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Leseprobe aus: Heath/Robbie Williams Feel © 2004 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg

Leseprobe aus: Heath/Robbie Williams Feel - rowohlt.de · Deutsch von Katharina von der Leyen und pociao RobbieWilliams Feel von Chris Heath Rowohlt Robbie Williams Umb 001-178 29.09.2004

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Leseprobe aus:

Heath/Robbie Williams Feel

© 2004 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg

Deutsch von Katharina von der Leyen und pociao

Robbie Williamsvon Chris HeathFeel

Rowohlt

Robbie Williams Umb 001-178 29.09.2004 10:33 Uhr Seite 3

Die englische Originalausgabe erschien 2004 unter dem Titel

Feel: Robbie Williams bei Ebury Press, London

Umschlaggestaltung Dave Breen

Redaktion Lucas Koch

1. Auflage Oktober 2004

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe

© 2004 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg

Text © The In Good Company Co Limited,

Robert Williams and Chris Heath 2004

Copyright der Abbildungen s. Seite 606

Alle deutschen Rechte vorbehalten

Satz aus Adobe Garamond PostScript, QuarkXPress 4.1,

bei KCS GmbH, Buchholz/Hamburg

Druck und Bindung Clausen & Bosse, Leck

Printed in Germany

ISBN 3 498 02980 0

Robbie Williams Umb 001-178 29.09.2004 10:33 Uhr Seite 4

Inhalt

Vorher 7

Teil eins 81

Teil zwei 179

Teil drei 325

Nachher 523

Copyright-Nachweise 597

Quellennachweis der Abbildungen 606

Robbie Williams Umb 001-178 29.09.2004 13:57 Uhr Seite 5

Vorher

1Yeah, I’m a star, but I’ll fade», singt er, «if you ain’t sticking your knivesin me, you will be eventually.»

«Nochmal», sagt Guy Chambers, sein Produzent, musikalischer Lei-ter und wichtigster Partner beim Songschreiben.

August 2002. Später Nachmittag. Robbie Williams steht in derAufnahmekabine der Record Plant-Studios, eines rechteckigen Ge-bäudes in einer unauffälligen Seitenstraße Hollywoods, und singt seinneues Stück, «Monsoon». Ein Song wie viele seiner Songs, eine Mi-schung aus Unsicherheit, Ehrlichkeit, Angeberei und Selbstzweifeln.

Er fängt noch einmal von vorn an. «I’ve sung some songs that werelame, I’ve slept with girls on the game.»

Sein neues Album, Escapology, ist fast fertig, nur der Gesang fehltnoch. Rob kam Anfang 2002 nach Los Angeles und blieb, als er merk-te, dass es ihm hier besser ging. Das Album Swing When You’re Win-ning war gerade erschienen – sein viertes in fünf Jahren –, und er hat-te eine Tournee hinter sich, von der er erschöpft und ausgebranntzurückgekommen war. Er hatte schon allen möglichen Leuten er-zählt, dass er sich jetzt ein Jahr freinehmen würde. Er hatte sich einePause verdient, und sie war auch dringend notwendig. Das bedeuteteallerdings noch lange nicht, dass er auch wusste, was er mit seinerfreien Zeit eigentlich anfangen sollte.

Im Endeffekt machte er doch nur wieder eine neue Platte. Es ge-hörte zu seiner täglichen Routine, dass er ein paar Stunden vor derDämmerung aus seinem Haus in den Hollywood Hills herunterkamund sich die neuesten Mixe anhörte, ein paar Vorschläge machte undsang.

«Ich finde, der Mittelteil sollte nicht so hart sein», sagt Guy.«Aber er klingt super», meint Rob.

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«Aber es wäre gut, in der Mitte ein bisschen mehr Farbe zu haben»,beharrt Guy.

«Okay», sagt Rob. «Lass es uns in Beige machen.»Guy verdreht die Augen.Rob probiert erneut «Monsoon», kommt diesmal besser hinein,

spielt Luftgitarre beim Singen. Als der Refrain beginnt, hebt er dasHemd hoch, um seine Brustwarzen zu zeigen. Im Kontrollraum hal-ten sich neun Leute auf. Einige von ihnen haben mit der Produktiondes Albums zu tun, andere sind einfach nur zu Besuch. Ich bin geradevier Tage lang von Oklahoma City nach L. A. gefahren. Rob scheintfasziniert und verblüfft darüber, dass sich jemand den Stress antut,Guy und ihn bei der Arbeit zu beobachten. Ich will ein bisschen zu-sehen und zuhören, will erfahren, was in Robs Leben alles passiert ist,und darüber ein paar Zeilen schreiben. Im Januar 2002 habe ich ihnzufällig im Sunset Marquis Hotel getroffen. Dort wohnte er damals,um herauszufinden, ob er in Zukunft wirklich in Los Angeles lebenwill. Und diese Begegnung – eine von vielen Begegnungen, die nochfolgen sollten – war wohl auch der Grund, warum er mich ins Studioeingeladen hat.

Ich schätze, ich werde ungefähr eine Woche bleiben. Vielleichtauch zehn Tage.

. . .Damals im Januar, als wir uns im Innenhof des Sunset Marquis überden Weg laufen, lädt mich Rob ein, mit ihm in seiner Suite Backgam-mon zu spielen. Ich freue mich sehr, ihn zu sehen, obwohl er fahrigund unruhig wirkt. Als ein Mädchen anruft, mit der er sich damalsmanchmal trifft, tut er so, als wäre er sein bester Freund JonathanWilkes. Er behauptet, er sei im Moment nicht da und verspricht,Robbie auszurichten, dass er sie zurückzurufen soll. Das kann sie ver-mutlich vergessen.

