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Klassisch-Philologisches Seminar Serena Zweimüller der Universität Zürich Fachdidaktik Griechisch Th. Wirth (überarbeitete Fassung Feb. 2011) LUKIAN, Göttergespräche (Θεῶν διάλογοι) Eine Auswahl mit Einleitung, Anmerkungen und Interpretationsfragen: Zeus & Ganymedes (gr.) Hera & Zeus (gr. und dt.) Hermes & Helios (gr.) Eros & Zeus (gr./dt. parallel)

Lukian, Göttergespräche (Dialogi deorum / **** ********)

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Lukian, Gttergesprche (Dialogi deorum / )

Klassisch-Philologisches SeminarSerena Zweimllerder Universitt ZrichFachdidaktik GriechischTh. Wirth(berarbeitete Fassung Feb. 2011)

Lukian, Gttergesprche( )

Eine Auswahl mit Einleitung, Anmerkungen und Interpretationsfragen:Zeus & Ganymedes (gr.)Hera & Zeus (gr. und dt.)Hermes & Helios (gr.)Eros & Zeus (gr./dt. parallel)

Lukian, Gttergesprche ( )Lukian, Gttergesprche ( )

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Inhalt

Vorbemerkungen1. Lukian als bergangslektre22. Zur vorliegenden Auswahl23. Text und Anmerkungen24. Literaturhinweise3

Textauswahl Lukian: Leben und Werk41. 52. 92. Hera & Zeus dt. Variante113. 134. 15Fragen zur Interpretation16

Vorbemerkungen

1. Lukian als bergangslektreLukians Texte eignen sich sprachlich und inhaltlich gut als bergangslektre; das gilt besonders fr seine Sammlungen von : Als relativ kurze, in sich geschlossene Einheiten ermglichen sie eine recht zgige Originallektre, die viele Interpretationsmglichkeiten bietet.Zu den Gttergesprchen ( ) ist im Speziellen anzufgen, dass sie den Schlerinnen und Schlern die Gtterwelt auf eine besondere und witzige Weise nherbringen, nmlich als Einblick in ein nur allzu menschliches Leben auf dem Olymp, wo sich Intrigen, Affren und Streitereien abspielen. Mit spteren Lektreeinblicken in Homers Ilias oder Odyssee oder in die Tragdie wird das Thema der Gtterdarstellung vertieft: Parallelen und Kontraste zur lukianischen Darstellung werden sichtbar, und gleichzeitig liefern diese Texte im Nachhinein Teile des von Lukian verwendeten mythologischen Hintergrundes.

2. Zur vorliegenden AuswahlDie hier ausgewhlten vier Dialoge scheinen mir gut geeignet fr eine bergangslektre, weil sie auch mit geringem mythologischen Vorwissen verstndlich sind und ihr Humor fr die Schlerinnen und Schler innerhalb der dargestellten Szenen selbst deutlich wird, ohne dass sie z. B. schon ber Homerkenntnisse verfgen. Die vier Texte sind zudem durch die Figur des Zeus und seine erotischen Abenteuer inhaltlich miteinander verknpft, wobei der Fokus jedes Gesprchs wieder ein anderer ist: Zeus als Pderast (Zeus & Ganymedes), Eifersucht der Hera / Beziehung des Herrscherpaars im Olymp (Hera & Zeus), Auswirkungen von Zeus Affren auf andere Gtter (Hermes & Helios), Macht des Eros (Eros & Zeus).Ein mgliches Ziel dieser Lektreeinheit ist es, Lukians raffinierte Charakterzeichnung der Dialogsprecher zu studieren und Kernelemente seines humorvollen Umgangs mit klassischen Themen herauszuarbeiten. Dadurch erhalten die Schlerinnen und Schler auch Einblick in die fr die Kaiserzeit so prgende Arbeitsweise der Attizisten, ihre Art der mit der Forderung einer Neu- bzw. Umgestaltung des Klassischen. Besonders deutlich wird das z.B. im Dialog zwischen Hermes und Helios, in dem Lukian meisterhaft zeigt, wie gut er es versteht, aus einem bekannten mythologischen Thema (hier: Geschichte von Alkmene und Amphitryon, Eltern des Herakles) einen kleinen Teil herauszupicken und aus einem ganz neuen Blickwinkel, nmlich dem des Helios, darzustellen. 3. Text und AnmerkungenDie ersten drei Gesprche sind in griechischem Text abgedruckt, whrend das letzte Gesprch (Eros & Zeus) als zweisprachiger Text angeordnet ist. Das Gesprch Hera & Zeus kann alternativ auch im beigefgten rein deutschen Text verwendet werden. Der griechische Text basiert auf der Ausgabe von M. D. Macleod, Luciani opera tomus IV, OCT, 1987.Die Anmerkungen zu Wrtern, Formen und Konstruktionen sind auf das Lehrbuch Kantharos abgestimmt; als bekannt vorausgesetzt sind Vokabular und Grammatik der Lektionen 144. Wrter, welche von den Schlerinnen und Schlern selbstndig erschlossen werden knnen, sind mit ? bezeichnet.[footnoteRef:-1] [-1: Wer sich auch fr Lukians Totengesprche interessiert, kann bei mir gerne die Dialoge Menipp & Hermes (gr.) sowie Achilleus & Antilochos (dt.) in entsprechender Textgestaltung beziehen.]

