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(Aus der Psychiatrischen und Nervenklinik der Universiti~t Greifswald [Direktor: Prof. Dr. E. Forster].) Meskalinwirkung bei Stiirungen des optischen Systems. Von Julius Z~dor. (Eingegangen am 3. M~rz 1930.) I. Fragestellung, bisherige Ergebnisse, Methode. II. Versuche an Patienten mit Astigmatismus, mit kongenitalem und er- worbenem Nystagmus und Myopie. IIL Versuche an Patienten mit Gesichtsfelddefekten. IV. Versuche an einseitig Amaurotischen. V. Versuche an Blinden. VI. Ergebnisse. I. FragesteUung, bisherige Ergebnisse, Methode. (~ber die Meskalinwirkung auf den Wahrnehmungsakt Normaler liegen in der Literatur zahlreiche Untersuchungen vor 1. Sind die Er- gebnisse dieser Untersuchungen, noch so wertvoll, so bediirfen sie doch der Erg~nzung und Weiterfiihrung durch Versuche bei Defektzusti~nden der sensorischen Systeme. Dureh die Analyse der Meskalinwirkung bei Defektzust~nden dieser Systeme, (fiir deren Affektion die Normal- versuehe gewisse Anhaltspunkte geliefert haben) wird es n~mlich erst mSglieh, die Wirkungsweise des Meskalins sowie die Genese der Meskalinsinnesti~usehungen n~her zu erf~ssen. KSnnen doeh aus den hierbei zumNormalen sieh ergebenden Differenzenweitgehendere Sehliisse gezogen wercten als aus den Ergebnissen der Normalversuche allein. In folgender Arbeit werde ich mich auf ein Teilgebiet der Meskalin- wirkung beschr~nken und die optisehen Meskalinsinnest~uschungen bei StSrungen des optischen Systems untersuehen. Bevor ich auf die zu behandelnden Fragen eingehe, erseheint es mir angebracht, die op- tischen Meskalinerseheinungen, wie wir sie auf Grund der Normalver- suehe kennen, hier nochmal kurz anzufiihren. In Beginn der Meskalinwirkung kommt es zunachst zu einem ver~nderten Gesamteindruck der Umgebung ohne groben Umweltandertmgen. Die Farben 1 Behringer: Der Meskalinrausch. Berlin: Julius Springer 1927. (Siehe dort i~ltere Literatur.)

Meskalinwirkung bei Störungen des optischen Systems

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Page 1: Meskalinwirkung bei Störungen des optischen Systems

(Aus der Psychiatrischen und Nervenklinik der Universiti~t Greifswald [Direktor: Prof. Dr. E. Forster].)

Meskalinwirkung bei Stiirungen des optischen Systems.

Von

Julius Z~dor.

(Eingegangen am 3. M~rz 1930.)

I. Fragestellung, bisherige Ergebnisse, Methode. II. Versuche an Patienten mit Astigmatismus, mit kongenitalem und er-

worbenem Nystagmus und Myopie. IIL Versuche an Patienten mit Gesichtsfelddefekten. IV. Versuche an einseitig Amaurotischen. V. Versuche an Blinden.

VI. Ergebnisse.

I . FragesteUung, bisherige Ergebnisse, Methode.

(~ber die Meskalinwirkung auf den Wahrnehmungsakt Normaler liegen in der Literatur zahlreiche Untersuchungen vor 1. Sind die Er- gebnisse dieser Untersuchungen, noch so wertvoll, so bediirfen sie doch der Erg~nzung und Weiterfiihrung durch Versuche bei Defektzusti~nden der sensorischen Systeme. Dureh die Analyse der Meskalinwirkung bei Defektzust~nden dieser Systeme, (fiir deren Affektion die Normal- versuehe gewisse Anhaltspunkte geliefert haben) wird es n~mlich erst mSglieh, die Wirkungsweise des Meskalins sowie die Genese der Meskalinsinnesti~usehungen n~her zu erf~ssen. KSnnen doeh aus den hierbei zumNormalen sieh ergebenden Differenzenweitgehendere Sehliisse gezogen wercten als aus den Ergebnissen der Normalversuche allein.

In folgender Arbeit werde ich mich auf ein Teilgebiet der Meskalin- wirkung beschr~nken und die optisehen Meskalinsinnest~uschungen bei StSrungen des optischen Systems untersuehen. Bevor ich auf die zu behandelnden Fragen eingehe, erseheint es mir angebracht, die op- tischen Meskalinerseheinungen, wie wir sie auf Grund der Normalver- suehe kennen, hier nochmal kurz anzufiihren.

In Beginn der Meskalinwirkung kommt es zunachst zu einem ver~nderten Gesamteindruck der Umgebung ohne groben Umweltandertmgen. Die Farben

1 Behringer: Der Meskalinrausch. Berlin: Julius Springer 1927. (Siehe dort i~ltere Literatur.)

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erscheinen leuchtender als sonst oder besonders triibe. Die einzblnen Gegenst/~nde wirken markanter, plastischer. Die Lichtreflexe fallen spontan auf und nehmen oft Kontrastfarben an. Sonst unscheinbare, unbeachtete Eigentiimlichkeiten der Umgebung ziehen die Aufmerksamkeit auf sich. Es kommt zur Abs der Bewegungserlebnisse, zu Scheinbewegungen an der realen Umgebung. Die Vor- hi~nge werden wie vom Wind bewegt gesehen. Die Gegenstiinde treten n/~her und wieder zurfick, sie vergrSl3em sich dabei in der N~he trod nehmen an Deutlichkeit zu, beim Zurficktreten dagegen werden sie kleiner und versehwommener. /)er Raum scheint in seinen I)imensionen ver~ndert, bald schmal und hoch, dann breit und niedrig. Der Fui3boden bewegt sieh wellenfSrmig, Teppich und Tapetenmuster erseheinen in einer ftieBenden kontinuierlichen Bewegung. Die Gegensts wirken zeitweise sehr groI3 und massig, dann wieder l~cherlich klein. Es kommt aueh zum Verzerrtsehen, die Gegensti~nde erscheinen disproportioniert, wie im Zerrspiegel. Kontinuierliehe Bewegungen werden diskontinuierlich erlebt usw.

Aber nicht nur die reale Umgebung seheint sich zu verandern. Es treten zuni~chst bei geschlossenen Augen, dann auch bei offenen Augen primitive, meist farbige Erscheinungen im raschen Wechsel auf, es kommt zur Bildu~g yon tapetenmusterartigen ornamentalen, meist durchsiehtigen und beweglichen Ge- bilden, die das ganze Gesichtsfeld ausfiillen und mit dem Blick gleiehsinnig zu wandern seheinen. Beim Ztmehmen der Meskalinwirkung kommt es dann neben Steigerung und Vervielf~ltigung dieser Erscheinungen zu illusion~ren Ver- kennungen und szenenhaften Sinnest~uschungen. Die Einzelerscheinungen hi~ufen sich immer mehr und ergeben, indem sie sich erg~nzen, ein Wirrwarr yon optischen Erlebnissen.

Unter Vernachl/~ssigung der Meskalinerscheinungen auf anderen Sinnes- gebieten soll nur noeh auf die fast konstant auftretenden ZeitsinnesstSrungen und auf die StSrung der Vorstellungsabl~ufe aufmerksam gemacht werden sowie auf die Tatsache, dab bei grol~en Meskalindosen (yon 0,5 an) aueh bei vorher vSllig klaren Patienten die vor allem dutch Vorstellungsschwierigkeiten bzw. Trennung derselben bedingte BewuBtseinsstSrung gelegentlich so weit zunimmt, daI~ die Versuchs- personen nicht nur zeitlieh, sondern aueh voriibergehend 5rtlich desorientiert werden bzw. auf kurze Zeit ausgesproehen delirant erscheinen.

Das A u s e i n a n d e r h a l t e n der e inzelnen opt ischen Meskalinerschei- n u n g e n u n d ihre E rk l~ rung stSl~t bei Normalve r suchen infolge tier Kompl iz ie r the i t des Zus tandsb i ldes auf grol3e Schwierigkeiten. Bei de n meis ten bisher durchgeff ihr ten Meskal inversuchen beschr~nken sich auch die A u t o r e n fast ausschliel~lich auf die klinische Besehre ibung der Sym- ptome. Auch B e r i n g e r 1, der zwar eine Reihe yon F ragen aufwirf t , begniigt sich zuns mi t einer ph~nomenologisehen Regis t r ie rung der e inzelnen Symptome , ohne eine weitergehende Analyse bzw. Erk l~ rung der E r s e h e i n u n g e n zu geben. S t e i n s u n d Mayer-Gro[3 3, 4, besonders S t e i n muB das Verd iens t zugesprochen werden, gewisse Kla rhe i t fiber die

1 Beringer: 1. c. 2 Stein: Pathologie der Wahmehmung. Bumke, Handbuch der Geisteskrank-

heiten, Bd. 1, S. 351---422. a Mayer-C~rofl: Pathologie der Wahrnehmung II. Bumke, Handbuch der Geistes-

krankheiten, Bd. 1, S. 425--507. Mayer-Grofl u. Stein: Z. Neur. 101.

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82 Julius Zs

Genese der Meskal inerscheinungen geschaffen zu ha be n 1. Stein k a m auf die Ergebnisse seiner Meskal inversuehe u n d auf seine S tudien der Sche inbewegungen fu~end, zu einer n e u e n , , s innesphysiologisch"/undier ten Au/ /assung der Wahrnehmung. Er stellte, i n d e m er aueh fiir den s innesunspezif ischen F a k t o r in der W a h r n e h m u n g , der bisher n u r psyehisch fal~bar sehien, seine , ,s innesm~Bige" Genese zu beweisen suchte, alas ganze W a h r n e h m u n g s p r o b l e m auf eine andere Basis ~.

1 Sie konnten durch systematische, sinnes-physiologische Untersuchungen naehweisen, da[~ bei den Meskalinisierten eine Umstimmung der Sinnesreregbarkeit entsteht. Stein hat gezeigt, dab diese Ver~nderungen der Erregbarkeit auf optischem und taktilem Sinnesgebiet sich parallel zu den Ver~ndertmgen der Chronaxie verhalten. Durch diese u. a. objektiv festgestellten Tatsaehen wurden manche unter Meskalin wahrgenommenen Ver~nderungen an der realen Umgebung als Zeichen zentral bedingter St6rungen der Sirmesfunktion erkl~rbar. (Seitdem wir wissen, daft aueh bei Schadigung des Sympathicus [Foerster, Altenburger und Kroll: Z. Neut. 129, (1929) ] es zu Ver~nderungen der sensiblen Chronaxie kommt, kSnnen die Chronaxiebefunde allein nicht ohne weiteres als Beweis ftir die zentrale Genese der meskalinbedingten St6rungen bewertet werden.) Die experimentell festgestellte Unf~higkeit kontinuierliche Bewegungen auf versehiedenen Sinnesgebieten ats solche wahrztmehmen, ist vielleicht ein noch viel wiehtigeres Ergebnis ihrer Unter- suchungen. Es ist bier nicht m6glieh, auf die insbesondere yon Stein durch- gefiihrten Untersuchungen und Feststellungen weiter einzugehen. Es sei nur hervor- gehoben, dab es ihm gelungen zu sein scheint, nachzuweisen, daB der Abbau der Sinnesleistungen auf allen Sinnesgebieten n~ch denselben Prinzipien und zwar im Sinne des yon Weizs~ekersehen ,,Funktionswandels" vor sich geht. Er konnte auBerdem feststellen, dab auch die Chronaxie der Sinnesorgane aich dem Wandel der Funktion entsprechend ver~ndert.

2 Stein ging zun~chst von der Tatsache aus, dab die Wahrnehmung nicht als durch einfaehe Addition der Empfindungselemente entstanden auffaBbar ist. Die meisten Sehwierigkeiten bot bei jeder auf Grund dieser Einsicht entstandenen Wahrnehmungstheorie die Erkl~rung der Bewegungserlebnisse. Alle mechani- stischen Theorien, welche tats~chlich durchgeftihrte Bewegungen, Innervations- gefiihl usw. als Hilfserkl~rungen heranzogen, muBten aufgegeben werden, da sie insbesondere zur Erkl~rung der Seheinbewegungserlebnisse nicht ausreichten. Auf diese Ausfiihrungen yon Palagyi fui3end, nahm er als integrierenden Bestandteil jeder Wahrnehmung auBer den Empfindungselementen eine sinnesunspezifische ,,virtuelle" Bewegung an. Unter virtuellen Bewegungen verstand er in der Ein- bildung vollzogene Bewegungen, welche nicht tats~chlich ausgeftihrten Bewegungen zu entspreehen brauehten. Im Gegensatz zu Palagyi vertrat er aber die Aneicht, daft diese ,,virtuelle" Bewegung ,,sensorischer" Provinenz, d. h. an die Sinnes/unIctionen gebunden seien. Er faflt seine Auffassung folgendermaBen zusammen: ,,Wahr- nehmung ist der Akt, der Emp/indungen und Bewegungen in einem einheitlichen Erlebnisse zusammenschlie[Jt. Ebensowenig wie Wahrnehmung ohne Emp/indungs- material denkbar ist, ebensowenig kann eine Wahrnehmung ohne die beziehungs- scha/]ende Emp/indungen verkni~p/ende Bewegung allein aus Emp/indungen sich bilden". Die ,,sensorische" Bewegung, welche denmaeh die Empfindung ver- kntipft und gestaltet bzw. den Ausdruck ,,eines besonderen synthetisierenden Aktes in der Wahrnehmung darstellt, garantiert nach ibm dann die raumzeitliche Orientierung". Letztere wiirde nur dureh den VoUzug yon ,,sensorischen" Bewe- gungen gewonnen. ,,Raum und Zeit sind nur besondere Erscheinungen des Be- wegungsvorganges.'" Auch die Fahigkeit zum Identifizieren yon Gegenst~nden

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Auf de r Theor ie y o n Ste in fuflend, versuchte d a n n Mayer-Grof l I in se iner A b h a n d l u n g fiber d ie Psychopa tho log ie de r W a h r n e h m u n g auch d ie H a l l u z i n a t i o n e n v o m , , s innes-physiologisch ph~nomeno log i schen" Ge- s i c h t p u n k t aus zu b e t r a c h t e n . E r versucht durch Verg le iche de r l~Ies- ka l iner lebnisse m i t d e m y o n Ge i s t e sk ranken die s innesm~Bige Genese y o n H a l l u z i n a t i o n e n i i b e r h a u p t zu beweisen bzw. diese , , s innesm~Bige" Genese als das W i c h t i g s t e a n diesen Ersche inungen in d e n V o r d e r g r u n d zu stel len.