Während die Würfel über das Backgammonbrett rollen, schilderter mir sein Dilemma. Obwohl er in Wahrheit unglaublich stolz aufsein Swing-Album ist, tut er so, als hätte er damit gerechnet, dass dieCD ein Flop würde. Als wäre es ein absolut idiotensicherer Weg ge-wesen, seine Karriere in den Sand zu setzen, den Druck zu verringern,

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die Last von seinen Schultern zu nehmen. Aber jetzt geht die Ideenach hinten los: Das Album, das seine Plattenfirma zunächst für einso großes Risiko gehalten hatte, dass sie sich weigerte, es im Vertragals vollwertiges Robbie Williams-Album zu akzeptieren, ist gerade da-bei, sein bisher größter Erfolg zu werden. Eigentlich könnte er seinenTriumph feiern, stattdessen hat er das Gefühl, nicht mehr als ein per-sönliches Ziel erreicht zu haben.

Nach einer Weile muss ich gehen, weil ich noch zu tun habe. Spä-ter treffen wir uns in der Hotelbar wieder, dem Whiskey. Er selbst willnicht trinken, aber er hält sich gern dort auf, wo getrunken wird. Aufdem rechten Unterarm hat er ein neues Tattoo machen lassen, riesigund blau, mit der Inschrift «MOTHER»: weil er seine Mutter liebt,aber auch, weil er heute Abend einen anderen Schmerz braucht, weiler auf andere Gedanken kommen will. Er war der festen Überzeu-gung, dass ihm eine Arbeitspause dabei helfen würde, sich besser zufühlen. Bisher ist davon allerdings nichts zu spüren, er fühlt sich so-gar schlechter. Und jetzt hat er auch noch alle Zeit der Welt, sich mitseinen Problemen zu beschäftigen. Er trinkt seit über einem Jahr kei-nen Alkohol mehr, aber die Gefahr war noch nie so groß wie im Au-genblick, wieder rückfällig zu werden.

Während es immer später wird, sitzt er mit irgendwelchen Leutenzusammen, die er nicht kennt. Er unterhält sich, bis ihm auf einmalklar wird, was ihm an dem Benehmen der Leute so bekannt vor-kommt: Sie sind auf Ecstasy. Er spricht sie darauf an, und es stellt sichheraus, dass er Recht hat. Sie haben noch reichlich dabei und würdenihm gern etwas abgeben.

Na komm schon. Tu dir was Gutes. Nimm eine. Er gerät ernsthaft in Versuchung. Aber er zwingt sich, ins Bett zu

gehen.Ein paar Tage später geht er nochmal in das Tätowierungs-Studio.

Ihm gefällt sein «MOTHER»-Tattoo so gut, dass er an seinem ande-ren Unterarm auch eines haben möchte – aus Gründen der Balance.Es müssen wieder sechs Buchstaben sein: «ILOVEU».

. . .

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Fahrstuhl.» Er grinst. Manchmal fährt er mit dem Lift das eine Stock-werk nach oben vor sein Schlafzimmer. Er spart dadurch nicht wirk-lich viel Zeit. Aber gerade überflüssiger Luxus kann auf eine ganz be-sondere Weise kleine Freuden bereiten.

. . .Rob und sein Vater stehen offenbar in einem ständigen Wettkampf,wer die besseren Witze erzählt. Auf diese Art scheinen sie sich am bes-ten zu verstehen.

«Mein Timing gerät ganz durcheinander, wenn er da ist», be-schwert sich Rob. Trotzdem macht es ihm Spaß, seinem Vater diePointen zuzuspielen.

«Ich habe diese chinesische Sache ausprobiert, mit den Nadeln»,sagt sein Vater an diesem Morgen.

«Meinst du Akupunktur?», fragt Rob.«Nein», antwortet sein Vater. «Heroin.»Sie wollen Tischtennis in der Garage spielen, neben dem Jaguar

E-Type. Die beiden stehen in einem unglaublichen Konkurrenz-kampf, sogar dann, wenn sie nur um den Aufschlag spielen. Rob führtim ersten Spiel, dann holt sein Vater zum 10 : 10 auf. Rob führt mit18:16, dann gewinnt sein Vater wieder drei Punkte hintereinander.18:19. Dann wieder zwei Punkte für Rob. 20 : 19. Und schließlich derSatzball, der gerade noch die Kante des Tisches berührt. Unerreichbar.

«Bist du bereit zur Revanche?», fragt Rob. «Lass mich erst Ballastabwerfen.»

Er nimmt seine Silk Cuts aus seiner Tasche und stellt sich in Posi-tion. Im nächsten Spiel liegt Rob gleich mit 5:10 zurück. Dann 7 : 13.Bei 8 : 17 geht er zum Angriff über, ohne großen Erfolg. «Mist!», brüllter, als er bei 10 :20 einen Ball verfehlt. Dann ein Hoffnungsschimmer.«Nein!», ruft sein Vater und haut daneben. Jetzt steht es 14 :20. Dann,zwei Punkte später, ist das Spiel vorbei. 15 :21. «Ja, das war’s», sagt seinVater.

Jetzt steht es unentschieden.«Jetzt die Entscheidung», fordert Rob. Sie spielen noch ehrgeizi-

ger. Rob führt mit 10 :6, dann steht es wieder 10 : 10. Aber Rob ziehtdavon und gewinnt mit 21 : 12.

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moldenhauer
moldenhauer

Du hast dir also gewünscht, es gäbe eine Zaubertür von dort, wodu gerade warst, in die Welt der leichten Unterhaltung?

«Ja», nickt er. «Und jetzt habe ich diese Tür gefunden. Egal, durchwas für eine Tür ich gerade gehe, auf der anderen Seite finde ich leich-te Unterhaltung.»

. . .Später sitzen wir eine Weile zu Hause in seinem Garten, bis Rob michfragt, ob ich Lust hätte, mit ihm zusammen ein Anwesen am Ende derStraße anzusehen. Heute ist «open house», und er wolle aus reinerNeugier mal sehen, wie andere Leute hier so leben.

