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Archiv für Dermatologie und Syphilis, Bd. 198, S. 258--273 (1954). Aus der Universitgts-I-Iautklinik ttamburg-Eppendorf (Direktor: Professor Dr. Dr. J. KIM_~rm). Klinische und mykologische Untersuchungen zur Frage der tIaarpathogenität von Epidermophytie-Erregern. Von K. H. SCHULZ, H. RIETH und C. SCHIRREN. Mit 13 Textabbildungen. (Eingegangen am 6. Februar 1954.) Angeregt durch die Veröffentlichung v o n ~V[IESCI4ER, FISCHER und WAL~~ über einen Fall von follikul~rer Triehophytie mit der bisher noch nicht beschriebenen Lokalisation des KAUFMANn-WoLf-Pilzes in den Itaarfollikeln der Unterschenkel, hatten wir Gelegenheit, bei 3 ~hnlichen Krankheitsf~llen -- im Gegensatz zu vorher gestellten Diagnosen -- die Pilznatur der Erkrankung nachzuweisen 1. Über die klinischen Befunde sowie über die Ergebnisse der eingehenden mykologischen Unter- suchungen und den sich daraus ergebenden Folgerungen soll hier be- richtet werden. Fall I. Margarete S., 37 Jahre alt, Prof.-Nr. 2747/53. Vorgeschichte. Die Par., die aus völlig gesunder Familie stammt, hatte früher außer Kinderkrankheiten keine ernstlichen Erkrankungen durchgemaeht. Sie gab auf Befragen an, daß sie seit der Jugend unter kalten Füßen und Beinen litte; beson- ders bei feucht-kalter Witterung traten an den Unterschenkeln lividrote Veffgr- bungen auf. Zur jetzigen Erkrankung. Etwa vor 6--7 Jahren bemerkte Par. Brüchig- keit und Aufsplitterung einzelner Zehennägel. Einige Zeit spgter seien an den Fuß- gelenken kleine gerötete, schuppende Herde aufgetreten, die sich im Laufe der folgenden Jahre auf die Untersehenkel ausgebreitet hatten, und zwar in der Form, da~ die Vergnderungen peripherwgrts fortgeschritten waren und einen h~arlosen ùabgegrasten" Bezirk zurückgelassen hatten. Juckreiz wechselnder Intensitgt. Par. wurde bisher von mehreren Ätzten mit verschiedenen Salben und Tinkturen behan- delt. Unter der Diagnose Erythema induratum Bazin erhielt sie 2 Monate lang Isonicotins~urehydrazid. Be/und. Die Untersuchung der Patientin ergab an den inneren Organen keinen krankhaften Befund. WaR, MKI~ und Citochol negativ. BSG: 4/9; Blutbild, Urin o.B. Die Füße, die distalen Teile der Unter- schenkel and die I-I~nde waren im Sinne einer Alcrocyanose livid gef~trbt und fühlten sich knit an. Die N~gel der 1., 2. und 5. Zehe beider Füße waren verdickt und aufgesplittert; die Zwischenzehenregionen mehrerer Zehenspalten zeigten das Bild einer Interdigitalmylcose. 1 Siehe Nachtrag am Schluß der Arbeit.

Klinische und mykologische Untersuchungen zur Frage der Haarpathogenität von Epidermophytie-Erregern

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Page 1: Klinische und mykologische Untersuchungen zur Frage der Haarpathogenität von Epidermophytie-Erregern

Archiv für Dermatologie und Syphilis, Bd. 198, S. 258--273 (1954).

Aus der Universitgts-I-Iautklinik ttamburg-Eppendorf (Direktor: Professor Dr. Dr. J. KIM_~rm).

Klinische und mykologische Untersuchungen zur Frage der tIaarpathogenität von Epidermophytie-Erregern.

Von K. H. SCHULZ, H. RIETH und C. SCHIRREN.

Mit 13 Textabbildungen.

(Eingegangen am 6. Februar 1954.)

Angeregt durch die Veröffentlichung v o n ~V[IESCI4ER, FISCHER und WAL~~ über einen Fall von follikul~rer Triehophyt ie mit der bisher noch nicht beschriebenen Lokal isat ion des KAUFMANn-WoLf-Pilzes in den Itaarfoll ikeln der Unterschenkel , ha t t en wir Gelegenheit, bei 3 ~hnlichen Krankheitsf~l len - - im Gegensatz zu vorher gestellten Diagnosen - - die Pi lznatur der E r k r a n k u n g nachzuweisen 1. Über die klinischen Befunde sowie über die Ergebnisse der eingehenden mykologischen Unter- suchungen und den sich daraus ergebenden Folgerungen soll hier be- r ichtet werden.

Fall I. Margarete S., 37 Jahre alt, Prof.-Nr. 2747/53.

Vorgeschichte. Die Par., die aus völlig gesunder Familie stammt, hatte früher außer Kinderkrankheiten keine ernstlichen Erkrankungen durchgemaeht. Sie gab auf Befragen an, daß sie seit der Jugend unter kalten Füßen und Beinen litte; beson- ders bei feucht-kalter Witterung traten an den Unterschenkeln lividrote Veffgr- bungen auf. Zur jetzigen Erkrankung. Etwa vor 6--7 Jahren bemerkte Par. Brüchig- keit und Aufsplitterung einzelner Zehennägel. Einige Zeit spgter seien an den Fuß- gelenken kleine gerötete, schuppende Herde aufgetreten, die sich im Laufe der folgenden Jahre auf die Untersehenkel ausgebreitet hatten, und zwar in der Form, da~ die Vergnderungen peripherwgrts fortgeschritten waren und einen h~arlosen ù abgegrasten" Bezirk zurückgelassen hatten. Juckreiz wechselnder Intensitgt. Par. wurde bisher von mehreren Ätzten mit verschiedenen Salben und Tinkturen behan- delt. Unter der Diagnose Erythema induratum Bazin erhielt sie 2 Monate lang Isonicotins~urehydrazid.