E s muB hier noch e ine y o n Zucker und mir in unserer g e m e i n s a m e n A r b e i t be re i t s aus f i ih r l i ch besprochene , ,psychische" E r s c h e i n u n g h e r v o r g e h o b e n werden , d a ihre Berf icks icht igung zum Vers t~ndn i s de r Meska l inwi rkung sehr wesen t l i ch ist. Es hande l t sich u m die St6rungen der Vorstellungsabldu/e 2, 3 y o n denen ffir folgende Aus f f ih rungen d ie Unf/~higkeit, Gegens t~nde sich opt i sch zu vergegenw~rt igen , bzw. fest- z u h a l t e n y o n be sonde re r B e d e u t u n g zu sein scheint. E s handelt sich dabei u .a . u m eine St6rung der Kontinuitdt , u m einen Zer/al l der Vor- stellungsreihen. Auf G r u n d d ieser S tSrung a de r Vors te l lungsabl~ufe bzw. de r E r schwerung m i t d e m v o r h a n d e n e n V o r s t e l l u n g s m a t e r i a l zu oper ieren ,

bei verschiedenen Sinneseindriicken, das Identit~tsurteil sei nur auf dem Wege der sensorischen Bewegungsbilder m6glich, welohe mannigfach und sinnesun- speziffisch sind. Durch eine ausfiihrliche Analyse der Scheinbewegungserlebnisse versucht er d~nn zu beweisen, dal] auch diese Erlebnisse sowie die Bewegungs- erlebnisse tiberhaupt nur durch die Annahme einer ,,virtuellen" Bewegung wider- spruchslos erkl~rt werden k6naen. Ftir seine Auffassung tiber die ,,sensorfische" Genese dieses Bewegungsvorganges stfitzt er sich u. a. auf die Befunde bei zentral gest6rter Sensibilit~$, wo die sonst untrennbar aneinander gebundenen Bestandteile der Wahmehmung (Empfindungselemente und sensorfische Bewegung) getrenn$ zum Bewul3tsein kommen. (Durch einfache Stichreize k0nnen bei solchen Zust~nden Bewegungserlebnfisse und durch Bewegungen empfindungsm~flige Er- lebnisse ausgel6st werden.) Im fibrigen muI3 beziiglich der Wahrnehmungstheorie Steins, dessen Kenntnis zum Verst~ndniskommen folgender Arbeit sehr wesentlich ist, auf seine Originalarbeit verwiesen werden. Es ist nicht m6glich, bier alle zum Verst~ndnis seiner Auffassung wichtigen Ergebnfissr und Erw~gungen der Arbeit ausreichend zu berticksichtigen.

1 Mayer-Grofl: 1. c. 2 Zucker u. Zador: Zur Analyse der Meskalinwirkung am Normalen. Z

Neur. 1930. a Die Vorstellungsabl~ufe bzw. ihre St6rung bei Meskalinisierten wurden

auch bei Knauer [Z. Neur. Ref., 4, 37--39 (1912)] und Beringer (a. a. O.) erw~hnt, unseres Erachtens aber dort in ihrer Bedeutung fiir das Verst~ndnis der Meskalin- ph~nomene nicht ausreichend gewiirdigt.

4 Beziiglich der Genese dieser St6rungen der Vorstellungsabl~ufe gehen unsere Ansichten mit der yon Stein, der diese auch kurz erw~hnt, insofern auseinander, als er sie durch die Inanspruchnahme infolge der massenhaft auftretenden optischen Meskalinerseheinungen zu erkl~ren versucht. Wir haben diese St6rung oft bei Personen, ohne gleichzeitig auftretende optische Erscheinungen gesehen und anderer- seits auch bei Vorhandensein lebhafter optischer Ph~nomen vermiBt, bzw. nur geringer ausgesprochen gefunden. Wir sind deswegen der Ansicht, dab diese St6rung eine primdre und nicht sekund~re fist.

Z. f. d. g. Neur , u. P s y c h . 127. 3

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34 Julius Zgdor:

kommt es (u. a.) bis zu einem gewissen Grade zu einem Absentieren yon dem, was an unseren Wahrnehmungen infolge unserer zielstrebigen Denk- art vorstellungsm~Big bedingt bzw. gef/s ist, es kommt mit anderen Wor ten zu einem objektiveren Sehen.

Wit h~tten demnach bei der Auswertung der Versuehe yon den bisherigen Ergebnissen der Meskalinuntersuchungen folgendes zu be- rfieksiehtigen: 1. Die Ergebnisse der sinnesphysiologisehen Unter- suchungen yon Mayer-Grofl und Stein. 2. Die Wahrnehmungstheorie yon Stein und 3. die yon Zucker und mir analysierten StSrungen der Vorstellungsabl~ufe.

Ieh t ra t an die Versuche zun~chst a u s lokalisatorisehen Gesiehts- punkten heran. Dabei interessierten reich in erster Linie folgende Fragen: Wie wird das Erleben der Meskalinerseheinungen durch Defektzust/~nde der brechenden Medien (Cornea, Linse) bzw. dureh di~ StSrungen der Augenbewegungen (Nystagmus) beeinfluBt ? Was ergibt die vergleichende Analyse der Meskalinwirkung bei ihnen und bei Normalen beziiglieh der Genese des Untersehiedes im A u s f a l l der Giftwirkung ? 1st die lokalisatoriseh verschiedene Bedingtheit der Amaurose und der Gesichts- felddefekte fiir den Ausfall der 1VIeskalinwirkung yon Bedeutung ?

Abgesehen yon diesen aus lokalisatorisehen Gesiehtspunkten inter- essanten Yragen sollten die Versuche noch zur K1/~rung maneher, nu t vom /unktionalen Gesiehtspunkt bzw. vom Psychischen her fal]baren Fragen dienen. Von den Scheinbewegungserlebnissen und dem Verzerrt- sehen, (welche durch die Ergebnisse bei den Defektzust~nden der Cornea und Linse, sowie der AugenbewegungsstSrungen einer n/s Analyse unterzogen werden sollen), abgesehen geben die Versuche bei Sehenden und Blinden die MSgliehkeit auf eine fiir die Wahrnehmung prinzipiell wiehtige Frage einzugehen. Der Vergleieh der Meskalinwirkung bei Sehenden und Blinden ermSglicht uns an Hand der Beobaehtungen der Raumwahrnehmungsab/mderungen bei ihnen auf die Bedeutung der ,,sinnesunspezifischen" und ,,sinnesspezifisehen" Faktoren fiir die Wahr- nehmung in ihren Beziehungen zueinander einzugehen. Der Vergleich der optisehen MeskalinsinnestKusehungen bei Blinden und Sehenden, bei psychisch vor dem Versueh vSllig Freien bzw. sehon vorher Bewul~t- seinsgetriibten bietet Gelegenheit zur Differenzierung der Meskalin- sinnest/~usehungen. Wir wollen uns dabei vor allem der Frage widmen, ob die ,,primitiven" und ,,szenenha]ten" Sinnest/s unter Mes- kalin t rennbar sind. Wir werden diese Frage so yon der sinnesphysio- logisehen Seite wie vom Psychischen her zu beleuehten versuchen. Die Frage nach der Differenzierbarkeit der Meskalinsinnest~uschungen als psychopathologische PhKnomene fiihrt zu der Frage naeh dem Wesen der Sinnest~tuschungen iiberhaupt, zu der in dieser Arbeit (soweit das auf Grund yon Versuehen an Nichtpsychotischen mSglieh war) gleichfalls Stellung genommen werden soll.

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Es sind im ganzen 21 Versuche vorgenommen worden. Untersucht werden : ein Fall mit Astigmatismus, ein Fall mit Myopie und physiolo- gischer Akkommodationsschw~che zwei F/~lle mit kongenitalem Nystagmus, ein Fall mit erworbenem Nystagmus bei Syringomyelie, drei F/~lle mit halbseitiger Amaurose (tabische Sehnervenatrophie, Katarakt , einseitig enukleiertes Auge), drei F/~lle mit Hemianopsie (bitemporale bei Hypo- physentumor un4 homonyme bei Parietooccipitallappentumor) und 9 vSllig Bhnde infolge zum Tell intraokul~rer, zum Tell Sehnerven- erkrankungen). Eine Patientin war seit dem 2. Lebensjahr infolge Enucleatio beider Augen blind und verfiigte fiber keinerlei optische Erinnerungen und Vorstellungen 1

Ich gab, reich an die Angaben Beringers 2 haltend, Dosen yon 0,3 bis 0,5 Meskalin-Sulfat. Meine Erfahrungen beziehen sich nut auf das synthetischeMeskalinvon Merck. Mit Rficksicht auf die Art der Versuchs- personen sowie der Ph/~nomene, die zu beobachten waren, und nicht zuletzt infolge der Wichtigkeit der Stellungnahme zu den Erscheinungen w/~hrend der Erlebnisse selbst kam ffir reich der nach dem V-ersuch angefertigte Selbstbericht erst in zweiter Linie in Betracht. Die Patienten wurden w/~hrend der ganzen Wirkungsdauer beobachtet und ihre Schilderungen der Erscheinungen bzw. die Stellungnahme zu letzteren sofort proto- kolliert. Es ist selbstverst/~ndlich, da$ alas Rauschbild infolge der dauern- den Kontrolle und h/~ufigen Ablenkung der Patienten eine gewisse t~_nde- rung erfuhr. Gerade die dauernde Beobachtung aber ermSglichte, daI~ die Erscheinurrgen oft im Entstehen erfaBt werden konnten. Syste- matische sinnesphysiologische Untersuchungen, wie sie Stein und M a y e r - Grofl vorgenommen haben, sind nicht angestellt worden. Die Ergebnisse stfitzen sich nur auf die klinische Beobachtung, w~hrend d e r n u r dutch die Situation gegebene Experimente vorgenommen wurden. Nur das Verhalten beim Drehnachnystagmus und die F/~higkeit zur optischen Vergegenw/~rtigung yon Vorstellungen wurden vor und im Rausch in fast allen F/~llen geprfift. S/imtliche Protokolle werden gekfirzt und nut soweit sie ffir die Fragestellung der Arbeit yon Interesse sind, mitgeteilt.

1 Die Versuche wurden auiler in der hiesigen Klinilr noch in der Augenl~linik yon Prof. Guttmann in Berlin und in der Univ.-Nervenklinik der Charit6 zu Berlin (Direktor: Geheimrat Bonhoe//er) ausgefiihrt. Herrn Prof. Guttmann und Geheim- rat Bonhoe//er, die reich entgegenkommenderweise in der MSglichkeit, mit den Patien- ten in bezug auf die Versuche Fiihlung zu nehmen, unterstfitzten, sowie die Aus- fiihrung der Versuche in ihren Kliniken gestatteten, spreche ich hiermit meinen Dank aus. Ebenfalls bin ich Herin Prof. Messmann zu grol~em Dank verpflichtet, der mir gestattete, mit den Patienten der Charit~-Augenklinik Berlin fiber die Vornahme der Versuche zu verhandeln. :Die Patienten wurden yon mir fiber den rein wissenschaftlichen Zweek des Versuches sowie fiber die zum Teil unangenehmen vegetativen :Nebenerscheinungen der Meskalinwirkung aufgekl~rt.

2 Beringer: 1. e.

3*

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36 Julius Z~dor:

I I . Versuche an Patienten mit Astigmatismus, mit kongenitalem und erworbenem Nystagmus und Myopie.

Die perz ip ie renden und l e i t en4en E l e m e n t e des opr Sys t e ms sowie die zen t ra len Mechan i smen w a r e n be i den fo lgenden F~l len v611ig i n t a k t . Die Sch~digungen des op t i schen S y s t e m s be sc h r~nk t e n sich be i i hnen auf die b r echenden Medien des pe r i phe re n S i n n e s a p p a r a t e s sowie auf die S tSrungen der Augenbewegung im Sinne eines I f fys tagmus auf angeborener und e rworbener Grund lage . D e m e n t s p r e c h e n d interessier~ in den fo lgenden Versuchen in e rs te r L in ie die F r a g e , ob u n d inwiewei t besondere A r t e n y o n Scheinbewegungen an der r e a l e n U m g e b u n g u n t e r Meska l in bei ihnen au f t r e t en . I m AnschluB a n d ie B e o b a c h t u n g e n soll auch auf die Sche inbewegungen u n d das V e rz e r r t s e he n i i b e r h a u p t e ingegangen werden. Es wi rd d a b e i besonder s d ie F r a g e e r 6 r t e r t w e r d e n : W a s is t a n den Meska l ine r sche inungen d u t c h d i r e k t e W i r k u n g e n auf die b rechenden Medien u n d den k ine t i s chen A p p a r a t des Auges se lbs t bed ing t u n d was fist nu r als A u s d r u c k e iner re in zen t r a l en S t6 rung de r W a h r n e h m u n g auffal~bar ?

Fall 1. Astigmatismus, 0,45 Meskalin. M. W., 37 Jahre, Chauffeur, wegen Kopfschmerzen und hypochondrischer

Beschwerden in hiesiger Klinik in Behandtung. Neurologisch o. B. Patient gibt an, ohne Brille die Gegenst~nde verschwommen, aber nicht verzerrt zu sehen. Die Streifen erscheinen ihm breiter als mit der BriUe, zeitweise beinah wie doppelt, aber sie iiberdecken sich noch und es tr i t t ein Fl immem bzw. ein rascher Wechsel der Breite auf. Am rechten Auge sei alles noch starker ausgesprochen als links. Patient sieht die quer und l~ngs gerichteten St~be am Fenster ohne Brille wesentlich verschwommener und breiter, bemerkt aber keinen Unterschied in der Breite der Quer- und L~ngsst~be selbst. Er sieht die Gegenst~nde mit und ohne Brille in gleicher Entfernung und GrSBe. Sie werden mit Brille bloB deutlicher und ldarer. Beim Dretmachnystagmus (zehnmaliges Umdrehen Blickrichtung naeh der Gegenseite) treten keine Scheinbewegungen an der realen Umgebung auf, nur etwas verschwommenes Sehen im Anfang. Vorstelinngsaufgaben werden gut gel6st, es kSnnen auch l~ngere VorsteUungsreihen optisch vergegenw~rtigt werden.

Befund der Univ.-Augenklinik Greifswald: Rechts Astigmatismus mixtus, links Astigmatismus hyperopicus. Sehsch~rfe rechts: (--2,0 D. sph. ~-3,5 D. cyl. 90 ~ 6/8 teilweise Sehseh~rfe links: (-~ 2,0 D. cyl. 906) 6/6. Der Patient tr~gt ein Glas: rechts: --1,0 D. sph. + 3,0 D. cyl. 90 ~ links: ~- 1,5 D. cyl. 906. Brechende Schichten und Augenhlntergrund sind beiderseits normal.

