. Das Silber m u t t e noch heirs ab enoinmen, sogleich in Wasser geworfen und dann in Schei%ewasser aufgelijst werden. Hierbei gab das- selbe weine Scheidung Gold,a d. h. in der Salpetersaure hinterblieb eine sehr geringe Menge eines braunen Pulvers. Dieses mit Soda vor dem Lijthrohr auf der Kohle - schmolzen, gab eine winzi e kleine Menge eines g o l d g - bigen Regulus, der sich i e i weiterer Untersuchun als stark silberhaltiges Gold zeigte. Dieses Resultat, SO sc%lofs man unbedenklich, zei te die Moglichkeit der Goldver- wandlung unwiderlegli&, und die gerin e Ausbeute an

vollkoinmene Tinctur, und der Mercurius noch nicht hijrig fixirt sei. Ein anderes vorgelegtes Oel (worin gz sen-, Kupfer - und Quecksilber- Chlorid leicht nachzuwei- sen waren) sei noch weniger ausgearbeitet, und ein zwei- t e r Mercurius (welcher salpetersaurehalti es Quecksilber- oxyd war) sei noch weni firirt. Die ferei tung dieser

von selbst versteht, nur im Allgemeinen mitgetheilt, theils wohl, weil an einem Un laubigen und Widersacher ein Geheimnifs nicht zu versgwenden war, theils aber auch, wei l vein alchemistischer Freund selber nicht recht wufste,. worauf es dran eigentlich ankomme. Dieselbe Verworrenheit der Begriffe und Vorstellungen, die uns

Gold beweise nur, daL das angewandte Oe f noch eine un-

directen und indirecten Go 5 derzeugungen wurde, wie sich

'

Page 22: Historische Skizze der Alchemie

46 Wackenroder :

men, dars die Untersuchnng der im Eingange erwlhnten Tinctur *), obwohl jeder Sachverstandige ebenfalls Gold darin auffindeii wurde, von dem Verfertiger derselben fur unrichtig, wenn nicht gar fur absichtlich verfiilscht angesehen werde, verfalscht aus Verachtung der gehei-

von den alten Urkunden unserer Wissenschaft curiick- stUst und dieselben fur uns nutzlos macht, immer und iiberall. Als Beispicl solcher widersinniger Vorschriften erlaube ich mir die folgenden anzufuhren, welche nebst der einleitenden Bemerkun mir von meinem hochverehr- t e n Colle en, detn Herrn 8 eheimen Hofrath F r i e s , Pro- fessor dershysik, mitgetheilt worden sind. #In den letzten Jahren des hochstseligen Grol'sherzogs C a r 1 Vr i e d r i c h von Baden (geb. 1728? gest. 1811), des edlen Beschutzers der Wissenschaften, interessirte man sich i n seiner NHhe lebhaft fur alchetnistische Din e. Unter andern wurde darnals in Carlsruhe eine Zeitsc%rift pedruckt, in welcher allerlei alte Angaben der A r t mitgethebilt wurden. Darunter fand sich foloendes : Oleum Anitmonii philosophicum. Rp. Anlimon. lib. $, Mercur. aublimati lib. j p . , imbibe guttalim aqua calida, lara iiber Nacht stehen, destill. ex arena; die erste weil'se Materie weggethan, die andere fange besonders. Vori 1 Pfd. bekommt man ungefihr 16 Loth. - Rp. Olei salis rectificat. lib j . Darin solvire dee Of. Aniimonii lib.p, l a b i n warmer Asche 7 Stundrn lan , quo fact0 thuo darein Croc. marlis 3j, l a b i n gelinder%arme stehen 48 Stunden ; dann sauber abgegossen, deatill. per Marienbad das ganee menstruum, SO bleibt am Boden das Of. Antimon. dick und roth, und dieses i s t per fapidem philosophorum. Dieses Oleum figirt den praepara'rten merc'urium i n Gold. M i t Zu- thuung wcni.g Goldes figirt es funam, in Lainellen eschla- gen und darin gelegt, i n Gold. - Oder: Rp. jntimon., subl. Merc. lib. j . deatill. per. reiortom ex arena ein Oel, gieb guten Spir. vani darauf, digerire 3 Tage und 3 Nachte, giers das purum ab und destillire den Spiritum vini i n b. Marine wieder davon, so bleibt rothes Oel. - Rp. Auri puriss. @, Mercur. purgut. Bj. fiut amalgama, gieQ das Oel darauf, gieb 10 Tage und Wichte gelind Feuer, I0 Ta e stlrker, 10 Tage noch starker, 10 T a e ganz atark f'euer, dars es sich coagulire; denn noch a c i t Tage stark Feuer, so wird es desto fixer. - Rp. dessen 1 Thell, trags in 8 Theile feinen Silhers, reibe es ab und soheide. Deo laudea. - Also kann man auch mit Mercurio proce- diren. - Dics Oel mit ein wenig aufgeschlossenen Gol- des fermentirt und latnellirt Silber hineingelegt, gradirt es zu Gold. - l c h habe in 10 Gran Silber 5 Gran hoch Gold geschieden." - W e n n diem Vorschriften noch vor 30 Jahren als wirklich niitzlich in einer alchemistischen Zeitschrift godruckt werderi konnten, so mogen sie nun- inehr als characteristische Monumente einer zertriimmer- ten Weisheit hier ihren Platz einnehmen.