Wir nehmen den schwarzen Jaguar. Rob hat keinen Führerschein.Er hat nie die Prüfung gemacht. Einerseits, weil er keine Zeit undAngst hat, er wäre vielleicht kein besonders guter Fahrer. Andererseits,weil er es nicht aushalten könnte, wenn jemand neben ihm sitzt undein Urteil über ihn fällt. Innerhalb seiner Wohngegend gibt es nur Pri-vatstraßen, deshalb darf er dort selbst fahren. Sobald wir im Auto sit-zen, gibt er sich keine besondere Mühe, das Haus, das er sich ansehenwollte, zu finden. Wir finden es auch später nicht, aber wir fangen anzu reden. Er fährt immer weiter, und das ist alles, was wir in dennächsten anderthalb Stunden machen. Wir kurven Runde um Rundeüber dieselben sieben oder acht Straßen seines Viertels, mal schneller,mal langsamer. Manchmal beschleunigt er stark, aber nur deshalb, damit er mal wieder bremsen kann.

Seit ich vor ein paar Tagen angekommen bin, haben wir übernichts wirklich Wichtiges gesprochen, aber er scheint es zu genießen,einfach so zu plaudern. Er erzählt, dass ihm sein Leben hier in Los An-geles viel besser gefällt. «Ich wusste schon seit ungefähr sechs Jahren,dass ich aus England wegmuss, wenn ich nicht mein gesamtes Lebenin der Öffentlichkeit führen will», sagt er. «Aber bei der Vorstellung,England zu verlassen, hätte ich heulen können. Ich dachte dauernd anden Park, in dem ich als Kind gespielt hatte, die Spaziergänge, die wirmit den Hunden gemacht haben, die Picknicks in Buxton . . . Dieseganzen wundervollen Sachen, die ich dann vermissen würde. Ichwusste trotzdem, dass ich wegmuss. Meiner Meinung nach wird Eng-land von Klatsch und Tratsch regiert und dem, was Prominente Tag

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für Tag tun. Und weißt du was? Ich bin gerne Popstar, wenn ich aufder Bühne stehe, und ich bin gerne Popstar, wenn ich Promotion ma-che. Aber ich bin nicht gerne Popstar, wenn ich morgens aufstehe, mirim Laden an der Ecke einen Kaffee hole und deshalb in den ver-dammten News At Ten auftauche.»

Er weiß, dass es für andere Leute nur schwer nachzuvollziehen ist,was die erbarmungslose Belagerung durch Paparazzi für jemanden wieihn bedeutet.

«Wenn du 24 Stunden am Tag von Paparazzi beobachtest wirst,wacht man morgens auf, und da parken vielleicht fünf Autos vor dei-nem Haus, jeden Scheißtag, und sie folgen dir überall hin, den gan-zen Tag lang», erzählt er. «Nach fünf Jahren macht dich das fertig. Esist ungeheuer wichtig, sich von der Existenz, die man in Zeitungenoder TV-Shows führt, zu distanzieren. Wenn das nicht mehr geht,weil die Öffentlichkeit dein ganzes Leben dominiert, wirst du ver-rückt. Du nimmst alles wahnsinnig persönlich, weil du glaubst, dasstatsächlich über dich als Mensch und nicht mehr als Popstar berich-tet wird.»

Er hat neulich ein Interview mit Matt Groening gelesen, dem Er-finder der Simpsons, der gefragt wurde, was das Schlimmste wäre, wasihm im Leben passieren könnte. Und Matt Groening antwortete:«Dass meine tiefsten Ängste über mich wahr sind.»

Als er noch in England lebte, mit dem pausenlosen Sperrfeuer derMedien, fühlte Rob sich genau so: Dass vielleicht seine größten Ängs-te über sich selber wahr seien. «Irgendwann habe ich selber geglaubt:‹Ja, du bist einfach Scheiße›», sagt er. «Im Laufe der Zeit wurde ich zuall dem, was über mich geschrieben wurde.» Er möchte ungern seineganzen Ängste aufzählen, jedenfalls jetzt nicht, weil es sie immer nochirgendwo gibt. «Bei allem, was ich tue, spiele ich des Teufels Advokat»,sagt er. «Und meistens gewinnt der Teufel.»

Hier drüben in Los Angeles kommt ihm fast alles besser vor. Al-lein die Tatsache, dass er in einer Privatstraße wohnt und niemand inseinen Garten sehen kann, bedeutet für ihn, dass er sich keine Gedan-ken machen muss, ob er verfolgt wird, solange er nicht seine Wohn-gegend verlässt. Und das Wetter. «Ich wache auf», schwärmt er, «undan jedem einzelnen Tag scheint die Sonne.»

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Es gab trotzdem Höhen und Tiefen. Als er hier ankam, fand ersehr schnell jede Menge Freunde – tolle Freunde für ein tolles neuesLeben, dachte er. Doch dann stellte er fest, dass er sich in vielen Leuten getäuscht hatte, und war deprimiert. Oder wie er es ausdrückt:Sein Arschloch-Radar funktionierte nicht richtig. «Jeder erzählt ei-nem, wie die Leute hier sind und dass es immer um Hintergedankengeht, um Networking und sozialen Aufstieg», überlegt er. «Und ichdachte wirklich, ich würde das sofort erkennen. Aber es sind so vieleunter dem Radar durchgeflutscht. In den vergangenen Wochen habeich so ein paar Enttäuschungen erlebt: Als ich hier ankam, war allessofort so, wie ich es wollte – ich hatte viele Freunde, es gab viel zu tun,ich konnte einfach die Straße runtergehen und mich wirklich amüsie-ren – und dann . . . » Er seufzt. «Die sind wirklich verdammt schlau.Normalerweise erkenne ich diese Art Leute sofort.»

Was ihn außerdem sehr beschäftigt, ist seine Paranoia, dass irgend-jemand, der ihm nahe steht, Geschichten über ihn an die englischePresse verscherbelt. «Ich muss nur irgendeinen Scheiß denken, undim nächsten Moment steht es in der Zeitung. Das macht mich wirk-lich fertig», sagt er. «Ich glaube, alle meine Telefone sind verwanzt. Ichkann niemandem trauen. Das setzt sich im Schädel fest, und dannmisstraust du absolut jedem.»