Be/und. Die Untersuchung der Pa t ien t in ergab an den inneren Organen keinen k rankhaf t en Befund. W a R , MKI~ und Citochol negativ. B S G : 4/9; Blutbild, Urin o.B. Die Füße, die distalen Teile der Unter- schenkel a n d die I-I~nde waren im Sinne einer Alcrocyanose livid gef~trbt und fühl ten sich knit an. Die N~gel der 1., 2. und 5. Zehe beider Füße waren verdickt und aufgespl i t ter t ; die Zwischenzehenregionen mehrerer Zehenspal ten zeigten das Bild einer Interdigitalmylcose.

1 Siehe Nachtrag am Schluß der Arbeit.

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Untersuchungen der ltaarpathogenit~t von Epidermophytie-Erregern. 259

An beiden Unterschenkeln fanden sich im distalen Drittel vorwiegend an den Innen-, Streek- und AnBenseiten, in geringerem Maße auch an den Beugeseiten zahlreiche follikular angeordnete, entzündlich gerötete Knötchen und Knoten, die meist von Krusten oder Schüppchen bedeckt waren. Einige dieser Herde t ra ten st~rker hervor und erreichten etwa Haselnußgröße. Neben diesen infiltrierten Herden waren fleckförmige fingernagel- bis markstückgroße gerötete Herde vorhanden, die von großlamellÖsen Schuppen bedeckt waren. Die Veränderungen befanden sich am Rande, vereinzelt auch inmitten von bis handfl~chengroßen, glat- ten Bezirken, in denen die Haare in Höhe des Haut- niveaus abgebrochen wa- ren. Es entstand so der Eindruck, daß diese Be- zirke früher Sitz der ent- zündlichen Hauterschei- nungen waren und daß von dort ans der Pro- zeß peripherwgrts fort- geschritten ist. An einzel- nen Stellen des befallenen Bezirkes sah man hirse- korngroße eingesunkene

Ngrbehen. (Siehe Abb. 1 .) Abb. 1. Follikuläre Knötchen und fleckförmige schuppende Zur Untersuchung Herde an den Unterschenkeln.

auf pathogene Hautpflze wurde Material von den erkrankten Zehennageln und aus den Inter- digitalrgumen, sowie Schuppen und abgebrochene Haare von den Bein- herden entnommen. Sowohl in den Schuppen als auch in den Haaren ließen sieh im Nativpr~parat (15% Kalflauge) Pilze nachweisen, und zwar massenhaft typische Pflzf~den in der Epidermis nnd in den •ggeln; um das Haar herum zahlreiche, meist versporte Pilze, im Haarinnern einzelne Hyphen and Sporen. (Siehe Abb. 2--4.)

Auf weitere mykologisehe Untersuchungen und den sich daraus er- gebenden Folgerungen soll weiter unten im Zusammenhang eingegangen werden.

Intracutanreak~ion auf Trichophytin 1:300 stark positiv. Die histologisehe Untersuchung eines follikulgren Knotens ergab in der I~Igmatoxy]in-Eosinfgrbung ein dichtes entzünd]iehes Infiltrat, das den Ha~rfollikel unmittelbar umgab und sich bis nahe an die Cutis-Subcutisgrenze erstreckte. Es setzte sich vorwiegend aus Lymphoidzellen und ttistiocyten zusammen; daneben fanden sich auch poly- nuldeßre Leukoeyten, Eosinophile und vereinzelt Plasmazellen. Zur Darstellung der

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260 K . H . SCHULZ, H. RI~¢I~ und C. Sc~m~~~:

Pilze im histologisehen Schnitt wurde die F&rbung nach HOTCHKISS modifiziert angewandt. Im einzelnen gingen wir dabei wie folgt vor:

Nach Fixierung in Formalin, Einbettung in Paraffin wurden die entparaffinierten Schnitte 5 min lang in alkoholischer Perjodsäurelösung nach HOTC~ZKISS oxydiert und im Anschluß daran 5 min mit einer Jodid-Thiosulfatlösung behandelt; (1 g Kaliumjodid, 1 g Natriumthio- sulfat in 20 cm 3 Aqua. dest. und 30 cm 8 Me*hylalkohol). Spülen in 70% Alkohol und Nachwaschen in Sehwefelwaschlösung 3mal 5 min (50,0 Aqua. dest., 0,5 konz. ItC1 und 0,2 g Kalium-metabisulfit).

D i e P i l ze z e i g t e n sich dunke l -

ro t g e f ä r b t in k u r z s e p t i e r t e n

H y p h e n u n d Sporen , u n d z w a r

sowohl im H a a r i n n e r n a]s a u c h

in u n m i t t e ] b ~ r e r U m g e b u n g des

H a a r e s . (S iehe A b b . 5 u . 6.)

ùFall Æ. Ingrid H., 18 Jahre alt, Prof. Nr. 10004/53.

Den Angaben dieser Par. zufolge Abb. 2. stellten sich 1951 zwischen den Zehen

Versehlungenes Pilzmycel in Interdigitalschuppen. des re. Fußes Juckreiz und Bläschen- (Phasenkontrastaufnahme mit Zeiss Opton.)

bildung ein; etwa 1 Jahr sp~itcr wären die Zehennägel dieses Fußes brüchig geworden und weitere 2--3 Monate später hätte Par. an der Streckseite des re. Unterschenke]s gerötete,

Abb. 3. Haar mit versporten Pilzhyphen. Schicht- Abb. ~. Dichtes l~Iycel und aufnahme mit Scharfcinstellung auf das äußere Sporcnhaufen.

Drittel des Haares. (Aufgenommen mit Zeiss Opton.) (Aufgenommen mit Zeiss Opton.)

knötchenartige, schuppende Herde bemerkt, die sich langsam peripherwärts ausgebreitet hätten. Früher sei Pat. niemals hautkrank gewesen. Außer den

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Untersuchungen der Haarpathogenität von Epidermophytie-Erregern. 261

Kinderkrgnkheiten Masern und Keuchhusten hätte sie auch sonst keine ernsten Erkrankungen durehgemacht.

