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XVI. Aus der Ohrenabteilung der allgemeinen Poliklinik in Wien. Klinische 8tudien ztir {~hirurgic der otogenen Meningitis. Von G. Alexander~ Wien. Die fortsehreitenden Erfolge in der ehirurgisehen Behand- lung der otitisehen Hirnkrankheiten mul~ten notwendigerweise immer wieder unsere Aufmerksamkeit auf die otitisehe Menin- gitis lenken. Galt die Prognose bei dieser Erkrankung ehemals absolut ungtinstig, sodal~ yon vornherein auf jedes ehirurgisehe Eingreifen verziehtet wurde, so verftigea wir heute sehon tiber eine ganze Reihe operativ geheilter F~tlle. Derzeit ist unsere Auf- gabe, dureh Siehtung und Analyse des Materials eine methodisehe operative Behandlung der Meningitis anzubahnen. Dabei hat sieh l~tngst gezeigt, dal~ aus dem Studium der zur Autopsie ge- langten, an Meningitis Yerstorbenen ftir die ehirurgisehe Seite der Frage nur wenig zu gewinnen ist, ja wenn wir nUl, nach den anatomischen F~llen urteilen, und das ist ja in friaherer Zeit h~ufig genug das allein Bestimmende gewesen~ mtissen wir an der MSgliehkeit einer regelm~tfiigen ehirurgisehen Behandlung der Meningitis von vornherein verzweifeln. Wiederholt haben Autoren darauf hingewiesen, dal~ das z~he, zwisehen den weichen Hirnhauten und entlang tier Hirnoberfl~tehe tief in die Furehen vorgedrungene Exsudat einer ehirurgisehen Drainage absolut nieht zuganglieh sein k5nne. Bedenkt man aufierdem, daft die Entztindung in der grolSen Mehrzahl der F~tlle nieht auf die Meningen besehdtnkt isL sondern auch die oberfi~ehliehen Sehiehten tier Hirnrinde selbst mit einbezieht, so scheint eine chirurgisehe Beeinflussung umsoweniger denkbar. Hat man somit nur den zum Absehlul~ gelangten Prozel~ vor Augen, die Meningitis, die in ihrer Sehwere zum Tode gefiihrt hat e so wird man die Frage der Heilbarkeit der eitrigen Meningitis fast verneinea mUssen und denBerichten tiber Heilerfolge reeht skeptisch gegeniiberstehen.

Klinische Studien zur Chirurgie der otogenen Meningitis

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XVI.

Aus der Ohrenabteilung der allgemeinen Poliklinik in Wien.

Klinische 8tudien ztir {~hirurgic der otogenen Meningitis.

Von

G. Alexander~ Wien.

Die fortsehreitenden Erfolge in der ehirurgisehen Behand- lung der otitisehen Hirnkrankheiten mul~ten notwendigerweise immer wieder unsere Aufmerksamkeit auf die otitisehe Menin- gitis lenken. Galt die Prognose bei dieser Erkrankung ehemals absolut ungtinstig, sodal~ yon vornherein auf jedes ehirurgisehe Eingreifen verziehtet wurde, so verftigea wir heute sehon tiber eine ganze Reihe operativ geheilter F~tlle. Derzeit ist unsere Auf- gabe, dureh Siehtung und Analyse des Materials eine methodisehe operative Behandlung der Meningitis anzubahnen. Dabei hat sieh l~tngst gezeigt, dal~ aus dem Studium der zur Autopsie ge- langten, an Meningitis Yerstorbenen ftir die ehirurgisehe Seite der Frage nur wenig zu gewinnen ist, ja wenn wir nUl, nach den anatomischen F~llen urteilen, und das ist ja in friaherer Zeit h~ufig genug das allein Bestimmende gewesen~ mtissen wir an der MSgliehkeit einer regelm~tfiigen ehirurgisehen Behandlung der Meningitis von vornherein verzweifeln. Wiederholt haben Autoren darauf hingewiesen, dal~ das z~he, zwisehen den weichen Hirnhauten und entlang tier Hirnoberfl~tehe tief in die Furehen vorgedrungene Exsudat einer ehirurgisehen Drainage absolut nieht zuganglieh sein k5nne. Bedenkt man aufierdem, daft die Entztindung in der grolSen Mehrzahl der F~tlle nieht auf die Meningen besehdtnkt isL sondern auch die oberfi~ehliehen Sehiehten tier Hirnrinde selbst mit einbezieht, so scheint eine chirurgisehe Beeinflussung umsoweniger denkbar. Hat man somit nur den zum Absehlul~ gelangten Prozel~ vor Augen, die Meningitis, die in ihrer Sehwere zum Tode gefiihrt hat e so wird man die Frage der Heilbarkeit der eitrigen Meningitis fast verneinea mUssen und denBerichten tiber Heilerfolge reeht skeptisch gegeniiberstehen.

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Ein anderes Bild liefert die Klinik. Wir wissen, dal~ im Verlaufe mancher Mittelohraffektionen meningea]e Prozesse auftreten kSnnen, die nieht selten in besonders leiohtem Ver- laufe in wenigen.Tagen, ja in wenigen Stnnden abg~eklungen sind, manehmal allerdings erst naeh 1/ingerer Zeit zur geilung gelangen. Wir wissen, dab Meningitiden, deren eitriger Cha- rakter unzweifelhaft n~chgewiesen worden ist, noch ausheilen kSnnen. Eine Unklarheit ist in die ganze Frage nur dadurch ge- braeht worden, dab man die leiehteren meningitischen Prozesse ohne genauere klinische Untersuehung unter dem Sammel- namen ,,meningitische Reizerscheinungen" oder ,Meningismus" zusammengefal~t, nur wenig beaehtet ha~ andererseits abet den Standpunkt vertritt, dal3 es sich in den nachgewiesenen Fallen yon geheilter, eitriger Meningitis um Mikroorganismen besonders niedriger Yirulenz handelt nnd auiSerdem das Znsammenwirken ether ganzen Reihe uns nieht n~her bekannter, gtinsfiger Umst~nde vorliegen mull. Endlieh ist such eine reeht miiliige Diskussion tiber die zireumskripte und diffuse Meningitis entstanden, Auch auf die verschiedenen Intensit/itsgrade der Meningitis wurde Weft gelegt, wobei selbstverst/tndlieh nut die Schwere der klinisehen Erseheinungen ausschlaggebend sein konnte. Einen nieht un- wiehtigen Faktor fiir die Einteilung hat sodann die Lnmbal- punktion dargestellt, doch wissen wir such bier heute, dal~ eine Klassifikation der Meningitis dureh die Lumbalpunktion nioht flit alle Fi~lle mSglieh ist und dal) die Lumbalpunktion fiir die Frage der ehirurgischen Indikation leider ohne Belang bleibt.

Dutch eingehendes Studium der im Laufe der letzten Jahre yon mir beobachteten Fttlle otogener Meningitis gelangte ieh dazu, die Meningitisf/Ele naeh der speziellen Form der urs/ieh- lichen Erkrankung zu gruppieren nnd da ergibt sich folgende Einteilung: 1. Meningitis bet im fibrigen unkomplizierte 5 akuter, eitriger Mittclohrentztindung, 2. Meningitis bet im tibrigen un- komplizierter, ehroniseh-eitriger Mittelohrentztindung, 3. Menin- gifts bet otitisehen Hirnabszessen, 4. Meningitis bet otitischer Thrombophlebitis nnd extraduralen Abszessen, 5. Meningitis bet Labyrintheiterungen.

In jeder dieser Gruppeii sind drei versehiedene Formen tier Meningitis yon einander zu nnterseheiden: 1. Solche, die an~- tomisch einen sichtbaren Zusammenhang mit der Ohrregion be- halten, 2. d ie Meningitiden, die eines solchen Zusammenhangs entbehren und 3. die tuberkulSsen Meningitiden.

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224 XVI. ALEX£NDEK

Unter den z i r k u m s k r i p t e n Mening i t ideu w a r besonde~'s das

S tud ium der an f die Sei te de1' O h r e r k r a n k u n g besehr i ink ten

Geh i rnhau ten tz t indungen nSt ig , zum~tl sich dabe i n icht sel ten

die Ve rande rungen au f die mi t t lere oder die h in te re Schi idel-

gl 'ube besehr~nkt zeigen. Zu der le tz ten Form gehSl't vor a l l em die labyrinthoget~e Meningi t is . - -

Her rn Hofrat Professor P o l i t z e r sage ich ftir d ie gt i t ige

U b e r l a s s u n g der Krankengesch i ch t en meinen aufl ' ieht igsten Dal ik .

M a t e r i a l :

Fall I. Otitis media suppurativa acuta dextra. Meningitis serosa. Antrotomie,

Freilegung der mittleren und hinteren Sch~tdelgrube. Heilung. Lumbal- punktat klar~ naeh 21 Sttmden ieinste Gerinnsel; bedeutend erhShter Ab- flul~druck.

K r a n k e n g e s c h i c h t e . Johunn E. aus Wien, 10 Jahro air, auf- genommen auf die Universit~ts-Ohrenklinik in Wien am 12. Mai 1907, Pr. Mr. 388, J. ~lr. 12601.

A n a m n e s e : Vor 7 Jahren rechtsseifiger 0hrenflu~, der bald aus- heilte. Seither t--2mal jf~hrlich Mittelohrentzfindung rechterseits, zuletzt Eitersekretion durch 5--6 Tage Ende Januar 1907. Seither Wohlbefinden, gutes Hiirverm6gen, keine Eitersekretion.