1 Uhr. 0,2 Meskalin. 25 Uhr. Bis jetzt keine Ver~nderung der optischen Wahrnehmung. Emeut 0,15 Meskalin. 21~ Uhr. (Gibt spontan an.) Die Verschwommenheit nimmt zu, die Streifen

sind bedeutend breiter und st/~rker. Am rechten Auge erscheinen die Querstdbe 5reiter als die Ldngsstdbe (setzt seine Brille auf), ,,auch etwas verschwommen, nicht so klar wie sonst". (Verdeekt erst das reehte, dann das linke Auge) ,,mit beiden Augen".

22~ Uhr. , ,Jetzt erscheinen an beiden Augen die Querst~be dicker als die L~ngsst~be."

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22~ Uhr . (Ohne Brille). Die Eisenst~be vom Nacht isch werden verschwommcner , als wenn rechts u n d links ein ungcf~hr gleich brei ter d ichter Schleier hcrunter- hgngt . " (Setz t die BriUe auf.) ,,Schleier auch noch etwas, abe r n i ch t so s t a rk . "

Vors te l lungsaufgaben: (Motorrad ?) ,,Nee, ich k a n n reich gar n ich t s a m m e l n . . . sehcn tue ich i i be rhaup t n ich t s vor dem gcistigen Auge." (Apfelsine ?) , , Ieh sehe bloB cinch gelben K l u m p e n . . . er verschwindct . . . k o m m t d a n n wieder nghcr r an . " (Ehefrau ?) , , Ich sehe n ich ts . . . ich weifl, wie sie auss ieht . . . k6nnte sie mir je tz t n u r vorstel len, kolossal dick, in die Brei te gcgangen." (Selbst gesteuertes Auto ?) ,,Viel p lumper und aufdringlicher . . . alles bedeutend stgrker, in unmgfliger Form ~.

2 ~5 Uhr . Gib t s pon t an an, an der glatten oran~je]arbenen Wand ohne Brille verschwommene Schri/tzeichen, wie am Sicgclring, zu sehen. Es sind mehrere, ge- bogene, ine inander verschlungene Schriftzeichen, die yon l inks oben nach rechts un t en in Wellenl inien angeordne t sind und eine gewisse f l immernde Bewegung zeigen. Pa t i en t s ieht diesc Erschcinungen iiberall an der W a n d , wo er sich hin- wendet. Sobald cr sic abe t entz i f fem will, versehwinden sic u n d es bilden sich dann neue, die er gleichfalls n i ch t k lar entziffem kann.

250 Uhr. Quers tgbe am Fens tc r noch immer deutl icher und dicker als di Lgngsst~tbe.

3 Uhr. (Pa t i en t wird auf die Veranda der Wachab te i lung gefiihrt, in einen hal lenart ig e inger ich te ten R a u m mi t pyramidenf6rmiger Einte i lung der brgunl ichen Wandbema lung u n d Aquare l lcn an den Wgnden.) ,,Alles so komisch, grotesk . . . ich sehc die MSbel richtig, d a r u m aber einen Schleier, der F igu ren bi ldet . . . wie F ra tzen . " Sieht Refe ren ten dicker als sonst, aber n ich t verzerr t . A n der Wand auch hier dieselben Schri]tzeichen wie im andern Zimmer. , ,Nur en t sprechend gr613cr." Fiigt bald spon t an h inzu : ,,Die Ent fernung ist ja auch gr0~er ."

37 Uhr. (Schlieflt auf Auffordcrung die Augen, g ib t dann nach kurzer Zeit an) : ,,Hellcre Schrif tzeichen auf dunklerem Grund . . . genau wie an der Wand, auch yon links oben n a c h rechts u n t e n in gew61btcm Bogen genau wie die ande rn . " Auf genaueres Befragen g ib t er an, dab beim Schliel3en de r Augen es zungchst dunkel wird u n d die Schrif tzeichcn sich erst allm~hlich i m m e r klarer wcrdend ausbilden. 0 f i n e r er die Augen, so sieht er an dcr W a n d zungchs t wieder klcine Schriftzeichen, ers t n a c h einigen Sekundcn.

3 a~ Uhr . Die Schrif tzeichen sind mit Brille ]darer, ohne Brille verschwommener. Bis jetzt keine Seheinbcwegungen an der realcn Umgebung beobachte t .

3 s~ Uhr . Bei B e t r a c h t u n g des Fensters erscheinen die Leis ten zwisehen den einzelnen Glasscheiben im Gegensatz zum Normalzus tand ohne Brillc schmglcr und auflerdem in weitere En t fe rnung geriickt, m i t Brillc breitcr, die Fcns tcr ngher und gr613er. Der Unte r sch ied sei so groi3, als wenn man durch ein Fernglas sieht. ,,Die Brille wirkt ]etzt wie ein Fernglas."

355 Uhr. Die Schri]tzeichen an der Wand nehmen ecIcige Formen an. ,,Als wenn man ein verschlungenes H, L odcr 1~ vor den Augcn hat , abe r alles in s tumpfcn Winkeln" . S ieht j e tz t auch bei geschlossenen Augen die Buchs t aben in s tumpfen Winkeln.

512 Uhr . D6ste in der Zwischenzeit vor sich bin, auf Befragen gibt er an, er habe vor den geschlossenen Augen aIlerhand Bilder gesehen, ,,wie das so ist, wema m a n d6st" . E inma l habe er auch die Siegessgule in Berlin gesehen, wuflte aber, da[3 das nu r t i n Bild sei(?).

515 Uhr . 0,1 Meskalin. 5 2s Uhr . Die Schri f tzeichen kommen je tz t n ich t mehr yon der Seite, sondem

yon vom, sie n g h e r n sich bis zu einer gewissen Ent fe rnung u n d 16sen sich dann auf. Bei gescMossenen Augen s ieht er je tzt zuerst t i n Gemisch von verschiedenen Farben , zwischen den gelb u n d hel l rot iiberwiegen, d a n n t r e t en P u n k t e in verschiedenen

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88 Jul ius Z~dor :

F a r b e n auf, nahe Schrfftzeichen in sandgrauer Farbe . , ,Hell auf dunkiem Grund und umgekehr t . . . als wenn sie skizziert wi~ren, n i ch t ausgearbei te t ,"

530 Uhr . Die Schri/tzeichen an der Wand werden wieder deutlicher und runder. 545 Uhr . Fixier te Gegenst~nde in der ~ h e und auch in der Ferne (eigene Hand ,

Tisch, Stuhl) werden immer kleiner. , , Je l~nger ich hinsehe, desto kleiner werden sie, sobald ich wegsehe, werden sie wieder no rma l . " Alle proport ioniert , n ich t verzerr t . N~her gelegene Gegenst/~nde werden kleiner als weiter entfernte. (Probier t an der eigenen H a n d die Ent fe rnungen aus und zeigt den Untersehied.) Beim Kleinerwerden der Gegenst~nde t r i t t sp~ter ein immer in tens iver werdender Schmerz im Auge auf, der ihn zwingt, die Augen zu schlieBen. Das Aufsetzen der Brille ist ohne Einflul3 auf diese Erscheinung. Die Gegenst/~nde bleiben beim Kleinerwerden stets in derselben Ent/ernung und werden n u r verschwommener . An der W a n d sieht er je tz t zwischen den Schriftzeichen aueh Blumenverz ie rungen , ,Bla t t form", , ,Nelke", alles olme bes t immte Farben, n u r heller als die Wandfarbe . Die Schrift- zeichen s ind jetzt n ich t mehr in Wellenlinien angeordnet , sondern, nachdem sie vor t ibergehend sehr~g den Pyramiden der W a n d b e m a l u n g entsprechend verliefen, liegen sie je tz t quer nebeneinander und k o m m e n aus der W a n d hervor, ,,als wenn h in te r der Wand eine Kulisse w/~re". Sie werden grOiler, wachsen auch hier auf das Vier- bis Sechsfaehe und 15sen sieh dann auf. D a n n k o m m e n wieder andere kleinere nach, die sie verdr/~ngen, um selbst wieder groB zu werden. Genau so verh/~lt es sich mi t den Blumenverzierungen. Die W a n d selbst schein t unbewegt.

6 a~ Uhr . (Macht spon tan folgende Angaben) : , ,Es ist mir, als wenn ich im Tal sitze. . . der Fuflboden geht nach mir zu schie/ herab". P a t i e n t wechselt dann den Pla tz und kons ta t i e r t yon verschiedenen Stel len des Zimmers immer dasselbe. ,,Als wenn ich im Tal sitze, als wenn der FuBboden an der gegeniiber liegenden W a n d 1/2 Meter h•her ist . . . sein mtiBte." Die Schrif tzeichen an der Wand sieht er aueh je tz t m i t Brille klarer und deutlicher. Setzt er sieh n~her an die Wand heran, so er- reichen die Buehs taben n ieh t dieselbe GrOBe wie aus weiterer E n t f e m u n g bet rachte t . , ,An der ]erner abliegenden Wand werden sie ziemlich nochmal so grofl." Zeitsch~tzung gut, spr icht achtstellige Zahlen prompt nach, wird aber mi t Rechenaufgaben n icht fertig. , ,Jedesmal, wenn ich die ersten m i t den le tz teren addieren will, ist die erste verschwunden ." Eine dreistellige Merkzahl k a n n n a c h einer Minute n icht wieder- hol t werden. (Soll sieh ein Motorrad vorstellen.) , ,Das karm ich jetzt nicht , ich weiB wohl, wie es aussieht, bringe es aber n ieh t zusammen . "

7 Uhr . Gibt bei gesehlossenen Augen an, dab der Unte rgrund , auf dem er die Buehs t aben sieht, je tz t schon verschiedenfarbig sei, auch seien die Buchs taben selbst j e tz t ro t trod blau umriindert . Sie k o m m e n aus weiter En t fe rnung bis auf die ]q~he einer StraBenbreite.

72~ Uhr . Die Gegenst~nde schrumpfen beim ~'ixieren noch immer zusamraen. In den Augen empfindet er dabei immer hef t iger werdende Sehmerzen. Die Buch- staben bei geschlossenen Augen sind jetzt ganz anders als bei o]/enen Augen. A n der W a n d lateinische, bei gesehlossenen Augen deutsche. Letz tere entwiekeln sich erst nach geraumer Zeit und sind verschwommen.

840 Uhr . Wurde in der Zwischenzeit allein gelassen. Gib t an, dab die opt ischen Erscheinungen alhni~hlich naehgelassen haben, er habe aber jetzt ein Gefiihl, als kSnne er die eigenen Gedanken nicht festhal ten. , ,Nicht ma l 5 Sekunden lang, wenn ich sie ausft ihren will, sind sie weg und werden ve rd r~ng t von andern Gedanken" . Beim Drehnachnys t agmus verschwinden die B u c h s t a b e n an der Wand, P a t i e n t s ieht n u r einen sieh kreisf0rmig bewegenden Nebel in Wandfarbe . Er s t nach Auf- hSren des Nys tagmus sieht er die Buchs taben und ihr H e r a n k o m m e n wieder. , , Je tz t sind sie wieder da ."

920 Uhr . Mit Ausnahme der Erscheinung, dab be im Aufsetzen der Brille die Gegenst~nde noch etwas n/~her t re ten und grSBer werden, keine optischen Erschei- nungen mehr . Vorstel lungsaufgaben kSnnen je tz t viel besser als vorher gelSst werden.

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~eskalinwirkung bei St6mngen des optischen Systems. 89

,,Wie Normalzustand ist es aber noch immer nicht." Beobachtung wird ahge- schlossen.

Zusammen]a,~sung: Bei einem Fall yon Astigmatismus t ra ten auf 0,45 Meskalin zahlreiche Ver/~nderungen an der realen Umgebung auf. Die gleich breiten Quer- und L~ngsleisten an Fenstern und Tischen wurden als versehieden brei t gesehen. Die fixierten Gegenst/~nde schienen zusammenzuschrumpfen, ohne verzerrt z u sein bzw. n/s zu treten. Dabei wurde ein heftiger Schmerz in den Augen verspiirt. Das Aufsetzen der Brille war auf diese Erscheinungen ohne wesent- lichen EinfluB. I m iibrigen wirkte sie aber wie ein Fernglas im Gegen- satz zum Normalzustand, in dem die Gegenst/~nde mit und ohne Brille i n gleicher Ent fe rnung gesehen wurden. Verzerrtsehen und Schein- bewegungen an der realen Umgebung /ehlten. Gegen Ende des Versuches t r a t beim Pat ienten ein Geftihl des in der Tiefe Sitzens auf, optisch erlebte er dabei, als wenn der FuBboden zu ihm schief herabginge. Er konstat ier te dies aus den versehiedenen Teilen des Zimmers gleich- maaig.

Es wurden bei offenen und geschlossenen Augen ,,Buchstaben" gesehen, welche ganz bes t immte gesetzm~Big wiederkehrende Besonder- heiten bzgl. Form, Farbe, GrhBe und Lage aufwicsen. Sie wurden stets als Tdiuschung erkannt, abet ttls ,,leibha/tig" erlebt und gleichzeitig rnit der realen Umgebung wahrgenommen. Die Entfernung yon der Wand, Aufsetzen der Brille usw. waren stets yon gleichem EinfluB auf sie. Sie waren zun~chst bei geschlossenen Augen genau so wie bei offenen, erst im sp~teren Verlauf t r a t ein best immter Unterschied zwischen ihnen auf. Eine erneute Meskahndosis wirkte in dem Sinne, dab sie wieder die frtihere Fo rm annahmen. AuBerdem crlebte Pat ient beim D6sen ,,Bilder" (Siegess~ule von Berlin) vor den Augen, yon denen er wuBte (nachtr/~gliche Angabe !) dab sie irreal waren (?). Fas t wahrend des ganzen Versuches bes tand bei Pat ient eine deutliche St6rung der optischen Vergegenw~rtigung yon Vorstellungen bzw. der Gedanken- abl/~ufe i iberhaupt. - -

Die im vorigen Fall beobachte ten Ab~nderungen der realen Wahr- nehmung auf dem optischen Gebiet haben fast alle insofern etwas Ge- meinsames, als sie als ein bewufltes Erleben der Folgen yon De]ektzustdinden der brechenden Medien aufgefal~t werden k6nnen. Der Ast igmat ismus k o m m t durch die verschiedene Breite friiher gleich brei t gesehener Quer- und L/~ngsst/~be zum Ausdruck. Die Myopie bzw. deren Kor rek tu r dureh eine Brille, welche im Normalzustand auf die Wahrnehmung der Entfernungen der Gegenst/s keinen EinfluB auszuiiben schien, k o m m t unter Meskalinrausch dadurch zum Ausdruck, dab bei Auf- bzw. Absetzen tier Brille die Gegenst/tnde in verschiedener GrhBe und Ent fernung erlebt werden. Vom sinnesphysiologischen Gesichtspunkt aus handel t es sich bei diesen Erscheinungen um den Ausdruck einer St6rung bes t immter

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40 Julius Ztutor:

n i ch t n~her fal~barer (zentraler) F u n k t i o n e n , de ren I n t a k t h e i t den , , no rma len" Ab lau f " des W a h r n e h m u n g s a k t e s ga ran t i e r t . V o m Psych i - schen ausgehend k6nn te m a n sie durch die S t6 rung der unter normalen FerMiltnissen beslehenden vorstellungsmCiftig bedingten Korrektur der Wahrnehmung erkl~ren. Dal~ dieses , , ob j ek t ive" Sehen als eine Folge- e r sche inung bzw. e in A u s d r u c k de r S t6 rung unsere r Vors te l lungsab- ls u n t e r Meskal in zu b e t r a c h t e n ist , i s t s chon zu A n f a n g dieser A_rbeit a n g e d e u t e t worden. W i r f anden auch in d iesem F a l l eine ausgesprochene S t S r u n g der Vors te l lungsabl~ufe .