Be/und. Bei der Untersuchung fand sich eine Akroeyanose geringen Grades an oberen und unteren Extremitäten. Die inneren Organe zeigten keinen krankhaften Befund.

Alle 5 Nägel des rechten Fußes waren verdiekt, aufgesplittert und schmutzig-grau verfärbt. Die Zwisehenzehenräume desselben Fußes

Abb. 5. Sehrägschnitt durch den Haarfollikel. Eng sep- tierte Hyphen und Sporen. (Färbung nach t{0TCIIKISS.)

Abb. 6. Vergrößerung zu Abb. 5.

wiesen unregelmäßig begrenzte, schuppende Bezirke auf. An der Streek- seite des rechten Untersehenkels, dicht oberhalb des Sprunggelenkes fanden sieh in bogiger Anordnung mehrere fleekförmige fingernagelgroße, runde bis ovale, gerötete Herde, die einen Sehuppensaum trugen. Da- neben sah man fo]likulär angeordnete, knötehenförmige, etwa erbsgroße gerötete Efflorescenzen, die auf der Kuppe eine weißliehe Schuppung aufwiesen und deren Umgebung eine Anzahl kurz über dem Hautniveau abgebrochener Itaarstümpfe zeigte.

Im Kalilaugepräparat ließen sieh mikroskopisch sowohl in den Schup- pen der tteekförmigen als auch in den Haarstümpfen aus den knötchen- förmigen Herden mikroskopisch Pilzhyphen und Sporen nachweisen, und zwar gelang der Pilznaehweis in den Haaren erst nach Herauskratzen eines Follikels mit dem scharfen Löffel. (Siehe Abb. 7.)

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262 K.H. SenuLz, H. I~I]~TH und C. SCHI~R]~~:

I n Nagelmater ia l u n d in Schuppen der Zwischenzehenräume k o n n t e n zahlreiche, zum Teil versporte 1V[yce]ien festgestellt werden; insgesamt waren die H y p h e n etwas dünner als im Fal l 1. Die Ergebnisse der kul- ture l len Un te r suchungen sollen weiter u n t e n mitgete i l t werden.

Trichophytinreaktion 1 : 300 stark positiv. WaR und MKR, Citochol negativ. BSG: 4/10. Blutbild und Urin o.B. Die

histologische Untersuchnng eines ~olliku]ären Knötchens zeigte auch hier wie im Fall I im HE-Praparat ein dichtes entzündliehes Iniiltrat, das sich von der Umgebung des Haarfollikels bis

Abb. 7. Bcginnendcr Pilzbeßll des Haares. Wachs- Abb. 8. Pilzhyphen im ttaarfollike] tmn ektothrich. (Aufgenommen mit Zeiss Opton.) (Färbung nach HOTCHKISS).

zur Cutis-Subcutisgrenze erstreckte und sicil aus Lymphoidzellen, Histiocyten, polynuldeären Leukocyten, einzelnen Eosinophilen und Plasmazellen zusammen- setzte.

Die f~rberische Dars te l lung von P i l zhyphen u n d Sporen im Haa r u n d in unmi t t e lba re r U m g e b u n g des Haares gelang auch hier mi t Hilfe der oben angegebenen F~rbetechnik . (Siehe Abb. 8).

Fall I I I . He]ga K., 23 Jahre alt, Prot. Nr. 1273/53. Auch diese Par. hatte früher außer Kinderkrankheiten keine ernsten Erkran-

kungen durehgemacht. Sie bemerkte erstmals schon vor etwa 10 Jahren das Auf- treten eines schmerzlosen geröteten Knotens an der Außenseite des li. Unterschen- kels. In der Folgezeit seien immer neue derartige Knoten aufgetreten, die sich jeweils im Laufe von einigen Wochen wieder zurückbildeten. Kurz vor den zu erwartenden Menses seien die Herde immer besonders hervorgetreten. Die Erschei- nungen hätten sich im Laufe der Jahre weiter ausgebreitet. Seit Sommer 1952 wurde Par. von anderer Seite unter der I)iagnose Ery~hema induratum Bazin mit Vitamin-D2

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Untersuchungen der Haarpathogenit~t von Epidermophytie-Erregern. 263

und Isonicotins~urehydrazid ohne Erfolg behandelt. W~hrend eines mehrwöehigen Sommeraufenthaltes an der Ostsee seien die Erscheinungen vorübergehend ab- geklungen.

Be]und. Die Pat ient in wies an den inneren Organen keinen krank- haften Befund auf. Die Thoraxorgane waren röntgenologisch o. B. BSG: 3/7; im Blutbild, Urin sowie in den Serumeiweißlabilitätsproben keine Besonderheiten.

Auffallend war auch bei dieser Patientin eine livide Verfärbung der Hände und distalen H~lften der Untersehenkel im Sinne einer Akro- cyanose.

An der Beugeseite des linken Unterschenkels fanden sich im unteren Drittel mehrere erbs- bis bohnengroße, entzündlich gerötete, infiltrierte, schmerzlose Knoten, die auf der Kuppe einzelne großlamellöse Schuppen trugen oder auch vereinzelt follikul~re Pustelbildungen zeigten. Ober- halb dieser unscharf begrenzten Knoten zeigte sich ein handte]lergroßer glatter Bezirk, in dem die meisten Haare in Höhe des Hautniveaus ab- gebrochen waren; daneben fanden sich einzelne runde bis ovale» etwa linsengroße flache Narben. Zwisehenzehenr~ume sowie die Sohle des linken Fußes waren Sitz von umschriebenen, etwa fingernagel- bis mark- stückgroßen, desquamierenden Bezirken. Es sei an dieser Stelle ein- gefügt, daß der Patientin die sehuppenden Part ien am linken Fuß selber niemals aufgefallen waren. - - Die N~gel zeigten keine pathologischen Ver~nderungen.