Vor 14 Tagen erkrankte der Knabe an heftiger~ Gelenkschmerzen am ganzen Ki~rper unter Fieber~ Kopfschmerzen, Erbrechen und Genick- steife. In tier 5[acht vor der Aufnahme Fieber, Delirien, wiederholtes Auf- schreien aus dem unruhigen, hhufig unterbrochenen Schlafe. H6rvermiigcn angebiich beiderseits gut. Befund: Linkes Trommelfell normal, rechts hinten oben eine hanfkorngrofie Perforation, m~l~iger schleimiger, nicht foetider Eiter. Funktioneller Befund links normal, rechts Konversationssprache 9 m, Fliistersprache und Akumeter 5 m, Weber nach rechts, Schwabach ver- l~ngert, Rinne reehts negativ, untere Tongrenze mhl~ig eingeschrfinkt, obere Tongrenze normal, Uhr durch die Kopfknochen --~-, keinerlei Erkrankungs- symptome yon Seiten des statischen Labyrinthes. Weichteildeeken des rechten Warzenfortsatzes mfil~ig verdickt, keine Druck~chmerzhaftigkeit da- selbst. Temperatur 38,6 °, Puls 60. Operation in ruhiger Chloroformnarkose (Dr. A l e x a n d e r ) . Typischer Hautschnitt, Freilegung land ErOffnung des Warzenfortsatzes. Antrotomie. Knochen diffus erweicht, jedoch nur wenig Eiter. Freilegung des Sinus der mittleren und hinteren Sehhdelgrube, Tief- stand der Dura der mittleren Schhdelgrube. Corticalis an den SChadelgruben selbst unverhndert. Dura stark gespannt, im tibrigen nicht ver~tndert. Lum- balpunktion: Entleerung yon ungeff~hr 15 ccm, unter erh(ihtem Drucks ab- fliel~ender, kiarer Cerebrospinalfliissigkeit; in derselben nach 24 Stunden feinste strichf6rmige Gerinnsel, mikroskopisch sphrlich mono- und polynu- kleare Leukozyten keine Mikroorganismen, kulturell ist die Fltissig- keit steril.

16. Mai 1907. Lythischer Fieberabfall. 1%ckensteifigkeit unverhndert. Kopfsehmerzen.

22. Mai. Verbandwechsel. GehSrgang tioeken. Trommelfell geschlossen. Mastoidwunde reaktionslos. Lumbalpunktion.

In den letzten Tagen Fieber bis auf 38,4% Patient ist apathisch, liegt in passiver Rtickenlage, ist zeitweise bewul~tlos, wiederholtes plStzliches Auf- schreien. Patient lh~t Urin und Stuhl unter sich.

26. Mai. Patient seit 2 Tagen fast ghnzlich bewn~tlos~ Krhmpfe, Auf- schreien, Pupillen welt, nicht reagierend. Puls 40--60. Patient nimmt liiffelweise geringe Mengen Milcb. Die Ohrwunde wird jeden zweiten Tag verbunden. Lumbalpunktion.

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5. Jani. Temperatur bisher normal. Meningeale Erscheinungen un- ver~ndert. Somnolenz geringer.

10. Juli. Allm~thlich Abklingen tier meningealen Symptome. Patient nimmt reichliche Eahrung. Kein Erbrechen. Temperaturen 36--37 °.

17. Juli, Patient verlhl]t zeitweise das Bert. 20. Juli. Patient wird entlasssn und ambulatorischer l';[achbehandlung

zugewiesen. Reakfionslose Heilung der Obrwunde. Patient hat eine Milch- kur durchgemacht, bedeutend an t~ewicht zugenommen, sieht bltihend aus, keinerlei Beschwerden.

In diesem Falle haben die meningitischen Erscheinungen in voller Schwere, nahezu gleicbzeitig mit der Ofitis media ein- gesetzt and zwar 14 Tage vor der Aufuabme.

Ob wit in der letzten Otitis nut eine Exacerbation einer chronischen Mittelobrentztindung oder eine neuerliche akute Er- krankung, zu schen baben, ist nieht mit Sicherheit zu ent- scheiden. Der Trommelfellbeflmd~ die Ausheilung mit intaktem Trommelfell and gutem HSrvermSgen sprieht wohl dafiir, dag die ]etzte Erkrankung" mit den frtiheren Ofifiden nicht zusammen- hitngt. Die Anamnese bcriehtet welter, dug die Mittelohrent- ztindung, unter Gelenksehmerzen begonnen hat, dabei bestand Fieber, Kopfsehmerzen, Erbrechen, Nackensteifig.keit, Aufsebreien w~thrend der Nacht and unruhiger Schlaf. Bei der Operation wurde das Antrum erSffnet, der Sinus and die Dura der mitt- leren nnd hinteren Schadelgrube freigelegt. Eine strikte Lokali- sation der Meningitis in tier rechten Ohrregion lieg sieh nicht naehweisen. Die Dura war lediglieh patholog.iseh gespannt. Trotzdem zeig.t der Beg'inn den 5Ieningitis, dal3 es sich hier auger Zweifel um eine otogene Meningitis gehandelt hat, allerdings cher nm eine 3¢Ieningitis eum Otitide als um eine solche ex Off- tide. Da bei der Operation tokale Symptome an der Dara sieh nieht feststellen liegen, wurde yon einer Inzision der Dara ab- gesehen. Die Lumbalpnnktion, die zungchst an die Operation angesehlossen und sp~ter noch zweimal wiederholt wurde, ergab stets eincn klaren sterilen gerinnenden Liquor, tier unter stark erhShtem Drueke abflog. Die heftigsten meningealen Ersehei- nungen (Delirien, Krampfe, Sopor, zeitweilig, vollst~tndige Be- wu~flosigkeit) daaerten vom 12. l~lai bis 18. Junk Die Ohr- wunde wurde wahrend dieser Zeit zun~tchst t~tglich, dann jeden zweiten Tag verbunden.

Den Tcmperaturablauf anlangend, gelangte Patient fiebernd zur Aufnahme (38,60). Nach der Operation sank das Fieber innerhalb yon 4 Tagen bis zur Norm, 2 Tage sp~ter wieder ein Anstieg and dann kontinuierlich Fieber dureh 4 Tage bis zu

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3~5~. Naeh diesen 4 Tagen Temperaturabfal l zur Norm~ seither die Tempera tur normal. Im klinisehen Bilde und mit Rticksieht auf dis gro[~en Zeitraume yon Fieber los igkei t liel~e der Fal l unbedingt an Meningitis tubereulosa denken. D a g e g e n spreehen jedoeh die stiirmisehen, meningealen Erseheinungen~ das Zu- sammenfallen der sttlrmisehen Erseheinungen mit bedeutendcr TemperaturerhShung~ welters der s tark erhShte Abflll~druek des Liquor, der autoptisehe Befund bei tier Operat ion und endlieh der Befund der Lumba lpunk t ion : Trotz wiederholter genauer Untersuehung gelang es nieht~ Tuberkelbazi l len im Punk t a t naehzuweisen. Aul~erdem spreehen aueh der akute Verlauf und der giinstige Ausgang~ die vol lkommene Kriift igung und be- deutende Gewiehtszunahme des Pat ienten gegen eine tuber- kul5se Meningitis und dis Diagnose muB infolgedessen Meningitis serosa aeuta lauten.

Fall II. Otitis media suppurativa acuta dextra. Akute eitrige Mastoiditis.

Antrotomie. Meningitis. Lumbalpunktat graugelb getrtibt. Druck gesteigert. Steril. Heilung.

K r a n k e n g s c h i c h t e : Oskar D. aus Wien, 7 Jahre alt, aufgenommen auf die Universithts-Ohrenklinik in Wien am 26. Mai 1904. Pr.-~r. 25l. Jour- nal-~r. 1 t733.

Anamnese : Angeblich seit 8 Tagen OhrenfluB, SchwerhSrigkeit, 0hren- sehmerzen rechts. Seit einigen Tagen Spontan- und Drucksehmerzhaftigkeit des Warzenfortsatzes, hohes Fieber, Appetit- und Schlaflosigkeit.

t a tu s p r a e s e n s: Sehr unruhiges, hoch fieberndes (40 o) Kind. Selbst bei leichter Bertihrung des rechten Warzenfortsatzes auffert Patient starke Schmerzen. Geh6rgang in der Tiefe bis zur Unwegsamkeit verengt. Trom- melfell nicht sichtbar, foetide Eitersekretion. Linkes Ohr otoskopisch normal. Funktioneller Ohrbefund ist in Anbetracht des jugendlichen Alters und der schweren Erkrankung nicht aufnehmbar.

6. Mai 1904. Operation in ruhiger Chloroformnarkose (Hofrat Po- l i tz er) Er6ffnung des Warzenfortsatzes und des Antrum, Inneres pneumatisch, yon Eiter erfiillt, Knochen bis an den Sinus, der auf Bohnengr61~e freigelegt wird, erweieht. Gegen das Antrum~ die mittlere and hintere Sch~delgrube, die freigelegt werden, Knochen unverandert. Verlauf ~om 6. his 20. Mai 1004 (durch 15 Tage) Temperaturen yon 3S--40 ° zumeist yon kontinuier- liehem Typus, nur an 2 Tagen (8. und t4. Mai) abendliche Remissionen yon 37 ° und 36~6 °.

27. Mai. Lumbalpunktion. Es werden 10 ccm gelbgrauer, stark go. trtibter Cerebrospinalfiilssigkeit entleert, die unter gesteigertem Drucke ab- fliet~t. Naeh 6 Stunden fadige Gerinnungen (Dr. Barrel). Mikroskopisch and kulturell ist die Fllissigkeit sterih Reichlich mono- und polynukleare Leukozyten. In der ersten Woche nach der Operation Nackensteifigkeit, Krampfe, Delirien, wiederholtes Erbrechen, zeitweise ist Patient somnolent, liegt in passiver Riickenlage. Whhrend der ganzen Zeit nimmt Patient nur geringe Mengen Milch, die ihm 16ffelweise gereieht wird, zu sich.