Er erzählt, dass er vor kurzem sogar angefangen hat, gezielt fal-sche Geschichten unter Leute, die er verdächtigt, zu bringen, nurum zu sehen, ob sie anschließend in der Zeitung stehen. Bisher ist nichts passiert. Er hat seine Telefone checken lassen, aber – und erweiß, dass das jetzt ein bisschen gaga klingt, aber wenn das Hirnerst mal auf dieser Schiene fährt, ist es schwer, die Bremse zu zie-hen – inzwischen ist er so paranoid, dass er schon fürchtet, die Leu-te, die seine Telefone überprüfen sollten, hätten nun Abhörgeräte in-stalliert.

. . .Nachdem wir eine halbe Stunde herumgefahren sind, hält er vor sei-nem Haus. Er steigt aus, pinkelt in seinen Vorgarten und will wissen,ob wir weitermachen sollen. Ja, ich habe massenweise Fragen.

Er springt zurück ins Auto und gibt Gas.

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Nach dem Kartenspiel sitzen wir in der Sonne und unterhalten unsdarüber, wie er sich ganz am Anfang fühlte, als er allein und berühmtwar, völlig überfordert und misstrauisch.

Du hast es toll gefunden, konntest es aber gleichzeitig nicht glau-ben, sage ich.

Er nickt. «Genau.». . . und hast es aber gerne mitgenommen.«Ja, natürlich. Darum ging es mir ja schließlich.» Er schweigt

einen Moment. «Ich überlege gerade, warum ich damit eigentlich an-fing, als ich klein war.» Er denkt noch ein bisschen nach. «Weil ich gutwar.»

Damit die anderen dich lieben?«Keine Ahnung. Angeblich habe ich schon im Kinderwagen die

ganze Zeit gelächelt, damit mir die Touristen, die in Guernsey vor-beikamen, wo mein Vater in der Sommersaison arbeitete, ein Eisspendierten. Ich habe in meinem Kinderwagen getanzt. Und danngesungen. Vielleicht habe ich mir gedacht: ‹Oh, Aufmerksamkeit –Liebe.›»

Ich frage ihn, ob es in Wahrheit heute immer noch darum geht,von Fremden ein Eis zu erbetteln.

«Ich weiß es nicht.» Er fängt an zu kichern. «Vor fünf Jahren hät-te ich dir wahrscheinlich sofort zugestimmt, dass das alles ein verzwei-felter Hilferuf nach Liebe gewesen ist.»

Hättest du zugestimmt, damit nicht weiter in Sachen gebohrtwird, die andere nichts angehen?

«Ich sehe das so . . . Meine Mutter hat mich sehr geliebt, und mei-ne Großmütter haben mich auch sehr geliebt, und wenn mein Vaterda war, hat er mich auch sehr geliebt. Ich bin nie sexuell missbrauchtworden. Ich bin nie belästigt worden. Ich war nur – ich weiß, dasklingt so, dass man kotzen möchte –, ich bin beschissen sensibel. Ichbin sensibel zur Welt gekommen.»

. . .Ein Helikopter kommt von unten ganz tief über den Hügelrand ge-flogen.

«Neeeeiiiiin», sagt Rob und wird bleich. Auf einen Schlag hat er

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seinen Humor verloren. Er schaut nach oben. «Wenn er jetzt Kreisezieht, war’s das», sagt er.

Wenn die Paparazzi ihn gefunden haben, ändert sich wieder alles.Der Heli fliegt davon. Diesmal.

. . .Er zeigt mir die Tätowierungen, die er an der Innenseite seiner Hand-gelenke trägt: Links «Jack», rechts «Farrell». Jack Farrell, sein Großva-ter mütterlicherseits.

«Er starb, als ich ungefähr fünf war», erzählt Rob. «Er war ein wun-derbarer Kerl. Ich glaube, nachdem mein Vater uns verlassen hatte undnur noch meine Mutter, meine Schwester und ich da waren, fürchteteer, ich könne schwul werden. Darum wollte er ständig mit mir kämp-fen. ‹Spring aus dem Bett und ab, mein Sohn! Und jetzt box! Los, box!›»

. . .Als er im Studio ankommt, sagt er: «Lass uns als Erstes ‹Nan’s Song›machen, bevor ich zu überdreht werde. Heute ist ein guter Tag inL. A., die Vibes sind gut.» Er ist schnell durch mit dem Stück undsingt trotzdem bewegend. Als er fertig ist, ertönt Applaus.

«Und nun», schlägt Guy vor, «vom Erhabenen zum Albernen.» Esist an der Zeit, «The World’s Most Handsome Man» zu singen, undzwar in der ersten Person. «Ich mache mich da über mich selbst lus-tig», erklärt Rob. «Ganz viele Leute haben dieses Image von mir, dassich beschissen arrogant und überheblich und wahnsinnig überzeugtvon mir bin.» Und genau so singt er auch das Stück, bis auf die Stel-len, an denen er seine hohle Attitüde beleuchtet. «If you don’t see me, Idon’t exist», singt er an einer Stelle. «It’s not very complicated, I’m justyoung and overrated», heißt es an einer anderen.

«Das haben wir nur dazugeschrieben, falls an jemandem die Iro-nie völlig vorbeigeht», sagt er. «Es gibt wahrscheinlich eine MengeLeute, die nicht richtig zuhören und mich dann für einen angeberi-schen Idioten halten.»

Hältst du dich manchmal wirklich für «jung und überbewertet»?«Ja. Ja. Schon immer.»

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Halloween-Nacht. Bevor Rob mit Jonny sein Haus am Holland Parkverlässt, zieht er die Jacke und Kappe an, die er immer trägt – und einedurchsichtige Maske. Die Maske wurde nach einem Abdruck seineseigenen Gesichts für die Bankräuber-Szene in dem Video von «Eter-nity/The Road To Mandalay» hergestellt. Damit macht er sich überdie Paparazzi lustig, die ständig vor seiner Tür hocken. Er kann nichtverhindern, dass sie ihn fotografieren, aber wenn er auf dem Weg vonseiner Haustür zum Auto die Maske und immer dieselbe Jacke trägt,kann er wenigstens dafür sorgen, dass ihre Fotos unverkäuflich sind.Er hofft darauf, dass sie vielleicht keine Lust mehr haben, wenn sieimmer nur einen Burschen vor die Linse bekommen, der wahrschein-lich Robbie Williams in den immer gleichen Klamotten ist. Außer-dem ist es jedes Mal ein kleiner Sieg. Er geht aus dem Haus, sie fan-gen an zu knipsen, aber man merkt genau, dass sie wissen, keineinziges brauchbares Foto bekommen zu haben.

