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Eine neue Darstellungsmethode für Caesiumhydroxid A New Preparative Method for Cesiumhydroxide Herbert Jacobs* und Bernd Harbrecht Institut für Anorganische Chemie der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, Prof.-Pirlet-Straße 1, D-5100 Aachen Z. Naturforsch. 36 b, 270-271 (1981); eingegangen am 14. November 1980 Cesium Compound, Hydroxide, Thermal and Crystal Data Cesiumhydroxide has been prepared by the reaction of CsOH H2O with CSNH2 in super- critical ammonia. Thermochemical data for CsOH are given in the range from 100 to 640 K. The x-ray investigation of the compound above 497.5 K shows a sodium chloride type of struc- ture with a = 6,427 (5) A at 503 K. The lattice constants for the rhombic modification at 298 K are a = 4,350 (3) A, b = 11,99 (1) A and c = 4,516 (3) A. The cell contains four formula units. The structure is of an anii-NaOH type. Es überrascht, daß in der Literatur jedwede Daten zur Kristallstruktur des Caesiumhydroxids fehlen, obwohl mehrfach über die Darstellung und sehr unterschiedlich über die thermischen Eigenschaften dieser Verbindung berichtet worden ist [1-7]. CsOH wird danach durch Umsetzung von CS2SO4 mit Ba(OH)2 und anschließendes Eindampfen der wäßrigen Lösung als Hydrat erhalten [3]. Dieses soll durch Erhitzen im H2-Strom bei 570 K [4] bis 770 K [5] bzw. im N2-Strom in der Schmelze [1] in das Hydroxid überführt werden können. Ein ande- rer Weg zur Synthese geht vom CS2O2 aus. Setzt man letzteres in geschlossenen Silberampullen bei er- höhten Temperaturen mit reinstem Wasserstoff um, dann diffundiert dieser durch das Ag der Gefäßwand unter Bildung von CsOH [6, 7]. Neue Ergebnisse In unseren eigenen Arbeiten erfolgte die Darstel- lung von reinem CsOH durch Protolyse von CsNH2 [8] mit CsOH H2O in überkritischem Ammoniak als Lösungsmittel. Stark hygroskopisches Caesium- hydroxidhydrat wurde bei 450 K und 2,5 kbar aus Ammoniak in Autoklaven [9, 10] innerhalb von acht Tagen umkristallisiert. Durch quantitative Analyse und röntgenographische Einkristallstruk- turbestimmung wurde es eindeutig als Monohydrat charakterisiert [11], bevor es äquimolar mit CsNH2 umgesetzt wurde. In Abhängigkeit von NH3-Druck und Kristallisationstemperatur entstehen unter- schiedliche Produkte: Bei erhöhtem Druck (1 kbar) und unterkritischer Temperatur ( < 400 K) wird ein Caesiumhydroxid- ammoniakat unbekannten Solvatgehaltes gebildet: CsOH H2 0 + CsNH2 + (2 z— 1)NH3 -> 2CsOHzNH3 Diese Verbindung ist bei Raumtemperatur nicht stabil. Nach dem Öffnen der Autoklaven in einem mit Ar betriebenen Handschuhkasten erkennt man opake, weiße „Kristalle". Ihre röntgenographische Unter- suchung zeigt aber, daß nur mikrokristallines Mate- rial vorhegt. Der quaderförmige Habitus der Ammoniakat-Kristalle bleibt bei der Zersetzung erhalten. Das Produkt ist reines Caesiumhydroxid. Bei wenig erhöhtem Druck (300 bar) und über- kritischer Temperatur ( < 420 K) bildet sich direkt solvatfreies CsOH: CsOH H2 0 + CsNH2 -> 2 CsOH + NH3 Die Qualität der bisher erhaltenen faserartigen Kristalle reichte jedoch nicht für eine röntgeno- graphische Einkristalluntersuchung aus. Beide Präparate wurden analytisch (Cs + - und OH"-Gehalt > 98,6%), durch Dichtebestimmung (df 5 = 4,22) und IR-spektroskopisch (OH-Valenz- schwingung: 3540 cm- 1 , Perkin Eimer, Infrarot- Spectrometer Modell 580) charakterisiert. Thermo- chemische Messungen (DSC2, Perkin Elmer) im Bereich von 100 bis 640 K geben den Schmelzpunkt bei 612 K mit einer Schmelzenthalpie ZlmH von 7,3 kJ mol -1 , eine kubisch/orthorhombische Pha- senumwandlung bei 497,5 K mit A uH = 7,1 k J mol -1 sowie zwei weitere, sehr schwache thermische Effekte noch nicht näher geklärter Ursache bei 409 K und bei 232 K wieder. Die röntgenographische Untersuchung (Guinier-Simon-Kamera, Enraf- Nonius) im Bereich von 110 bis 510 K erlaubt folgende Strukturvorschläge: Oberhalb 497,5 K kristallisiert Caesiumhydroxid im Natriumchloridtyp mit einer Gitterkonstanten von a = 6,427(5) Ä bei 503 K. Mit ihr berechnet sich eine Dichte von 3,751 g cm- 3 . Bei 497,5 K tritt eine Verzerrung ein, die bei 298 K zur folgenden orthorhombischen Metrik führt: a = 4,350(3) Ä, b = 11,99(1) Ä und c = 4,516(3) Ä. Die Elementarzelle enthält vier Formeleinheiten. Damit ergibt sich als röntgenographisch ermittelte Dichte 4,227 g cm~ 3 . In der Raumgruppe Cmcm (Nr. 63) [12] besetzen die Atome die Punktlagen 4Cs+ in 4c z = 0; y = 0,14; 2 = 1/4. 4 OH- in 4c z =0; ?/ = 0,385; 2 = 1/4. Die daraus ermittelten Abstands- und Koordina- tionsverhältnisse sind: Cs-Cs: 4 x 4,05,2 x 4,10,2 x 4,35,2 X 4,52 Ä ; Cs-0: 1 X 2,94,4 X 3,15,2 X 3,75 Ä; O - 0 : 2 x 3,57,2 x 4,35,4 x 4,51,2 x 4,52 A.