4. Literaturhinweise

bersichtsdarstellungen zu Leben, Werk und Nachwirkung Lukians:-H.-G. Nesselrath, Lukian: Leben und Werk, in: Ebner/Gzella/Nesselrath/Ribbat (Hgg.), Die Lgenfreunde oder: der Unglubige, Darmstadt 2001 (SAPERE Bd. 3), 1131.-ders., in: Der Neue Pauly Bd. 7 s. v. Lukianos [1], 493501.

Interpretatorisches zu den Dialogen Lukians:-R.B. Branham, Unruly Eloquence. Lucian and the comedy of traditions, Cambridge Mass./Lon-don 1989, 127177.

Lukian: Leben & WerkLukian lebte von ca. 120180 n. Chr. und stammte aus Samosata in Syrien. Samosata war die Hauptstadt des ehemaligen Knigreichs Kommagene, welches seit 17 n. Chr. zum rmischen Reich gehrte. Lukians Lebenszeit fllt in die Herrschaft der Kaiser Antoninus Pius (Nachfolger Hadrians) und Marc Aurel. ber seine Biographie ist uns nicht viel bekannt; er durchlief eine rhetorische Ausbildung, bereiste dann als Redner Griechenland, Italien und Gallien und arbeitete als Schriftsteller wohl lngere Zeit in Athen. Sein schriftstellerisches uvre ist, soweit wir wissen, vollstndig berliefert und umfasst ber 80 meist krzere Texte. Sie sind inhaltlich und gestalterisch vielfltig, doch treffen wir in ihnen als Kernthema immer wieder eine meist witzige, manchmal bissig-sarkastische Auseinandersetzung mit der zeitgenssischen Bildungselite, und das hat seinen Grund: Lukian gehrt ins Umfeld einer historischen und kulturellen Bewegung, die Attizismus genannt wird. In einer Zeit, in der das rmische Imperium politisch den gesamten griechischen Raum beherrschte, besannen sich die griechischsprachigen Redner, Schriftsteller und Intellektuellen kulturell auf die Bltezeit Griechenlands zurck, auf das klassische Athen des 5./4. Jhs. v. Chr. Sie liessen die klassische griechische Zeit wiederaufleben, heimsten damit bei ihrem Publikum bzw. ihrer Leserschaft grosse Erfolge ein und strkten das Empfinden eines gemeinsamen kulturellen Griechentums. So ist einerseits die Sprache dieser Literatur klassisches Attisch (gegenber dem im alltglichen Umgang mittlerweile verwendeten Koine-Griechisch) und orientiert sich an Platon als grossem Stilvorbild, andererseits sind die Inhalte von den kanonischen Autoren inspiriert (neben Platon v.a. Thukydides, Homer, Hesiod, die attischen Tragiker) oder greifen wichtige historische Epochen des klassischen Griechenland auf (z.B. die Perserkriege). Der Attizismus barg fr die Autoren die Gefahr, in ein rein repetitives Nachahmen von schon bekanntem Stoff zu verfallen; dieser Gefahr war man sich bewusst, so dass Intellektuelle und Literaturkritiker der Zeit unter ihnen auch Lukian immer wieder betonten, dass der gute Attizist es verstehe, nicht nur Klassisches nachzuahmen und wiederaufleben zu lassen (), sondern auch in neuer, ungewohnter oder gar provozierender Form zu prsentieren. Diese Anforderungen riefen unter den Rednern und Schriftstellern der Kaiserzeit ein grosses Wetteifern und damit verbunden auch Angriffe auf schlechte Konkurrenten hervor, die uns in den Texten immer wieder begegnen.In der Umformung typischer Themen und Stoffe war Lukian ein Meister. Kennzeichen vieler seiner Schriften sind einerseits der Dialogstil, andererseits Komik und Humor. Vier Gesprchszyklen