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Klassische Mechanik Theoretische Physik I Vorlesungs-Skriptum Franz Wegner Institut f¨ ur Theoretische Physik Ruprecht-Karls-Universit¨ at Heidelberg Winter 2004/05

Klassische Mechanik - Physik Skripte

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Page 1: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Klassische Mechanik

Theoretische Physik I Vorlesungs-Skriptum

Franz WegnerInstitut fur Theoretische Physik

Ruprecht-Karls-Universitat HeidelbergWinter 2004/05

Page 2: Klassische Mechanik - Physik Skripte

c©Franz Wegner 2004-2005Kopieren fur den privaten Gebrauch unter Angabe des Autors erlaubt

Kommerzielle Verwertung verboten

Empfohlene Literatur:H. Horner, Skriptum zur Mechanik (SS 2003)(http://www.tphys.uni-heidelberg.de/∼horner/Mechanik-03.pdf)T. Fließbach, MechanikW. Greiner, Mechanik I und IIR. Jelitto, Mechanik I und IIH. Goldstein, Classical Mechanics, 3rd Edition expensive and very good(als deutsche Ubersetzung ist nur die der 2. Auflage gebraucht erhaltlich,Auflagen-Nummerierung im englischen und deutschen verschieden)V. Arnold, Mathematical Methods of Classical MechanicsF. Scheck, MechanikLandau-Lifschitz, Theoretische Physik, Band I MechanikBemerkungen: Nur die 3. Auflage von Goldstein, die Mechanik von Horner undvon Scheck enthalten Chaos. Arnold und Scheck sind mathematisch anspruchs-voller, Landau-Lifschitz startet fast sofort mit der Lagrange-Funktion.Soweit die mathematischen Vorkenntnisse noch nicht ausreichen, sei auf denMathematischen Vorkurs von Klaus Hefft verwiesen (http://www.thphys.uni-heidelberg.de/∼hefft/vk1/).

Fur Hinweise auf Druckfehler bin ich dankbar.

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Page 3: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Einleitung

Die theoretische Physik widmet sich der Beschreibung der unbelebten Natur (inneuerer Zeit macht sie erste Schritte in der belebten Natur im Rahmen der Bio-physik) durch einheitliche Gesetze, die aus Beobachtungen und Experimentenhergeleitet werden, und moglichst allgemein gultig sein und den Ablauf weitererExperimente vorhersagen sollen.

Wir befassen uns hier mit der klassischen Mechanik, das heißt:a) wir behandeln die nicht-relativistische Mechanik. Wir gehen davon aus, dassalle auftretenden Geschwindigkeiten klein gegen die Vakuum-Lichtgeschwindig-keit c sind, und wir setzen einen absoluten Zeitbegriff voraus.b) wir behandeln die Mechanik nicht quantenmechanisch. Wir betrachten nurmakroskopische Korper, bei denen fur die Orts- und Impulsauflosung ∆x∆p ≫ hmit dem Wirkungsquantum h gilt.

Zu dieser Idealisierung kommt man, wenn man c → ∞ und h → 0 gehenlasst.

Wichtige Wegbereiter der klassischen Mechanik warenGalileo Galilei (1564-1642),Johannes Kepler (1571-1630),Isaac Newton (1642-1727) undJoseph Lagrange (1736-1813).

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Page 4: Klassische Mechanik - Physik Skripte

A Grundbegriffe und einfache Systeme

1 Raum und Zeit, Elemente der Vektoralgebra

1.a Ortsvektor

Wir betrachten Massenpunkte i, i = 1..N . Dies ist eine Idealisierung, da Massenhaufig ausgedehnt sind. Wir denken uns die Masse im Schwerpunkt konzentri-ert. Diese Massenpunkte durchlaufen eine Bahnkurve xi(t). Dabei ist xi derOrtsvektor von einem Ursprung O aus zum Schwerpunkt. t ist die Zeit, gemessenvon einem geeigneten Zeitpunkt an. Sie wird in der nicht-relativistischen Physikals absolut angenommen, das heißt man geht von einem absoluten Begriff derGleichzeitigkeit aus. Den Raum nehmen wir als euklidisch und dreidimensionalan. Die Transformation zwischen Bezugssystemen mit unterschiedlichem Ur-sprung ist gegeben durch

P

O

O’

cx

x ’

i

i

−−→O′Pi =

−−→O′O +

−−→OPi, (1.1)

x′

i = c + xi. (1.2)

1.b Vektoralgebra

Entwicklung nach einer Basis:

a = a1e1 + a2e2 + a3e3 =∑

α

aαeα (1.3)

oder mit der Einsteinschen Summenkonvention

a = aαeα, (1.4)

uber doppelt auftretende Indices in einem Produkt wird summiert. Wir wer-den fur die Kennzeichnung der kartesischen Komponenten griechische Buch-staben verwenden, wahrend wir verschiedene Massenpunkte mit lateinischenBuchstaben kennzeichnen. Die Einsteinsche Summenkonvention verwenden wirnur fur die kartesischen Komponenten. Man schreibt auch

a = (e1, e2, e3)

a1

a2

a3

(1.5)

1.b.α Addition

Es gelten das Kommutativgesetz

a + b = b + a = (aα + bα)eα, (1.6)

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Page 5: Klassische Mechanik - Physik Skripte

das Assoziativgesetz(a + b) + c = a + (b + c), (1.7)

das Setzen der Klammern ist daher uberflussig. Weiter gilt fur die Multiplikationmit einer C-Zahl

λa = (λaα)eα. (1.8)

Jede Komponente des Nullvektors 0 ist 0. a + 0 = a.

1.b.β Skalarprodukt

Man definiert das Skalarprodukt zwischen zwei Vektoren

a · b = |a||b| cos(<)a,b) = ab cos(<)a,b) (1.9)

Um dieses Skalarprodukt durch seine Komponenten ausdrucken zu konnen,mussen wir noch die Metrik unserer Basis festlegen. Wir arbeiten im Folgendenmit einer orthonormierten Basis. Das heißt, die Basis-Vektoren sind Einheits-Vektoren, ihre Lange ist 1, und sie stehen senkrecht aufeinander. Dann gilt

eα · eβ = δαβ =

1 α = β0 α 6= β

(1.10)

Dabei bezeichnet man δαβ als das Kronecker-Delta. Die Projektion des Vektorsa auf die α-Achse erhalt man aus

a · eα = aβeβ · eα = aβδβ,α = aα. (1.11)

Fur das Produkt eines Vektors mit sich selbst folgt aus dem Pythagoras

a2 = (a · a) =∑

α

a2

α = aαaα (1.12)

Fur c = a − b folgt dann a

ba −b =c

c2 =∑

α

(aα − bα)2 = a2 + b2 − 2aαbα = a2 + b2 − 2ab cos(<)a,b) (1.13)

wobei wir nach dem letzten Gleichheitszeichen den Cosinus-Satz verwendethaben. Damit folgt

a · b = aαbα. (1.14)

Es gilt das Kommutativgesetz

a · b = b · a (1.15)

und das Distributivgesetz

(a + b) · c = a · c + b · c, (1.16)

c · (a + b) = c · a + c · b. (1.17)

Es gilt kein Assoziativgesetz.

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Page 6: Klassische Mechanik - Physik Skripte

1.b.γ Vektorielles Produkt

Definition: Das vektorielle Produkt a × b steht senkrecht auf a und b. SeinBetrag ist gegeben durch

|a × b| = ab sin(<)a,b) (1.18)

Der Betrag ist also gleich der Flache des von a und b aufgespannten Parallelo-grams. Die Richtung wird festgelegt durch die Bedingung, dass a, b und a×b indieser Reihenfolge ein Rechts-System bilden, das heißt: Weist a in Richtung desDaumens und b in Richtung des Zeigefingers der rechten Hand, dann weist a×bin Richtung des Mittelfingers dieser Hand. Es gilt das Antikommutativgesetz

b× a = −a × b. (1.19)

Beachten Sie das Minus-Zeichen. Das vektorielle Produkt kann in Komponentenfolgendermassen ausgedruckt werden:

a × b = ǫαβγaαbβeγ (1.20)

(Einstein-Konvention) mit dem Levi-Civita-Symbol

ǫαβγ =

+1 (αβγ) = (123), (231), (312),−1 = (132), (213), (321),0 sonst.

(1.21)

Das Levi-Civita-Symbol verschwindet, wenn zwei Indices ubereinstimmen. Sindalle drei Indices verschieden voneinander, so ist es +1, wenn die Indices einegerade, −1, wenn sie eine ungerade Permutation der Zahlen 1,2,3 darstellen.Offensichtlich ist

ǫαβγ = ǫβγα = −ǫβαγ. (1.22)

Es gilt das Distributivgesetz

(a + b) × c = a× c + b × c, a × (b + c) = a × b + a × c. (1.23)

1.b.δ Mehrfach-Produkte

Ein haufig vorkommendes Dreifach-Produkt ist das Spat-Produkt aus drei Vek-toren

[a,b, c] := (a × b) · c =

a1 b1 c1

a2 b2 c2

a3 b3 c3

= a · (b × c) = ǫαβγaαbβcγ . (1.24)

Das Spatprodukt verschwindet, wenn die drei Vektoren komplanar oder, wasaquivalent ist, wenn sie linear abhangig sind. Es verschwindet insbesondere,wenn zwei der drei Vektoren ubereinstimmen. Daraus folgt (a × b) · a = (a ×

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Page 7: Klassische Mechanik - Physik Skripte

b) · b = 0. Daher ist (a × b) tatsachlich auf a und b orthogonal. Als nachstesbetrachten wir

(a × b)2 = (a × b)γ(a × b)γ = ǫαβγaαbβǫστγaσbτ . (1.25)

Zur weiteren Auswertung ist die Beziehung

ǫαβγǫστγ = δασδβτ − δατδβσ, (1.26)

nutzlich, die man sich uberlege. Dann folgt

(a × b)2 = aαbβaσbτ (δασδβτ − δατ δβσ) = aαbβaαbβ − aαbβaβbα (1.27)

= a2b2 − (a · b)2 = a2b2(1 − cos2(<)a,b)) = a2b2 sin2(<)a,b).

Der Betrag des Vektorprodukts entspricht daher auch der Definition. Verlangenwir noch, dass e1, e2 und e3 ein Rechtssystem bilden, dann kann man durchstetig Veranderung von a und b ausgehend von a = e1 und b = e2 sehen, dassa × b, a und b ein Rechtssystem bilden. Es gilt daher

[e1, e2, e3] = +1 und allgemein [eα, eβ, eγ ] = ǫα,β,γ . (1.28)

1.c Entwicklung nach verschiedenen orthonormalen Rechts-basen

Wir betrachten nun zwei verschiedene orthonormale Basen e und e′, diegegeneinander verdreht sind. Der Vektor x kann nach beiden Basen entwickeltwerden

x = xαeα = x′

βe′β (1.29)

Wir erhalten dann

x′

β = (e′βx) = (e′βeα)xα = Aβαxα, Aβα = (e′βeα). (1.30)

Fur die Komponenten gilt dann

x′ = Ax, (1.31)

x′

1

x′

2

x′

3

=

A11 A12 A13

A21 A22 A23

A31 A32 A33

x1

x2

x3

. (1.32)

Die Rucktransformation ergibt sich zu

xα = (eαx) = (eαe′β)x′

β = Aβαx′

β . (1.33)

Wir haben also

x = ATx′, (1.34)

x1

x2

x3

=

A11 A21 A31

A12 A22 A32

A13 A23 A33

x′

1

x′

2

x′

3

. (1.35)

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Page 8: Klassische Mechanik - Physik Skripte

wobei AT die zu A transponierte Matrix ist. Man erhalt sie durch Vertauschenvon Zeilen und Spalten

AT

αβ = Aβα (1.36)

Transformieren wir hin und zuruck, so erhalten wir

x′ = Ax = AATx′, x = ATx′ = ATAx (1.37)

Da diese Beziehungen fur beliebige x und x′ gelten, muss AAT und ATA dieEinheitsmatrix 1l sein

AAT = ATA = 1l (1.38)

mit

1l =

1 0 00 1 00 0 1

, 1lαβ = δαβ . (1.39)

Wir erinnern an die Regel fur die Matrizen-Multiplikation

(AB)αγ = AαβBβγ (1.40)

Matrizen A mit der Eigenschaft (1.38) bezeichnet man als orthogonal; sie bildendie orthogonale Gruppe O(3). Gehoren A und B zur Gruppe O(3), so gehortihr auch AB an

(AB)T(AB) = BTATAB = BTB = 1l (1.41)

Man beachte, dass (AB)T = BTAT, da

(AB)Tαγ = (AB)γα = AγβBβα = BT

αβAT

βγ = (BTAT)αγ . (1.42)

1.c.α Vollstandigkeits-Beziehung

Fur beliebige Vektoren x gilt

x = eα(eαx) = e′β(e′βx) (1.43)

Durch Einschieben des vollstandigen Satzes von Projektoren auf die x bzw.x′-Achse erhalten wir wieder den Vektor. Das heißt

eα)(eα = e′β)(e′β = 1l (1.44)

Man bezeichnet diese Beziehung als Vollstandigkeits-Relation. Nur wenn mandie Summation uber alle α oder β durchfuhrt, erhalt man stets wieder x.

1.c.β Rechts-/Links-Basis

Wir hatten AAT = 1l. Daraus folgt mit dem Determinanten-Multiplikationssatzdet(AB) = det(A) det(B)

det(A) det(AT) = det(1l), (1.45)

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Page 9: Klassische Mechanik - Physik Skripte

alsodet(A)2 = 1, det(A) = ±1. (1.46)

Was ist die Bedeutung der beiden Vorzeichen? Hierzu betrachten wir

[e′1, e′

2, e′

3] = [A1αeα, A2βeβ, A3γeγ ] (1.47)

= A1αA2βA3γǫαβγ [e1, e2, e3] (1.48)

= detA[e1, e2, e3]. (1.49)

Falls detA = +1 und e1, e2, e3 ein Rechtssystem, dann ist auch e′1, e′

2, e′

3ein

Rechtssystem. Die orthogonalen Matrizen mit detA = +1 bilden die spezielleorthogonale Gruppe SO(3). Unter dieser Transformation wird die Basis in eineandere rotiert.

Die Transformation mit detA = −1 fuhrt ein Rechts- in ein Linkssystemuber und umgekehrt. Eine solche Transformation bedeutet eine Rotation derBasis und eine zusatzliche Spiegelung.

1.c.γ Vektor-Definition

Wenn und nur wenn sich ein Tripel von Zahlen a1, a2, a3 beim Ubergang voneiner ONRB (Orthonormierten Rechts-Basis) eα in jede andere ONRB e′βgemaß aα = Aβαa′

β transformiert, so stellen die aα die Komponenten einesVektors dar.

1.c.δ Allgemeine Transformation, aktive und passive Transformation

Eine allgemeine Transformation zwischen zwei Koordinatensystemen setzt sichaus einer Rotation der Basis und einer Verschiebung des Ursprungs zusammen.

x′

β = Aβαxα + cβ. (1.50)

Wir haben hier ein und dieselben Orte, das heißt ein und dasselbe System,in verschiedenen Koordinatensystemen betrachtet. Eine solche Transformationbezeichnet man als passive Transformation, da sich am System nichts andert,nur an seiner Beschreibung.

Davon zu unterscheiden ist die aktive Transformation. Bei dieser behaltman das Koordinatensystem bei, verschiebt und verdreht aber das ganze Sys-tem. Hier gelten naturlich fur die Koordinaten des alten und des neuen Systemsdie gleichen Transformationsgleichungen, aber sie haben nun eine andere Bedeu-tung.

1.d Geschwindigkeit

Wir bezeichnen die Zeitableitung mit einem Punkt und fuhren die Geschwin-digkeit v als Ableitung des Ortsvektors nach der Zeit ein

vi(t) = xi(t) = xiα(t)eα. (1.51)

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Page 10: Klassische Mechanik - Physik Skripte

vi(t) ist ein Vektor, denn

xi(t) = x′

iβe′β = x′

iβAβαeα = xiαeα, (1.52)

alsoviα = Aβαv′iβ . (1.53)

1.e Beschleunigung

Die Beschleunigung a ist die Ableitung der Geschwindigkeit nach der Zeit

ai(t) = vi(t) = viα(t)eα = xiα(t)eα. (1.54)

Sie ist ebenfalls ein Vektor.

Zerlegung der Beschleunigung in Tangential- und Normalbeschleuni-gung Wir schreiben

v = vt, |t| = 1. (1.55)

Dabei ist v der Betrag der Geschwindigkeit und t der Tangentialvektor an dieBahnkurve1. Die Zeitableitung gibt

v = vt + vt. (1.56)

Der erste Term auf der rechten Seite gibt die Tangentialbeschleunigung, dasheißt die Komponente in Richtung der Geschwindigkeit an. Der zweite Termist orthogonal auf t, da (t2)· = 2t · t = 1 = 0. Der Einheitsvektor in Richtungvon t sei n. Dieser wird als Normalenvektor bezeichnet. Die von t und naufgespannte Ebene wird als Schmiegebene bezeichnet, da sich die Bahn indiese Ebene schmiegt.

n

t (t) t (t+dt)

R

Aus

dt = ndφ = nds

R(1.57)

mit dem momentanen Krummungsradius R der Bahn folgt dann

t =dt

dt= n

v

R(1.58)

und damit

v = vt +v2

Rn. (1.59)

Die Normal- oder Zentripedalbeschleunigung ist v2/R.

1Man verwechsle nicht t und t, die hier ganz unterschiedliche Bedeutung haben

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Page 11: Klassische Mechanik - Physik Skripte

2 Newtonsche Bewegungsgesetze

2.a Newtonsches Bewegungsgesetz

2. Newtonsches Gesetz - lex secunda ”Die Anderung der Bewegungist der Einwirkung der bewegenden Kraft proportional und geschieht nach derRichtung derjenigen Linie, nach welcher jene Kraft wirkt.”

Jeder Massenpunkt hat einen Impuls, in der nicht-relativistischen Form

pi = mivi (2.1)

sonst allgemein pi(mi,vi). Dabei ist mi die trage Masse des MassenpunktesNummer i. Die zeitliche Anderung des Impulses ist die Kraft Fi (bei Newtonactio), die auf den Massenpunkt wirkt

dpi(t)

dt= mivi = Fi. (2.2)

Ein System von N Massenpunkten ubt auf den iten Massenpunkt die Kraft Finn

i

aus. Nun lasse man eine zusatzliche außere Kraft Faus

i auf diesen Massenpunktwirken. Falls diese nur auf den iten Massenpunkt wirkt und unabhangig vonFinn

i ist, d.h. falls die Gesamtkraft die Resultierende Fi = Finn

i + Faus

i ist(Superpositionsprinzip) so kann man Finn messen. Dazu wahlt man Faus

i so,dass sich der Massenpunkt mit konstanter Geschwindigkeit bewegt, messe Faus

i

(z.B. mit einer Federwaage) und findet Finn

i = −Faus

i . Insoweit ist dieses Gesetzkeine Definition der Kraft, sondern tatsachlich Bewegungsgesetz.

4. Newtonsches Gesetz - lex quarta Wir haben hier vom Superpositions-prinzip Gebrauch gemacht ”Krafte addieren sich wie Vektoren”.

Die Kraft Fi ist im allgemeinen eine Funktion der Orte, manchmal auch derGeschwindigkeiten,

mixi(t) = Fi(x1, ...xN , x1, ...xN , t) (2.3)

mit i = 1...N . Dies sind 3N gewohnliche Differentialgleichungen zweiter Ord-nung oder

xi(t) = vi(t), (2.4)

mvi(t) = Fi(x1, ...xN ,v1, ...vN , t) (2.5)

6N gewohnliche Differentialgleichungen erster Ordnung.Gewohnliche Differentialgleichungen: Die Funktionen (hier xiα und viα han-

gen nur von einer Variablen (hier die Zeit t) ab.Gegensatz: Partielle Differentialgleichungen: Die Funktionen hangen von meh-

reren Variablen ab. Zum Beispiel hangen das elektrische und das magnetischeFeld von den drei Ortskoordinaten und der Zeit ab. Die Differentialgleichungenenthalten partielle Ableitungen nach diesen unabhangigen Variablen.

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Page 12: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Die vorliegenden Bewegungsgleichungen (gewohnliche Differentialgleichun-gen) kann man als Anfangswertproblem behandeln. Die Losung ist durch dieAnfangsbedingungen x1(t0), ... xN (t0), v1(t0), ... vN (t0) eindeutig bestimmt,falls die Fi bezuglich t stetig und bezuglich der x und v differenzierbar sind(Scheck, S. 31; Arnold, 1973).

2.b Inertialsystem

Newton hatte die Vorstellung eines absoluten Raumes, fur den er die Gesetzeder Mechanik formulierte. Die bisher genannten Gesetze gelten fur beliebigeBezugssysteme. Aber welches sollen wir wahlen? Newton hatte (ein) bestimm-te(s) im Auge:

1. Newtonsches Gesetz - lex prima ”Jeder Korper beharrt im Zustandder Ruhe oder der gleichformigen geradlinigen Bewegung, wenn er nicht durcheinwirkende Krafte gezwungen wird, seinen Zustand zu andern.” Das kann manim Hinblick auf das 2. Gesetz als trivial ansehen: Wenn keine Kraft wirkt,bleibt der Impuls konstant. Newton meinte aber, dass es ein ausgezeichnetesBezugssystem gibt. Genauer: Entfernt man die Massen eines Systems hinrei-chend weit von einander, so gibt es ein Bezugssystem, in dem die Krafte auf dieKorper beliebig klein werden. Fur dieses System soll das 1. Gesetz gelten. Wirbezeichnen solch eine Bezugssystem als Inertialsystem.

Kein Inertialsystem stellt ein Karussel oder ein fahrender Zug (bzw. Straßen-bahn oder Bus) dar. Bei ihnen treten große (scheinbare) Beschleunigungen unddaher Krafte auf entfernte Massen auf.Besser ist es schon mit einem erdfesten Koordinatensystem fur Bewegungennahe der Erde zu arbeiten, aber Abweichungen wegen der Erdrotation und derRotation der Erde um die Sonne.Noch besser ist es die Sonne als Ursprung mit Orientierung am Fixsternhimmelzu verwenden.Weitere Verbesserungen sind notig und moglich, da sich die Sonne um das Zen-trum des Milchstraßensystems bewegt.Ihre Grenzen findet die Beschreibung dort, wo die Effekte der allgemeinen Re-lativitatstheorie (Urknall, schwarze Locher) dominant werden.

Die Definition des Inertialsystems ist zunachst Postulat. Man postuliert,dass es ein solches gibt, zum andern auch Definition: Aus einer großen Klassedenkbarer Bezugssysteme sondern wir eines (bzw. eine ganze Klasse) aus.

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Page 13: Klassische Mechanik - Physik Skripte

3 Energie

3.a Potentielle Energie, konservative Krafte

Von der Geschwindigkeit hangen (in der makroskopischen Welt) nura) die Lorentz-Kraft (bewegte Ladung im Magnetfeld),b) die Reibungskrafte ab.Wir wollen die Behandlung geschwindigkeitsabhangiger Krafte zuruckstellen.

Die Erfahrung zeigt, dass die geschwindigkeitsunabhangigen Krafte aus ei-nem Potential V hergeleitet werden konnen. Die Kraft Fi auf den MassenpunktNr. i ist dann

Fi = −gradV(x1, ...xi, ...xN ) = − ∂V∂xiα

eα (3.1)

∂V∂xiα

ist eine partielle Ableitung, d.h. V wird nach xiα abgeleitet, wobei alleanderen xjβ festgehalten werden. V heißt potentielle Energie. Die Krafte, dieaus einem Potential herleitbar sind, heißen konservativ. Das Potential kanndaruber hinaus von der Orientierung der Korper abhangen, z.B. wenn sie einelektrisches oder magnetisches Moment tragen. Innerhalb der Behandlung vonMassenpunkten werden wir diese Eigenschaft nicht berucksichtigen.

Der Gradient Auf einer Flache konstanten Potentials (hier betrachten wirnur einen Massenpunkt) gilt

dV =∂V∂xα

dxα =∂V∂xα

eαeβ · dxβ = gradV · dx = 0. (3.2)

Der Gradient steht also senkrecht auf den Flachen konstanten Potentials. Erzeigt in Richtung des Potentialanstieges und gibt betragsmaßig den Anstieg desPotentials wider. Anschaulich ”gradV =Steigung des Potentials V”.Zwei Beispiele:

α) grad (a · x) = eα

∂xα

(aβxβ) = eαδαβaβeαaα = a. (3.3)

a · x steigt in Richtung von a an.

β) f(|x|) = eα

∂xα

f(x(x1, x2, x3)) = eα

∂|x|∂xα

df

dx(3.4)

mit

|x| =√

x21 + x2

2 + x23,

∂|x|∂xα

=xα

x21 + x2

2 + x23

=xα

|x| . (3.5)

Damit finden wir

gradf(|x|) =x

|x|df

dx. (3.6)

Die Bedingung Fi = −grad iV stellt eine wesentliche Einschrankung an dieKrafte dar. Denn aus

Fiα = − ∂V∂xiα

(3.7)

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Page 14: Klassische Mechanik - Physik Skripte

folgt∂Fiα

∂xjβ

= − ∂2V∂xiα∂xjβ

=∂Fjβ

∂xiα

. (3.8)

Speziell fur i = j folgt∂Fiα

∂xiβ

=∂Fiβ

∂xiα

. (3.9)

Diese drei unabhangigen Gleichungen lassen sich zusammenfassen zu rot iFi =0, denn (ohne Indices i) ist die Rotation definiert durch

rotF = ǫαβγeα

∂Fγ

∂xβ

, (rotF)1 =∂F3

∂x2− ∂F2

∂x3, und zyklisch (3.10)

Andererseits sind die Bedingungen (3.8) hinreichend fur die Existenz einesPotentials. Sie garantieren, dass

−∑

i

Fiαdxiα = −∑

i

Fidxi (3.11)

ein vollstandiges Differential ist, das heißt das Integral

−∫

x1,...xN

a1,...aN

i

Fi(x′1, ...x

′N )dx′

i = V(x1, ...xN ) − V(a1, ...aN ) (3.12)

ist unabhangig vom Integrationsweg. Dies folgt aus dem Stokesschen Satz. Fureinen Massenpunkt hat man fur zwei Wege (A) und (B)

A

B

a

x

∫x

a

(A)

Fdx −∫

x

a

(B)

Fdx =

rotFdf = 0, (3.13)

da rotF = 0. Dabei wird das Linienintegral uber die geschlossene Linie langs(A) und anschließend in Gegenrichtung (= negativer Richtung) langs (B) in einFlachenintegral uber die von (A) und (B) berandete Flache umgewandelt.

Entsprechendes gilt fur 3N Variable xiα im 3N dimensionalen Raum. Er-setzen wir die zwei Indices (i, α) durch einen Index k, der von 1 bis 3N lauft,dann lost man Fk = − ∂V

∂xk, indem man zunachst in x1, dann x2, ... und zuletzt

in x3N -Richtung integriert,

V(x1, ...x3N ) = V(a1, ...a3N ) −3N∑

k=1

∫ xk

ak

Fk(x1, ...xk−1, x′, ak+1, ...a3N )dx′.

(3.14)

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Page 15: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Aus dieser Darstellung konnen wir auch sehen, dass (3.7) tatsachlich erfullt ist,wenn (3.8) gilt. Hierzu bilden wir

− ∂V∂xj

= Fj(...xj−1, xj , aj+1, ...)

+

3N∑

k=j+1

∫ xk

ak

∂Fk

∂xj︸︷︷︸

∂Fj

∂x′

(...xk−1, x′, ak+1, ...)dx′

= Fj(...xj−1, xj , aj+1, ...)

+

3N∑

k=j+1

(Fj(...xk, ak+1, ...) − Fj(..., xk−1, ak, ...))

= Fj(x1, ..., x3N ). (3.15)

Der obige spezielle Integrationsweg ergibt also eine Losung fur V , die samtlicheGleichungen Fj = − ∂V

∂xjerfullt, wenn

∂Fj

∂xk= ∂Fk

∂xjgilt.

Ein eindeutiges Potential ergibt sich nur, wenn das Gebiet, fur das (3.7)gilt, einfach zusammenhangend ist. Es muss also beim Zusammenziehen derBerandung zu einem Punkt die Gleichung (3.7) auf der dabei uberstrichenenFlache uberall gelten. Man erkennt das aus der Herleitung mit dem Stokes-schen Satz.

3.b Energieerhaltung und Homogenitat der Zeit

Falls das System abgeschlossen ist, d.h. von außen keine Krafte auf Massen-punkte wirken, hangt V nicht explizit von der Zeit ab, nur implizit uber diexi(t),

V = V(x1, ...xN ). (3.16)

Aus dieser Unabhangigkeit von der Zeit folgt der Satz von der Erhaltung derEnergie. Wir betrachten die zeitliche Anderung der potentiellen Energie

dVdt

=∑

i

xiα

∂V∂xiα

=∑

i

vigrad iV

= −∑

i

viFi = −∑

vimivi = − d

dt

i

mi

2v2

i . (3.17)

Man bezeichnetT =

i

mi

2v2

i (3.18)

als die kinetische Energie des Systems. Es gilt

d

dt(T + V) = 0, (3.19)

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Page 16: Klassische Mechanik - Physik Skripte

das heißt die EnergieE = T + V (3.20)

ist zeitlich konstant. Die Eigenschaft, dass V eines abgeschlossenen, d.h. mitder ubrigen Welt nicht wechselwirkenden Systems, von der Zeit unabhangig ist,begrundet die Homogenitat der Zeit. Sie besagt, dass kein Zeitpunkt fur diephysikalischen Gesetze ausgezeichnet ist. Kennt man fur solch ein System eineLosung der Bewegungsgleichungen xi(t) = fi(t), so ist auch xi(t) = fi(t − t0)fur festes beliebiges t0 Losung.

Krafte, die sich aus einem zeitunabhangigen Potential herleiten lassen, be-zeichnet man als konservativ.

3.c Eindimensionale Systeme mit einem Massenpunkt I

Wir gehen aus von der Energie-Erhaltung

E = T + V =m

2x2 + V(x) (3.21)

und erhalten daraus(

dx

dt

)2

=2(E − V(x))

m(3.22)

Die Gleichung lasst sich auflosen zu

dt = ±√

m

2(E − V(x))dx (3.23)

und wird damit eine separable Differentialgleichung. Separabel heißt, man kanndie Gleichung in der Form

f(t)dt = g(x)dx (3.24)

schreiben. Dann kann man beide Seiten integrieren. In unserem Fall heißt das

t − t0 = ±∫ x(t)

x(t0)

√m

2(E − V(x′))dx′. (3.25)

V(x)

E

x x xmaxmin1 min2 xEs sind verschiedene Arten der Bewegung moglich. Eine Moglichkeit besteht

darin, dass sich der Massenpunkt aus großer Entfernung nahert, um schließlichbei xmin2 seinen nachsten Punkt zu erreichen, dort umzukehren und wieder

16

Page 17: Klassische Mechanik - Physik Skripte

in große Entfernung zu verschwinden. Die andere Moglichkeit besteht darin,dass der Massenpunkt zwischen xmin1 und xmax oszilliert. Die Periode derSchwingung ergibt sich zu

T = 2

∫ xmax

xmin

... =

∫ xmax

xmin

2m

E − V(x′)dx′. (3.26)

3.c.α Der harmonische Oszillator

Der harmonische Oszillator mit der Federkonstanten f wird durch das Potential

V =f

2x2 (3.27)

beschrieben. Bei gegebener Energie E betragt seine Maximal-Auslenkung

xmax = a =

2E

f= −xmin. (3.28)

Damit ergibt sich die Schwingungsdauer zu

T =

∫ a

−a

2mf2a2 − f

2 x2=

√4m

f

∫ a

−a

dx√a2 − x2

. (3.29)

Mit der Substitution x = aξ erhalt man

T =

√4m

f

∫ +1

−1

dξ√

1 − ξ2

︸ ︷︷ ︸

π

= 2π

√m

f(3.30)

Den zeitlichen Ablauf erhalt man aus

t =

∫ x √m

fa2 − fx′2dx′ =

√m

farcsin(

x

a) + t0, (3.31)

woraus nach x aufgelost

x = a sin(

f

m(t − t0)) (3.32)

folgt.

3.c.β Der anharmonische Oszillator

Gegeben sei ein anharmonischer Oszillator mit dem Potential

V(x) =f

2x2 +

g

4x4. (3.33)

17

Page 18: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Seine maximale Auslenkung sei a = xmax = −xmin. Dann ist seine EnergieE = f

2 a2 + g4a4. Wir finden dann fur die Schwingungsdauer

T =

∫ +a

−a

2mf2 a2 + g

4a4 − f2 x2 − g

4x4dx

=

√4m

f

∫ +a

−a

dx√

(a2 − x2)(1 + g2f

a2 + g2f

x2). (3.34)

Es sei λ := ga2

f≪ 1, das heißt die Anharmonizitat sei klein. Wir entwickeln

dann den Integranden

1√

1 + 12λ(1 + x2

a2 )= 1 − 1

4λ(1 +

x2

a2) + O(λ2). (3.35)

Damit erhalten wir die Schwingungsdauer

T =

√4m

f

∫ +a

−a

dx√a2 − x2

(1− λ

4(1 +

x2

a2) + O(λ2)) = 2π

√m

f(1− 3

8λ + O(λ2)).

(3.36)Das allgemeine Prinzip der Entwicklung fur den anharmonischen Oszillator mit

V(x) =f

2x2 + O(x3) (3.37)

ist es, zunachst die Umkehrpunkte xmin und xmax zu bestimmen, und da andiesen beiden Punkten E − V verschwindet, entsprechende Faktoren herauszu-ziehen

E − V(x) =f

2(xmax − x)(x − xmin)(1 + h(x)). (3.38)

Damit ergibt sich die Schwingungsdauer

T =

√4m

f

∫ xmax

xmin

dx√

(xmax − x)(x − xmin)(1 + h(x)). (3.39)

Man kann bei schwacher Anharmonizitat nach Potenzen von h(x) entwickelnund erhalt

dx√

(xmax − x)(x − xmin)(1 − 1

2h(x) +

3

8h2(x) − ...) (3.40)

Falls V ein Polynom in x ist, gilt das auch fur h(x). Dann ergeben sich in derEntwicklung elementare Integrale.

18

Page 19: Klassische Mechanik - Physik Skripte

4 Impuls

4.a Impulserhaltung

Ahnlich wie die Homogenitat der Zeit gibt es auch die Homogenitat des Raumes.Sie besagt, dass kein Punkt im Raum ausgezeichnet ist, dass also das Potentialeines abgeschlossenen Systems invariant ist, wenn man alle Massenpunkte umden gleichen Vektor a verschiebt,

V(x1 + a, ...,xN + a) = V(x1, ...,xN ). (4.1)

Da V von a unabhangig ist, folgt

∂V∂aα

= 0 =∑

i

∂V∂xiα

, also∑

i

grad iV = 0. (4.2)

Dabei bezeichnen wir den Gradienten bezuglich xi mit grad i. Es folgt dann

i

Fi =d

dt

i

pi = 0 (4.3)

mit dem Impuls pi = mivi des Teilchens i. In einem abgeschlossenen Systemist die Summe der Krafte gleich Null und der Gesamtimpuls

P =∑

i

pi (4.4)

ist als Folge der Homogenitat des Raumes erhalten.

4.b Schwerpunkts-Bewegung

Aus ∑

i

mixi(t) =∑

i

pi(t) = P (4.5)

mit konstantem P folgt durch Integration nach der Zeit∑

i

mixi(t) = Pt + S (4.6)

eine weitere Konstante der Bewegung, S. Der Schwerpunkt ist definiert als

R(t) =

i mixi(t)∑

i mi

. (4.7)

Mit der Gesamtmasse M =∑

i mi folgt dann

R(t) =1

M(S + Pt). (4.8)

Der Schwerpunkt eines abgeschlossenen Systems bewegt sich gleichformig mitder Geschwindigkeit P/M .

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Page 20: Klassische Mechanik - Physik Skripte

4.c Galilei-Invarianz

Ist xi(t), i = 1, ..., N Losung der Bewegungsgleichungen, so ist auch Xi(t) =xi(t) + a + ut Losung der Bewegungsgleichungen. Dies folgt unmittelbar ausder Homogenitat des Raumes. Es gilt

miXi(t) = Fi(X1, ...,XN ) = Fi(x1, ...,xN ) = mixi(t). (4.9)

Es gilt auch fur geschwindigkeitsabhangige Krafte, falls

Fi(x1, ...,xN ,v1, ...,vN ) = Fi(x1 + a, ...,xN + a,v1 + u, ...,vN + u) (4.10)

fur beliebiges a und u. Diese Invarianz bezeichnet man als Galilei-Invarianz.Folge:

(i) Zu jedem Inertialsystem ist auch jedes dagegen gleichformig bewegte Bezugs-system Inertialsystem.(ii) Wir konnen ein abgeschlossenes System auch in seinem Schwerpunktssystembetrachten, indem wir xi(t) = Xi(t) + R(t) wahlen. Fur dieses System mit∑

i miXi(t) = 0 gelten die gleichen Bewegungsgleichungen.

4.d Zweiteilchenkrafte

In vielen Fallen (insbesondere auf große Abstande) lasst sich die potentielleEnergie als eine Summe von Zweiteilchenpotentialen darstellen

V(x1, ...,xN ) = V12(x1,x2) + V13(x1,x3)... + V1N(x1,xn)

+ V23(x2,x3) + ... + V2N(x2,xN )

+ ... + VN−1,N(xN−1,xN ) (4.11)

was wir∑

i,j,i<j

Vij(xi,xj) =1

2

ij

Vij(xi,xj) (4.12)

schreiben konnen, wobei wir o.E.d.A. Symmetrie

Vji(xj ,xi) = Vij(xi,xj), Vii = 0 (4.13)

annehmen. Auf den Massenpunkt i wirkt dann die Kraft

Fi =∑

j 6=i

Fji, Fji = −grad iVij(xi,xj). (4.14)

Die Gesamtkraft Fi setzt sich aus den Zweiteilchenkraften Fji durch Additionzusammen.

Wir betrachten zunachst fur N = 2 Massen die Konsequenzen der Ho-mogenitat des Raumes. Es gilt

V12(x1,x2) = V12(x1 + a,x2 + a) (4.15)

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Page 21: Klassische Mechanik - Physik Skripte

fur beliebiges a. Wahlen wir nun a = −x2, so folgt

V12(x1,x2) = V12(x1 − x2,0). (4.16)

Die potentielle Energie hangt also nur vom Abstandsvektor x12 = x1 − x2 ab.Daraus folgt

F21 = −grad 1V12(x1 − x2,0),

F12 = −grad 2V12(x1 − x2,0) = +grad 1V12(x1 − x2,0) = −F21,(4.17)

das heißt die Masse 1 ubt auf die Masse 2 die gleiche Kraft aus wie die Masse2 auf die Masse 1, nur mit entgegengesetztem Vorzeichen. Dies ist dasDritte Newtonsches Gesetz ”Die Wirkung ist stets der Gegenwirkung gleich,oder die Wirkungen zweier Korper aufeinander sind stets gleich und von entge-gengesetzter Richtung.” (kurz actio est reactio.)

Man kann sich uberlegen, dass fur N > 2 die Forderungen

V(x1 + a, ...xN + a) = V(x1, ...xN ), (4.18)

V(x1, ...xN ) =∑

i<j

Vij(xi,xj) (4.19)

dazu fuhrt, dass man

V(x1, ...xN ) =∑

i<j

Vij(xi − xj) (4.20)

schreiben kann. Aus der ersten Forderung folgt

V(x1, ...xN ) = V(x1 − xN , ...xN−1 − xN ,0). (4.21)

Nun konnen die Vij aber nur von xi und xj abhangen. Die einzige Moglichkeit,solch eine Funktion zu bilden, besteht darin, die Differenz (xi−xN )−(xj−xN ) =xi − xj zu bilden. Das ist kurz die Idee des Nachweises.