*) S. dieses Archiv 2. R. Bd. XV. H. 1. pag. 2.

-

Page 23: Historische Skizze der Alchemie

Historische Slrizze der Alcliemie. 47

men Knnst, oder gar aua Neid we en Mangels an Ein-

eeugt sein, dafs solche Rede noch willige Ohren, sie anzuhiiren, genug finde. Dem geringe Maarse der wis- senschaftlichen Bildung kann man fuglich Meinnngeo der A r t zu gute halten. Wie man aber Schmiede r ' a (a. a. 0. pag. 600 und 602) Klage iiber den Druck der neuen Schule verstehen und deuten soll, ist gleich un- erkliirlich, wie unbegreinich, da keine einzige Wissen- schaft so wil l f~hr ig ist, jegliche neue Entdechung, auch wenn sie mit der bisherigen Lehre ganz unvereinbar sein sollte, in sich aufzunehwen, als gerade die Chemie, nur murs das Neae oder das erneuerte Alte, gleich dem Rechenexempel der Schule, die Probe bestehen vor dem Eorum unfierer Kunst. Eben hierin und in der Miig- lichkeit, d a b jeder Wissenschaftsgenosse die Probe an- stellen' kann, liegt das grolbe Uebergewicht der Chemie uber andere Zweige der Naturwissenschaft, und darans allein wird ihr unglaublich rasches Fortschreiten er- klarlich.

Eins aber, wir miissen es bekennen, haben wir uns en Schulden kommen lassen. Ueber dem fliigelschnellen Aufbau des stolzen Wissenschaftsgebiudes haben wir die Geschichte des tief untersten Grundes desselben ver- wahrlost. Denn sonst w l r e der nichtige, hie und da in der Sphare einer r r i n g e n Bildung auch unheilbrin- gende und das Gluc mancher Familien") noch jetat zerstijrende Glaube an die Miiglichkeit der Metallver-

*) Mir sind deren mehrere, und nicht allein in Thiiringen, sondern auch iin Khigre iche Hannover, meinem Geburts- lande, bekannt. E s ist sonderbar, obgleich keinesweges auffallend, dafs in diesen Familien eine pietistische Rich- tung vorwaltst, ein Zeichen, d d s der nienschliche Geist niemals aufhijren wird, im Gefuhle seiner Beschrinkuns lieber dein UnerklPrlichen und Unerhijrten sich zuzunei- gen, als in maglichst klarer Auffassung der Erscheinrin- gea die grorsten ottlichen Wunder anzuerkennen. W i e wenig Grund vox%anden ist, unsere Generation in Anse- hung dieser Hinneigung zum Uebernaturlichen iiber alle ihr vorangegangenen zu erheben , das lclirt die tinbefan- gene Auffassung der Tagesgeschichte, so auch ein Euch mit folgentlem Titel: vDer heiligste Name Jesus, das si- cherste Hiilfsmittel in Krankheiten, m o kein Arzt helfen kann; oder Beispiele von Krankenheilungen durch gliubi- ges Gebet. Aus den dariiber gefuhrten Protokollen und mehreren andern Schriften zusammengetragen von dem Verfasser der Gebetbucher: Schritte zur vollliommenen Liebe Gottes. Regensburg, Verlag von Menz. 1838.t

sicht in die verborgene Weisheit. % Ian darf auch iiber-

Page 24: Historische Skizze der Alchemie

48 Wackenrorler :

wandlung aus allen Kreisen der menschlichen Gesell- schaft wohl eben so vollltommen verschwunden , wie der Glaube an das Ptolemliische Weltsystem.