hat der Autor selbst benannt: Es sind die Toten-, Hetren-, Meergtter- und Gttergesprche. Die Gttergesprche sind eine Sammlung von 25 kurzen Dialogen, die jeweils bekannte Episoden aus der griechischen Mythologie aufgreifen. Die einzelnen Gesprche sind in sich abgeschlossen, wobei aber zwischen ihnen inhaltliche Querverbindungen vorhanden sind. Thematischer Bezugspunkt dieser Gesprche sind die homerischen Epen schon in ihnen findet sich das speziell menschliche Element in der Darstellung der Gtter, welches Intrigen und Rivalitten hervorruft und bisweilen witzig ist: Die Gtter kmpfen gegeneinander auf Seiten der Trojaner und der Griechen, sie sind untereinander uneinig, bestechlich und schrecken nicht vor Ehebruch zurck. Eine charakteristische Vernderung gegenber den homerischen Epen erreicht Lukian dadurch, dass die Gtter in konventioneller Prosa, in umgangssprachlichem Ton miteinander sprechen ganz so wie die Sterblichen auch. Ihr Reden ist nicht das von Gttern, und damit entsteht zwischen ihrer Rolle (gttlich) und ihren usserungen (menschlich) eine Distanz, die mitverantwortlich ist fr die Komik. Der berhmte Lukian-bersetzer Christoph Martin Wieland schreibt in seiner Vorrede zu den Gttergesprchen: Es war ein ebenso glcklicher als neuer und khner Gedanke, die Gtter sozusagen in ihrem Hauswesen und im Neglig, in Augenblicken von Schwche, Verlegenheit und Zusammenstoss ihrer einander so oft entgegenstehenden Forderungen und Leidenschaften, kurz, in solchen Lagen und Gemtsstellungen miteinander reden zu lassen, wo sie (unwissend, dass sie Menschen zu heimlichen Zuhrern htten) sich selbst gleichsam entgttern.Am hufigsten treten als Dialogsprecher Zeus und Hermes auf, wobei mit Zeus inhaltlich meist dessen Liebschaften verbunden sind, whrend Hermes als guter Zuhrer, Informant und natrlich als Zeus Bote fungiert. Einen wichtigen Platz nimmt immer wieder auch Eros ein, dessen Pfeile all die Liebeleien berhaupt erst entfachen und der deshalb grosse Macht hat sogar ber Zeus. Seine Mutter Aphrodite muss ihn daher bisweilen in die Schranken weisen.Wir als LeserInnen belauschen die Gttinnen und Gtter bei Gesprchen ber ihre alltglichen Sorgen, Probleme, Streitereien...

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(hier relativ): (dahin,) wo / : Impf. zu = / : Konj. zu ; ergnze , : Schnabel / , , : krumm , : Nagel, Kralle / , , : scharf, spitz : Flgel / , , : geflgelt

Adv.: gerade, soeben (noch) / , Aor. : herabfliegen / : Herde (vgl. )-, Perf. -: ?-: (aktives!) Perfekt zu -

: verndern, wechseln

, : Hirtenflte; Attribut des Pan, er soll der Erfinder dieser Flte sein, welche aus sieben Rohren zusammengefgt ist (vgl. Panflte!) , : Horn / , , : zottig, behaart , : Schenkel, Bein

-, : unkastriert (vgl. , : Hode) , : Ziegenbock / : Hhle, Grotte / (Perf.): stehen (gemeint ist, dass sich in oder vor der Hhle ein Standbild des Pan befindet) , : Menschenruber, Sklavenhndler (vgl. ) : Altar / : Sdgipfel des Ida-gebirges im nordwestlichen Kleinasien / : regnen lassen, regnen / : donnern : Blitz

Adv.: krzlich, vor kurzem / , Aor. : herabgiessen, ausschtten / : Hagel- Adv.: ? / : Lrm / : Widder, Schafbock

, Fut. : zerreissen, zerfleischen

Adv.