Wie bei den beiden ersten F~llen ließen sieh auch hier in Haaren so- wie in Schuppen von der Fußsohle im Kali laugëpräparat - - allerdings erst nach längerem Aufhellen - - Pilzhyphen und Sporen nachweisen. Auf eine bildmäßige Wiedergabe dieses Befundes kann daher verziehtet werden. Die Ergebnisse der kulturellen Identifizierung der Pilze finden sich weiter unten.

Im histologisehen Präparat (ItE-Färbung) sah man auch hier in der Nachbar- schaft eines ttaarfollikels eine massive Infiltration von Lymphoidzellen, Histio- cyten und einzelnen Eosinophilen. Daneben in Cutismitte eine Abseeßbildung, mit Kerntrümmern und polymorphkernigen Leukoeßen durchsetzt.

Epikrise. Es handelt sich bei den 3 Kranken um Frauen im gesehleehtsreifen

Alter, bei denen sich mehrere Jahre nach dem Auftreten von Fuß- bzw. Nagelmykosen juckende t tau tveränderungen an den Unterschenkeln ge- zeigt hatten, die einerseits aus follikul~ren, entzündlichen, knötchen- förmigen Effloreseenzen - - die auch den Fall von MIESCHER, FlSCm~I~ U. W ~ C H charakterisierten - - , und andererseits aus umsehriebenen, fleekförmigen, sehuppenden Herden bestanden. Durch den Nachweis, von pathogenen Hautpi lzen sowohl in Schuppen als auch in den Haaren konnten diese Vergnderungen als Mykosen identifiziert werden.

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264 K.H. ScHuLz, H. RI~TH und C. SeI~IRR]~~ :

Neben diesen Erscheinungen verdienten bis handflächengroße, glatte, auf den ersten Blick als haarlos anzusehende Bezirke besondere Beach- tung, in denen - - wie sieh bei näherer Untersuchung herauss te l l t e - -d ie von Myceten befallenen Haare etwa in I-Iöhe des I-Iautniveaus abge- broehen waren. Die frischen Veränderungen fanden sich meist am Rande dieser glat ten Hautpar t ien, so daß der Eindruck entstand, als seien diese Bezirke bereits , abgegras t" .

Bei allen 3 Kranken lag eine Akroeyanose in mehr oder weniger star- ker Ausprägung vor und es erscheint wahrscheinlich, daß derartige Zir- kulationsanomalien wie für viele chronisch-entzündliche Prozesse an den Unterschenkeln (z. B. Ery thema induratum Bazin) auch für die Ent- wicklung der follikulären Triehophytie als ein prädisponierender Faktor anzusehen sind.

Differentialdiagnostiseh waren in erster Linie banale Folliculitiden und Tuberkulide in Betracht zu ziehen. In Fall 3 bestand sogar eine ge- wisse morphologische Ähnlichkeit mit Ery thema indnratum Bazin; die Pat ient in wurde auch nahezu 1 Jahr lang unter dieser Diagnose behan- delt. Das Vorkommen von umschriebenën, fleekförmigen, schuppenden Herden sowie von zahlreichen abgebrochenen Haaren neben den folli- kulären entzündlichen Knoten wiesen in allen Fällen auf eine ~ykose hin. Der Pilznachweis brachte den endgültigen Beweis.

Ergebnisse der mykologisehen Untersuchungen. Pilzkulturen. In den Erstkul turen (pro Fall 20--60) auf Diagnostik-

Agar (KIMMIG) nach 4- -5 Tagen Wachstumsbeginn. i n Fall 1 und 3 üppiges weißes, flaumiges Mycel aus fast allen inokulierten Teilchen, so- wohl aus Schuppen, Nägeln, Bläschendecke, Bläscheninhalt, wie auch aus den Haaren. In Fall 2 erst nach 5- -6 Tagen etwas langsameres Wachstum, weiße, etwas hMbkugelige Scheibe mit etwas kürzerem 1V[ycel, ebenfalls ans Epidermissehuppen, Nagelteilchen und Haaren. Nach etwa 14 Tagen Rotfärbung des Mycels und des Agars, der nach Ab- schaben der Pilzdecke speckig rot glänzt (K~LLE~).

Identi/izierung. Um zu einer möglichst stichhaltigen Benennung der Pilze zu gelangen, wurden Kul turen auf folgenden Nährböden angelegt und mehrere Monate hindurch beobachtet :

1. Glucose-Agar (4%) nach SABOUn~vn; 2. Pepton-Agar (3%) nach SA?aOU- ~AUD; 3. Pilzprüfagar I I I nach G~ffTZ; 4. Diagnostik-Agar nach KI~MIG; 5. Kar- toffel-Karotten-Agar; 6. ttemmagar nach GöTZ; 7. Peptonlösnng (10%) nach GöTz; 8. Reiskörner; 9. Erde-Agar nach V~~B~EUSEGH]~~ und rAN B~VSSEL; ferner wurden Untersuchungen im hängenden Tropfen und mittels Deekglaskulturen vor- genommen und die Anastomosenbildung nach vA~ UDE~ geprüft. Zum Tierversueh wurden M&use und Meerschweinchen herangezogen. Über die Ergebnisse wird in der Tabelle berichtet.

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Untersuchungen der Haarpathogenität von Epidermophytie-Erregern. 265

Tabelle 1.