Wir beobachten: Aus Kraft= −Gegenkraft folgt fur zwei Massen, auf diesonst keine Krafte wirken,

mixi = −mjxj , (4.22)

das heißt die Beschleunigungen sind (bis auf das Vorzeichen) umgekehrt pro-portional zu den Massen. Das erlaubt die Bestimmung der Massen, wenn manerstmal ein Massennormal eingefuhrt hat.

21

Page 22: Klassische Mechanik - Physik Skripte

5 Drehimpuls

Isotropie Wir fordern nun neben der Homogenitat des Raumes auch dieIsotropie des Raumes. Sie besagt, dass fur abgeschlossene Systeme keine Rich-tung des Raumes fur die physikalischen Gesetze ausgezeichnet ist. Wir fordern,dass die potentielle Energie invariant bleibt, wenn alle Massen aus ihren Lagenxi durch eine Drehung um den Ursprung in eine neue Lage Xi gebracht werden,

V(X1, ...XN ) = V(x1, ...xN ). (5.1)

5.a Drehungen

Wir bestimmen zunachst, in welchen Vektor X der Vektor x bei Drehung umeinen Winkel φ um eine Achse parallel zu e ubergeht. Es sei |e| = 1. Wir zer-legen x in einen Anteil x‖ parallel und einen Anteil x⊥ senkrecht zur Drehachse

x = x‖ + x⊥, x‖ = e(e · x), (5.2)

da (e · x) die Projektion von x auf e darstellt. Aus der Identitat

a × (b× c) = (a · c)b − (a · b)c (5.3)

folgt mit a = b = e, c = x

e× (e × x) = (e · x)e − x, (5.4)

daher gilt x⊥ = x − (e · x)e = −e × (e × x). Die Vektoren x⊥, a = e × x, e

stehen senkrecht aufeinander (x⊥ = −e× a = a× e) und bilden ein Rechtssys-tem. Weiter gilt |x⊥| = |a|.

x

X

a

φ __

_

_

Drehen wir nun x um den Winkel φ um die e-Achse, so bleibt x‖ erhalten,wahrend x⊥ in der (x⊥,a)-Ebene liegt. Wir finden

X‖ = x‖, X⊥ = x⊥ cosφ + a sin φ, (5.5)

woraus

X = X‖ + X⊥ = e(e · x) − e× (e × x) cosφ + e × x sin φ

= x cosφ + (1 − cosφ)e(e · x) + e × x sin φ (5.6)

folgt. Fur infinitesimal kleinen Drehwinkel dφ folgt

X = x + e× xdφ. (5.7)

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Page 23: Klassische Mechanik - Physik Skripte

5.b Drehimpulserhaltung

Wir setzen nun den Ausdruck fur X, Gl. (5.7) in (5.1) ein und leiten nach φ ab

∂V∂φ

= 0 =∑

i

∂Xi

∂φgrad iV =

i

(e × xi)(−Fi) = −e∑

i

xi × Fi. (5.8)

Da die Gleichung fur e in beliebiger Richtung gilt (wir konnen, z.B. fur e derReihe nach die drei Basisvektoren wahlen), folgt dass das Gesamtdrehmoment

M :=∑

i

xi × Fi (5.9)

verschwindet. Das Drehmoment ist mit der Zeitableitung des Drehimpulses

L :=∑

i

xi × pi (5.10)

verknupft

L =∑

i

xi × pi +∑

i

xi × pi =∑

i

xi × Fi = M. (5.11)

Der erste Term verschwindet, da xi und pi parallel sind. Fur das abgeschlosseneSystem folgt aus der Isotropie des Raumes die Erhaltung des Drehimpulses

L = 0, L = const. (5.12)

5.c Konsequenz fur Zweiteilchenkrafte

Wir betrachten zunachst nur zwei Teilchen. Dann muss V12(x1 − x2) invariantsein gegen beliebige Drehungen von x1−x2. Dabei geht x1−x2 in einen VektorX1 −X2 beliebiger Richtung aber gleicher Lange uber, d.h. V12 hangt nur vomBetrag |x1 − x2| ab,

V12 = V12(|x1 − x2|). (5.13)

Man kann fur N > 2 argumentieren, dass fur eine Summe von Zweiteilchenpo-tentialen

V =1

2

ij

Vij(|xi − xj |) (5.14)

gilt.2 Wir berechnen nun die Kraft Fji, die der Massenpunkt j auf i ausubt,

Fjiα = − ∂Vij

∂xiα

= −∂|xi − xj |∂xiα

∂Vij

∂|xi − xj |= −xiα − xjα

|xi − xj |V ′

ij , (5.15)

2Hinweis: Man setze zunachst alle Vektoren xk = 0 bis auf xi und fuhre die infinitesimaleRotation durch. Dies ergibt

kxi × grad iVik = 0. Dann setze man alle Vektoren xk =

0 bis auf xi und xj . Das fuhrt unter Verwendung des obigen Resultats auf (xi − xj) ×gradVij(xi − xj) = xi × gradVij(x) − xj × gradVij(−xj). Der Gradient bezieht sich jeweilsauf das Argument von V . Da die Gleichung f(a + b) = f(a) + f(b) fur reelle a und b nurdie Losung f(a) = ca mit beliebiger Konstante c hat, folgt x × gradVij(x) ist linear in x,also x × gradVij(x) = eβcijαβxα. Skalare Multiplikation mit x muss 0 ergeben. Daher ist

cαβ = −cβα und man erhalt x × gradVij(x) = x × c, woraus Vij(x) = Vij(|x|) + c · x folgt.Einsetzen in das gesamte V und erneute Betrachtung der Drehinvarianz zeigt, dass die Summeder Terme cij(xi − xj) verschwinden muss.

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Page 24: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Fji = − xi − xj

|xi − xj |∂V

∂|xi − xj |. (5.16)

Falls V ′ > 0, dann wirkt die Kraft in Richtung von xj − xi; sie ist anziehend.Falls V ′ < 0, dann wirkt die Kraft in Richtung von xi − xj ; sie ist abstoßend.Es handelt sich in beiden Fallen um eine Zentralkraft, da sie in Richtung derVerbindungsgeraden der beiden Massen wirkt. Man sieht leicht, dass fur Zen-tralkrafte das Gesamtdrehmoment M verschwindet, denn

xi × Fji + xj × Fij = (xi − xj) × Fji = 0, (5.17)

da Fji und xi − xj parallel oder antiparallel sind. Damit wird

M =

N∑

i=1

xi × Fi =∑

ij

xi × Fji =∑

i<j

xi × Fji +∑

i>j

xi × Fji. (5.18)

Tauschen wir in der letzten Summe i und j aus, fassen die beiden Summenzusammen und verwenden (5.17), dann folgt M = 0.

Anmerkung Dreikorperpotentiale fuhren auf keine Zentralkrafte, aber erfullen dieInvarianz-Forderung (5.1). Fuhrt man zum Beispiel die Berechnung der Van der Waals-Wechselwirkung uber den Zweiteilchenbeitrag ∝ 1/|xi − xj |

6 eine Ordnung weiter, soerhalt man ein Dreikorperpotential

V =const

x3

12x3

13x3

23

[−2

3+ (x12x13)

2 + (x12x23)2 + (x13x23)

2 − 3(x12x13)(x12x23)(x13x23)]

(5.19)

mit xij = |xi − xj |, xij =xi−xj

xij. Dieses Potential ist invariant unter Rotationen, da

es nur Betrage und Skalarprodukte der Vektoren enthalt.

24

Page 25: Klassische Mechanik - Physik Skripte

6 Teilsysteme, Einheiten

6.a Energiebilanz eines Teilsystems

Wir betrachten ein Teilsystem bestehend aus den Massenpunkten i = 1, ..n.Wir nehmen weiterhin an, dass die Krafte Zweiteilchenkrafte sind. Die EnergieET des Teilsystems sei als Summe der kinetischen Energie der Massen m1, ...mn und der potentiellen Energie zwischen den Massenpunkten definiert

ET =

n∑

i=1

mi

2v2

i +1

2

n∑

i=1

n∑

j=1

Vij(xi,xj). (6.1)

Die Anderung der Energie des Teilsystems ergibt sich zu

dET

dt=

n∑

i=1

mivivi −1

2

n∑

i=1

n∑

j=1

(viFji + vjFij) =

n∑

i=1

vi(mivi −

n∑

j=1

Fji). (6.2)

Nun ist aber

mivi =N∑

j=1

Fji, (6.3)

woraus

mivi −

n∑

j=1

Fji =

N∑

j=n+1

Fji =: Fai (6.4)

folgt. Fai ist die außere Kraft, die von den ubrigen Massenpunkten auf die Masse

mi ausgeubt wird. Es gilt also

dET

dt=

n∑

i=1

vi ·Fai . (6.5)

Die Anderung der Energie des Teilsystems pro Zeit heißt Leistung. Die Ande-rung ∆ET = ET(t1) − ET(t0) ist die am Teilsystem in der Zeit von t0 bis t1geleistete Arbeit.

Zerlegt man ein System in zwei Teilsysteme, so ist die Summe der Energiender Teilsysteme nicht die Gesamtenergie; vielmehr kommt noch die Wechsel-wirkungsenergie zwischen beiden Systemen hinzu,

E = ET1+ ET2

+ EWW, EWW =

n∑

i=1

N∑

j=n+1

Vij(xi,xj). (6.6)

6.b Impuls und Drehimpuls eines Teilsystems

Der Impuls des Teilsystems ist

PT =n∑

i=1

pi =n∑

i=1

mivi. (6.7)

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Page 26: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Seine zeitliche Anderung ergibt sich zu

dPT

dt=

n∑

i=1

mivi =n∑

i=1

N∑

j=1

Fji =n∑

i=1

n∑

j=1

Fji

︸ ︷︷ ︸

Fij+Fji=0

+n∑

i=1

N∑

j=n+1

Fji (6.8)

Die inneren Krafte heben sich gegenseitig auf,

dPT

dt=

n∑

i=1

Fai . (6.9)

Die Anderung des Impulses ist durch die Summe der außeren Krafte gegeben.Der Drehimpuls des Teilsystems ist gegeben durch

LT =

n∑

i=1

xi × pi. (6.10)

Seine zeitliche Anderung ist gegeben durch

dLT

dt=

n∑

i=1

xi × Fi =n∑

i=1

n∑

j=1

xi × Fji

︸ ︷︷ ︸

0 wie fur abgeschlossenes System

+n∑

i=1

xi × Fai . (6.11)

Die zeitliche Anderung des Drehimpulses ist gegeben durch die Summe deraußeren Drehmomente.

6.c Einheiten

Die Basiseinheiten sindSI cgs

Lange m cmMasse kg gZeit s s

Zusammengesetzte Einheiten mit besonderen Namen sindKraft Newton N = kg m

s2 dyn = g cms2

Energie Joule J = kg m2

s2 erg = g cm2

s2

Leistung Watt W = kg m2

s3

Druck Pascal Pa = kgm s2

Beschleunigung Galilei gal = cms2

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Page 27: Klassische Mechanik - Physik Skripte

7 Eine Masse sehr groß gegen alle anderen

7.a Bewegungsgleichungen

In vielen Fallen ist eine Masse(mN) sehr groß gegen alle anderen (z.B. Erdegegen Satellit, Rakete, Pendel, Elementarteilchen etc. oder Sonne gegen Plane-ten oder Atomkerne gegen Elektronen)

mi ≪ mN , i = 1, ...N − 1. (7.1)

In diesem Fall verwendet man gerne den Schwerpunkt der großen Masse als Ur-sprung des Bezugssystems. Man hat dann genau genommen kein Inertialsystemmehr, aber die Beschleunigung, die die große Masse durch die kleinen erfahrt,ist haufig vernachlassigbar klein.3 Fur das Zweikorperproblem (N = 2) werdenwir spater eine exakte Behandlung geben.

Wir fuhren Relativ-Koordinaten zur schweren Masse ein

x′

i = xi − xN , i = 1, ...N − 1, (7.2)

mix′

i = mixi − mixN = Fi −mi

mNFN . (7.3)

Mit mi ≪ mN vernachlassigt man den zweiten Term

mix′

i ≈ Fi. (7.4)

Wegen

V(x1,x2, ...xN ) = V(x1 − xN ,x2 − xN , ...,0) = V(x′

1,x′

2, ...0) (7.5)

gibt es auch hier eine potentielle Energie und es folgt

Fi = −grad iV = −grad ′

iV(x′

1,x′

2, ...0). (7.6)

Fur Zweikorperkrafte folgt

Fi =

N−1∑

j=1

Fji(x′

i − x′

j) + FNi(x′

i). (7.7)

Die erste Summe beschreibt die Krafte zwischen den N −1 leichten Massen, derletzte Term die außere Kraft der schweren Masse.

7.b Erhaltungssatze

Gelten noch die Erhaltungssatze fur das System der Massen m1, ... mN−1

ausgedruckt durch die Relativkoordinaten? Wir beginnen mit der Betrachtungder

3Es gibt Falle, in denen dies nicht zutrifft. Umkreisen zwei leichte Massen m1 und m2

eine schwere, so ist die Gravitations-Kraft zwischen den beiden leichten Korpern von der

gleichen Großenordnung wie der Unterschied der Gravitationskraft zwischen schwerer und

zweiter Masse, der sich durch die Auslenkung der schweren Masse durch die erste Masse

ergibt, wenn alle drei Korper ungefahr gleich weit voneinander entfernt sind.

27

Page 28: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Energie Fur diese schreiben wir nun

E =∑

i

mi

2x′2

i + V(x′

1, ...x′

N−1,0). (7.8)

Hieraus folgtdE

dt=∑

i

x′

i(mix′

i + grad ′

iV) = 0. (7.9)

Der Ausdruck in der Klammer verschwindet wegen der Bewegungsgleichung.Damit haben wir weiterhin Energie-Erhaltung.

Impuls Fur den Impuls erhalten wir

d

dt

(N−1∑

i=1

p′

i

)

=N−1∑

i=1

Fi =N−1∑

i=1

N−1∑

j=1

Fji

︸ ︷︷ ︸

0

+N−1∑

i=1

FNi. (7.10)

Der Impuls ist nicht erhalten. Der Grund liegt darin, dass bei exakter Behand-lung vN = O(1/mN ) und daher pN = O(m0

N ) nicht vernachlassigbar ist.

Drehimpuls Fur den Drehimpuls erhalten wir schließlich

d

dt

(N−1∑

i=1

x′

i × p′

i

)

=

N−1∑

i=1

x′

i × Fi =

N−1∑

i=1

N−1∑

j=1

x′

i × Fji

︸ ︷︷ ︸

0

+

N−1∑

i=1

x′

i × FNi. (7.11)

Die zweite Summe verschwindet ebenfalls, da es sich um Zentralkrafte zwischenUrsprung und x′

i handelt. Der Drehimpuls ist also erhalten. Dies gilt nur,da wir die schwere Masse in den Ursprung gelegt haben. Wir bemerken, dassdie Homogenitat der Zeit (Zeitunabhangigkeit des Potentials) und die Isotropiedes Raumes erfullt ist (System invariant gegen Drehung um schwere Masse).Daher sind Energie und Drehimpuls erhalten. Hingegen ist die Homogenitatdes Raumes nicht gegeben, da bei einer Verschiebung auch die schwere Masseverschoben werden musste. Der Impuls ist also nicht erhalten.

Anders ist die Situation, wenn der Schwerpunkt der schweren Masse sehr weitentfernt ist (Erdmittelpunkt von Erdoberflache). Dann legt man den Schwer-punkt auch nicht mehr in den Ursprung, sondern weit in Richtung der negativenz-Achse. Welche Erhaltungssatze sind dann erfullt? Man untersuche kompo-nentenweise.

7.c Freier Fall

7.c.α Ohne Reibung

Wir betrachten zunachst den freien Fall ohne Reibung und gehen aus von denBewegungsgleichungen

mx = 0, my = 0, mz = −mg (7.12)

28

Page 29: Klassische Mechanik - Physik Skripte

mit der Erdbeschleunigung g. Wir haben hier x, y, z statt x1, x2, x3 geschrieben.Die Losung ergibt sich zu

z(t) =

∫ t

0

z(t′)dt′ + z(0) = −gt + vz(0), (7.13)

z(t) =

∫ t

0

z(t′)dt′ + z(0) = −g

2t2 + vz(0)t + z(0), (7.14)

x(t) = vx(0)t + x(0), (7.15)

y(t) = vy(0)t + y(0). (7.16)

7.c.β Mit Reibung

Wir fugen nun eine Reibungskraft hinzu, die proportional zur Geschwindigkeitist und gehen aus von der Bewegungsgleichung fur die z-Komponente

mz = −mg − kz mit den Anfangsbedingungen z(0) = 0, z(0) = 0. (7.17)

Auf Grund der Reibung nimmt die Masse eine asymptotische Geschwindigkeitz(∞) an, die durch z(∞) = 0 gegeben ist. Wir finden z(∞) = −mg/k. Furv = z haben wir die inhomogene lineare Differentialgleichung 1. Ordnung

v = −g −k

mv, (7.18)

v +k

mv

︸ ︷︷ ︸

linear

= −g︸︷︷︸

Inhomogenitat

. (7.19)

Die zugehorige lineare homogene Gleichung

v0(t) +k

mv0(t) = 0 (7.20)

hat konstante Koeffizienten. Die Losung wird daher durch eine Exponential-funktion gegeben. Mit v0 = eλt folgt

(λ +k

m)eλt = 0 → λ = −

k

m. (7.21)

Damit ist die homogene Gleichung gelost. Zur Losung der inhomogenen Glei-chung setzt man zweckmaßiger Weise v(t) = v0(t)f(t) mit einer unbekanntenFunktion f an. Dann erhalt man

v(t) = v0(t)f(t) = e−kt/mf(t), v(t) = (−k

mf(t) + f(t))e−kt/m (7.22)

und eingesetzt in die Bewegungsgleichung

f(t)e−kt/m = −g, f = −gm

kekt/m + c, v = −

gm

k+ ce−kt/m (7.23)

29

Page 30: Klassische Mechanik - Physik Skripte

MIt der Anfangsbedingung v(0) = 0 erhalt man fur die Integrationskonstante

c =gm

kund v(t) =

gm

k(e−kt/m − 1). (7.24)

Die weitere zeitliche Aufintegration ergibt schließlich die Losung

z(t) =

∫ t

0

dt′v(t′) =gm2

k2(1 − e−kt/m) −

gm

kt. (7.25)

In der Tat fallt nach langer Zeit die Masse mit der Geschwindigkeit −gm/k.

30

Page 31: Klassische Mechanik - Physik Skripte

8 Masse im zahen Medium, Green’s Funktion

8.a Green’s Funktion

Wir beschreiben die Bewegung eines Massenpunktes unter Einwirkung einerReibungskraft, die proportional zur Geschwindigkeit der Masse ist, und einerzeitabhangigen außeren Kraft F (t) durch

mv(t) = −kv(t) + F (t). (8.1)

Dies ist eine lineare Gleichung in v und F . Daher hangt v linear von F ab. AusF (t) = α1F1(t) + α2F2(t) und den Losungen von mv1,2 = −kv1,2 + F1,2 folgtdie Losung

v(t) = vhom(t) + α1v1(t) + α2v2(t). (8.2)

Die Geschwindigkeit v hangt linear von den Kraften ab. Aus dieser Linearitatin F kann man allgemein schließen, dass die Losung in der Form

v(t) = vhom(t) +

∫ +∞

−∞

G(t, t′)F (t′)dt′ (8.3)

geschrieben werden kann. Man bezeichnet G(t, t′) als Green’s-Funktion. Siegibt an, wie die Geschwindigkeit zur Zeit t von der Kraft zur Zeit t′ abhangt.

Allgemeiner gibt die Greensche Funktion G die Abhangigkeit einer Großevon einer anderen ursachlichen an (z.B. auch elektrisches Feld von Ladung,magnetisches Feld von Stromen, etc.).

Wir berechnen nun G. Wir gehen aus von der Losung der homogenen Glei-chung,

mvhom(t) = −kvhom(t), (8.4)

die wir schon aus dem letzten Abschnitt kennen

vhom(t) = v0e−kt/m. (8.5)

Um die Losung der inhomogenen Gleichungen zu erhalten, setzen wir die Losungwieder als Produkt der homogenen Losung und einer unbekannten Funktion f(t)an

v(t) = f(t)e−kt/m. (8.6)

Dann folgt

m(−k

mv + e−kt/mf) = −kv + F (t). (8.7)

Die beiden Terme −kv heben sich weg und es bleibt

f(t) =1

mekt/mF (t) (8.8)

mit der Losung

f(t) =1

m

∫ t

−∞

dt′ekt′/mF (t′) + c, (8.9)

31

Page 32: Klassische Mechanik - Physik Skripte

woraus schließlich

v(t) = ce−kt/m +1

m

∫ t

−∞

dt′e−k(t−t′)/mF (t′) (8.10)

folgt. Die Green’s Funktion hat also die Form

Gret(t, t′) =

1

mθ(t − t′)e−k(t−t′)/m. (8.11)

Sie fallt exponentiell ab. Dabei ist θ(x) die Heavisidesche Stufenfunktion

θ(x) =

1 x > 0,12 x = 0,0 x < 0

(8.12)

0

1(x)θ

xGleichung (8.11) beschreibt die retardierte, d.h. kausale Losung, da v(t) nurvon den Kraften F (t′) zu Zeiten t′ < t, das heißt zu fruherer Zeit abhangt.

Es gibt auch eine avancierte (akausale) Losung mit

f(t) = −1

m

∫∞

t

dt′ekt′/mF (t′) + c′, (8.13)

Gav(t, t′) = −

1

mθ(t′ − t)e−k(t−t′)/m. (8.14)

Sie wachst exponentiell mit der Zeitdifferenz t′ − t an. Es sind auch gemischteLosungen moglich, z.B. G = 1

2 (Gret + Gav). Man uberzeuge sich davon, dasssich diese Losungen nur um homogene Losungen von einander unterscheiden.

8.b Kraftstoß und δ-“Funktion”

Definition: Ein Kraftstoß p zur Zeit t0 fuge einer Masse zu diesem Zeitpunktden Impuls p zu. Dies ist eine Idealisierung mit den Bedingungen an die Kraft

F (t) = 0 fur |t − t0| > ǫ,

∫ t0+ǫ

t0−ǫ

F (t′)dt′ = p, (8.15)

wobei ǫ positiv und infinitesimal sei. Fur ǫ → 0 konnen wir schreiben

∫ t

−∞

F (t′)dt′ = pθ(t − t0), (8.16)

sodass wir formal auch

F (t) = p“ dθ(t − t0)

dt

(8.17)

schreiben. Diese Ableitung der Stufenfunktion θ, die eigentlich nicht existiert,wurde von Dirac eingefuhrt und heißt δ-Funktion oder besser δ-Distribution.Anschaulich ist es eine Funktion die nur beim Argument 0 verschieden von 0

32

Page 33: Klassische Mechanik - Physik Skripte

ist, dort aber so groß, dass das Integral uber die Funktion 1 ergibt. Sie wird inder Regel als Limes eingefuhrt

δ(t) = limǫ→+0

1

ǫf

(t

ǫ

)

, (8.18)

wobei f fur große (positive und negative) Argumente rasch auf Null abfallt(besser noch fur Argument > 1 verschwindet) und

∫ +∞

−∞

dτf(τ) = 1 →

∫∞

−∞

dt1

ǫf

(t

ǫ

)

= 1. (8.19)

Es handelt sich hierbei um eine Erweiterung des Funktions-Begriffs.

8.b.α Integral uber δ-Funktion

Wir gehen aus von

d

dt(u(t)θ(t − t0)) = u(t)θ(t − t0) + u(t)δ(t − t0) (8.20)

und integrieren diese Funktion uber die Zeit

u(t)θ(t − t0)|t−∞

=

∫ t

−∞

dt′u(t′)θ(t′ − t0) +

∫ t

−∞

u(t′)δ(t′ − t0)dt′. (8.21)

Das erste Integral auf der rechten Seite ergibt nur einen Beitrag, wenn t > t0,daher enthalt es einen Faktor θ(t− t0). Wenn aber t > t0, dann bleibt naturlichdas Integral von t0 bis t, also

θ(t − t0)

∫ t

t0

dt′u(t′) = θ(t − t0)(u(t) − u(t0)) (8.22)

Setzen wir das in die Gleichung daruber ein, so erhalten wir

θ(t − t0)u(t0) =

∫ t

−∞

u(t′)δ(t′ − t0)dt′. (8.23)

Generell gilt

∫ t2

t1

u(t′)δ(t′ − t0)dt′ = (θ(t2 − t0) − θ(t1 − t0))u(t0). (8.24)

Das Integral ergibt also u(t0), wenn t0 im Intervall von t1 bis t2 liegt.

8.b.β Kraftstoß

Wir kommen zuruck auf den Kraftstoß. Fur diesen haben wir

F (t) = pδ(t − t0). (8.25)

33

Page 34: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Eingesetzt in unsere allgemeine Formel erhalten wir

v(t) = vhom(t) +

∫∞

−∞

dt′G(t, t′)F (t′)

= vhom(t) +

∫∞

−∞

dt′G(t, t′)pδ(t − t0)

= vhom(t) + pG(t, t0)

= vhom(t) +p

mθ(t − t0)e

−k(t−t0)/m. (8.26)

Auf Grund des Kraftstoßes nimmt die Geschwindigkeit zur Zeit t = t0 diskon-tinuierlich um p/m zu.

8.b.γ Gleichung fur die Green’s-Funktion

Welcher Gleichung genugt die Green’s-Funktion? Mathematisch beschreibt dieGreen’s-Funktion das Folgende: Zu losen ist die lineare DifferentialgleichungLv = F mit dem Operator L = m d

dt + k. Die Losung wird gegeben durchv = vhom + GF . Eingesetzt in die Gleichung finden wir Lvhom + LGF = F .Dies wird gelost durch Lvhom = 0 und LG = 1l. G ist also das Inverse von L.Dies wird auf Gleichung (8.29) fuhren.

Wir setzen (8.3) in die Bewegungsgleichung ein, wobei wir vhom gleich weg-lassen, da es sich ohnehin wegkurzt,

md

dt

∫∞

−∞

dt′G(t, t′)F (t′) + k

∫∞

−∞

dt′G(t, t′)F (t′) = F (t). (8.27)

Wir drucken nun das F (t) auf der rechten Seite ebenfalls als ein Integral ubert′ aus

F (t) =

∫∞

dt′δ(t − t′)F (t′). (8.28)

Da F (t′) beliebig gewahlt werden kann, mussen die Integranden ubereinstim-men,

m∂G(t, t′)

∂t+ kG(t, t′) = δ(t − t′). (8.29)

Fur t 6= t′ ist dies wieder die homogene Gleichung mit der Losung

G(t, t′) =

a(t′)e−kt/m

b(t′)e−kt/m

t>t′

t<t′= b(t′)e−kt/m + (a − b)θ(t − t′)e−kt/m (8.30)

Setzen wir das in die Gleichung (8.29) ein, so folgt

m∂G

∂t+ kG = m(−

k

mG + (a − b)δ(t − t′)e−kt/m) + kG = δ(t − t′). (8.31)

Daraus folgt dann a − b = 1mekt′/m, also

G(t, t′) = b(t′)e−kt/m +1

me−k(t−t′)/mθ(t − t′). (8.32)

34

Page 35: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Der erste Term stellt eine homogene Losung dar. Daher kann b(t′) nur durchRandbedingungen festgelegt werden. Verlangen wir Kausalitat, so muss G(t, t′)= 0 fur t′ > t gelten, woraus b(t′) = 0 folgt. Diese Randbedingung ergibt danndie retardierte Green’s-Funktion (8.11).

35

Page 36: Klassische Mechanik - Physik Skripte

9 Harmonischer Oszillator

9.a Gedampfter harmonischer Oszillator

Eine Masse m in einem harmonischen Potential V = f2 x2 genugt mit einer

Reibungskraft proportional zur Geschwindigkeit der Bewegungsgleichung

mx + kx + fx = 0. (9.1)

Dies ist eine lineare Differentialgleichung mit konstanten Koeffizienten. Mit demExponentialansatz

x = eλt, x = λeλt, x = λ2eλt (9.2)

erhalt man(mλ2 + kλ + f)eλt = 0 (9.3)

Diese wird offensichtlich durch

mλ2 + kλ + f = 0 (9.4)

gelost. Man bezeichnet diese Gleichung als charakteristische Gleichung. IhreLosungen sind

λ = −k

2m±

k2

4m2−

f

m(9.5)

Hier sind nun mehrere Falle zu unterscheiden:

9.a.α Periodischer Fall

Falls k2 < 4fm, erhalt man mit

λ1,2 = −γ ± iω, γ =k

2m, ω =

f

m−

k2

4m2=√

ω20 − γ2, ω0 =

f

m(9.6)

die Losung

x(t) =1

2A1e

λ1t +1

2A2e

λ2t =1

2e−γt(A1e

iωt + A2e−iωt). (9.7)

A1 und A2 sind komplexe Zahlen. x(t) soll reell sein. Daher muss

A1eiωt + A2e

−iωt = (A1eiωt + A2e

−iωt)∗ = A∗

2eiωt + A∗

1eiωt (9.8)

Man muss also A2 = A∗

1 wahlen. Drucken wir die komplexe Amplitude durchBetrag a und Phase φ aus, A1 = aeiφ, (a positiv und φ reell), so haben wirschließlich

x(t) = ae−γtcos(ωt + φ). (9.9)

36

Page 37: Klassische Mechanik - Physik Skripte

9.a.β Aperiodischer Grenzfall

Im Grenzfall k2 = 4fm wird die oben eingefuhrte Frequenz ω = 0. Damit sinddann beide Losungen entartet. Es gibt dann jedoch eine zweite unabhangigeLosung, die sich durch einen Faktor t unterscheidet.

x(t) = (a + bt)eλt, λ = −k

2m. (9.10)

9.a.γ Aperiodischer Fall

Falls k2 > 4fm werden beide Eigenwerte λ1 und λ2 reell und negativ,

x(t) = A1eλ1t + A2e

λ2t. (9.11)

9.b Erzwungene Schwingungen

Wir setzen nun den harmonischen Oszillator einer zusatzlichen außeren KraftF (t) aus,

mx + kx + fx = F (t). (9.12)

Dies ist eine inhomogene lineare Differentialgleichung. Die homogene Gleichunghat spezielle Losungen x1(t) = eλ1t, x2(t) = eλ2t. Wir machen den Ansatz

x(t) = x1(t)u1(t) + x2(t)u2(t). (9.13)

Warum erscheint dieser Ansatz sinnvoll? Man erhalt die allgemeine Losungdurch Addition der homogenen Losung zu einer speziellen Losung der inhomo-genen Gleichung. Addition der homogenen Losung zur speziellen entspricht derAddition von Konstanten zu u1 und u2. Daher genugen (bei geschickter Rech-nung) u1 und u2 Differentialgleichungen, die nur Ableitungen von u1 und u2

enthalten, so dass diese Konstanten als Integrationskonstanten in den Losungenvon u1 und u2 erscheinen. Wir mussen nun die Ableitungen von x(t) berechnen

x = x1u1 + x1u1 + x2u2 + x2u2. (9.14)

Bevor wir die zweite Ableitung berechnen, stellen wir fest, dass wir bezuglichder Wahl von u1 und u2 einen Wunsch frei haben. Schließlich hatten wir ja auchx(t) = x1(t)u1(t) ansetzen konnen ohne uberhaupt ein u2 zu verwenden. Hierfurwurde es auch eine Losung u1(t) geben. Da wir aber jetzt zwei Funktionen u1

und u2 haben, konnen wir an diese eine Forderung stellen. Wir wollen moglichsteinfache Differentialgleichungen fur u1 und u2 haben, also zweite Ableitungenvon u1 und u2 vermeiden. Dies gelingt uns durch die Forderung

x1u1 + x2u2 = 0. (9.15)

Damit bleibt dannx = x1u1 + x2u2 (9.16)

37

Page 38: Klassische Mechanik - Physik Skripte

undx = x1u1 + x1u1 + x2u2 + x2u2. (9.17)

Wir setzen nun (9.13), (9.16) und (9.17) in die Bewegungsgleichung ein underhalten

(mx1 + kx1 + fx1)︸ ︷︷ ︸

=0

u1 + (mx2 + kx2 + fx2)︸ ︷︷ ︸

=0

u2

+mx1u1 + mx2u2 = F (t). (9.18)

Die ersten beiden Klammern verschwinden, da es sich um die Losungen derhomogenen Bewegungsgleichungen handelt. Damit stellen (9.15) und (9.18)zwei lineare Gleichungen fur u1 und u2 dar, aus denen

u1 =e−λ1tF (t)

m(λ1 − λ2), u2 =

e−λ2tF (t)

m(λ2 − λ1)(9.19)

folgt mit

u1(t) =1

m(λ1 − λ2)

∫ t

−∞

e−λ1t′F (t′)dt′ + c1 (9.20)

(analog fur u2) und

x(t) =

∫∞

−∞

G(t, t′)F (t′) + xhom(t) (9.21)

mit der Green’s-Funktion

G(t, t′) =θ(t − t′)

m(λ1 − λ2)

(

eλ1(t−t′) − eλ2(t−t′))

. (9.22)

(Man beachte, dass der Realteil von λ negativ ist) Die Green’s-Funktion, die hierdie Kraft mit der Auslenkung verknupft, hangt nur von t− t′ ab: Homogenitatder Zeit.

Beispiel: Periodische Kraft Es sei

F (t) = F0 cos(Ωt + α) = F0ℜei(Ωt+α). (9.23)

Dann erhalten wir die Auslenkung

x(t) = F0ℜ

∫ t

−∞

dt′1

m(λ1 − λ2)

(

eλ1(t−t′) − eλ2(t−t′))

ei(Ωt′+α)

= F0ℜei(Ωt+α) 1

m(λ1 − λ2)

(1

−λ1 + iΩ−

1

−λ2 + iΩ

)

= F0ℜei(Ωt+α)

m(λ1 − iΩ)(λ2 − iΩ)︸ ︷︷ ︸

Resonanznenner

= F0ℜei(Ωt+α)

−mΩ2 + ikΩ + f.

︸ ︷︷ ︸

Resonanznenner

(9.24)

38

Page 39: Klassische Mechanik - Physik Skripte

10 Anharmonischer Oszillator II: Storungsrech-nung

Haufig lassen sich Probleme der theoretischen Physik nicht exakt losen. Wennzu erwarten ist, dass die Losung nicht weit entfernt von der eines exakt losbarenProblems liegt, geht man von diesem aus und fugt storungstheoretische Kor-rekturen hinzu, das heißt, man entwickelt im Sinne einer Taylor-Reihe um dieexakte Losung.

10.a Symmetrisches Potential

Ein symmetrisches Potential, das heißt ein Potential, fur das V(−x) = V(x) gilt,bezeichnet man als ein Potential, das die Paritat erhalt. In einer Dimension heißtdas, dass die Funktion V(x) eine gerade Funktion ist. Fur das Potential

V(x) =f

2x2 +

g

4x4, λ =

g

fa2 (10.1)

haben wir in Gleichung (3.36)

ω =2π

T=

f

m(1 +

3

8λ + O(λ2)) (10.2)

gefunden. Wir wollen hier direkt die Bewegungsgleichung losen und setzen

ω =

f

m(1 + cλ + O(λ2)) (10.3)

mit noch unbekanntem Koeffizienten c an. In die Bewegungsgleichung setzenwir

x = a cos(ωt) + λx1(t) + O(λ2) (10.4)

ein und erhalten

−maω2 cos(ωt) + mλx1(t) = −fa cos(ωt) − fλx1(t) − fλa cos3(ωt) + O(λ2).(10.5)

Setzen wir im ersten Term ω2 = fm(1+2cλ+O(λ2)) ein, so heben sich fur λ = 0

alle Beitrage auf. In Ordnung λ bleibt

−2fac cos(ωt) + mx1(t) = −fx1(t) − fa cos3(ωt). (10.6)

Diese Bewegungsgleichung fur x1(t) ist die gleiche wie die fur einen harmoni-schen Oszillator (ohne Reibung) mit außerer Kraft4

F (t) = fa(2c cos(ωt) − cos3(ωt)) = fa((2c − 3

4) cos(ωt) − 1

4cos(3ωt)). (10.7)

4Wir verwenden cos3(ωt) = 1

4cos(3ωt) + 3

4cos(ωt)

39

Page 40: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Wir finden

x1(t) = (c − 3

8)aωt sin(ωt) +

a

32cos(3ωt) + x1,hom(t). (10.8)

Die Amplitude des ersten Terms wachst proportional zur Zeit t an. Das liegtdaran, dass wir noch die richtige Frequenz wahlen mussen. Dies geschiehtdadurch, dass wir den Vorfaktor dieses Terms gleich 0 wahlen, das heißt c = 3

8 .

10.b Unsymmetrisches Potential

Ist das Potential nicht symmetrisch wie etwa bei

V(x) =m

2ω2(x2 + αx3), (10.9)

so wird die Berechnung muhsamer, da fur die Umkehrpunkte nicht mehr xmin =−xmax gilt. Fur eine Energie E = m

2 ω2a2 zerlegen wir

E − V(x) =m

2ω2(xmax − x)(x − xmin)(1 + h(x)) (10.10)

Wir setzen

xmax = a + δ1; xmin = −a − δ2, h(x) = αx + δ3, (10.11)

wobei wir die δi in Potenzreihen nach α entwickeln. Hierzu konnen wir zumBeispiel in den Gleichungen (10.10, 10.11) der Reihe nach x = a, x = −a undx = 0 setzen und erhalten dann

δ1 = − αa3

(2a + δ2)(1 + δ3 + αa), (10.12)

δ2 =αa3

(2a + δ1)(1 + δ3 − αa), (10.13)

δ3 = −a(δ1 + δ2) + δ1δ2

(a + δ1)(a + δ2). (10.14)

Diese Gleichungen lassen sich nach Potenzen von α iterieren. Da alle δs furα = 0 verschwinden, erhalt man sofort

δ1 = −a2

2α + O(α2), δ2 =

a2

α+ O(α2) (10.15)

und damit auch δ3 = O(α2). Nun beginnt man wieder mit den Gleichungen furδ1 und δ2, erhalt die Beitrage in O(α2) und anschließend δ3 in dieser Ordnung.So kann man fortfahren und erhalt beispielsweise mit Mathematica oder Maple

xmax = k1 + k2, (10.16)

xmin = k1 − k2, (10.17)

k1 = −1

2a2α − a4α3 + O(α5), (10.18)

k2 = a +5

8a3α2 +

231

128a5α4 + O(α6), (10.19)

δ3 = −a2α2 − 2a4α4. (10.20)

40

Page 41: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Setzen wir nun x = k1 + k2ξ, so folgt

E − V =m

2ω2k2

2(1 − ξ2)(1 + h), (10.21)

h = α(k1 + k2ξ) + δ3

= −3

2a2α2 − 3a4α4 + ξ(aα +

5

8a3α3) + O(α5). (10.22)

und damit die Schwingungsdauer

T = 2

∫ xmax

xmin

dx√

m2

E − V(x)=

2

ω

∫ 1

−1

dξ√

(1 − ξ2)(1 + h)(10.23)

Entwickeln wir noch 1/√

1 + h nach Potenzen von α und integrieren, so erhaltenwir

T =2π

ω(1 +

15

16a2α2 +

3465

10024a4α4 + O(α6)). (10.24)

Wir erkennen, dass der eigentliche Entwicklungsparameter aα ist.

41

Page 42: Klassische Mechanik - Physik Skripte

B Lagrange Gleichungen

11 Zwangskrafte und d’Alembertsches Prinzip

11.a Zwangsbedingungen

Bisher hatte jeder Massenpunkt drei Freiheitsgrade der Bewegung. Es gibtjedoch Systeme, in denen die Zahl der Freiheitsgrade eingeschrankt ist. Beispiel:Ein Pendel (Stablange R).

xz

R

Bei den Zwangsbedingungen unterscheidet man

Holonome Zwangsbedingungen Diese haben die Form

f(x1,x2, ...xN , t) = 0. (11.1)

Dabei sei f differenzierbar. Fur unser Pendel lautet diese dann x2+y2+z2−R2 =0, wenn Masse und Aufhangungspunkt durch einen Stab verbunden sind undx2 + y2 + z2 − R2 ≤ 0, wenn es sich um ein Fadenpendel handelt. Ist weiterhinnur eine Pendelbewegung in der x − z-Ebene moglich, so kommt die zweiteholonome Bedingung y = 0 hinzu.