-: ? / Adv.: heute

Adv.: keineswegs, auf keinen Fall / Adv.: umsonst, vergeblich / + Gen.: anstelle von

-: aufsuchen, vermissen Adv.: spter, nachher

: Fut. zu

Adv.: siehe oben zu / : ? (vgl. ) : Widder, Schafbock - (nt. Pl.): Lsegeld (vgl. ) / , : dreijhrig / : Weide(platz)

, : glatt, schlicht, klar / , , : einfach : fahren od. sein lassen-, : ?

+ beim Gen.: s. o. / : Kse / , : Milch / , Fut. : ? / , Fut. : eingiessen ,

= / : spielen; -: ? , : Altersgenosse (vgl. )

: Krasis aus : sogenanntes deicticum (betontes , bei Lukian hufig) / : 1. Knochen; 2. Wrfel(chen) / Adv.: sehr / , , : heiter, frhlich / -: ? (vgl. )

: Hirt sein, Herden weiden (vgl. )

-: Wein einschenken / -: Perfektfutur zu / (+ Gen.): Sorge tragen fr

-, Aor. - / -: Inf. Aor. akt. zu - / : Trinkgefss, Becher

Adv. (als Ausruf): sieh da! / (+ Gen.) sich erinnern, denken an / : (be)dienen: s. o. zu

: Futur zu / : ergnze : kosten, probieren

: sich schlafen legen, schlafen / -: s. o.

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: Schlaf / , Fut. : ntzen , : ?

: 1. Zaubermittel, Besnftigungsmittel; 2. Ergtzung, Reiz / , , : weich, sanft

: unwillig, unzufrieden sein / -: ? - Adv.: vom Morgen an, bei Tagesanbruch: stossen, ausschlagen, treten / : einen Ton od. Laut von sich geben, reden am Satzanfang: daher: s. o. / : fast immer, sehr oft (ergnze ): rechte, passende Zeit (etwas zu tun) / -: Inf. Aor. akt. zu --: schlaflos sein / -: zur Last fallen, belstigen (vgl. ) / Adv.: ununterbro-chen, unablssig

-: umarmen

-: abkssen

: Fut. zu / (): was zu tun ist, was man tun muss / : Unsterblichkeit; hier Trank der Unsterblichkeit, Nektar: hinreichen, darreichen / : Becher

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(+ Dat.): achten auf, beachten

: gemeint ist / (+ Akk.): eiferschtig sein auf / , : schlicht, einfach / -, : nicht krnkend, nicht betrbend (vgl. )

: Gattin / -: du gehst hinunter / : Ehebruch treiben / : gleichwohl aber, immerhin = : und wohl, auch wohl / , Aor. : hinauffliegen - Part. Aor. pass. zu -: ratlos sein, Mangel haben an / : Mundschenk : (be)dienen , : Trinkbecher

: Durst haben : fordern, bitten / Adv.: zuweilen, manchmal: kosten, probieren von / : Aor. 2. Sg. zu , (ergnze ): brig(geblieben) (rel.): woher, wo / : hinzufgen, anpassen / , : Lippe / Adv.: neu-lich, krzlich / - (Part. Aor.): ablegen, niederlegen / : Blitz : mit den spielen, wrfeln , : Bart / , , : in solchem Alter, so alt / (Part. Perf.): hinab-lassen, hinabschicken

, Dat. : beide = / = : und wohl, auch wohl / : einmal / , : vor anderen geehrt, besonders angesehen

-, : ?- zu - / , , : weich, weichlich / -: weibisch machen, verweichlichen

(nt. Pl.): Liebling, Geliebter

, o: mdchenhafter, weibischer Mann, , : ersehnt, Sehnsucht erweckend: anstacheln, erzrnen

: heiraten / (Imp. Perf.): erinnere dich, denk dran / : sich wie ein Betrunkener benehmen, unverschmt sein gegen jmd.