W i c h t i g is t das v611ige F e h l e n y o n Verzer r t sehen , da wir die K r i i m - m u n g s a n o m a l i e n im pe r iphe ren A p p a r a t bzw. eine durch Meska l in b e d i n g t e Ver~nderung dieser K r f i m m u n g s v e r h M t n i s s e als Ursache des Verzer r t sehens u n t e r Meska l in a u s s c h a l t e n k6nnen . Die E r k l ~ r u n g e ines wei te ren in t e re s san ten I~h~nomens, nhml ich des Z u s a m m e n - s ch rumpfens der f ix ie r ten Gegens t~nde be i g le ichb le ibenden P ropo r t i one n , st613t auf manche Schwier igkei ten . W i r wol len auf sie h ier noeh n i ch t n~her e ingehen und e rw~hnen nu r den d a b e i a u f t r e t e n d e n ~ul~erst he f t igen Schmerz in den Augen, welcher a n die Mi tbe te i l i gung auch des per i - p h e r e n A p p a r a t e s a m Z u s t a n d e k o m m e n dieser E r sche inung d e n k e n lassen k6nnte . I m i ibr igen e rgeben die obigen B e o b a c h t u n g e n ke inen s i che ren A n h a l t s p u n k t f i ir die Be te i l i gung der Af fek t ionen des per i - p h e r e n opt i schen A p p a r a t e s a m Z u s t a n d e k o m m e n der u n t e r Meska l in b e o b a c h t e t e n A b w a n d l u n g e n der r e a l e n U m g e b u n g . :Die einzige Schluft- /olgerung, welche aus obigem Fall sich ziehen l~iftt, ist eine negative, n~imlich, daft, wie schon oben erw~ihnt, die Kriimmungsanomalien der Cornea und der Linse bzw. ihre Beein/lussung dutch Meskalin /iir das Zuslandekommen des Verzerrtsehens als primdre ursdchliche Momenle nicht in Frage kommen.

Fall 2. Myopie, physiologische Akkommodationsschw?iche 0,45 Meskalin. Prof. Forster, Myopie 5 Dioptrien. Versuch am 18. 1. 1929.

Beziiglich der Protokolle wird auf die gleichzeitige Publikation von Prof. Forster verwiesen. Hier soll nur auf einige Besonderheiter~ der Versuchsergebnisse, soweit sie fiir vorliegende Arbeit yon Bedeutung sind, Bezug genommen werden. Von den Ab~nderungen der realen Wahrnehmung hebe ich in erster Linie die peri- disch auftretende Zunahme und Abnahme der Sehsch~rfe yon ungef~hr 5 Dioptrien hervor, welche durch Leseproben in 90 cm Entfernung sowie durch die Betrachtung yon Einzelheiten an einer kleinen Rembrandtradierung aus 1 m Entfernung ob- jektiv festgestellt wurden. Ungef~hr gleiehzeitig erlebte er an fast allen Gegen- st~nden, die er fixierte, am ausgepr~gtesten allerdings art Personen I)isproportio- nierungen und Verzerrung der Konturen. Diese Erscheinungen wechselten sich ab, und Forster unterschied subjektiv ganz pregnant die beidert verschiedenartigen Ab~nderungen der Umgebung. Die Zunahme und Abnahme der Sehsch~rfe fiihrte er schon w~hrend des Versuehes auf eine Beteiligung der Linse zurtiek; auch hat er gleichzeitig das Verzerrtsehen als eine durch organische Ver~rtderungen bedingte und yon der Kritik unabh~ngige Ts bezeichnet. Sehr interessant waren die zum Teil schon friiher, zum Teil parallel mit diesen Erscheinungert wahrgenom- menen sehr intensiven Vergnderungen der Raumwahrnehmung. Seine ersten )~ul~erungen: ,,Ich habe das Geffihl, als wenn der Stuhl auf- und abgeh t . . .

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Meskalinwirkung bei St6rungen des optisehen Sys~ms. 41

ich weft], dal3 der Boden lest ist, aber ich sehe, er geht weg und kommt n ~ h e r . . . " bezogen sich zwar zum Teil auf allgemein kSrperliehe Empfindungen, sparer aber sehilderte er seine Erlebnisse stets optiseh und klagte nur parallel damit fiber ausgesproehenes Seekrankheitsgefiihl. Von diesen Erseheinungen unterschied er gewisse yon ibm als , ,delirant" bezeichnete Erlebnisse (Vorbeihuschen der Tiere, weiBe Gestalt). Gegen Ende des Versuches traten auch bei ibm, als er nach Ab- idingen der Erscheinungen 1- -2 Glas Bier trank, beim Fixieren eines Teppichs kaleisdoskopartig wechselnde Ver~nderungen und Bewegungen des Teppichmusters in leuchtenden Farben auf. Trotz dem Charakter der Leibhaftigkeit und dem groBen Interesse, mi t dem er diese verfolgte, ha t te er sie stets als T~uschungen bzw. irreal erkannt. Die StSrung der Gedankenabl~ufe ~ul3erte sich bei ihm eine Zeitlang in einem ausgesprochenen Perseverieren seiner Beschwerden. Im iibrigen war trotz der intensivsten optischen Erscheinungen die F~higkeit zur optischen Vergegenw~rti- gung yon Vorstellungen bei ihm nur geringfiigig beeintri~chtigt und ~uBerte sich nur in einem rasehen Verschwinden der auftauchenden Vorstellungen.

Fall 3. Kongenitaler Dauernystagmus, 0,452 Meskalin. G . E . , 16 Jahre. In der Charit6augenklinik in ambulatoriseher Behandlung.

Befund der Augenklinik: Rechts seit der Geburt vSllig blind, links Myopie, Visus ohne Brille 1/15, mi t Prismenglas 6/15. Kongenitaler Dauemystagmus horizontalis yon zum Teil rotatorischem Charakter. Nystagmus im allgemeinen sehr feinschlagig, dazwischen aber auch grSbere Zuckungen yon unregelm~tl3igem Rhythmus.

Versuch am 2. 2. 29 in der Charit~-Nerve~l~l~nil~ Berlin ausgefiihrt. 115~ Uhr. 0,2 Meskalin. 1226 Uhr. Umgebung wird etwas , ,unsicher"; bewegt sich nach rechts und links

bin und her. Sehr wenig aber deutlich, real rasch, real langsamer. 1265 Uhr. , , Je tz t beginnt der ganze FuBboden langsam hin- und herzufahren

in horizontaler Richtung (angeblieh langsamer als die Tische). (Fenster ?)". ,,Be- wegen sich ganz schnell hin und her in seitlicher Richtung und manchmal schrdg nach oben."

1240 Uhr. 0,15 Meskalin. 1255 Uhr. J e t z t bewegen sich die Tiir und Referent auf Patientin zu und wieder

zurfiek. ,,Die seitliche zitterige Bewegung ist auch noch etwas da, aber sehr wenig. ich muff ldngere Zeit hinsehen, um sie an den sich au]- und abbewegenden Gegenet~nden zu entdecken.'"

2 Uhr. 0,75 Meskalin. 216 Uhr. Beim N~herkommen der Gegenst~nde scheint die linke Seite n~her

heranzutreten und grSl~er als die rechte, so da~ dadurch alles einen schiefen Ein- druck macht. Besonders die Tiir. Auch bleibt letztere links l~nger in der N~he.

226 Uhr. Bei Priifung der Sehscharfe mit der Zahlentafel: , ,Ich mul3 immer abwarten, bis es n~herkommt und scharf wird." Pri~/ung der Sehschdr/e ergibt zur Zeit des scMir#ten Sehens ohne Brille 4/35 bzw. 5/50 (sonst 4/60).

235 Uhr. Au] Auffendruck recht~ keine Erscheinungen, links bunte Bilder, Striehe, Karos, Kreise, Muster usw. in Regenbogenfarben. Dann vortibergehend Gebilde wie MSbelstiicke, Wasser. Bei der Au]/orderung, an Ni~rnberg und an die Alpen zu denken, werden auch diese gesehen, wenn auch ,,ganz ent#rnt".

3 Uhr. Am Fenster mitt lere Scheibe deutlicher als die seitlichen. Sieht an ihnen farblose Schlangenlinien sich hin- und herbewegen, wie sie zum Teil auch bei ge- sehlossenen Augen auf Augendruck (von ihr) gesehen wurden. Auch diese Schlangen- linien scheinen in der Mitre am Fenster deutlieher zu sein als seitlich. , , Je tz t nur zwei Scheiben, sie gehen ganz gerade hoch, in der Mitre wie Gitter . . . . Je tz t winden sich die Schlangen . . . . J e t z t als wenn lauter Akrobaten dran sind und tureen . . . . J e t z t Schlangen wie ganz diinne Menschen, sie ziehen sich an der Leiter hoch . . . . Ach Gott, sie gehen immer hSher." (Lacht, weir, dab es ,,Phantasien" sind, sieht

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42 Jul ius Zgdor:

das Bild aber d i rekt vor sich an der Scheibe. ,,Ach, sie gehen immer nach oben, das ist zu drollig . . . . J e t z t ist die Leiter weg, je tz t s ieht es aus wie Zahlen . . . . Gaaz deut l ieh yon 1 - 1 0 , gehen weiter hinauf ganz schnell . . . . In der mi t t l e ren Scheibe is t es wie eine helle W o ~ e . . . . J e t z t wieder Sehlangen . . . . J e t z t wieder Zahlen, je tz t grol3 und deut l ich in D r u e k s c h r i f t . . . alle gehen n a c h oben, n u t zwei bleiben s tehen ."

345 Uhr . Zimmer niedrig und weir. Alles etwas entfernt , wirkt kleiner als sonst. Tisch wie hingemalt , gl~nzend. Von den Scheinbewegungen n u r das zitterige seitliche und das Wegriicken der Gegenst~nde vorhanden .

435 Uhr. ,,So schSn klar im Kopf, auch vor den Augen so seharf ." Objektive Pr i i fung der Sehsch~rfe ergibt je tz t t ro tz des sub jek t iven Geftihls geringere Wer te als vorhin. Pa t ien t in sieht je tz t n ich t mal ganz 1/15. Auf Augendruck naeh Pri ifung der Sehseh~rfe mi t der Zahtentafel sieht sie eine Zei t lang noch die Zahlen 7, 4, 2 vor den Augen, kurze Zeit vorher sah Pa t i en t ih beim Augenschlufl noch 6- -8 Sekunden lang das Zimmer, als wdren die Augen gar nicht geschlossen gewesen ; ers t dann wurde es allm~hlich dunkel.

4 a5 Uhr . Pa t i en t in ha t sich hingelegt und fixiert wieder das Fenster . Nach kurzer Zeit s ieht sie wieder in Aufwartsbewegtmg begriffene Zahlen daran, mal schwarz auf weil3em Grund, mal umgekehr t . , ,Wieder Akroba tenkuns t s t t i cke in s c h w a r z " . . . . , ,Eine Ar t wie S c h n e c k e n . . . ganz deut l ich ." (T~usehung 2) , ,Ja, aber ich sehe es ganz seharf ." Dureh Ger~usehe beim rhy thmisehen Klopfen keine _Amderung der Bewegungen bzw. der Erseheinung am Fenster , n u r bei l~nger anha l t endem lau~en Klopfen wird die Erseheinung etwas undeut l icher . Pa t i en t i n empfindet jede Frage als stSrend, ist nu r mi t den opt isehen Erseheinungen besch~ftigt.

585 Uhr. Lag eine Dreivier te ls tunde auf dem Sofa mi t den Bildern am Fenster besch~ftigt. Folgt n u t unwillig der Aufforderuag sich aufzusetzen. Sieht je tzt Referent im Halbdunkel v611ig disproportioniert, verzerrt wie im Hohlspiegel. FuB und Kopf riesengroB, fas t nebeneinander , mal sehr lang und schmal, dann breit und dick. Gesicht zum Lachen und Weinen verzogen. Augen gehen auf und ab. Die vorgestreckte H a n d wird immer l~nger, r iesenlang und schmal, dabei die Finger gleichm~13ig lang. Kopf mal groB und versehwommen, d a n n wieder kleiner und deutl icher. Die M6bel im Zimmer sind kleiner als sonst, aber sehr deut l ieh; dann wieder etwas gr613er, aber n ieh t verzerr t .

Es wird vor den Augen hell, dunkel, dann wieder hell, als wenn sie die Augen andaue rnd auf und zumaehte . (Das Licht wird angedreht . ) , ,Puppens t i ibchen . . . ach, wie niedl ieh" (lacht). Sieht Referent zu gleicher Zeit, wo das Z immer n u r mikropt i sch ver~nder t zu sein seheint, immer noeh verzerr t . Vori ibergehend wird aber auch das ganze Gesicht gleichmi~Big undeut l ich bzw. wieder sehr deutlich. Macht pl6tzlich folgende Angabe: ,,Die Augen am d e u t l i c h s t e n . . . Muad sehe ich i iberhaupt n ich t . " ,,Drollig, ein Kop / ohne M u n d " . . . . . . Jetzt gro]3e Backe rechts wie mit Lu / t au/geblasen, l inks sehe ich nur ein Stiickchen vom Gesicht." ])as linke Auge, die linke Baeke und der ganze Mund werden n i ch t gesehen, dagegen wird die S t i rn ganz gesehen. ,, Was ich sehe, ist wie aus einem Sti2ck Papier ausgeschnitten." Gesichtsteile links, wenn sie auch gesehen werden, kleiner und undeut l icher als rechts. 0 f te r s verschw'inden Gesichtsteile links. ,,Merkwi~rdig, sobald sie reich au/ etwas au/merksam machen, sehe ich es auch deutlicher." Bewegungen des Kopfes und der Glieder des Referenten sowie die En t f e rnung yon Pa t i en t i n sind ohne Einflul3 auf die Veriinderungen. Der Kleiders t~nder scheint h in und herzu- schaukeln; die Hti te werden immer h6her, wechseln die Form, werden schmal und lang, riesengrol3 wie Zylinder. Die Ttir wird ganz schief naeh links unten, wird darm im ganzea kleiner, vor t ibergehend ganz verschwommen, darm wieder ganz seharf. Sieht auch die Zahlen an der Tafel fiir Sehsehi~rfepriifung verzerr t .