Institut für Anorganische Chemie Hochschule Aachen, Prof ...znaturforsch.com/ab/v36b/36b0270.pdf · Institut für Anorganische Chemie der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule

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  • Eine neue Darstellungsmethode für Caesiumhydroxid A New Preparative Method for Cesiumhydroxide Herbert Jacobs* und Bernd Harbrecht Institut für Anorganische Chemie der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, Prof.-Pirlet-Straße 1, D-5100 Aachen

    Z. Naturforsch. 36 b, 270-271 (1981); eingegangen am 14. November 1980 Cesium Compound, Hydroxide, Thermal and Crystal Data

    Cesiumhydroxide has been prepared by the reaction of CsOH • H2O with CSNH2 in super-critical ammonia. Thermochemical data for CsOH are given in the range from 100 to 640 K. The x-ray investigation of the compound above 497.5 K shows a sodium chloride type of struc-ture with a = 6,427 (5) A at 503 K. The lattice constants for the rhombic modification at 298 K are a = 4,350 (3) A, b = 11,99 (1) A and c = 4,516 (3) A. The cell contains four formula units. The structure is of an anii-NaOH type.

    Es überrascht, daß in der Literatur jedwede Daten zur Kristallstruktur des Caesiumhydroxids fehlen, obwohl mehrfach über die Darstellung und sehr unterschiedlich über die thermischen Eigenschaften dieser Verbindung berichtet worden ist [1-7].

    CsOH wird danach durch Umsetzung von CS2SO4 mit Ba(OH)2 und anschließendes Eindampfen der wäßrigen Lösung als Hydrat erhalten [3]. Dieses soll durch Erhitzen im H2-Strom bei 570 K [4] bis 770 K [5] bzw. im N2-Strom in der Schmelze [1] in das Hydroxid überführt werden können. Ein ande-rer Weg zur Synthese geht vom CS2O2 aus. Setzt man letzteres in geschlossenen Silberampullen bei er-höhten Temperaturen mit reinstem Wasserstoff um, dann diffundiert dieser durch das Ag der Gefäßwand unter Bildung von CsOH [6, 7].