: hinken, lahm sein / : Ofen, Brenn-ofen, Backofen / , : Funke / , (+ Gen.): voll von, angefllt mit / Adv.: gera-de, soeben (noch) / : Feuerzange / -- (Part. Perf.): abgelegt habend / : Finger / , Aor. : an sich heranziehen / : Russ / -: mit Russ schwrzen

(): er muss hinabgeschickt werden, , : reinlich / , : rosen-fingrig, mit Rosenfingern / : dv. zu / : hinreichen, darreichen

, , : lahm, hinkend / , : s. o. : s. o. : an Seekrankheit leiden, Ekel/belkeit empfinden / , : behaart, langhaarig Adv.: frher , + : s. o.

: steigern, erhhen / : eiferschtig sein / : unwillig, unzufrieden sein / , , : schn, anmutig: Imp. Prs. zu , : voll, gefllt (vgl. ) : weinen / : hab keine Angst! , Fut. : jammern, wehklagen

2. Hera & Zeus (Ganymed als stumme Person)

(bersetzung nach Christoph Martin Wieland; mit nderungen im Bereich altertmlicher Formen und Ausdrcke)

HeraSeitdem du den phrygischen Knaben da vom Ida geraubt und hierher gebracht hast, finde ich dich sehr kalt gegen mich, Zeus.

ZeusDu bist also auch auf diesen unschuldigen, harmlosen Jungen eiferschtig? Ich dachte, nur die Frauen und Mdchen, die gut mit mir stehen, machten dich so bellaunig.

HeraDu tust in Wahrheit gar nicht gut daran, und es schickt sich sehr bel fr die Wrde des Monarchen der Gtter, deine rechtmssige Ehegattin sitzenzulassen und da unten auf der Erde in Gestalt eines Schwans oder Stiers oder Satyrs berall herumzubuhlen. Indessen bleiben die Kreaturen doch noch, wo sie hingehren: Aber diesen Hirtenjungen da hast du, deiner gttlichen Majestt zur Schmach, sogar in den Himmel heraufgeholt und mir vor die Nase hingesetzt unter dem Vorwand, dass er dir den Nektar einschenken solle; als ob du so verlegen um einen Mundschenken wrst und Hebe oder Hephaistos einem so schweren Amt nicht lnger vorzustehen vermchten. Aber freilich nimmst du den Becher nie aus seiner Hand, ohne ihm vor unser aller Augen einen Kuss zu geben, der besser als Nektar schmeckt, so dass du alle Augenblicke zu trinken verlangst, wenn du gleich keinen Durst hast; ja, du treibst es so weit, dass du den Becher, wenn du nur ein wenig getrunken hast, dem Jungen hinreichst und ihn daraus trinken lsst, um das, was er briggelassen hat, als etwas gar Kstliches aufzuschlrfen; und zwar auf der Seite, die er mit seinen Lippen berhrt hat, damit du gleichzeitig das Vergngen zu trinken und zu kssen habest. Und legtest du nicht neulich deine Aigis und deinen Donnerkeil auf die Seite und schmtest dich nicht, trotz deiner Wrde und dem grossen Bart, den du herunterhngen hast, auf dem Boden zu sitzen und mit ihm zu spielen? Bilde dir ja nicht ein, als ob du deine Sachen so heimlich triebest; ich sehe alles recht gut.

ZeusUnd was ist denn das so Entsetzliches, Frau Gemahlin, wenn ich etwa, um mir ein doppeltes Vergngen zu machen, einem so schnen Knaben whrend des Trinkens einmal einen Kuss gebe? Wenn ich ihm erlaubte, dich ein einziges Mal zu kssen, du wrdest mir gewiss kein Verbrechen mehr daraus machen, dass ich seine Ksse dem Nektar vorziehe.