Mit tier Entfieberung am 20. Mai allm~hliche Besserung tier Be- schwerden, Nackensteifigkeit geschwunden. Patient nimmt Nahrung mit Appetit, vermag zu sitzen. Wohlbefinden.

iS. Juli. Wunde verkleinert, in derselben schlaffe Granulationen. Beim Yerbandwechsel wird eia Sequester yon ungef~thr 6 mm L~nge und 2 mm Dicke entfernt. Trommelfell intakt.

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12. August. Abendlicher Temperaturansfieg auf 38,'~ °, sonst stets normale Temperaturen und Wohlbefinden.

11. Septbr. Da w~ederholt kleine Sequester aus der Wunde entleer~ werden, wird den Eltern des Patienten ein neuerlicher Efngriff empfohlen.

Operation in ruhiger Chloroformnarkose. Hautschnitt in der Richtung der alten Wnnde. In der Knochenh6hle mehrere kleine und ein haselnum]- groI]er Sequester, schlaffe Granulationen und Eiter. Abtragung des hul:Jeren Teiles der hinteren, knfchernen Gehfrgangswand. Wundenversorgung mit Jodoformemulsion. Verband.

26. Septbr. Patient wird nach reaktionslosem Wundverlauf zur ambu- latorischen Nachbehandlung entlassen. Ether Anfrage nach 3 Jahren (Mat 1907) zufolge befindet sich tier Knabe vollstandig wohl, das Ohr ist ghnzlich ausge~eilt.

Der vorliegende Fall ist in seinen Erseheinungen dem Falle I meines Materials vollkommen iihnlieh. Aueh hier handelt es sieh um eine akute, eitrige Mittelohrentztindung, die zur eitrigen Mastoiditis geftthrt und eine Meningitis verursaeht ha¢. Bet der Operation ergibt sieh kein naehweisbarer, direkter Zu- sammenbang der Mittelohreiterung mit dem Entztindungsprozei~ an den Meningen, der Knoehen erwies sieh daselbst unver- andert lind deshalb wurden die Meningen lediglieh freigelegt und zwar an der mittleren Sehadelgrube tiber dem Tegmen tympani und antri und tiber dem Sinus und der benaehbarten Region der Dura der binteren Seh~idelgrube. Die meningitisehen Erseheinungen dauerten dureh 2 Woehen an, wiihrend dieser Zeit bestand hohes Fiebcr yon kontinuierliebem Typus, das sieh zwiscben 38--40 o bewegt und an zwei Tagen voriibergehende Abffdle gezeigt bat. Am 22. Mat war Patient entfiebert. Mit der Entfieberung sebwanden die meningitisehen Erseheinungen und es trat Wohlbefinden ein, das wiihrend des langen Spital- aufenthaltes (Patient blieb mangels ausreiebe~ider bi~uslieher Pflege bis 26. September in Spitalspflege) nur noeh ein einziges Mal~ offenbar infolge einer lokalen Retention gestSrt war: Am 10. Juni trat plStzlieh Fieber yon 38,7 0 auf. Endlieb ist noeh bemerkenswert, dal3 sieh an den akuten Prozei~ im Warzenfort- satze eine ehroniseh-eitrige Ostitis daselbst ansehlofi. Wiederbolt wurden kleine Sequester ausgestol3en und am 11. September mufite neuerlieh operiert und der erkrankte Knoeben fortge- nommen werden. Daraufhin folgte prompte FIeilung. Der Patient befindet sieh derzeit wobl. Die Diagnose kann in diesem Falle aueh nur auf Meningitis serosa gestellt werden in Anbetraebt des hohen Fiebers und der stiirmisehen Ersebeinungen. End- lieh ist aueh ~ler Befund des Angenbintergrundes (stark geftillte Venen) diagnostiseh ftir die Meningitis nieht ohne Bedeutung. Von besonderem Interesse bleibt der Befund der Lumbal-

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punktion: Oelbgraue, intensiv getrtlbte, unter gesteigertem Drueke cntleerte gerinnende Fltissigkeit, mikroskopiseh darin mono- and polynnkleare Leukozyten, keine Mikroorganismen.

Fth- beide F~tlle ([ nnd if) ist dutch hinllinglieh lange Be- ~ obaehtung konstatiert worden, dal~ die Meningitis g~nzlich ab-

gelaufen, zur Heilung gelangt und geheilt geblieben ist. In beiden FKllen kann man eigentlieh die Meningitis serosa nieht als sekun- diire Komplikation der Otitis media auffassen. Es hat vielmehr den Ansehein, dal~ bier yon allem Anfang" an, wohl gleiehzeitig mit dem Mittelohr, die Meningen yon einer entztindliehen Erkran- kung befallen warden, so dab bier keine Meningitis serosa ex Otitide, sondern eum Otitide vorliegt. Beide Patienten haben sieh vollstiindig erholt , besonders der im Mai 1907 operierte hat bedeutend an Gewieht zugenommen nnd zeigt bliihendes Aussehen.

Keineswegs selten sind aber derartige, sieher serSse Menin- gitiden, besonders bei Kindern, lediglieh ein Vorstadium einer tuberkulSsen Meningitis, die allerdings erst Woehen oder Monate naeh der erten Attaeke zum Ausbrueh kommt. Ieh verftige aus den Beobaehtungen unserer Klinik aus den Jahren 1900 und 1901 tiber 3 hierhergehSrige eharakteristisehe Fitlle yon geradezu tragisehem Verlaufe. Es handelt sieh um Kinder im Alter yon 4--6 Jahren mit typiseher, akut-eitriger Mittelohrentzilndung. Alle drei wurden veto Beginne der Erkrankung an ohrenitrztlieh behandelt. Die akuten Entziindungssymptome im Mittelohr sehwanden, trotzdem trat kein Rtiekgang in der Eiterung sin: Sic wurde nicht foetid, doeh wurde andauernd reiehlieher, rahmiger oder mehr w~isseriger Eiter entleert. Am Warzenfort- satze nur zeitweilig periostitisehe, auf Burow and Bettruhe raseh zurtiekgehende Yerdickungen~ plStzlieh Meningitis unter hohem Fieberanstieg and stiirmisehen Symptomen. Antrotomie: Knochen an der Dura unveritndert, Spannung der Dura nieht wesentlieh vermehrt. Bei der Lumbalpunktion unter erhShtem Drueke klarer Liquor, der aueh naeh 24 Stunden keine Gerinn- ungen erkennen l!tBt. Naeh 8--10 Tagen unter allm~thlieher Ent- fieberung vollkommenes Sehwinden der meningealen Symptome. Die Patienten gehen umher und werden in Wohlbefinden entlassen. Der eine Fall gelangte jedoeh 3 Woehen naeh der Entlassung, der andere 5 Woehen, der dritte naeh 9 Woehen nunmehr unter den typisehen Erseheinungen yon Meningitis tuberealosa und mit eharakteristisehem Lumbalpunktionsbefunde zur Aufnahme (klarer

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Liquor, nach 24 Sfunden fsinste Gerinnungen, mikroskopissh Tuberkelbazillen). Alle drei Falle endeten letal.

Es l/il3t sich nun gewil~ nicht exakt entseheiden, ob es sich nicht yon Anfang an urn sine tuberkul5ss Otitis und eins tuber- kul~iseMeningitis gehandelt hat. Die klinischen Zeiehen sprechen wohl dagegen. ]n allen drei F~tllen hat die Otitis mit hoch- gradigen Sehmerzen und Fieber eingesstzt. Dis tuberkulSss Mittelohreiterung" beginnt sebleiehend, b~tufig" tritt ja der Ohren- fiul~ ganz unbemerkt ein, sodal~ der Patient sp~ter tiber den Beginn seiner Erkrankung nur ganz ungenaue Angaben zu maohen vermag. Es ist nun sehr wohl mSglieh, dal~ der lokaie Eatztiudungherd im Ohr und an den Meniugen von vornherein nieht tuberkulSser Natur gewesen ist, dais sic aber docb den Boden und die Yoraussetzung boten fiir das Auftreten der spateren tuberkulSsen Erkrankung.

Es fl'agt sich nun, ob eine Differenzierung derartiger me- ningealer Prozesse mSglich ist? Eine Unterscheidung w~tre viel- teieht denkbar dutch exakte Messung des intraduralen Druckes. Dieser ist bei Meningitis serosa als Vorstadium einer tubsrkulSsen ~Ieningitis h/~ufig unvsrttndert oder nur wenig erhSht, bei der niebt tuberkulSsen Meningitis serosa immer bedeutend gesteigert. Es w~re flir diese Fttlle nStig, mit einem der gebr~tuehliehen Mano- meter, etwa mit dem yon S a h l i aflgegebenen Instrumente, den Drnek, unter dem dis Cerebrospinalfltissigkeit bei der Lumb~l- punktion abfliel3t, zu messen. Bei der Meningitis serosa, die nur ein Vorstadium einer tuberkulSsen Meningitis darstellt, ist dann ein normaler oder niebt wesentlieh erhShter Druek zu'erwarten.

Von Bedeutung" sind aber die oben mitgeteilten beiden F~lle (I und II) aueh dadureh, dai3 sie zeigen~ dal3 bei Meningitis serosa yon tthnlicher Intensitgt und Dauer der Erseheinungen doeh der Lumbalpunktatbefund versehieden ausfallen kann. In dem einen Falle war die Lumbalpunktionsfltissigkeit klar, im anderen Falle intensiv gelbgrau getrtibt.

