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Kosmischer Staub und kometare Materie Untersuchungen zur Vorbereitung von Auswertungen der Rosetta Mission am Institut für Planetologie *) von Ingrid Mann Kometen und Asteroide sind primitive Bausteine des Sonnensystems aus der Zeit seiner Entstehung vor ca. 4,6 Milliarden Jahren. Bisher konnten nur wenige von ihnen aus der Nähe beobachtet werden. Durch den erfolgreichen Start der ESA Mission Rosetta werden erstmals in-situ Messungen die Entwicklung eines Kometen entlang seiner Bahn und während seiner Perihelpassage verfolgen. Weiterhin werden mit der Rosetta Mission Messungen in der Umgebung der Erde und des Mars, sowie an Asteroiden durchgeführt. Das Institut für Planetologie (IfP) an der WWU ist an mehreren Experimenten der Rosetta Mission beteiligt und hat kürzlich Forschungsmittel des BMBF für Arbeiten zur Vorbereitung der Messungen und Datenauswertung erhalten. Neben diesen direkten Forschungsaktivitäten werden die Arbeiten für die Rosetta Mission eingebettet in ein breites Forschungsprogramm zur Entwicklung kleiner Körper und fester Materie in Planetensystemen wie unserem Sonnensystem. Forschungen in Münster beschäftigen sich mit Aufbau und Zusammensetzung des Kometenkerns und der Eis- und Staubkomponente des Kometen. Nach dem Test der Instrumente nach dem Rosettastart werden die meisten Instrumente für den langen Flug zu dem Zielkometen in den „Winterschlaf“ versetzt. Besonderer Schwerpunkt der Arbeiten der nächsten Jahre wird die Analyse der Mikrowellenmessungen sein, die auf Rosetta erstmals an einem Kometen durchgeführt werden. Das Mikrowellen- experiment wird auch während der Planeten und Asteroiden- vorbeiflüge Daten liefern die helfen werden Datenanalyse- und Auswerteroutinen zu erstellen und zu verbessern. Rosetta wird während seiner Reise zwei Asteroiden in direkten Vorbeiflügen untersuchen: den Asteroiden, Steins, mit seinem Durchmesser von nur wenigen Kilometern ein vergleichsweise kleines Objekt, und den Asteroiden Lutetia mit einen Durchmesser von rund 100 km. Steins, soll von Rosetta am 8. September 2008 aus etwa 1 700 km Entfernung vermessen werden wenn die Sonde auf ihrer Bahn erstmals den Asteroidengürtel durchfliegt. Am 10. Juli 2010 wird Rosetta Lutetia während ihres zweiten Flugs durch den Asteroidengürtel aus rund 3 000 km Entfernung beobachten. Die Bordinstrumente werden Bilder der Asteroiden aufnehmen, die Temperatur der Oberfläche vermessen, sowie mögliche Gas- und Staubflüsse in der Umgebung der Kleinkörper vermessen. Schließlich erlauben die Vorbeiflüge mit Geschwindigkeiten von 9 km/s und 15 km/s die Masse und Dichte der Kleinkörper zu bestimmen, die Aufschluss geben über ihre Zusammensetzung. Das eigentliche Ziel der Rosetta Mission ist jedoch die Untersuchung eines Kometen eines der ursprünglichsten Körper unseres Sonnensystems. Die Rosetta Mission geschieht vor dem Hintergrund zahlreicher kürzlich erzielter Erkenntnisgewinne der astro- physikalischen und geowissenschaftlichen Forschungen zur Entwicklung kosmischer Materie: Beobachtungen mit Infra- rotsatelliten liefern neue Informationen über die chemische Zusammensetzung von Gas, Eis und Staub im interstellaren Raum; die Beobachtungen der Kometen Hyakutake und Hale Bopp der letzten Jahre ermöglichen den Vergleich der astronomischen Beobachtungen zu Staub in Kometen, während gleichzeitig aufgrund verfeinerter Laboranalysen neue Ergebnisse zur Zusammensetzung kosmischer Staubteilchen erzielt wurden. Schließlich wurden mit der Sonde ULYSSES erstmals interstellare Staubteilchen direkt im Sonnensystem nachgewiesen. Abb.: Modellvorstellung zur Umformung von Staub und Eis und zur Ausbildung organischer Verbindungen im interstellaren Raum (links) und zum Aufbau kometarer Staubteilchen (rechts). Überreste der interstellaren Teilchen aus denen sich das Sonnensystem gebildet hat sind in den Kometenkernen zu finden die bei niedrigen Temperaturen im äußeres Sonnensystem ihre ursprüngliche Zusammensetzung fasst unverändert beibehalten. ESA Mission Rosetta Die Raumsonde Rosetta wurde am 2. März mit einer Ariane-5 Rakete vom Raumfahrtzentrum Guayana aus gestartet. Rund zwei Stunden später, wurde das Triebwerk der Oberstufe gezündet, um die Sonde aus dem Schwerefeld der Erde in eine Sonnenumlaufbahn zu befördern. Sie wird nun durch nahe Vorbeiflüge an Mars und Erde beschleunigt und auf eine Bahn durch den Asteroidengürtel zu seinem Zielkometen gebracht. Das Raumflugkontrollzentrum der ESA in Darmstadt (ESOC) ist für den Betrieb und die Überwachung der Bahnmanöver von Rosetta zuständig. Von dort aus werden zurzeit die Bordsysteme überprüft und die wissenschaftlichen Instrumente getestet. Im Jahr 2014 wird die Sonde die sechsmonatige Annäherungsphase an den Kern des Kometen Tschurjumow-Gerasimenko beginnen. Der Rosetta Orbiter wird den Kometenkern mehr als ein Jahr lang entlang seiner Bahn umkreisen. Rosetta wird die Oberfläche des Kometen vermessen und verfolgen, wie die Aktivität des Kerns bei seiner Annäherung an die Sonne einsetzt. Rosetta ist die erste Sonde, die dazu bestimmt ist ein Landegerät zur direkten Untersuchung der Oberfläche auf einem Kometenkern abzusetzen. Neben dem Landegerät Philae hat Rosetta 11 wissenschaftliche Instrumente mit einem Gesamtgewicht von 165 kg an Bord. Sie wurden gemeinsam von den Mitgliedstaaten der ESA und den USA entwickelt.