Manchmal versucht er, seinen Frieden mit den Paparazzi und denBoulevardblättern zu machen. Irgendetwas an ihnen zu entdecken,weshalb man sie akzeptieren könnte. Aber meistens gelingt ihm dasnicht. Er nimmt ihnen unglaublich übel, wie sie ihn behandelt undseine Genesung torpediert haben, nicht nur, indem sie ihn außerhalbvon Drogen-Meetings fotografiert haben. Vergangenes Jahr wurde inLondon bei einem Treffen der Anonymen Alkoholiker, an dem Robteilnahm, ein Abhörgerät gefunden, das unter dem Tisch installiert war.Dafür allein – und es gibt noch tausend andere Gründe – hasst er sie.«Ich wurde nicht einmal in Ruhe gelassen, als ich versucht habe, vonvorn anzufangen», sagt er. «Ich fand das unfair, aber das Leben ist ebennicht fair.» Sogar jetzt versucht er, damit irgendwie zurechtzukommen.«Wenn das Leben fair wäre, würde ich keine 80 Millionen bekommen.Ich wäre kein Popstar. Ich würde in diesem Moment in Stoke-on-Trentin einem Pub hocken und davon erzählen, wie ich als Kind immer ge-sungen habe. Also: Gott sei Dank ist das Leben nicht fair.»

. . .An diesem Wochenende brüstet sich News Of The World damit, einenPlan zur Entführung Victoria Beckhams aufgedeckt zu haben. Denmeisten Lesern wird das ziemlich egal sein, aber Rob flippt völlig aus.

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Er denkt an die wahnsinnigen Summen, über die im Zusammenhangmit seinem neuen Plattenvertrag geschrieben wurde, und macht sichSorgen um seine Angehörigen. Jetzt wird ihm auch bewusst, dass erseit seiner Ankunft in England praktisch unter Hausarrest steht, malabgesehen davon, wenn er irgendwo beschäftigt war. Aushalten kanner das nur, weil er weiß, dass er in Amerika bald wieder ein normale-res Leben führen kann.

Das bringt ihn auf einen weiteren Gedanken, der ihn seit länge-rem beschäftigt. Sollte Escapology außerhalb von Amerika ein Erfolgwerden, soll das Album im kommenden Frühjahr auch in den USAerscheinen. Rob will den entscheidenden Anlauf nehmen, um denKontinent zu erobern, der sich gegenüber seinem Charme bisher alsimmun erwiesen hat. Gleichzeitig hat er Zweifel, ob sich das über-haupt lohnt.

«Was soll der Erfolg in Amerika bringen?», fragt er. «Ich will dochKinder, und ich möchte nicht, dass sie hinter Jalousien aufwachsen,überall im Auto hingefahren werden müssen und ihre eigenen Body-guards brauchen.» Er beruft ein Meeting mit David ein und eröffnetihm, dass er seine Platte in Amerika nicht promoten möchte. Schonsein Leben in England sei kein Spaß, warum solle er sich dasselbe aufder anderen Seite des Atlantik antun? «Es gibt nur zwei Möglichkei-ten: Entweder ist der Erfolg gigantisch. Oder ich falle voll auf dieSchnauze. Womit ich dann ein ziemliches Ego-Problem hätte. Undes würde mich meine ganze Karriere hindurch verfolgen. Aber wennich doch erfolgreich wäre da drüben, was für ein Leben hätte ichdann?»

David antwortet, er befürchtet, Rob würde es später bereuen,wenn britische Musiker seiner Generation in den USA Erfolg habensollten und er nicht. Rob bestreitet das.

Als er am nächsten Morgen aufwacht, lungern fünf Paparazzi vorseiner Haustür herum. Einer von ihnen macht sein Foto in der Se-kunde, als er durch die Vorhänge linst. «Ich dachte, scheißt drauf, ihrÄrsche, ich schaffe den Durchbruch in den Staaten und bin dannnicht mehr auf dieses Land angewiesen», sagt er. «Wenn ich sage ‹die-ses Land› meine ich ‹diese Medien›.»

Nach der ganzen Aufregung um Victoria Beckham ist ihm klar ge-

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worden, dass es auch sein Gutes hat, wenn man permanent von Papa-razzi belagert wird: Zu wissen, dass ständig ein Teleobjektiv auf die ei-genen vier Wände gerichtet ist, zerstört zwar das Privatleben, ist abereine ziemlich effektive Art, für Sicherheit zu sorgen.

In dieser Woche passiert noch etwas anderes, das er erst Monatespäter erwähnt: In einem der Fenster an der Vorderseite werden zweikleine Einschusslöcher entdeckt.

2Es gibt einen Satz, den Rob kein einziges Mal sagt, während ichimmer mehr Zeit in seiner Welt verbringe, diesen Turbulenzen aus

Luxus und Zudringlichkeit und Verrücktheit und Kreativität undFreude und Sinnlosigkeit und Privilegien. Es ist der Satz, der nichtausgesprochen werden muss, denn wenn man ihn einmal sagt, müs-ste man ihn jeden Tag ein Dutzend Mal wiederholen, und wenn manihn sagen müsste, würde das bedeuten, dass ich wirklich gar nichtsverstanden habe, überhaupt nichts. Es ist der unausgesprochene Satz,der in jedem Schulterzucken steckt, in jedem bitteren Schweigen undhilflosen Lächeln:

Siehst du, so ist es wirklich.

. . .Er liest einen Brief vor, den er heute Morgen bekommen hat.