Aber aush serSse Vorstadien diffus eitriger Meningitiden sind sieher bftufiger, als es naeh den bisherigen Beobaehtungen den An- sehein hat und vor allem als es sich bisher hat naehweisen lassen. Nimmt man in solehen Fallen die Lumbalpuuktion frt~hzeitig ge- nug vor, so erh/tlt man zun~tehst unter erh6htem Druek ab- t]ieIlenden, klaren, sterilen Liquor; nach 24 Stunden darin feinste Gerinnungen. Dagegen kann eine nur wenig sp~ter ausgefi]hrte, zweite Lumbalpunktion sehon einen infizierten Cerebrospinal-

Arohiv f. Ohrenhoilkurtde. Bd. 75. l 6

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liquor zutage fgrdern. Ein in dieser Richtung bemerkenswerter Fall sei ira folgenden mitgeteilt.

Fall IlL G e o r g F., 21 Jahre alt, aus Triest. I} i a g u e s e: Meningifts purulenta ex. o tit. med. supp. chron. T h e r a p ie : Radikaloperation, ErSffnung des Labyrinths. Wiederholte

Lumbaipunktion. A n a m n e s e : Vet 5 Jahren erkrankte Patient im Anschlasse an Schar-

lach an einer rechtsseitigen Mittelohreiterung~ die nach 3 Monaten operiert wurde. Seitdem befand sich Patient wohl bis April 19(16, zu welcher Zeit er neuerlich an Ohrenflul~ erkrankte und nach 9 Tagen abermals operiert wurde. Der OhrenfiuB sistierte aber nicht. Deshalb reiste Patient im Juli nach Wien, we zunhchst eine Auskratzung vorgenommen wurde. In letzterer Zeit Schmerzen in der rechten Kopfseite. Ohrenflul~ unvermindert.

L i n k s : Spina septi~ Pharin~itis chronica. L i n k e s Ohr : Trommelfell leicht retrahiert. R e c h t e s O h r : Retroaurikuli~re, gegen das Tegmen antri ftihrende

Fistel und bogenffrmige Operationsnarbe. GehSrgang yon fadenziehendem Eiter erftillt. Der Geh6rgang sowohl dutch die vorspringende, vordere~ untere als aueh dutch leichte Senkung der hinteren, oberon Wand verengt. Trommelfellrest, soweit sichtbar~ ger6tet and atrophiert.

R. L. • q m Konv.-Spr. 5 m 6 m Fl~tst.-Spr. ad eoncham

Weber nach links | mit gering verkfirzter Knochen-

- - Rinne --} leitung und sthrker ~erkiirzter / Luftieitung

+ C , ÷ -~- c4 verkiirzt + A ÷

7. Septbr. 1906. Operation in B i l l r o t h s c h e r Mischungsnarkose: Retroaurikuliirer Bogensehnitt in der alten Operationsnarbe. Abl0sung des Periostes, Exzision tier FisteL Sehon nach wenigen Meil~elschl~gen liegt der Sinus frei, starke Blutung aus dem Emissarium, nach dessen Stillung Durchfiihrung der Radikaloperation. Stark blutender Knochen, Granulationen in der Prommelh6hle. Plastik nach P a n s e . Offenlassen der Operations- wunde~ Yerband.

8. Septbr. In dcr l~acht mehrmaliges Erbrechen, Schwindel, starker rotatorischer Nystagmus nach links beim ldlick nach der gesunden Seite Temp. 38,60.

9. Septbr. Schwindel l~l~t nach, kein Erbrechen. Rotatorischer Ny- stagmus nach links beim Blick nach links.

9. Septbr. Die starken subjektiven Ger~usche werden durch ein min- deres abgelfst, gr0bschlhgiger horizontaler Nystagmus helm Blick nach links, der entsprechend der Haherung des fixierten Objektes der Mittellinie sowoht an Intensit~t wie auch an Amplitude abnimmt. Das Schwindelgeftlhl ist inkongruent und deckt sich nicht mit der Gr6l~e und Intensitat des Hystag- mus. Whhrend Patient Tags vorher noch fiber Schwindel klagte bei jeder Blickrichtung ohne nachweisbaren Znsammenhang zwisehen Gr01~e und ]n- tensit~t des Nystagmusl gibt heute Patient die Scheinbewegung der Gegen- stande als hauptbelkstigendes Moment an. Hat dabei allerdings auch Mahnungen yon Schwindelgefiihl~ welches bei Lageveranderungen an ln- tensiti~t zunimmt. Patient hat bei Blickrichtung nach links parallele, un- gleichgroile, gegen einander ~erschobene Doppelbilder, die er richtig proji- ziert. Wi~hrend Patient bis zum 8. September nur auf der ohrgesunden Seite liegen konnte und diese Lage als diejenige bezeichnete, in d e r e r am wenigsten Schwindel hhtte, ist ibm heute bereits miiglich, jede Lage ohne

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Klinische Studien zur Chirurgie der otogenen Meningitis. 231

Schwindel einnehmen zu k6nnen. Nur die Lage an der ohrenkranken Seite erinnert ihn noch an das vehemente Schwindelgefiihl ebenso wie der Lage- wechsel.

i0. Septbr. Nystagmus horizontalis be] Blick nach links. Schwindel- geftihl besteht fort. Patient liegt auf tier ohrgesunden Seite. Be] sitzender ~tellang ]st der Nystagmus unveritndert. Be] geschlossenen Fiil]en and ge- schlossenen Augen ]st das Schwanken nut angedeutet. Be] Neigung des Kopfes auf die erkrankte Seite fhllt der Patient nach hinten und rechts. Durch Schliel$ung der Augen wird alas Schwanken und Fallen nicht verst~rkt. Das Stehen auf einem Ful~ ]st nahezu unm6glich, hingegen ]st die Zehe- stellung be] offenen und geschlossenen Augen wobl nngeschickt and yon Schwanken begleitet, doch nicht unmSglich. Das ttiipfen auf beiden Zehen ist yon einem leichten Schwanken begleitet. (Patient ]st sonst guter Turner gewesen, alle Bewegungen werden yon Schwanken begleitet, werden aber gut durchgefiihrt.) Doppelsehen besteht fort. Verbandweehsel.

i l. Septbr. Nystagmus beim Blick nach beiden Seiten~ starker beim Blick nach links. Schwindelgefiihl etwas geringer. Benommenheit, leicbte Hyperhsthesie. Schlechtes Allgemeinbefinden. Temperatur 37~4o~ Puls 80, geniigend stark.

Beim Yerbandwechsel findet sich schleimig-eitriges Sekret. HSrweite: 1/2 m fiir Konversationssprache unsicher. Weber nach rechts.

Lumbalpunktion ergibt gelblich-getriibte, unter erh6htem Druck stehende Fliissigkeit (zirka 10 ccmt. Dieselbe ]st be] mikroskopischer Untersuehung reich an Leukozyten, die positive Iodreaktion geben. Keine Mikroorganismen,

mikroskopiseh und kulturell steril. Operation in B il 1 r o t h scher Mischungsnarkose: Abmei~elung der binteren

Wand der Pyramide mit Wegnahme des hinteren and horizontalen Bogen- ganges und Er6ffnung des Vorhofes, wobei bis zum inneren Geh6rgang vor- gedrungen wird. Dabei zeigt sich das h~utige Labyrinth hyper~misch. Nachher Spaltnng der Dura der hinteren Schadelgrube in Form eines rechten Winkels, worauf das Kleinhirn sich vordr~ngt. Verband. Facialislahmung, Nach der Operation: Kleinschlhgiger Nystagmus nach beiden Richtungen~ hhufiges Er- brechen, Benommenheit. Abends l cgr. Morphiam,

12. Septbr. 2 Uhr Nachts: Klares Bewu~tsein~ relativ gates subjektives Befinden, kein Schwindel, kein Nystagmus. Vormittags zweite Lumbal- punktion mit Entleernng yon ungef~hr 6 ccm sehr getriibter, eitriger Fltissig- keit. Die mikroskopische Untersuchung des Punktates ergibt nunmehr reich- lich und ausschlie~lich grampositive Kokken aus der Gattang der Strepto- kokken. H6chste Temperatur 39,2 o. Pals m~l~ig beschleunigt, stark, abends 1 cgr, Morphium.

13. Septbr. Sehr unrubige schlaflose Nacht, fortw~hrendes Erbrechen. 8 Uhr frtih Temperatur 38,2 °, Puls 102. Kleinschlagiger Nystagmus nach be]den Richtungen, etwas Kopfschmerzen und Empfindlichkeit am Nacken. Stark belegte Zunge. Erbrechen nachgelassen. Keiu Doppelsehen.

14. Septbr, Die Hhlfte der iN~acht in rub]gem Schlaf verbracht. Morgen- temperatur 38,~ o, Puls 72, krhftig. Sensor]urn frei, :Erbrechen geringer, Kopf- beweglichkeit eingeschrhnkt. Lumbalpunktion. Entleerung yon 10 ccm wen]g, trtiber, aber unter hohem Druck stehender Fltissigkeit. Zunge stark belegt. Temperatur 8 Uhr abends: 38°.

15. Septbr. Schlaflose, unruhige Nacht trotz der Morphiuminjektion, friih 8 Uhr Temperatur 38~4, Pals 90. Patient schreit oft auf, starke Nackensteifigkeit, Sensor]urn getriibt Deutliches Trousseausehes Phh- nomen. Nhhrklysma. Subkatane Injektion yon 20 ccm M a r m o r e k - Serum. Abends 1 cgr. Morphium. Temperatur 38,2 °. Kein Nystagmus mehr.

16. Septbr. Schlaflose Nacht, ibrtw~hrendes Delirium, Temperatur 8 Uhr frtih 38 o Trockene, belegte Zunge, schwacher unregelmal~iger P,ls. In- continentia vesicae et recti. Verbandwechsel. Erweiterung des Schnittes in der Dura.

!7. Septbr. Status unverhndert. Temperatur 8 Uhr friih 36,6 o Abends komat6ser Zustand.