6 z~ Uhr . Auf Augendruck bei geschlossenen Augen sieht wie vorh in pr imit ive entopt isehe Erscheinungen. Bei der Aufforderung, a n die Domkuppe l yon Berlin,

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Meskal inwirkung bei StSrungen des optisehen Systems. 48

a n den Brunnen vor dem Schlol3 usw. zu denken, sieht sie auch diese, wie vorhin, ,,ganz en t fe rn t " . Es tritt dabei aber kein Verzerrtsehen au/. Ers t als sie die Augen wieder 5ffnet und sich der realen Umgebung zuwendet, bemerkt sie das Verzerrt- sehen an Referent , a n ihren eigenen H~nden, wie vorhin geschildert.

620 Uhr . Sieht an der W a n d u h r die zitterige seitliche Bewegung gleichzeitig mit einer langsamen seit l ichen Bewegung desselben.

75 Uhr. Noch i m m e r Zerrbi lder wie im Spiegelkabinett , aber der Wechsel ist geringer.

730 Uhr . Wi insch t u n t e r h a l t e n zu werden, daft sie wieder verni inft ige Gedanken bek~me. Sie 8el so leer, k6nne sich nichts vorsteUen, babe eben an die Mut te r gedacht, ob sie auch so verzer r t sei und kriegte das Bild i iberhaupt n ich t zusammen.

Vorstellungsau/gaben: (Citrone auf einem Teller). ,,Citrone und Teller kommen nicht zusammen. Es is t immer ein Stfick dazwischen. Die Citrone ha t gar keine feste Form, vom Teller sehe ich nu r das Weifle, das auch so undeut l ich ." (Zigarette.) , ,Bes t immt sehe ich sie t ibe rhaup t nicht, auch nur was WeiBes, ganz verwischt wie den Teller." ,,Alles verschwindet wieder sehr rasch." (Damenfahrrad. ) , ,Ein Rad sehe ich manchmal , d a n n is t das auch weg. Ohne alles Zugeh0rige, nu r ein Rad. Von diesem Rad ist die Mitte, wo die Dr~hte zusammenlaufen, am deut l ichs ten ." (Abendkleid der Pa t i en t in . ) Sieht nur die Farbe, kein Kleid, sparer Farbe auch ,,so blau", daI3 sie gar n ich t zu erkennen ist.

74~ Uhr. Noch immer Zerrbilder, sieht ihre Mutter, die inzwischen angekommen ist, gleichfalls verzerr t , geht mi t ihr nach Hause.

(Aus dem Selbs tber icht ) : , , Ich sah reich im Zimmer um, als ieh n ich ts Auff~lliges bemerkte, sah ich lange und les t zum Fenster hin. Nach einer ganzen Weile ring es an, ein wenig zu z i t te rn und zwar in seitlicher Richtung. Auch die Tiir z i t ter te bei l~ngerer Be t rach tung e twas ." , , Je li~nger ich hinsah, desto st/~rker wurde die Bewegung. Und nun konnte ich aueh deut l ieh sehen, dab sich das Fens te r in schr~ger Rich tung yon oben nach u n t e n bewegte, und zwar war die obere Seite immer reehts und die untere l inks." , , J e t z t ring auch der Ful3boden, als ich eine Weile darauf niedersah, an, mi t allem, was darauf s tand, langsam hin- und herzufahren. D a n n sah ieh mir real wieder meine Umgebung an, da fiel mir besonders die Ttir auf. Sie z i t ter te genau wie das Fen- ster, und n u n sah ich auch, wie sie langsam ein kleines Stfick auf mich zukam und dabei etwas grSl3er wurde. Darm ging sie ebenso langsam wieder zuri ick und n a h m ihre normale GrSl3e an. So ging es dauernd, immer wenn die Tiir auf mich zukam, wurde sie grSBer und deutl icher . Manchmal kam sie noch niiher als sonst und wurde noch grSfler. Das Hin- und Zurtickgehen geschah ganz langsam im Takt . Die Tafel mi t den Zahlen, die mi r darm in einiger En t fe rmmg vor die Augen gehal ten wurde, bewegte sich genau so, wie vorher die Tfir. W e a n sie am n~chs ten bei mir war, konnte ich auch die Zah len deutl icher sehen. Ich sah allerdings nu r eine Reihe tiefer, als ieh sonst sehen k a n n . " ,,Die W a n d ver~tnderte sich wiihrend der ganzen Zeit f iberhaupt n ieht . Sie h a t t e immer die gleiche gelbliche Fa rbe und kam aueh n ieht auf reich zu."

, , Je tz t sollte ich ma l wieder mi t geschlossenen Augen ein b i0chen phantas ieren. Es war aber n ich t viel dami t . Was ich gesehen habe, waren kleine trod groBe Karos, bes tehend aus hellen St r ichen auf dunklem Hintergrund. D a n n Schlanyenlinien in verschiedenen GrSBen u n d in denselben Fa rben . " , ,W~hrend ich drauflen den Himmel und die Diicher yon den H/iusern richtig sah wie immer, aul3er dab es ein wenig dunkler war, wurde mir die Aussicht in der mi t te ls ten der kleinen Scheiben durch etwas WeiBes verdeckt , l ch ha t t e den Eindruck, als wenn eine dieke weiBe Wolke das kleine Fens t e r undurchsieht ig macht . So blieb das Bild ziemlich lange und bewegte sich n ich t . ] ) a n n war auf einmal die weil3e Wolke yon der kleinen Scheibe weg, so dal3 ich durehsehen konnte. Da fielen mir besonders an den beiden mi t te l s ten Scheiben di inne Str iche auf. Sie waren so scharf gezeichnet trod lenkten meine Auf- merksamkei t so auf sich, daft ich alles andere fas t gar n ich t mehr beobachtete .

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44 Julius ZgLdor:

Die beiden Striche gingen ein wenig auseinander, sie wurden zu Schlangenlinien, die sich wendeten und drehten, wie richtige Schlangen. Sie ringelten sich aber nie ganz, sondem kri immten sich nur so welt, dab ich immer noch die l~ngliche Form erkennen konnte. Allmghlich wurde dann die Bewegung schw~cher und schwgcher bis die Striche wieder gerade und fest s tanden. Sie gingen noch ein Stfickchen weiter auseinander, und nun geschah etwas sehr Merkwfirdiges: Zwischen den beiden Strichen sah ich lauter kleine Menschen, einen fiber dem andern. Sie hielten sich mit den Armen an den Strichen fest und machten die schwierigsten Kunst- stficke. Es sah aus, als werm an zwei aufrechten Stangen Akrobaten turnen. So

ein Akrobat sah ungefiihr so aus ~[~. Sie ha t t en also weder Hgnde noch Ffil3e. Auch

der K6rper war nicht dicker als die Arme und Beine. Nur der Kopf bestand aus einem kleinen dicken Punkt. Je tz t sah ich, dab die Akrobaten langsam nach oben gingen; sie turnten aber dabei ruhig welter, und nun wurde die Aufwi~rtsbewegung schneller, sie wurde so sehnell, dab die Turner in rasendem Lauf nach oben gingen. Trotzdem sahen ihre Bewegungen sehr geordnet aus. Sie kamen sich nie zu nahe; die Beine des einen reichten immer nur bis zum Kopf des anderen. Manchmal blieben sie einen Augenblick stehen, dann ging es wieder umso sehneller naeh oben. Nun ging wieder eine Ver~nderung vor sich, die Striche und Turner verschmolzen in gedruckte Zahlen. Die Zahlen waren ungefghr so groB wie die erste 5 auf der Tafel. Auch genau so dick. Sie waren schwarz auf weil3em Hintergrund gedruckt. Alle Zahlen yon 2 bis 9 konnte ich sehen. Sie s tanden genau wie vorher die Akro- ba ten eine fiber dem andern. Auch sie gingen langsam, dann schneller, zuletzt ganz sehnell nach oben. Mit einem Male wechselten die Farben urn. Die Farbe war weifl und der Hintergrund schwarz. Das wechselte fiberhaupt, wghrend die Zahlen schnell nach oben gingen und ab und zu mal stehenblieben, noch 6fter. Ich wunderte reich nur, wo die ganzen Zahlen herkommen konnten; sie kamen nie wieder runter, sondern es waren immer wieder neue da, die schnell nach oben gingen. Es dauerte eine ganze Weile, bis die Zahlen dfinner wurden und sich wieder in Striche verwandelten. Ers t waren sie etwas beweglich, und dann s tanden sie wieder ganz still."

, ,Es war schon ziemlich dunkel. Ich be t rachte te lgngere Zeit den vor mir si tzenden Arzt, und nun nahm er allmghllch die furchtbars ten Formen an. Die Beine waren iibermM3ig dick, der K6rper wurde ganz lang, und der Kopf war wieder groi3 und dick. So blieb es einen Augenblick, dann vergnder te es sich raseh und andauernd. Mal waren die Beine und der Kopf ganz klein und dfinn und der K6rper grol3, dann war wieder der Kopf so groB, dab ich Nase, Mund und Augen viel deut- licher erkennen konnte als sonst. Mal sah ich den Mund oder die Nase oder die Augcn i~berhaupt nicht. Daffir waren dann die andern beiden Teile gr613er. ])ann war einmal die ganze Gestalt ganz klein oder furchtbar lang. Einmal war auch die rechte Seite dtinn und lang und wurde nach links zu allmghlich kleiner. Auch die rechte Seite war mal klein und die linke wurde gr613er. Die Finger und der Unterarm sahen mal unheimlich lang und dfinn aus, ich sah sogar die Knochen einzeln rausstehen. Ich betrachtete mich dann selbst. Meine Gestalt war la~/g und dfinn, meine H~nde waren abwechselnd klein und grofl, sie ver~nder ten sich, wghrend ich hinsah, dauernd, mal war die rechte Hand klein, mal die linke. Der K6rper dagegen blieb immer lang. Der Kleiderstgnder wechselte seine Form aueh st~ndig; die daran hgngenden M~ntel blieben zwar meistens lang, nur manchmal wurden sie etwas kleiner, aber die Htite sahen immerzu anders aus. Mal wie Zylinderhfite, dann wieder ha t ten sie einen dicken Kopf, oder sie sahen aus wie ein Teller." , , Je tz t wurde ich sehr traurig. Ich wollte so gerne etwas Vernfinftiges denken und konnte es nicht. Mir kam einfach nichts in den Sinn. Ich war so traurig darfiber, dab mir das Weinen nahe war. Alles war so leer in mir, je sch~rfer ich versuchte nach- zudenken, desto weniger fiel mir ein. Ich sollte mir eine Citrone auf einem Teller

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Meskalinwirkung bei StSrungen des optischen Systems. 45

vorstellen, aber nur wenn ich reich schaff darauf konzentrierte, sah ich eine weiBe und eine gelbe Masse in der Luft herumfliegen, die nicht zusammenkamen, Ebenso war es mit einer Zigaret~e; ich sah nur eine weiBe Masse, nur war sie kleiner. Ein Fahrrad dagegen war etwas deutlicher. Ich sah ein Rad und davon war der mittelste Punkt am deutlichsten". ,,Jetzt kam auch meine Mutter, die sah ganz anders aus als sonst. Sie kam mir kleiner vor und war auch verzerrt."

Zusammen/assung: Bei kongenitaler Amblyopie und Dauernystagmus kam es auf 0,45 Meskalin zu mannigfachen StSrungen der optischen Wahr- nehmung. I m Vordergrund der Ver~nderungen an der realen Um- gebung standen die Scheinbewegungen. Zuerst trat eine zitterige yon rechts unten naeh links oben gerichtete rhythmische Hin- und Her- bewegung an den fixierten Gegenst/~nden auf. Aul~erdem wurden lang- same kontinuierliche Bewegungen in einer Ebene (in seitlieher Richtung sowie auf und ab) bzw. in verschiedenen Ebenen kombiniert beobaehtet. Als eine yon obigen verschiedene Form der Scheinbewegungen wurde das langsame kontinuierliche periodiseh ablaufende N~herkommen und Zuriicktreten der fixierten Gegenst/~nde erlebt, wobei beim N/~herkommen ein Seh/irfer- und Gr6Berwerden der Gegenst~nde bemerkt wurde. Es kam 5fters zu Beobachtungen yon zwei verschiedenen Seheinbewegungen gleiehzeitig am selben Gegenstand. Besonders die erste zitterige Hin- und Herbewegung wurde mit den langsamen kontinuierlichen Bewegungen gleiehzeitig an denselben Gegenst/inden beobachtet.

Aul~er den Seheinbewegungen wurden noch andere Ver/~nderungen an der Umgebung bemerkt. Es kam zu Mikropsie, zu Schwankunge~ der SehscMir/e, zu ausgesprochenem Wechsel der HeUigkeitsempfindungen und der Dauer yon Nachbildern. In der zweiten H~lfte des Versuches t ra t dann Verzerrtsehen an bestimmten Gegenst~nden, besonders aber an Personen, in den Vordergrund. Es wurde abet nicht alles gleieh- zeitig verzerrt gesehen. Es kam voriibergehend auch zur Un/dhigkeit, komplizierteWahrnehmungenzumachen. Teile desGesiehtes desReferenten wurden zeitweise z. B. fiberhaupt nicht gesehen.

Von den Meskalinsinnestdiuschungen im engeren Sinne wurden vor allem ,,primitive", denen im Fall 1 beobaehteten entsprechende entoptiseh bedingte Erseheinungen erlebt. Diese traten zun/~chst bei gesehlos- senen Augen auf, wurden dann bei zunehmender Meskalinwirkung an einer Fensterseheibe bei gleiehzeitiger Wahrnehmung auch der realen Umgebung, als eine mikroptische phantastisehe szenenhafte (?) Er- seheinung erlebt. Ihre Bausteine erhielt diese Erscheinung zum Teil sicher yon den zuni~chst entoptisch erlebten ,,Sehlangenlinien". Trotz der Leibhaftigkeit dieses Erlebnisses war Patientin nis im Zwei/el iiber den Tdiuschungscharakter desselben. Im Gegensatz zu dieser bewegten mikroptisch erlebten Erseheinung tauchten bei gesehlossenen Augen auch andere ,,szenenha/te", aber unbewegte Bilder auf bei der Aufforde- rung an bestimmte S ~ d t e und Gegenden zu denken. Sie waren aber so wenig ausgepr/igt, dab ihre Gegentiberstellung an Hand dieses Falles

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46 Julius Zgdor:

noch n ich t genfigend deut l ich die Un te r sch iede zwischen ihnen de- mons t r i e r t . Wicht ig ist nu t noch in e iner anderen Beziehung, dab an den , ,szenenhaften B i lde rn" zu einer Zei t , wo an der realen U m g e b u n g ein sehr ausgepr~gtes Verzerr tsehen sich b e m e r k b a r machte , keinerlei Zeichen yon Verzerrungen zu bemerken waren. Ebenfa l l s fehl ten A ngaben i iber Mikrops ie bzw. i rgendwelche Bewegungser lebnisse an ihnen, auch wurden sie n i ch t mi t Sicherhei t lokalisiert . Sehr deut l ich war in d iesem F a l l auch die StSrung der Vorstellungsabldiu/e, welche P a t i e n t i n spon tan auffiel.