Nichtholonome Zwangsbedingungen Als Beispiel betrachten wir ein Autoin der Ebene (und lassen die z-Koordinate weg). Wir konnen seine Lage durchdrei Lagekoordinaten beschreiben: Durch die zwei Schwerpunktskoordinatenund durch die Richtung des Kuhlers. Doch gibt es nur zwei Freiheitsgrade derinfinitesimalen Bewegung: Das Auto kann sich nur in Richtung (oder Gegenrich-tung) des Kuhlers bewegen und die Richtung des Kuhlers kann mit dem Lenkradverandert werden. Der dritte Freiheitsgrad kann wegen der Haftung auf derStraße nicht in Anspruch genommen werden: Man kann eben zum Einparkennicht einfach zur Seite fahren. Diese nicht-holonomen Bedingungen konnen nurin differentieller Form angegeben werden,

i

ai(x1, ...,xN , t)dxi = a0(x1, ...,xN , t)dt, (11.2)

aber nicht in die Form (11.1) aufintegriert werden.

42

Page 43: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Skleronome Zwangsbedingungen Unter diesen versteht man zeitunabhan-gige Zwangsbedingungen (z.B. fester Aufhangepunkt des Pendels).

Rheonome Zwangsbedingeungen Dies sind zeitabhangige Zwangsbedin-gungen (z.B. der Aufhangepunkt des Pendels oszilliert).

11.b Zwangskrafte, d’Alembertsches Prinzip

Die Zwangsbedingungen werden dadurch eingehalten, dass neben den bekanntenKraften F noch Zwangskrafte Z wirken. Bei einem Fadenpendel haben wirbeispielsweise neben der Schwerkraft F noch eine Zwangskraft Z wirken, diedurch den Faden ubertragen wird und in Richtung des Fadens gerichtet ist.

Wir fuhren nun den Begriff der virtuellen Verruckung ein. Hierunter verstehtman die Verruckungen δx, die mit den Zwangsbedingungen zur festen Zeit t inUbereinstimmung sind, unabhangig von der tatsachlichen Bewegung des Sys-tems. Wir betrachten mehrere Beispiele:Pendel Im Falle des Stab-Pendels sind dies die Verruckungen δx senkrecht zurOrientierung des Stabs. Daher gilt Z · δx = 0. Dies gilt auch fur das Fadenpen-del, dessen Faden nicht gespannt ist.Reibungsloses Gleiten Die Fuhrungskrafte stehen senkrecht zur virtuellenVerruckung, daher gilt Z · δx = 0.Rollen auf rauher Oberflache Der Beruhrungspunkt kann sich nicht bewe-gen. Fur ihn gilt δx = 0, daher gilt auch hier Z · δx = 0.Beruhrung zweier Korper mit rauher Oberflache Fur diese gilt δx1 =δx2, Z1 = −Z2 und damit Z1 · δx1 + Z2 · δx2 = 0.Zwei Massen, die durch einen starren Stab miteinander verbunden

sind Fur diese gilt

(x1 − x2)2 = const, (x1 − x2)(δx1 − δx2) = 0,

Z1 = −Z2 ‖ x1 − x2,→ Z1(δx1 − δx2) = 0 → Z1 · δx1 + Z2 · δx2 = 0. (11.3)

d’Alembert fuhrte daher das Prinzip der virtuellen Verruckungen ein: Fur allevirtuellen Verruckungen gilt

i

Zi · δxi = 0. (11.4)

Leisten die Zwangskrafte Arbeit am System?

E = T + V =∑

i

(vipi − viFi) =∑

i

viZi, (11.5)

da pi = Fi + Zi. Daher erhalten wir

Edt = dE =∑

i

Zividt =∑

i

Zidxi. (11.6)

Fur skleronome Bedingungen gehoren die tatsachlichen Verruckungen zu denvirtuellen. In diesem Fall ist E = 0. Die Zwangskrafte leisten dann keine

43

Page 44: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Arbeit am System. Fur rheonome Bedingungen ist dxi 6= δxi. Dann gilt keineEnergieerhaltung.

Das Prinzip der virtuellen Verruckungen in der Form

i

(pi − Fi)δxi = 0 (11.7)

heißt d’Alembertsches Prinzip. In ihm treten die Zwangskrafte nicht mehr auf.Dies ist eine Verallgemeinerung der Newtonschen Bewegungsgleichungen pi −Fi = 0 auf Systeme mit Zwangsbedingungen.

Die Gultigkeit dieses Prinzips wurde hier nicht bewiesen; es hangt von dermikroskopischen Natur der Zwangsbedingungen ab. Sie lassen sich in gewissenGrenzfallen (Berucksichtigung der Zwangskrafte durch harmonische Krafte imGrenzfall Kraftkonstante → ∞) herleiten. Dann gibt die Schiene etc. nur wenignach und erzeugt die Zwangskraft. Ist die Frequenz des Oszillators groß gegendie Frequenz des interessierenden Systrems, so entkoppeln die Systeme in guterNaherung. Dies gilt nicht, wenn die Frequenz des eingeschrankten Systemsgleich dem des zwangsausubenden Systems ist: Schlagen von Wellen (kritischeFrequenz).

44

Page 45: Klassische Mechanik - Physik Skripte

12 Lagrange-Gleichungen fur holonome Systeme

Wir beschreiben die zulassigen Konfigurationen durch verallgemeinerte Lageko-ordinaten q1, ... qm. Dabei ist m = 3N−Zahl der Zwangsbedingungen.

Beispiel: Ebenes Pendel1. Zwangsbedingung: Es schwingt in der Ebene,2. Zwangsbedingung: Der Abstand der Massevom Aufhangepunkt sei R.Wir haben damit m = 1 verallgemeinerte Lageko-ordinaten, z.B. q1 = φ.

xz

Allgemein seixi = xi(q1, ...qm, t). (12.1)

Die virtuellen Verruckungen sind dann gegeben durch

δxi =

m∑

j=1

∂xi

∂qjδqj . (12.2)

Aus dem d’Alembertschen Prinzip folgt dann

i

(Fi − pi)δxi = 0 =∑

ij

(Fi − pi)∂xi

∂qjδqj . (12.3)

Da die qs unabhangig von einander variiert (verruckt) werden, folgt

i

(Fi − pi)∂xi

∂qj= 0, j = 1, ...m (12.4)

fur die m Lagekoordinaten. Diese Bewegungsgleichungen wollen wir nun um-formen. Wir bezeichnen

Qj :=∑

i

Fi∂xi

∂qj(12.5)

als verallgemeinerte (generalisierte Kraft). Falls die Krafte aus einem PotentialV herleitbar sind, folgt

Qj = −∑

i

∂xi

∂qjgrad iV = − ∂

∂qjV(x1(q1, ...qm, t), ..., t). (12.6)

Wir fassen im Folgenden V als Funktion der qi und t auf. Es folgt aus derBewegungsgleichung

Qj =∑

i

pi∂xi

∂qj=∑

i

midxi

dt

∂xi

∂qj=∑

i

d

dt(mixi

∂xi

∂qj) −

i

mixid

dt

(∂xi

∂qj

)

.

(12.7)

45

Page 46: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Nun ist

xi =∑

j

∂xi

∂qjqj +

∂xi

∂t, (12.8)

woraus∂xi

∂qj=

∂xi

∂qj(12.9)

mit xi = xi(q, t) und xi = xi(q, q, t) folgt. Damit erhalten wir dann

d

dt

(∂xi

∂qj

)

=∑

k

∂2xi

∂qj∂qkqk +

∂2xi

∂qj∂t=

∂qj

(∑

k

∂xi

∂qkqk +

∂xi

∂t

)

=∂xi

∂qj.

(12.10)Damit erhalten wir fur die generalisierte Kraft

Qj =∑

i

d

dt

(

mixi∂xi

∂qj

)

−∑

i

mixi∂xi

∂qj=

d

dt

∂T∂qj

− ∂T∂qj

. (12.11)

und hieraus die Bewegungsgleichung

d

dt

∂T∂qj

=∂(T − V)

∂qj. (12.12)

Da V nicht von qj abhangt, folgen die Lagrange-Gleichungen zweiter Art

d

dt

∂L∂qj

=∂L∂qj

(12.13)

mitL(q1, ..., qm, q1, ..., qm, t) = T − V . (12.14)

Diese Lagrange-Gleichungen 2. Art wie auch das Hamiltonsche Prinzip, mitdem wir uns spater befassen, sind fundamental fur die Theoretische Physik. Siewurden im Laufe der Zeit auch auf Felder, zum Beispiel das elektromagnetischeFeld verallgemeinert.

Ein Vorteil dieser Formulierung liegt darin, dass sie unabhangig von der Wahlder Koordinaten ist. Man bezeichnet die qj , ∂L/∂qj und ∂L/∂qj als generali-sierte Lagekoordinaten, gen. Impulse und gen. Krafte. Sie gelten naturlich auchfur Systeme ohne Zwangsbedingungen. Setzt man fur die qj die Koordinatenxiα ein, so folgt

∂L∂xiα

= mxiα = piα,∂L

∂xiα= − ∂V

∂xiα= Fiα. (12.15)

12.a Mathematisches Pendel

(skleronom)Als verallgemeinerte Koordinate verwenden wir den Winkel φ. Wir erhalten

dann mit ds = Rdφ und |v| = R|φ|

T =m

2v2 =

m

2R2φ2, V = −mgR cosφ (12.16)

46

Page 47: Klassische Mechanik - Physik Skripte

die Lagrange-Funktion

L = T − V =m

2R2φ2 + mgR cosφ. (12.17)

Wir haben hier einen Freiheitsgrad q1 = φ und die Lagrange-Gleichung

d

dt

(∂L∂φ

)

=∂L∂φ

(12.18)

ergibtd

dt(mR2φ) = −mgR sin φ, mR2φ = −mgR sin φ. (12.19)

Fur kleine Ausschlage kann man sinφ ≈ φ ersetzen und erhalt die harmonischeNaherung

mR2φ = −mgRφ (12.20)

mit der Losung

φ = φ0 cos(ωt + α), ω2 =g

R. (12.21)

12.b Gleitende Perle auf rotierendem Stab

(rheonom)Wir betrachten eine Perle, die auf einem (in einer Ebene) rotierenden Stab

gleitet. Wir beschreiben ihren Ort durch Polarkoordinaten r und φ

x

yr φ

x = r cosφ, y = r sin φ. (12.22)

Fur die Geschwindigkeit erhalten wir

x = r cosφ − rφ sinφ, y = r sinφ + rφ cosφ (12.23)

und die kinetische Energie

T =m

2(x2+y2) =

m

2(r cosφ−rφ sinφ)2+

m

2(r sin φ+rφ cosφ)2 =

m

2(r2+r2φ2).

(12.24)Wir lassen nun den Stab mit einer konstanten Winkelgeschwindigkeit ω in einerhorizontalen Ebene rotieren, V = 0. Dann erhalten wir

L = T − V =m

2(r2 + r2ω2). (12.25)

Wir haben einen Freiheitsgrad q1 = r und erhalten mit

∂L∂r

= mr,∂L∂r

= mω2r (12.26)

47

Page 48: Klassische Mechanik - Physik Skripte

ausd

dt

(∂L∂r

)

=∂L∂r

(12.27)

die Bewegungsgleichungmr = mω2r (12.28)

mit der Losungr = aeωt + be−ωt, (12.29)

wobei a und b Integrationskonstanten sind. In diesem System ist die Energie imherkommlichen Sinn nicht erhalten. Interpretiert man allerdings −m

2 ω2r2 alsZentrifugalpotential, so hat man wieder Energieerhaltung.

48

Page 49: Klassische Mechanik - Physik Skripte

13 Ladungen im (homogenen) elektrischen undmagnetischen Feld

13.a Coulomb-Lorentz-Kraft

In diesem Abschnitt betrachten wir die Bewegung einer Masse mit Ladung e ineinem elektrischen und magnetischen Feld. Dabei wirkt die Kraft

F = e(E +v

c× B) (13.1)

auf die Ladung. c ist die Vakuumlichtgeschwindigkeit. Wir verwenden hier nichtdas SI-System, sondern das Gaußsche Masssystem. Dort wird die Ladung sodimensioniert, dass die potentielle Energie zwischen zwei Ladungen e1 und e2

V =e1e2

r(13.2)

geschrieben werden kann. In diesem Einheitensystem ergibt sich die Elementar-ladung zu

e = 4.80 · 10−10 g1/2cm3/2

s. (13.3)

Die Einheit des elektrischen Felds ist dann

1g1/2

cm1/2s= 1

statvolt

cm≡ 3 · 104 V

m(13.4)

und die der magnetischen Induktion

1g1/2

cm1/2s= 1Gauss ≡ 10−4T (13.5)

mit den Abkurzungen V fur Volt und T fur Tesla.

13.b Lagrange-Funktion

Wir werden nun die zugehorige Lagrange-Funktion aufstellen und schreiben

L = T − Vel + Lmag, Vel = eΦ(x) (13.6)

mit dem elektrostatischen Potential Vel, das fur ein homogenes Feld Vel = −e(E·x) lautet.

Die Frage ist nun, kann man die Lorentz-Kraft in der Lagrange-Funktionunterbringen? Welche Form muss Lmag haben? Falls es solch ein Lmag gibt,muss es der Gleichung

d

dt(mv + grad vLmag) = eE + grad xLmag (13.7)

und damit

mv − eE = grad xLmag −d

dtgradvLmag =

e

cv × B (13.8)

49

Page 50: Klassische Mechanik - Physik Skripte

genugen. Lmag muss von v abhangen, da die Lorentz-Kraft geschwindigkeitsab-hangig ist. Wir versuchen einen Ansatz linear in v,

Lmag =e

cv ·A(x, t), (13.9)

da dann sowohl gradxLmag wie auch ddtgradvLmag lineare Beitrage in v liefern.

Dann finden wir

(grad xLmag −d

dtgrad vLmag)α =

∂Lmag

∂xα− d

dt

∂Lmag

∂vα

=e

c

(

v · ∂A

∂xα− Aα

)

=e

c

(

vβ∂Aβ

∂xα− vβ

∂Aα

∂xβ

)

− e

c

∂Aα

∂t.(13.10)

Fur die erste Komponente erhalten wir (wobei wir im Moment ∂A/∂t = 0setzen),

(v × B)1 = v2B3 − v3B2 = v2 (∂A2

∂x1− ∂A1

∂x2)

︸ ︷︷ ︸

(rot A)3

+v3 (∂A3

∂x1− ∂A1

∂x3)

︸ ︷︷ ︸

−(rot A)2

. (13.11)

Tatsachlich lasst sich die magnetische Induktion stets in der Form

B(x, t) = rotA(x, t) (13.12)

schreiben, da auf Grund der Maxwell-Gleichungen divB(x, t) = ∂Bα/∂xα = 0gilt. A(x, t) heißt Vektorpotential. Falls Φ und A zeitabhangig sind, folgt

mv = −egradΦ(x, t) +e

cv × rotA(x, t) − e

c

∂A

∂t= eE +

e

cv × B (13.13)

mit

B = rotA, E = −gradΦ − 1

c

∂A

∂t. (13.14)

Der letzte Beitrag zu E ruhrt von der Induktion her (elektrisches Induktionsfeldbei Veranderung des magnetischen Felds). Genaueres in der Elektrodynamik.

13.c Homogene Felder

Fur ein homogenes elektrisches Feld E gilt

Φ(x) = −E · x. (13.15)

Fur eine homogene magnetische Induktion setzen wir A linear in x an. Aus

Aα = cαβxβ (13.16)

50

Page 51: Klassische Mechanik - Physik Skripte

folgt

B1 =∂A3

∂x2− ∂A2

∂x3= c32 − c23, B2 = c13 − c31, B3 = c21 − c12. (13.17)

Die Losung fur die Matrix c ist nicht eindeutig. (Dies ist die Eichinvarianz inder Elektrodynamik). Wir wahlen hier die Losung

c32 = −c23 =1

2B1, c13 = −c31 =

1

2B2, c21 = −c12 =

1

2B3,

c11 = c22 = c33 = 0. (13.18)

Mit dieser Wahl kann man

A =1

2B× x (13.19)

schreiben und wir erhalten

Lmag =e

2cv · (B× x) =

e

2cB · (x × v). (13.20)

Die gesamte Lagrange-Funktion lautet dann

L = T − eΦ(x) +e

cv ·A =

m

2x2 + e(E · x) +

e

2cv · (B× x). (13.21)

Der verallgemeinerte Impuls ist dann gegeben durch

pα =∂L∂xα

= mxα +e

2c(B× x)α. (13.22)

Dieser ’kanonische’ Impuls ist verschieden vom mechanischen Impuls. Wir be-trachten noch einmal die Bewegungsgleichung

d

dt

∂L∂xα

=∂L∂xα

, (13.23)

diemxα +

e

2c(B × x)α = eEα +

e

2c(x × B)α (13.24)

und damit, wie gewunscht

mx = eE +e

cv × B (13.25)

ergibt. Die Lorentz-Kraft lasst sich daher durch die Lagrange-Funktion be-schreiben.

13.d Losung der Bewegungsgleichungen

Wir wahlen die Achsen unseres Koordinatensystems so, dass B in z-Richtungund E in der y − z-Ebene liegen. Dann lauten die Bewegungsgleichungen

mx =e

cBy, (13.26)

my = eEy − e

cBx, (13.27)

mz = eEz. (13.28)

51

Page 52: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Aus der letzten Bewegungsgleichung folgt

z =eEz

2mt2 + vz0t + z0. (13.29)

Die beiden anderen lassen sich zusammenfassen zu

d

dt(x + iy) = − Be

mc︸︷︷︸

Larmorfrequenzω

i(x + iy) + ie

mEy (13.30)

Mit ξ := x + iy folgt

ξ = −iωξ +ie

mEy. (13.31)

Diese Gleichung ist ahnlich der Gleichung, die wir beim freien Fall mit Reibungerhielten (v = − k

mv − g). Entsprechend erhalten wir die Losung

ξ = Ae−iωt +eEy

mω︸︷︷︸

cEy

B

. (13.32)

Drucken wir A durch den Betrag a und die Phase φ aus, A = aeiφ, und zerlegenin Real- und Imaginarteil, so folgt

x = ℜξ = a cos(ωt − φ) +cEy

B, y = ℑξ = −a sin(ωt − φ). (13.33)

Dabei istcEy

B die Driftgeschwindigkeit der Masse. Die Rechnung gilt nur,solange alle Geschwindigkeiten klein sind gegen die Lichtgeschwindigkeit. DieDriftgeschwindigkeit ist bei beliebiger Orientierung von E und B gegeben durchcE× B/B2. Sie erfolgt also senkrecht zum elektrischen Feld.

52

Page 53: Klassische Mechanik - Physik Skripte

14 Lagrange-Gleichungen erster Art

14.a Bewegungsgleichungen

Wir gehen aus von r Zwangsbedingungen, die holonom

f (k)(x1, ...xn, t) = 0 (14.1)

oder nicht holonomN∑

i=1

a(k)i dxi = a

(k)0 dt (14.2)

sind. Den holonomen Fall behandeln wir wie den nicht holonomen durch Ein-fuhrung von

a(k)i = grad if

(k), a(k)0 = −∂f (k)

∂t. (14.3)

Die virtuellen Verruckungen δxi genugen

i

a(k)i δxi = 0. (14.4)

Man beachte dass der a0-Term wegfallt, da wir die Verruckungen bei konstanterZeit betrachten. Fur die Zwangskrafte gilt gemaß des Prinzips der virtuellenVerruckungen

N∑

i=1

Ziδxi = 0. (14.5)

Daher sind die Zi Linearkombinationen der a(k)i ,

Zi =∑

k

λ(k)a(k)i . (14.6)

Daraus folgen dann die Lagrange-Gleichungen erster Art

pi = Fi +∑

k

λ(k)a(k)i . (14.7)

Dabei sind die λ(k)(t) so zu wahlen, dass die Zwangsbedingungen erfullt sind

N∑

i=1

a(k)i xi = a

(k)0 , k = 1...r. (14.8)

Damit hat man 3N + r Gleichungen fur 3N Koordinaten xiα und r Multiplika-toren λ(k).

53

Page 54: Klassische Mechanik - Physik Skripte

14.b Beispiel: Atwoodsche Fallmaschine

z

z

mz

1

2

2m1

Zwei Massen sind durch ein Seil, das uber eine Rollelauft, miteinander verbunden. Die Lage der beidenMassen ist durch die Zwangsbedingung

f(z1, z2) = z1 + z2 − c = 0 (14.9)

eingeschrankt. Wir finden daraus

1︸︷︷︸

a1

·dz1 + 1︸︷︷︸

a2

·dz2 = 0. (14.10)

Daraus folgen die Bewegungsgleichungen

m1z1 = −m1g + λa1 = −m1g + λ, (14.11)

m2z2 = −m2g + λa2 = −m2g + λ. (14.12)

Durch Vergleich mit (14.6) sieht man, dass λ die Seilkraft ist. Aus den beidenGleichungen folgt

z1 + z2 = −2g +λ

m1+

λ

m2. (14.13)

Da z1 + z2 konstant sein muss, sind beide Seiten der Gleichung 0, woraus

λ =2m1m2

m1 + m2g (14.14)

folgt. Damit erhalten wir

z1 = −z2 = −m1 − m2

m1 + m2g, (14.15)

was sich leicht integrieren lasst.

54

Page 55: Klassische Mechanik - Physik Skripte

15 Hamiltonsches Prinzip

15.a Das Prinzip

Wir formulieren zunachst das Prinzip: Die Bewegung eines Systems von Massen-

punkten zwischen zwei Lagen zu vorgegebenen Zeiten (q(1)1 , ..., q

(1)m , t1) und (q

(2)1 ,

..., q(2)m , t2) ist derart, dass die Wirkung

I =

∫ t2

t1

Ldt (15.1)

ein Extremum ist. (Lokal ist es ein Minimum). Dabei werden die Endpunktefestgehalten.

Beweis: Wir variieren

qj(t) → qj(t) + δqj(t). (15.2)

Unter dieser Variation (in erster Ordnung in δqj(t)) folgt

I + δI =

∫ t2

t1

L(qj + δqj , qj + δqj , t)dt

=

∫ t2

t1

L(qj , qj , t)dt

︸ ︷︷ ︸

I

+

∫ t2

t1

j

∂L∂qj

δqj +∑

j

∂L∂qj

δqj

dt

︸ ︷︷ ︸

δI

(15.3)

Wir fuhren nun fur den Term δqj-Term eine partielle Integration durch underhalten

δI =

∫ t2

t1

j

(∂L∂qj

− d

dt

∂L∂qj

)

δqjdt +∑

j

∂L∂qj

δqj

∣∣∣∣∣∣

t2

t1︸ ︷︷ ︸

0

. (15.4)

Der letzte Term verschwindet, da an den Endpunkten qj nicht variiert wird,δqj(t1) = δqj(t2) = 0. Da δI fur beliebige δqj(t) verschwinden muss, gelten dieGleichungen

∂L∂qj

− d

dt

∂L∂qj

= 0 (15.5)

Dies sind aber gerade die Lagrange-Gleichungen 2. Art. Diese sind also zumHamiltonschen Prinzip aquivalent.

Dem Hamiltonschen Prinzip entnimmt man: Addiert man zu L eine voll-standige Zeitableitung dΛ(q, t)/dt, so andern sich die Bewegungsgleichungennicht, denn das Zeitintegral hieruber ist Λ(q(2), t2)−Λ(q(1), t1). Dieser Ausdruckunterliegt aber nicht der Variation, da er nur die q der Endpunkte enthalt.

55

Page 56: Klassische Mechanik - Physik Skripte

15.b Beispiel zur Variationsrechnung

Wir betrachten als Beispiel zur Variationsrechnung die kurzeste Verbindungzwischen zwei Punkten. Die Lange einer Kurve zwischen zwei Punkten istgegeben durch

l =

∫ x2

x1

1 + y′2dx. (15.6)

Bei der Variation haben wir

y(x) → y(x) + δy(x), y′(x) → y′(x) + δy′(x) (15.7)

zu ersetzen und erhalten

l + δl =

∫ x2

x1

1 + (y′ + δy′)2dx. (15.8)

Wir nehmen nun alle Beitrage in erster Ordnung in den δ-Termen mit

δl =

∫ x2

x1

y′(x)δy′(x)√

1 + y′(x)2︸ ︷︷ ︸

∂y′

√1+y′2δy′

(15.9)

Unter Verwendung von δy′ = d(δy(x))/dx und mittels partieller Integrationerhalten wir

δl =y′δy

1 + y′2

∣∣∣∣∣

x2

x1

−∫ x2

x1

d

dx

(

y′

1 + y′2

)

︸ ︷︷ ︸

0

δy(x)dx (15.10)

Da die Klammer verschwinden muss, muss y′√1+y′2

konstant sein. Daraus folgt

dann, dass auch die Steigung y′ konstant sein muss. Die Losung ist also dieGerade.

Die Entsprechungen zwischen diesem geometrischen Problem und dem Hamil-tonschen Prinzip ergeben sich aus

l=I,√

1 + y′2=L, y=q, x=t,

d

dx

∂√

1 + y′2

∂y′− ∂

1 + y′2

∂y= 0 =

d

dt

∂L∂q

− ∂L∂q

= 0 (15.11)

56

Page 57: Klassische Mechanik - Physik Skripte

16 Invarianzen und Erhaltungsgroßen

16.a Zyklische Variable

Falls L von einem qi nicht abhangt, sondern nur von qi, dann gilt ∂L/∂qi = 0und man bezeichnet die Variable qi als zyklisch. Es folgt dann

d

dt

(∂L∂qi

)

= 0 (16.1)

und damit ist dann der verallgemeinerte Impuls

pi =∂L∂qi

(16.2)

eine Erhaltungsgroße.

16.b Noethersches Theorem

Falls unter einer infinitesimalen Transformation

qi = qi + δqi(q, t), t = t + δt(q, t) (16.3)

Ldt bis auf ein totales Differential dΛ in sich ubergeht, das heißt, falls

L(q,dq

dt, t)dt = L(q, q, t)dt + dΛ(q, t), (16.4)

oder aquivalent

L(q,dq

dt, t)

dt

dt− L(q, q, t) =

dt. (16.5)

erfullt ist, dann ist

i

(∂L∂qi

δqi − qi∂L∂qi

δt

)

+ Lδt − Λ (16.6)

eine Erhaltungsgroße. Dies sieht man folgendermaßen: Mit

˙qi = qi + δqi, ˙t = 1 + δt,dqi

dt=

qi + δqi

1 + δt= qi + δqi − qiδt (16.7)

erhalten wir aus (16.5)

i

∂L∂qi

δqi

︸ ︷︷ ︸

α

+∑

i

∂L∂qi

(δqi − qiδt)

︸ ︷︷ ︸

α γ

+∂L∂t

δt + Lδt︸ ︷︷ ︸

β

=dΛ

dt(16.8)

Wir fassen nun die beiden mit α gekennzeichneten Terme zusammen

∂L∂qi

δqi +∂L∂qi

δqi =d

dt

(∂L∂qi

)

δqi +∂L∂qi

δqi =d

dt

(∂L∂qi

δqi

)

(16.9)

57

Page 58: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Die beiden mit β gekennzeichneten Terme treten in

d

dt(Lδt) =

i

∂L∂qi

qiδt

︸ ︷︷ ︸

δ

+∑

i

∂L∂qi

qiδt

︸ ︷︷ ︸

δ

+∂L∂t

δt + Lδt︸ ︷︷ ︸

β

(16.10)

auf, der mit γ und die mit δ gekennzeichneten Terme treten schließlich in

d

dt

(

qi∂L∂qi

δt

)

= qi∂L∂qi

δt

︸ ︷︷ ︸

δ

+ qi∂L∂qi

δt

︸ ︷︷ ︸

δ

+ qi∂L∂qi

δt

︸ ︷︷ ︸

γ

. (16.11)

auf, wobei wir im zweiten δ-Term die Bewegungsgleichung verwendet haben.Bilden wir nun (16.8)-(16.9)+(16.10)-(16.11), so erhalten wir

d

dt

(∑

i

(∂L∂qi

δqi − qi∂L∂qi

δt

)

+ Lδt − Λ

)

= 0. (16.12)

Die in der außeren Klammer enthaltene Große ist die in (16.6) angegebeneGroße, deren Erhaltung wir damit nachgewiesen haben.

Als einfachstes Beispiel betrachten wir nochmals die zyklische Variable. Sieist im Noetherschen Theorem enthalten, wenn wir δqj = δij , δt = 0 setzen.dann reduziert sich die Erhaltungsgroße (16.6) auf pi = ∂L/∂qi.

16.c Energie-Erhaltung

Es sei L unabhangig von t, das heißt ∂L/∂t = 0. Wir wahlen nun δq = 0,δt =const. Dann ist (16.5) mit Λ = 0 erfullt und damit ist

L−∑

i

qi∂L∂qi

(16.13)

erhalten. Fur skleronome Systeme ist

E =∑

i

qi∂L∂qi

− L (16.14)

die Energie. Wir betrachten nun, was wir im Fall von Ladungen im Magnetfelderhalten. Es sei L = T − V + Lmag. Mit

xi =∑

j

∂xi

∂qjqj (16.15)

folgt

T =1

2

i

mix2i =

1

2

jk

qj qk

i

mi∂xi

∂qj

∂xi

∂qk

︸ ︷︷ ︸

Tjk(q)

=1

2

jk

qj qkTjk(q), (16.16)

Lmag =1

c

i

eixiA(xi) =∑

j

qj

∑ ei

c

∂xi

∂qjA(xi(q))

︸ ︷︷ ︸

bj(q)

=∑

j

qjbj(q). (16.17)

58

Page 59: Klassische Mechanik - Physik Skripte

und damit

L =1

2

jk

qj qkTjk(q) +∑

j

qjbj(q) − V(q), (16.18)

∂L∂qi

=∑

k

qkTik(q) + bi(q). (16.19)

und die Energie

E =∑

i

qi∂L∂qi

− L

=∑

ik

qiqkTik(q) +∑

i

qibi(q) −1

2

jk

qj qkTjk(q) −∑

j

qjbj(q) + V(q)

=1

2

jk

qj qkTjk(q) + V(q) = T (q, q) + V(q). (16.20)

Der magnetische Anteil hebt sich heraus. Dies liegt daran, dass die Lorentz-Kraft keine Arbeit leistet.

16.d Impuls-Erhaltung

Falls die Homogenitat des Raumes gilt, erhalten wir mit δxi = a, δt = 0

L(xi + a, xi, t) = L(xi, xi, t). (16.21)

Dann ist∑

i

a∂L∂xi

=∑

i

agradxiL =

i

api (16.22)

erhalten. Das heißt∑

i pi = const.

Aufgabe Fur ein zeitunabhangiges und translationsinvariantes System mitL = T − V setze man δxi = ut, δt = 0 mit konstantem u. Wie muss man Λwahlen, damit (16.5) erfullt ist? Welcher Erhaltungssatz ergibt sich hieraus?

59

Page 60: Klassische Mechanik - Physik Skripte

C Das Zweikorperproblem

17 Relativ- und Schwerpunkts-Koordinaten

Wir betrachten zwei Massen m1 und m2, die uber ein Zentralpotential wechsel-wirken.

L = T − V =m1

2x2

1 +m2

2x2

2 − V(|x1 − x2|). (17.1)

Da der Impuls erhalten ist, erhalten wir fur die Schwerpunktsbewegung (vgl.4.8)

m1x1 + m2x2 = P = const, (17.2)

MR = m1x1 + m2x2 = Pt + MR0 (17.3)

mit der Gesamtmasse M = m1 + m2. Wir fuhren den Abstandsvektor x =x2 − x1 ein,

x1 = R − m2

Mx, x2 = R +

m1

Mx. (17.4)

Wir formen die kinetische Energie um

m1

2x2

1 +m2

2x2

2 =m1 + m2

2R2 + (

−m1m2

M+

m1m2

M)xR

+m1m

22 + m2

1m2

2M2x2

=M

2R2 +

m

2x2 (17.5)

mit der reduzierten Masse m = m1m2/M und erhalten die Lagrange-Funktion

L =M

2R2 +

m

2x2 − V(|x|). (17.6)

Damit zerfallt die Bewegung in zwei unabhangige Einzelbewegungen:a) die Schwerpunktsbewegung mit der zyklischen Variablen R.b) die Relativbewegung x.Die Relativbewegung ist die eines Teilchens der reduzierten Masse m im Zen-tralpotential V .

60

Page 61: Klassische Mechanik - Physik Skripte

18 Bewegung im Zentralpotential

18.a Bewegungsgleichungen

Auf das Teilchen wirkt die Kraft

F = −gradV(x) = −x

x

dV(x)

dx. (18.1)

Da es sich um eine Zentralkraft handelt, ist das Drehmoment M = x × F = 0.Daher ist der Drehimpuls L konstant. Es gibt zwei Falle:a) L = 0. dann ist x ‖ x zu allen Zeiten, die Bewegung erfolgt auf einer Geraden,eindimensionales Problem.b) L 6= 0. Dann stehen x und x senkrecht auf L. Die Masse bewegt sich inder zu L senkrechten Ebene, die durch den Ursprung geht: Ebenes Problem.Wir legen die z-Richtung in Richtung von L und fuhren Polarkoordinaten x =(r cosφ, r sinφ, 0) ein. Die Lagrange-Funktion lautet dann

L =m

2(r2 + r2φ2) − V(r), (18.2)

(vgl. 12.24). Wir haben zwei generalisierte Koordinaten, r und φ. Die Bewe-gungsgleichung fur φ lautet

d

dt

∂L∂φ

=∂L∂φ

(18.3)

das heißtd

dt(mr2φ) = 0. (18.4)

Damit ist mr2φ = l eine Konstante der Bewegung. φ ist eine zyklische Variable.Tatsachlich handelt es sich hierbei um den Drehimpuls

Lz = xpy − ypx

= r cosφm(r sin φ + rφ cosφ) − r sin φm(r cosφ − rφ sin φ)

= mr2φ. (18.5)

Die Bewegungsgleichung fur r lautet

d

dt

∂L∂r

=∂L∂r

, (18.6)

also

mr = mrφ2 − ∂V∂r

. (18.7)

Setzen wir φ = lmr2 ein, so folgt

mr =l2

mr3− ∂V

∂r= − ∂

∂r

(l2

2mr2+ V(r)

)

. (18.8)

61

Page 62: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Die Radialbewegung ist aquivalent zu einer eindimensionalen Bewegung im ef-fektiven Potential

Veff(r) = V(r) +l2

2mr2. (18.9)

Der zweite Term auf der rechten Seite ist das Zentrifugalpotential. DieserBeitrag

l2

2mr2=

(mr2φ)2

2mr2=

m

2(rφ)2 (18.10)

ist der Beitrag der kinetischen Energie, der von φ herruhrt. Es gilt also

Eeff =m

2r2 + Veff = T + V = E. (18.11)

18.b Integration der Bewegungsgleichungen

a) Radialbewegung: Aus

m

2

(dr

dt

)2

= E − Veff(r) (18.12)

folgt

r =dr

dt= ±

2

m(E − V(r)) − l2

m2r2(18.13)

und daraus

t = ±∫

dr√

2m (E − V(r)) − l2

m2r2

. (18.14)

b) Bahnkurve: Aus

l = mr2 dφ

dt= mr2 dr

dt

dr= ±mr2√...

dr(18.15)

folgt

dφ = ± ldr

mr2√...(18.16)

und

φ = ±∫ l

mr2 dr√

2m (E − V(r)) − l2

m2r2

. (18.17)

Falls die Masse eine geschlossene Bahn durchlauft, ergibt sich die Periode (Zeitvom Punkt großter Entfernung zum nachsten Punkt großter Entfernung) zu

T = 2

∫ rmax

rmin1

dr

r(18.18)

62

Page 63: Klassische Mechanik - Physik Skripte

r

Veff

maxmin1

min2rr r

und der Winkel χ, der von rmin bis rmax uberstrichen wird, zu

χ = ∆φ =

∫ rmax

rmin1

ldr

mr2r. (18.19)

dfx

xdt=d x.

Wir betrachten noch die vom Fahrstrahl uberstriche-ne Flache. Diese ergibt sich zu

df =1

2|x × dx| =

1

2|x × x|dt =

l

2mdt (18.20)

unterVerwendung des Drehimpulses l = m|x× x|. Daraus folgt das zweite KeplerscheGesetz: In gleichen Zeiten werden vom Fahrstrahl gleiche Flachen uberstrichen.

f =l

2mt, t =

2m

lf. (18.21)

63

Page 64: Klassische Mechanik - Physik Skripte

19 Kepler-Problem

Zwei Massen m1 und m2 ziehen sich mit dem Gravitationspotential

V(r) = −γm1m2

r(19.1)

an. Zwischen zwei Ladungen e1 und e2 besteht das Coulomb-Potential (imGaussschen Maßsystem)

V(r) =e1e2

r. (19.2)

Allgemein konnen wir schreiben

V(r) = −α

r, Veff(r) = −α

r+

l2

2mr2. (19.3)

Wir fuhren nun die Umkehrpunkte r± mit Veff(r±) = E ein,

1

r2±

− 2mα

l21

r±=

2mE

l2. (19.4)

Daraus folgt

1

r±=

l2∓√

m2α2

l4+

2mE

l2(19.5)

und

φ = ±∫

ldr

mr2

√2Em + 2α

mr − l2

m2r2

= ∓∫

d1r

( 1r−

− 1r )(1

r − 1r+

). (19.6)

Es gibt zwei Arten von Bahnen:

a) Geschlossene Bahnen erhalt man fur α > 0, 0 > E ≥ −mα2

2l2 ; dann sind r+

und r− positiv.b) Offene Bahnen fur E ≥ 0. Dann ist r− positiv und 1/r+ ≤ 0.In beiden Fallen erhalten wir

φ = arccos

(2r − 1

r+− 1

r−

1r−

− 1r+

)

+ φ0. (19.7)

Aufgelost nach 1/r ergibt dies

1

r=

1

2

(1

r++

1

r−

)

︸ ︷︷ ︸

1/p

+1

2

(1

r−− 1

r+

)

︸ ︷︷ ︸

ǫ/p

cos(φ − φ0) =1 + ǫ cos(φ − φ0)

p. (19.8)

Dabei bezeichnet man p als Parameter und ǫ als (relative) Exzentrizitat. DieseBahnkurven sind Kegelschnitte. Drehen wir x- und y-Achse, so dass φ0 = 0,

64

Page 65: Klassische Mechanik - Physik Skripte

dann folgt

p = r + rǫ cos φ = r + ǫx,

r = p − ǫx,

r2 = x2 + y2 = p2 − 2pǫx + ǫ2x2,

(1 − ǫ2)x2 + y2 + 2pǫx = p2. (19.9)

Dies ist die Gleichung einer Ellipse fur ǫ2 < 1, einer Parabel fur ǫ2 = 1 undeiner Hyperbel fur ǫ2 > 1.

Die Umlaufdauer T fur die Ellipsenbahn konnen wir aus dem Flachensatzberechnen,

T =2m

lF. (19.10)

Aus der Ellipsengleichung

(1 − ǫ2)(x +ǫp

1 − ǫ2)2 + y2 =

p2

1 − ǫ2(19.11)

erhalten wir die Halbachsen

b =p√

1 − ǫ2, a =

p

1 − ǫ2(19.12)

und damit die Flache der Ellipse

F = πab =πp2

(1 − ǫ2)3/2. (19.13)

Berucksichtigen wir, dass

1

p=

1

2

(1

r++

1

r−

)

=mα

l2, (19.14)

woraus l =√

mαp folgt, so erhalten wir

T =2m√mαp

πp2

(1 − ǫ2)3/2= 2π

√m

α

(p

1 − ǫ2

)3/2

= 2π

ma3

α(19.15)

und damit das dritte Keplersche Gesetz, das besagt, dass sich die Quadrate T 2

der Umlaufzeiten wie die Kuben a3 der großen Halbachsen verhalten.