«Lieber Robbie oder wer immer dies liest,ich finde, du bist toll, viel Glück bei allem was du tust. Ich liebe

dein neues Video mit den Pferden. Kann ich mehr Info haben überdas Pferd, das du reidest? Meine Mama und mein Dad wollen ihrenBungalow für 130 000 Pfund vakaufen. Kannst du ihn als Investionkaufen oder weitervakaufen? Meine Eltern haben ein anderes Haus inunserer Nähe gesehn, das sie haben wollen. Mein Dad ist 70, meineMama 68, glaube ich. Es warn schwierige Zeiten für sie. Ich weiß ein-fach nich, wie ich ihnen helfen soll. Ich kann verstehn, wenn du dasin den Papierkorb wirft, aber wir alle lieben unsere Mamas + Dadsund wolln nur helfen.

Hochachtungsvoll . . . »

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hat. Garys Solo-Karriere war damals das große Ding, begann aberrückblickend schon zu bröckeln, während Rob gerade erst anfing. «Erhatte keine Ahnung, was auf ihn zukam», sagt David.

«Ich war auch da und fiel ihm um den Hals», erinnert sich Rob.«Ich sang ‹Angels›, ‹No Regrets› und habe ihn dann irrsinnig schlechtgemacht, als ich ging, was nicht besonders cool war. Ich hatte immernoch nicht den Mut, mit ihm zu reden. Ich hatte immer noch . . .Angst vor ihm.»

Das war das letzte Mal, dass sich die beiden sahen.

4Als er sich zwingt, gegen elf Uhr morgens im 30. Stock des HotelsDes Artes in Barcelona die Augen zu öffnen, breitet sich unter sei-

nem Fenster das Mittelmeer aus, und er hat keine Ahnung, wo er ist.Er weiß nicht einmal, wer dieser Mann sein soll, der ihn weckt. Lang-sam dämmert es ihm.

Pompey. Die MTV-Awards. Robbie Williams.Das passiert ab und zu. In Mailand, als er noch bei Take That war,

wachte Rob einmal in einem Himmelbett auf und wusste überhauptnichts mehr. Er stand auf und sah sich im Zimmer um. Immer nochkeine Ahnung, wer er überhaupt war. Er fühlte sich komisch, das im-merhin wusste er. Er öffnete das Fenster. Unten schrien 5000 Mäd-chen seinen Namen.

Ach, der bin ich . . .

. . .«Ich bin so verdammt müde», sagt er. Er zieht ein T-Rex-T-Shirt an,verlangt nach seiner Sonnenbrille und wird die Treppe hinuntergelei-tet. Er sieht immer noch so aus, als wäre er erst halb angekommen voneiner Reise in eine ganz andere Wirklichkeit, weit entfernt von dieserhier. «Kein Selbstvertrauen heute Morgen, nur dass ihr’s wisst», nu-schelt er. «Kein Selbtvertrauen.»

«Das kommt schon noch», verspricht Josie. «Dein Selbstvertrauenschläft noch. Es ist es nicht gewöhnt, so früh aufzustehen.»

«Stimmt», sagt Rob.

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Seine Laune wird auch nicht dadurch besser, dass der Fahrer dieKüstenstraße zu einem Slalomkurs macht. Leuten, die Prominentechauffieren, scheint es wichtiger zu sein, schnell als sicher zu fahren.Vielleicht liegt es daran, dass Stars meistens zu spät und ungeduldigsind. Ich habe häufig in solchen Autos gesessen. Selbst wenn man ih-nen sagt, dass sie langsam fahren sollen, können viele offenbar nichtwiderstehen.

«Ich finde es super, wenn die Fahrer mit so einem Tempo auf einanderes Auto auffahren», murmelt Rob sarkastisch, «und dauerndnach recht und links ausbrechen. Es macht irren Spaß, auf der Rück-bank herumzukegeln. Pomp? Können wir für die Rückfahrt MikaHäkkinen haben?»

Dieser Fahrer hat Rob zum letzten Mal gefahren.

. . .Bei den Proben für die MTV-Awards trifft er Chris Martin, den Sänger von Coldplay. Die beiden kennen sich nicht. Rob geht hin,um ihn zu begrüßen, und sie unterhalten sich ein bisschen über das Leben in Los Angeles. «Drei Hündchen», sagt er. Chris Martin spieltdie «Was-soll-eine-so-ernste-kleine-Band-wie-wir-bei-einem-solchen-Starevent»-Pose voll aus. In diesen Tagen erscheint das zweite Albumvon Coldplay, aber noch ist es zu früh, um sagen zu können, ob dasihren Durchbruch bedeutet.

«Für uns ist es vorbei», sagt er zu Rob. «Das One-Hit-Wunder.»«Verstehe», meint Rob trocken und schlägt vor, sich hinterher im

Hotel auf einen Kaffee zu treffen. «Hast du unter deinem eigenen Na-men eingecheckt?»

«Die kennen mich unter ‹Bono›», witzelt Martin und nennt Robdann sein richtiges Pseudonym.

In seiner Garderobe denkt Rob nochmal über das Treffen nach.«Ich mag ihn», meint er.«Er ist sehr höflich, findest du nicht?», will David wissen.«Ja. Sehr höflich.»Rob erklärt Gina, der Visagistin, wie nett Chris Martin ist: «Er er-

innert mich an mich selbst.» Pause. «Nur nicht so muskulös oder miteinem so großen Schwanz.»

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Er geht auf die Bühne und probt ein paar Mal «Feel» mit rauerStimme. Danach begrüßt er jedes Mal einen Europop-Star von ges-tern, Dr. Alban, Technotronic, 4 Non Blondes. Dann entdeckt er aufdem Teleprompter die Moderation von Puff Daddy, mit der er Robankündigen soll. Emotionslos liest er sie vor: «Mein nächster Gast willsich bei MTV für seine beiden Häuser bedanken, seine drei Autosund die Supermodel-Freundin . . . den 80-Millionen-Deal . . . er lebtden P Diddy-Traum . . . »

Auf dem Flur trifft er schon wieder Chris Martin. «Dir scheint es ja ganz gut zu gehen», zieht er ihn auf. «Ohne jetzt

Namen nennen zu wollen.» (Rob spielt damit auf Schlagzeilen an, diebehaupten, Martin treffe sich gelegentlich mit Gwyneth Paltrow.)