    Neue Ergebnisse In unseren eigenen Arbeiten erfolgte die Darstel-

    lung von reinem CsOH durch Protolyse von CsNH2 [8] mit CsOH • H2O in überkritischem Ammoniak als Lösungsmittel. Stark hygroskopisches Caesium-hydroxidhydrat wurde bei 450 K und 2,5 kbar aus Ammoniak in Autoklaven [9, 10] innerhalb von acht Tagen umkristallisiert. Durch quantitative Analyse und röntgenographische Einkristallstruk-turbestimmung wurde es eindeutig als Monohydrat charakterisiert [11], bevor es äquimolar mit CsNH2 umgesetzt wurde. In Abhängigkeit von NH3-Druck

    und Kristallisationstemperatur entstehen unter-schiedliche Produkte:

    Bei erhöhtem Druck (1 kbar) und unterkritischer Temperatur ( < 400 K) wird ein Caesiumhydroxid-ammoniakat unbekannten Solvatgehaltes gebildet:

    CsOH • H20 + CsNH2 + (2 z— 1)NH3 -> 2CsOHzNH3

    Diese Verbindung ist bei Raumtemperatur nicht stabil.

    Nach dem Öffnen der Autoklaven in einem mit Ar betriebenen Handschuhkasten erkennt man opake, weiße „Kristalle". Ihre röntgenographische Unter-suchung zeigt aber, daß nur mikrokristallines Mate-rial vorhegt. Der quaderförmige Habitus der Ammoniakat-Kristalle bleibt bei der Zersetzung erhalten. Das Produkt ist reines Caesiumhydroxid.

    Bei wenig erhöhtem Druck (300 bar) und über-kritischer Temperatur ( < 420 K) bildet sich direkt solvatfreies CsOH:

    CsOH • H20 + CsNH2 -> 2 CsOH + NH3 Die Qualität der bisher erhaltenen faserartigen Kristalle reichte jedoch nicht für eine röntgeno-graphische Einkristalluntersuchung aus.

    Beide Präparate wurden analytisch (Cs+- und OH"-Gehalt > 98,6%), durch Dichtebestimmung (df5 = 4,22) und IR-spektroskopisch (OH-Valenz-schwingung: 3540 cm-1, Perkin Eimer, Infrarot-Spectrometer Modell 580) charakterisiert. Thermo-chemische Messungen (DSC2, Perkin Elmer) im Bereich von 100 bis 640 K geben den Schmelzpunkt bei 612 K mit einer Schmelzenthalpie ZlmH von 7,3 kJ • mol-1, eine kubisch/orthorhombische Pha-senumwandlung bei 497,5 K mit A uH = 7,1 k J • mol-1 sowie zwei weitere, sehr schwache thermische Effekte noch nicht näher geklärter Ursache bei 409 K und bei 232 K wieder. Die röntgenographische Untersuchung (Guinier-Simon-Kamera, Enraf-Nonius) im Bereich von 110 bis 510 K erlaubt folgende Strukturvorschläge:

    Oberhalb 497,5 K kristallisiert Caesiumhydroxid im Natriumchloridtyp mit einer Gitterkonstanten von a = 6,427(5) Ä bei 503 K. Mit ihr berechnet sich eine Dichte von 3,751 g • cm-3. Bei 497,5 K tritt eine Verzerrung ein, die bei 298 K zur folgenden orthorhombischen Metrik führt:

    a = 4,350(3) Ä, b = 11,99(1) Ä und c = 4,516(3) Ä.

    Die Elementarzelle enthält vier Formeleinheiten. Damit ergibt sich als röntgenographisch ermittelte Dichte 4,227 g • cm~3. In der Raumgruppe Cmcm (Nr. 63) [12] besetzen die Atome die Punktlagen

    4Cs+ in 4c z = 0; y = 0,14; 2 = 1/4. 4 OH- in 4c z = 0 ; ?/ = 0,385; 2 = 1/4.

    Die daraus ermittelten Abstands- und Koordina-tionsverhältnisse sind:

    Cs-Cs: 4 x 4,05,2 x 4,10,2 x 4,35,2 X 4,52 Ä ; Cs-0: 1 X 2,94,4 X 3,15,2 X 3,75 Ä; O - 0 : 2 x 3,57,2 x 4,35,4 x 4,51,2 x 4,52 A.