65

Page 66: Klassische Mechanik - Physik Skripte

20 Streuung am Zentralpotential

20.a Differentieller Wirkungsquerschnitt

Wir betrachten einen einfallenden Strahl (vorgebener Geschwindigkeit v) derIntensitat (Teilchenstromdichte) j, die gegeben ist durch die einfallende Anzahlder Teilchen pro Zeit und Flache senkrecht zur Geschwindigkeit.

F

v tDie Zahl der Teilchen im oben gezeigten Volumen ist

jF t = n︸︷︷︸

Teilchenzahldichte

· Fvt︸︷︷︸

Volumen

(20.1)

Damit erhalten wir fur die Teilchenstromdichte j = nv.

b

O

θ

b

b+db

Die Teilchen fallen alle parallel zueinander ein. Den Abstand von der paralle-len Achse durch das Streuzentrum bezeichnet man als Stoßparameter b. DenStreuwinkel, um den das Teilchen abgelenkt wird, sei θ. Wir bezeichnen denStreuquerschnitt mit σ. Dann ist die Flache des Kreisrings der Breite db

dσ = 2πb︸︷︷︸

Umfang

· db︸︷︷︸

Breite desKreisrings

. (20.2)

Pro Zeiteinheit gehen durch den Kreisring

jdσ = 2πjbdb (20.3)

Teilchen.

sinθ

θ

Diese werden in den Raumwinkel

dΩ = 2π sin θ︸ ︷︷ ︸

Umfang

· dθ︸︷︷︸

Breite

(20.4)

gestreut. Den Raumwinkel, unter dem z.B. einGegenstand erscheint, erhalt man, indem man vondem Punkt P , von dem man diesen misst, Strahlenzu dem Gegenstand zeichnet und dann eine Einheits-kugel mit Mittelpunkt P mit den Strahlen schnei-det. Das dadurch erzeugte Flachengebiet ist derRaumwinkel. Fur einen Vollwinkel erhalt man 4π,fur die Ecke eines Wurfels ein Achtel davon, also π/2.

66

Page 67: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Die Anzahl der pro Zeiteinheit in den Raumwinkel dΩ gestreuten Teilchenbetragt

jdσ = jdσ

dΩdΩ = j2πbdb. (20.5)

Die Anzahl der gestreuten Teilchen ist proportional zu j, t und dΩ,

dn = jtdσ = jtdσ

dΩdΩ. (20.6)

Man bezeichnet dσ/dΩ als differentiellen Streu- oder Wirkungsquerschnitt. Ausden Gleichungen (20.2) und (20.4) erhalten wir

dΩ=

∣∣∣∣

2πbdb

2π sin θdθ

∣∣∣∣=

b

sin θ

∣∣∣∣

db

∣∣∣∣. (20.7)

θ ist eine eindeutige Funktion von b, hingegen kann es mehrere Losungen b furgegebenen Streuwinkel θ geben. In diesem Fall muss man die Beitrage allerzugehorigen b aufsummieren. Der differentielle Wirkungsquerschnitt kann un-endlich werden. Dies geschieht bei sin θ = 0, also in Vorwarts- und Ruckwarts-Richtung (’glory’ G), aber auch wenn dθ/db = 0 wird, ’Regenbogen-Streuung’(R).

R G b

π

θ

Der totale Streuquerschnitt ergibt sich zu

σtot =

∫dσ

dΩdΩ = 2π

∫ π

0

dΩsin θdθ. (20.8)

Er ist im klassischen Fall durch π mal Quadrat der Reichweite des Potentialsgegeben, bei einem Potential unendlicher Reichweite also unendlich. Es sei nurerwahnt, dass man quantenmechanisch fur hinreichend rasch abfallende Poten-tiale, aber unendlicher Reichweite endliche totale Streuquerschnitte erhalt.

20.b Rutherford-Streuung

Wir betrachten nun die Rutherford-Streuung, d.h. die Streuung zweier Punkt-ladungen aneinander (E > 0). Wir hatten

1

r=

1

p(1 + ǫ cos(φ − φ0)). (20.9)

67

Page 68: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Die Extreme 1/r± erhalt man fur cos(φ − φ0) = ∓1, also

1 ∓ ǫ

p=

1

r±=

l2∓√

m2α2

l4+

2mE

l2, (20.10)

woraus

ǫ = sign(α)

1 +2l2E

mα2(20.11)

folgt. Fur positives α (Anziehung) hat man ǫ > 1, p > 0, cos(φ − φ0) > −1/ǫ,|φ − φ0| < χ > π/2, fur negatives α (Abstoßung) ǫ < −1, p < 0, cos(φ − φ0) >−1/ǫ, |φ − φ0| < χ < π/2. Fur die Asymptoten gilt

φ − φ0 = ±χ, χ = arccos(−1

ǫ). (20.12)

χα

θχ

>0

θ<0

χα

χ

Der Streuwinkel ergibt sich in beiden Fallen zu θ = |2χ − π|, also

cos θ = cos(2χ − π) = − cos(2χ) = −2 cos2 χ + 1 = − 2

ǫ2+ 1. (20.13)

Mit l = bmv, l2 = b2m2v2 = b2 · 2mE formen wir um

cos θ = 1 − 22l2Emα2 + 1

= 1 − 24E2b2

α2 + 1(20.14)

Daraus folgt dann

dΩ=

∣∣∣∣

db2

2d cos θ

∣∣∣∣=

∣∣∣∣

2d cos θ

db2

∣∣∣∣

−1

=

(

4(

4E2b2

α2 + 1)2

4E2

α2

)−1

=

(4E2

α2(1 − cos θ)2

)−1

, (20.15)

was mit 1 − cos θ = 2(sin2 θ2 )2 auf das Endergebnis

dΩ=

α2

16E2(sin θ2 )4

(20.16)

fur die Rutherford-Streuung fuhrt.

68

Page 69: Klassische Mechanik - Physik Skripte

21 Virial-Satz

Wir fragen nach dem zeitlichen Mittelwert T fur die kinetische Energie

T = limτ→∞

1

τ

∫ τ

0

T (t)dt. (21.1)

Es gilt ∫

T dt =1

2

∫∑

i

pi · vidt. (21.2)

Durch partielle Integration erhalt man∫

T dt =1

2

i

pi · xi −1

2

∫∑

i

Fi · xidt. (21.3)

Damit folgt

T = limτ→∞

1

i

pi · xi

∣∣∣∣∣

τ

0

−1

2

i

Fi · xi. (21.4)

Der Virialsatz sagt aus: Falls p und x endlich bleiben, folgt

T = −1

2

i

Fi · xi. (21.5)

Anwendungen

(i) V(r) = crn Wir betrachten ein Potential, das proportional rn ist. Furdieses gilt

F = −gradV(r) = −cnxrn−2, F · x = −cnrn = −nV(r). (21.6)

Daher gilt fur Bahnen im Endlichen

T + V = E, → T =n

n+ 2E, V =

2

n+ 2E. (21.7)

Das bedeutet fur den harmonischen Oszillator n = 2, T = V = E/2 mit E > 0.Fur das Kepler-Problem erhalt man n = −1, T = −E, V = 2E (E < 0). Diesbedeutet, dass ein Satellit, der in der Erdatmosphare gebremst wird, zwar anpotentieller Energie verliert, aber an kinetischer Energie gewinnt, jedenfalls solange er noch annahernd eine Kreis- oder Spiralbahn beschreibt.

Eine interessante Konsequenz ist die folgende: Der Saturn hat zwei Monde,Janus (Durchmesser 180 km) und Epimetheus (Durchmesser 120 km), die sichauf fast der gleichen Bahn bewegen. Die Bahnen liegen so nahe beieinander,dass sie zusammenstoßen wurden, falls zwischen ihnen keine Gravitationskraftewirken wurden. Wenn der eine den anderen fast eingeholt hat, wurde man an-nehmen, dass die beiden durch die Gravitation aufeinander sturzen. Tatsachlichgewinnt der innere etwas schnellere an Energie, aber das Doppelte davon wird

69

Page 70: Klassische Mechanik - Physik Skripte

in potentielle Energie umgesetzt, so dass er sich in eine etwas weiter außenliegende Bahn bewegt und dabei kinetische Energie verliert, also langsamer wird,wahrend der andere voraus fliegende potentielle Energie verliert und kinetischegewinnt und damit seinem Verfolger davon saust. Nach etwa 4 Jahren treffensie sich wieder und tauschen Energie aus, wahrend sie in 0.69 Tagen den Saturnumkreisen.

Etwas ahnliches gilt fur einen Begleiter der Erde, Cruithne (Durchmesser 5km), der vor einigen Jahren gefunden wurde. Er umkreist die Sonne in einemJahr. Wenn er auf seiner Bahn die Erde einholt, gewinnt auch er an Energie,verliert kinetische Energie und bleibt dann zuruck. Nach etwa 395 Jahren hatihn die Erde ziemlich eingeholt (sie kommen sich auf 15 Millionen km nahe). Erverliert Energie und gewinnt kinetische Energie und entfernt sich dadurch wiedervon der Erde. Inzwischen wurde noch ein zweiter Himmelskorper (2002AA29,knapp 100 m Durchmesser) mit ahnlichen dynamischen Eigenschaften gefunden.

Druck eines idealen Gases Wir betrachten ein Gas in einem Quader derSeitenlangen a, b und c gefullt mit einem idealen Gas,

0 ≤ x ≤ a, 0 ≤ y ≤ b, 0 ≤ z ≤ c. (21.8)

Auf die Atome wirken Krafte an den Oberflachen des Quaders. Die mittlereKraft auf die Atome ist ausgedruckt durch den Druck P

bei∑

iFix = 0 Pbcexx = a −Pbcexy = 0 Paceyy = b −Paceyz = 0 Pabezz = c −Pabez

(21.9)

Damit folgt dann mit dem Volumen V der Zusammenhang zwischen Energieund Druck eines idealen Gases

E = T =3

2Pabc =

3

2PV. (21.10)

70

Page 71: Klassische Mechanik - Physik Skripte

D Mechanik des starren Korpers

22 Starrer Korper

22.a Beschreibung

Ein starrer Korper ist eine Ansammlung von Massenpunkten mit festen Abstan-den. Als Lagekoordinaten fuhren wir einα) den Ort des Schwerpunkts (drei Koordinaten) und β) die Orientierung desKorpers (drei Winkel), z.B. die Richtung Schwerpunkt zu einem korperfestenPunkt P ; dies sind zwei Koordinaten; es bleibt noch ein Freiheitsgrad (Rotationum Achse Schwerpunkt P ). Spater geben wir eine explizite Beschreibung durchEuler-Winkel.

Zur Beschreibung fuhren wir ein

ai := Vektor vom Schwerpunkt zur Masse mi,

xi := Vektor vom Ursprung zur Masse mi. (22.1)

Damit folgt dann mit dem Schwerpunkt R und der Gesamtmasse M

xi = R + ai,∑

i

mixi = MR, M =∑

i

mi. (22.2)

Hieraus folgt auch

i

miai = 0. (22.3)

Fuhren wir weiter einR

x ai i

V := Geschwindigkeit des Schwerpunkts,

vi := Geschwindigkeit der Masse mi. (22.4)

so folgtvi = xi = R + ai. (22.5)

Die Bewegung setzt sich zusammen ausα) der Translationsbewegung des Schwerpunkts mit der Geschwindigkeit V = Rundβ) der Rotation um eine durch den Schwerpunkt gehende Achse. Zur Berech-nung der Rotationsgeschwindigkeit verwenden wir (5.7)

ai(t+ dt) = ai(t) + e(t) × ai(t)dφ. (22.6)

Dabei ist e der Einheitsvektor in Richtung der Drehachse und dφ der infinitesi-male Drehwinkel. Durch Differenzieren nach der Zeit erhalten wir

ai = ω(t) × ai mit ω(t) = e(t)φ. (22.7)

71

Page 72: Klassische Mechanik - Physik Skripte

ω ist der Vektor der Winkelgeschwindigkeit. Die Richtung von ω ist die Rich-tung der Drehachse (Rechtsschraube), der Betrag von ω ist die Winkelgeschwin-digkeit ω = φ. Insgesamt haben wir

vi = V + ω × ai. (22.8)

22.b Impuls und Energie im homogenen Gravitationsfeld

Der Gesamtimpuls P des starren Korpers ergibt sich zu

P =∑

i

pi =∑

i

mivi =∑

i

mi(V+ω×ai) =∑

i

mi

︸ ︷︷ ︸

M

V+ω×∑

i

miai

︸ ︷︷ ︸

0

, (22.9)

alsoP = MV. (22.10)

Fur die potentielle Energie im homogenen Gravitationsfeld erhalten wir

V =∑

i

migzi =∑

i

mig(Z + aiz) = MgZ, (22.11)

wobei Z die z-Komponente von R ist. Impuls und potentielle Energie lassensich also durch die Schwerpunktskoordinaten ausdrucken.

22.c Kinetische Energie

Wir betrachten nun die kinetische Energie

T =1

2

i

miv2i =

1

2

i

mi(V + ω × ai)2 (22.12)

=1

2

i

miV2 +

i

miV(ω × ai) +1

2

i

mi(ω × ai)2

=M

2V2

︸ ︷︷ ︸

Translationsenergie

+V(ω ×∑

i

miai

︸ ︷︷ ︸

0

) +1

2

i

mi(ω × ai)2

︸ ︷︷ ︸

Rotationsenergie

.

Die kinetische Energie setzt sich also aus zwei Anteilen zusammen, der Transla-tionsenergie, gegeben durch die Schwerpunktsbewegung, und der Rotationsen-ergie.

Wir beobachten, dass|ω × ai| = ωai⊥, (22.13)

wobei ai⊥ der Abstand von der Drehachse ist, die durch den Schwerpunkt gelegtwurde. Wir fuhren daher das Tragheitsmoment Θ0 bezuglich der Drehachsedurch den Schwerpunkt

Θ0 =∑

i

mia2i⊥ (22.14)

72

Page 73: Klassische Mechanik - Physik Skripte

ein und erhalten fur die Rotationsenergie

Trot =1

2Θ0ω2. (22.15)

Wir formen den Ausdruck fur die Rotationsenergie noch um

Trot =1

2

i

mi(ω2a2i − (ω · ai)

2) =1

2

αβ

ωαI0αβωβ =

1

2(ωII0

ω). (22.16)

Dabei istII0 = eα)I0

αβ(eβ (22.17)

der Tragheitstensor bezuglich des Schwerpunkts mit den Komponenten

I0αβ =

i

mi(a2i δαβ − aiαaiβ). (22.18)

Schreiben wir ω = ωe, so folgt

Trot =1

2ω2(eII0e), (22.19)

worausΘ0 = (eII0e) (22.20)

folgt.

22.d Drehimpuls

Fur den Drehimpuls erhalten wir

L =∑

i

xi × pi =∑

i

(R + ai) ×mi(V + ω × ai) (22.21)

=∑

i

miR × V +∑

i

miai

︸ ︷︷ ︸

0

×V + R × (ω ×∑

i

miai

︸ ︷︷ ︸

0

)

+∑

i

miai × (ω × ai).

Damit erhalten wir zwei Anteile des Drehimpulses

L = MR × V︸ ︷︷ ︸

Bahndrehimpuls

+∑

i

miai × (ω × ai)

︸ ︷︷ ︸

innererDrehimpuls

. (22.22)

Mita × (ω × a) = a2

ω − (a · ω)a (22.23)

73

Page 74: Klassische Mechanik - Physik Skripte

folgt

Lα = M(R × V)α +∑

i

mi(a2iωα − (aiω)aiα)

= M(R × V)α +∑

β

i

mi(a2i δαβ − aiαaiβ)

︸ ︷︷ ︸

I0αβ

ωβ , (22.24)

alsoL = MR × V + II0

ω. (22.25)

Im Allgemeinen ist L nicht parallel zu ω, selbst wenn R × V = 0. Fur dieKomponente parallel zur Drehachse erhalt man

L‖ = (eL) = Me(R × V) + (eII0e)︸ ︷︷ ︸

Θ0

ω. (22.26)

22.e Reine Drehung um Achse durch den Ursprung

Wir betrachten eine reine Drehung um den Ursprung. Dann ist V = ω×R und

T =1

2M(ω × R)2 +

1

2Θ0ω2. (22.27)

Wir erhalten daher

T =1

2Θω2 mit Θ = M(e× R)2 + Θ0. (22.28)

Nun ist R⊥ = |e×R| der Abstand des Schwerpunkts von der Drehachse. Damiterhalten wir den Steinerschen Satz

Θ = MR2⊥ + Θ0. (22.29)

Wir bemerken noch

T =1

2

i

mi(ω × xi)2 =

1

2

i

mi(ω2x2i − (ωxi)

2) =1

2ωαIαβωβ =

1

2(ωIIω)

(22.30)mit

Iαβ =∑

mi(x2i δαβ − xiαxiβ). (22.31)

Zerlegt man xi = R + ai, so folgt

Iαβ = I0αβ + δαβMR2 −MRαRβ . (22.32)

Man findetL = IIω. (22.33)

74

Page 75: Klassische Mechanik - Physik Skripte

23 Tragheitstensor

23.a Zur Berechnung

23.a.α Kontinuierliche Massenverteilung

Wir gehen nun zu einer kontinuierlichen Massenverteilung uber. Dazu erset-zen wir die Summation uber die Massen durch die Integration uber die Masse,was dann als Volumenintegral mit dm = d3xρ(x) mit der Massendichte ρ(x)ausgewertet wird. Wir haben also

i

mi...→

dm... =

d3xρ(x)... (23.1)

zu ersetzen. Damit erhalten wir die Darstellung fur die Tragheitstensoren undTragheitsmomente

I0αβ =

d3xρ(x)(δαβa2 − aαaβ), (23.2)

Iαβ =

d3xρ(x)(δαβx2 − xαxβ) (23.3)

Θ0 =

d3xρ(x)a2⊥ (23.4)

Θ =

d3xρ(x)x2⊥. (23.5)

23.a.β Rollender Zylinder

Wir betrachten nun einen rollenden Zylinder (LangeL und Radius R). Seine kinetische Energie ist

T =1

2MV 2 +

1

2I0zzω

2. (23.6)

Beim Abrollen auf einer Ebene findet man ds =Rdφ und damit den Zusammenhang zwischenGeschwindigkeit und Winkelgeschwindigkeit

R

L

z

V =ds

dt= R

dt= Rω (23.7)

Damit konnen wir die kinetische Energie ausdruckenals

T =1

2

(

M +I0zz

R2

)

V 2 =1

2(MR2 + I0

zz)︸ ︷︷ ︸

Izz

ω2. (23.8) R

ds

Wir nehmen an, dass die Massendichte des Zylinders homogen ist und berechnen

75

Page 76: Klassische Mechanik - Physik Skripte

das Tragheitsmoment

I0zz = ρ

d3x(x2 + y2). (23.9)

Hierbei verwenden wir zweckmaßigerweise Zylinderkoordinaten

x = r cosφ, y = r sinφ, z = z. (23.10)

Zur Berechnung des Volumenelements habenwir die Jacobi-Determinante zu bestimmen.Mit

rdφ

drr

dxdy∂(x, y)

∂(r, φ)=

∣∣∣∣∣

∂x∂r

∂x∂φ

∂y∂r

∂y∂φ

∣∣∣∣∣drdφ =

∣∣∣∣

cosφ −r sinφsinφ r cosφ

∣∣∣∣drdφ = rdrdφ (23.11)

Damit erhalten wir fur das Volumenelement in Zylinderkoordinaten

dV = d3x = rdrdφdz. (23.12)

Fur Θ0 = I0zz folgt mit x2 + y2 = r2

I0zz = ρ

∫ L

0

dz

∫ R

0

dr

∫ 2π

0

dφ r r2 = ρLR4

42π. (23.13)

Die Masse des Zylinders ist M = ρLπR2, so dass wir

Θ0 = I0zz =

1

2MR2, Θ = Izz = Θ0 +MR2 =

3

2MR2, T =

3

4MV 2 (23.14)

erhalten.

23.a.γ Quader

Fur einen Quader mit homogenerDichte ρ der Seitenlangen a, b,c mit Koordinatenachsen durchden Schwerpunkt erhalt man

y

z

x ac

b

I0xx = ρ

∫ a/2

−a/2dx

∫ b/2

−b/2dy

∫ c/2

−c/2dz(y2 + z2)

= ρac

∫ b/2

−b/2dyy2 + ρab

∫ c/2

−c/2dzz2

= ρabc

(b2

12+c2

12

)

=M

12(b2 + c2), (23.15)

I0xy = ρ

∫ a/2

−a/2dx

∫ b/2

−b/2dy

∫ c/2

−c/2dzxy = 0. (23.16)

76

Page 77: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Damit erhalten wir

I0 =

M12 (b2 + c2) 0 0

0 M12 (a2 + c2) 0

0 0 M12 (a2 + b2)

. (23.17)

Der Tensor ist diagonal. Fur den inneren Drehimpuls L0 = II0ω folgt

L0x = I0

xxωx, L0y = I0

yyωy, L0z = I0

zzωz. (23.18)

Falls b > c, dann ist I0zz > I0

yy, so dass man an-schaulich die folgende Beziehung zwischen L0 und ω

hat:

ωL0z

y

23.b Transformationseigenschaften des Tragheitstensors

Wir stellen die Vektoren im korperfesten und im raumfesten Koordinatensystemdar

a = aαeα︸ ︷︷ ︸

raumfest

= a′αe′α

︸ ︷︷ ︸

korperfest

, (23.19)

wobei (vgl. Abschnitt 1.c)

a′α = Aαγaγ , aγ = Aαγa′α, Aαγ = (e′α · eγ). (23.20)

Damit transformieren wir nun den Tragheitstensor zwischen den beiden Syste-men

I ′αβ =∑

i

mi(a2i δαβ − a′iαa

′iβ). (23.21)

Nun ist

a′iαa′iβ = AαγAβδaiγaiδ, (23.22)

a′2i = a2i , (23.23)

δαβ = (AAT)αβ = AαγAβγ = AαγAβδδγδ. (23.24)

Damit folgt

I ′αβ = AαγAβδ∑

i

(a2i δγδ − aiγaiδ) = AαγIγδAβδ, (23.25)

alsoI ′ = AIAT. (23.26)

Eine Matrix I, deren neun Komponenten Iαβ sich unter orthogonalen Koordi-naten-Transformationen x′ = Ax gemaß I ′ = AIAT transformieren, besteht ausden Komponenten eines Tensors.

77

Page 78: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Entsprechend: Eine dreikomponentige Große p, deren Komponenten pα sichunter orthogonalen Koordinaten-Transformationen x′ = Ax gemaß p′ = Aptransformieren, besteht aus den Komponenten eines Vektors.5

Eine Große s, die unter orthogonalen Koordinaten-Transformationen invariantist, heißt Skalar.

Man unterscheide zwischen der Koeffizienten-Matrix I und dem Tensor II

II =∑

i

mi

[a2i 1l − ai)(ai

]

= eγ)Iγδ(eδ = e′α)I ′αβ(e′β , (23.27)

Iγδ = (eγIIeδ), (23.28)

I ′αβ = (e′αIIe′β) = (e′αeγ)Iγδ(eδe

′β) = AαγIγδAβδ. (23.29)

Fur den inneren Drehimpuls L0 gilt

L′0 = I ′0ω′ = AI0ATω′ = ±AI0ω = ±ALinn, detA = ±1. (23.30)

Man beachte, dass ω ein axialer Vektor ist, fur den ω′ = ±Aω gilt, wobei dasVorzeichen gleich dem Vorzeichen von detA ist. Daher ist auch L0 ein axialerVektor.

Tragheitstensor der Kugel Eine Kugel ist unter Rotationen invariant. Da-her ist I ′0 = I0. Insbesondere folgt unter einer Drehung um die z-Achse um 900

mit

A =

0 1 0−1 0 00 0 1

(23.31)

A

Ixx Ixy IxzIyx Iyy IyzIzx Izy Izz

AT =

Iyx Iyy Iyz−Ixx −Ixy −IxzIzx Izy Izz

AT

=

Iyy −Iyx Iyz−Ixy Ixx −IxzIzy −Izx Izz

. (23.32)

Daraus folgt Ixx = Iyy , Ixy = −Iyx, Ixz = Iyz = −Ixz etc. Die Außerdiagonal-Matrixelemente (Deviations-Momente) sind daher alle gleich Null. Die Diago-nalelemente sind alle gleich, da wir naturlich auch um die y- oder z-Achse eineDrehung vornehmen konnen

I0xx = I0

yy = I0zz =

d3xρ(x2 + y2) =2

3

d3xρr2 =2ρ

3

dΩdr2r2

=8πρ

3

∫ R

0

drr4 =8πρR5

15=

2MR2

5. (23.33)

5Tatsachlich sind L, Ω, B axiale Vektoren, wahrend x, p, v und E polare Vektoren sind.Sie alle transformieren sich unter speziellen orthogonalen Transformationen (det A = +1)gleich. Unter Inversion (Spiegelung am Ursprung) gehen polare Vektoren in ihr Negativesuber, wahrend axiale Vektoren invariant sind. L = x × p → L = (−x) × (−p).

78

Page 79: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Das heißt fur die Kugel der Masse M und dem Radius R erhalt man

II =2

5MR21l. (23.34)

23.c Hauptachsen-Transformationen

Fur welche Richtungen ist der innere Drehimpuls L0 parallel zu ω? Das heißtwir suchen Einheitsvektoren p, fur die II0p = λp gilt. Dies ist ein Eigenwert-Problem. Es sei p nicht-triviale Losung der homogenen linearen Gleichung

II0p − λp = 0, (I0αβ − λδαβ)pβ = 0. (23.35)

Diese Gleichung hat eine nicht-triviale Losung, falls

det(I0 − λ1l) = 0. (23.36)

oder ∣∣∣∣∣∣

I011 − λ I0

12 I013

I021 I0

22 − λ I023

I031 I0

32 I033 − λ

∣∣∣∣∣∣

= 0. (23.37)

Diese Eigenwert-Gleichung ist eine kubische Gleichung fur λ mit drei Losungenλi und zugehorigen Eigenvektoren pi.

Alle Eigenwerte sind reell, da I0 symmetrisch und reell ist, I0γδ = I0

δγ .Es sei

I0γδpδ = λpγ . (23.38)

Dann folgt

p∗γI0γδpδ = λp∗γpγ = λ · positive Zahl

=1

2(p∗γpδ + p∗δpγ)︸ ︷︷ ︸

reell

I0γδ

︸︷︷︸

reell

= reelle Zahl. (23.39)

Daher sind alle Eigenwerte reell und die p konnen reell gewahlt werden.

Die Vektoren pi, pj stehen senkrecht auf einander, falls λi 6= λj . Manzeigt das folgendermaßen:

(piIIpj) = λj(pi · pj) = (pjIIpi) = λi(pj · pi). (23.40)

Daraus folgt(λj − λi)(pi · pj) = 0 (23.41)

und daher gilt entweder λj = λi oder (pi · pj) = 0.

79

Page 80: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Man kann stets pj · pi = δji wahlen und erhalt damit ein orthonormiertesSystem von Vektoren p. Die Richtungen der pi sind die Richtungen der Haupt-tragheitsachsen. Sie sind korperfest. Die λi heißen Haupttragheitsmomente.Offensichtlich ist

II0 =∑

i

pi)λi(pi, I0αβ =

i

piαλipiβ . (23.42)

Wir wahlen das korperfeste System so, dass I ′0 diagonal ist,

I ′0 =

λ1 0 00 λ2 00 0 λ3

=

I ′011 0 00 I ′022 00 0 I ′033

. (23.43)

Dann istI0 = ATI ′0A, I0

αβ = AγαI′0γδAδβ =

γ

AγαλγAγβ (23.44)

und wir identifizieren piα = Aiα. Aus der Orthogonalitat der p folgt

pα · pβ = pαγpβγ = AαγAβγ = (AAT)αβ = δαβ . (23.45)

Daher lasst sich I0 durch eine orthogonale TransformationA auf DiagonalgestaltI ′0 bringen. Die orthogonale Transformation A ist durch die Eigenvektoren vonI0 gegeben (die Zeilen von A und die Spalten von AT sind die Eigenvektorenp).

23.c.α Beispiele

Es sei

I0 =

5 34 0

34 3 00 0 4

[gcm2] (23.46)

Die Eigenwerte ergeben sich aus der Gleichung

∣∣∣∣∣∣

5 − λ 34 0

34 3 − λ 00 0 4 − λ

∣∣∣∣∣∣

= [(5−λ)(3−λ)−9

16](4−λ) = [(λ−4)2−

25

16](4−λ) = 0.

(23.47)Daraus folgen die drei Losungen

λ1 = I ′011 =21

4, λ2 = I ′022 =

11

4, λ3 = I ′033 = 4 (23.48)

jeweils in gcm2. Die Eigenvektoren bestimmt man zu

p1 =

3√101√10

0

, p2 =

− 1√10

3√10

0

, p3 =

001

. (23.49)

80

Page 81: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Man unterscheidet:a) Kugelkreisel I ′011 = I ′022 = I ′033,b) Symmetrische Kreisel I ′011 = I ′022 6= I ′033,c) Unsymmetrische Kreisel I ′011 6= I ′022 6= I ′033 6= I ′011.Wenn alle Massen in einer Ebene liegen (x′, y′), gilt I ′11 + I ′22 = I ′33.Wenn alle Massen auf einer Gerade liegen (z′), dann gilt I ′11 = I ′22, I

′33 = 0.

Allgemein giltI ′11 ≥ 0, I ′11 + I ′22 ≥ I ′33 (23.50)

und auch fur permutierte Indices.

81

Page 82: Klassische Mechanik - Physik Skripte

24 Bewegungsgleichungen und Euler-Winkel

24.a Euler-Winkel

Wir fuhren die Transformation vom raumfesten Koordinatensystem (x, y, z) aufdas korperfeste Koordinatensystem (x′, y′, z′) durch drei aufeinander folgendeRotationen durch und zwara) um die z-Achse um den Winkel φ. Dabei gehen x- und y-Achse in die ξ undη-Achse uber.b) um die ξ-Achse um den Winkel θ. Dabei gehen η- und z-Achse in η′- undz′-Achse uber und schließlichc) um die z′-Achse um den Winkel ψ. Dabei gehen ξ- und η′-Achse in die x′-und y′-Achse uber.Die drei Winkel φ, θ und ψ sind die Euler-Winkel.

z

z’

xy

ξ

η

y’

x’

η’θ

φ ψ

Ausgedruckt durch Transformations-Matrizen lautet die Transformation

x′

y′

z′

=

cosψ sinψ 0− sinψ cosψ 0

0 0 1

ξη′

z′

= A(3)(ψ)

ξη′

z′

. (24.1)

ξη′

z′

=

1 0 00 cos θ sin θ0 − sin θ cos θ

ξηz

= A(1)(θ)

ξηz

. (24.2)

82

Page 83: Klassische Mechanik - Physik Skripte

ξηz

=

cosφ sinφ 0− sinφ cosφ 0

0 0 1

xyz

= A(3)(φ)

xyz

. (24.3)

Damit ergibt sich die gesamte Transformation zu

x′

y′

z′

= A(ψ, θ, φ)

xyz

, A(ψ, θ, φ) = A(3)(ψ)A(1)(θ)A(3)(φ). (24.4)

A ist eine orthogonale Transformation, AAT = ATA = 1l mit der Rucktransfor-mation

xyz

= AT (ψ, θ, φ)

x′

y′

z′

. (24.5)

AT (ψ, θ, φ) = A(3)T (φ)A(1)T (θ)A(3)T (ψ)

= A(3)(−φ)A(1)(−θ)A(3)(−ψ) = A(−φ,−θ,−ψ). (24.6)

Wir konnen hieraus die Winkelgeschwindigkeit bestimmen

ω = φez + θeξ + ψe′z. (24.7)

Die Beitrage lassen sich superponieren, da

dx = dφez×x+dθeξ×x+dψe′z×x = (φez+θeξ+ψe′z)×xdt = ω×xdt. (24.8)

Wir berechnen ω im korperfesten System. Mit

ez = cos θe′z + sin θe′η, (24.9)

e′η = cosψe′y + sinψe′x, (24.10)

eξ = cosψe′x − sinψe′y (24.11)

folgtez = cos θe′z + sin θ cosψe′y + sin θ sinψe′x (24.12)

und damit

ω = ω′xe

′x + ω′

ye′y + ω′

ze′z, (24.13)

ω′x = θ cosψ + φ sin θ sinψ, (24.14)

ω′y = −θ sinψ + φ sin θ cosψ, (24.15)

ω′z = φ cos θ + ψ. (24.16)

24.b Kraftefreier symmetrischer Kreisel

Wir betrachten einen kraftefreien Kreisel, das heißt einen Kreisel, den wirim Schwerpunkt unterstutzen. Weiterhin sei er symmetrisch, das heißt zwei

83

Page 84: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Haupttragheitsmomente seien gleich, I ′1 = I ′2. (Wir schreiben jetzt die Haupt-tragheitsmomente nur noch mit einem Index). Dann erhalten wir die Lagrange-funktion

L = T =1

2I ′1(ω

′2x + ω′2

y ) +1

2I ′3ω

′2z =

1

2I ′1(θ

2 + φ2 sin2 θ) +1

2I ′3(ψ + φ cos θ)2.

(24.17)Offensichtlich sind ψ und φ zyklische Variable. Also sind pψ und pφ erhalten.Was sind die verallgemeinerten Impulse pα, wobei α fur einen der Winkel ψ, θoder φ steht?

pα =1

2

∂ωIIω

∂α=

1

2

∂ω

∂αIIω +

1

2ωII

∂ω

∂α=∂ω

∂αIIω =

∂ω

∂α· L. (24.18)

Daraus folgtpψ = e′zL = L′

z, pφ = ezL = Lz. (24.19)

Fur den kraftefreien Kreisel sind naturlich die Komponenten des Drehimpulsesim ortsfesten System erhalten (Lz). Fur den symmetrischen Kreisel ist auchdie Drehimpulskomponente in Richtung Figurenachse erhalten (L′

z). Wir legennun die z-Achse in Richtung des Drehimpulses L = Lez. Dann ist L′

z = L cos θ.Da L und L′

z konstant sind, folgt, dass auch cos θ konstant ist. Der Winkelzwischen Figurenachse und L ist also erhalten. Aus

Lz = L = pφ =∂L

∂φ= I ′1 sin2 θ φ+ I ′3 cos θ(ψ + φ cos θ), (24.20)

L′z = pψ = I ′3(ψ + φ cos θ) (24.21)

folgt

φ =L

I ′1Nutation (reg. Prazession) der Figurenachse

ψ =

(L

I ′3−L

I ′1

)

cos θ zusatzliche Rotation um die Figurenachse(24.22)

Beide Winkel wachsen als proportional zur Zeit an.

24.c Zum schweren symmetrischen Kreisel

Es seien nun I ′1 = I ′2, I′3 die Haupttragheitsmomente bezuglich des Unterstut-

zungspunktes, m die Masse des Kreisels, s der Abstand vom Schwerpunkt zumUnterstutzungspunkt, wobei letzterer auf der Symmetrieachse liege. Dann trittzu der kinetischen Energie noch die potentielle

V = mgs cos θ (24.23)

hinzu. pφ = L und pψ = L′z sind weiterhin Erhaltungsgroßen, woraus

φ =Lz − L′

z cos θ

I ′1 sin2 θ, (24.24)

ψ =L′z

I ′3− φ cos θ (24.25)

84

Page 85: Klassische Mechanik - Physik Skripte

folgt. Mit Hilfe des Energiesatzes

E = T + V =1

2I ′1θ

2 + Veff , (24.26)

Veff = mgs cos θ +(Lz − L′

z cos θ)2

2I ′1 sin2 θ+L′2z

2I ′3. (24.27)

berechnet man θ(t), das periodisch oszilliert. Dies setzt man in (24.24) und(24.25) ein und berechnet φ und ψ. Die periodische Veranderung von θ wird alsNutation bezeichnet.

85

Page 86: Klassische Mechanik - Physik Skripte

25 Bewegungs-Gleichungen und Eulersche Glei-

chungen

25.a Bewegungs-Gleichungen im raumfesten Bezugssys-

tem

Wir betrachten die Bewegungsgleichungen eines starren Korpers. Da die Zeit-ableitung des Impulses gleich der Kraft ist, folgt als erste Bewegungsgleichungdie fur den Schwerpunkt des Systems

d

dtP = MV =

i

Fi = F. (25.1)

Die Anderung des Drehimpulses wird durch das Drehmoment gegeben

d

dtL =

i

xi × Fi = K. (25.2)

Ist die Drehung auf den Ursprung bezogen, so folgt mit L = IIω

d

dt(IIω) = K, (25.3)

wobei im Scherefeld der Erde K = MR× g ist. Allgemein haben wir

L = R × P + II0ω,

d

dt(R × P) = R × F (25.4)

und damitd

dt(II0

ω) =∑

i

(xi − R) × Fi =: K0. (25.5)

Das heißt auf die Rotation des Korpers wirkt sich das Drehmoment K0 bezogenauf den Schwerpunkt aus.

25.b Transformation der Zeitableitung eines Vektors vom

raumfesten auf das korperfeste Bezugssystem

Wir transformieren nun die Zeitableitung eines Vektors vom raumfesten auf daskorperfeste Bezugssystem und bezeichnen mit d

dt die Differentiation im raum-

festen, mit d′

dt im korperfesten Bezugssystem. Wir betrachten einen Vektor

S = Sαeα = S′αe

′α. (25.6)

Im raumfesten System ist eα zeitunabhangig, im korperfesten e′α. Daher gilt

deαdt

= 0,d′e′αdt

= 0. (25.7)

86

Page 87: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Daraus folgt

dS

dt=

d

dt(Sαeα) =

dSαdt

=d

dt(S′αe

′α) =

dS′α

dte′α

︸ ︷︷ ︸

d′

dtS

+S′α

de′αdt

︸︷︷︸

ω×e′

α

, (25.8)

Daraus erhalten wir das Ergebnis

dS

dt=

d′S

dt+ ω × S. (25.9)

25.c Euler-Gleichungen

Wir wenden diese Beziehung nun auf die Bewegungsgleichung fur die RotationdLdt = K des starren Korpers an, die wir im korperfesten System betrachtenwollen, da dort die Haupttragheitsmomente zeitunabhangig sind,

dL′α

dt+ (ω × L)′α = K ′

α (25.10)

oder fur die erste Komponente

dL′1

dt+ ω′

2L′3 − ω′

3L′2 = K ′

1. (25.11)

Setzen wir nun L′α = Iαω

′α, wobei diesmal die Einsteinsche Summenkonvention

nicht angewendet wird, und wir den Strich am I weglassen, dann folgt

I1dω′

1

dt+ (I3 − I2)ω

′2ω

′3 = K ′

1, (25.12)

I2dω′

2

dt+ (I1 − I3)ω

′3ω

′1 = K ′

2, (25.13)

I3dω′

3

dt+ (I2 − I1)ω

′1ω

′2 = K ′

3. (25.14)

Diese Gleichungen werden als Eulersche Gleichungen bezeichnet.

Unsymmetrischer kraftefreier Kreisel Wir wollen diese Gleichungen an-wenden auf einen unsymmetrischen kraftefreien Kreisel, der momentan um eineAchse fast parallel zur 3’-Achse rotiert, d.h. ω′

1, ω′2 ≪ ω′

3. Dann ist ω′3 zumindest

fur eine Weile praktisch konstant und wir erhalten die Bewegungsgleichungen

I1ω′1 = (I2 − I3)ω

′3ω

′2, I2ω

′2 = (I3 − I1)ω

′3ω

′1, (25.15)

woraus

ω′1 = λ2ω′

1 mit λ2 =(I2 − I3)(I3 − I1)

I1I2ω′2

3 (25.16)

87

Page 88: Klassische Mechanik - Physik Skripte

mit der Losungω′

1 = aeλt + be−λt (25.17)

folgt. Falls I3 das großte oder das kleinste der drei Tragheitsmomente ist, dannist λ2 negativ und ω′

1 und ω′2 vollfuhren kleine Oszillationen der Frequenz |λ|.