Fall d: Kongenitaler Dauernystagmus, 0,3 Meskalin. H. G., 38 Jahre, links Amblyopie, rechts Visus o. B. Kongenitaler, horizontaler,

undulierender Nystagmus aus schnellen feinschl~gigen und gr6beren wesentlieh langsameren Zuckungen zusammengesetzt. Keine Scheinbewegungen der Gegen- st/~nde; auch beim Drehnaehnystagmus nicht. Wegen endogener Depression in hiesiger Klinik in Behandlung. Versuch am 30. 4.29. V o n einer Mitteilung des Protokolls und des Selbstberiehtes sehe ieh hier ab und berichte nur fiber die optischen Erscheinungen.

Als erstes Zeiehen der Ver~nderung an der Umgebung traten an den fixierten Gegenst~nden des Zimmers ,,taumeinde", ,,kreisende" Bewegungen auf (Stuhl ?). ,,Wenn ich ganz scharf hinsehe, steht er, sonst bewegt er sich hin und her, als werm es so taumelt" (Rhythmus ?). Zeigt mit der Hand auf Aufforderung eine dem Rhyth- mus der langsameren, grOberen Nystagmuszucktmgen entsprechende ttin- und Herbewegung. Diese Scheinbewegung wurde bald nicht mehr beachtet und ver - schwand nach einer halben Stunde angeblich ganz. An ihre Stelle trat ein periodisch abwechselndes Ndiherriicken und Zuriicktreten der Gegens~nde. I)abei wurde im Gegen- satz zu Fall 3 keine Zunahme der Gr613e in der N~he beobachtet bzw. auch kein Sch/~rferwerden der Konturen erlebt, sie sah sie stets gleich scharf (keine Myopie ! geringere I)osis?). Die Amplitude des N/~herkommens und Zuriicktretens bei gr6Beren Entfernungen war nur wenig gr6Ber als an Gegenst~nden in der N~he. Sp/~ter bemerkte sie an ihrer Hand sowie des Ref/~renten Ver~ndertmgen im Sinne des Verzerrtsehens diese Erscheinung war aber nicht sehr ausgepr/~gt. Patientin war allerdings meist durch eine hier nicht interessierende psyehisehe Ver~nderung in Ansprueh genommen und beaehtete die Umgebung wenig. Bei zunehmender Meskalinwirkung traten dann zahlreiche ,,szenenha/te" Halluzinationen auf, als Patientin eine Zeitlang in Ruhe gelassen wurde. Patientin sal3 dabei still versunken ohne Spontanangaben zu machen; wurde sie angesprochen, fuhr sie ein klein werfig zusammen und wuflte sofort, dab es ,,Gedanken", ,,Tr/~umereien" waren. Anderer- seits gab sie aber an, daft sie diese ,,Trdiume" mit o[]enen Augen und ,,riehtig" sah; die Umgebung sei w/~hrend dieser Zeit ,,r Sie habe sie wenigstens ,,nieht bemerkt". W~hrend sie die Bilder sah, ,,vergaB" sie hier zu sein. Es handelte sich inhaltlich aussehliel~lich um Vorg~nge, die sich ,,zu Hause" abgespiett haben. Die Bilder waren ,,still" ohne Bewegung, sie sahen ,,ganz natiirlich" aus. Diese Erlebnisse sehienen sie immer mehr zu bewegen, sie blieb aber bis zuletzt passiver Zuschauer ohne Zuwendungsbewegungen. Die F~higkeit zur optisehen Vergegen- w/~rtigung yon Vorstellungen war hier nur insofem geringffigig gest6rt, als diese nicht lange festgehalten werden konnten. ,,Tauehen raseh auf und verschwinden schneller als sonst." Es wurde w~hrend des Versuches, als die zu Anfang gesehilderte Scheinbewegung an der realen Umgebung noch bestand, 6fters die Wirktmg des Drehnachnystagmus auf diese gepriift. Es trat dabei eine deutliehe, wenn auch nicht sehr starke Zunahme der Scheinbewegungen an den/ixierten Gegens~nden in Tempo und Ausmal3 auf, unter Beibehaltung des urspriingliehen Charakters (Zunahme des Nystagmus nach Drehen gleichfalls nur gering).

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Fall 5: Dauernystagmus bei Syringomyelie 0,3 Meskalin. Q. M., 21 Jahre , in hiesiger Kl in ik wegen Syringomyelie in Behandlung. Seit e inem

J a h r zunehmend s tarker werdender Dauernys tagmus in der Ruhe bzw. in allen Blick- r ichtungen, yon abwechselnd st[trkerer Be tonung der horizontalen bzw. ver t ika len Nys t agmuskomponen ten je naeh der Bliekrichtung. Pa t i en t gibt an, dab er, sei tdem er diesen babe, zeitweise i iberhaupt n icht mehr lesen kSnne, es f l immert vor den Augen so, dal3 er die Sehrif t n i ch t entz i f fem kSnne. Sieht bei objekt iver Pri ifung in al len Bl ickr ieh tungen die Leisten am Fenster , oder sonstige auf Aufforderung f ixierte Gegensts sich dauernd hin- und herbewegen. GrOBere Gegenst/~nde, Gesiehter, scheinen i hm yon der Seite an gesehen versehwommen. Beim Blick geradeaus sind die Scheinbewegungen geringer. Die Rich tung der Hin- und Herbewegung [tndert sich en t sprechend der augenblicklichen Rich tung des Nystagmus. Be im B l i e k nach links haben die Bewegungen mehr seitliche Richtung, beim Blick n a c h rechts eine m e h r vert ikale, ebenso bcim Blick nach oben und unten. Paral lel m i t der GrSBe der En t f e rnung yon den f ixierten Gegensti~nden n i m m t das Sehwanken zu. Aus 5 m E n t f e r n u n g wird eine Ampl i tude yon 25--30 cm angegeben, aus 3 m En t f e rnung eine Ampl i tude yon 20- -25 cm. Beim Drehnachnys tagmus t r i t t eine sehr s tarke Zunahm e der Scheinbewegungen auf. Pa t ien t g ib t an, dab diese Scheinbewegungen ihn im le tz ten J a h r sehr gestSrt haben ; er kSnne, wenn er mehrere Menschen aus der En t f e rnung sehe, racist n icht sagen, wie viele es seien, und aueh sonst sei diese Hin- und Herbewegung der Gegenst~nde ihm sehr unan- genehm, es sei ihm aber n ich t mSglich, dicse ruhig zu sehen.

Wir h a b c n in diesem Falle demnach auf Grund einer organischen E r k r a n k u n g des Iqervensystems, welche neben anderweit igen bulb~ren Erseheinungen a m wahrscheinl ichs ten durch L~sion des h in te ren L~ngsbiindels auch den Nys t agmus bedingte, e inen ~hnl ichen Zus tand bzw. ein dhnliches Scheinbewegungserlebnis, wie sie bei Fall 3 und 4 (lr Nystagmus) erst unter Mesl~alinwirlcung beob- achtet wurde.

Versuch a m 16. 5. 29: 1 a5 U h r 0,15 Meskalin.

152 Uhr. Scheinbewegungen am Fensterkreuz in jeder Blickriehtung ,,viel stiller" als sonst. A m 1Nystagmus selbst ist objekt iv nu r eine geringe fragliche Verr in- gerung des Ausschlages bzw. Ver langsamung dse Tempos feststellbar.

25 Uhr . Die Scheinbewegungen am Fensterkreuz nehmen welter ab. Bei Blick- r ich tung geradeaus auf 3 - -5 m En t fe rnung je tz t vSlliger Sti l lstand. I n sei t l icher Bl ickr ichtung nach rechts und links bzw. in den Endstel lungen nach oben und u n t e n in 5 m E n t f e r n u n g n u t ein Hin- und Herschwanken yon 5 cm. Auch das Tempo der t t in - und Herbewegung sei ein viel langsameres gcworden. Objek t iv is t de r :Vystagmus j e tz t gleichfalls deut l ich grobsehldgiger und langsamer als vor dem Vet- such. Am dcut l ichs ten ist eine Vcrr ingerung der Ampli tude des Ausschlages be im Blick geradeaus.

220 Uhr . Beim Lcsen sind die Buchs taben , ,bedeutend sch0ner und k la re r" . ,,Es ve r schwimmt gar n ich t . . . ieh s taune selbst dart iber."

225 Uhr . (Spontane Angabe beim Versuch zu lesen.) ,,Vorher, wenn ich yon der Seite auf ein Buch blickte, ging alles durcheinander , je tzt s t eh t es ganz st i l l ."

2 a~ Uhr . 0,15 Meskalin. 2 ~ Uhr. Aus 5 m Ent/ernung beim Blielc geradeaus Fensterkreuz v611ig still,

aus den sei t l iehen bzw. oberen a n d un te ren Endste l lungen wird auch n u r eine geringe Hin- und Herbewegung yon 3 - - 4 cm Ampl i tude wahrgenommen (Lesen ?). , ,Das Lesen is t ganz klar, es schwankt n ich t mehr . . . s teh t ganz ruhig . . . so babe ieh es das ganze J a h r n ich t mehr gehab t . " Objekt iv ist der Nys tagmus gleichfalls deu t l ich geringer als vor dem Versuch. Beim I ) rehnachnys tagmus n c h m e n die Scheinbewegungen, wie vor dem Versuch, etwas zu.

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5 Uhr. Wurde in der Zwischenzeit altein gelassen. Berichtet auf Befragen yon allerhand optischen Erlebnissen. Erst sei ein heller Schleier vor den Augen gewesen, dann sah er Stargard dutch die Fensterscheiben. ,,Die Felder und den Bahn- damm." ,,Auch jetzt sieht es so aus dutch die Fenster." (Steht auf, geht zum Fenster und sieht in den Garten.) ,,Jetzt nicht mehr."

51~ Uhr. Bei Bliekrichtung geradeaus immer noch keine Scheinbewegungen. Beim Blick nach rechts und links aber sehon wieder etwas im Zunehmen begriffen. Patient ist bis jetzt stets formal v611ig geordrmt gewesen, nur etwas stiller als sonst. Vorstellungsaufgaben 16st er, soweit man sieh auf seine Angaben verlassen kann, prompt und gut. Es ist aber bei dem debilen Patient nieht sicher zu eruieren, wie welt er die Aufgabe verstanden hat.

7 Uhr. In der Zwischenzeit wieder alleim Berichtet jetzt auf Befragen: Vor kurzem babe er ein Gergusch wahrgenommen ,,wie am Schi~tzenplatz", sah ganz deutlich Tiger, Affen, einen Motoradfahrer im Kreise herumfahren. Die Tiger und die A/fen sahen ganz normal aus. Wie sie hergekommen seien, wiiBte er nicht; ob es Wirklichkeit war, wtil3te er aueh nicht, er habe sie jedenfalls richtig gesehen. Ob er gleiehzeitig auch das Zimmer gesehen habe, kSnne er nicht angeben. Am Zimmer selbst sei ibm im iibrigen aufgefallen, dal3 die Bilder an der Wand zu spreehen schienen mad ihre Gesichter vergnderten. Beim Lesen der Zeitung sei ihm aueh eine eigenartige Vergnderung aufgefallen. Die Buchstaben waren mal groB, mal klein, zeigten geringe Schwankungen.

71~ Uhr. Ausgesprochenes Verzerrtsehen. Die reehte Backe des Referenten sei gr6Ber als die linke. Die Hand urmatiirlich groB usw. Gesicht gelb, Lippen bl~ulieh, Kittel des Referenten grtim

73~ Uhr. Kein Verzerrtsehen. ,,Alles sieht normal aus." Objektiv ist jetzt der Nystagmus wieder so lebha/t wie vor dem Versuch. Trotzdem wird zundchst keine Steigerung der Scheinbewegungen an den Fenstern wahrgenommer~.

85~ Uhr. Scheinbewegungen beim Blick geradeaus wieder im Beginn. (1 Zoll breit aus 3 m Entfernung, vor dem Versuch 20--25 cm). Nystagmus objektiv wie vor dem Versueh. Beim Lesen wird wieder geringes Schwanken der Buchstaben bemerkt, es sei aber noch immer viel besser m6glieh als vor dem Versueh.

Zusammen/assung: D a u e r n y s t a g m u s bei Syr ingomyel ie . Auf 0,3 Mes- kalin verschwinden die vor dem Versuch v o r h a n d e n e n , dem Nys t agmus en~sprechenden Sche inbewegungen an den f ix ier ten Gegens t~nden fast vSllig. Parallel mi t dieser E r sche inung t r i t t zwar vor i ibergehend auch eine objekt iv fests tel lbare Abnahme des Nys tagmus auf, diese ist aber weder intensiv genug noch verl~iu/t sie parallel m i t der g n d e r u n g der Scheinbewegungserlebnisse. Gegen E n d e des Versuches ist am Nys t agmus selbst im Vergleich zu dem Z u s t a n d vor dem Versuch n ich t s zu m e r k e n im Gegensatz zu der auch zu dieser Zei t noch sehr ausgesprochenen A b n a h m e der Scheinbewegungen. I n der zwei ten H~lf te des Versuches t r a t vor i ibergehend ausgesprochenes Verzerrtsehen auf, ~hnl ich wie in FM1 2 ~. N ~ h e r k o m m e n u n d Zur i i ek t r e t en der Gegenst~nde, sowie langsame kont inuier l iche rScheinbewegungen i n seitl icher R i c h t u n g usw. wurden in diesem Falle rdcht erlebt . Allein gelassen er lebte P a t i e n t e ine Reihe yon ,,szenenha/ten" Hal luz ina t io rmn; diese e rsehienen i b m alle ganz nat i i r l ich u n d auch zu einer Zeit , wo a n der reMen U m g e b u n g ausgesprochenes Verzerr tsehen sich bemerkb a r machte , v611ig normal . Infolge der Debi l i tgt des Pa t i en ten , u n d da die A n g a b e n fast stets l~ngere

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Zeit nach den Erlebnissen erst gemaeht warden, war es nieht mSglich, nhhere Einzelheiten fiber die Art der Erlebnisse zu erfahren. Beziiglich des Realit~tsurteils machte er auch keine sicher verwertbaren Angaben. Soweit man seinen Angaben Glauben sehenken kann, bestand bei ihm auch keine nennenswerte StSrung der optisehen Vergegenw~rtigung yon Vorstellungen.