Aus dieser Sltizze der Alchemie erhellet, dafs, wie hoch auch au verschiedenen Zeiten die Kunst des Gold- machens gestcllt war in der Achtung der Menschen, sie dennoch untergehen murste, als die innern und iiul'sern Bedinguncen hinwegtielen, unter denen sie bestand. Ge- sellschaftlrche Verbindungen, deren Hauptzweck die giittliche Kunst gewesen, mochten ab und an entstehen; einen dauernden Bestand konnten sie niemals gewinnen. Eine Einweihung der Novizen in eine geheinie Lehre, welche, ganz unahnlich den blofs sittlichen und religi6- sen Mysterien, wesentlich die Erlcenntnifs von Natur- gesetzen betraf und deshalb nicht durch den Glauben erfafst werden konnte, mufste jederzeit, weil etwas Un- gereimtes unternommen wurde, erfolglos bleiben. Aucli charalc terisirt das sich Abdilicben des Einzelncn in scinen Griibeleien die Anhln e r dcr hermetischen Kunst.

theil der geheimen Gesellschaft der Rosenkreuzer *), deren schon oben gedacht worden ist. Ohne nlherein- zugehen in das, was Widerstreitendes uber den Rosen- Itreueerbund, der als hiiherer Grad auch mit der Frei- niaurerei in Verbindung gebracht wurde, geschrieben worden ist, miigen die Angaben iiher die Verb$derung der llosenkreuzer in einer unl6ngst erschienenen Schrift iiber die Freimaurerei von A c e r r e 11 os**) als nicht un- glaubwiirdig betrachtet werden. Diesen Angaben aufolge verniengten die Rosenkreuzer das Physische mit dem Moralischen, wohl in guter Absicht, aber ohne gunsti-

, wie leicht zu erachten ist. Sie, namentlich 5:" le Erfolg deutschen Rosenkreuzer, fiihrten verschiedene Be- nennungen nach den vorzugsweise betriehenen Wissen- schaften. Einige von ihnen nannten sich Mystiker oder Theoso hen, andere iirztliche Philoso hen, nocli andere

blob Alchemisten, auch Geologen. Letztere behaupte-

Inzwischen finden wir die s lchemie als eirien Bestand-

theosop R ische Alchemisten, und en 1 lich noch andere

*) Vergl. Convcrsationslexicon, 8te Auflape. Bd. 9. S. 419 j Schmieder's Geschichte der Alcheinie; u. A. m.

**) Die Freimaurerei i.9 ihrem Zusammenhanwe mit den Re- ligionen der rlten Agypter, der Juden u n 8 der Christen; von R. S. A c o r r e l l o s . 2te Aufl. Leipz. 1836. S. 162.

Page 25: Historische Skizze der Alchemie

Ilistorischc SEizze der Alclicmie. 40

ten, in ihrem aus der Bibel gezogenen System die Na- tu r cu amfassen.

Wir wissen aber, dafs die heilige Schrift fast gar nichb enthiilt zur Erklarung der Naturerscheinunsen, sondern dars sie nur den geistigen Tlieil des MensAea erfafst und eben darum jeglichem Vollre sich anpafst. Mosis Schiipfungsgeschichte, eben so einfach wie erha- ben, voll Kraft und Wiirde, reicli an moralischen Be- eiigen, verliert unansqeichlich und wird ihrer Beatim- n u n gjinzlich entriickt, wenn man sie auf das Feld der katurforschunr zu ziehen leiclitsinnig versucht.