HeraDas sind sehr unanstndige Reden, Zeus! So weit soll es hoffentlich mit meinem Verstand nie kommen, dass ich meine Lippen an einem phrygischen Hirtenjungen, und dazu an einem solchen weibischen Weichling, verunreinigen mchte!

ZeusMssigen Sie sich in Ihren Ausdrcken, Madame dieser weibische Knabe, dieser phrygische Hirtenjunge, dieser Weichling , doch ich will lieber nichts sagen, um mir die Galle nicht noch mehr zu erhitzen!

HeraO meinetwegen kannst du ihn gar heiraten! Ich sagte das nur, um dich zu erinnern, wie du mich um dieses Mundschenken willen beleidigst.

ZeusSo? Dein sauberer Sohn Hephaist also, so schmutzig und mit Kohlenstaub bedeckt, wie er von seinem Brennofen zu Lemnos kommt, der sollte also um die Tafel herumhinken und uns den Wein einschenken? Aus solchen Fingern sollten wir den Becher nehmen und uns wohl gar noch an seinen russigen Kssen laben, vor denen dir doch selbst ekelt, obwohl du seine Mutter bist? Das wrde was Angenehmes sein! Das wre ein Mundschenk, der die Gttertafel zieren wrde! Den Ganymed muss man nach dem Ida zurckschicken; denn der ist reinlich und hat Rosenfinger und reicht den Pokal mit Grazie hin und, was dich am meisten rgert, ksst ssser als Nektar.

HeraAlso seit uns der Berg Ida dieses schne kraushaarige Brschchen auferzogen hat, ist Hephaist nun auf einmal hinkend und mit Kohlenstaub berpudert und ein ekelhafter Anblick fr dich geworden! Vorher sahst du von dem allem nichts, und weder die Funken noch der Brennofen hielten dich davon ab, dir den Nektar recht wohl belieben zu lassen, den er dir einschenkte.

ZeusLiebe Hera, du machst dir nur selbst Verdruss; das ist alles, was du mit deiner Eifersucht gewinnst. Denn meine Liebe wird dadurch nur hher gespannt. Im brigen, wenn es dir zuwider ist, deinen Becher aus der Hand eines schnen Knaben zu nehmen, so lass du dir immerhin von deinem Sohn einschenken; und du, Ganymed, bedienst mich knftig allein! Und mit jedem Becher ksse mich zweimal: wenn du mir ihn reichst und wenn du ihn wieder von mir zurckempfngst. (Ganymed beginnt zu weinen) Wie? Was weinst du, mein Kind? Frchte nichts! Dem soll es bel bekommen, der dir was zuleide tun wollte!

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, . Adv.: heute / Adv.: morgen Adv.: drinnen

am Satzanfang: daher / : Imp. Aor. 3. Pl. zu (Nebenform) / : die Horen, Gttinnen der Jahreszeiten, die auch das Amt hatten, die Pferde des Sonnenwagens tglich ein- und aus-zuspannen / , Aor. : auslschen : sich ausruhen , , : neu, unbekannt / , : anders beschaffen, ungewhnlich / Frage-einleitung: doch wohl nicht? / : daneben-treten, bertreten / : Lauf, Wettlauf; Renn-bahn / + Gen.: ausserhalb von / unge-halten, unzufrieden sein mit / , , + Gen.: dreimal so gross/lang wie / , Perf. : entscheiden, beschliessen

, : lang / : ihm (Reflexivpronomen)

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o Adv.: keineswegs / --: Ind. Aor. passiv zu / : Beisammensein (vgl. ) / , : viele Mhen durch-stehend / : vollenden

: fertig bringen, vollenden

,-: fern oder ausserhalb schlafend: sich schlafen legen, schlafen : die Lnge der Nacht variiert je nach Jahreszeit / , Perf. pass. -: umstellen, ndern / : zusam-mensein mit , : unglcklich, unselig / : (verchtlich) Weibsbild, Dirne / , Perf. pass. : umwenden / , : un-biegsam, steif, ungelenk / (< -, vgl. ): Unttigkeit, Rast, Musse / , : unbe-treten, unbenutzt / Adv.: hintereinander / -, , : mhselig, unglcklich

, , : dunkel, finster / -: ? / -, Fut. (+ Gen.): geniessen, einen Vorteil haben von, zu verdanken haben / -: Fut. zu / = : bis (dass) : vollenden / : Finsternis

: Musse / -: Inf. Aor. akt. zu -: loslassen, nachlassen =

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, , .EROSUnd wenn ich auch einen Fehler begangen habe, Zeus, so verzeih mir. Ich bin eben noch ein Kind und unverstndig.