Die F~lle 1--5 zeigen neben individuellen Verschiedenheiten des Rauschbildes regelm~l~ig wieclerkehrende Besonderheiten, die uns gewisse MSglichkeiten geben, in der Analyse der Scheinbewegungserlebnisse und des Verzerrtsehens weiterzukommen. Ein Tefl der beobaehteten Erscheinungen ist aueh durch normale Versuchspersonen in ~thnlicher Form erlebt worden. Es fragt sich hier nur in bezug auf die Schein- bewegungserlebnisse, ob und inwieweit die kongenitalen und erworbenen StSrungen der Augenbewegung eine Ab~nderung dieser Erlebnisse bewirkten bzw. ob besondere, nur bei derartigen F~llen auftretende Seheinbewegungen bei ihnen beobaehtet werden konnten. Beziiglich des Verzerrtsehens konnte hier zwar keine sieher durch die Art cter F~lle bedingte Ab~nderung ihrer Erseheinungsweise beobachtet werden, seine Beziehungen aber zu den anderen Erscheinungen sowie bestimmte Beobaehtungen in Fall 3 lie~en es geboten erscheinen, auch ctarauf hier n~her einzugehen. Im AnschluB daran werde ich vollst~ndigkeitshalber (obzwar ich dadureh gezwungen bin, auf ctas noeh folgende Versuehs- material hier sehon Bezug zu nehmen), auch auf die Seheinbewegungs- erlebnisse an den Meskalinsinnest~uschungen schon hier eingehen.

Scheinbewegungen. Unter Scheinbewegungen versteht man Bewegungserleblfisse, denen

keine adequate d. h. normalerweise entspreehende reale Bewegungen zugrunde liegen. Von den optischen Bewegungserlebnissen mSchte ich diejenige, welche an, in ihrer Gestalt wi~hrend des Bewegungsvorganges unver~nderten bzw. in ihren Proportionen konstanten Objekten erlebt wurden, yon dem Verzerrtsehen, aus sp~ter noch zu ersehenden Grfinden, getrennt behandeln. Aueh die an der realen Umgebung erlebten Schein- bewegungen werde ich yon den an halluzinatorischen Erlebnissen in Erscheinung t re tenden Scheinbewegungen getrennt besprechen.

Die Tatsache, dal~ an realen Gegenst~nden und Sinnest~uschungen iihnliehe Seheinbewegungen beob~chtet werden kSnnen, birgt n~mlieh meiner Ansicht nach nicht die Konsequenz in sich, auf die Differenzie- rung dieser funktional zwar gleichgeriehteten, aber doeh nicht gleiehen Erscheinungen zu verzichten.

Es muI] Stein reeht gegeben werden, wenn er sag~, dab es unmSglieh sei, die optischen Bewegungserlebnisse im Rahmen des Normalen und

Z . f. d . g . N e u t . u . P s y c h . 127. 4

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Pathologischen nur dureh die Augenbewegungen bzw. 4er dadurch geschaffenen Ab~nderungen der Zuleitung yon Sinneserregungen zu er- kl/~ren, indem man einfache Korrelate im Psychisehen fordert. Wit teilen die Ansicht Steins 1 auch insofern, als wit die Bedeutung der ,,sensorischen" Bewegung im Wahrnehmungsakt anerkennen un4 zu- geben, dab die optischen Bewegungserlebnisse ohne ihre Berficksichtigung rricht widerspruchslos verst/~ndlich gemacht werden kSnnen. Aber wenn wit auch seine Auffassung fiber die Genese des Ruhesehens im Prinzip akzeptieren bzw. diese mit ibm 4urch das Bestehen eines Gleichgewichtes zwischen den ,,kontrastierenden sensorischen Bewegungen" erklKren, so sind wit anderersei~s der Ansieht, dab durch diese Erkl/s niches fiber die Wege, welche zu St6rungen dieses Gleichgewichtes bzw. zu Scheinbewegungserlebnissen ffihren, ausgesagt wird. Wit k6nnen uns daher nicht zufrieden geben damit, dab wir die Scheinbewegungserlebnisse einfach als dureh die StSrung der virtuellen bzw. sensorischen Bewegung im Wahrnehmungsakt bedingt ansehen. Bei der Tendenz zur Diffe- renzierung kommt es doch nach dem Erkennen yon gemeinsamen Zfigen gera4e darauf an, diejenigen Besonderheiten herauszufinden, welche die einzelnen Scheinbewegungsarten charakterisieren. Es scheint daher nicht unwichtig, der Frage nachzugehen, inwieweit die durch StSrung 4er Augenbewegungen oder sonstiger ,,peripherer" Mechanismen bedingten Ab~nderungen der sensorischen Zuleitung an dem Zustandekommen der optischen Bewegungserlebnisse beteiligt sind.

a) Scheinbewegungen an der realeu Umgebung.

Unter den Seheinbewegungen an der realen Umgebung finden wir mehrere in ihrer Art konstante und gesetzm~Big wiederkehrende. Ich komme zuerst auf die zitterige 8eitliche Hin- und Herbewegung der Gegenstiinde zu sprechen. Sie ist nie ohne St6rung der Augenmuslcel- bewegungen beobachtet worden. In Fall 5, wo sie ohne Meskalinwirkung schon vorhanden waren, bestand seit einem halben Jahr ein Dauer- nystagmus, weleher sich im Laufe einer Syringobulbie entwickelte. In den beiden F~llen (Fall 3 und 4), in denen es erst auf Meskalinwirkung zu dieser Erseheinung kam, war kongenitaler Dauernystagmus vor- handen. Diese Scheinbewegung nimmt aueh insofern eine Sonderstellung im Vergleich zu den noch zu bespreehenden ein, als sie oft gleichzeitig mit ihnen am selben Gegenstand beobaehtet werden konnte und an Sinnest~uschungen selbst nie beobachtet wurcte. Auff~tllig war aueh, dab ihr im Gegensatz zu den anderen Formen yon Seheinbewegungs- erlebnissen ira Laufe des Versuches immer weniger Beachtung gesehenkt wurde. Oft erhielt man nur auf diesbezfigliehe direkte Fragen Angaben, obzwar, wenigstens im Fall 3, sie die konstanteste Scheinbewegungsform

i Stein= I .c.

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Meskalinwirkung bei StSrungen des optischen Systems. 51

war und als erstes Zeichen der Meskalinwirkung auf die Bewegungserleb- nisse auftrat. Es handelt sich dabei u m das bewuflte Erleben von S innes . eindriicken, welche dutch die AugenbewegungsstSrungen ( N y s t a g m u s ) berlin!It sind. Wi~hrend abet bei Syringobulbie die Augenbewegungs- stSrung selbst die unmittelbare Ursache der Entstehung dieser Schein- bewegung ist, und es sich um ein NichtkorrigierenkSnnen eines groben peripheren Defektes bei intakten zentralen Mechanismen handelt, liegen die Verhiiltnisse bei den Meskalinisierten mit kongenitalem Nystagmus anders. Bei letzteren bedingte die seit Geburt bestehende Augen- bewegungsstSrung allein keine StSrung der Bewegungserlebnisse und auch unter !V[eskalin konnte keine wesentliche J~derung des l~ystagmus selbst bei ihnen festgestellt werden. Der l~ystagmus kann also hier nicht primer ~ls Ursache in Betracht gezogen werden. Es miissen durch das Meskalin StSrungen zentralerer Vorg~nge hervorgerufen worden sein, welche das Bewul3twerden der sonst korrigierten Sinneseindrticke zur Folge hatten. Wie ist aber diese ,,zentrale" StSrung durch Meskalin zu denken ? 1%urologisch ist sie nicht n/~her fal3bar. Wir kSnnen sie nur dutch einen ttinweis auf die bereits ira AnschluB an Fall 1 erw/~hnte und noch des 5fteren zu erw/~hnende allgemeine Stb'rung des Wahr- nehmungsaktes unter 1V[eskalin verst~ndlich machen. Es handelt sich um das sog. ,,objektive" Sehen bzw. Wahrnehmen, dessen Ursache wir in der StSrung der sensorischen Bewegungen erblicken mSchten. Vom Psychischen her w~re diese StSrung, wie schon erw/~hnt, als dutch die Beeintr/s der nicht bewul3t erlebten die Wahrnehmung mit- korrigierenden reproduktiven Vorstellungst~tigkeit bedingt aufzufassen.

W/~hrend die Entstehung dieser Scheinbewegungen durch Meskalin noch verst/~ndiich gemacht werden konnte, stSi3t die Erkl/s tier entgegengesetzten Wirkung des ]YIeskalins auf eine ~hnliche, schon vor dem Versuch bestehende Scheinbewegung auf grol3e Schwierigkeiten. In der Wirkung des Meskalins auf bestimmte konstitutioneile psychische Eigentfimlichkeiten h~tten wir zwar Analogien dazu, kommt es doch auf dem psychischen Gebiet oft entweder zur Verst~rkung oder Ab- schw/~chung bestimmter konstitutioneller Charaktereigentiimlichkeiten. Abet ebensowenig wie obige Parallele hilft uns die Heranziehung tier yon Stein u n d Mayer-Grofl z beobachteten und objektiv festgesteUten Schwankungen der Schwellenwerte der Netzhauterregbarkeit, durch die das BewuBtwerden yon Sinneseindrficken erschwert oder erleichter~ wird. Auch die Auswirkung dieser Umstimmung der Sinneserregbarkeit mfil3te man einmal in positivem, dann wieder in negativem Sinne aus- werten. Die Tatsache, dab in dem betreffenden Fail 5 much sonst keine Scheinbewegungen erlebt wurden mit Ausnahme des Verzerrtsehens, macht das Verschwinden vorher bestehender Scheinbewegungen unter

1 Mayer-Grofl u. Stein: 1. o.

4 ~,

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52 Julius Zs

Meskalin gleiehfalls nicht verst~ndlicher. Das einzige, was sich sagen t/~$t, ist, da$ das periphere Moment, alas Zuriiekgehen des Nystagmus, allein nicht ausreicht, die Erschainung zu erkl/~ren. Erstens weft sie nur voriibergehend und relativ geringfiigig war und vor allem weft sie sich nicht parallel zu dem Schwinden der Scheinbewegungen untar Mes- kalin verhielt. Es ldflt sich demnach yon der Meskalinwirkung au/ diese mit den Augenbewegungsst6rungen in sichtlichem Zusammenhang stehende Scheinbewegungen nut sagen, daft es sich dabei um eine St6rung zentraler Mechanismen handelt. Die Auswirkung dieser StOrung kSnnen wir zum Tell klinisch verfolgen bzw. verst~ndlich machen; wir sind aber nicht imstande, sie ganz zu erfassen. Insbesondara bleibt der entgegengesetzta Ausfall der Meskalinwirkung bei angeborenem und erworbenem ~qystag- mus zur Zeit noah ungeklart.

�9 Als ndchste Form der Scheinbewegungen an der realen Umgebung sind die langsamen kontinuierlichen Bewegungen der /ixierten Gegenst~inde (meist in einer Ebene) zu nennen. Am h/iufigsten werden sie an Vor- h~ngen, welehe dann wie vom Wind bewegt gesahen werden, erlebt. Sie werden aber auch an anderen Gegenst/s h/~ufig beobachtet . Meiner Ansieht naeh spialen die Augenbewegungen hierbei auch eine ~hnliehe Rolle wie bei der vorhin beschriebenen Scheinbewegung infolge Nystagmus, Man kSnnte n~mlich annehmen, dab es untar Meskalin auf Grund dar schon erw/~hnten zentralen StSrung auch hiar zum bewuflten Erleben sonst unterdriickter Sinneseindriicke kommt, welche beim optischen Abtasten der Gegenstdinde mit Hil]e unserer Augenbewegungen gewonnen, abet unter normalen Umstdinden ,,vorstellungsm~iflig" korrigiert werden.

Als eine weifere Form von Scheinbewegungen an der realen Umgebung w/~re das periodisch abwechselnde kontinuierlich ablau]ende Ndiherkommen und Zuriicktreten der /ixierten Gegenstdnde zu erw/~hnen. Beim N/~her- kommen wird dabei ein GrSl~er- und Klarer- bzw. Sch~rferwerden der Objekte erlebt im Gegensatz zum Stadium des Zurficktretens, indem sie versehwommener gesehen warden. Es k o m m t hier also zum ersten- real ein Weehsel der Gr6fle und Deutlichkeit der Gegenstdnde zur Beobach- tung. Die Form der Gegenst~inde bleibt aber aueh bier unver~indert; sie werden im ganzan grol~ oder klein ohne Zeichen einer Disproportio- ifierung bzw. Verzerr~sehens. Die Beobachtungen an Normalen spreehan dafiir, daI~ bei den Erseheinungen, wie z. B. in Fall 3, wo die linke Saita der Gegenst~nde n~har heranzutretan schien als die rechta und diese dadurah ainen sehiefan Eindruck maehten, die Ursachen hierfiir in anderen ~kzessorisahen Komponen ten (schr~ggerichteter Nys tagmus ?) zu suchen sind. Die Tatsaehe dar Ver~nderung der GrSBe und Deutliahkeit der Objekte 1Kilt diese Scheinbewegung subjekt iv als eine yon den vor- herigen heterogene erleben.