18. Septbr. 6 Uhr frilh Exitus letalis. 16"

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232 XVI. ALEXANDER

Obduktionsbefund, Eitrige, innere Pachymeningitis und Lepto- meningitis an der Hirnbasis. besonders im Bereiche des Chiasma, der Briicke, der Unterfl~che beider Kle~inhirnhemisphhren und der Medulla. FibrinSs-eitrige Entzlindung der inneren Riickenmarkhhute.

Abplattung der Hirnwindungen an der Oberflhche. Radikaloperation des rechten Ohres nach chronischer Otitis mit Inzision der Dura und Punk- tion der rechten Kleinhirnhhlfte. Akutes Oedem beider Lungen~ triibe Schwellung der 5~ieren und des Herzmuskels.

Die auftretenden Doppelbilde5 Nackensteifigkeit und Kritmpfe waren in diesem Falle die ersten Symptome der Meningitis, die dutch eine eitrige Labyrinthitis kompliziert~ aller Wahrsehein- liehkeit nach durch sic bedingt gewesen ist. Bei der zur Zeit des Einsetzens der Symptome vorgenommenen~ ersten Lumbalpunktion und bei der Wiederholung naeh 4 Tagen ergab sick gelbeitrig ge- triibter Liquor~ der unter gesteigertem Drucke abflol~. Im Liquor nach 24 Stunden Gerinnungen~ mikroskopisch Leukocyten mit positiver Jodreaktion ~ keine Mikroorganismen ~ kulturel! steril. Bei einer sp~teren Lumbalpunktion ergab sich bereits strepto- kokkenhaltige Fliissigkeit. Wir haben hier den Typus einer Meningitis als Zwischenstadium einer Meningitis serosa und einer akut-eitrigen Streptokokkenmeningitis. Derartige Menin- gitiden sind gewi• nicht selten, dagegen nur schwer konstatier- bar, weil eben die Lumbalpunktion zumeist naeh Ablauf des rein serSsen Charakters der Meningitis~ also im Stadium der eitrigen Meningitis vorgenommea wurde. Bei der Operation wSlbte sick in die SehnittSffnung der Dm'a sofort Gehirn vor, ein sicheres Zeichen yon l:IirnSdem bezw. Encephalitis. Eine entztindliehe Sehwellung der 0berfli~chlichen, FIirnpartien ist somit im vorliegenden Falle gleichfalls der infektiSs eitrigen Meningitis vorausgegangen.

Im tibrigen scheint die oberfliiehliche Encephalitis eine ty- pische Begleiterseheinung akuter serSser Meningitiden darzu- stellen~ und ich kann naeh dem yon mir untersuchten Material die Ansichten von B S n n i n g h a u s u. A. tiber die Meningoen- cephalitis vollkommea besti~tigen.

Ich gelange nun zur Bespreehung zweier akuter~ dureh Labyrintheiterung induzierter Meningitiden mit Ausgang" in Heilung.

Fall IV. Erste Aufnahme.

Karl ..H, ,~0 Jahre alt~ Maurergehilfe, aus Oberkirchen (N.-(}.), Bezirk Zwettl (~N.-O.), eingetreten am 2S. Januar 1906.

Diagnose: Otitis media suppurativa chronica dextra. Cholestea~om. Labyrintheiterung.

Meningitis ex otitide. Bogengangsfistel.

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Klinische Studien zur Chirurgie der otogenen Meningitis. 233

T h e r a p i e: Radikaloperation. Plastik nach P a n s e (A btragen des late- ralen und hinteren Bogenganges, Er6ffnung des oberen Bogenganges Dis an das Vestibulum).

A n a m n e s e : Patient ist seit Kindheit auf dem rechten Ohr taub. Otorrhoe mitunter vorhauden. Gegenwi~rtig besteht sie seit 11/2 Jahren. Seit 8 Tagen starke Schmerzen in der ganzen Ohrgegend. Vor drei Wochen hatte Patient dureh !!--8 Tage heftigen Schwindel. Patient erbrach auch 5frets. Heute 1Nacht Ubelkeiten, Erbrechen, starke Schmerzen~ sodal] Patient nicht schlafen kounte.

L i n k e s O hr: Getrtibtes, retrahiertes Trommelfell. R e c h t e s 0 h r : Spaltf0rmiger GehSrgang dutch Senkung der hinteren

oberen GehSrgaugswand, fStide reichliehe Sekretion.

a. c. Konv.-Spr. 8 m O Flast.-Spr. 3--4 m

Weber links Schwabach verkiirzt

1)_ Rinne -~- (~C1 + O c4÷

O Uhr K. --~ horizontaler spontaner i~ystagmus

nach der gesunden Seite

29. Jan. 1906. Radikaloperation in ruhiger Inhalationsnarkose, Freilegung und Er6ffnung des Warzenfortsatzes, Sinus mal~ig vorgewSlbt, auf LinsengrSl~e freiliegend. PaukenhShle und Antrum yon einem sehr schSn geschichteteu Cholesteatom erfilllt, welches bis an den Sinus reicht. Am lateralen Bogen- gauge eine 5 mm lange, der Dicke des Bogenganges entsprechende Fistel. MiI]farbiger Bogengangsiuhalt. Abtragung des lateralen und des hinteren Bogenganges, sowie ErSffnung des oberen bis an das Vestibulum, das sich yon krtimeligen, mii~farbigen Massen (Cholesteatom) erfiillt zeigt, die mit dem scharfen L0ft'el entfernt werden. Piastik nach P a u s e , Wundversorgung, Verband. 5. Febr. Zweiter Verbandwechsel: Wunde gut granulierend.

7. Febr. V e r b a n d w e c h s e l : FOtide Sekretion aus der Tiefe. Kein Schwindel. Kein Erbrechen, Kopfschmerzen auf der Seite der Operation.

9. Febr. Patient hat Schmerzen in der reehten ]leocoecalgegend. Urin- retention. Temperatursteigerung.

10. Febr. Patient wird behufs Operation nach Zimmer 54 (Klinik H o c hen e gg~ transferiert.

15. Febr. Auf der Klinik H o c h e n e g g am 10. Febr. wegen akuter Appen- dicitis Laparotomie. Seit 14. Febr. heftige Kopfschmerzen, seit heute Er- brechen. Daher wird Patient wieder auf unsere Klinik rficktransferier:.

Patient stark hinf/illig, vortibergehend desorientiert, klagt fiber hoch- gradigen, rechtsseitigen Stirnkopfschmerz. Es besteht mittelgradige i~acken- steifigkeit, und aktive Bewegungen im Bereich des Kopfes und der Hals- wirbelsaule werden hngstlich vermieden. Mh~ige fStide Eitersekretion aus der WundhShle, keine nachweisbare Ataxie. Keine Koordinationsstiirungen. Grobschl~giger l~ystagmus h~ufiger nach der gesunden als nach beiden Seiten.

Operation in ruhiger Bilirothscher Mischungsnarkose. Vergr6~erung des Hautschnittes d e r ersten Operation, an dessen Ende zwei ca. 3 cm lange, horizontal nach hinteu verlaufende Schenkel angesetzt werden. AblSsung des dadurch erzielten hinteren Lappens. Freilegung der Ope- r.atioashShle. Breite Freilegung tier Dura der mittleren und Erweiterung der Offaung der Dura der hinteren Sch~delgrube mit Abtragung des basalen Teiles der Schlhfenbeinpyramide. Hierbei quillt unter erheblichem Druck extraduraler Eiter aus der Tiefe hervor. Dura der mi~tleren und hinteren

1) Rinne rechtfi nagativ mit beinahe aufgehobener Luft- und ver- ktirzter Kopfknochenleitung.

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234 XVI. ALEXANDER

8ch~delgrube diffus ger6~et und stark injiziert. Die Exploration der hinteren Sch~delgrube negativ, die der mittleren ergibt: Hirnoberfl~che diffus ger6tet, miil~ig 6demat6s. Bei der nun folgenden Lumbalpunktion werden unter be- deutend herabgesetztem Druek ca. 10 ccm eitrig getrfibter, schwach gelb ge- f~rbter Cerebrospinalfliissigkeit entleert. Wundversorgung. Verband.

16. Febr. Patient klagt fiber hochgradige Kopfscbmerzen, bekommt Morph. subkutan Nachts unruhig. Kein Erbrechen. Leichte Fazialisl~hmung.

19. Febr. Patient klagt fiber Kopfschmerzen. Die Nacht war ruhig. Pals und Temperatur normal.

21. Febr. Sebr unruhigeNacht. Heftigste Kopfschmerzen. Patient be- kommt Eisbeutel und Morph.-Injektion. Er liegt am Tape somnolent und in Opistbotonus da, so da[~ man den ganzen K6rper durch Stfitzen des Nackens aufheben kann.

22. Febr. Die Beschwerden haben nachgelassen, die Temperatur ist normal g~worden. Patient liegt in ruhiger Riickenlage.

23. Febr. Patient klagt liber Kopfschmerzen. Nachts Unruhig. 24. Febr. Die Temperaturen seit gestern normal. Bis auf die Kopf-

schmerzen relatives Wohlbefinden. 26. Febr. Relatives Wohlbefinden. Die Kopfschmerzen baben nacb-

gelassen. 1. M~rz. Verbandwechse l . Relatives Wohlbefinden. 2. Marz. Temperatur ~9,7 °. Angina. Aspirin 1,0. Gurgelwasser. 3. Mhrz. Verbandwechse l . Relatives Wohlbefinden. 5. Mfi, rz. Lokalisierte Kopf~chmerzen. 8. Marz. Ve rbandwechse l . Wohlbefinden. Patient verifier das Bett.

i t . M~rz. Patient klagt fiber Kopfschmerzen. 13. Mhrz. Patient klagt fiber heftige Schmerzen in der Gegend der rechten Schl~,fe.