«Ach was», kontert Chris, «Bon Jovi und ich sind nur gute Freunde.»

Rob will wissen, ob Chris zum Mittagessen ins Hotel geht, aberChris meint, er ginge zum Backstage-Catering. «Wohl nicht gut ge-nug für dich, was?»

«Ich habe einen neuen Plattenvertrag», antwortet Rob. «Weißnicht, ob du davon gehört hast. Catering geht für mich jetzt nichtmehr.»

«Ja», meint Chris. «Jetzt ist weniger Geld für Bands wie uns übrig.»

Rob geht ins Bad und denkt beim Pinkeln über diesen letzten Satznach. Als er wieder herauskommt, ist er irgendwie genervt.

«Was hat er denn damit gemeint – ‹Bands wie wir›?», fragt er sich.Auf der ganzen Welt gibt es wohl niemanden, der empfindlicher aufdie winzigste Geringschätzung reagiert. Ich frage ihn, was er dennglaubt, was Chris Martin gemeint haben könnte, und er sagt: «Coole,glaubwürdige Bands – nicht so dusselige Take That-Loser wie ich.»

Dann entschließt er sich doch, zum Catering zu gehen, undspricht zum dritten Mal an diesem Tag mit Chris Martin. «Dubrauchst Medikamente», erklärt er ihm.

«Du bist ein Medikament: Du bist Popstar und ein gut aussehen-der Typ und solltest dir nicht so viele Sorgen machen», schlägt ChrisMartin vor. «Ich mache mir auch dauernd Sorgen», fügt er dann hinzu.

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Mag sein, dass Privatjets etwas an sich haben, was Erinnerungen aus-löst. Während wir Deutschland anfliegen, erzählt Rob von seinen Be-gegnungen mit Bono. Die erste ist eine seiner Lieblingsgeschichtenaus seinen damaligen Drogenzeiten. Er war zu einer Party bei Bono inDublin geflogen, wo er sich den Kopf mit Pilzen zudröhnte. Bonofand ihn, wie er an die Wand starrte.

«Bono», sagte er, «das ist ein unglaubliches Gemälde . . . »«Robbie», antwortete Bono sanft, «das ist ein Fenster.»Robbie wohnte im Gästehaus. Er sollte sich, wie alle anderen Gäs-

te vor ihm, ins Gästebuch eintragen. Vor der Abfahrt stand er langedavor und grübelte darüber, was Salman Rushdie, Kofi Annan undandere geschrieben hatten. Eingeschüchtert von so viel Weisheit undPoesie versuchte er, sich etwas Passendes auszudenken. Endlich setzteer den Füller auf das Papier.

«Für Bono», schrieb er, «alles Liebe, Robbie.»Er ist besessen von Bono und U2. Ihr Konzert im April 2001 in

Anaheim, Kalifornien, war einer der Hauptgründe, warum er alsSolo-Künstler aufhören und stattdessen eine Band gründen wollte.Danach betete er lange Zeit: «Lieber Gott, kannst du machen, dass ichso jemanden wie The Edge finde? Und kannst du mir helfen, wirklichanspruchsvolle Texte zu schreiben, die meine Seele so berühren wiedie von Bono?»

Nach dem Konzert in Anaheim ging er hinter die Bühne undsagte zu Bono: «Wenn ich groß bin, möchte ich so werden wie du.»Bono machte nicht den Eindruck, als sei er davon besonders begeis-tert.

Bei den verschiedenen Begegnungen mit Bono gibt es eine, die erwirklich bereut. Bono hat so eine Art, einen manchmal zu packen, indie Augen zu sehen und dabei auf einen einzureden. Rob hatte immergehofft, Bono würde mit ihm auch mal so reden, hatte aber gleichzei-tig entsetzliche Angst davor. Eines Nachts, gleich am Anfang vonRobs Solo-Karriere, trafen sie sich und Bono sagte: «Wenn du willst,kannst du wirklich ein Großer werden.»

Und Rob erwiderte: «Ja, ich werde der größte Star aller Zeiten.»«In der Sekunde, in der ich das sagte, wusste ich schon, dass das

falsch war», sagt Rob. «Er sah mich an, als hätte ich eines seiner Kin-

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der entführt. Und er sagte nein, nein, nein . . . Und ich sagte nein,nein, nein . . . »

. . .Josie bespricht mit ihm, was ihn auf der Pressekonferenz in der briti-schen Botschaft erwartet: 269 Journalisten, eine Einführung des Bot-schafters, Meetings mit den Tournee-Sponsoren Xbox und Smart.Rob tritt auf und steht vor einem riesigen Foto, das ihn bei einemLuftsprung zeigt. «Danke, dass wir hier Ihre Hütte benutzen dürfen»,sagt er zum Botschafter, setzt sich auf einen Hocker mit dem Mikro-phon in der Hand und sieht aus wie ein Varieté-Künstler aus denSiebzigern. Er erklärt den 269 Journalisten, dass er Grippe und nurzwei Stunden geschlafen hat und außerdem ein bisschen eingeschüch-tert ist. «Okay, irgendwelche Fragen?»

Die Art, wie er auf die harmlose Frage antwortet, warum er OpenAir-Konzerte macht, zeigt gleich, in welcher Stimmung er ist. Weil esimmer große Konzerte sind, beginnt er und fügt ungefragt hinzu:«Und ich glaube wirklich, man sollte sich meine Konzerte jetzt anse-hen, weil es nach dieser Tournee und diesem Album eigentlich nurnoch schlechter werden kann. Ich befinde mich jetzt auf dem Höhe-punkt meiner Karriere, und das sollte keiner verpassen. Später, so infünf Jahren, gibt’s dann nur noch die Ferienshows in englischen Som-mercamps. Mit Oasis.»