Kosmischer Staub und kometare Materie - uni-muenster.de · Mantel Teilchen im interstellaren Raum führt zur Bildung komplexer organischer Moleküle in der Eiskomponente. Simulationsexperimente

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Kosmischer Staub und kometare Materie

Untersuchungen zur Vorbereitung von Auswertungen derRosetta Mission am Institut für Planetologie*)

vonIngrid Mann

Kometen und Asteroide sind primitive Bausteine desSonnensystems aus der Zeit seiner Entstehung vor ca. 4,6Milliarden Jahren. Bisher konnten nur wenige von ihnen ausder Nähe beobachtet werden. Durch den erfolgreichen Startder ESA Mission Rosetta werden erstmals in-situ Messungendie Entwicklung eines Kometen entlang seiner Bahn undwährend seiner Perihelpassage verfolgen. Weiterhin werdenmit der Rosetta Mission Messungen in der Umgebung derErde und des Mars, sowie an Asteroiden durchgeführt.

Das Institut für Planetologie (IfP) an der WWU ist anmehreren Experimenten der Rosetta Mission beteiligt und hatkürzlich Forschungsmittel des BMBF für Arbeiten zurVorbereitung der Messungen und Datenauswertung erhalten.Neben diesen direkten Forschungsaktivitäten werden dieArbeiten für die Rosetta Mission eingebettet in ein breitesForschungsprogramm zur Entwicklung kleiner Körper undfester Materie in Planetensystemen wie unseremSonnensystem. Forschungen in Münster beschäftigen sichmit Aufbau und Zusammensetzung des Kometenkerns undder Eis- und Staubkomponente des Kometen. Nach dem Testder Instrumente nach dem Rosettastart werden die meistenInstrumente für den langen Flug zu dem Zielkometen in den„Winterschlaf“ versetzt. Besonderer Schwerpunkt derArbeiten der nächsten Jahre wird die Analyse derMikrowellenmessungen sein, die auf Rosetta erstmals an

einem Kometen durchgeführt werden. Das Mikrowellen-experiment wird auch während der Planeten und Asteroiden-vorbeiflüge Daten liefern die helfen werden Datenanalyse-und Auswerteroutinen zu erstellen und zu verbessern.