14. M~rz. Patient klagt fiber Schmerzen wie gestern. /6. Mi~rz. Status idem. Die Wunde sieht sehr gut aus. 20. MSrz. Relatives Wohlbefinden. Der Fazialis wird t~glich elektrisiert. 30. I~lhrz. Wohlbefinden. Sekund~rnaht 13. April. Ein Sequester abgegangen. 4. ~ai. Relatives Wohtbefinde~. Patient wird entlassen und der am-

bulatorischen ~acbbehandlung zugewiesen.

Zwei t e Aufnahme .

Am 4. Mai 1906 yon der Klinik entlassen; kam Patient t~glich zur am- bulatorischen Behandlung. Die Kopfscbmerzen bestehen noch immer, wenn- gleich in geringerem Mal~ie als frfiher. Schwindel nat beim Biicken. Seit 14 Tagen klagt Patient tiber reil~ende Schmerzen in den Beinen his zum Unterschenkel und Knie,

Am i3. Juni 1906 ping ein Sequester aus dem Ohre ab. 19. Juni. Es wurden zwei spindelf6rmige Sequester yon 7 mm L~nge

und 3--4 mm Dicke extrabiert. 25. Juni. Status idem. Patient ldagt fiber Kopfschmerzen auf der an-

deren Kopfseite. Sekretion m~[~ig. In der Nase iinkes hinteres Ende der Muschel, verderes Earle der mittleren Muschel stark hypertrophisch. Operation.

5. Juli. Patient wird in gutem Befinden entlassen. Seither ist vollst~ndige Heilung eingetreten.

I n diesem Fal le l icgt eine im Verlaufe ciuer chronischen

Mittelohreiterung' ents tandene, puru lcn te Labyr in th i t i s mit ei tr iger

Ostitis des Fe l senbe ines selbst vor. Wie lunge die Labyr in th -

e i te rung vor der Aufnahme des Pa t i en t en berei ts bes tanden hat~

1/~l~t sich nicht mit Sieherheit feststellen. Wohl wird angegeben, dug seit Kindhe i t bereits Taubhe i t bestand, doeh wissen wit , dug bet einer im Verlaufe ether chronischen Mit te lphrei terung aufge- ¢retenea Taubhe i t nicht no twendigerweise ein eitriger Prozel~ in

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Klinische Studien zur Chirurgie der otogenen Meningitis. 235

der Sebneeke vorgelegen haben mug (Ktimmel) . In soleben F~tllen kann ja aueh dutch rein deg'enerative Ver~tnderungen am Nervus aeustieus und seiner Ganglien oder dutch Atrophie des C o rt i sehen Organs (A 1 e x a n d e r) die Taubheit verui'saeht worden sein. Wiehtiger sind daher in unserem Falle die vestibularen Symptome: Wir erfahren, dal~ bei dem Patienten 3 Woehen vor seiner Aufnahme heftige Sehwindelanf~lle aufgetreten sind, und es ist sehr wahrseheinlieh, dal~ dieselben den Beginn der Laby- rintheiterung bezeiehnen.

Bei der Ende Januar vorg'enommenen Operation ergab sieh ein Mittelohr- und Labyrintheholesteatom. Naeh dem opera- tiven Eingriffe, der in der Radikaloperation, in der breiten ErSffnung des Labyrinthes und tier Freilegung der Seh~tdel- gruben bestand, sistierte tier Sehwindel sofbrt, dagegen blieben zwei tible Symptome bestehen: Das Wundsekret blieb fStid- eitrig und tier Patient klagte tiber kontinuierliehe Kopf'- sehmerzen, besonders auf tier Seite der Operation. Zu diesen Erseheinungen gesellten sieh plStzliehe, heftige Ileoeoeealbe- sehwerden. Die Untersuehung ergab eine akute Apendieitis, Patient wurde auf die zweite eifirurg'isehe Kliaik (Vorstand Prof. H oeh e n egg') transferiert und daselbst am 10. Februar operiert. Unte~" reaktionslosem Verlaufe der Laparotomiewunde stellten sieh am 14. Februar plStzlicl~ Symptome einer sehweren menin- gealen Erkrankung" ein. Es trat hohes Fieber, Korea, Erbreehen ein. Bei der sofortigen Rtiektransferierung an die Ohrenklinik er- gab die Untersuehung: Patient ist stark hinfitllig', vortibergehend desorientiert, klag't tiber hoehgradigen, reehtsseitigen Stirnkopf- sehmerz, es besteht 'Naekensteifigke{'t, die aktiven Bewegungen im Bereiehe des Kopfes und der Fialswirbelsgule werden ~tngst- lieh vermieden. Keine naehweisbare Ataxie. Keine Koordina- tionsstSrungen. Orobsehlggiger Nystagraus, heftiger naeh der gesunden als naeh beiden Seiten.

Das unver~tndert fStide Sekret lieB einen fief gelegenen eitrigen Knoehenherd annehmen, und bei der Operation win'de tats/iehlieh ein ausg'edehnter, extraduraler Abszel~ tiber dem Py- ramidendaeh erSffnet und entleert. Die Dura der mittleren Seh~tdelg'rube war stark injiziert, in der hinteren Sehadelgrube unver~tndert, die Inzision tier Seh~delgruben ergab im Bereiehe tier mittleren diffuse: RStung der Leptomeninx, Sehwellung des Sehl~tfenlappens, am Kleinhirn keine Ver~tndernngen.

Bei tier Lumbalpunktion wurde unter verringertem Drueke

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236 XVI. ALEXANDER

gelber getrtibter Liquor entleert. Die heftigen meningealen Er- scheinungen dauerten zunaehst noeh an. Noeh 5 Tage naeh der Operation bestand Somnolenz, starker Opisthotonus und Naeken- steifigkei¢. Erst 11 Tage naeh der Operation trat einigermafien naeh AufhSren der heftigen Kopfsehmerzen ein zufriedenstellen- des Befinden ein. Naeh 3 Wochea verliel~ Patient das Bett. W~hrend der Naehbehandlung gingen noeh wiederholt kleine, Sequester veto oberen Teile der Sehl~tfenbeinpyramide ab. Diese Sequestration braehte offenbar die chronisehen Kopfsehmerzen mit sich, ja es wurde aus diesem Grunde am 16. Juni eine neuer- liehe Aufnahme des Patienten notwendig.

Am 19. Juni wurden zwei spindelfSrmige Sequester yon 7 mm LUnge und 3--4 mm Dieke extrahiert. Von da an sistierten die Besehwerden; die Totalaufmeil~elung hatte zur vollst~ndigen tleilung geftihrt und Patient ist vollkommen wohl und arbeitsf~hig.

Wit" haben hier einen Fall yon schwerer Meningitis voruns, die naeh ihrem Charakter zwisehen die serSse und infektiSs-eitrige zu stellen ist. Vonder serSsen ist sie untersehieden dutch die Farbe des Punktats (die Cerebrospinalflilssigkeit war eitrig getrtibt), yon der infektiSs-eitrigen Meningitis dagegen untersehiedeu dureh das Fehlen yon Mikroorganismen. Die Infektion der Meningen erfolgte veto Labyrintheholesteatom aus, das zu eitriger Ostitis des Felsenbeins geftihrt h a t t e . Bemerkenswert war, dal~ naeh dera autoptischeu Befunde der Operation die Meningitis haupt- s~tchlieh die mittlere Seh~delgrube der erkrankten SeRe ein- bezog und erst die spateren klinisehen Symptome die Ausdeh- hung der Meningitis auf die hintere Seh~delgrube erkennen lassen (starker Opisthotonu's und ~qaekensteifigkeit). Das Ab- flie[~en yon Cerebrospinalfltissigkeit bei der Lumbalpunktion unter verringertem Drueke kSnnte damit zusammenhangen, dab vor der Lumbalpunktion die Dura beider Seh~delgruben inzidiert wur- den. ~Sglieherweise spielen aber aueh noeh die Ursaehen eine Rolle, welche die Autoren ( F r e y , H i n s b e r g ~ K S r n e r , S e h w a r t z e) bisher als Ursaehen des verringerten Abflufidruekes der Cerebrospiualfltissigkeit angesehen haben: meningeale Ver- klebungen am Foramen M a g en d ii oder aber ein wenig fltissiges, viseides, meningitisehes Exsudat.

Die Therapie bestand in der Entfernung des extraduralen Eiterherdes und in der Er5ffnung und Drainage beider Seh~tdel- gruben. Die Lumbalpunktion wurde nur ein einziges Mal vorge- nommen; die Inzision tier Dura war in diesem Falle sowohl

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Klinische Studien zur Chirurgie der otogenen Meningitis. 237

dutch die meningealen Symptoms indiziert, die ganz klar auf die Meningen der ohrkranken Seits, besonders absr auf die mitt- lere Schitdelgrube hinwissen~ sowie durch den autoptisehen Be- fund bei der Operation~ der gleiehfalls einen engen anatomisshen Zusammenhang der Meningitis mi/ den Ver/i, ndernngen in der Ohrregion erkennen liel~. E s i s t u n z w e i f e l h a f t , dal~ l o k a l i s i e r t e m e n i n g e a l e P r o z e s s e a m b e s t e n d u r e h e i n e b r e i t e E r S f f n n n g d e r D u r a b e h e r r s e h t w e r d e n k S n n e n . Besonders ist die Inzision indiziert bei gleiehzeitiger Eneephalitis~ die sieh sodann dureh das Vorquellen der ober- fiiiehlichen Hirnpartien in die SebnittSffnung dokumentiert . Wit erzielen hierdureh sine Herabsetzung des intraduralen Druskes und eine vel'lifl~liehe Drainage. Es ist nur nStig~ dai) man dnrsh eine ausgiebige Enffernung der erkrankten Knoehen- teile die Dura ausreichend und mSgliehst welt fiber das Gebiet der Knochenveriinderungen selbst freilegt. Leider ist ein ttirn- prolaps hiebei nieht zu vermciden.