Untersuchungs- Fi lzs tamm ]?at. 3I. S. (Fall 1) Pi lzs tamm methode und tl:. K. (Fall 3) Par . I. H. (Fall 2)

Glucose -Agar

Pepton-Agar

@RÜTZ IiI-Agar

KIMI~IIG-Agar

Kartoffel- Karotten-Agar

Hemm-Agar

Peptonlösung

t~eisköruer

Erde-Agar

Itängender Tropfen

Deekglas-Kultur nach PLAUT

rAN U])EN- Kulturen

Mäuse-Versuch

1V[eerschwein- chen-Versuch

rasch waehsend, weiß, flaumig, mitunter konzentrische t~inge, nach 3 Wochen mehr gelblich, körnelig, stellenweise pleomorph, einige Kulturen eerebriform

spärlieher gewachsen, weiß bis cremefarben, flaumig

wie auf Glucose-Agar, aber üppiger gewachsen

aal raschesten und kräftigsten gewachsen, sehr reiche Frucht- bildung

weiß, flaumig, reiche Frucht- bildung, mehr Makroeonidien

lange rasch wachsende I-Iyphen

üppiges Oberfläehenwaehstum, weiß, flaumig

weißer Flaum, reiche Frucht- bildung

gut gewachsen, weiß, flaumig, stellenweise körnelig

rasch keimende Sporen, sehr bald dicht versehlungenes Myeel

Geradlinige and verzweigte sep- tierte Mycelfäden, teilweise Myeelversporung, Mikroeonidien vorwiegend in Trauben, aber auch entlang den tIyphen, zahl- reiche Spiralen, Chlamydosporen, vereinzelt Spindeln

Anastomosenbildung mit anderen KAUF1E[A1N«N-WOLF -Pilzstämmen

nur geringe Haftung Haare nicht befallen

abortiver Verlauf Haare nicht befallen

langsamer wachsend, erst flaumig, später pulverig, Myeel weiß, sektorenweise auch rot, sonst durchschei- nend purpurrot, Agar pur- purrot; wenig Pleomorphis- mus

weiß, flaumig, Agar kaum gefärbt

wie auf Glucose-Agar, Mycel rötlicher

rascher gewachsen, aber we- niger stark gefärbt

weiß, flaumig, bis pulverig, rötlich

langsamer waehsend

teils oberflächlich, teils sub- mers waehsend

weiß-rötlieher Flaum

kaum sichtbar

langsamer keimend, dünne- res Myeel

Mikroconidien vorwiegend sei~enständig, birnförmig, aber auch in Trauben, Chla- mydosporen, mehrkämm- rige Spindeln, I~aquette- hyphen, Myeel dünn, ver- zweigt, sep~iert

Anastomosenbildung miß Rubrumstämmen

nicht angegangen

nicht angegangen

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266 K.H. SCHULZ, H. I~IET]t und C. SCHIRREN:

Benennung der isolierten Pilzstämme. Ohne Kenntnis der Tatsache, daß ein Teil der isolierten Pilze direkt

aus dem Haar gezüchtet worden war - - sie unterschieden sich jedoch nicht von den übrigen Kulturen --- wären sämtliche Stämme (einer im deutschen Sprachgebiet noch üblichen Gepflogenheit folgend) - - als ùEpidermophyton" bezeichnet worden, in den Fällen l und 3 als ,Epi- dermophyton interdigitale t~_AU~~A~N-WoLF", im Fall 2 als ,Epider- mophyton rubrum CASTELL~I". Diese Benennung stützt sieh im wesentlichen auf die Arbeiten von BRuchs u. ALEXA~DEI% die wiederum das System von SABoexAun und im Hinblick auf die Gattung Epider- mophyton insbesondere die Ansichten des SAßou~Aun-Schülers MAc C~~aT~¥ als maßgebend gelten ließen. Die als ,K~CFMA~~-WoLr-Pflz" isolierten Stämme wurden ferner mit den Abbildungen der Originalarbeit von Frau K_~VFMAN~-WoLF aus dem Jahre 1914 verglichen, wobei eine völlige Übereinstimmung festgestellt wurde. KAUrMAN~-WoL~ enthielt sich damals einer Benennung, da die Frage, ob der Pilz auch die Haare befällt, nicht restlos geklärt werden konnte; sie bezeichnete den Pilz als ùdem Trichophyton equinum nahestehend". Das Trichophyton equinum wird heute von den meisten Mykologen als Variation des Trichophyton mentagrophytes angesehen (Klassifikation nach EMMO~S, CONANT u. Mitarb.), der IC~UF~ANN-WoLF-Pilz ebenfalls, da er sich morphologisch von dieser Gruppe nicht abgrenzen laßt. Die französisch-belgische Schule hat die Gypseumgruppe wegen ihrer Ähnlichkeit mit dem von Vogel- federn isolierten Pilz Ctenomyces serratus aus der Gattung Trichophyion ausgegliedert und ihr den Gattungsnamen Ctenomyces gegeben. Der KAV~MA~~-WoLF-Pflz wird in ihrem System Ctenomyces interdigitalis genannt. Fast alle Sprachgebiete haben sich dem einen oder andern dieser beiden Systeme angeschlossen. Es erhebt sich die Frage, ob sich die deutsche Mykologie bedenkenlos diesem Vorgehen anschließen kann und warum sie es bisher nicht getan hat.

Das entscheidende Kriterium der Haarpathogenität bildete von An- fang an den Gegenstand lebhafter Diskussionen und wurde in zweifel- haften Fallen zu einer heiklen Interpretationsfrage. in den zwanziger Jahren gab iKIESCHE~ der damals vorherrschenden Meinung Ausdruck und bezeichnete den KAuF~A~~-WOLF-Pflz als eine ,besondere Pilzart mit besonderen, in der Lokalisation sich äußernden Affinitäten". Das SABOUaAUD-MAcCA~THYsche Einstellungsprinzip (,Verhalten zum Haar") gab der ,Ätiologie der dyshidrotischen Mykose ein einheitliches und charakteristisches Gepräge" ; als Erreger kamen ,praktisch nur noch Epidermophyten in Betracht, also Pilze, welche bei ihrem Waehstum prinzipiell das Haar frei lassen" (MIEsCHE~). Diese Auffassnng hatte dazu geführt, daß seitdem praktisch alle Pilze, die aus einer Epidermo- phytie gezüchtet worden waren, als Epidermophyton bezeichnet wurden,

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Untersuchungen der Haarpathogenit~tt von Epidermophytie-Erregern. 267

selbst wenn kultnrell und morphologisch keine Unterschiede gegenüber den entsprechenden Trichophytonarten feststel]bar waren. Zudem sind die Versuche, ob auch die Haare befallen werden können, meist unter- blieben. Es mag befremdend erscheinen, daß es infolgedessen nebenein- ander ein Trichophyton gypseum und ein Epidermophyton gypseum geben soll, ein Trichophyton niveum und Epidermophyton nivenm, Trichophyton rubrum und Epidermophyton rubrum, die sich jeweils bo- tanisch überhaupt nicht unterscheiden lassen. Der Tierversnch wirre ftir die Unterscheidnug

Abb. 9. Einsporkultur des KAU~'~~A~~- WoLF-Filzes der Fa~. 51. S. (Fall 1) (Spezialfeinkorn-]~ntwicklung.)