Rosetta wird während seiner Reise zwei Asteroiden indirekten Vorbeiflügen untersuchen: den Asteroiden, Steins,mit seinem Durchmesser von nur wenigen Kilometern einvergleichsweise kleines Objekt, und den Asteroiden Lutetiamit einen Durchmesser von rund 100 km. Steins, soll vonRosetta am 8. September 2008 aus etwa 1 700 km Entfernungvermessen werden wenn die Sonde auf ihrer Bahn erstmalsden Asteroidengürtel durchfliegt. Am 10. Juli 2010 wirdRosetta Lutetia während ihres zweiten Flugs durch denAsteroidengürtel aus rund 3 000 km Entfernung beobachten.Die Bordinstrumente werden Bilder der Asteroidenaufnehmen, die Temperatur der Oberfläche vermessen,sowie mögliche Gas- und Staubflüsse in der Umgebung derKleinkörper vermessen. Schließlich erlauben die Vorbeiflügemit Geschwindigkeiten von 9 km/s und 15 km/s die Masseund Dichte der Kleinkörper zu bestimmen, die Aufschlussgeben über ihre Zusammensetzung. Das eigentliche Ziel derRosetta Mission ist jedoch die Untersuchung eines Kometeneines der ursprünglichsten Körper unseres Sonnensystems.

Die Rosetta Mission geschieht vor dem Hintergrundzahlreicher kürzlich erzielter Erkenntnisgewinne der astro-physikalischen und geowissenschaftlichen Forschungen zurEntwicklung kosmischer Materie: Beobachtungen mit Infra-rotsatelliten liefern neue Informationen über die chemischeZusammensetzung von Gas, Eis und Staub im interstellarenRaum; die Beobachtungen der Kometen Hyakutake und HaleBopp der letzten Jahre ermöglichen den Vergleich derastronomischen Beobachtungen zu Staub in Kometen,während gleichzeitig aufgrund verfeinerter Laboranalysenneue Ergebnisse zur Zusammensetzung kosmischerStaubteilchen erzielt wurden. Schließlich wurden mit derSonde ULYSSES erstmals interstellare Staubteilchen direkt imSonnensystem nachgewiesen.

Abb.: Modellvorstellung zur Umformung von Staub und Eisund zur Ausbildung organischer Verbindungen iminterstellaren Raum (links) und zum Aufbau kometarerStaubteilchen (rechts). Überreste der interstellaren Teilchenaus denen sich das Sonnensystem gebildet hat sind in denKometenkernen zu finden die bei niedrigen Temperaturen imäußeres Sonnensystem ihre ursprüngliche Zusammensetzungfasst unverändert beibehalten.

ESA Mission Rosetta

Die Raumsonde Rosetta wurde am 2. März mit einerAriane-5 Rakete vom Raumfahrtzentrum Guayana ausgestartet. Rund zwei Stunden später, wurde das Triebwerkder Oberstufe gezündet, um die Sonde aus demSchwerefeld der Erde in eine Sonnenumlaufbahn zubefördern. Sie wird nun durch nahe Vorbeiflüge an Marsund Erde beschleunigt und auf eine Bahn durch denAsteroidengürtel zu seinem Zielkometen gebracht. DasRaumflugkontrollzentrum der ESA in Darmstadt (ESOC)ist für den Betrieb und die Überwachung der Bahnmanövervon Rosetta zuständig. Von dort aus werden zurzeit dieBordsysteme überprüft und die wissenschaftlichenInstrumente getestet.

Im Jahr 2014 wird die Sonde die sechsmonatigeAnnäherungsphase an den Kern des KometenTschurjumow-Gerasimenko beginnen. Der Rosetta Orbiterwird den Kometenkern mehr als ein Jahr lang entlangseiner Bahn umkreisen. Rosetta wird die Oberfläche desKometen vermessen und verfolgen, wie die Aktivität desKerns bei seiner Annäherung an die Sonne einsetzt. Rosettaist die erste Sonde, die dazu bestimmt ist ein Landegerätzur direkten Untersuchung der Oberfläche auf einemKometenkern abzusetzen. Neben dem Landegerät Philaehat Rosetta 11 wissenschaftliche Instrumente mit einemGesamtgewicht von 165 kg an Bord. Sie wurdengemeinsam von den Mitgliedstaaten der ESA und den USAentwickelt.