Er wird zu Amerika befragt, und ein Teil unseres Gespräches imFlugzeug blubbert aus ihm heraus. «Ich habe eine ganze Menge inter-essantes Zeug dazu gelesen, gerade jetzt mit dem Erscheinen des neu-en Albums. Ich habe gehört, dass diese Platte direkt auf das amerika-nische Publikum zugeschnitten sein soll. Und der Grund, warum ichso viel Zeit da drüben verbringe, ist, dass ich verzweifelt entschlossenbin, dort meinen Durchbruch zu schaffen . . . Die volle Wahrheit ist:Es ist mir völlig wurscht. Ich habe wirklich sehr hart gearbeitet, erstbei Take That, seit ich 16 bin, dann an meiner Solo-Karriere . . . DieWahrheit ist, mich interessiert der Durchbruch in Amerika nicht be-sonders. Es wäre ein wahnsinnig harter Job, ich bin dort ein neuerKünstler, ich scheiß drauf. Der Aufwand ist einfach zu groß. Ich habemein Geld, vielen Dank. Also, ganz offiziell: Ich bin nicht interessiert.

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Wirklich. Ich habe ein sagenhaftes Publikum hier drüben und inAsien und sonst wo, das sich meine Alben anhört. Ich muss da nichthin.»

Einfach so. Diese Worte sollen später angeblich an den sinkendenAktienkursen von EMI schuld sein.

Er plappert weiter, stellt einige Dinge klar – die Geschichte mitMs. Dynamite, den Exklusiv-Deal mit Guy Chambers – und sprichtüber seinen Penis. Das Übliche eben.

«Thomas von Bravo», stellt sich ein Journalist vor, «was haben Siemit dem ganzen Geld von EMI vor?»

«Ich will ein Zimmer voller Süßigkeiten», antwortet Rob. «Unddann werde ich mich rausfressen.»

Vereinzeltes Gelächter, aber vor allem Befremden über diese Ant-wort.

«Ich hab keine Ahnung», fährt er fort. «Ich bin ein Star. Wir ha-ben ja viele Scheidungen. Eine Menge davon wird an zukünftige Ex-Frauen gehen, da bin ich sicher. Es gibt schon Pläne für eine Tourneein etwa 15 Jahren, wenn ich es wirklich nötig haben werde, weil zweimeiner Frauen die ganze Kohle abgeräumt haben.»

In einem Nebenzimmer gibt er zwei Journalisten vom Spiegel einInterview. Sie finden, dass er auf den Fotos im CD-Booklet von Es-capology ein bisschen aussieht wie Jesus. Auf dem Cover hängt er kopf-über von dem höchsten Gebäude in Los Angeles, die Arme ausgebrei-tet, wie ein lebendes Kruzifix. Innen ist ein anderes Foto, auf dem ervon Kopf bis Fuß von Ringen aus Licht umgeben ist, wobei der Ringam Kopf wie ein Heiligenschein wirkt. Diese Interpretationen hört erzum ersten Mal und lehnt sie beide ab. Sie wollen wissen, wie der Ti-tel des Albums zustande gekommen ist, und er erzählt von seinemPlan, sich der Figur Robbie Williams zu entledigen, und wie er seineMeinung dann doch wieder geändert hat. «Es war die Flucht vor demEntfliehen, mit dem ich mich erledigen wollte», sagt er. «Ich habe eswirklich geschafft, zu dem Punkt zurückzukommen, an dem ich es ge-nieße, ich zu sein.»

«Flucht im Sinne von Weglaufen kann auch etwas Negatives sein»,meint einer der Journalisten ernsthaft.

«Kommt darauf an, wie man es betrachtet», sagt er. «Man könnte

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sagen, es wäre eine Flucht vor den Dingen, die wirklich wichtig sind,eine Flucht vor Verantwortung. Aber man könnte es auch als Fluchtvor dem Selbstmord sehen, und ich glaube, das ist die wahre Bedeu-tung.»

Sie fragen nach seinen Eltern, und er spricht zuerst über seineMutter. «Sie sagt immer, dass sie sehr stolz darauf ist, was ich alles er-reicht und wieder hinbekommen habe. Und das ist für mich dasWichtigste», erklärt er. «Das bedeutet mir mehr als ein 80-Millionen-Plattenvertrag.» Er grinst breit und etwas dämlich. «Nur kann mandas nicht ausgeben.»

«Gibt Ihr Vater Ihnen Ratschläge für Ihre Auftritte?», wollen siewissen.

«Meinem Vater zuzusehen ist an sich schon sehr lehrreich. SeineKörperhaltung, seine Manierismen. Aber ich habe eigentlich bei je-dem Entertainer geklaut – bei Freddie Mercury . . . Axl Rose, TinaTurner, Mick Jagger, David Bowie, Dean Martin, Sammy Davis Jr.,Frank Sinatra, meinem Vater, anderen Komödianten, die ich kenne,Steve Coogan, Eddie Izzard . . . Ich habe mir einfach von jedem etwasabgeschaut und in meinen Auftritt eingebaut.»

Was er an einem typischen Tag in Los Angeles so macht, fragen sie.«Nichts», sagt er. «Absolut gar nichts. Das kann ich sehr, sehr gut.

Manchmal kaufe ich mir ein paar Klamotten. Aber häufig sitze ichden ganzen Tag herum und tue überhaupt nichts, spiele ein bisschenGitarre, gehe vielleicht mit den Hunden spazieren. Ich habe so viel ge-macht, seit ich 16 war, also ist es für mich ein Geschenk, einfach her-umzusitzen und nichts zu tun. Ich habe daraus eine hohe Kunst ge-macht. Ich bin ein Mann, der den ganzen Tag Nichtstun übt.» Ererklärt, dass das ein wichtiger Teil seiner Entwicklung ist, um glück-lich und ruhig zu werden. «Manche Leute lieben es, berühmt zu sein,und können damit sehr gut umgehen. Ich kann das nicht.»

«Sie können sich nicht daran gewöhnen, berühmt zu sein?»«Nein», antwortet er. «Ich glaube, es ist so: Am Anfang tut man al-

les, um ein Star zu werden, und den Rest seiner Karriere verbringtman damit, als Star zu überleben.»

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