Abb. 10. Selbstversuch. Follikuläre Trichophytie durch KAUFMANN= WOI~F-Filz (ans einer interdigitalen Epidermophytie isoliert).

dann von ausschlaggebender Bedeutung, wenn grundsi~tzlich nur die Epidermophytonpflze das Haar frei ließen. Gerade das ist aber nicht der Fall. Auch typische Trichophytonpilze und Mikrosporonpilze, die direkt aus dem Haar gezüchtet worden sind, verschonen mitunter im Tierversuch die Haare. Hinzu kommt, daß die anthrophilen Pi]zst~mme auf Tieren ohnehin schlecht haften. Versuche am Menschen sind aus naheliegenden Gründen nur selten durchgeführt worden. Da uns aber die Frage der Haarpathogenitiit des aus einer Interdigitalmykose ge- züchteten XAVF~IA~~-WonF-t'ilzes doch von wesentlicher Bedeutung und deshalb einer Beantwortung wert schien, wurden die Unterarme zweier freiwilliger Versuchspersonen (darunter ein Selbstversuch) damit inoknliert.

Der lege artis aus einem interdigitalen Epidermisteilchen (Patient 3I. S.) isolierte Pilz wurde zunächst über Einsporkultur (siehe Abb. 9) rein gezüchtet.

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268 K.H. Sct~uLz, H. RIETIt und C. Se]~raREN:

Im Stadium voller Sporulation - - etwa nach 20 Tagen - - wurde eine Menge von etwa 1 cm e des Oberflächenmycels zwischen steri]em Sandpapier zerrieben und auß die mit Äther entfettete, vorsichtig unter Schonung der Haare skarifizierte Unter- armhaut gebracht. In einem Falle bestand der Verband nur aus Leukop]ast, im anderen lag feuchter Null dazwischen. Für das Angehen der Infektion war dies ohne

Bedeutung, indessen kam es ohne Null zu einer Pflasterdermatitis, die das Bild etwas verwischte. Das Aussehen eines solchen Selbstver- suches nach 3 Wochen zeigt die Abb. 10.

Der Verlauf war in beiden Fä l len sehr ähnlich. E twa 2 - - 3 m a l in der Woche f anden mikroskopische Kont ro l l en s ta t t . Dabei ließ sich das Ein- dr ingen der Pilze in das Haar gut verfolgen. Nach einer Woche h a t t e n die Pilze an der Stelle des spateren Abbrechens das Haa r u m s p o n n e n und bohr ten sieh d a n n in ghnlicher Weise, wie dies auch in vi t ro nachgewiesen werden kann , senkrecht in das Haar . Meist b e n u t z t e n mehrere Pf lzhyphen dieselbe Ein t r i t t spfor te . Von da ab erfolgte das W a c h s t u m im t t a a r i n n e r n (endothrieh). Das Aussehen des Haares nach 8 Tagen zeigen die Abb. 11, 12, 13.

Die P i l zhyphen l ießen sich Abb. 11. Abb. 11--18. KAUF~~ANN-WoI~F-Pilz im Haar (Selbst- in al len E b e n e n des Haares versuch). 8Tage nach der Inoku]ation. tIyphenwaehs- finden~ die photographische turn vorwiegend endothrich. Itaar kurz vor dem Abbrechen, an der Bruchstelle von Pilzhyphen um- Wiedergabe muß sich der wachsen. (Aufgenommen in verschiedenen Ebenen mit Zeiss Opton, Spezialfeinkorn-]gntwieklung nach Seh~rfe wegen natür l ich je-

WI~ffDISCI~.) weils auf eine Ebene be-

schränken. Die Schärfe der K o n t u r e n ließ sieh durch Verwendung eines SpeziM-Feinkorn-Entwick- lers nach WI~DlSC~ (Formel W 665) n icht unwesent l ich verbessern.

Die Rückgewinnung des übe r impf ten Pilzes aus den H a u t s c h u p p e n u n d H a a r e n des Un te ra rmes erfolgte wie üblich u n d führte wieder zu den Ausgangss tämmen.

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Untersuchungen der Haarp~thogenitgt von Epidermophytie-Erregern. 269

Mit dem positiven Ausfall dieser Versuche war nachgewie- sen, daß der aus den interdigi- talen Epidermisteilchen isolierte Pilz, d e n iwir zunächst als ù KAUFMANN-WoLF- Pilz" be- zeichnet hatten, kein ,E~pi- dermophyton" sein konnte, son- dern ein ,Trichophyton". Bei den aus den Haaren der Unter- schenkel direkt gezüchteten Pilzstämmen stand die Haar- pathogenität außer Frage. Bei der Benennnng waren somit die anfangs entstandenen Schwierigkeiten behoben, in jedem Falle handelte es sieh also um Trichophytonarten, ob- wohl die Tierversuche negativ ausgefallen waren.