Falls I3 jedoch das mittlere der drei Tragheitsmomente ist, ist λ2 positiv unddie ω′

1 und ω′2 werden exponentiell anwachsen. Dann ist die Rotation um die

3’-Achse instabil.Dies kann man auch den Erhaltungsgroßen entnehmen. Aus der Erhaltung

des Quadrats des Drehimpulses

L2 = L′21 + L′2

2 + L′23 = I2

1ω′21 + I2

2ω′22 + I2

3ω′23 (25.18)

und der Rotationsenergie

2E = (ω · II · ω) = I1ω′21 + I2ω

′22 + I3ω

′23 (25.19)

folgt nach Elimination von ω′3

L2 − 2I3E = I1(I1 − I3)ω′21 + I2(I2 − I3)ω

′22 . (25.20)

Falls L2−2I3E klein ist und falls I3 großtes oder kleinstes Haupttragheitsmomentist, beschreibt Gleichung (25.20) eine Ellipse in der (ω′

1, ω′2)-Ebene, was die

Maximal-Ausschlage beschrankt. Falls I3 jedoch das mittlere Tragheitsmomentist, dann beschreibt (25.20) eine Hyperbel in der (ω′

1, ω′2)-Ebene, das heißt ω′

1

und ω′2 konnen stark anwachsen.

Ein derartiger Fall liegt beim Saturn-Mond Hyperion mit den Abmessungen190 km × 145 km × 114 km vor, wobei dort allerdings das Drehmoment aufGrund der Gravitation von Saturn nicht zu vernachlassigen ist (die Gravitations-Beschleunigung kann nicht als konstant uber den ganzen Mond angesehen wer-den; es wirken daher Gezeiten-Krafte). Die Torkel-Bewegung ist so chaotisch(siehe Scheck, Mechanik), dass eine Messung der raumlichen Orientierung derDrehachse auf 10 Stellen genau (tatsachlich kann diese Genauigkeit nicht erre-icht werden) beim Vorbeiflug von Voyager im November 1980 nicht ausreichendgewesen ware, die Orientierung Hyperions beim Vorbeiflug von Voyager 2 imAugust 1981 vorherzusagen.

88

Page 89: Klassische Mechanik - Physik Skripte

26 Beschleunigtes Bezugssystem

26.a Bezugssystem bewegt sich parallel zum Inertialsys-

tem

Das Bezugssystem (x′) bewege sich parallel zum Inertialsystem (x) und sei gegendieses um a(t) verschoben,

xi(t) = x′

i(t) + a(t). (26.1)

Im Inertialsystem giltmixi(t) = Fi (26.2)

und damitmix

i(t) = Fi − miai(t) (26.3)

Diese letztere Kraft ist eine Tragheitskraft, die man zum Beispiel in einembeschleunigten Fahrzeug oder Fahrstuhl verspurt.

Fallt ein System von Massen frei in einem homogenen Gravitationsfeld,so kann man innerhalb des Systems die Wirkung der Gravitationskraft nichtfeststellen. Das System wird als ganzes mit der Schwerebeschleunigung be-schleunigt. (Beispiele: Astronauten in Raumstationen, Erde im Schwerefeld derSonne, Sonnensystem in Milchstraße). Die Kraft setzt sich aus der Gravita-tionskraft mig und anderen Kraften F0

i zusammen,

Fi = F0i + mig. (26.4)

Andererseits gilt fur das beschleunigte Bezugssystem

xi = x′

i + a mit a = g, (26.5)

worausmix

i = F0i . (26.6)

folgt. Dagegen beobachtet man die Inhomogenitaten des Gravitationsfeldes.Dies erklart Ebbe und Flut.

26.b Rotierendes Bezugssystem

Wir betrachten ein Bezugssystem, das um den Ursprung mit der Winkelge-schwindigkeit ω rotiert. Im vorhergehenden Abschnitt hatten wir gefunden,dass sich Fur dieses gilt, dass sich die zeitliche Anderung im ruhenden und imrotierenden System unterscheidet durch

d

dt=

d′

dt+ ω × . (26.7)

Dabei bezieht sich die Ableitung d/dt auf das Inertialsystem und die Ableitungd′/dt auf das rotierende System. Wir sehen diesen Zusammenhang am Ortsvek-tor

vi =d′xi

dt+ ω × xi. (26.8)

89

Page 90: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Er gilt aber genauso fur andere Vektoren. Berechnen wir nun die Beschleunigungdurch erneutes Differenzieren, so erhalten wir

d

dtvi =

(d′

dt+ ω×

)d′xi

dt+

(d′

dt+ ω×

)

ω × xi

=d′2xi

dt2+ ω × d′xi

dt+

d′ω

dt× xi + ω × d′xi

dt+ ω × (ω × xi).(26.9)

Damit erhalten wir die Bewegungsgleichung

mi

d′2xi

dt2= Fi + 2mi

d′xi

dt× ω

︸ ︷︷ ︸

Coriolis−Kraft

+ mi(ω × xi) × ω

︸ ︷︷ ︸

Zentrifugal−Kraft

+mixi ×d′

ω

dt. (26.10)

Es treten also zur Kraft Fi, die bereits im nicht rotierenden System auftritt, nochweitere Krafte hinzu: die Coriolis-Kraft, die geschwindigkeitsabhangig ist, dieZentrifugalkraft, die wir auch miω

2xi⊥ schreiben konen, wobei xi⊥ der Anteilvon xi senkrecht zur Rotationsrichtung ist.

Das Auftreten der Coriolis-Kraft kann man am Foucault-Pendel beobachten.Unter der Wirkung der Erddrehung rotiert die Pendelebene. Dies wird zumBeispiel am Foucault-Pendel im KIP (Kirchhoff-Institut fur Physik) demon-striert.

Ein weiteres Beispiel sind die Passat-Winde. Diese entstehen durch dieAufheizung des Bodens unter der senkrechten Einstrahlung der Sonne. Dadurchwird die Luft daruber stark erhitzt und steigt nach oben. Von Norden undSuden stromt Luft nach. Diese Winde werden durch die Coriolis-Kraft nachOsten abgelenkt. Dadurch kommt es zum Nordost- und Sudost-Passat. Ahnlichist es mit den Winden, die in ein Tiefdruckgebiet wehen. Sie werden auf derNordhalbkugel nach rechts abgelenkt, so dass sie das Tiefdruckgebiet gegen denUhrzeigersinn umkreisen.

Ostablenkung beim freien Fall Wir be-trachten die Ostablenkung beim freien Fall einesKorpers auf Grund der Coriolis-Kraft durch dieErdrotation. Wir lassen nun die Striche fur dasrotierende Bezugssystem weg. Die Koordinatenlegen wir so, dass x nach Osten, y nach Nordenund z nach oben weist. Die geographische Bre-ite sei φ. Die Winkelgeschwindigkeit der Erde istω = ω(0, cosφ, sin φ) = ωeω.

z

y N

x O

φ

ω

Die Winkelgeschwindigkeit ist klein. Wir entwickeln daher nach Potenzenvon ω

x = x0 + ωx1 + O(ω2). (26.11)

Die Bewegungsgleichung lautet im rotierenden System

md2x0

dt2+ mω

d2x1

dt2= −mgez + 2m

dx0

dt× ω + O(ω2). (26.12)

90

Page 91: Klassische Mechanik - Physik Skripte

oder

m

(d2x0

dt2+ gez

)

︸ ︷︷ ︸

0

+mω

(d2x1

dt2− 2

dx0

dt× eω

)

︸ ︷︷ ︸

0

+O(ω2) = 0. (26.13)

Mit der Anfangsbedingung x(0) = z(0)ez und x = 0 folgt aus der ersten Glei-chung

x0 = (z(0) − g

2t2)ez . (26.14)

Die zweite Gleichung lautet

d2x1

dt2= 2

dx0

dt× eω = 2(−gt)ez × eω = 2gt cosφex. (26.15)

Daraus folgtdx1

dt= gt2 cosφex, x1 =

1

3gt3 cosφex, (26.16)

also

x = (z(0) − g

2t2)ez +

1

3ωgt3 cosφ︸ ︷︷ ︸

Ostabweichung

ex + O(ω2). (26.17)

91

Page 92: Klassische Mechanik - Physik Skripte

27 Lagrange-Punkte, Trojaner und Hufeisenbah-

nen

Eine typische Anwendung fur ein rotierendes Bezugssystem findet man bei derBewegung von Massen, die sich mit einem Planeten um die Sonne oder miteinem Mond um einen Planeten bewegen.

Drei typische Fragen sind:a) An welchen Punkten kann eine Masse mit den beiden vorgegebenen Massenmitrotieren ohne seine relative Lage zu diesen beiden Massen zu verandern?Diese Punkte werden als Lagrange-Punkte bezeichnet.b) Wie verandert sich die potentielle Energie auf der Erdoberflache durch Mondund Sonne? Dies fuhrt zu den Gezeiten.c) Wir erwahnten in Abschnitt (21), dass Janus und Epimetheus auf praktischder gleichen Bahn um den Saturn laufen. Ahnlich bewegen sich auch Cruithnewie auch 2002AA29 auf erdnahen Bahnen, die im System, das mit der Erde umdie Sonne rotiert, die Gestalt von Hufeisenbahnen haben.

27.a Lagrange-Punkte

Wir betrachten zwei Massen m1 und m2, die umeinander im Abstand R mitFrequenz ω rotieren. Der Schwerpunkt liege dabei im Ursprung. Im mitrotieren-den Koordinatensystem habe m1 die Koordinaten (x1, 0) und m2 die Koordi-naten (x2, 0). Da Zentrifugalkraft und Gravitationskraft im Gleichgewicht seinmussen, folgt

m1ω2x1 −

γm1m2(x1 − x2)

R3= 0, m2ω

2x2 −γm1m2(x2 − x1)

R3= 0 (27.1)

mit der Gravitationskonstanten γ. Es folgt

x1 =−m2

m1 + m2

R, x2 =m1

m1 + m2

R, ω2 =γ(m1 + m2)

R3. (27.2)

Wir fugen nun eine dritte Masse m, die klein ist gegen m1 und m2 ist, hinzu,so dass wir deren Einfluss auf die großen Massen vernachlassigen konnen. Mitraumfesten Koordinaten (ξ, η) und rotierenden Koordinaten (x, y) haben wir

ξ = x cosωt + y sinωt, η = −x sin ωt + y cosωt. (27.3)

Daraus erhalt man die Geschwindigkeit und kinetische Energie

ξ = (x + ωy) cosωt + (y − ωx) sin ωt, (27.4)

η = (y − ωx) cosωt − (x + ωy) sin ωt, (27.5)

T =m

2

((x + ωy)2 + (y − ωx)2

). (27.6)

Die potentielle Energie ergibt sich zu

V = − γmm1

|x− x1|− γmm2

|x− x2|. (27.7)

92

Page 93: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Zur Bestimmung der Bewegungsgleichungen fur die Masse m berechnen wir

∂L∂x

= m(x − ωy),∂L∂x

= mω(y + ωx) − ∂V∂x

, (27.8)

∂L∂y

= m(y + ωx),∂L∂y

= mω(−x + ωy) − ∂V∂y

. (27.9)

Daraus folgen die Bewegungsgleichungen

x = 2ωy + ω2x − γm1(x − x1)

|x − x1|3− γm2(x − x2)

|x − x2|3, (27.10)

y = −2ωx + ω2y − γm1y

|x − x1|3− γm2y

|x − x2|3. (27.11)

Lagrange untersuchte, an welchen Punkten die mitrotierende Masse m im Gleich-gewicht ist. Hierzu muss man r = r = 0 setzen. Es gibt dann zwei Arten vonLosungen. In einer Klasse liegen die drei Massen in einer Geraden, das heißt,man hat y = 0. Dann ist die zweite Gleichung erfullt. Die erste Gleichungbeinhaltet, dass Zentrifugalpotential plus Gravitationspotential

−m

2ω2x2 − V = −m

2ω2x2 − γmm1

|x − x1|− γmm2

|x − x2|(27.12)

extremal werden.Bei x = x1 und x = x2 geht das Potential gegen −∞, das gleiche gilt,

wenn x gegen ±∞ geht. Dazwischen liegen drei Extrema (Maxima), die alsLagrange-Punkte bezeichnet werden. Der Lagrange-Punkt zwischen den beidenMassen wird als L1, der jenseits der leichteren Masse als L2 und der jenseitsder schweren Masse als L3 bezeichnet. Eine genauere Untersuchung zeigt, dassdiese Punkte instabil sind, d.h. eine kleine Auslenkung genugt und die Massebewegt sich von diesem Punkt weg. Man kann sie trotzdem verwenden, umRaumsonden zu stationieren. Wegen der Instabilitat muss man ab und zu dieBahn der Sonde etwas korrigieren. In L1 ist SOHO (Solar and HeliosphericObservatory) stationiert. In L2 ist WMAP (Wilkinson Microwave AnisotropyProbe) stationiert. In Science fiction-Romanen gibt es den Planeten X (Gegen-Erde) jenseits der Sonne in L3, der von der Erde aus nicht sichtbar ist.

Wir geben jeweils fur m1/m2 = 9 : 1 das Potential (27.12) langs der y-Achse an, sowie die Darstellung der Aquipotential-Linien dieses Potentials durchdie Lagrange-Punkte. Das Potential ist maximal an den Punkten L4 und L5

im gelben (hellen) Bereich. Bei L3 liegt ein Sattelpunkt des Potentials, derden gelben (hellen) vom roten (mittelgrauen) Bereich trennt. Bei L2 liegt einzweiter Sattelpunkt, der den roten (mittelgrauen) von den beiden dunkelblauen(dunkelgrauen) Bereichen trennt. Bei L1 ist der Sattelpunkt, der den innerendunkelblauen (dunkelgrauen) Bereich von den beiden hellblauen (hellgrauen)Bereichen um die beiden Massen trennt. Bei den beiden Massen sowie weitdraußen ist das Potential am tiefsten.

93

Page 94: Klassische Mechanik - Physik Skripte

xV x1 2xL3 L1 L2

Gravitations- und Zentrifugalpotential fur m1/m2 = 9 : 1 mit Lagrange-Punkten

Aquipotentiallinienfur das effektivePotential (27.12)zusammengesetztaus Gravitations-und Zentrifugal-Potential und diedadurch eingeteil-ten Bereiche furm1/m2 = 9.

27.b Trojaner

Es gibt zwei weitere Gleichgewichtslagen fur y 6= 0. Aus (27.10) und (27.11)erhalten wir

ω2x − γm1(x − x1)

|x − x1|3− γm2(x − x2)

|x − x2|3= 0 (27.13)

ω2 − γm1

|x− x1|3− γm2

|x − x2|3= 0. (27.14)

Multiplizieren wir (27.14) mit x und subtrahieren wir sie von (27.13), so bleibt

γm1x1

|x − x1|3+

γm2x2

|x − x2|3= 0. (27.15)

Zusammen mit (27.2) finden wir, dass |x − x1| gleich |x − x2| ist und unterVerwendung von (27.14), dass

|x − x1| = |x − x2| = R. (27.16)

94

Page 95: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Die drei Massen bilden also ein gleichseitiges Dreieck, so dass man noch zweiweitere Lagrange-Punkte erhalt,

(x4,5, y4,5) =

(

m1 − m2

2(m1 + m2)R,±

√3

2R

)

. (27.17)

Wenn das Massenverhaltnis m1/m2 hinreichend groß ist, sind diese Lagrange-Punkte stabil. 6 Generell konnen die drei Korper nicht nur auf Kreisbahnenumeinander laufen, sondern auch Kepler-Ellipsen beschreiben, wobei sie stetsein gleichseitiges Dreieck bilden. Dabei ist es nicht notig, dass eine Masse ver-nachlassigbar klein gegen die anderen beiden ist. 7

An diesen Punkten konnen im Sonnen-Planeten-System wie auch im Pla-neten-Mond-System kleine Korper mitlaufen. Den vorauslaufenden Lagrange-Punkt bezeichnet man als L4, den nachlaufenden als L5. Der erste derartigeKorper (Achilles) wurde 1906 von Max Wolf im Sonne-Jupiter-System in L4

gefunden. Im Folgejahr wurden zwei weitere, Hector in L4 und Patroclus in L5

gefunden. Heute kennt man uber 1000, die Jupiter voraus und etwa 600, diehinter Jupiter herlaufen. Es hat sich eingeburgert, diese nach den Helden vonTroja zu bezeichnen, wobei die Namen inzwischen ausgegangen sind. Seitherspricht man bei diesen Himmelskorpern auch von Trojanern und dies nicht nurbei Jupiter. Im Gegensatz zur großen Anzahl von Trojanern bei Jupiter hat manbisher keine beim Saturn gefunden. Bei Mars werden zwei Trojaner in L4 und invier in L5 behauptet. Neptun hat einen. COBE (Cosmic Background Explorer)hat vor kurzem einen Staubring im L5 der Erde gefunden, der allerdings aufGrund des Lichtdrucks der Sonne verschoben ist.

In Planeten-Mond-Systemen sind keine Trojaner beim Jupiter bekannt, da-gegen lauft dem Saturn-Mond Tethys (1060 km Durchmesser) der Mond Telesto(24 km Durchmesser) um 600 voraus und Calypso (19 km Durchmesser) um600 hinterher. Dem Mond Dione (1120 km Durchmesser) lauft Helene (35 kmDurchmesser) voraus. Im Erde-Mond-System wurden von Kordylewski in L4

und L5 Staubwolken gefunden. Solcher Staub kann allerdings auch Felsbrockenvon 5m Durchmesser enthalten.

6Fur allgemeine Massen m, m1 und m2 findet man die drei Schwingungsfrequenzen

ω1 = ω0, ω2,3 =

√√√√1

2

(

1 ±

1 −27M2

M2

)

ω0 (27.18)

mit M2 = m0m1 + m0m2 + m1m2, M = m0 + m1 + m2. Dabei ist ω0 die Umlauf-Frequenzder drei Korper. Man erkennt, dass ω2,3 nur reell sind, wenn M2 < M2/27.

7In diesem Fall lautet die Bewegungsgleichung fur die Seitenlange r des gleichseitigenDreiecks

r =l2M2

r3M2

2

−γM

r2. (27.19)

95

Page 96: Klassische Mechanik - Physik Skripte

27.c Janus und Epimetheus

Wie bereits im Zusammenhang mit dem Virialsatz bemerkt, umlaufen Janusund Epimetheus den Saturn auf fast gleichen Bahnen und tauschen, sobaldsich einer dem anderen nahert, etwas Energie aus, so dass der raschere ein-holende gebremst und auf eine hohere Bahn gehoben wird und der langsamerevorauseilende beschleunigt und gleichzeitig auf eine niedrigere Bahn gebrachtwird. Da dies der Intuition zuwiderlauft, wollen wir diesen Energieaustauschhier quantitativ betrachten. Dabei stellt sich heraus, dass aus der anziehendenGravitationswechselwirkung effektiv eine dreimal so starke abstoßende wird.

Wir betrachten zunachst eine kleine Masse (Mond) m im Schwerefeld einergroßen Masse (Saturn) m0 am Ursprung. Im System, das mit der Frequenzω rotiert, erhalten wir unter Berucksichtigung von Coriolis-Kraft und Zentrifu-galkraft die Bewegungsgleichung (mit Koordinaten x und y)

¨x = 2ωy + ω2x − γm0x

r3, y = −2ω ˙x + ω2y − γm0y

r3(27.20)

mit dem Abstand r =√

x2 + y2. Wir nehmen nun an, dass sich die Masse inder Nahe von (x, y) = (R + x, y) mit kleinem x und y bewegt. Dabei sei x = 0,y = 0 eine stationare Losung. Daraus folgt

ω2R − γm0

R2= 0, (27.21)

also γ/R3 = ω2/m0. Entwickeln wir in der Bewegungsgleichung bis zur erstenOrdnung in x und y, so folgt

x = 2ωy + 3ω2x, y = −2ωx. (27.22)

Dieses homogene Gleichungs-System hat die zwei linear unabhangigen Losungen

x = x0, y = −3

2ωx0t + y0 und x = a cos(ωt + φ0), y = −2a sin(ωt + φ0).

(27.23)Die erste Losung entspricht einem Verhalten, bei dem die Masse m einen etwasabweichenden Abstand (x0) vom Planeten hat und sich daher mit einer et-was anderen Geschwindigkeit bewegt, also fur positives x0 (großerer Abstand)gegen das rotierende System zuruckbleibt. Die zweite Losung beschreibt eineetwas exzentrische Bahn. Dadurch variiert der Abstand vom Planeten (x) peri-odisch. Wegen der Erhaltung des Drehimpulses (Flachensatz) bleibt der Mondgegenuber dem rotierenden System mal zuruck, mal lauft er voraus (y).

Wir betrachten nun zwei kleine Massen m1 und m2, zwischen denen dieGravitationskraft zu berucksichtigen ist und erhalten die Bewegungsgleichungen

xi = 2ωyi + 3ω2xi −1

mi

∂V

∂xi

, yi = −2ωxi −1

mi

∂V

∂yi

, i = 1, 2. (27.24)

Mit V = V (r12) = V (√

(x1 − x2)2 + (y1 − y2)2) und x = x1 − x2, y = y1 − y2

folgt fur die Relativ-Koordinaten x und y

x = 2ωy + 3ω2x − 1

µ

∂V

∂x, (27.25)

96

Page 97: Klassische Mechanik - Physik Skripte

y = −2ωx − 1

µ

∂V

∂y(27.26)

µ : =m1m2

m1 + m2

, V = −γm1m2

r12

(27.27)

mit der reduzierten Masse µ. Wir betrachten nun die Bewegung im Grenzfall,in dem x und ∂V/µ∂x in Gleichung 27.25 gegen die beiden anderen Termevernachlassigbar sind. Dann erhalten wir aus dieser Gleichung x = − 2

3ωy. Dies

eingesetzt in Gleichung 27.26 ergibt

y =4

3y − 1

µ

∂V

∂y. (27.28)

Damit erhalten wir

y =3

µ

∂V

∂y. (27.29)

Damit tritt hier die Wechselwirkung mit dem umgekehrten Vorzeichen auf undhat sich auch noch verdreifacht. An die Stelle der ursprunglichen Anziehung trittnun eine Abstoßung. Vernachlassigen wir in dieser Gleichung die Abhangigkeit,die V von x hat, so lasst sich die Gleichung integrieren.

y = ±3ω

2ρ3(1

y0

− 1

y), ρ3 =

R3(m1 + m2)

3m0

. (27.30)

Dabei ist y0 Integrationskonstante und gibt den kleinsten Abstand an, den yannimmt. Der Gleichung (27.25) entnehmen wir, dass ρ der Abstand der beidenMassen ist, wenn die große und die beiden kleinen Massen die Lagrange-Punkt-Konstellation 1 oder 2 einnehmen. Sie ist eine charakteristische Lange fur dasProblem. Hieraus folgt

x = ∓2

2ρ3(1

y0

− 1

y). (27.31)

Wir mussen nun untersuchen, unter welchen Bedingungen die anfangs gemachteAnnahme gerechtfertigt ist, dass zwei Terme in der Gleichung (27.25) ver-nachlassigbar sind. Typischerweise (fur y ≫ y0) haben wir

2ωy∞ = −3ω2x∞ = 6ω2

2ρ3

y0

. (27.32)

Vergleichsweise sind ∂V/µ∂x und x von der Ordnung ω2xρ3/y30 . Daher muss

der Mindestabstand y0 groß gegen ρ sein. Da andererseits y0 = 8ρ3/x2∞

, mussx∞ klein gegen ρ sein.

Aus den Daten R = 151500 km, m0 = 5.68 ·1026 kg fur Saturn, m1 = 2 ·1018

kg fur Janus und m2 = 0.5·1018 kg fur Epimetheus folgt ρ = 170 km. Tatsachlichist x∞ = 50 km klein gegen ρ. Wir erhalten y0 = 16000 km. Wir bemerkennoch, dass der Saturn-Radius 60000 km betragt. Die Monde umlaufen denSaturn in 0.69 Tagen. Fur die Relativgeschwindigkeit y∞ der beiden Monde beigroßem Abstand erhalt man ungefahr 700 km/Tag. Der Austausch der Energieerstreckt sich also uber viele Umlaufe.

97

Page 98: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Hufeisen-Bahnen Ahnlich ist die Situation in dem System Erde - Cruithne.Jedoch sind hier die Massenunterschiede gewaltig. Die Erdbahn wird von Cru-ithne nur in zu vernachlassigendem Maße beeinflusst. Damit steht die Erde imrotierenden System praktisch fest. Die Bahn, die Cruithne durchlauft, ahnelteinem Hufeisen. Daher spricht man von einer Hufeisenbahn.

Allerdings gibt es noch zwei Unterschiede: Zum einen halt sich Cruithne beiweitem nicht so genau an die Erdbahn. Die Bahnebene von Cruithne ist umetwa 200 gegen die der Erde verkippt. Zum anderen ist die Bahn von Cruithneziemlich exzentrisch (ǫ ≈ 0.5). Die Astronomen waren daher erstaunt, dass dieBahn Cruithnes wesentliche Zuge einer Hufeisenbahn zeigt.

Etwas vereinfacht kann man sich die Hufeisenbahnen auch so vorstellen: DieCoriolis-Kraft ubt eine Kraft proportional und senkrecht zur Geschwindigkeitder Massen aus. Dies ist analog zur Lorentzkraft auf ein geladenes Teilchen imMagnetfeld (Abschnitt 13.d). Dort fanden wir, dass sich in einem homogenenelektrischen Feld die Ladung langs Linien konstanten elektrischen Potentials be-wegt. Ahnlich kann man hier erwarten, dass sich die Masse langs konstanteneffektiven Potentials bewegt. Das wurde im vorhergehenden Bild bedeuten, dasssich die Masse langs einer Kurve im roten (mittelgrauen) Bereich bewegt unddamit Hufeisengestalt hat. Dies stimmt insofern nicht ganz, als das Kraftfeld deseffektiven Potentials nicht konstant ist, gibt aber doch eine anschauliche Vorstel-lung. Man beachte, dass das Massenverhaltnis von Sonne zu Erde 333400:1 istund daher der gelbe (helle) Bereich wesentlich schmaler ist als fur das Massen-verhaltnis 9:1.

x

y

Schema einerHufeisenbahn mitgroßer und kleinerMasse. Die dritteMasse lauft auf derHufeisenbahn.

98

Page 99: Klassische Mechanik - Physik Skripte

E Hamilton-Theorie

c©2004-2005 Franz Wegner Universitat Heidelberg

28 Hamilton-Funktion

28.a Bewegungsgleichungen

Aus der Lagrange-Gleichung

d

dt

∂L∂qi︸︷︷︸

pi

=∂L∂qi

(28.1)

folgt

pi =∂L∂qi

, pi =∂L∂qi

, (28.2)

also das Differential von L

dL(q, q, t) =∑

i

pidqi +∑

i

pidqi +∂L∂t

dt. (28.3)

Wir fuhren nun eine Legendre-Transformation durch, das heißt wir fuhren eineneue Funktion H ein. Diese heißt Hamilton-Funktion. Sie soll von p statt qabhangen und ist definiert durch

H(p, q, t) =∑

i

piqi − L(q, q, t). (28.4)

Dabei druckt man die qj aus durch die p und q durch Auflosen der Gleichungenpi = ∂L/∂qi nach den qj . Fur das Differential von H erhalt man dann

dH(p, q, t) =∑

i

pidqi

︸ ︷︷ ︸

+∑

i

qidpi −∑

i

pidqi −∑

i

pidqi

︸ ︷︷ ︸

−∂L∂t

dt. (28.5)

Die beiden unterklammerten Beitrage kurzen sich weg. Damit finden wir dieHamiltonschen Bewegungsgleichungen

qi =∂H(p, q, t)

∂pi

, pi = −∂H(p, q, t)

∂qi

(28.6)

Weiter ist∂H∂t

= −∂L∂t

. (28.7)

Falls L nicht explizit von der Zeit abhangt, gilt dies auch fur H. Dann ist

H =∑

i

piqi − L =∑

i

qi

∂L∂qi

− L (28.8)

Erhaltungsgroße. Fur skleronome Systeme ist das die Energie E.

99

Page 100: Klassische Mechanik - Physik Skripte

28.b Beispiele

28.b.α Massenpunkt im Potential, kartesische Koordinaten

Ausgehend von der Lagrange-Funktion

L =m

2(x2 + y2 + z2) − V(x) (28.9)

erhalten wir

px =∂L∂x

= mx → x =px

m. (28.10)

Damit erhalten wir die Hamilton-Funktion

H = pαxα − L = pxx + py y + pz z − m

2(x2 + y2 + z2) + V(x). (28.11)

Wir mussen nun x etc durch px etc ausdrucken

pxx − m

2x2 =

p2x

m− p2

x

2m=

p2x

2m(28.12)

und erhalten

H =1

2m(p2

x + p2y + p2

z) + V(x). (28.13)

Dies ist offensichtlich die Energie des Systems. Wir betrachten noch die Bewe-gungsgleichungen

x =∂H∂px

=px

m, → x =

p

m, (28.14)

px = −∂H∂x

= −∂V∂x

→ p = −gradV . (28.15)

Dies sind die uns bekannten Bewegungsgleichungen.

28.b.β Geladener Massenpunkt im elektromagnetischen Feld

Wir hatten eine Ladung im elektromagnetischen Feld durch die Lagrange-Funk-tion

L =m

2x2 − eΦ(x) +

e

cA(x)x (28.16)

beschrieben, wobei man in einem homogenen Feld die Potentiale Φ(x) = −E ·x,A = 1

2B× x hatte. Wir erhalten nun den kanonischen Impuls

pα =∂L∂xα

= mxα +e

cAα(x) (28.17)

p ist dabei der kanonische oder generalisierte Impuls, nicht der mechanischeImpuls. Damit erhalten wir

x =1

m(p − e

cA(x)) (28.18)

100

Page 101: Klassische Mechanik - Physik Skripte

und die Hamilton-Funktion

H = x · p− L = x · p − m

2x2 + eΦ − e

cA · x

= x · (p− m

2x − e

cA) + eΦ =

m

2x2 + eΦ, (28.19)

also

H =1

2m(p − e

cA(x))2 + eΦ(x) (28.20)

28.c Poisson-Klammern

Es sei f = f(p(t), q(t), t) eine Funktion von p, q und t, deren zeitliche Anderungwir verfolgen wollen

df

dt=

∂f

∂t+∑

i

(∂f

∂qi

qi +∂f

∂pi

pi

)

=∂f

∂t+∑

i

(∂f

∂qi

∂H∂pi

− ∂f

∂pi

∂H∂qi

)

. (28.21)

Wir fuhren nun die Poisson-Klammer ein

f, g =∑

i

(∂f

∂qi

∂g

∂pi

− ∂f

∂pi

∂g

∂qi

)

. (28.22)

Dann konnen wirdf

dt=

∂f

∂t+ f,H (28.23)

schreiben. Aus der Definition folgt

f, g = −g, f. (28.24)

Die partiellen Ableitungen nach p und q konnen wir

∂g

∂pj

= qj , g,∂g

∂qj

= −pj, g (28.25)

schreiben. Weiter finden wir

pj, pk = 0, qj , qk = 0, qj , pk = δjk. (28.26)

In der Quantenmechanik werden aus den Poisson-Klammern Kommutatorenvon Operatoren

f, g → 1

ih[F, G] =

1

ih(FG − GF ), (28.27)

wobei F und G die zu f und g gehorenden Operatoren sind.

101

Page 102: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Drehimpuls Fur die Drehimpuls-Komponenten finden wir

L1 =∑

j

(xj2pj3 − xj3pj2), L2 =∑

j

(xj3pj1 − xj1pj3). (28.28)

Da∂L1

∂xi1

=∂L1

∂pj1

=∂L2

∂xj2

=∂L2

∂pj2

= 0 (28.29)

folgt

L1, L2 =∑

i

(∂L1

∂xiα

∂L2

∂piα

− ∂L1

∂piα

∂L2

∂xiα

)

=∑

i

(∂L1

∂xi3

∂L2

∂pi3

− ∂L1

∂pi3

∂L2

∂xi3

)

=∑

i

((−pi2(−xi1) − xi2pi1) = L3. (28.30)

Ahnlich findet man

L2, L3 = L1, L3, L1 = L2. (28.31)

102

Page 103: Klassische Mechanik - Physik Skripte

29 Kanonische Transformationen

29.a Variationsprinzip

Wir hatten das Hamiltonsche Variationsprinzip in Abschnitt 15.a bereits ken-nengelernt. Dabei war die Wirkung I =

∫ t2t1

Ldt extremal bei Variation der qi,wenn wir diese an den Grenzen festhalten. Wir zeigen nun Entsprechendes fur

I =

∫ t2

t1

Ldt =

∫ t2

t1

(∑

i

piqi −H)dt, (29.1)

wobei wir die qi und pi variieren und die qi an den Grenzen festhalten. DieVariation ergibt

δI =

∫ t2

t1

dt(∑

i

δpiqi +∑

i

piδqi −∑

i

∂H∂qi

δqi −∑

i

∂H∂pi

δpi). (29.2)

Unter Verwendung von

dt piδqi = piδqi −∫

dt piδqi (29.3)

folgt schließlich

δI =∑

i

piδqi|t2t1 +

∫ t2

t1

dt∑

i

(−pi −∂H∂qi

)δqi +

∫ t2

t1

dt∑

i

(qi −∂H∂pi

)δpi. (29.4)

Erlaubt man sowohl die Variation von qi wie auch von pi, so findet man, dassdie Wirkung bei Erfullung der Bewegungsgleichungen extremal wird, wenn mandie qi an den Grenzen t = t1 und t = t2 festhalt. Ahnlich kann man zeigen, dass

I ′ =

∫ t2

t1

dt(−∑

i

piqi −H) (29.5)

unter Variation der qs und ps extremal wird, wenn man die pi an den Grenzenfesthalt, da dann an Stelle von

i piδqi|t2t1 die Summe −∑

i qiδpi|t2t1 tritt.

29.b Die Transformation

Eine Transformation

Qi = Qi(q, p, t), Pi = Pi(q, p, t) (29.6)

heißt kanonisch, wenn sich die Bewegungsgleichungen aus einer Funktion Kherleiten durch

Qi =∂K(Q, P, t)

∂Pi, Pi = −∂K(Q, P, t)

∂Qi, (29.7)

103

Page 104: Klassische Mechanik - Physik Skripte

wobei es zu jedem H ein K geben soll. Wir verlangen also Forminvarianz derGleichungen.

Wir konnen solch eine Transformation auf folgende Art und Weise kon-struieren: Unterscheiden sich

i piqi − H und∑

i PiQi − K nur durch einvollstandiges Differential dF1(q, Q, t)/dt, so folgt aus dem Variationsprinzip fur∑

i piqi −H auch das fur∑

i PiQi −K. Es gilt dann also

i

piqi −H =∑

i

PiQi −K +dF1(q, Q, t)

dt(29.8)

oder nach Multiplikation mit dt

i

pidqi−Hdt =∑

i

PidQi−Kdt+∑

i

∂F1

∂qidqi +

i

∂F1

∂QidQi +

∂F1

∂tdt, (29.9)

was mit

pi =∂F1(q, Q, t)

∂qi, Pi = −∂F1(q, Q, t)

∂Qi, K = H +

∂F1(q, Q, t)

∂t(29.10)

erfullt ist.Statt

i piqi −H konnen wir auch −∑

i qipi −H verwenden. Entsprechend

konnen wir statt∑

i PiQi −K auch −∑

i QiPi −K verwenden. Damit erhaltenwir drei weitere Moglichkeiten von Transformationen,

pi =∂F2(q, P, t)

∂qi, Qi =

∂F2(q, P, t)

∂Pi, K = H +

∂F2(q, P, t)

∂t(29.11)

oder

qi = −∂F3(p, Q, t)

∂pi, Pi = −∂F3(p, Q, t)

∂Qi, K = H +

∂F3(p, Q, t)

∂t(29.12)

oder

qi = −∂F4(p, P, t)

∂pi, Qi =

∂F4(p, P, t)

∂PI, K = H +

∂F4(p, P, t)

∂t. (29.13)

Man kann auch fur verschiedene Paare kanonischer Variabler unabhangig wahlenzwischen piqi und −qipi und entsprechend zwischen PiQi und −QiPi.

29.c Beispiele

α) Mit

F1 =∑

i

qiQi (29.14)

erhalt man

pi =∂F1

∂qi= Qi, Pi = −∂F1

∂Qi= −qi. (29.15)

104

Page 105: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Durch diese Transformation werden die ’Impuls’- und ’Lage’-Koordinaten aus-getauscht.β) Wir wahlen nun

F2 =∑

j

Pjfj(q1, q2, ..., qn, t) (29.16)

und erhalten

Qi =∂F2

∂Pi= fi(q1, q2, ...qn, t), pi =

∂F2

∂qi=

j

Pj∂fj

∂qi. (29.17)

Man bezeichnet eine solche Transformation als Punkttransformation, da dieLagekoordinaten Q nur Funktionen der Lagekoordinaten q sind.γ) Speziell konnen wir dazu ein rotierendes Koordinatensystem betrachten. Wirsetzen

F2 =∑

j

PjαAαβ(t)qjβ (29.18)

mit einer orthogonalen zeitabhangigen Matrix A. Es folgt

Qiα =∂F2

∂Piα= Aαβqjβ , piα =

∂F2

∂qiα= AβαPiβ (29.19)

Da A orthogonal sein soll, folgt Piγ = Aγαpiα und

K = H +∑

j

PjαAαβqjβ = H +∑

j

PjαAαβAγβQjβ . (29.20)

Tatsachlich vermittelt AAT eine Rotation. Als Beispiel betrachten wir eineRotation um die z-Achse,

A =

cosφ sin φ 0− sinφ cosφ 0

0 0 1

, A = φ

− sin φ cosφ 0− cosφ − sinφ 0

0 0 0

,(29.21)

AAT = φ

0 1 0−1 0 00 0 0

(29.22)

Mit φ = Ω erhalten wir

K = H + Ω∑

j

(PjxQjy − PjyQjx) = H− ΩLz. (29.23)

Allgemein giltK = H− Ω · L. (29.24)

Es sei etwa

H =p2

2m+ V(|q|). (29.25)

105

Page 106: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Dann folgt

K =P 2

2m+ V(|Q|) − [Ω,Q,P] (29.26)

und die Bewegungsgleichungen

Q = gradPK =P

m− Ω × Q, (29.27)

P = −gradQK = −gradQV − Ω × P. (29.28)

Aufgabe Man stelle die Bewegungsgleichung fur Q auf durch Elimination vonP und P und vergleiche mit (26.10).

29.d Invarianz der Poisson-Klammern

Wir hatten die Poisson-Klammern

pi, pj = 0, qi, qj = 0, qi, pj = δij . (29.29)

Was ergibt sich fur die Q und P? Aus

pi =∂F1(q, Q, t)

∂qi, −Pi =

∂F1(q, Q, t)

∂Qi(29.30)

folgt fur die zweiten Ableitungen

Aij =∂pi

∂qj=

∂2F1

∂qi∂qj=

∂pj

∂qi= Aji. (29.31)

Schreiben wir allgemein(

dp−dP

)

=

(A BC D

) (dqdQ

)

(29.32)

mit Spaltenvektoren dp, dP , dq, dQ und Matrizen A, B, C und D, so erhaltenwir die Symmetrie-Beziehungen

AT = A, BT = C, DT = D, (29.33)

da die Matrix

(A BC D

)

symmetrisch ist. Losen wir nun dp = Adq + BdQ

nach dQ auf und berechnen auch dP , so folgt

dQ = B−1dp − B−1Adq, (29.34)

dP = −Cdq − DdQ = (−C + DB−1A)dq − DB−1dp. (29.35)

Dann folgt

Qi, Qj =∑

k

(∂Qi

∂qk

∂Qj

∂pk− ∂Qi

∂pk

∂Qj

∂qk

)

=∑

k

(−B−1A)ik(B−1)jk − (B−1)ik(−B−1A)jk

= (−B−1AB−1 T + B−1ATB−1T)ij = 0 (29.36)

106

Page 107: Klassische Mechanik - Physik Skripte

wegen A = AT. Weiter erhalten wir

Qi, Pj =∑

k

(∂Qi

∂qk

∂Pj

∂pk− ∂Qi

∂pk

∂Pj

∂qk

)

(29.37)

=∑

k

((−B−1A)ik(−DB−1)jk − (B−1

ik (−C + DB−1A)jk

)

= (B−1AB−1 TDT + B−1CT − B−1ATB−1TDT)ij = δij

wegen A = AT und B = CT. Ahnlich zeigt man

Pi, Pj = 0. (29.38)

Die neuen kanonischen Variablen P und Q erfullen die gleichen Poisson-Klam-mern.