In diese Gruppe der umschriebenen Meningoenesphalitis gs- hSren unter anderen auch zireumskripte Meningitiden mit s tarker Sehwellung der Kleinhirnhemisphih'e der hinteren Sehiidelgrube in der Region des Sinus sigmoideus in F~tllen yon infektiSser Thrombophlebitis. Bei rcchtzeitiger und ausreishender chirur- giseher Behandlung geben die zireumskripten Mening'itiden bei infekti6ser Thrombophlebitis eine ziemlieh gute Prognose. Ieh kann zur Illustration dieser Erkrankungsform auf folgeuden Fall hinweisea :

Fall V.

Jo sef C. 19 Jahre alt, Tischlergehilfe aus Wien, aufgenommen auf die Universiti~ts-Ohrenklinik in Wien am 30. Juni 1907.

D iag n o s e: Otitis media suppur, chronica sinistra, Cholesteatom, Ex- traduralabszef~ tier mittleren und hinteren Sch~delgrube, Thrombophlebitis des Sinus lateralis.

Th erap ie: Jugularisausschaltung. l~adikaloperation nach Entfernung des Oholesteatoms und Thrombus aus dem Sinus lateralis bis an den Bulbus jugularis. Er(iffnung des Extraduralabszesses, Lumbalpunktion.

Anamn es e : Seit dem i 0. Lebensjahre linksseitige Mittelohreiterung, Patient stand wegen seines Ohrenleidens hie in arztlicher Behandlung. Vor 3 Wochen erkrankte Patient schwer unter Fieber, Kopfschmerz und Schtittel- frost. Wegen Fortdauer der Beschwerden wird Patient in de Klinik gebracht.

S t a t u s p r a e s e n s : Kraftiges, gut genahrtes Individuum, liegt in pas- slyer Rfickenlage, aktive und passive Bewegungen des Kopfes und der ftals- wirbelsaule bedeutend eingeschrankt. Hautsensibilitat unver~ndert, Motilitat und Koordination ohne Stfrung.

O h r be fun d: Linkes Trommelfell destruiert~ im Geh0rgang diinner~ kr~tmeliger Eiter, mikroskopisch reichliche Cholestearinkristalle nachweis- bar, Sekret augerordentlich f~itid. Rechtes Trommelfell stark retrahiert, getrtibt.

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238 XVI. ALEXANDEt~

F u n k t i o n e l l e r Befund:

R. L. 14 m Konv.-Spr. i m 6 m FlY, st -Spr. O

m Akumeter O Weber naeh links

verk. Schwabach verk. - - Rinne - -

verk. C~ leicht verk. verk c4 verk.

Uhr K. + Akumeter K. -~-

R. R keiner

L, spentaner Nystagmus: langsamer~ grobschl~giger -->

Mit dem HSrschlauche wird links Konversatiens- und Fltistersprache ehne Fehler gehSrt.

Augenhintergrund unverhndert, yon Seite der tibrigen Hirnnerven keine krankhaften Erscheirmngen~ keine motorische Aphasie, Dysphasie; Patient butte w~hrend der ~acht Schfittelfrest mit 4112 °,Puls 108, Respiration 24, er klagt ti~)er heftige Kopfschmerzen, die.auf die Gegend des Warzenfortsatzes unddes Planum temporale Iokalisiert sind. diffuse Schwellung der Welch- teildecken des Warzenfortsatzes, bedeutende Spontan- Druckschmerzhaftig- keit daselbst und am Vorderhais.

An den Bauch- and Brusteingeweiden keine nachweisbaren Ver~nde- rungen, keinerlei Schmerzen und Schwellung an den Extremithten.

l. Juli 1907. Operation in Bi l l ro thscher Mischungsnarkose. Frei- legung and Ausschaltung der Vena jugularis intern, sinistr, im mittleren Halsdrittel~ die mh~ig geftillte Vene enth~lt strSme~ldes Blut und wird naeh doppelter Ligatur durchschnitten; 7 cm langer, retroaurikulArer Hautschnitt, yon dessen beiden Enden zwei ~ cm lunge paraltele Haut- schnitte nach rtlckwhrts gezogen werden; bei der AblOsun~ der hinteren hhutigen GehSrgangswand quillt unter bedeutendem Drucke hochgradig f6tider ]~iter, der mit Cholesteatom gemengt ist, vor; nach ErSffnung des Warzeafortsatzes in geringer Tiefe Yorqueilen jauchiger Choiesteatomteile unter Pulsation aus der Gegend der mittleren Sch~delgrube; Durchfiihrung der Radikaloperation, Shuberung der yon Polypen and Cholesteatom erfiillten Paukenh6hle. Auskratzung der Tube; das Schl~fenbein ist an der mittleren uud hinteren Sch~delgrabe weithiu zerst6rt, die Dura im Ausmal]e des Tegmen tympani et antri und ia Bohnengr61~e tiber dem Sinus freiliegend. In der Umgebung des Knochendefektes ist der Knochen fStd eitrig erweicht; late- rule Sinuswand graugriin verfarbt and brt~chig. Vom Sinus aus wird die hintere und mittlere Sch~delgrube in Talergr6i]e freigelegt, Freilegung des Sinus bis auf 4 cm tiber das Knie, nach abw~rts Abtragung der Spitze, Frei- legung des Bulbus, Spa|tun~ uud Abtragung der lateralen Sinuswaud. Der Sinus ist der ganzen Ausdehnung der Pachymeainx entsprecheud thrembe- siert, im Bulbus und im untereu Tell ist der Thrombus erweicht, nach ab- w~rts reicht ein dunkelreter Thrembus sehr welt. Nach Entfernuug der Thromben erfolgt yon beiden Seiten her Blutung, hierauf Verband, Fixation des viereckigen Hautlappens nach vorne mittelst einer Naht.

2. Juli. Erster Verbandwechsel: Einn~hung des peripherenYenenendes dutch zwei Knopfnhhte (Jagul~rishautfistel), Wechsel des Bulbusstreifens, jauchige Sekretion, Entfernung des Streifens am uateren Eude des Sinus, Inzision der Dura der hinteren Sch~delgrube auf ca. ~/2 cm durch die inhere Sinuswand; das Kleinhirn prolabiert einige Millimeter durch die 0ffnung, Hirnoberfi~che ger6tet, Entleerung einiger Tropfen triiben Liquor. Die Lumbalpunktion' ergibt grau getriibten Liquer / 10 ccm ~, Abfhl~druck unver- hndert; mikrosk0pisch: reichliche poiynucleare Leukozythen, keine Mikroor- ganismen).

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Klinische Studien zur Chirurgie der otogenen Meningit is 239

3. Juli. Zweiter Verbandwechsel: Er6ffnung des peripheren Venen- endes, aus welchem h~morrhagisches Sekret entleert wird. Offenhalten des peripheren Venenstilckes durch Einftihrung yon feuchtem Jodoformdocht; Verbandwechsel am Bulbus.

4. Juli. Dr i t te rVerbandwechseh Oberflhchliche Ktirzung aller Streifen, Verbandwechsel am Bulbus und an der Jugularis.

5. Juli. Vierter Verbandwechsel: Reichliche Sekretion dnrch das peri- phere Venenende; Entfernung der Streifen aus der Paukenh6hle.

6. Juli. Ffinfter Verbandwechsel: F6tides Sekret in der Btilbusgegend. Es wird H20 : verwendet, feuchte Jedoformgaze.

7. Juli. Verbandwechseh Sekretion aus dem peripheren Jugularisende. 8. Juli. Verbandwecbseh Sekretion aus dem peripheren Jugularisende. 9. Juli. Verbandwechsel. 11. Juli. Patient befindet sich wohl, Wunde

fiber der Jugularis granulierend. Jauchiger Ei te r im oberen Teile der Wunde tiber dem Warzenfortsatze. 12. Juli. Status idem. 13. Juli. Ver- bandwech sel.

14. Juli. Im oberen Teile zeigt die Wunde grol]e Neigung zum Ver- schln~. In der Sinusgegend noch jauchige Sekretion.

16. Juli. Verbandwechsel. 17. Juli. Verbandwechsel. JauchigeEi terung. l~. Juli. Verbandweehsel. Jauchige Eiterung. 19. Juli. Verbandwechsel. Jauche in der Gegend des S inus 20. Juli. Verbandwechsel. Jauche in der Gegend des Sinus. 22. Juli. Verbandwechseh Die Sekretion wird geringer und weniger f6tid. Granulationen spriel~en tiber der ganzen Wundflhcbe auf. 23. Jali. Verbandwechsel. 24. Juli. Verbandwechsel. Die Halswunde sezerniert nicht mehr. 25. Jali. Verbandwechsel. 2tl. Juli. Verbandwechsel. Keine Verhnderung. 27. Juli. Verbandwechsel. Keine Verhnderang. 2S. Juli. Verbandwechsel. 29. Juli. Verband.

51. Juli. Pat ient klagt tiber starken Schwindel. Spontaner rotatorischer Nystagmus nach beiden Seiten.

i. August. Verbaadwechsel. Sekretion gering und geruchlos. Rota- torischer Nystagmus geringer als gestern, kein Schwindel.

3. August. Verbandwechse[: Geringe und geruchlose Sekretion. Rota- torischer ~ystagmus nach beiden Seiten~ kein Schwindel.

5. August Status wie gestern. 7. August. Plastik. 9. August. Ver- bandwechsel, l i . August. Verbandwechsel. Pat ient wird entlassen un,i der weiteren ambulatorischen Nachbehandlung zuge~iesen.

15. August. Verbandwechsel. Das Gehirn ist stark prolabiert. Pat ient hat starken 5~ystagmus nach beiden Seiten. Deutliche Gleichgewichts- st6rungeu, auch Koordinationsst6rungen auf der linken Seite sind vorhandeu. Linkes Ohr taub.