Als Artbezeichnung mußte nach dem System von EMgONS, CONaNT und Mitarbeitern Trichophyton mentagrophytes (interdigitMe) gewählt werden, nach dem System von LANGE- ~oN und V A N B R E U S E G K E M

Ctenomyees interdigita]is. Das klassische, inzwischen aber über- holte System von SA~OU~AUD läßt in dieser I-Iinsicht eine exakte und eindeutige Iden- tifizierung nicht zu, da derselbe Pilz je nach Ausprägung exo- gen oder endogen bedingter Variationen mehrere Artbe- zeichnungen erhalten müßte. Gerade diese Abhängigkeit der Namengebung vom veränder- lichen milienbedingten Aussehen des Pilzes hat in der Ver- gangenheit und zum Teil auch noch heute oft zur Verwirrung

Arch. f. Dermat. , Bd. 198.

Abb. 12.

Abb. 13.

18

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270 K. I-I. SCHVLZ, H. R~]~T]~ und C. SCRI~REN:

geführt und ist deshalb für eine exakte, unverwechselbare Identifi- zierung ungeeignet.

Ein berechtigter Einwand bedarf jedoch noch der Erwähnung: Der KAUF~A~N-WoL~-Pllz hat sich der menschlichen Epidermis besonders gut angepaßt und ist infolgedessen wenig geneigt oder gar unfähig, das tierische Haar zu befallen. Aus diesem Grunde zögern manche Mykologen; den KA~~~AN~-WoLF-Pilz und ebenso das ,Epidermophyton" rubrum CASTELLANI ohne Vorbehalt der Gattung Trichophyton einzuverleiben. Es ist verständlich und berechtigt, wenn der Kliniker erwartet, daß dieser immerhin bemerkenswerte Unterschied gegenüber den zoophflen Arten der sogenannten ,Gypseumgruppe", die regelmäßig das Haarkleid der Tiere infizieren, sich auch in der Namengebung auswirkt. Daß der Unter- schied sich im Gattungsnamen ausdrückt (Trichophyton bzw. Epidermo- phyton), ist nicht unbedingt erforderlich. Wenn das ,Epidermophyton" gar die Haare befgllt, ist die Bezeichnung sogar unrichtig und bedarf der Korrektur. Wohl aber könnte der Unterschied durch verschiedene Art- bezeichnungen deutlich gemacht werden, wie dies im System von LANGE- ~oN und VANBREUSEO~EM geschieht (Ctenomyces mentagrophytes und Ctenomyces interdigitalis).

Durch den ~Tachweis der Haarpathogenit~t des aus einer Interdigital- mykose gezüchteten,,KA~FMA~~-WoLF-Pilzes" erscheinen frühere Beob- achtungen in einem neuen Licht. Die Mitteilung von MIESCH~.R, FlSCHV,~ und WALc~ über das Vorkommen des KAVF~A~x-WoLF-Pflzes im Haar wird zweifellos die mykologische Forschung sehr befruchten und den Blick von der Epidermis auch aufs Haar lenken. In keinem der von uns mitgeteilten drei F~lle hat te sich die mykologische Diagnostik - - trotz Kenntnis der Epidermophytie - - auf die Haare der erkrankten Unter- schenkel erstreckt. Der Satz ,Die Epidermophytie-Erreger sind Epi- dermophyton-Pilze und befallen nicht die Haare" l~ßt sieh in seiner Verallgemeinerung nicht mehr aufrechterhalten. Die Diagnose,,Epidermo- phytie" sollte daher Anlaß sein, auch erkrankte andere Körperregionen, darunter vornehmlich die Haare, sorgfältig auf Pllzbefall zu untersuchen.

Inzwischen hat die Beachtung dieses Grundsatzes zur Aufdeekung weiterer Fälle von follikul~ren Dermatomykosen der Unterschenkel geführt. KRi3GEX und BUST teilten kürzlich fünf F~l]e mit, die 8--13 Jahre hindurch unter verschiedenen Diagnosen ohne Erfolg behandelt worden w~ren. Als Erreger isolierten sie Epider- mophyton rubrum CASTELn~~~und Epidermophyton intergititale KAUFMAI~II~-WoLF. Außerdem wurden Candida ~lbieuns und Penicillium gezüchtet.

Hier könnte eingewendet werden, die Identifizierung sei anfechtbar, mit der Isolierung aus dem Haar sei ja von vornherein der Beweis erbracht, daß es sich um ein Trichophyton und nicht um ein Epidermo- phyton handle, dessen entscheidendes Gattungsmerkmal es sei, das Haar eben nicht zu befallen. Wh" sind trotzdem nicht der Auffassung,

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Untersuchungen der Haarpathogenität von Epidermophytie-Erregern. 271

daß eine Fehlidentifizierung vorliegt, vielmehr ist damit, daß aus dem Haar ein Pilz isoliert wurde, der ,prinzipiell das Haar nicht befällt", (las angewandte Klassifizierungssystem ad absurdum geführt worden.

Der Befall der Haare durch den I4AUF~_ax~-WoLF-Pilz oder - - wie er im angels/~ehsischen Sehrift tum meist genannt w i r d - durch das Triehophyton interdigitale P~I~STL~Y war auch schon fl'üher von andern Autoren beobachtet worden. OTA und K~wAcsv~~ führten daher 1933 den Nachweis, daß Trichophyton mentagrophytes die allein zutreffende Bezeichnung ist.

Beim Epidermophyton rubrum Castellani liegen die Verhältnisse fol- gendermaßen: Der Pilz befindet sich in den letzten zwei Jahrzehnten im ständigen Vordringen (GöTz). Ursprünghch schien sein Hauptverbrei- tungsgebiet in Ostasien zu liegen. So kommt es, daß als erste besonders Japaner über diesen Pilz gearbeitet haben. Da sie ihn auch aus dem Haar isoliert hatten, wghlten sie die Bezeichnung Trichophyton.