Man kann umgekehrt zeigen: Fuhrt man eine Transformation Qi = Qi(p, q, t),Pi = Pi(p, q, t) ein, so dass die Poisson-Klammern (29.36,29.37,29.38) gelten,dann gibt es eine Funktion F1, die diese Transformation erzeugt. Es sei namlich

(dQdP

)

=

(E FG H

) (dqdp

)

. (29.39)

Aus den Poisson-Klammern folgen die Bedingungen an die Matrizen E, F , Gund H

Qi, Qj =∑

k

(∂Qi

∂qk

∂Qj

∂pk− ∂Qi

∂pk

∂Qj

∂pk

)

=∑

k

(EikFjk − FikEjk)

= (EFT − FET)ij = 0 (29.40)

Qi, Pj = (EHT − FGT)ij = δij (29.41)

Pi, Pj = (GHT − HGT)ij = 0. (29.42)

Wir konnen nun dp, dP nach dq, dQ auflosen. Wir erhalten (29.32) mit(

A BC D

)

=

(−F−1E F−1

HF−1E − G −HF−1

)

. (29.43)

Aus der Gleichungen (29.40) findet man, dass F−1E symmetrisch ist. Daher istAT = A. Multiplizieren wir Gl. (29.41) von links mit HF−1, so folgt

HF−1EHT − HGT = HF−1. (29.44)

Da F−1E symmetrisch ist und auf grund von (29.42) auch HGT symmetrischist, ist auch D = DT symmetrisch. Multiplizieren wir schließlich F−1E, dassymmetrisch ist, von links mit H und verwenden HET = GFT + 1l aus (29.42),so folgt

C = HF−1E − G = HETF−1T − G = GFTF−1T + F−1T − G = F−1T = BT.(29.45)

Daher gelten die drei Integrabilitats-Bedingungen (29.33), sodass eine FunktionF1 existiert.

107

Page 108: Klassische Mechanik - Physik Skripte

29.e Anwendung: Anharmonischer Oszillator

Wir betrachten wieder den eindimensionalen harmonischen Oszillator mit derHamilton-Funktion

H =p2

2m+

f

2q2 +

g

4q4. (29.46)

Wir wollen die Hamilton-Funktion auf eine integrierbare Form bringen (in Ord-nung g) und verwenden dafur die erzeugende Funktion

F2 = Pq + gγ(P, q) + O(g2). (29.47)

Damit erhalten wir

p =∂F2

∂q= P + g

∂γ(P, q)

∂q+ O(g2) = P + g

∂γ(P, Q)

∂Q+ O(g2),(29.48)

Q =∂F2

∂P= q + g

∂γ(P, q)

∂P+ O(g2), (29.49)

q = Q − g∂γ(P, Q)

∂P+ O(g2). (29.50)

Die Ersetzung von q durch Q in den partiellen Ableitungen ist moglich, da derUnterschied um einen Faktor g kleiner ist, also erst in Ordnung g2 beitragt. Wirerhalten damit

K =1

2m

(

P + g∂γ

∂Q

)2

+f

2

(

Q − g∂γ

∂P

)2

+g

4Q4 + O(g2)

=1

2mP 2 +

f

2Q2 + g

(1

mP

∂γ

∂Q− fQ

∂γ

∂P+

Q4

4

)

+ O(g2). (29.51)

Wir wollen K auf die Form

K = K0 + gcK20 + O(g2), K0 =

1

2mP 2 +

f

2Q2 (29.52)

bringen. Dann ist K0 = E0 Erhaltungsgroße. Dies ist moglich mit

γ = αPQ3 + βP 3Q. (29.53)

Dann ist

K −K0 = g

(3α

mP 2Q2 +

β

mP 4 − fαQ4 − 3fβP 2Q2 +

Q4

4

)

+ O(g2)

= g

(c

4m2P 4 +

cf

2mP 2Q2 +

cf2

4Q4

)

+ O(g2) (29.54)

zu erfullen. Das Gleichsetzen der Koeffizienten von P 4, P 2Q2 und Q4 ergibtdrei lineare Gleichungen fur α, β und c mit der Losung

α =5

32f, β =

3

32f2m, c =

3

8f2. (29.55)

108

Page 109: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Damit haben wir K auf die Form (29.52) gebracht. Die Bewegungsgleichungenlauten dann

P = −∂K∂Q

= −fQ · (1 + 2gcK0), Q =∂K∂P

=P

m(1 + 2gcK0) (29.56)

mit der Losung

P =√

2mE0 cos(ωt + φ), Q =

2E0

fsin(ωt + φ), ω =

f

m(1 + 2gcE0).

(29.57)Dabei sind E0 und φ Integrationskonstanten. Schließlich kann man q und p ausden Transformationsformeln (29.48) und (29.50) aus P und Q gewinnen.

29.f Invarianz des Phasenraumvolumens

Im nachsten Abschnitt fuhren wir das Phasenraum-Volumen d3Nqd3Np ein. Wirzeigen hier, dass kanonische Transformationen das Phasenraumvolumen erhal-ten. Ausgehend von (29.39) erhalten wir die Jacobi-Determinante

∂(Q, P )

∂(q, p)= det

(E FG H

)

. (29.58)

Diese Determinante konnen wir folgendermaßen auswerten: Wir beobachten

(1l −FH−1

0 1l

) (E FG H

)

=

(E − FH−1G 0

G H

)

. (29.59)

Da die Determinante der ersten Matrix im Produkt gleich Eins ist, folgt ausdem Determinanten-Multiplikations-Satz, dass auch die rechte Seite gleich derJacobi-Determinante ist. Die rechte Seite ergibt

∂(Q, P )

∂(q, p)= det(E − FH−1G) detH = det(EHT − FH−1GHT). (29.60)

Berucksichtigen wir nun GHT = HGT, (29.42) und EHT = FGT + 1l, (29.41),so folgt EHT − FH−1GHT = 1l und damit

∂(Q, P )

∂(q, p)= 1. (29.61)

Das Phasenraum-Volumen ist invariant unter kanonischen Transformationen.

109

Page 110: Klassische Mechanik - Physik Skripte

30 Liouville-Satz

30.a Phasenraum, zeitliche Evolution

Als Phasenraum bezeichnet man den von den pk und qk aufgespannten Raum.Fur N Teilchen ist das ein 6N -dimensionaler Raum (3N piαs und 3N qiαs).Ein mechanisches System wird durch einen Punkt im Phasenraum charakter-isiert, der als Funktion der Zeit den Phasenraum durchlauft. Um ein ganzesEnsemble beschreiben zu konnen, fuhrt man in der Statistischen Mechanik eineWahrscheinlichkeitsverteilung ρ(p, q, t)d3Npd3Nq ein.

Fur untereinander nichtwechselwirkende Teilchen fuhrt man eine Beschrei-bung im 6-dimensionalen Γ-Raum (3 pαs, 3 qαs) durch. Man fuhrt z.B. furTeilchen in einem Beschleuniger die Wahrscheinlichkeitsverteilung ρ(p,q, t)d3pd3q ein.

Wir kommen auf den allgemeinen Fall von N wechselwirkenden Teilchenzuruck. Fur eine Funktion F0(p, q) zur Zeit 0 erhalt man die zeitliche Evolution

d

dtF (p, q, t) = F (p, q, t),H. (30.1)

Dies lasst sich Aufintegrieren zu

F (p, q, t) =

∞∑

n=0

tn

n!Fn(p, q) mit Fn = Fn−1,H, (30.2)

wie man durch Einsetzen in die Bewegungsgleichung (30.1) zeigt

d

dtF (p, q, t) =

∞∑

n=1

tn−1

(n − 1)!Fn =

∞∑

n

tn

n!Fn+1 =

∞∑

n

tn

n!Fn,H = F (p, q, t),H.

(30.3)Mit F (p, q, 0) = F0(p, q) ist auch die Anfangsbedingung erfullt.

Ausgehend von Anfangsbedingungen p0i , q0

i zur Zeit 0 kann man die

pi(t) = p0i − t

∂H(p0, q0)

∂q0i

+ O(t2), qi(t) = q0i + t

∂H(p0, q0)

∂p0i

+ O(t2) (30.4)

verfolgen. Wir wollen nun zeigen, dass die Transformation (p0i , q

0i ) → (pi(t), qi(t))

eine kanonische Transformation ist. Hierzu zeigen wir wir, dass die Zeitentwick-lung (30.1) einer Poisson-Klammer der Funktionen zur Zeit 0 mit der Poisson-klammer der zeitentwickelten Funktionen ubereinstimmt,

F0, G0(t) = F (t), G(t). (30.5)

Hierzu leiten wir K(t) := F (t), G(t) nach der Zeit ab. Wir erhalten

K(t) = F (t), G(t) + F (t), G(t) = F (t),H, G(t) + F (t), G(t),H.(30.6)

110

Page 111: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Man verwendet nun die Jacobi-Identitat

A, B, C + B, C, A + C, A, B = 0, (30.7)

die man elementar verifizieren kann.8 Damit erhalt man aus (30.6)

K(t) = K(t),H. (30.8)

K(t) transformiert sich also genauso aus K0 = F0, G0 wie die Funktionen, dieder Zeitentwicklung (30.1) unterworfen sind. Damit ist (30.5) gezeigt.

Damit finden wir, dass die Beziehungen fur die Poissonklammern

qi(t), qj(t) = q0i , q0

j (t) = 0, (30.9)

pi(t), pj(t) = p0i , p

0j(t) = 0, (30.10)

qi(t), pj(t) = q0i , p0

j(t) = δij . (30.11)

gelten, da sich Konstante unter der Zeitentwicklung nicht verandern. Es seinoch bemerkt, dass die Transformation (30.2) in der Quantenmechanik F (t) =eiHt/hF0e

−iHt/h geschrieben wird und dort auch als unitare Transformationbezeichnet wird.

30.b Phasenraumvolumen

Das Volumenelement des Phasenraumvolumens ist

dΩ = d3Npd3Nq. (30.12)

Wir zeigen nun, dass sich das Volumenelement als Funktion der Zeit nichtandert, dass also das Phasenraumvolumen konstant ist. Verfolgt man also einGebiet des Phasenraums im Laufe der Zeit, so andert sich sein Volumen nicht.Hierzu mussen wir die Jacobi-Determinante

dΩ(t)

dΩ(t0)=

∂(pi, qi)

∂(p0i , q

0i )

(30.13)

8Die Jacobi-Identitat kann man folgendermaßen zeigen: Wir fassen die pi und qi zu einemSatz Variablen ui zusammen, etwa qi = ui, pi = ui+n. Dann konnen wir die Klammer

B, C =∑

ij

σij∂iB∂jC

schreiben, wobei σ antisymmetrisch ist, σji = −σij . Dann folgt

A, B, C =∑

ijkl

σijσkl∂kA∂l(∂iB∂jC) =∑

ijkl

σijσkl(∂kA∂l∂iB∂jC + ∂kA∂iB∂l∂jC).

Im zweiten Term der Summe permutiert man nun die Indices i → k → j → l → i und erhalt

A, B, C =∑

ijkl

σijσkl(∂kA∂l∂iB∂jC − ∂kB∂i∂lC∂jA).

Addiert man nun die beiden anderen Beitrage, die man durch zyklische Vertauschung von A,B und C erhalt, hinzu, so heben sich alle Beitrage weg.

111

Page 112: Klassische Mechanik - Physik Skripte

betrachten. Wir tun das fur eine infinitesimale Zeitdifferenz τ = t − t0. Wirfinden

pi = p0i − τ

∂H(p0, q0)

∂q0i

+ O(τ2), qi = q0i + τ

∂H(p0, q0)

∂p0i

+ O(τ2) (30.14)

Damit hat die Jacobi-Matrix die Form(

1l + τA τBτC 1l + τD

)

+ O(τ2) (30.15)

mit Matrizen A, B, C und D

∂pi

∂p0j

= δij + τAij , Aij = −∂2H(p0, q0)

∂q0i ∂p0

j

,∂pi

∂q0j

= τBij , (30.16)

∂qi

∂p0j

= τCij ,∂qi

∂q0j

= δij + τDij , Dij =∂2H(p0, q0)

∂p0i ∂q0

j

. (30.17)

Die Jacobi-Determinante ergibt sich in erster Ordnung in τ zu

dΩ(t)

dΩ(t0)= 1 + τSp(A + D) + O(τ2)

= 1 + τ∑

i

(−∂2H(p0, q0)

∂q0i ∂p0

i

+∂2H(p0, q0)

∂p0i ∂q0

i

) + O(τ2)

= 1 + O(τ2). (30.18)

Mit Sp haben wir die Spur der Matrizen bezeichnet. Dies ist die Summe derDiagonalmatrixelemente. Daraus folgt

d

dt(dΩ(t))|t=t0 =

d

dτ(dΩ(t0 + τ))|τ=0 = 0. (30.19)

Da dies fur alle t0 gilt, ist dΩ(t) konstant. Das Phasenraumvolumen bleibterhalten. Damit bleibt auch die Phasenraumdichte ρ(p(t), q(t), t) erhalten, dasheißt sie ist unabhangig von t. Man sagt auch, die substantielle Zeitableitungvon ρ verschwindet. Substantiell heißt das ρ, das sich mit der Substanz (hierden Systemen im Ensemble) bewegt.

d

dtρ = 0 =

∂ρ

∂t+

i

∂ρ

∂pipi +

i

∂ρ

∂qiqi =

∂ρ

∂t+ ρ,H, (30.20)

woraus∂ρ

∂t= −ρ,H. (30.21)

Dies ist die Liouville-Gleichung. Sie gibt an, wie sich die Phasenraumdichtean einem festen Punkt im Phasenraum verandert. Dies gilt fur Systeme, derenDynamik durch eine Hamilton-Funktion beschrieben werden kann. Sind Rei-bungskrafte (Dissipation) zu berucksichtigen, so gilt das nicht mehr.

112

Page 113: Klassische Mechanik - Physik Skripte

F Kleine Schwingungen

c©2004-2005 Franz Wegner Universitat Heidelberg

31 Harmonische Naherung

31.a Lagrange-Funktion

Wir gehen aus von der Lagrange-Funktion L = T − V mit der potentiellenEnergie V(q1, q2, ...qN ). Die verallgemeinerte Kraft Qi ist

Qi = − ∂V∂qj

. (31.1)

Im statischen Gleichgewicht, das heißt in den Ruhelagen q01 , q0

2 , ... q0n ver-

schwindet Qj ,

Qj = − ∂V∂qj

∣∣∣∣q0

1,...q0

n

= 0. (31.2)

Wir entwickeln das Potential um die Ruhelage qj = q0j + ηj , wobei ηi die

Auslenkung aus der Ruhelage darstellt, und erhalten

V = V(q01 , ...q0

n) +1

2

ij

ηiηjVij + O(η3), (31.3)

Vij =∂V

∂qi∂qj

∣∣∣∣q0

1,...q0

n

= Vji. (31.4)

Die Konstante V(q01 , ...q

0n) tragt nicht zur Dynamik bei. Wir lassen sie im Fol-

genden weg. Wir vernachlassigen die Anharmonizitaten von Ordnung η3. Wirbenotigen noch die kinetische Energie. Falls die qi kartesische Koordinaten sind,gilt

T =1

2

i

miq2i =

1

2

i

miη2i (31.5)

und damit erhalten wir die Lagrange-Funktion in harmonischer Naherung

Lharm =1

2

i

miη2i − 1

2

ij

ηiηjVij . (31.6)

Falls die qi nicht kartesische Koordinaten sind, dann konnen wir wie in (16.17)von der kinetischen Energie

T =1

2

ij

Tij(q1, ...qn)qiqj (31.7)

ausgehen und dies durch

Tharm =1

2

ij

mij ηiηj , mij = Tij(q01 , ...q0

n) (31.8)

mit den Massekoeffizienten mij = mji ersetzen.

113

Page 114: Klassische Mechanik - Physik Skripte

31.b Bewegungs-Gleichungen

Die Bewegungsgleichung d

dt∂L∂ηi

= ∂L∂ηi

ausgehend von (31.6) lautet

miηi +∑

j

Vijηj = 0. (31.9)

Dies ist ein Satz gekoppelter Differentialgleichungen mit konstanten Koeffizien-ten. Hier verwendet man den Losungsansatz

ηj = bje−iωt, (31.10)

woraus man den Satz von Gleichungen

−mibiω2 +

j

Vijbj

︸ ︷︷ ︸

e−iωt = 0 (31.11)

erhalt. Daher mussen die unterklammerten Ausdrucke gleich Null sein. Dies istein homogenes Gleichungskoeffizienten fur die Amplituden b. Das System hateine nicht-triviale Losung, wenn die zugehorige Determinante verschwindet,

det(V − mω2) = 0. (31.12)

Dabei ist m eine Diagonalmatrix mit Elementen mi in der Diagonalen. Damit istdas Problem auf ein Eigenwertproblem fur ω2 zuruckgefuhrt. Man bezeichnetdiese Gleichung wie auch die unten aufgefuhrte (31.15) als charakteristischeGleichung. Im allgemeinen gibt es n Losungen ω2

λ, λ = 1, ...n. Zu ωλ istauch −ωλ ’Eigenfrequenz’. Falls die Massenpunkte verschiedene Massen haben,verwendet man zweckmaßig

ξi =√

miηi. (31.13)

Es folgt

ξi +∑

j

V√

mimj︸ ︷︷ ︸

Φij

ξj = 0. (31.14)

Dabei ist die dynamische Matrix Φ reell und symmetrisch.9 Damit erhalt mandie charakteristische Gleichung

det(Φ − ω21l) = 0. (31.15)

Da Φ reell und symmetrisch ist, kann es durch eine orthogonale Transformationdiagonalisiert werden

Φ = Aω2AT, AAT = ATA = 1l. (31.16)

9Falls T = 1

2

ijmij ηiηj , m symmetrisch, setzt man ξ =

√mη, wobei ξ und η Spaltenvek-

toren und m eine Matrix ist. m ist positiv-definit, da die kinetische Energie stets positiv ist.Daher ist

√m reell und symmetrisch. Man erhalt dann Φ = m−1/2Vm−1/2, das ebenfalls

reell und symmetrisch ist.

114

Page 115: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Dabei ist ω2 eine Diagonalmatrix mit Elementen ω2λ. Damit erhalten wir dann

ξ = −Aω2ATξ. (31.17)

Multiplizieren wir die Gleichung mit AT und fuhren wir

ζ := ATξ (31.18)

ein, so folgtζ = −ω2ζ oder ζλ = −ω2

λζλ. (31.19)

Die ζλ bezeichnet man als Normalkoordinaten. Aus diesen erhalt man danndurch Invertieren der Transformation (31.18)

ξ = Aζ, ξi(t) =∑

λ

Aiλζλ(t). (31.20)

Da Φ symmetrisch und reell ist, folgt dass die ω2λ reell sind. Wir unterscheiden

nun drei Falle:

ω2λ > 0 ζλ =

1

2(cλe−iωλt + c∗λe−iωλt = ℜ(cλe−iωλt) (31.21)

ω2λ = 0 ζλ = cλ + cλt (31.22)

ω2λ < 0 ζλ = cλeαλt + cλe−αλt, αλ =

−ω2λ. (31.23)

Der erste Fall beschreibt harmonische Schwingungen mit der Frequenz ωλ. Derzweite eine lineare Bewegung; hier fehlt eine rucktreibende Kraft.10 Im drittenFall ist das System instabil. Die Bewegung kann exponentiell zunehmen.

Wir konnen noch kinetische Energie und potentielle Energie durch die Nor-malkoordinaten ausdrucken,

T =1

2

i

miη2i =

1

2

i

ξ2i =

1

2ξTξ =

1

2ζTATAζ =

1

2ζTζ (31.24)

V =1

2

ij

ηiVijηj =1

2ηTVη =

1

2ξTΦξ =

1

2ξTAω2ATξ =

1

2ζTω2ζ

(31.25)

oder als Summen uber die Normalkoordinaten ausgedruckt

T =1

2

λ

ζ2λ, V =

1

2

λ

ω2λζ2

λ. (31.26)

10Dies gilt nur in linearer Naherung. In hoherer Ordnung konnen rucktreibende oder ab-stoßende Krafte auftreten. Ist dies nicht der Fall, so konnen sich bei Veranderung der Variablendie anderen Frequenzen ω andern.

115

Page 116: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Außere Krafte Falls außere Krafte Fi(t) angreifen, geht man folgendermaßenvor: Man multipliziert die Gleichung (falls man es mit verschiedenen Massen zutun hat)

miηi +∑

j

Vijηj = Fi(t) (31.27)

mit 1/√

mi,

ξi +∑

j

Φijξj =1√mi

Fi(t), ξ + Φξ =1√m

F (t), (31.28)

anschließend multiplizieren wir mit AT und erhalten unter Verwendung vonATξ = ζ und ATΦξ = ATAω2ATξ = ω2ζ

ζ + ω2ζ = AT 1√m

F (t) (31.29)

oder

ζλ + ω2λζλ(t) =

i

Aiλ1√mi

Fi(t). (31.30)

Die Summe auf der rechten Seite ist die an der Normalkoordinate ζλ angreifendeKraft. Damit ist das Problem auf die Behandlung einzelner Oszillatoren re-duziert und wir konnen zur Losung die Uberlegungen aus Abschnitt 9 anwen-den.

116

Page 117: Klassische Mechanik - Physik Skripte

32 Dreiatomiges Molekul

32.a Eigenfrequenzen

Wir betrachten das Schema eines linearen dreiatomigen Molekuls. Wir wollenuns darauf beschranken, seine Bewegung in Richtung seiner Ausdehnung zuuntersuchen. Dabei seien die beiden Federkonstanten f gleich wie auch diebeiden außeren Massen m.

f1

Mm m

f2 3

Ausgedruckt durch die Auslenkungen ηi aus den Gleichgewichtslagen erhal-ten wir die kinetische Energie

T =m

2(η2

1 + η23) +

M

2η22 (32.1)

und die potentielle Energie

V =1

2f(η1 − η2)

2 +1

2f(η2 − η3)

2 =1

2f(η2

1 + 2η22 + η2

3 − 2η1η2 − 2η2η3). (32.2)

Daraus erhalten wir die dynamische Matrix

Φ =

fm − f√

mM0

− f√mM

2fM − f√

mM

0 − f√mM

fm

(32.3)

und die charakteristische Gleichung det(Φ − ω21l) = 0,∣∣∣∣∣∣∣

fm − ω2 − f√

mM0

− f√mM

2fM − ω2 − f√

mM

0 − f√mM

fm − ω2

∣∣∣∣∣∣∣

= 0. (32.4)

Wir werten die Determinante aus

(f

m− ω2)

∣∣∣∣∣

2fM − ω2 − f√

mM

− f√mM

fm − ω2

∣∣∣∣∣+

f√mM

∣∣∣∣∣

− f√mM

0

− f√mM

fm − ω2

∣∣∣∣∣= 0 (32.5)

oder

(f

m− ω2)[(

2f

M− ω2)(

f

m− ω2) − f2

mM− f2

mM] = 0 (32.6)

oder zusammengefasst

(f

m− ω2)(ω2 − 2f

M− f

m)ω2 = 0. (32.7)

Damit erhalten wir die drei Losungen fur die Quadrate der Eigenfrequenzen

ω21 = 0, ω2

2 =f

m, ω2

3 =f

m+

2f

M. (32.8)

117

Page 118: Klassische Mechanik - Physik Skripte

32.b Eigenvektoren

Wir bestimmen nun die Eigenvektoren, indem wir die Matrix A bestimmen, mitder Φ diagonalisiert wird. Wir gehen aus von (31.16) Φ = Aω2AT, multiplizieren

von rechts mit A, erhalten daraus, da A orthogonal ist, ΦA = Aω2 oder ausdem Matrixelement iλ die Gleichung

k

ΦikAkλ = Aiλω2λ. (32.9)

Aus den Aiλ bekommen wir dann die Auslenkungen, die zu den Normalschwin-gungen gehoren, mittels (31.13) und (31.20)

ηi =1√mi

ξi =1√mi

Aiλζλ(t). (32.10)

Wir wenden dies nun auf die drei Eigenfrequenzen an:a) Fur ω2

1 = 0 ist zu losen

fm − f√

mM0

− f√mM

2fM − f√

mM

0 − f√mM

fm

A11

A21

A31

= 0. (32.11)

Hieraus folgt

A11 =

√m

MA21 = A31. (32.12)

Unter Berucksichtigung der Faktoren 1/√

mi sind dieAuslenkungen aller drei Massen gleich groß. Diese’Eigenfrequenz’ beschreibt die Translationsbewegungdes gesamten Molekuls. Wir normieren noch die Ko-effizienten

A211 + A2

21 + A231 = (1 +

2m

M)A2

21 = 1 (32.13)

mit dem Ergebnis

A21 =

M

2m + M, A11 = A31 =

√m

2m + M. (32.14)

b) Fur ω22 = f

m erhalten wir die Gleichung

0 − f√mM

0

− f√mM

2fM − f

m − f√mM

0 − f√mM

0

A12

A22

A32

= 0 (32.15)

mit der LosungA22 = 0, A32 = −A12. (32.16)

118

Page 119: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Diese Losung beschreibt ein Gegeneinander-Schwingender beiden außeren Massen, wahrend die mittlere inRuhe bleibt. Die Normierung ist mit

A12 =

1

2, A22 = 0, A32 = −

1

2(32.17)

erfullt.c) Fur ω2

3 = fm + 2f

M ist die Gleichung

− 2fM − f√

mM0

− f√mM

− fm − f√

mM

0 − f√mM

− 2fM

A13

A23

A33

= 0 (32.18)

zu losen. Man findet

A13 = −1

2

M

mA23 = A33. (32.19)

Bei dieser Losung schwingen die beiden außeren Massenin gleicher Phase, die mittlere in Gegenphase. DieNormierung erfullen wir mit

A23 =

2m

M + 2m, A13 = A33 = −

M

2(M + 2m). (32.20)

Insgesamt erhalten wir mit (32.10) die Losung

η1 =ζ1(t)√

2m + M+

ζ2(t)√2m

−√

M

2m(M + 2m)ζ3(t), (32.21)

η2 =ζ1(t)√

2m + M+

2m

M(M + 2m)ζ3(t), (32.22)

η3 =ζ1(t)√

2m + M− ζ2(t)√

2m−√

M

2m(M + 2m)ζ3(t), (32.23)

ζ1(t) = c1 + c1t, ζ2,3(t) = ℜ(c2,3e−iω2,3t). (32.24)

119

Page 120: Klassische Mechanik - Physik Skripte

33 Lineare Kette

33.a Bewegungsgleichungen

Wir betrachten eine lineare Kette von N gleichen Massen m mit Ruhelage anden Orten xj = ja. Dabei ist a der Gitterabstand. Diese werden ausgelenktnach qj(t) = xj + ηj(t). Deren kinetische Energie ist

T =1

2m∑

j

η2j . (33.1)

Die potentielle Energie ergibt sich zu

V =1

2f∑

j

(ηi − ηj+1)2. (33.2)

wenn wir annehmen, dass jeweils zwischen nachsten Nachbarn eine Kraftkon-stante f wirkt. Damit ergeben sich die Bewegungsgleichungen

mηj = −f(ηj − ηj−1) − f(ηj − ηj+1). (33.3)

Mit dem Ansatz

ηj =1√m

λ

ℜ(Ajλe−iωλt

)(33.4)

folgt−mω2

λAjλ = f(Aj−1,λ + Aj+1,λ − 2Ajλ). (33.5)

Losungen konnen wir nun dadurch finden, dass wir verlangen, dass sich Ajλ

beim Erhohen des Index j um 1 jeweils mit einem Faktor zλ multipliziert

Aj+1,λ = zλAjλ. (33.6)

Dann reduzieren sich die Gleichungen (33.5) unabhangig von j auf

−mω2λ = f(z−1

λ + zλ − 2). (33.7)

Daher ist bei gegebener Frequenz ω2λ neben zλ auch z−1

λ Losung. Zur Bestim-mung der ω bzw. z kommt es auf die Randbedingungen an.

33.b Randbedingungen

Wir betrachten im Folgenden drei Arten von Randbedingungen:

33.b.α Periodische Randbedingungen

Fur ein ausgedehnetes System ist es haufig am einfachsten, periodische Randbe-dingungen anzunehmen. Dies ergibt zum Beispiel, wenn man sich fur die Gitter-schwingungen (quantenmechanisch Phononen) im Innern eines Kristalls inter-essiert, Ergebnisse, die von den tatsachlichen nur unwesentlich abweichen. Inter-essiert man sich aber fur das Verhalten der Schwingungen nahe der Oberflache,so muss man die tatsachlichen Randbedingungen berucksichtigen.

120

Page 121: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Periodische Randbedingungen werden dadurch eingefuhrt, dass man

ηj+N = ηj (33.8)

verlangt. Dann wiederholt sich die Bewegung nach N Gitterpunkten periodisch.Daher muss dann

zNλ = 1 (33.9)

gelten, worauszλ = e2πiλ/N , λ ganz (33.10)

folgt. Damit erhalten wir

Ajλ =1√N

e2πiλj/N =1√N

eikxj , (33.11)

wobei wir k aus2πλ

Nj = kaj (33.12)

erhalten, also ist

k =2πλ

Na(33.13)

Dabei ist k die Wellenzahl. Sie ist mit der Wellenlange l verknupft durch k =2π/l, da l der kleinste positive Wert ist, der eikl = 1 lost. Aus Gleichung (33.7)erhalten wir dann

−mω2 = f(e−ika + eika − 2) = −2f(1− cos(ka)) = −4f sin2(ka

2), (33.14)

woraus

ω(k) =

4f

m| sin(

ka

2)| (33.15)

folgt.

Erhoht man λ um N , so erhaltman wieder die gleichen Wertefur z. Man beschrankt sich da-her auf ein bestimmtes Inter-vall fur λ, in der Regel verlangtman −N/2 < λ ≤ +N/2, was−π/a < k ≤ +π/a entspricht.Diesen Bereich von ks nennt man(erste) Brillouinzone.

k/aππ/a−

ω

33.b.β Eingespannte Enden

Wir betrachten nun den Fall, dass die Enden eingespannt sind. Das entsprichtden Bedingungen

A0 = AN+1 = 0. (33.16)

121

Page 122: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Hier ist es nutzlich, dass fur gegebenes ω2 sowohl z als auch z−1 Losung sind.Wir konnen daher die Losung mit z und z−1 einander uberlagern

Aj = bzj + b′z−j (33.17)

AusA0 = b + b′ = 0, AN+1 = bzN+1 + b′z−N−1 (33.18)

folgt dann b′ = −b und z2N+2 = 1 und damit

ka =πλ

N + 1, λ = 1, 2, ...N. (33.19)

und

Ajλ =

2

N + 1sin(kxj) (33.20)

Wir erhalten hier also stehende Wellen.

33.b.γ Freie Enden

Sind die Enden frei, so fehlt den Massen an den Enden, das heißt bei x1 undxN ein Nachbar, der eine Kraft ausuben konnte. Da diese Kraft fehlt, ist diesaquivalent zu den Bedingungen, dass der Nachbar gleich weit ausgelenkt ist,also

A1 = A0, AN = AN+1, (33.21)

Wir setzen wiederAj = bzj + b′z−j (33.22)

an und erhalten

b(z − 1) + b′(z−1 − 1) = 0, b(z − 1)zN + b′(z−1 − 1)z−N = 0, (33.23)

woraus z2N = 1 mit der Losung

ka =πλ

N, λ = 0, 1, ...N − 1 (33.24)

und

Ajλ =

√2N cos(k(xj − a

2 )) k 6= 0√

1N k = 0

(33.25)

Die Losung fur k = 0 entspricht einer Translationsbewegung der gesamten Kette.Fur festeingespannte Enden und freie Enden haben wir jeweils stehende

Wellen erhalten. Wir konnen diese auch bei periodischen Randbedingungenerhalten, indem wir die Wellen mit Wellenvektoren k und −k uberlagern. Al-lerdings haben wir bei periodischen Randbedingungen auch Wellen, die durchdie Kette laufen aus

ηj =1√Nm

ℜei(kxj−ωt) =1√Nm

cos(kxj − ωt). (33.26)

122

Page 123: Klassische Mechanik - Physik Skripte

G Kontinuumsmechanik

c©2004-2005 Franz Wegner Universitat Heidelberg

34 Kontinuumslimes

34.a Harmonische Naherung

Wir betrachten anfangs wieder Massenpunkte an Orten

qj(t) = xj + ηj(t), (34.1)

wobei die xj die Ruhelagen und die η die Auslenkungen aus den Ruhelagenangeben. Dann erhalten wir die kinetische Energie

T =1

2

j

mjη2j (t) (34.2)

und die potentielle Energie

V =1

2

ij

V(|qi − qj |) =1

2

ij

(V(|xi − xj |) + (ηi − ηj)grad iV(|xi − xj |)

+1

2(ηiα − ηjα)(ηiβ − ηjβ)

∂xiα

∂xiβV(|xi − xj |)

︸ ︷︷ ︸

Vij,αβ

+O(ηi − ηj)3). (34.3)

Diese Darstellung ist vereinfacht. Tatsachlich sind die Potentiale nicht notwendi-gerweise Zweiteilchenpotentiale. Doch erhalt man in jedem Fall eine Entwick-lung der Form

V = const. +1

4

ij

(ηiα − ηjα)(ηiβ − ηjβ)Vij,αβ . (34.4)

Die linearen Terme fallen weg, da das System im Gleichgewicht sein soll. Greifenjedoch an der Berandung Krafte an, die den Korper unter Spannung setzen,dann sind auch lineare Terme an der Oberflache zu berucksichtigen, die denKraften an der Berandung das Gleichgewicht halten.

34.b Lineare Kette

Wir betrachten nun den Grenzubergang zum Kontinuum fur eine lineare Kette.Dort haben wir naturlich nur eine Auslenkung ηi(t) in eine Richtung. Wirnehmen nun an, η variiere nur wenig auf atomarem Abstand und setzen

ηi(t) = η(xi, t) (34.5)

123

Page 124: Klassische Mechanik - Physik Skripte

und betrachten η(x, t) als eine glatte Funktion, die mehrfach nach x differen-zierbar ist. Dann geht die kinetische Energie uber

T =1

2

j

mη2(xj , t) =1

2

j

µaη2(xj , t) →1

dxη2(x, t). (34.6)

Dabei ist a die Gitterkonstante und µ = ma die Massendichte (pro Lange). Zur

Kontinuums-Darstellung der potentiellen Energie verwenden wir

ηi = η(xi) = η(xj + xi − xj) = η(xj) + (xi − xj)∂η(xj)

∂xj(34.7)

und erhalten damit

V =1

4

ij

(xi−xj)2

(∂η(xj)

∂xj

)2

Vij,11 =1

2

j

a

(∂η(xj)

∂xj

)2∑

i

(xi − xj)2 1

2aVij,11

︸ ︷︷ ︸

Y

,

(34.8)wobei der unterklammerte Ausdruck Y als Youngscher Elastizitatsmodul be-zeichnet wird. Im Kontinuums-Limes konnen wir dann die potentielle Energieals

V =Y

2

dx

(∂η(x, t)

∂x

)2

(34.9)

schreiben und die Lagrange-Funktion als

L =

dx

(

µ

2η(x, t)2 − Y

2

(∂η(x, t)

∂x

)2)

. (34.10)

34.c Bravais-Gitter, elastischer Korper

Wir betrachten nun den einfachsten Fall eines elastischen Korpers: Massen-punkte einheitlicher Masse auf einem periodischen Gitter. Die kinetische En-ergie ist dann

T =1

2

j

mη2(xj , t). (34.11)

Fur die Masse setze ich nun m = vρ, wobei v das Volumen pro Massenpunktund ρ die Massendichte ist. Dann erhalten wir im Kontinuums-Limes

T =ρ

2

d3xη2(x, t). (34.12)

Unter Verwendung von

ηiα − ηjα = (xiγ − xjγ)∂ηα(x)

∂xγ(34.13)

124

Page 125: Klassische Mechanik - Physik Skripte

erhalten wir fur die potentielle Energie

V =1

2

j

v∂ηα

∂xγ

∂ηβ

∂xδCαγ,βδ (34.14)

mit den elastischen Konstanten

Cαγ,βδ =∑

i

1

2v(xiγ − xjγ)(xiδ − xjδ)Vij,αβ (34.15)

Damit konnen wir die potentielle Energie in der Form

V =1

2

d3xCαγ,βδ∂ηα

∂xγ

∂ηβ

∂xδ(34.16)

schreiben. Man sieht unmittelbar, dass die Symmetriebeziehung

Cαγ,βδ = Cβδ,αγ (34.17)

gilt. Wenn Zweiteilchen-Zentralkrafte wirken, gilt auch Cαγ,βδ = Cαδ,βγ . Je-doch zeigen Elastizitatsmessungen, dass diese Beziehung in der Regel verletztist.

Man zerlegt ∂ηα

∂xγin der Regel in zwei Anteile

∂ηα

∂xγ= ǫαγ + ωαγ , (34.18)

wobei man fordert, dass ǫ symmetrisch und ω antisymmetrisch sind,

xx

y y

a) Verzerrung,b) Drehung

ǫαγ = ǫγα, ωαγ = −ωγα (34.19)

oder

ǫαγ =1

2(∂ηα

∂xγ+

∂ηγ

∂xα), ωαγ =

1

2(∂ηα

∂xγ− ∂ηγ

∂xα). (34.20)

Dabei beschreibt ǫ die Verzerrung des Gitters. Man bezeichnet daher ǫ als denVerzerrungstensor. Dagegen beschreibt ω eine Drehung des Gitters. Hierzubetrachten wir das Abstands-Quadrat

(qi − qj)2 = (xi − xj)

2 + 2(xi − xj)(ηi − ηj) + (ηi − ηj)2 (34.21)

und vernachlassigen den quadratischen Term (ηi − ηj)2.11 Dann finden wir

neben dem konstanten (xi − xj)2 den Beitrag

2(xi − xj)(ηi − ηj) = 2(xiα − xjα)(xiγ − xjγ)∂ηα

∂xγ. (34.22)

11Es gibt Definitionen von ǫ, die es nicht notig machen, diesen Term zu vernachlassigen.

Doch gehen wir der Einfachheit halber hierauf nicht ein.

125

Page 126: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Wir konnen die Summations-Indices α und γ vertauschen und den bisherigenund den neuen Beitrag zur Halfte addieren und erhalten

2(xi − xj)(ηi − ηj) = (xiα − xjα)(xiγ − xjγ)

(∂ηα

∂xγ+

∂ηγ

∂xα

)

= 2(xiα − xjα)(xiγ − xjγ)ǫαγ . (34.23)

Die Verzerrung hangt also nur von ǫ ab.Die Drehung kostet keine Energie. Wir konnen daher die potentielle Energie

auch

V =1

2

d3xCαγ,βδǫαγǫβδ (34.24)

schreiben. Man sieht, dass die C bezuglich Vertauschung der ersten beiden undder letzten beiden Indices invariant sind,

Cαγ,βδ = Cγα,βδ = Cαγ,δβ = Cγα,δβ , (34.25)

da die ǫ symmetrisch sind.Greifen an dem Festkorper noch außere Krafte an, so haben wir ein zusatz-

liches Potential

Va = −∑

i

Ki · ηi = −∫

d3xk(x) · η(x), (34.26)

wobei wir nach dem zweiten Gleichheitszeichen zum Kontinuums-Limes mitder Kraftdichte k (Kraft pro Volumen) ubergegangen sind. Solche Krafte sindbeispielsweise Gravitationskrafte, aber vor allem auch Krafte, die an der Ober-flache angreifen, und den Korper in einen Spannungszustand versetzen.