ZEUSDu ein Kind, der du doch viel lter als Iapetos bist? Wie? Weil du noch keinen Bart und keine grauen Haare hast, mchtest du gerne als Kind durchgehen, obwohl du doch so alt und so voller Schelmereien bist!

EROSAber was hab ich dir denn, wenn ich so ein Greis bin, wie du sagst, zuleide getan, dass du mich sogar fesseln willst?

ZEUSSind das etwa Kleinigkeiten, du Gottloser, dass du, bloss um deinen Schabernack mit mir zu treiben, alles schon aus mir gemacht hast einen Satyrn, Stier, Goldregen, Schwan, Adler? Du hast nie eine Frau in mich in meiner wahren Gestalt verliebt gemacht, noch habe ich wegen dir je eine Frau erobert, nein, ich muss Zauberei gegen sie gebrauchen und mein wahres Ich verbergen. Sie lieben den Stier oder Schwan und sterben vor Angst, sobald sie mich in meiner eigenen Gestalt sehen.

EROSDas ist nur natrlich. Denn sie knnen deinen Anblick, Zeus, nicht ertragen, da sie nur Sterbliche sind.

ZEUSWie kommt es denn, dass Branchos und Hyakinthos den Apoll lieben?

EROSDaphne hingegen lief vor ihm davon, obwohl er schnes langes Haar und ein glattes Kinn hat. Wenn du geliebt sein willst, hr auf, deine Aigis zu schtteln und deinen Blitz mit dir herumzutragen, mache dich so angenehm und sanft als mglich, lass deine Haare in langen Locken wachsen, binde sie zusammen mit einer Haarschleife, trage einen Purpurrock und goldene Sandalen, komm tanzend daher zu Pfeifen und Pauken und du wirst sehen, dass du ein grsseres Gefolge haben wirst als Dionysos mit seinen Mnaden.

ZEUSGeh weg! Ich mchte lieber nicht geliebt sein, wenn ich dafr so sein muss.

EROSDann solltest du auch nicht lieben wollen. So einfach ist das.

ZEUSO nein, ich will meine Romanzen, aber ich will sie mit weniger Mhe bekommen. Versprich mir das und ich lass dich gehen!

Fragen zur Interpretation

1. Das Gesprch lebt vor allem durch die grosse Differenz der beiden Personen:a)Charakterisieren Sie die beiden Personen.b)Wie tritt die Differenz zwischen ihnen zutage? (in welchen Themenbereichen, an welchen Stellen im Dialog)

2. Beschreiben Sie den Ablauf des Gesprchs:a)Welche Vorwrfe macht Hera ihrem Gatten?b)Wie reagiert Zeus darauf?c) Wie endet die Auseinandersetzung und was sagt ein solches Ende ber die Personen aus?d)Beziehen Sie bei Aufgabe c) auch Ganymedes mit ein, der von Anfang an als stumme Person dabei ist, was durch Ausdrcke wie dieser Hirtenjunge (z.B. era ganz zu Beginn) klar wird. Wie kann man die Tatsache interpretieren, dass der Autor Ganymedes zum Schluss weinen lsst?

3. a)Wie ist Helios erste Reaktion auf den Auftrag, seine Fahrt fr drei Tage zu unterbrechen? / Wie ist seine zweite Reaktion, nachdem er mehr ber die Hintergrnde des Auftrags erfhrt? b)Beschreiben Sie anhand von a) Helios Charakterisierung. Inwiefern gibt er eine komische Figur ab?c)Wie wird Zeus den LeserInnen durch Helios Aussagen prsentiert?d)Orientieren Sie sich ber den Amphitryon-Mythos.

4. Notieren Sie sich die mythologischen Anspielungen dieses Gesprchs; gehen Sie ihnen wenn ntig mit Hilfe von Lexika/Internet nach.