19. August. Nach 10 Drehungen (Drehstuhl} nach links rotatorischer Nystagmus nach rechts beim l:llick geradeaus durch I0 Sekunden.

:Nach 10 Drehungen nach rechts rotatorischer Nystagmus nach links beim Blick geradeaus durch 10 Sekunden.

29. August. Spontaner Nystagmus nach beiden Seiten, jedoch sthrker nach rechts. Auf dem Drehstuhl: Nach 10 Drehungen nach rechts kein ~ystagmus nach links beim Brick geradeaus. Nach l0 Drehungen nach links: horizontaler Nystagmus nach rechts beim Blick geradeaus durch 20 Sekunden. Das Gehira ist sthrker prolabiert als vor einer Woche

14. September. Spontaner, grobschl~giger~ horizontaler Nystagmus nach beiden Seiten. Nach l0 Drehungen nach links bei aufrechtem Kopf horizon- taler ~ystagmns nach rechts beim Blick geradeaus durch 12 Sekunden. ~ach 10 Drehungeu nach rechts kein Nystagmus beim Blick geradeaus.

18. September. Horizontaler Nystagmus nach beidea Seiten, stg~rker nach rechts, jedoch schw~cher als frtiher.

A u f dem Drehstuhl : ~'ach 10 Drehungen nacb 1 Kopf gerade her. <- N. n. r 13"

~ ~ r ~ ~ --> ~ ~ I 6 '~ ~ ~ 1 ~ vorne geneigt rot ~- N. n. r ii ~

~ ~ ~ r ~ ~ ~ --> ~ ~ 1 5 t~

Page 19: Klinische Studien zur Chirurgie der otogenen Meningitis

240 X¥I. ~ LEXA:NDER

Mit dem HSrschlauch wird Konversationssprache ohne Fehler, Fltistersprache mit Fehlern geh6rt.

8. Oktober. Das linke Labyrinth reagiert nicht und mit dem Hfirschlauch wird Inure Konversationssprache nicht geh6rt. Weiterer Verlauf reaktionslos.

Dem oben mitgeteilten Fall kSnnte eine ganze Reihe ana- loger Beobachtungen angesehlossen werden. Es handelt sieh dabei um Falle yon infektiSser Sinusthrombose mit meningi- tisehen Symptomen. Die Sinusthrombose wird naeh der Methode der Sinnsausschaltung operiert, und entweder unmittelbar naeh der Operation oder 24 Stunden spater wird im ~iveau des Sinus oder in seiner unmittelbaren Nachbarschaft durch Inzision der Dura der hinteren Sehadelgrnbe erSffnet. Das Kleinhirn quoll vor. Unter tagliehem Verbandweehsel gehen die meningealen grseheinungen allmahlieh zuriiek. Das Lumbalpunktat in allen diescn Fallen ist mehr weniger eitrig-getrtibter, steriler Liquor. Die meningi- tisehen Erseheinungen gehen in diesen Fallen yon tier entztind- lich veranderten Siuuswand selbst aus und bestehen in Paehy- meningitis externa und interna und ftihren weiterhin zur Lepto- meningitis and Encephalitis. Wird die Durainzision unterlassen oder zu spat vorgenommen, so besteht die grSi~te Gefahr~ dal~ die umsehriebene Meningitis, bei weleher naeh dem Lumbal- punktionsbefund der intradurale Raum noeh bakterienfrei ist~ in- fektiSs wird und endlieh eine diffuse infektiSs-eitrige Meningitis Gntsteht. Bei der Sektion ist man keineswegs haufig in der Lage 7 den direkten Zusammenhang zwisehen der eitrigen Meningitis und Sinusthrombose naehzuweisen, manehmal aber zeigt sigh bei diffus ausgebreiteter eitriger MGningitis besonders der Kleinhirnpol der ohrkranken Seite gesehwollen, stark eitrig belegt. In zwei Fallen lie• sieh ein deutlieher Abdruek der medialen Sinus- wand an der Kleinhirnhemisphare demonstrieren, Gin Zeichen der starken Sehwellung uud Infiltration des Gehirns. Einen ganz ahnliehen Befund finde ieh bei M a c e w e n verzeiehnet und abgGbildet.

Spontanheilung zirkumskripter Meningitideu bei Sinusthrom- bose ohne Durainzisiou sind sieher selten, zumindest selten naeh- weisbar. In dieser Richtung dtirfte die Mitteilung des folgendGn Falles nieht ohne Interesse sein:

Fall YL Josef S., 37 Jahre air, aus Wien, aufgenommen auf die Ohrenklinik

am 8. April 1906. Diagr/ose: Otitis media suppur, chronica. Sinusthrombose. Pachy-

meningitis externa purul, chronica. Th er apie: Jugularisausschaltung. Radikaloperation. Freilegung der

Dura. Plastik naeh Panse.

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Klinische Studien zur Chirurgie der otogenen Meningitis, 241

Anamnese: Patient hat seit elf Jahren Eiterung der beiden Ohren mit herabgesetztem H6rverm0gen. Wegen dieses Ohrenleidens wurde er ausw~rts behandelt. Vor 8 Tagen bekam er Kopfschmerzen und Fieber. Vorgestern nnd gestern hatte er Schtittelfr6ste and Schwinde], jedoch kein Erbrechen.

L i n k e s 0 h r : Grol~e Perforation im hinteren, unteren Quadranten, wenig Sekret.

R e c h t e s Ohr : Geh6rgang verengt und yon fStidem Eiter erfiillt. Granulationen.

Rechter Warzenfortsatz warmer als der linke. Starke Druckempfind- lichkeit an demselben und im Hinterkopf.

R. L. 4m Konv.-Spr. 8u. 10m 1 m Fliist.-Spr. 5 m

,, Akumeter , Schwabach verkiirzt

Rinne - - stark verk. C1 -~-

Uhr K. + kein spontaner Nystagmus kalorischer ~ } galvanischer normal Nystagmus nach Drehung keine Gleichgewichtsst6rungen

8. April. Operation in Billrothscher Mischungsnarkose. DierechteJugularis wird in der iiblichen Weise freigelegt und ausgeschaltet. Die Jugularis enth~dt str6mendes Bluff Radikaloperation. Der Warzenfbrtsatz zeigt sich hochgradig sklerosiert. Am Sinus ist der Knochen erwelcht, gegen das Antrum von stinkenden Cholesteatommassen erffillt. Plastik nach Panse. Freilegung der mittleren und hinteren Schadelgrube sowie des Sinus transversus. Die laterale Sinuswand ist graugelb verf~rbt. Ausgedehnte eitrige Pachymenin- gitis externa. Freilegung des Sinus his in die gesunde Gegen4 Nach Spal- tung der Dura finden sich s t a r k e l e p t o m e n i n g i t i s c h e V e r l 6 t u n g e n . Er6ffnung des Sinus transversus. Es ist eiae wandstandige Thrombose vor- handen. Wundversorgung. Verband.

9. April. Patient hat nicht erbrochen~ relatives Wohbefinden. 10. April. Patient hat keine subjektiven Erscheiaungen, er nimmt

fltissige Nahrung zu sich. Refund des Eiters aus dem pathologisch-ana- tomischen Institut (it. April 1906): Streptokokken in Reinkultur.

16. April. Sekund~rnaht. 19. April Relatives Wohlbefinden. 25. April. Yerh0oltnism~fiig uerin~e Sekretion. 26. April. Relatives Wohlbefinden. T~g* licher Verbandwe~chsel ~. 1. Mat. Status idem. 7. Marl Status idem. 10, Magi. Die lugulariswunde ist geheilt,

II. Mat. Patient wird entlassen und zur ambulatorischen Nachbehand- lung bestimmt.

Seither vollkommen geheilt.

Die Meningi t i s ha t te zur Zei t de r Opera t ion der Tbrombo- phleb i t i s za e ine r umscbr i ebenen Ver lS tung der P a e h y - a n d L e p t o m e n i n x geft ihrt . Aueb b ier zeigte sich wiede r das enge topograph i sehe Verh~l tnis zwisehen den i n t r a d n r a l e n Ver~tnde- r u n g e n und den der P a c h y m e n i n g i t i s e x t e r n a en t sp rechendea P laques . I n t r a d u r a l e V e r k l e b n n g e n k5nnen allerdir~gs ebenso- sehr den Beg inn als den E n d a n s g a n g e iner Meningi t is dar -

stel len. I n unserem F a l l e k e n n z e i e h n e t e n sie wohl den Beg inn der

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242 X¥I. ALEXANDEK

]~ieningitis: Der Patient hat vorher keinerlei klinische Syrup- tome der Meningitis geboten. Der irrtraduralen Infektion und der eitrigen Meningitis wurde hier dureh die frtihzeitige In- zision vorgebeugt.

Es ist auffallend, dal~ nmschriebene Meningitiden bei oti- tiseher Sinusphlebitis so h~tufig gefunden werden. Es mag dies davon abh~ngen, da[5 die Sinusphlebitis fast stets mit einer Paehymeningitis externa nicht selten mit Paehymeningitis in- terna 1) verbunden ist. Von der Paehymeninx kann sieh der entzilndliche Prozel~ sehr leieht gegen das Gehirn fortpflanzen und besonders die Pachymeningitis interna sehliel]t die Gefahr einer Mening0-EneePhalitis in sieh.

Typisch sind meningitisehe Ver~nderungen in F~llen yon otitischem ttirnabszel~ festzustellen. Sie seheinen h~ufiger einer diffusen meningealen Erkrankung zu entspreehen und zeigen nur selten eine Lokalisation zur ohrkranken Seite. Ieb kann hier eine bemerkenswerte Beobaehtung anfilhren.

1) Alexander, Monatsschrift f. Ohrenheilkande.

(Fortsetzung folgt.)