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Aus astronomische Beobachtungen und Modellrechnungenist bekannt, dass physikalische und chemische Prozesse ininterstellaren Molekülwolken zur Ausbildung vonEisschichten auf der Oberfläche von kleinen Staubkörnenführen. Die Aufheizung und Bestrahlung dieser Kern-Mantel Teilchen im interstellaren Raum führt zur Bildungkomplexer organischer Moleküle in der Eiskomponente.Simulationsexperimente unter Laborbedingungen habengezeigt, dass sich auch schwerflüchtige organischeVerbindungen formen können die bei höheren Temperaturenstabil bleiben.

Überreste der interstellaren Teilchen, aus denen sich dasSonnensystem gebildet hat, sind in Kometenkernen zufinden. Viele der optischen Eigenschaften, die sich ausBeobachtungen von Staub in der Umgebung von Kometenableiten, können mit Modellen erklärt werden wonach kleinesilikatische Kerne von organischen schwerflüchtigenMaterial umhüllt sind und sich zu porösen Agglomerat-teilchen zusammenfügen. Ähnliche Strukturen können sichauch im interstellaren Raum ausbilden, wenn kleinereinterstellaren Staubteilchen bei Kollisionen aneinanderhaften. Auch wenn diese Strukturen bisher noch nicht direktbeobachtet wurden, konnten Arbeiten am IfP zeigen, dass dieMessungen der Sonde Ulysses von interstellarenStaubteilchen die in das Sonnensystem hineinströmen,durchaus mit dieser Modellvorstellung vereinbar sind.

Mit der Rosetta Mission können diese möglichenZusammenhänge direkt unersucht werden. Kometenkernesind Planetesimale, die einen hohen Anteil flüchtigerVerbindungen in Form von Eis enthalten. Sie wurdenwährend der Entstehung des Sonnensystems bei niedrigen

Temperaturen im äußeren Sonnensystem gebildet und es wirderwartet, dass sie ihre ursprüngliche Zusammensetzung fasstunverändert beibehalten haben. Eine der zentralen Fragen derEntstehung und Entwicklung unseres Sonnensystems ist, wiedie interstellare Materie während der Entstehung desSonnensystems umgeformt wurde und in welcher Formchemische Verbindungen, die sich im interstellaren Raumausbilden, während dieser physikalischen Umformungerhalten bleiben oder zerstört werden, und ob und in welcherForm sie die Erde erreicht haben. Mit astronomischenBeobachtungen lassen sich Kometen nur untersuchen, wennsie nahe der Sonne aufgeheizt werden und ihreOberflächenschicht verdampft. Ziel der Rosetta Mission istmit dem Kometen Churyumov-Gerasimenko einen möglichstursprünglichen Kleinkörper unseres Sonnensystems direkt zuuntersuchen. Das hilft weiteren Aufschluss zu erlangen überden langen Weg der Umformung von interstellarer Materiezur planetaren Materie und schließlich zu den Voraus-setzungen für die Entwicklung von Leben auf unserer Erde.

Während der Rosettamission wird besonders die Aktivität desKometen direkt untersucht: wenn der Kern sich der Sonnenähert wird er aufgeheizt und flüchtige Komponentenbeginnen zu verdampfen. Mit dem ausströmenden Gaswerden Staub- und Eisteilchen von der Oberflächeweggetragen. Diese werden wiederum auch aufgeheizt undverdampfen teilweise. Diese Gaswolke erzeugt die Koma, dieHelligkeit die in der Umgebung des Kometenkernsbeobachtet wird. Astronomische Beobachtungen zeigen, dassdie Gasgeschwindigkeit schließlich etwa 1km/s beträgt,bisher ist allerdings unklar wie genau das Gas an derOberfläche des Kometen beschleunigt wird. Genauso istbisher unklar wie sich die lokalen Gasströme (“Jets“) bilden,die zeitweise in besonders aktiven Gebieten derKometenoberfläche beobachtet werden. Die freigesetztenMoleküle werden durch die solare Ultraviolettstrahlungdissoziiert und ionisiert und im Sonnenwind abgelenkt.Sowohl das Gas als auch der freigesetzte Staub bilden denKometenschweif aus. Gelingt es diese Vorgänge besser zuverstehen, so werden wir mehr über die Zusammensetzungder flüchtigen Eiskomponente lernen, die die Aktivität desKometen verursacht.