126

Page 127: Klassische Mechanik - Physik Skripte

35 Hamiltonsches Prinzip und Lagrange-Gleichun-

gen fur Felder

Wir betrachten nun ein Medium mit Feldern (z.B. Auslenkungen) ηα(x, t). DieLagrange-Funktion kann nun von η(x, t), η(x, t) und gradη(x, t) abhangen.Allerdings hangt die Lagrange-Funktion von diesen Großen an allen Orten ab.Man muss daher fur die Lagrange-Funktion L ein Volumen-Integral uber eineLagrangedichte L einfuhren

L(t) =

V

d3xL(η(x, t), η(x, t), grad η(x, t),x, t). (35.1)

Das Wirkungsintegral lautet dann

I =

∫ t2

t1

L(t)dt =

dtd3xL(...). (35.2)

Es soll nun wieder das Hamiltonsche Prinzip δI = 0 gelten, wobei die Variationδη(x, t) = 0 zur Anfangs- und Endzeit t = t1 und t = t2, wie auch zu allenZeiten an den Orten x der raumlichen Begrenzung verschwinde. Mit

δη =∂

∂tδη, δ

∂η

∂xα

=∂

∂xα

δη (35.3)

folgt fur die Variation

δI =

∫ t2

t1

dt

V

d3x

∂L

∂η(x, t)δη(x, t) +

∂L

∂η(x, t)δη(x, t) +

∂L

∂(∂γη)δ(∂γη)

=

∫ t2

t1

dt

V

d3x

∂L

∂η−

∂t︸︷︷︸

(∂L

∂η

)

−∂

∂xγ︸︷︷︸

(∂L

∂(∂γη)

)

δη(x, t)

+

∫ t2

t1

dt

V

d3x

∂t︸︷︷︸

(∂L

∂ηδη

)

+∂

∂xγ︸︷︷︸

(∂L

∂(∂γη)δη

)

. (35.4)

Von der ersten kamen wir auf die zweite und dritte Zeile durch partielle Integra-tion. Die mit * gekennzeichneten partiellen Ableitungen sind so zu verstehen,dass die Funktion, die abgeleitet wird, als Funktion von x und t aufgefasst wird.Es wird also nicht nur nach einer expliziten Abhangigkeit der Funktion L vonx und t abgeleitet, sondern auch nach der impliziten Abhangigkeit uber η(x, t)(vgl. unten 35.12 und 35.13). Der erste Beitrag des letzten Integrals fuhrt auf

V

d3x

(∂L

∂ηδη

)∣∣∣∣

t2

t1

(35.5)

127

Page 128: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Er ist also bei t1 und t2 auszuwerten. Da dort δη = 0, verschwindet dieserBeitrag. Ahnlich fuhrt der zweite Beitrag des letzten Integrals in (35.4) mitHilfe des Gaussschen Satzes auf ein Oberflachen-Integral,

∫ t2

t1

dt

∂V

dfγ

(∂L

∂(∂γη)δη

)

. (35.6)

Dabei istdf = ndf (35.7)

das nach außen gerichtete Flachenelement der Oberflache. df bezeichnet denBetrag des Flachenelements, n den nach außen gerichteten (auf 1 nomierten)Normalenvektor. Man hat

∂V

df1A(x) =

∂V

dx2dx3

(±A(x)

)(35.8)

Dabei ist das +-Zeichen an der oberen Begrenzung x1(x2, x3) und das −-Zeichenan der unteren Begrenzung x1(x2, x3) zu verwenden.

Da auch an der Oberflache δη verschwindet, fallt das letzte Integral in (35.4)weg. Was bleibt, ist die zweite Zeile in (35.4), die fur beliebige Variationenδη(x, t) verschwinden muss. Daher folgt die Lagrange-Bewegungs-Gleichung

∂L

∂η−∂

∂t

(∂L

∂η

)

−∂

∂xγ

(∂L

∂(∂γη)

)

= 0. (35.9)

Beispiel: Fur das Bravais-Gitter hatten wir die Lagrange-Dichte

L =ρ

2(x, t) −1

2Cαγ,βδǫαγ(x, t)ǫβδ(x, t) + k(x, t) · η(x, t) (35.10)

mit ǫ = 12

(∂ηα

∂xγ

+∂ηγ

∂xα

)

.

Daraus folgt dann

∂L

∂ηα

= kα,∂L

∂ηα

= ρηα,∂L

∂(∂γηα)= −Cαγβδ

∂ηβ

∂xδ

. (35.11)

Wie oben angegeben, erhalt man ∂∂t

(∂L∂η

)

, indem man es als Funktion von t

und x auffasst, also folgt

∂t

(∂L

∂η

)

=∂

∂t(ρηα(x, t)) = ρηα(x, t), (35.12)

∂xγ

(∂L

∂(∂γηα)

)

= −∂

∂xγ

(

Cαγβδ

∂ηβ

∂xδ

)

. (35.13)

Die Bewegungsgleichung lautet dann

kα(x, t) − ρηα(x, t) + Cαγβδ

∂2ηβ

∂xγ∂xδ

= 0. (35.14)

128

Page 129: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Man fuhrt nun den Spannungs-Tensor σ mit den Komponenten

σαγ = Cαγβδ

∂ηβ

∂xδ

= Cαγβδǫβδ (35.15)

ein. Wegen (34.25) ist er symmetrisch σαγ = σγα. Mit dem Spannungs-Tensorkonnen wir die Bewegungsgleichung in der Form

ρηα(x, t) = kα(x, t) +∂

∂xγ

σαγ (35.16)

schreiben. Neben der außeren Kraftdichte k ergibt sich aus einer Inhomogenitatder Spannung eine innere Kraftdichte ∂

∂xγ

σαγ . Man bezeichnet diese auch als

Divergenz des Spannungs-Tensors.Die Bewegungs-Gleichung beschreibt fur ηα(x, t) = 0 den Verzerrungszu-

stand des Korpers im Gleichgewicht unter dem Einfluss außerer Krafte. UnterBerucksichtigung der Zeitableitung beschreibt sie seine elastischen Schwingun-gen.

129

Page 130: Klassische Mechanik - Physik Skripte

36 Schwingende Saite und Stab

36.a Bewegungsgleichungen

Fur den Stab erhielten wir in (34.10) die Lagrange-Dichte

L =µ

2η2 −

Y

2

(∂η

∂x

)2

. (36.1)

Gleichzeitig wollen wir auch eine schwingende Saite, die mit einer Kraft Kgespannt ist, betrachten. Die potentielle Energie V ist K multipliziert mit derSaitenlange

V = K

∫ l

0

1 +

(∂η

∂x

)2

dx = K

∫ l

0

(

1 +1

2

(∂η

∂x

)2

+O

(∂η

∂x

)4)

dx (36.2)

Wir haben eine Taylor-Entwicklung fur die Wurzel durchgefuhrt und begnugenuns mit dem ersten nicht-trivialen Term. Die Konstante lassen wir weg underhalten damit die Lagrange-Dichte

L =µ

2η2 −

K

2

(∂η

∂x

)2

. (36.3)

Beide Lagrangedichten (36.1) und (36.3) haben die gleiche Form. Sie unterschei-den sich nur in der Konstanten Y bzw. K. Die zugehorige Bewegungsgleichung

∂L

∂η−∂

∂t

∂L

∂η−

∂x

∂L

∂(∂η/∂x)= 0 (36.4)

lautet

µη = K∂2η

∂x2. (36.5)

Dies ist eine lineare partielle Diffenrentialgleichung.

36.b Unendliche Saite

Wir konnen die Bewegungs-Gleichung

∂2η

∂t2− c2

∂2η

∂x2= 0, c2 =

K/µ SaiteY/µ Stab

(36.6)

schreiben. Fuhren wir die neuen Koordinaten

u = x− ct x =1

2(u+ v) (36.7)

v = x+ ct ct =1

2(v − u) (36.8)

ein und drucken wir die Auslenkung durch diese Koordinaten aus,

η(x, t) = η(u(x, t), v(x, t)), (36.9)

130

Page 131: Klassische Mechanik - Physik Skripte

so folgt mit der Kettenregel

∂x =∂u

∂x∂u +

∂v

∂x∂v = ∂u + ∂v, (36.10)

∂t =∂u

∂t∂u +

∂v

∂t∂v = c(∂v − ∂u). (36.11)

Zur Abkurzung haben wir ∂x = ∂/∂x geschrieben und entsprechend fur t, u undv. Setzen wir dies in die Bewegungsgleichung ein, so folgt

c2(∂v − ∂u)2η − c2(∂u + ∂v)2η = 0 (36.12)

oder einfach∂u∂v η = 0. (36.13)

Die Integration nach u liefert ∂vη = g(v) und die zweite Integration

η = g(v) + f(u). (36.14)

Wir finden also, dass die Losung

η(x, t) = f(x− ct) + g(x+ ct) (36.15)

lautet. Dabei sind die Funktionen f und g beliebig. Allerdings wird manfordern, dass sie zweimal differenzierbar sind. Die Funktion f beschreibt eineWelle (beliebiger Form), die sich mit der Geschwindigkeit c nach rechts, dieFunktion g eine Welle, die sich mit der Geschwindigkeit c nach links bewegt.

Das Anfangswert-Problem, bei dem die Auslenkung η(x, 0) = η0(x) zur Zeit0, sowie deren zeitliche Veranderung η(x, t)|t=0 = η1(x) gegeben ist, ergibt

f(x) + g(x) = η0(x), −cf ′(x) + cg′(x) = η1(x). (36.16)

Wir konnen hieraus η(x, t) durch folgende Zerlegung berechnen:

2η(x, t) = 2f(x− ct) + 2g(x+ ct)= f(x− ct) + g(x− ct) + f(x+ ct) + g(x+ ct)

+f(x− ct) − f(x+ ct) + g(x+ ct) − g(x− ct)

= η0(x− ct) + η0(x + ct) +∫ x+ct

x−ct(g′(ξ) − f ′(ξ))dξ

= η0(x− ct) + η0(x + ct) + 1c

∫ x+ct

x−ctη1(ξ)dξ.

(36.17)

Die Auslenkung zur Zeit t hangt daher nur von den Auslenkungen und derenzeitlicher Anderung im Intervall von x− ct bis x+ ct ab.

36.c Endliche Saite I

Die Saite der Lange l sei an ihren Enden bei x = 0 und x = l eingespannt. Dannerhalten wir mit (36.15) aus η(0, t) = 0

η(0, t) = 0 = f(−ct) + g(ct) → g(u) = −f(−u) (36.18)

131

Page 132: Klassische Mechanik - Physik Skripte

undη(x, t) = f(x− ct) − f(−x− ct). (36.19)

Aus η(l, t) = 0 folgt dann

η(l, t) = 0 = f(l− ct) − f(−l− ct) → f(x) = f(x+ 2l). (36.20)

Die Funktion f ist daher eine periodische Funktion der Periode 2l. Wir findendann weiter

η(x, t+2l

c) = f(x− ct− 2l) − f(−x− ct− 2l) = η(x, t). (36.21)

Die Saite schwingt daher mit der Periode T = 2l/c.Aufgabe Wie hangt η nach einer halben Periode mit dem ursprunglichen η

zusammen?

36.d Endliche Saite II

Wir konnen die Bewegungsgleichung auch mit einem Separationsansatz losen

ηs(x, t) = f(x)g(t). (36.22)

(f und g haben nun eine andere Bedeutung als in den Abschnitten 36.b und36.c). Setzen wir diesen Ansatz in die Bewegungsgleichung ein, so folgt

f(x)g(t) − c2f ′′(x)g(t) = 0 (36.23)

oder nach Division durch fg

g(t)

g(t)− c2

f ′′(x)

f(x)= 0. (36.24)

Da der erste Term unabhangig von x ist und der zweite unabhangig von t,mussen beide unabhangig von x und t, also konstant sein,

g(t)

g(t)= −ω2,

f ′′(x)

f(x)= −k2. (36.25)

Dies ergibt die Losungen

g(t) = a cos(ωt− φ), f(x) = a cos(kx− ψ) (36.26)

mit

−ω2 + c2k2 = 0 → ω = ck. (36.27)

Aus der Randbedingung f(0) = 0 folgt ψ = π/2, aus f(l) = 0 dann kl = πnmit positivem n. Daraus folgt dann ωn = ckn = πcn

l. Wir konnen nun o.E.d.A.

a = 1 setzen und die Losungen superponieren, da die Differentialgleichung linearist und erhalten damit

η(x, t) =

∞∑

n=1

an cos(ωnt− φn) sin(knx). (36.28)

Dies ist eine Zerlegung in Fourier-Reihen, wahlweise bezuglich x oder t.

132

Page 133: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Anfangswert-Problem Die Integrationskonstanten an und φn des Anfangs-wert-Problems

η(x, 0) = η0(x) =

∞∑

n=1

an cos(φn) sin(knx), (36.29)

η(x, 0) = η1(x) =

∞∑

n=1

ωnan sin(φn) sin(knx) (36.30)

lassen sich folgendermaßen bestimmen: Man bildet das Integral

∫ l

0

sin(kmx)η0(x)dx =∑

n

an cosφn

∫ l

0

sin(kmx) sin(knx)︸ ︷︷ ︸

1

2(cos((km−kn)x)−cos((km+kn)x))

dx

=

∞∑

n=1

an cosφn

l

2δm,n =

l

2am cosφm. (36.31)

Man beachte, dass n und m und damit auch kn und km positiv sind. Ahnlicherhalt man

∫ l

0

sin(kmx)η1(x)dx =l

2amωm sinφm, (36.32)

Aus den beiden Beziehungen bestimmen sich am cosφm und am sinφm, die in(36.28) in der Form

η(x, t) =

∞∑

n=1

(an cosφn cos(ωnt) + an sinφn sin(ωnt)) sin(knx) (36.33)

eingesetzt werden konnen.Gemaß des Satzes von Dirichlet aus der Theorie der Fourier-Reihen gilt mit

den so bestimmten cn = an cosφn und sn = anωn sinφn

η0(x) = limN→∞

N∑

n=1

cn sin(knx), (36.34)

entsprechend fur η1(x), falls η0 und η1 stetig sind, η0,1(0) = η0,1(l) = 0 undsich das Intervall 0...l in endlich viele Teilintervalle zerlegen lasst, in denen η0und η1 monoton sind. Da sich die Funktionen η0 und η1 durch das System derFunktionen sin(knx), n = 1, 2, ... darstellen lasst, heißt dieses Funktionensystemvollstandig.

133

Page 134: Klassische Mechanik - Physik Skripte

37 Membran

37.a Bewegungsgleichungen

Wir betrachten eine Membran der Massendichte (Masse pro Flache) ν. Diekinetische Energie ist

T =ν

2

dxdyη2(x, y, t). (37.1)

Die Spannung (Kraft pro Lange) in der Membran sei τ . Die potentielle Energieist dann τ mal Oberflache der Membran,

V = τ∑

|a × b| (37.2)

mit den Oberflachenelementen auf-gespannt durch Parallelogramme derSeiten

a = (1, 0,∂η

∂x)dx, b = (0, 1,

∂η

∂y)dy.

(37.3)

xy

η ab

dxdy

Wir erhalten

|a × b| =

∣∣∣∣

(

−∂η

∂x,∂η

∂y, 1

)∣∣∣∣dxdy =

1 +

(∂η

∂x

)2

+

(∂η

∂y

)2

dxdy. (37.4)

Daraus folgt die potentielle Energie

V = τ

dxdy

(

1 +1

2

(∂η

∂x

)2

+1

2

(∂η

∂y

)2

+O

(∂η

∂...

)4)

. (37.5)

Vernachlassigen wir wieder die Terme vierter und hoherer Ordnung, so folgt dieLagrange-Dichte

L =ν

2η2 −

τ

2

(∂η

∂x

)2

−τ

2

(∂η

∂y

)2

(37.6)

und daraus die Bewegungsgleichung

νη = τ

(∂2η

∂x2+∂2η

∂y2

)

. (37.7)

37.b Rechteckige Membran

Die rechteckige Membran erstrecke sich uber 0 ≤ x ≤ a, 0 ≤ y ≤ b. Sie seiam Rand fest eingespannt. Zum Aufsuchen von Losungen verwenden wir einenSeparations-Ansatz

ηs(x, y, t) = f(x)g(y)h(t). (37.8)

134

Page 135: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Die Bewegungsgleichung ergibt

νf(x)g(y)h(t) = τ(f ′′(x)g(y)h(t) + f(x)g′′(y)h(t)). (37.9)

Dividieren wir die Gleichung durch fgh, so erhalten wir

νh(t)

h(t)︸︷︷︸

−ω2

= τf ′′(x)

f(x)︸ ︷︷ ︸

−k2

1

+τg′′(y)

g(y)︸ ︷︷ ︸

−k2

2

. (37.10)

Da jeder Term nur von einer der drei Variablen abhangt, mussen alle Termekonstant sein, wobei die Beziehung

νω2 = τ(k21 + k2

2) (37.11)

erfullt sein muss. Man erhalt die Losungen

h = cos(ωt− φ), f = sin(k1x), g = sin(k2y). (37.12)

mitk1a = πn1, k2b = πn2, (37.13)

wobei n1 und n2 naturliche Zahlen sind. Wir haben hierbei die Randbedingungη = 0, die bei x = 0 oder x = a oder y = 0 oder y = b gilt, berucksichtigt. (Dieoder sind hier logische oder). Damit erhalten wir die speziellen Losungen

ηs = cos(ωn1,n2t− φ) sin(πn1

x

a) sin(πn2

y

b) (37.14)

mit den Frequenzen gegeben durch

ω2n1n2

=π2τ

ν

(n2

1

a2+n2

2

b2

)

. (37.15)

Die allgemeine Losung lautet dann

η(x, y, t) =∑

n1,n2

cn1,n2cos(ωn1,n2

t− φn1n2) sin(πn1

x

a) sin(πn2

y

b), (37.16)

wobei die cn1n2und die φn1n2

Integrationskonstanten sind.

37.c Kreisformige Membran

Die Membran erstrecke sich uber die Kreisflache x2 + y2 ≤ R2 mit Radius R(Beispiel: Trommel). Wir gehen auf Polarkoordinaten uber

x = r cosφ, y = r sinφ, η(x, y, t) = η(r(x, y), φ(x, y), t). (37.17)

Wir mussen nun die partiellen Ableitungen umformen

∂x=∂r

∂x

∂r+∂φ

∂x

∂φ(37.18)

135

Page 136: Klassische Mechanik - Physik Skripte

und entsprechend fur y. Aus

dx = cosφdr − r sinφdφ, (37.19)

dy = sinφdr + r cosφdφ (37.20)

folgt

dr = cosφdx+ sinφdy, (37.21)

dφ = −sinφ

rdx+

cosφ

rdy. (37.22)

Daraus ergeben sich dann die Umrechnungen fur die Ableitungen

∂x= cosφ

∂r−

sinφ

r

∂φ, (37.23)

∂y= sinφ

∂r+

cosφ

r

∂φ(37.24)

und

∂2

∂x2= (cosφ

∂r−

sinφ

r

∂φ)(cosφ

∂r−

sinφ

r

∂φ)

= cos2 φ∂2

∂r2− 2

cosφ sinφ

r

∂2

∂φ∂r+

sin2 φ

r2∂2

∂φ2

+cosφ sinφ

r2∂

∂φ+

sin2 φ

r

∂r+

sinφ cosφ

r2∂

∂φ, (37.25)

∂2

∂y2= (sinφ

∂r+

cosφ

r

∂φ)(sinφ

∂r+

cosφ

r

∂φ)

= sin2 φ∂2

∂r2+ 2

sinφ cosφ

r

∂2

∂φ∂r+

cos2 φ

r2∂2

∂φ2

−sinφ cosφ

r2∂

∂φ+

cos2 φ

r

∂r−

cosφ sinφ

r2∂

∂φ. (37.26)

Addieren wir die beiden Terme, dann heben sich die Beitrage mit Faktorencosφ sinφ weg, wahrend sich die Koeffizienten mit cos2 φ und sin2 φ zu 1 ad-dieren. So erhalten wir das wesentlich einfachere Ergebnis

∂2

∂x2+

∂2

∂y2=

∂2

∂r2+

1

r2∂2

∂φ2+

1

r

∂r. (37.27)

Wir suchen nun wieder Losungen mittels eines Separations-Ansatzes auf undsetzen

η(r, φ, t) = f(r)g(φ)h(t). (37.28)

Dies fuhrt auf die Differentialgleichung

νf(r)g(φ)h(t) = τ

(

∂2rf(r) +

1

r∂rf(r)

)

g(φ)h(t) +τ

r2f(r)∂2

φg(φ)h(t). (37.29)

136

Page 137: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Mith(t) = −ω2h(t), ∂2

φg(φ) = −m2g(φ), (37.30)

deren Losung

h(t) = cos(ωt− χ), g(φ) = cos(m(φ − ψ)) (37.31)

lautet, erhalten wir fur die Radialfunktion f(r) die Gleichung

d2f

dr2+

1

r

df

dr−m2

r2f +

νω2

τf = 0. (37.32)

Man beachte, dass m ganz sein muss, damit g(φ) eine eindeutige Funktion ist.Mit der Substitution

r =

√τ

ν

z

ω(37.33)

lautet die Gleichungd2f

dz2+

1

z

df

dz−m2

z2f + f = 0. (37.34)

Dies ist die Differentialgleichung der Bessel-Funktionen. Die bei z = 0 regulareLosung ist die Bessel-Funktion Jm(z) mit positivem m. Da die Amplituden derEigenschwingungen bei r = R verschwinden mussen, erhalten wir die Randbe-dingung

Jm(ωmn

√ν

τR) = 0. (37.35)

Dabei zahlt n die Nullstellen. Daher gilt

ωmn =

√τ

ν

zmn

R, Jm(zmn) = 0. (37.36)

Die allgemeine Losung erhalt man wieder durch Uberlagerung der speziellenLosungen

η(r, φ, t) = ℜ∑

m,n

an,mei(ωnmt+mφ)J|m|(ωnm

√ν

τr) (37.37)

Die Funktionen Jm(z) sind hier fur m = 0, 1, 2, 3 abgebildet

137

Page 138: Klassische Mechanik - Physik Skripte

-0.4

-0.2

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

0 2 4 6 8 10z

J0

J1

J2

J3

Die ersten Nullstellen von Jm(z) liegen beiJ0 J1 J2 J3 J4 J5 J6

2.4048 3.8317 5.1356 6.3801 7.5883 8.7715 9.93615.5201 7.0156 8.4172 9.7610 ... ... ...8.6537 ... ... ... ... ... ...

Die Taylor-Entwicklung fur die Bessel-Funktionen Jm erhalt man auf fol-gende Weise: Wir betrachten zunachst das Verhalten fur z → 0. Nehmen wirf(z) ∝ zα an, so erhalt man durch Einsetzen in (37.34)

(α(α− 1) + α−m2)zα−2 +O(zα) = 0. (37.38)

Daraus folgt α = ±m. Die bei z = 0 regulare Losung erhalt man fur positivesα. Wir wollen nun m ≥ 0 annehmen, setzen also α = m.12

Wir setzen nun die Taylor-Entwicklung

J(z) =∞∑

k=0

ckzm+2k (37.39)

12Es gibt eine zweite Losung, die bei z = 0 wie z−m divergiert. Sie wird als Neumann-

Funktion Nm(z) bezeichnet. Fur m = 0 divergiert sie wie ln z.

138

Page 139: Klassische Mechanik - Physik Skripte

mit unbekannten Koeffizienten ck an. Einsetzen in die Differentialgleichung(37.34) ergibt

k

((m+ 2k)2 −m2)︸ ︷︷ ︸

2k(2m+2k)

ckzm+2k−2 +

k

ckzm+2k = 0. (37.40)

Ersetzt man in der zweiten Summe k durch k − 1, so erhalten wir

k

(2k(2m+ 2k)ck + ck−1) zm+2k−2 = 0. (37.41)

Der Koeffizient bei den zm+2k−2 muss verschwinden. Daraus folgt die Rekur-sionsformel

ck = −ck−1

4k(m+ k), (37.42)

was man mit

ck = (−1

4)k 1

k!(m+ k)!· const (37.43)

losen kann. Mit const = (1/2)m folgt die Reihenentwicklung fur die Bessel-Funktion

Jm(z) =

∞∑

k=0

(−)k( z2 )m+2k

k!(m+ k)!, (37.44)

eine Entwicklung, die fur alle z konvergiert.Wir bemerkewn ohne Beweis, dass die Bessel-Funktion fur großes z das

asymptotische Verhalten

Jm(z) ∼

2

πzcos(z −

2−π

4), z → ∞ (37.45)

zeigt.

139

Page 140: Klassische Mechanik - Physik Skripte

H Chaos und nichtlineare Dynamik

c©2004-2005 Franz Wegner Universitat Heidelberg

Einleitung

In einer Anzahl von Fallen konnten wir mechanische Probleme losen. Die Be-wegung eines Massenpunkts in einer Dimension lasst sich mit Hilfe der Energie-Erhaltung berechnen (Abschnitt 3.c). Das Zweikorperproblem mit Zentralpo-tential konnte exakt gelost werden (Abschnitte 17, 18). Aber das Dreikor-perproblem entzieht sich bereits einer allgemeinen Losung. Wir konnten nurbestimmte Grenzfalle behandeln (Abschnitt 27). Wir werden sehen, dass dieIntegration eines mechanischen Problems prinzipiell moglich ist, wenn man so-viel unabhangige Erhaltungsgroßen hat, deren Poisson-Klammern verschwinden,wie Paare kanonischer Variable. Dies ist aber bei einer großeren Anzahl vonFreiheitsgraden in der Regel nicht der Fall.

Die Bewegung nahe des Energie-Minimums konnten wir im Rahmen kleinerSchwingungen naherungsweise beschreiben (Abschnitt 31). Im Rahmen dieserNaherung hat man wieder eine ausreichende Anzahl unabhangiger Erhaltungs-Großen, da die Energie jeder Normalschwingung erhalten ist. Wenn diese Line-arisierungs-Naherungen nicht mehr moglich sind, kommt man in das Gebiet dernichtlinearen Dynamik.

Die Bewegungsgleichungen der Mechanik sind deterministisch und damitsind die Trajektorien im Phasenraum festgelegt. Jedoch hangen die Trajekto-rien haufig sehr empfindlich von den Anfangsbedingungen ab. Das bedeutetauch, dass bei einer numerischen Losung kleine Rundungsfehler zu großen Ab-weichungen nach langerer Zeit fuhren konnen.

Wie kommt diese Empfindlichkeit von den Anfangsbedingungen zustande?Sie hangt mit der Erhaltung des Phasenraumvolumens (Liouville-Satz) zusam-men. Dieses Volumen bleibt im Laufe der Zeit erhalten, aber es deformiertsich. Diese Deformation kann linear anwachsen wie etwa bei der freien Be-wegung eines Teilchens. Sie kann aber auch exponentiell anwachsen wie beider Rotation des kraftefreien unsymmetrischen Kreisels um die Achse mittlerenHaupttragheitsmomentes13 (Abschnitt 25.c). Eine kleine 6N -dimensionale Hy-perkugel des Phasenraumvolumens deformiert sich im Laufe der Zeit zu einemHyper-Ellipsoid mit Hauptachsen ai, die ein Exponentialverhalten exp(λit) zei-gen,

λi = limt→∞

1

tln ai(t).

Das Volumen bleibt erhalten. Es ist proportional zu∏

i expλit, so dass

i

λi = 0.

13Allerdings ist dieses System integrabel, da genugend Erhaltungs-Großen vorhanden sind.

140

Page 141: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Das bedeutet aber, dass das großte λ positiv ist. In dieser Richtung dehnt sichalso das Phasenraumvolumen exponentiell aus und eine Vorhersage der Bewe-gung ist nur uber kurze Zeit moglich. Tritt dieses exponentielle Wachstum auf,so spricht man von chaotischem Verhalten. Dieses großte λmax bezeichnet manals Lyapunov-Exponent. Es ist auch ublich das großte λ als ersten Lyapunov-Exponenten zu bezeichnen, den nachst großten als zweiten etc.

Man muss bei der Betrachtung derartiger dynamischer Systeme unterschei-den zwischen hamiltonschen Systemen und dissipativen Systemen. Das soebenGesagte trifft fur hamiltonsche Systeme, also Systeme, die durch eine Hamilton-Funktion beschrieben werden konnen zu. Bei einem dissipativen System, dasdurch Reibungskrafte charakterisiert ist, nimmt das Phasenraumvolumen ab, inder Regel exponentiell. Dann ist

i λi < 0 und der Lyapunov-Exponent λmax

kann positiv oder negativ sein. Je nachdem verhalt sich das System chaotischoder nicht chaotisch. Mikroskopisch gilt fur dieses System auch

i λi = 0.Aber hier nehmen innere Freiheitsgrade (z.B. durch die Warmebewegung derAtome in einem starren Korper) die exponentiell anwachsenden Auslenkungenauf, so dass die makroskopisch beobachteten nicht davon betroffen sind.

Im Folgenden werden wir einige Eigenschaften von Systemen mit chaoti-schem und nicht chaotischem Verhalten betrachten wie auch den Ubergang insChaos. Denn auch das Chaos zeigt Regelmaßigkeiten.

38 Winkel- und Wirkungsvariable, Storungsrech-

nung, Resonanznahe

38.a Winkel- und Wirkungsvariable

Im idealen Fall kann man die Hamilton-Funktion mit einer kanonischen Trans-formation auf die Form H(P1, P2, ...Pn) bringen, das heißt H hangt nicht vonQ1, Q2, ... Qn ab. In diesem Fall nennt man die Pi Wirkungsvariable und dieQi Winkelvariable, wobei die Notationen

Pi = Ji, Qi = φi. (38.1)

ublich sind. Dann gilt

Ji = − ∂H∂φi

= 0, (38.2)

Die Ji sind Erhaltungsgroßen. Weiter gilt

φi =∂H∂Ji

= ωi(J1, ...Jn), (38.3)

d.h. die φi wachsen linear mit der Zeit an

φi = ωi(J1, ...Jn)t + φ0i . (38.4)

Die Ji und φ0i sind durch die Anfangsbedingungen gegeben. Die p und q hangen

in der Regel periodisch von den φi ab. Die Flachen konstanter Ji bezeichnetman dann als invariante Tori.

141

Page 142: Klassische Mechanik - Physik Skripte

38.b Beispiel: Harmonischer Oszillator

Wir drucken die Hamilton-Funktion

H =p2

2m+

f

2q2 (38.5)

des harmonischen Oszillators durch Wirkungs- und Winkelvariable aus. Da pund q periodisch oszillieren, setzen wir

p = g(J) cosφ, q = h(J) sin φ. (38.6)

Dann ist

H =1

2

(g2(J)

mcos2 φ + fh2(J) sin2 φ

)

. (38.7)

Da H nur von J abhangen soll, fordern wir

g2(J)

m= fh2(J). (38.8)

Weiter sollen J und φ kanonische Variable sein. Dann muss

q, pφ,J =∂q

∂φ

∂p

∂J− ∂q

∂J

∂p

∂φ= hg′ cos2 φ + h′g sin2 φ = 1 (38.9)

gelten, d.h. hg′ = h′g = 1. Diese Bedingung und (38.8) lassen sich mit

g(J) = 4

fm√

2J, h(J) =

√2J

4√

fm(38.10)

erfullen. Damit folgt

H =

f

mJ, J = 0, φ =

∂H∂J

=

f

m= ω. (38.11)

38.c Integrable Systeme

Es seien n Erhaltungsgroßen Pi(p, q) bekannt, die in Involution sind, das heißt,deren Poisson-Klammern verschwinden,

Pi, Pj = 0, (38.12)

und die unabhangig voneinander sind. Eine der Erhaltungsgroßen ist H. Dannsetzen wir die kanonische Transformation mit F2(P, q) an, die

pi =∂F2

∂qi(38.13)

impliziert. Wir drucken nun Pi durch q und p aus und erhalten

Ji = Pi(∂F2

∂q, q). (38.14)

142

Page 143: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Diese Gleichungen sind nach den ∂F2

∂q aufzulosen,

∂F2

∂qi= fi(J, q) (38.15)

und nach den q aufzuintegrieren. Man kann zeigen, dass diese Gleichungen dieIntegrabilitatsbedingungen ahnlich wie in Abschnitt 29 erfullen. Daher heißenSysteme mit n unabhangigen Erhaltungsgroßen in Involution integrabel. Einsolches System ist zum Beispiel ein Massenpunkt im dreidimensionalen Zen-tralpotential. Dort hat man die drei Erhaltungsgrossen H, L2 und Lz, die inInvolution sind.

38.d Storungstheorie

Vielfach kann man die Hamilton-Funktion eines Systems beschreiben durch dieSumme zweier Beitrage H0 und ǫH′, wobei H0 integrabel ist. Wir schreibendaher

H = H0(J1, ...Jn) + ǫH′(J1, ...Jn, φ1, ...φn). (38.16)

wobei wir annehmen, dass ǫ ein kleiner Entwicklungsparameter ist. Wir wollennun diese Hamilton-Funktion mittels einer kanonischen Transformation durchn Erhaltungsgroßen j darstellen. Wir setzen

F2(J, φ) =∑

i

Jiφi + ǫf(J, φ). (38.17)

Dann erhalt man

Φi =∂F2

∂Ji= φi + ǫ

∂f

∂Ji= φi + O(ǫ), (38.18)

ji =∂F2

∂φi= Ji + ǫ

∂f(J, φ)

∂φi= Ji + ǫ

∂f(j, φ)

∂φi+ O(ǫ2). (38.19)

Damit folgt

H = H0

(

j − ǫ∂f

∂φ

)

+ ǫH′(j, φ) = H0(j) + ǫH1(j). (38.20)

In Ordnung ǫ reduziert sich das auf

−∑

i

∂f

∂φi

∂H0

∂ji+ H′(j, φ) = H1(j). (38.21)

H′ und f seien periodisch in den Winkeln φ,

H′(j, φ) =∑

m

h′m1...mn

(j)ei(m1φ1+...mnφn) (38.22)

f(j, φ) =∑

m

fm1...mn(j)ei(m1φ1+...mnφn). (38.23)

143

Page 144: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Mit ωi = ∂H0

∂Jifolgt

m

(

−i(∑

i

miωi(j))fm1...mn(j) + h′

m1...mn(j)

)

ei(m1φ1+...mnφn) = H1(j)

(38.24)Daraus folgt

fm1...mn(j) =

1

i

h′m1...mn

(j)∑

i miωi(j)(38.25)

außer fur m1 = ...mn = 0. Dann folgt

H1(j) = h′0...0(j) = 〈H′(j, φ)〉φ. (38.26)

Dabei ist 〈H′(j, φ)〉φ das uber alle Winkel φ gemittelte H′(j, φ). Ahnlich kannman dann auch in hoheren Ordnungen in ǫ verfahren.Ein Problem tritt auf furkleine oder verschwindende Frequenznenner

i miωi(j).

KAM-Theorem (Kolmogoroff-Arnold-Moser) Fur ein nicht entartetes Sys-tem und hinreichend kleine und hinreichend oft differenzierbare Storungen sinddie meisten invarianten Tori nur deformiert.

Dies gilt unter folgenden Bedingungen: Die potentielle Energie sei µ-maldifferenzierbar, das Ergebnis sei stetig. Bei n Freiheitsgraden sei µ > 2n− 2.

38.e Resonanzschichten

Wir betrachten nun einen Storterm, fur den m1ω1 + m2ω2 = m1∂H0

∂J1

+ m2∂H0

∂J2

klein wird und betrachten, was in seiner Umgebung passiert. Dazu greifen wiruns aus dem H′ den Beitrag heraus, der zu dem kleinen Energienenner fuhrt,

H = H0(J1, J2) + ǫh′m1,m2

(J1, J2) cos(m1φ1 + m2φ2). (38.27)

Wir gehen nun auf neue Variable J , J ′, Φ und Φ′ uber, indem wir neue Linear-kombinationen der J und φ bilden. Hierzu wahlen wir

F2 = (m1φ1 + m2φ2)J + (c1φ1 + c2φ2)J′,

∣∣∣∣

m1 c1

m2 c2

∣∣∣∣6= 0. (38.28)

Wir erhalten dann

Φ =∂F2

∂J= m1φ1+m2φ2, J1 =

∂F2

∂φ1= m1J+c1J

′, J2 =∂F2

∂φ2= m2J+c2J

′,

(38.29)und damit

H = H0(J, J ′) + ǫh′(J, J ′) cosΦ. (38.30)

Wir sehen, dass J ′ Erhaltungsgrosse ist, da H nicht von Φ′ abhangt. Wir lassennun die Abhangigkeit von J ′ weg und finden

∂H0

∂J=

∂H0

∂J1

∂J1

∂J+

∂H0

∂J2

∂J2

∂J= m1ω1 + m2ω2. (38.31)

144

Page 145: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Wenn diese Linearkombination bei einem Wert von J verschwindet, den wiro.E.d.A. gleich 0 setzen konnen, dann erhalt man generisch

H = E0 +J2

2Θ+ ǫh′ cosΦ. (38.32)

Dies ist aber die Hamilton-Funktion eines Pendels mit Tragheitsmoment Θ. Inder Figur sind die Linien konstanter Energie eingezeichnet. Das System bewegtsich entlang dieser Linien. Fur E0 − |ǫh′| < E < E0 + |ǫh′| bewegt sich dasSystem auf geschlossenen Bahnen, fur E > E0 + |ǫh′| dagegen auf einer offenenBahn. Chaos entsteht dadurch, dass Storungen in der Nahe der Punkte J = 0,Φ = (2k + 1)π mit ganzem k erfolgen14

J

−π π

φ

Die Storung bringt das System auf eine qualitativ andere Bahn. Dieses Ver-halten ist der Regelfall, das nichtchaotische Verhalten die Ausnahme. Im Limesǫ → 0 geht die rote (etwas dickere) Grenzschicht in die Gerade J = 0 uber. Manbezeichnet sie dann als Resonanzschicht. Tatsachlich wechseln sich KAM-Toriund Resonanzschichten ungeheuer dicht ab. Bei jedem rationalen Verhaltnisvon ω1/ω2 hat man eine Resonanzschicht. Obgleich die Rationalzahlen dichtliegen, stellen sie nur eine Menge 0 im Kontinuum dar. Zum Beweis nehmenwir aus dem Intervall 0...1 um jede rationale Zahl p/q < 1, d.h. 1 ≤ p < q, pund q naturlich, ein Intervall der Lange ǫ

(q−1)2q aus dem Intervall 0...1 heraus.

Dann haben wir Intervalle der Gesamtlange (hochstens)

∞∑

q=2

q−1∑

p=1

ǫ

(q − 1)2q=

∞∑

q=2

ǫ

(q − 1)q=

∞∑

q=2

q − 1− ǫ

q

)

= ǫ(1 − 1

2) + ǫ(

1

2− 1

3) + ǫ(

1

3− 1

4) + ... = ǫ (38.33)

herausgenommen, wobei ǫ beliebig klein gewahlt werden kann. Es bleiben alsoimmer noch Zwischenraume der Gesamtlange 1 − ǫ.

Storungen wirken sich stark aus, wenn das Verhaltnis zweier Frequenzenkleine ganze Zahlen sind. Die in Abschnitt 27 beschriebenen Trojaner undSatelliten auf Hufeisenbahnen sind Systeme mit Frequenz-Verhaltnis 1:1. Manfindet Resonanzen auch bei den drei großen Jupitermonden Io, Europa undGanymed, deren Umlaufszeiten die Verhaltnisse 1:2:4 aufweisen, wie auch beiden Saturnmonden Mimas und Thetys (1:2), Enceladus und Dione (1:2) und

14Dies gilt falls ǫh′Θ < 0. Ist dagegen ǫh′Θ > 0, dann treten sie bei Φ = 2kπ auf.

145

Page 146: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Titan und Hyperion (3:4). Auch die Lucken in den Saturnringen entsprechenUmlaufzeiten, die zu denen einiger Monde in ganzzahligem Verhaltnis stehen.Asteroiden sind bei Umlauffrequenzen, die ein ganzzahliges oder halbzahligesVielfaches der Umlauffrequenz von Jupiter sind, mit Ausnahme der Trojanersehr ausgedunnt (vgl. Skriptum Horner S. 51). Beim Bau von Beschleunigernund Speicherringen vermeidet man solche Resonanzen, die zu chaotischen Be-wegungen fuhren. Aber auch im Maschinenbau werden solche Resonanzen ver-mieden.