Man begreift reicht, wie in friiheren Zeiten umer heiliger Glaube wo nicht erschuttert , docli bedrohet erachtet wurde durch Entdeckung von Naturgesetzen, welche einige Ausspruche der Bibel uber Naturerschei- nungen nicht bestaticen. W e r kennt z. B. nicht das Schickeal des Copernikanischen Weltsystcrns und seinee Verfechters G a I i 1 e i ? Seltsam ist’s aber, dafs die Scene, wie damals in Betreff des IIimmels, so jetzt in Ansehung der Mutter Erde sich zu erneuern den An- schein gewinnt. Die Geologie, nlchst der Astronomie die umfassendste, anrcgendste , gewaltipte unter den Naturwissenschaften, scheiiit an stlichen Geniiithern GoFahr bringend der mosaischen ~cliiipfiingsgeschichte. Wir freilich, die w i r die Geologie mit Stolz eine Wis- senschaft deutschen Ursprunges neniien , und Ungleich- artiges mit einander ernstlich zu vergleichen mindestena fur thiiricllt halten, werden wohl niemals eine Befurch- tung dieser Art hegen. Nicht also i n Enpaland, Nord- amerika und auch zum ‘rheil in Erankreich. Die am- gezeichnebten Geologen in diesen Landern *) erachten es fortwahrend fur niitliig, in aahlreiclieii Scliriften den Einklang xwischen unserer Geologie, welche auf Beob-

der Natur gestiitzt ist, und der Schiipfange- ach+3 geschic te der Genesis, welche lediglich ails religiiiser Anschauuhg entsprang und darauf 7~uruckfulirt, nachxn- weisen, oder vielmebr wieder herzustellen. Alle diese Versuche hefriedigen aber nicht, weder den Verstand, noch das Gemiith, mad ungeeignet sind sie jedenfalls.

*) Narnentlich B u c k l a n d , Mantekl , P h i l l i p s , C o n y - b e a r e , U r e , H i g g i n s , P e n n , Chaubard, C u v i e r u. A. und neuerdings S i l l i m a n (Professor am Yale Col- lege zu-.Newhaven) in seinem Buche : Uobereinstimmung der neaeren Entdeckun en in der Geologie mit der bibh- when Geschichte v. d. ich6pfung und Sundfluth j aua dein Englischen oan R h o d e . Hanau, 1838.

-

Arch. d. Pharm. 11. Rcihe. XIX, Bds. 1. tlft. 4

Page 26: Historische Skizze der Alchemie

50 Wackenroder : Historiache S k k e der Alchemie.

Als wenn eine physische Wahrheit den gediegenen re- ligiiisen Glauben irgend eines Volkes jemala erschiittert hktte und iemals untergraben kiinnte?") Oder als wenn nicht viclmehr die physischen Wahrheiten dazu am vollliommensten dienten , in Erkennung allwaltender Naturgeaetze die Allmacht dessen mit religiiisem Gefuhle zu preisen, den wir in jeder Religion als den Urgrund und den weisen Urquell alles Daseins anbeten?

Unwiderstehlich wird der religiiise Mensch t u r Betrachtung der Natur hingezogen. So zeigt es die. Theosophie in den 'ragen der Vorzeit, 80 lehrt es die besonnene , vernun ftige Anwendung der Naturwissen- schaften in unsernTa en. Dafs diese ihre streng gezo-

geistigen Menschen fiirdern und erheben , dafur sorgt nicht wenig auch die Chemie, die Wissenscliaft der strengen Beweisfiihrunp Miigen wir der Chemie das industrielle Interesse nicht i m mindesten entziehen las- sen, so mikhten wir ihr auch von ihrer Mutterwissen- schaft vindiciren , ohne Anmafslichkeit und in einem reineren Sinne, ala vor Zeiten, das Epitheton - der giittlichen Kunst.

genen Grenzen bewa % ren, innerhalb welclier sie den

Ueber das Lowenzahnbitter (Taraxacin) j

Golstav Polex. VOR

- F i n g t man den frischen Milchsaft des Taraxacum

officinale in destillirtem WasSer auf, erhitr;t die Fliis- sigkeit bis zum Kochen, damit sich das Ham nnd der Eiweihstoff gehiirig absondern, filtrirt nach dem Erkal- ten, verdunstet die Fliissigkeit bis auf ein geringes Vo- lumen und stellt dieselbe alsdann zum fernern Verdun-

*) Merkwiirdig ist folgende Nachricht in der Weimar. Zeit. ,jW 97. Jahrg. 1838: BSt. Gallen. Der Geschichtslehr.er H e n n e behaaptet in seinen historischen Tabellen, dah lange vor Adam und Eva die sfunf Racen der Menschene erscbaffen gewesen wlren. Der Ertiehungsrrth hat eine Untersuchung einge1eitet.c