Abb.: Aufbau des Mikrowellenexperiments MIRO (ESADatenarchiv): ein Mikrowellenteleskop, sammelt und bündeltdie Mikrowellen-Strahlung und lenkt sie auf die optischeBank, die sich zusammen mit den anderen Komponenten imInneren der Sonde befindet. In der optischen Bank wird dieStrahlung nach Frequenzbereichen zerlegt und dann in dieRechner- und Spektrometereinheit weitergeleitet. Hier wirddie charakteristische Mikrowellen-strahlung von Wasser,Kohlenmonoxid, Ammoniak und Methanol und ihreFrequenzverschiebung vermessen.

Komet 67P/Churyumov-Gerasimenko

Kerndurchmesser 3km x 5km (geschätzt)Rotationsperiode ~12 StundenUmlaufdauer 6.57 JahrePeriheldistanz *) 194 Millionen Km (1.29 AE)Apheldistanz*) 858 Millionen Km (5.74 AE)Bahnneigung 7.1°

Der Komet wurde 1969 von Klim Churyumov andSvetlana Gerasimenko entdeckt und seitdem während 6Perihelpassagen*) beobachtet. Wie viele kurzperiodischeKometen wurde Churyumov-Gerasimenko durch dasSchwerefeld von Jupiter, dem größten Planeten unseresSonnensystems, auf eine sonnennahe Bahn geschleudert:Modellrechnungen haben gezeigt, dass der Komet bis zumJahr 1840 ein Bahnperihel von 4.0 AU hatte und damit vonder Erde aus nicht beobachtbar war. Durch einen nahenVorbeiflug an Jupiter wurde er dann auf eine neue Bahngeschleudert, dessen Periheldistanz sich auf 2.77 AEreduzierte. Ein weiterer Jupitervorbeiflug 1959 brachte denKometen schließlich auf seine heutige Bahn mit 1.29 AEPerihel und 5.74 AE Aphel.

*) Als Perihel wird der sonnennächste Punkt der Bahnbezeichnet, als Aphel der sonnenfernste Punkt. DieNeigung wird bezogen auf die Ekliptik angegeben, derEbene innerhalb der die Bahnen der Planeten liegen. EineAstronomische Einheit, AE, entspricht dem mittlerenAbstand zwischen Erde und Sonne, etwa 150 MillionenKilometer.

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Das Mikrowellenexperiment MIRO (Microwave Instrumentfor the Rosetta Orbiter) wird voraussichtlich das erste sein,mit dem die einsetzende Aktivität des Kometenkernsnachgewiesen wird. MIRO misst elektromagnetischeStrahlung im Millimeter- und im Submillimeterwellen-längenbereich beziehungsweise bei Frequenzen im Bereichum 189 Ghz und im Bereich um 562 GHz. DieMikrowellenstrahlung wird mit dem Teleskop gesammeltund gebündelt und über einen Reflektor in die optische Bankgeleitet. Dort wird das Signal aufbereitet und kalibriert unddann der Detektoreinheit zugeführt, die aus einem speziellentwickelten Spektrometer und einem Experimentrechnerbesteht. Der Empfänger für Submillimeterwellen liefertDaten über ein ausgedehntes Bandkontinuum sowie Datenmit hoher spektraler Auflösung zur Untersuchung dercharakteristischen Moleküllinien, während derMillimeterwellenempfänger Kontinuumsdaten liefert.

Abb.: Mikrowellenmessungen mit MIRO: Beobachtung derKoma entlang des Kometenkerns (auf der linken Seite, blaueingezeichnet) und direkte Beobachtung des Kometenkerns(auf der rechten Seite, rot eingezeichnet).