146

Page 147: Klassische Mechanik - Physik Skripte

39 Getriebenes gedampftes Pendel

39.a Das Pendel

Franz-Josef Elmer von der Universitat Basel stellt unter//http://monet.physik.unibas.ch/∼elmer/pendulum ein Pendulum Lab zur Ver-fugung, mit dem man ein getriebenes gedampftes Pendel beobachten kann.

Literatur dazu findet sich auch in G.L.Baker and J.P. Gollub, Chaotic Dy-namics, Cambridge University Press.

Die Bewegung des Pendels, das sich auch uberschlagen kann, wird beschrie-ben durch die Gleichung

ml2d2θ

dt2+ γ

dt+ mgl sin θ = mgA cos(2πft). (39.1)

Der zweite Term auf der linken Seite ruhrt von der Reibung her, der drittevon der Schwerkraft (die Schwerebeschleunigung wird hier mit g bezeichnet).Auf der rechten Seite steht das periodische Moment der Antriebskraft. OhneDampfung hat das Pendel fur kleine Auslenkungen die Eigenfrequenz ω0 =√

g/l. Fuhren wir die dimensionslose Zeit τ = ω0t ein, so lautet die Bewe-gungsgleichung

d2θ

dτ2+

1

q

dτ+ sin θ = g cos(ωDτ

︸︷︷︸

φ

) (39.2)

mit

q =

√gl3/2m

γ, g =

A

l, ωD =

2πf

ω0. (39.3)

Fur kleine Anregungen g konnen wir die Bewegung als erzwungene Schwingungbeschreiben und sin θ ≈ θ approximieren. Fur starkere Anregungen kann mandie Bewegungsgleichung numerisch integrieren etwa unter Verwendung des Run-ge-Kutta-Verfahrens.

Wir beobachten das Verhalten fur q = 2, ωD = 2/3 (bei Elmer length=1,

damping=1.566, frequency=0.3323) und variieren amplitude g. Nach meinerBeobachtung findet man fur das Pendel, das durch die periodische Kraft getriebenwirdbis g = 1 eine symmetrische Schwingung,zwischen g = 1.01 und g = 1.06 eine asymmetrische Schwingung,bei g = 1.07 tritt Periodenverdopplung auf,bei g = 1.08 bis g = 1.09 verschiedene Schwingungsformen,bei g = 1.10 bis g = 1.11 Chaos,bei g = 1.12 bis g = 1.14 einen Zyklus der Periode 3,ab g = 1.15 bis mindestens g = 1.21 Chaos,von g = 1.29 bis g = 1.34 Periode 1,bei g = 1.44 bis g = 1.45 wieder Periodenverdopplung,bei g = 1.46 bis g = 1.47 einen Zyklus der Periode 4,ab g = 1.48 bis ? Chaos.

147

Page 148: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Zweckmaßigerweise stellt man fur x angle Bereich 180 und fur y angular

velocity Bereich 500 ein. Man kann dann den Verlauf auf dem Oszilloskop ver-folgen, wenn man triggering auf non oder internal einstellt.

Stellt man triggering auf external ein, dann erhalt man jeweils einen Punktauf dem Oszilloskop, wenn die Phase φ = 2πft des periodischen Moments gleich0 oder einem Vielfachen von 2π ist. Man spricht von einem Poincare-Schnitt.Man beobachtet also jeweils die Bewegungsgroßen in einem bestimmten Zustanddes Systems, der hier durch φ = 0 gegeben wird. Eine andere Moglichkeitbestunde darin, beim Durchgang des Winkels θ oder der Winkel-Frequenz ωdurch einen bestimmten Wert zu messen.

Hat die Bewegung die gleiche Periode wie der Antrieb, so erscheint nachBeendigung des Einschwingens auf dem Poincare-Schnitt ein Punkt. Ist die Pe-riode der Bewegung doppelt so lang (Perioden-Verdopplung), so erscheinen zweiPunkte. Man beobachtet auch Perioden der Bewegung, die drei oder viermaldie Periode des Antriebs sind. Im Falle des Chaos erscheinen sehr viele Punkte.Insbesondere fallt auf, dass Periodenverdopplung auftreten kann. Dabei teilensich die Durchstoss-Punkte des Poincare-Schnitts in zwei Punkte auf, weshalbman von Bifurkation spricht. Diese Periodenverdopplung wurde auch in anderenphysikalischen Systemen beobachtet, so zum Beispiel in Rayleigh-Bernard-Zellen(z.B. M. Giglio, S. Musazzi, U. Perini Transition to Chaotic Behavior via a

Reproducible Sequence of Period-Doubling Bifurcations, Phys. Rev. Lett. 47(1981) 243).

Nach meiner Beobachtung erhalt man fur unser Pendel je nach Anfangs-Bedingung im Bereich zwischen g = 1.08 und g = 1.09 drei unterschiedlicheArten der Bewegung: Es tritt entweder eine Periode 3 auf, wobei im Poincare-Schnitt θ im Bereich 400 bis 800 liegt, oder eine (chaotische oder periodische?)Bewegung mit θ im Bereich −1600 bis −1000 oder eine solche Bewegung mit θim Bereich −500 bis 00.

Das Diagramm Winkelgeschwindigkeit gegen Winkel auf dem Oszilloskop istfur die Bewegung mit der Periode 3 skizziert:

Die anderen Bewegungsformen sehen wie Ellipsen aus, die sich allerdingsjedesmal etwas verschieben.

39.b Lyapunov-Exponenten

Wir wollen hier ansehen, wie sich kleine Abweichungen der Anfangsbedingungenauswirken. Wir konnen die Bewegungs-Gleichungen in der Form

θ = ω, (39.4)

148

Page 149: Klassische Mechanik - Physik Skripte

ω = −1

qω − sin θ + g cosφ (39.5)

schreiben, wobei der Punkt fur die Ableitung nach τ steht. Mit

θ(t) = θ0(t) + δθ(t), (39.6)

ω(t) = ω0(t) + δω(t) (39.7)

Wir erhalten daraus in linearer Ordnung in den Abweichungen δθ und δω

θ0 + δθ = ω0 + δω, (39.8)

ω0 + δω = −1

q(ω0 + δω)− sin(θ0 + δθ)

︸ ︷︷ ︸

− sin θ0−cos θ0δθ

+g cosφ (39.9)

und damit

δθ = δω, (39.10)

δω = −1

qδω − cos θ0δθ. (39.11)

Das Gleichungs-System ist linear in δθ und δω. Es hat zwei linear unabhangige

Losungen. Fur deren Wronski-Determinate

∣∣∣∣

δθ1 δθ2

δω1 δω2

∣∣∣∣erhalt man

d

dt

∣∣∣∣

δθ1 δθ2

δω1 δω2

∣∣∣∣=

∣∣∣∣

δθ1 δθ2

δω1 δω2

∣∣∣∣+

∣∣∣∣

δθ1 δθ2

δω1 δω2

∣∣∣∣= −1

q

∣∣∣∣

δθ1 δθ2

δω1 δω2

∣∣∣∣. (39.12)

Das Phasenraumvolumen verkleinert sich wegen der Dissipation (Reibung)

∣∣∣∣

δθ1 δθ2

δω1 δω2

∣∣∣∣∼ e−τ/q. (39.13)

Daher ist die Summe der beiden Lypunov-Exponenten

λ1 + λ2 = −1

q. (39.14)

Wenn beide Exponenten negativ sind, geht das System in ein stabiles periodi-sches Verhalten uber. Falls aber der großere positiv ist, bewegt sich das Systemchaotisch.

149

Page 150: Klassische Mechanik - Physik Skripte

40 Logistische Abbildung

40.a Die Abbildung, Fixpunkte

40.a.α Die Abbildung

Die logistische Abbildung ist eine Karikatur eines Poincare-Schnitts mit nureinem Freiheitsgrad x. Das heißt, man bildet einen Durchstoßpunkt xk aufeinen neuen Durchstoßpunkt xk+1 ab. Die logistische Abbildung ist durch

xk+1 = f(µ, xk) = µxk(1 − xk) (40.1)

definiert. Dabei ist µ ein Kontrollparameter, in dessen Abhangigkeit die Ab-bildung untersucht wird. Diese Abbildung betrachtet man ublicherweise imIntervall 0 ≤ x ≤ 1. Um zu gewahrleisten, dass das Bild wieder in diesemIntervall liegt, beschrankt man µ auf den Bereich 0 ≤ µ ≤ 4.

40.a.β Fixpunkte

Wir betrachten nun die Fixpunkte dieser Abbildung und ihre Stabilitat. DieFixpunkte x∗, das heißt, die Werte x∗, die sich auf sich selbst abbilden, erfullendie Gleichung

x∗ = µx∗(1 − x∗). (40.2)

Die Gleichung hat zwei Losungen, eine triviale

x∗tr = 0 (40.3)

und eine nicht-triviale

x∗nt = 1 − 1

µ, (40.4)

wobei die zweite Losung nur fur µ ≥ 1 im Intervall liegt.Als nachstes betrachten wir die Stabililitat der Fixpunkte, das heißt wir

addieren zu x∗ noch ein infinitesimales δx und beobachten, wie es sich unter derAbbildung verandert

x∗ + δxk+1 = f(µ, x∗ + δxk) = x∗ + γδxk (40.5)

mit

γ =∂f(µ, x∗)

∂x∗= µ(1 − 2x∗). (40.6)

Fur die beiden Fixpunkte erhalt man damit

γtr = µ, γnt = 2 − µ. (40.7)

150

Page 151: Klassische Mechanik - Physik Skripte

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

0 1.0 2.0 3.0 4mu

Falls |γ| < 1 gilt, wird δx unter den Iterationen kleiner, der Fixpunkt ist at-traktiv (stabil). Falls jedoch |γ| > 1 ist, wachst δx unter den Iterationen an,der Fixpunkt ist repulsiv (instabil). Fur γ = ±1 bezeichnet man den Fixpunktals marginal. Dann bedarf es weiterer Untersuchungen uber die Stabilitat. Manfindet also, dass der Fixpunkt x∗

tr = 0 im Intervall 0 ≤ µ < 1 und der Fixpunktx∗

nt = 1− 1µ im Intervall 1 < µ < 3 stabil ist. Der stabile Fixpunkt geht also bei

µ = 1 von einem Ast auf den anderen uber. Bei µ = 3 passiert wieder etwas,denn keiner der beiden Fixpunkte ist im Intervall 3 < µ < 4 stabil. Was passiertdort?

40.b Bifurkation

Am einfachsten stellt man das fest, indem man ein kleines Programm schreibt,das zunachst etwa ausgehend von x0 = 1

2 die Abbildung fur verschiedene Werteµ zum Beispiel hundert mal durchfuhrt (das heißt x100 berechnet), und danndie nachsten Werte xk in einer Zeichnung ausdruckt.

Fur µ < 3 konvergiert das rasch gegen den Fixpunkt (mit Ausnahme der un-mittelbaren Umgebung von µ = 1 und µ = 3, wo man nur langsame Konvergenzhat.

Fur µ etwas großer als 3 findet man dann, dass xk abwechselnd zwischenzwei Werten x hin und her springt. Man hat dann keinen stabilen Fixpunkt,aber einen Grenzzyklus (limit cycle) der Periode 2. Es gibt dann also Werte x∗,die nach 2 Abbildungen in sich ubergehen,

151

Page 152: Klassische Mechanik - Physik Skripte

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

2 2.5 3 3.5 4mu

x∗ = f(µ, f(µ, x∗)) = µ2x∗(1 − x∗)[1 − µx∗(1 − x∗)]. (40.8)

Dies ist eine Gleichung vierten Grades in x∗. Ihre Losung wird dadurch erleich-tert, dass wir schon zwei Losungen kennen, namlich die beiden Fixpunktwertex∗

tr und x∗nt, so dass noch eine Gleichung zweiten Grades

µ2x∗2 − µ2x∗ + µ − µx∗ + 1 = 0 (40.9)

mit den Losungen

x∗1,2 =

1

2µ[µ + 1 ±

(µ + 1)(µ − 3)] (40.10)

bleibt. Wir sehen, dass diese beiden Losungen fur µ ≥ 3 reell sind und bei µ = 3mit der instabil werdenden Losung x∗

nt = 2/3 entartet sind.Auch hier konnen wir wieder die Stabilitat gegen kleine Abweichungen von

x∗ untersuchen. Wir finden

x∗ + δxk+2 = f(µ, f(µ, x∗ + δxk)) = x∗ + γδxk (40.11)

mit

γ =∂f(µ, f(µ, x∗))

∂x∗=

∂f(µ, x∗1)

dx∗1

∂f(µ, x∗2)

∂x∗2

(40.12)

= µ2(1 − 2x∗1)(1 − 2x∗

2) = µ2(1 − 2(x∗1 + x∗

2) + 4x∗1x

∗2). (40.13)

152

Page 153: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Der Bestimmungsgleichung fur x∗1,2 entnimmt man, dass

x∗1 + x∗

2 = 1 +1

µ, x∗

1x∗2 =

1

µ+

1

µ2, (40.14)

womitγ = −µ2 + 2µ + 4 = 5 − (µ − 1)2 (40.15)

folgt. Wir konnen die Gleichung nach µ auflosen und finden

µ = 1 ±√

5 − γ. (40.16)

Wir haben daher γ = 1 fur µ = 3. Bei µ = 1 +√

5 = 3.2361 ist γ auf 0abgefallen und bei µ = 1 +

√6 = 3.4495 auf -1. Dort wird der Zweier-Zyklus

instabil. Tatsachlich findet dort eine weitere Bifurkation auf einen Zyklus derPeriode 4 statt. In immer kurzerer Folge folgen Bifurkationen auf Periode 8, 16etc. bis schließlich bei µ ≈ 3.56994 ein chaotisches Verhalten auftritt. Es hatsich herausgestellt, dass die Bifurkationen in Intervallen δµ aufeinander folgen,die asymptotisch mit Faktoren δ = 4.669202 kleiner werden.

40.c Grenz-Zyklus der Periode 3

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

3.5 3.6 3.7 3.8 3.9 4mu

f1

f2

f3

f4

f5

f6

f7

f8

In dieser Figur sind fur den Bereich µ = 3.5...4.0 die Bilder xk genauerdargestellt als in der vorhergehenden Figur. Es fallt auf, dass im chaotischen

153

Page 154: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Bereich mehrere Fenster, das heißt Intervalle sind, in denen Grenz-Zyklen auf-treten.

Besonders ausgepragt ist der Grenz-Zyklus der Periode 3 um µ ≈ 3.83. Furdessen Fixpunkte gilt

x∗ = f3(µ, x∗) := f(µ, f(µ, f(µ, x∗))). (40.17)

Dies ist eine Gleichung achten Grades in x∗. Zwei der Losungen sind wiederxtr und xnt. Zusatzlich gibt es weitere sechs Losungen, die sich in zwei Grup-pen von je drei Losungen einteilen lassen. Die Losungen einer Gruppe gehendurch Anwendung der Abbildung f auseinander hervor. Neben diesen Fixpunkt-Losungen interessiert uns deren Stabilitat wieder beschrieben durch

γ =∂f3(µ, x∗)

∂x∗=∏ ∂f(µ, x∗

i )

∂x∗i

, (40.18)

wobei die x∗i ein Fixpunkt und seine zwei folgenden Bilder f(µ, x∗

i ) und f2(µ, x∗i )

sind. Daraus folgt, dass es nur zwei verschiedene γ gibt, fur jeden der beidenZyklen eines. Man kann aus der Fixpunkt-Gleichung und der Gleichung fur γdas x∗ eliminieren, etwa unter Verwendung von maple mit dem Befehl

resultant(x − f3(x)

x − f(x), γ − diff(f3(x), x), x) (40.19)

Die Funktion resultant eliminiert aus zwei Polynomen in einer Variablen x,die 0 sein sollen, die Variable x, gibt also die Bedingung zwischen den Ko-effizienten der Polynome, die eine simultane Losung erlaubt. Die Gleichungresultant(...)=0 ergibt also im vorliegenden Fall die Gleichung fur γ als Funk-tion von µ. Tatsachlich lasst sich resultant faktorisieren und enthalt das in γquadratische Polynom zur dritten Potenz, das Null sein muss

(µ − 1)6 − 11(µ − 1)4 + 35(µ − 1)2 − 89 − 2γ(µ − 1)2 + 18γ − γ2 = 0. (40.20)

Nach γ aufgelost erhalten wir

γ = 9 − (µ − 1)2 ± µ(µ − 2)√

(µ − 1)2 − 8. (40.21)

Dieser Ausdruck wird reell fur µ ≥ 1 +√

8 = 3.8284. Tatsachlich beginnt dortdas Fenster fur den Grenz-Zyklus der Periode 3. Fur dieses µ findet man, dassdie Losungen x∗ zweifach entartet sind und beide den Wert γ = 1 liefern. Ein γnimmt als Funktion von µ zu, das andere ab. Wir geben in der nachfolgendenTabelle an, wo der Wert γ = 0 und γ = −1 erreicht ist.

µ γ x∗ x∗ x∗

3.8284 1 0.159929 0.514335 0.9563183.8319 0 0.154290 1/2 0.957969

1.961 0.165265 0.528615 0.9548313.8415 -1 0.148720 0.486344 0.959658

2.852 0.169989 0.542007 0.953596

154

Page 155: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Offensichtlich ist nur einer der beiden Dreier-Zyklen im Intervall von 3.8284bis 3.8415 stabil. Bei 3.8415 tritt eine Bifurkation in einen Grenz-Zyklus derPeriode 6 auf. Es fallt auf, dass sich weitere Bifurkationen anschließen und einegenauere Auflosung zeigt, dass sich bis etwa µ = 3.858 die gleiche Struktur wiezwischen µ = 3 und 4 anschließt, nur jeweils verdreifacht und zwar bei x ≈ 0.16,0.50, 0.96. Wir kommen darauf noch zuruck.

40.d Grenz-Zyklen verschiedener Periodenzahl n

Tatsachlich gibt es Bereiche (Fenster), in denen beliebig hohe Periodenzahlen nauftreten. Diese liegen in der Umgebung der Losung

1

2= fn(µ,

1

2). (40.22)

Fur x∗ = 12 ist namlich γ = 0, also beste Stabilitat gegeben, da ∂f(µ,x)

∂x = 0fur x = 1

2 . Man zeichnet also am besten die Kurven xn := fn = fn(µ, 12 ) und

sucht deren Schnittpunkte mit 1/2. Diese sind fur n=1...4 in blau (dunkelgrau),fur n=5...8 in magenta (hellgrau) eingezeichnet. f1 = µ

4 gibt das Maximumder Abbildung an, daher liegen dort die Punkte in der Figur besonders dicht.Ahnliches fur die Dichte gilt auch fur die weiteren Abbildungen xn = fn(µ, 1

2 ).Wir beobachten, dass Grenzzyklen mit Periode n dort auftreten, wo fk =

fk+n. Fur n = 3 (µ ≈ 3.83) ist das deutlich zu erkennen. Ahnlich erhalt manbei µ = 3.627 ein Fenster mit n = 6 und bei µ = 3.739 ein Fenster mit n = 5.

-1.2

-0.8

-0.4

0.0

0.4

0.8

3.5 3.6 3.7 3.8 3.9 4mu

155

Page 156: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Zwischen den Fenstern mit periodischen Grenz-Zyklen finden sich chaotischeBereiche. Im Chaos ist |γ| > 1, wahrend in den periodischen Fenstern |γ| < 1gilt. Der Logarithmus von |γ| dividiert durch die Anzahl der Abbildungen istder Lyapunov-Exponent λ. Dieser Exponent ist negativ im Bereich der periodis-chen Fenster und wird positiv im chaotischen Bereich. An den Bifurkationenverschwindet er. In der vorstehenden Figur finden Sie λ als Funktion von µ imIntervall von 3.5 bis 4.

Fur positives λ wachst der Abstand zweier nah benachbarter Punkte x unterder Abbildung exponentiell an. Dieses Anwachsen lasst sich besonders einfachfur µ = 4 beobachten. Fuhren wir namlich an Stelle von xk den Winkel φk

durchxk = sin2 φk (40.23)

ein, so folgt fur µ = 4

xk+1 = 4 sin2 φk(1 − sin2 φk) = sin2(2φk) (40.24)

Die Abbildung lasst sich dann also einfach durch

φk+1 = 2φk (40.25)

beschreiben. Ein Abstand δφ multipliziert sich also bei jeder Abbildung mit 2,so dass λ = ln 2 ≈ 0.7 fur µ = 4. Dies entspricht der oben gezeigten Figur.

Wir bemerken, dass fur µ = 4 das γnt = −2 wird, die beiden γ fur denZweier-Zyklus nehmen dort die Werte ±4 an, was der zweimaligen Abbildungentspricht und fur den Zyklus mit der Periode 3 erhalten wir γ = ±8, alsoabgesehen vom Vorzeichen 23. Lediglich γtr = 4 verhalt sich anders. Das liegtdaran, dass bei x∗

tr = 0 das φ verschwindet und x sich wie φ2 verhalt. φ2

multipliziert sich aber bei jeder Abbildung mit 4 und nicht mit 2.Gleichzeitig erlaubt uns das eine Abschatzung, wie dicht die periodischen

Fenster nahe bei µ = 4 liegen. Wir starten mit x0 = 12 . Dann folgt x1 = µ

4

und x2 = µ2

4 (1 − µ4 ) ≈ (4 − µ) was φ2 ≈ √

4 − µ und φn ≈ 2n−2√

4 − µ ergibt.Nun soll xn = 1

2 , also φn = π4 (2k + 1) mit ganzem k sein. Daraus folgt die

Abschatzung

µ ≈ 4 − π2

4n(2k + 1)2. (40.26)

Fur n = 3 und k = 0 ergibt das µ ≈ 4 − π2

64 = 3.846 im Vergleich zumtatsachlichen Wert 3.832. Diese Naherung ist nutzlich, wenn man die Losungenvon fn(µ, 1

2 ) = 12 finden will. Dazu fuhrt man

gn(µ) := fn(µ,1

2) − 1

2(40.27)

ein und dividiert durch die bekannten Nullstellen. Das heißt, fur die Primzahl-zerlegung von n

n =∏

pmi

i , mi ≥ 1 (40.28)

156

Page 157: Klassische Mechanik - Physik Skripte

bildet man

Gn(µ) =∏

k1,k2,...

(gn/∏

ip

kii

(µ))p(∑

iki), p(k) = (−)k, (40.29)

wobei die ki unabhangig voneinander die Werte 0 und 1 durchlaufen. Mandividiert also gn durch die gn/pi

, da die Nullstellen von gn/piauch in gn enthalten

sind. Da aber gn/piund gn/pj

die Nullstellen von gn/(pipj) enthalt, muss mannun wieder mit gn/(pipj) multiplizieren etc. Das fuhrt auf Gn.

Damit hat man die Nullstellen fur Zyklen eli-miniert, die in n enthalten sind. Diese folgenmanchmal dichter aufeinander als durch obigeNaherungsformel beschrieben. Dann sucht

man jeweils, ob sich zwischen µ = 4 − π2

4n−1 l2

und µ = 4 − π2

4n−1 (l + 1)2 das Vorzeichenvon Gn(µ) andert und sucht gegebenenfalls diedazwischen liegende Nullstelle auf. Man findetdie nebenstehenden Werte.Dabei ist u definiert durch µ = 4− π2

4n u2. Wareobige Naherungsformel (40.26) fur die Null-stellen fur Gn(µ) exakt, dann mussten die uungerade Zahlen sein.

n µ u1 2.000000 0.9003162 3.236068 1.1128523 3.831874 1.0441374 3.960270 1.015146

3.498562 3.6064415 3.990267 1.004899

3.905706 3.1278153.738915 5.204645

6 3.997583 1.0015163.977766 3.0376303.937536 5.0914733.844569 8.0315473.627558 12.432535

Wir bringen schließlich noch eine Abschatzung fur die Anzahl der periodi-schen Fenster. Falls diese aus dem Chaos und nicht durch Periodenverdopplungentstehen, was fur ungerades n stets der Fall ist, dann mussen wir die Nullstellenvon Gn(µ) aufsuchen. Aus (40.29) finden wir, dass dies eine Gleichung vomGrade

gr(n) =∑

k1,k2,...

(−)∑

iki2n/

ip

kii (40.30)

ist. Wir gehen davon aus, dass zu jedem Fenster 2n Losungen, n stabile undn instabile wie oben fur n = 3 beschrieben, gehoren. Dann ist die Anzahl derFenster

fe(n) =gr(n)

2n, (40.31)

also fur n = 1, 3 und 5 (21)/2 = 1, (23 − 21)/6 = 1 und (25 − 21)/10 = 3in Ubereinstimmung mit den oben gefundenen Losungen. Fur gerade n liegtdie Sache etwas anders. Auch hier ist der Grad der Gleichung durch obigesgr(n) gegeben. Allerdings entsteht ein Teil der Fenster mit Periode n durchBifurkation aus der Periode n

2 . Hierfur bedarf es nur n Losungen. Also gilt

fe(n) = fe(n

2) +

gr(n) − nfe(n2 )

2n. (40.32)

Man kann sich nun durch vollstandige Induktion nach m fur n = 2mu, wobei uungerade ist, davon uberzeugen, dass die Anzahl von Fenstern gegeben ist durch

157

Page 158: Klassische Mechanik - Physik Skripte

obige Formeln fur fe(n) und gr(n), wenn man fur gerades n bei der Berechnungvon gr(n) keinen Beitrag ki = 1 fur pi = 2 mitnimmt. Insbesondere gilt dann

gr(2k) = 22k

und fe(2k) = 22k−k−1, also betragt die Anzahl der Fenster furn = 1, 2 und 4 der Reihe nach 21−0−1 = 1, 22−1−1 = 1 und 24−2−1 = 2. Weiterhat man fe(6) = (26 − 22)/(12) = 5.

Wer sich wundert, dass gr(n) stets ein ganzzahliges Vielfaches von 2n ist,moge in der Zahlentheorie den kleinen Fermat-Satz nachschlagen, der besagt,dass ap ≡ a mod p fur Primzahlen p, und die Erweiterung apm ≡ apm−1

mod pm.

40.e Periodische Fenster

40.e.α Prototyp

Wir haben oben bereits das Fenster der Periode 3 betrachtet und die Ahnlichkeitder Struktur im Fenster mit dem Verhalten im Gesamtbereich µ = 1..4 erwahnt.

Um dies zu untersuchen, nehmen wir an, wir haben eine Losung µ0 vonfn(µ0,

12 ) = 1

2 gefunden und entwickeln nun fn um diese Stelle

fn(µ0 + δµ,1

2+ δx) =

1

2+

a

2(δx)2 + bδµ. (40.33)

Dabei berucksichtigen wir, dass ein linearer Beitrag in δx wegen γ = 0 an derStelle x = 1

2 nicht auftritt. Falls die Entwicklung bis zu dieser Ordnung in δxund δµ gut genug ist, beschreibt sie die Abbildung

δxn+k =a

2(δxk)2 + bδµ (40.34)

Die Fixpunkte ergeben sich aus

δx∗ =a

2(δx∗)2 + bδµ (40.35)

zu

δx∗ =1

a(1 ±

1 − 2abδµ) (40.36)

und γ zu

γ =∂fn(µ + δµ, 1

2 + δx∗)

∂δx∗= aδx∗ = 1 ±

1 − 2abδµ. (40.37)

Wir finden also reelle Losungen fur 2abδµ ≤ 1. Im einzelnen haben wir dieLosungen

δµ γ δx∗ γ δx∗

12ab 1 1

a0 0 0 2 2

a− 3

2ab −1 − 1a 3 3

a− 4

ab −2 − 2a 4 4

a

Schließlich beobachten wir, dass fn − 12 als Funktion von δx das Extremum

δxex = bδµ annimmt. Dessen Bild ist

fn(µ0 + δµ,1

2+ δxex) =

1

2+

1

a[1

2(abδµ)2 + abδµ] (40.38)

158

Page 159: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Wenn dieses Bild zwischen dem Extremalwert und und dem weiter entfernteninstabilen Fixpunkt δx∗ = 1

a [1 +√

1 − 2abδµ] liegt, liegen alle Abbildungenwieder in diesem Intervall. Sobald aber dieses Bild außerhalb liegt, hort dieAufteilung der Bilder in die n Intervalle auf und es setzt wieder ein Chaos ubereinen viel großeren Bereich ein. Dies geschieht bei δµ = − 4

ab . Man bezeichnetdieses Verhalten als Krise.

Unmittelbar vor Beginn des Fensters (bei δµ = 1/(2ab), γ = 1) hat γ zweikonjugiert komlexe Werte nahe bei 1. Ist xk in der Nahe des x∗, das sich furγ = 1 ergibt, so ist xn+k nahe bei xk. Es bewegt sich unter der Abbildung nursehr langsam bis es sich weiter von diesem x∗ entfernt hat. Dieses langsameVerhalten, das dazwischen auftritt, bevor es sich wieder starker chaotisch be-wegt, heißt Intermittenz. Es hat Ahnlichkeit mit relativ ruhigen Bereichen ineiner turbulenten Stromung.

40.e.β Selbstahnlichkeit

Wir formen diese Abbildung um, um den Zusammenhang zwischen dem Ver-halten im Intervall µ = 1..4 und dem kleinen Fenster zu sehen. Dazu setzenwir

δx = u + vy (40.39)

und bestimmen die Konstanten u und v so, dass wir wieder die logistische Ab-bildung erhalten. Wir finden mit dieser Substitution

u + vyk+n =a

2(u + vyk)2 + bδµ (40.40)

Wir setzen nun beide Seiten fur y = 0 gleich und erhalten

u =a

2u2 + bδµ (40.41)

mit der Losung

u =1

a(1 ±

1 − 2abδµ) (40.42)

Dann lautet die Abbildung

yn+k = auyk(1 +v

2uyk) (40.43)

Mit der Wahlµ = au = 1 ±

1 − 2abδµ, v = −2u (40.44)

lautet sieyn+k = µyk(1 − yk). (40.45)

Wahlen wir das obere Vorzeichen, so durchlauft µ das Intervall von 1 bis 4fur δµ = 1

2ab bis − 4ab und zeigt in diesem Bereich die gleichen Fenster. Das

bedeutet, dass innerhalb dieses Fensters die ersten 4/9 die Periode n hat, dienachsten 2/9 die Periode 2n, es folgen weitere Periodenverdopplungen und mitBeginn des letzten Neuntels beginnt das Fenster der Periode 3n.

159

Page 160: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Wir hatten das obere Vorzeichen in (40.44) genommen. Genau so gut hattenwir das untere verwenden konnen. Tatsachlich besteht eine Symmetrie µ ↔ 2−µ, wenn wir den Bereich fur µ bis nach −2 erweitern. Man findet eine Bifurkationdes trivialen Fixpunktes bei µ = −1 und das vollstandig ausgebildete Chaos beiµ = −2. Man muss dann allerdings auch den Wertebereich fur x neu definieren.Fur µ = −2 ist er durch − 1

2 ≥ x ≥ 32 gegeben. Diese Symmetrie fiel auch

bereits in (40.20) auf, wo µ nur als Quadrat von (µ − 1) auftrat und daherγ(µ) = γ(2 − µ) galt.

Aufgabe Ahnlich wie bei der Abschatzung (40.26) schatze man ausgehendvon x0 = 1/2 + δx, µ = µ0 + δµ die Koeffizienten a und b in (40.33) ab unddamit die Breite δµ der periodischen Fenster.

Der oben angegebene Stoff zum Chaos war recht umfangreich, obwohl aufdiesem aktuellen Forschungsgebiet noch viel mehr bekannt ist. Aber einigessollte schon hangen bleiben; darumWiederhole: Was ist ein integrables und ein nicht-integrables System? Wasist ein Poincare-Schnitt? Was ist ein Lyapunov-Exponent? Wie kann man demLyapunov-Exponenten ansehen, ob das System chaotisch ist oder nicht? Wasist eine Periodenverdopplung?

160

Page 161: Klassische Mechanik - Physik Skripte

Inhalt

A Grundbegriffe und einfache Systeme 4

1 Raum und Zeit, Elemente der Vektoralgebra 41.a Ortsvektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41.b Vektoralgebra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

1.b.α Addition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41.b.β Skalarprodukt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51.b.γ Vektorielles Produkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61.b.δ Mehrfach-Produkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

1.c Entwicklung nach verschiedenen orthonormalen Rechtsbasen . . . 71.c.α Vollstandigkeits-Beziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . 81.c.β Rechts-/Links-Basis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81.c.γ Vektor-Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91.c.δ Allgemeine Transformation, aktive und passive Transfor-

mation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91.d Geschwindigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91.e Beschleunigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

2 Newtonsche Bewegungsgesetze 112.a Newtonsches Bewegungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112.b Inertialsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

3 Energie 133.a Potentielle Energie, konservative Krafte . . . . . . . . . . . . . . 133.b Energieerhaltung und Homogenitat der Zeit . . . . . . . . . . . . 153.c Eindimensionale Systeme mit einem Massenpunkt I . . . . . . . . 16

3.c.α Der harmonische Oszillator . . . . . . . . . . . . . . . . . 173.c.β Der anharmonische Oszillator . . . . . . . . . . . . . . . . 17

4 Impuls 194.a Impulserhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194.b Schwerpunkts-Bewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194.c Galilei-Invarianz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204.d Zweiteilchenkrafte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

5 Drehimpuls 225.a Drehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225.b Drehimpulserhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235.c Konsequenz fur Zweiteilchenkrafte . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

6 Teilsysteme, Einheiten 256.a Energiebilanz eines Teilsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256.b Impuls und Drehimpuls eines Teilsystems . . . . . . . . . . . . . 256.c Einheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

161

Page 162: Klassische Mechanik - Physik Skripte

7 Eine Masse sehr groß gegen alle anderen 277.a Bewegungsgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277.b Erhaltungssatze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277.c Freier Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

7.c.α Ohne Reibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287.c.β Mit Reibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

8 Masse im zahen Medium, Green’s Funktion 318.a Green’s Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318.b Kraftstoß und δ-“Funktion” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

8.b.α Integral uber δ-Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338.b.β Kraftstoß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338.b.γ Gleichung fur die Green’s-Funktion . . . . . . . . . . . . . 34

9 Harmonischer Oszillator 369.a Gedampfter harmonischer Oszillator . . . . . . . . . . . . . . . . 36

9.a.α Periodischer Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369.a.β Aperiodischer Grenzfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379.a.γ Aperiodischer Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

9.b Erzwungene Schwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

10 Anharmonischer Oszillator II: Storungsrechnung 3910.a Symmetrisches Potential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3910.b Unsymmetrisches Potential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

B Lagrange Gleichungen 42

11 Zwangskrafte und d’Alembertsches Prinzip 4211.a Zwangsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4211.b Zwangskrafte, d’Alembertsches Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . 43

12 Lagrange-Gleichungen fur holonome Systeme 4512.a Mathematisches Pendel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4612.b Gleitende Perle auf rotierendem Stab . . . . . . . . . . . . . . . . 47

13 Ladungen im (homogenen) elektrischen und magnetischen Feld 4913.a Coulomb-Lorentz-Kraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4913.b Lagrange-Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4913.c Homogene Felder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5013.d Losung der Bewegungsgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

14 Lagrange-Gleichungen erster Art 5314.a Bewegungsgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5314.b Beispiel: Atwoodsche Fallmaschine . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

162

Page 163: Klassische Mechanik - Physik Skripte

15 Hamiltonsches Prinzip 5515.a Das Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5515.b Beispiel zur Variationsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

16 Invarianzen und Erhaltungsgroßen 5716.a Zyklische Variable . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5716.b Noethersches Theorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5716.c Energie-Erhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5816.d Impuls-Erhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

C Das Zweikorperproblem 60

17 Relativ- und Schwerpunkts-Koordinaten 60

18 Bewegung im Zentralpotential 6118.a Bewegungsgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6118.b Integration der Bewegungsgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . 62

19 Kepler-Problem 64

20 Streuung am Zentralpotential 6620.a Differentieller Wirkungsquerschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . 6620.b Rutherford-Streuung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

21 Virial-Satz 69

D Mechanik des starren Korpers 71

22 Starrer Korper 7122.a Beschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7122.b Impuls und Energie im homogenen Gravitationsfeld . . . . . . . 7222.c Kinetische Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7222.d Drehimpuls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7322.e Reine Drehung um Achse durch den Ursprung . . . . . . . . . . . 74

23 Tragheitstensor 7523.a Zur Berechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75

23.a.α Kontinuierliche Massenverteilung . . . . . . . . . . . . . . 7523.a.β Rollender Zylinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7523.a.γ Quader . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76

23.b Transformationseigenschaften des Tragheitstensors . . . . . . . . 7723.c Hauptachsen-Transformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

23.c.α Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80

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Page 164: Klassische Mechanik - Physik Skripte

24 Bewegungsgleichungen und Euler-Winkel 8224.a Euler-Winkel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8224.b Kraftefreier symmetrischer Kreisel . . . . . . . . . . . . . . . . . 8324.c Zum schweren symmetrischen Kreisel . . . . . . . . . . . . . . . . 84

25 Bewegungs-Gleichungen und Eulersche Gleichungen 8625.a Bewegungs-Gleichungen im raumfesten Bezugssystem . . . . . . 8625.b Transformation der Zeitableitung eines Vektors vom raumfesten

auf das korperfeste Bezugssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8625.c Euler-Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87

26 Beschleunigtes Bezugssystem 8926.a Bezugssystem bewegt sich parallel zum Inertialsystem . . . . . . 8926.b Rotierendes Bezugssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89

27 Lagrange-Punkte, Trojaner und Hufeisenbahnen 9227.a Lagrange-Punkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9227.b Trojaner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9427.c Janus und Epimetheus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96

E Hamilton-Theorie 99

28 Hamilton-Funktion 9928.a Bewegungsgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9928.b Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

28.b.α Massenpunkt im Potential, kartesische Koordinaten . . . 10028.b.β Geladener Massenpunkt im elektromagnetischen Feld . . . 100

28.c Poisson-Klammern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

29 Kanonische Transformationen 10329.a Variationsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10329.b Die Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10329.c Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10429.d Invarianz der Poisson-Klammern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10629.e Anwendung: Anharmonischer Oszillator . . . . . . . . . . . . . . 10829.f Invarianz des Phasenraumvolumens . . . . . . . . . . . . . . . . . 109

30 Liouville-Satz 11030.a Phasenraum, zeitliche Evolution . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11030.b Phasenraumvolumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

F Kleine Schwingungen 113

31 Harmonische Naherung 11331.a Lagrange-Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11331.b Bewegungs-Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114

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Page 165: Klassische Mechanik - Physik Skripte

32 Dreiatomiges Molekul 11732.a Eigenfrequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11732.b Eigenvektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118

33 Lineare Kette 12033.a Bewegungsgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12033.b Randbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

33.b.α Periodische Randbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . 12033.b.β Eingespannte Enden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12133.b.γ Freie Enden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

G Kontinuumsmechanik 123

34 Kontinuumslimes 12334.a Harmonische Naherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12334.b Lineare Kette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12334.c Bravais-Gitter, elastischer Korper . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124

35 Hamiltonsches Prinzip und Lagrange-Gleichungen fur Felder 127

36 Schwingende Saite und Stab 13036.a Bewegungsgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13036.b Unendliche Saite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13036.c Endliche Saite I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13136.d Endliche Saite II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132

37 Membran 13437.a Bewegungsgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13437.b Rechteckige Membran . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13437.c Kreisformige Membran . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135

H Chaos und nichtlineare Dynamik 140Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140

38 Winkel- und Wirkungsvariable, Storungsrechnung, Resonanznahe14138.a Winkel- und Wirkungsvariable . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14138.b Beispiel: Harmonischer Oszillator . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14238.c Integrable Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14238.d Storungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14338.e Resonanzschichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144

39 Getriebenes gedampftes Pendel 14739.a Das Pendel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14739.b Lyapunov-Exponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148

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Page 166: Klassische Mechanik - Physik Skripte

40 Logistische Abbildung 15040.a Die Abbildung, Fixpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150

40.a.α Die Abbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15040.a.β Fixpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150

40.b Bifurkation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15140.c Grenz-Zyklus der Periode 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15340.d Grenz-Zyklen verschiedener Periodenzahl n . . . . . . . . . . . . 15540.e Periodische Fenster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158

40.e.α Prototyp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15840.e.β Selbstahnlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159

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