TAKn¥~ besehrieb 2 Fälle von TrichophyMa capitis. T~KA~Sm isolierte den Pilz aus Eczema marginatnm und aus den Interdigitalräumen und den Nägeln eines TriehophyMkers und konnte im Tierexperiment ektothriehes Wachstum beobachten. KATO teilte 2 Fälle von Kopftriehophytie mit endothrichem Wachstum von Epidermophyton rubrum CaSTELLA~I mit, im Tierexperiment gingen diese Pilze jedoch nicht in die Haare, dagegen gelang ihm experimentell bei einem Kinde eine Kopftrichophytie, wo der aus einem Eczema marginatum isolierte Rnbrum- pflz im Kopfhaar als Endothrix wuchs.

Auch aus den letz$en Jahren liegen Angaben über den Haarbefall vor (WALxE~ 1950, LO~W~~¢T~AL und 1~~I~¢ 1951, WIr,SO~ 1952, Lu»wm 1953). Lu»wm be- richtete z. ]3. über eine Sycosis barbae, die von einer Fußmykose (athlet~'s leer) ausgegangen war.

Der l~ubrumpilz ist einer der variabelsten Dermatophyten. I m sapro- phytgren Stadium hat dies zur Bildung zahlreicher Variationen mit entsprechenden Synonymen geführt, aber auch im parasi tären Stadium ist diese Neigung zu Variationen festzustellen, wodurch - - abgesehen vom ,personalen Faktor des Wirtes" (GoTTI~ON) - - ein Teil der Yer- schiedenartigkeit der Krankheitsbflder zu erklären ist.

L~WlS, IV[OI¢TOOM]n¢Y und HoPP~l~ wiesen darauf hin, daß die Variationen im klinischen Bild zahlreicher werden. Der l~ubrumpflz wurde als Erreger nicht nur der Epidermophytie, sondern auch der tiefen Trichophytie angetroffen (H~a~xs u. L~wIs). Ektothr ixwaehstum (L~w~s u. Co~~~A) und Generalisation (Lnw~s, Ho~~~~ u. Sco~~) wurden besehrieben. Tierexperimentël l ließ sieh nicht immer eine sichere Ent . scheidung treffen, ob ein Epidermophyion vorlag oder ein Trichophyton (l~~~ss). CO~X~T und Mitarbeiter raten sehr zur Vorsicht bei der Be- urteilung der tierexperimentellen Ergebnisse.

Die Unklarheiten und Ungereimtheiten in der Benennung der Pilze haben in der Vergangenheit nichg selten zu Verwirrung geführt, nicht

18"

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272 K.H. Se~ruLz, H. Ris .~ und C. Scan~REh-:

zuletzt auch zum Schaden der Patienten, da die vermeintliche Beschrän- kung der Epidermophytie-Erreger auf Epidermis und Nägel bei differen- tialdiagnostischen Erwägungen den Blick einengte und zu Fehldiagnosen Anlaß gab.

Wir schlagen daher vor, die Pilze Epidermophyton interdigitale KAU]PMA:N:bl'-WoLF und Epidermophyton rubrnm CASm~LLa~I in die Gat tung Tr i choph~on (bzw. Ctenomyces) einzugliedern, da sie offenbar doch im Haar vorkommen können. Beide Pilze lassen sich mikromorpho- logisch ohnehin nicht von Trichophyton (bzw. Ctenomyces) abgrenzen, wohl aber von Epidermophy~on floccosum (inguinale), der einzigen noch verbleibende Epidermophytonar t . Die Fähigkeit, vorwiegend die mensch- liche Epidermis zu befallen, könnte nach Übereinkunft in der Artbezeieh- nung berücksichtigt werden.

Die meisten Klassifizierungssysteme von internationaler Bedeutung haben die Bereinigung in dem vorgeschlagenen Sinne bereits vorge- nomlxlen.

Zusammenfassung. Drei Fälle von follikulärer Trichophytie der Unterschenkel werden

beschriebea, aus denen vorwiegend ektothrich wachsende, im Selbstver- such auch endothrich wachsende Dermatophyten isoliert wm~den, die sich weder kulturell noch mikromorphologisch, noch tierexperimentell von Epidermophyton interdigitale XAV-F~AN~-WoL~, bzw. Epidermophyton rubrum CASTV~LLA~I unterscheiden ließen. Dieselben Pilze wurden auch aus der jeweils gleichzeitig bestehenden Epidermophytie gezüchtet.

Die besondere Bedeutung dieser Beobachtungen in mykologischer Hinsicht wird diskutiert und vorgeschlagen, die Bezeichnungen Epi- dermophyton interdigitale KAVSMA~~¢-WoLr und Epidermophyton rubrum CAST]SLLA~I fallen zu lassen und diese Pilze - - wie dies inter- national bereits geschehen ist - - in die Gat tung Trichophyton (bzw. Ctenomyces) einzuordnen.

iVachtrag bei der Korrektur. Inzwischen kamen noch weitere 4 Patienten mit follikulärer, knötehenförmiger Trichophytie an den Unterschenkeln zur Beobach- tung, von denen alle 4 daneben eine Interdigitalmykose aufwiesen und 2 zusätz- lich an einer Onychomykose erkrankt waren. Wie in den oben beschriebenen Fällen handelte es sich auch hier ansschließlich um Frauen im Alter zwischen 19 und 42 Jahren, die auch alle eine Akrocyanose verschiedenen Grades zeigten.

Im Nativpräparat mit Kalilauge (15~o) gelang der Nachweis von Pilzen in den Haaren (ektothrich und endothrich), Schuppen und zum Teil in den Nageln. Die kulturelle Ausdifferenzierung der Stämme liegt erst von 3 Fällen vor: es wurde bei einer Patientin ein KAUF~A~~-WoLF-Pilz isoliert, in den 2 anderen Trichophyton (Epidermophyton) rubrum (CASTELLA~I), und zwar jeweils aus Haarstümpfen sowie aus Interdigitalschuppen bew. Fußnägeln.

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Untersuchungen der Ha~rpathogeni tä t von Epidermophyt ic-Errcgern. 273

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Dr. K. H. SCHULZ, Universi tä ts-Hautkl inik, Hamburg-Eppendorf .