Die Strahlung wird bei bestimmten Frequenzen vermessendie charakteristisch für die Emission bestimmter Molekülesind. Aufgrund der Bewegung der Moleküle erscheint dieEmission, bzw. Absorption bei einer leicht verschobenenFrequenz („Dopplereffekt“). Die regellose thermischeBewegung der Moleküle verbreitert die beobachtete Line,während die gerichtete Flussgeschwindigkeit der Moleküledie Linien verschiebt. Aus den Bebachtungen lassen sichDichte, Temperatur and Geschwindigkeiten der jeweiligenMoleküle ableiten. Bei Messungen entlang der Koma, in derAbbildung auf der linken Seite zu sehen, werdenEmissionslinien beobachtet. Bei Beobachtungen, die auf denKern gerichtet sind, wird die thermische Emission des Kernsteilweise durch die Moleküle der Koma absorbiert und diecharakteristischen Linien werden als Absorptionslinienbeobachtet wie auf der linken Seite der Abbildungdargestellt. Die tatsächlich beobachteten Linienprofileergeben sich aus der Überlagerung der Signale, die ausverschiedenen Regionen entlang der Sichtlinie stammen.Darum werden für die Auswertung Inversionsverfahrenentwickelt, die mit ersten Beobachtungen getestet werdensollen bevor die Sonde ihr eigentliches Ziel ereicht.

Die kontinuierliche Mikrowellenstrahlung die MIROvermisst gibt direkt die Temperatur des Kometenkerns unddas Emissionsvermögen des Oberflächenmaterials an. ImVerlauf der Mission werden Temperaturen im Bereich vonetwa -150°C bis +100°C erwartet. Auch werden dieTemperaturschwankungen von der Tag– zur Nachtseite desKometen gemessen werden. Die thermischen Eigenschaftendes Kerns lassen sich daraus ableiten wie schnell der Kernsich während des “Kometentages” im Sonnenlicht aufheizt.Damit lässt sich bestimmen welche Kernregionenvorwiegend aus Eis bestehen und in welchen Regionen feste,schwerflüchtige Staubteilchen der Hauptbestandteil sind.Diese Informationen werden helfen den geeignetenLandeplatz für das Landegerät Philae zu bestimmen.

Die mit MIRO vermessenen Spektren dienen dem Nachweisvon Wasser, Kohlenmonoxid, Ammoniak und Methanol inder Koma. Es werden auch die Häufigkeiten der ver-schiedenen Isotope des Wassermoleküls gemessen, die sichin der Zahl der Neutronen im Sauerstoffatom unterscheiden.Im Vergleich zum häufigsten Molekül H2

16O ist H217O mit

2500-mal geringeren Häufigkeit erwartet und H218O mit 500-

mal geringerer Häufigkeit. Die Verhältnisse dieser Isotopen-häufigkeiten, die verknüpft sind mit der Entstehungs-geschichte des Kleinkörpers, wurden bisher für Kometennicht bestimmt. MIRO wird mit den genannten Molekülendie Hauptbestandteile der vorhandenen flüchtigen Molekülemessen, die für die Aktivität des Kometen verantwortlichsind. Besonders Kohlenmonoxid verdampft schon beigeringen Temperaturen und verursacht die Aktivität vonKometen schon bei großen Abständen zur Sonne, wo dieWasseranteile noch in der festen Eiskomponente verbleiben.Die gleichzeitige Messung von Kohlenmonoxid undWassermolekülen entlang der Bahn des Kometen ins innereSonnensystem wird helfen zu untersuchen unter welchenBedingungen das Eis-Staub Gemisch, aus dem sich derKometenkern zusammensetzt verdampft.

Rosetta ist sicherlich eines der ehrgeizigsten Projekte dereuropäischen Weltraumforschung und die Ergebnisse derMission werden wahrscheinlich unser Verständnis derEntstehung und Entwicklung unseres Sonnensystemsgrundlegend verändern. Die heutigen Vorarbeiten undbegleitenden Forschungen zur Entwicklung kosmischerMaterie sollen erreichen, dass die Forschenden am IfP auf dieRosetta Mission optimal vorbereitet sind um bei Eintreffender Beobachtungsergebnisse unter Nutzung dieser Dateninnerhalb der internationalen Zusammenarbeiten wichtigeErkenntnisses zu erzielen und zentrale Forschungsbeitrage zuliefern.

*) Beitrag zum Alumni Magazin der WWU

Rosetta in Münster

Das Institut für Planetologie (IfP) der WestfälischenWilhelms- Universität ist an der wissenschaftlichenBetreuung von mehreren Instrumenten beteiligt: demMikrowellen-Radiometer/-Spektrometer MIRO, demStaubanalysator COSIMA, sowie dem Staubkollektorund Mikroskop MIDAS. Schließlich hat das IFP unterLeitung von Professor Tilman Spohn das InstrumentMUPUS für das Landegerät Philae entwickelt, mit demdirekt die Kometenoberfläche untersucht werden soll.