  • Bezogen auf die kubische Modifikation ergibt sich die CsOH-Struktur bei Raumtemperatur geo-metrisch aus der Scherung von Schichten der Dicke a/2 in [110]-Richtung mit einem Verschiebungsbe-trag von a/4 • / 2 . Als Antityp vom T1I [13] ist die Atomanordnung verwandt mit der des NaOH, das in der gleichen Hochtemperaturform kristallisiert. Im Unterschied zum CsOH bildet NaOH noch eine monokline Metrik aus, bevor es sich in der rhom-bischen stabilisiert [14, 15]. Die Normaltemperatur-formen beider Hydroxide unterscheiden sich im wesentlichen in der Vertauschung der freien y-Para-meter.

    Dieses Ergebnis wird verständlich, wenn man die Ionenradien [16] betrachtet. Während das Na+-Ion kleiner als das OH_-Ion ist, kehren sich die Verhält-nisse im CsOH um. Aus der Liste der Ionenabstände erkennt man, daß sich gegenüber der Hochtem-peraturform des CsOH die Koordinationszahl des Caesiums von sechs nach fünf plus zwei ändert, wobei zwei OH_-Ionen mit 3,75 Ä bereits entfernter sind als die nächsten Sauerstoffatome zueinander mit 3,57 Ä.

    Es ist anzunehmen, daß in der NaCl-Form des CsOH das ladungsasymmetrische OH~-Ion nähe-rungsweise frei um seinen Massenschwerpunkt rotiert, während bei Raumtemperatur diese Be-

    wegung wesentlich oder ganz eingeschränkt ist. Die Aufenthaltsorte des Wasserstoffs sollen durch Neutronenbeugungsexperimente am CsOD ermittelt werden.

    Der Übergang des CsOH von der Raum- zur Hochtemperaturform ist mit einer erheblichen Dichteabnahme und einem starken Enthalpieeffekt verbunden. Letzterer erreicht beinahe den Wert der Schmelzenthalpie. Er zeigt, daß für die unstetige Überwindung der Wechselwirkungen zwischen den großen Caesiumionen und den Hydroxidionen von lagefixierten zu sich bewegenden Anionen eine be-trächtliche Energiezufuhr erforderlich ist.

    Daß erst hier Angaben über Atomanordnun-gen in zwei Modifikationen des Caesiumhydroxids vorgelegt werden können, hat präparative Grün-de: Bereits das Caesiumhydroxidmonohydrat ist außerordentlich hygroskopisch, und spurenweise vorhandenes CO2 wird sofort absorbiert. Noch extremer reagiert Caesiumhydroxid. Am bequem-sten läßt es sich in reinem Argon handhaben. Der beschriebene Syntheseweg scheint zur Darstellung größerer Mengen dieser Verbindung geeignet.

    Die Arbeit wurde mit Mitteln der Deutschen For-schungsgemeinschaft und des Landesamtes für For-schung NRW unterstützt.

    [1] G. v. Hevesy, Z. Phys. Chem. 73, 667 (1910). [2] P. Touzain, C. R. Acad. Sei. Ser. C 279, 41

    (1974). [3] G. Kirchhoff u. R. Bunsen, Pogg. Ann. 113, 364

    (1861). [4] E. Barnes, J. Chem. Soc. 1931, 2605. [5] De Forcrand, C. R. Acad. Sei. 142, 1254 (1906). [6] R. Hoppe, Angew. Chem. 92, 106 (1980). [7] R. Hoppe, J. Solid State Chem. 27, 99 (1979). [8] E. von Osten, Dissertation RWTH Aachen, 1978. [9] R. Juza u. H. Jacobs, Angew. Chem. 78, 208

    (1966) und Angew. Chem. Int. ed. Engl. 5, 247 (1966).

    [10] R. Juza, H. Jacobs u. H. Gerke, Ber. Bunsenges. Phys. Chem. 70, 1103 (1966).

    [11] H. Jacobs u. B. Harbrecht, unveröffentlicht. [12] Intern. Tables for X-Ray Cryst., Vol. I, Kynoch

    Press, Birmingham, 1969. [13] L. Helmholz, Z. Kristallgr. 95A, 129 (1936). [14] H. Stehr, Z. Kristallogr. 125, 332 (1967). [15] H. J. Bleif, Dissertation Universität Tübingen

    1978.