Bei dem Versuch, die Ents tehung dieser Scheinbewegung zu er- kl~ren, mfissen wir zunachst einige schon basproehene Beobachtungen

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Meskalinwirkung bei St6rungen des optischen Systems. 53

in unser Ged~chtnis zuriickrufen. Wir haben in Fall 1 gesehen, dab unter Meskalin die Kor rek tu r 4er peripheren Kri immungsanomal ien durch eine Brille den Eindruck eines N~herrtickens der Gegenst~nde hervolTief. Der Versuch an Prof. Forster hat gezeigt, dab w~hrend des N~herkommens der Gegenst~nde die Sehsch~rfe ungef~hr 5 Dioptrien zunahm. Eine gewisse Steigerung bzw. Schwankung der Sehsch~rfe konnten wit auch in Fall 3 objektiv feststellen. M_it anderen Worten, es hat sich gezeigt, dai3 unter Meskalin einerseits die kiinstliche Korrek tur der Kurzsichtigkeit gleichzeitig als ein N~herriicken der Gegenst~nde erlebt wird, andererseits, dab w~hrend des N~herrtickens der Gegenst~nde infolge Meskalinwirkung auch die Sehsch~rfe gelegentlieh weitgehend zunimmt. Diese Befunde wfirden zun~chst an eine Beteiligung der Linse am Zus t andekommen dieser Scheinbewegung denken lassen. Auch unter normalen Verh~ltnissen erleben wir doeh J~hnliches beim Gebrauch von Operngl~sern. Selbstverst~ndlich w~re in der Be- teiligung der Linse bzw. ihrer Ver~nderungen nur ein peripherer Fak to r gegeben, welcher ohne eine gleichzeitige zentrale St6rung allein nicht zum Erlebnis dieser Scheinbewegung fiihren kSnnte. Das Ab- strahieren yore Vorstellungsm~13igen an unserer Wahrnehmung ist selbst- verst~ndlich eine unerl~Bliche Mi~bedingung, ,,sehen" doch die Myopen bei In tak the i t cler zentralen Vorg~nge die Gegenst~tnde mi t und ohne Brille in gleieher Entfernung. Mir liegt ja auch nu t daran, an die Mitbetei]igung cIer Linse am Zustandekommen dieser Scheinbewegung (Forster 1) hinzuweisen. Als ein zweiter beztiglich seiner Bedeutung nieht sieher abgrenzbarer F ak t o r am Sch~rfer- und Versehwommenerwerden der Gegenst~nde w~ren die Schwan]cungen der Schwellenwerte der Netz- hauterregbarkeit in Betracht zu ziehen. K o m m t es n~mlich, wie in Fall 3, zeitweise zu so ausgesprochenen Schwankungen, dab es periodisch hell und dunkel vor den Augen wird, so kann man aueh annehmen, daB, wenn diese Schwankungen in geringerem Grade vor sich gehen, sie nieht im Sinne der Helligkeitsver~nderung, sondern als Deutlieher- und Ver- schwommenerwerden der Gegenst~nde bewuBt werden. DaB parallel mit dieser Scheinbewegung solche Schwankungen der Sehwellenwerte der Sinneserregbarkeit vorkommen, zeigt adBer dem oben erw~hnten Beispiel auch die gleichzeitige Schwankung bzw. Verl~ngerung der Naeh- bilddauer in Fall 3.

Es ist mir natiirlieh bewuBt, dab diese Scheinbewegungserlebnisse erst durch ein Zusammentref fen der StSrungen von mehreren zum Tell zentralen, zttm Teil peripheren Faktoren zustande kommen. Wir erleben doeh einzeine Komponen ten , z .B . das Zusammenschrumpfen und Un- deutl icherwerden der Gegenst~nde (Fall 1) auch ohne den Eindruck

1 F o r s t e r : Selbstbeobachtungen im Meskalinrausch. Z. Neur. 1930 (im selben Band).

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54 Julius Z~dor:

des N~herkommens un4 Weiterriickens. Andererseits kann das N~her- k o m m e n un4 Weiterrficken erlebt werden, ohne dab ein Unterschied in Sch~rfe und GrSBe der Gegenst~nde bemerk t wir4 (Fall 5, keine Myopie!). Letztere beiden Beispiele 4urch periphere Komponen ten zu erkl~ren, ist nicht mSglich. Sie sind nur im Sinne einer , ,zentralen" (corticalen ?) St6rung auffaBbar. Es sind also demnach StSrungen peri- pherer und zentraler Anteile des optischen Systems am Zustandekommen dieses Ph~nomens beteiligt. W~hrend die Beteiligung der StSrungen peripherer Anteile (Linse) nut bei schon vorher bestehenden Defekt- zust~nden 4esselben sich nachweisen lassen, scheinen die ,,zentralen" StSrungen die primdre Bedingung zum Zus tandekommen dieser Er- scheinung darzustellen. Diese Seheinbewegungen liefern uns ein Beispiel fiir die,,systemartige Wirlcung" des Meslcalins, welches sich in der Affektion yon Mechanismen kundtut , die in erster Linie durch die Richtung ihrer Funk t ion zusammengeh6ren.

b) Scheinbewegungen an Sinnestduschungen.

Aus Grfinden der l~bersichtlichkeit sollen auch die Scheinbewegungs- erlebnisse an den Sinnest~uschungen, wie schon erw~hnt, hier be- sprochen werden. Was an ihnen zun~chst auff~llt, ist die groBe Mannig- /altigkeit und die seheinbare Regellosigkeit der Bewegungserlebnisse, die bei Scheinbewegungen an der realen Umgebung in der Regel vermiBt werden. Der Versuch, aus diesem Wirrwarr yon Bewegungserlebnissen gewisse Gesetzm/iBigkeiten herauszusch~len und die ~hnlichkeiten mit den an realen Gegenst~nden beobachte ten herauszuheben, wie das Beringer 1 un4 Stein 2 gemacht haben, kSnnte leicht zu der meiner Ansicht nach falschen SchluBfolgerung f/ihren, daB die Unterschiede zwisehen ihnen im Prinzip nebens~chhch seien. Auch ich selber bin zwar bestrebt , diese ~bere ins t immungen zu unterstreichen, im iibrigen aber scheint es mir, daB das Herausarbe i ten 4er Bewegungstendenzen zentraler Natur, welche durch die Anpassungsnotwendigkeit an die mehr peripher fuadierten FunktionsmSglichkeiten nicht beeinfluBt worden sind, mehr zum Verst~ndnis dessen beitr~gt, was yon der sensorischen Bewegung an mehr periphere bzw. mehr zentrale Vorgi~nge gebunden ist.

Ich werde es versuchen, hier einige mir wesentlich erscheirmnde Dffferenzen hervorzuheben, und beginne mi t der Richtung der Bewegungs- erlebnisse, welche auch bei den halluzinatorischen Erlebnissen noch a m meis ten eine gewisse Konstanz aufweisen. Wiihrend an der realen Umgebung meist eine periodisch-pendelnde nach rechts oder links bzw. nach vorne und zuriickgerichtete Bewegung beobachtet wird, gibt es bei den halluzinatorischen Erlebnissen meist nur eine Richtung, ein

1 Behringer: 1. c. 2 Stein: 1. c.

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Meskalinwirkung bei StSrungen des optischen Systems. 55

Zustr5men oder Zuriicktreten, eine Aufw~rts- oder Abw~rtsbewegung, eine Schrumpfung oder ein Anwachsen yon Gegenst~nden usw. Das Tempo der Bewegungen bei ersteren ist ein im aUgemeinen gleichm~fliges oder rhy thmisch zu- und abnehmendes, bei den halluzinatorischen Erlebnissen dagegen ein unregelm~l~iges, regellos wechselndes bzw. ge- legentlich bis zur rasenden Schnelligkeit anwachsendes (Fan 3). W~hrend bei der Steigerung der Meskalinwirkung die Scheinbewegungen an der realen Umgebung meis t nur in ihrer Intensi t~t zunehmen, k o m m t es bei den entoptischen Erscheinungen insofern auch zu einer qual i ta t iven Anderung, als aus der schon vorherrschenden Regellosigkeit dutch Zunahme der Variat ionsbrei te eine vSllige Unfibersichtlichkeit der Be- wegungsformen entsteht .

Sehr wichtig scheint mir auch die yon mir experimentell nachgewiesene Di//erenz im Verhal ten der beiden Arten yon Scheinbewegungen beim Drehnachnystagmus. Die Scheinbewegungserlebnisse an der realen Um- gebung nehmen entsprechend dem Nystagmus im Ausmai3 und Tempo zu (Fall 9 und 11), ~ndern sogar gelegentlich auch dem Nystagmus ent- sprechend ihre F o r m (Fall 11), die an entoptischen Erlebnissen beigesehlosse- nen beobachte ten bleiben dagegen vom Drehnachnystagmus unbeeio_fluBt. Das im Fall 1 beobachte te Verschmelzen der entoptisch bedingten Erlebnisse an der W a n d steht nur in scheinbarem Widerspruch zu den fibrigen Ergebnissen. MuG doeh stets die auch bei Normalen zu beob- achtende Wirkung des Nys tagmus auf die reale Wahrnehmung als ein akzessorischer F a k t o r mitberfieksichtigt werden. I s t diese intensiv genug, so ffihrt sie im Zusammenhang mit der Meskalinwirkung zum vSlligen Versehmelzen der Buchstaben (Fall 1) zu einem sich in Kreisform bewe- genden runden Fleck an der Wand. Bei Blinden (Fall 13 u. 13a) oder bei Sehenden mi t geschlossenen Augen (Fall 3 und 9) k a m es nie zu einer merkbaren Beeinflussung. Wodurch dieser Unterschied zwischen Blinden und Sehenden, zwischen den Scheinbewegungen an entoptischen Erschei- nungen und an der realen Umgebung bedingt ist, 1s sich im einzelnen nieht ohne weiteres sagen. Dieser Untersehied aber spr~ehe ffir die An- nahme einer zentralen Genese der entoptischen Erscheinungen. W~ren doch in diesem Sinne einerseits die MSglichkeiten zu einer Interferenz zwischen Bewegungserlebnissen an realen und entoptisch bedingten Eindrfieken bei offenen Augen gegeben und andererseits die durch die Augenbewegungen (Nystagmus) hervorgerufenen Reize bei geschlossenen Augen wirkungslos.

Es ist mir bewuflt, dab meine Ausffihrungen fiber die Schein- bewegungserlebrgsse bezfiglich keiner der beiden von mir absichtlich getrennt behandel ten Gruppen eine erschSpfende ist. I h r eingehendes Studium w~re eine Arbeit fiir sieh. Mir lag es ja auch nur daran, zu zeigen, dab die ~ b e r w e r t u n g der ii~hnliehkeiten die Gefahr mit sich bringt , etwas schon als unauflSsbare Einheit ansehen zu lassen, was sieh bei

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einer genaueren Betrachtung als ein Produkt der Zusammenarbeit komplizierter Mechanismen erweist.

V erzerrtsehen.

Das Verzerrtsehen wird klinisch durch folgeade Besonderheiten charakterisiert. Die einzelnen Teile eines Gegenstandes erscheinen nicht gleichsinnig vers Dadurch kommt es zum Eindruck einer Dis- proportionierung der Gegenstdnde. Es ver~ndern sich z. B. in lebhaftem Wechsel immer verschiedene Teile einer Hand, eines Gesichtes usw. Aul~erdem kommt es auch zu Ver~nderungen, die insofern noch eine gewisse Gesetzm~Sigkeit aufweisen, als die Gegenst~nde nur in einer Richtung disproportioniert erscheinen, d. h. dal] sie entweder enorm lang und schmal bzw. kurz und breit gesehen werden. Durch die verschieden- sten Kombinationen oben erwi~tmter und noch weiterer hier nicht auf- gezs Ver~nderungen wird der Gesamteindruck erweckt, als wfirde man die Umgebung nacheinander in den verschiedenen Zerrspiegeln eines Lachkabinetts erblicken. Als eine wahrscheinlich weitere Stei- gerung der zum Verzerrtsehen fiihrenden Funktionsst6rung tri t t dann die Un/dhigkeit au/, komplizierte Ob]eIcte (Fall 3 Gesicht) als Ganzes zu erleben. Einzelne Tefle werden nicht gesehen; manchmal fast eine ganze Gesichtshs Dabei ist die Tatsache bemerkenswert, dab Mund und Stirn entweder ganz gesehen bzw. ganz vermiBt wurden im Gegensatz zur Backe bzw. Auge, die in unserem Falle (Fall 3) nur links vermiBt wurden. ,,Ein Gesicht ohne Mund." , ,Jetzt grol3e Backe rechts wie mit Luft aufgeblasen, links sehe ich nur ein Stfickchen yore Gesicht". ,,Das linke Auge, die linke Backe und der ganze Mund werden nicht gesehen, dagegen wird die Stirn ganz gesehen." ,,Was ich sehe, ist wie aus einem Stfick Papier ausgeschnitten."

Das Verzerrtsehen betri//t meist nicht alle Gegens~nde. Tische und Stfihle erschienen im Fall 3 nur mikroptisch, aber wohlproportioniert, wie in einer, ,Puppenstube", obzwar gleichzeitig am Gesicht des Referenten, an den }tfiten und Mi~nteln usw. deutliehe Disproportionierungen bzw. Verzerrungen der Konturen erlebt wurden (Fall 3). ]:)as Verzerrtsehen wird durch anderweitige schon vorher erw~hnte Erscheinungen (Schein- bewegungen, gleichm~Bige Vergr6Berungen und Verkleinerungen yon Gegenst~nden) mitkompliziert. Bei einer genaueren Analyse abet lassen sich diese vom Verzerrtsehen im engeren Sinne trennen.

Aus lokalisatorischem Gesichtspunkt 1 l~fit sich fiber das Ver- zerrtsehen unter Meskalinwirkung nur sagen, dal~ es sich um eine zentrale

1 ~mliche Erscheinungen wie bei Meskalin sind auch, wenn auch in weit geringerem Marie und vor allem viel wenig abwechslungsvoller, bei corticalen (Occipitallappen, Oppenheim, Henschen, zit. nach P6tzl, opt. 2,11~sthesie S. 177, 1928) und subcorticalen L~sionen (Thalamus, Winkler, zit. nach PStzl) beobachtet

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Funktionsst6rung handeln muB. Aus funktionalem Gesichtspunkt yon der Steinschen Wahrnehmungstheor ie ausgehend lieBe sich, wenn wir das Ver- zerrtsehen als eine Erscheinungs/orm der St6rung der sensorischen Bewegung auffassen, folgendes fiber sie sagen. Das Verzerrtsehen stellt eine weiter- gehende, intensivere StSrung des Bewegungsfaktors in der Wahrnehmung dar als die vorher beschriebenen Scheinbewegungen. Es k o m m t bei ihm zur StSrung bzw. zum Zer]all der Bewegungsbilder der einzelnen Objekte selbst. Die Unf~higkeit, komplizierte Gegenst~nde als Ganzes zu erleben, ist als Folgeerscheinung des Zerfalls der Bewegungsbilder in diesem Sinne ebenso verst~ndlich, wie die Beschr~nkung der Ver~nderungen auf die einzelnen Teile der Objekte, bzw. die Verschiedenartigkeit der Ver~nderungen, welche sich zu gleicher Zeit an einzelnen Par t ien eines Gegenstandes zu vollziehen scheinen. Auch die Tatsache, wa rum nicht alle Gegensts gleichzeitig verzerrt gesehen werden, wird aus diesem

�9 Gesichtspunkt versts Sicherlich ist in dieser Beziehung die Ein- ]achheit und Kompliziertheit der Bewegungsbilder der einzelnen Objekte sowie die Tatsache, wie weit diese im Laufe des Lebens durch ihre Kon- st~nz und Hs lest gebahnt wurden, yon Bedeutung. Es ist ohne weiteres klar, dab bei einem Gesicht, welches viel komplizierter und durch die mimisehen Bewegungen inkonstanter und differenzierter ist als ein Tisch oder Stuhl, auch die Bewegungsbilder keineswegs so lest aneinandergekoppelt sind und die MSglichkeit bei St5rung der sensori- schen Bewegung infolgedessen ver~ndert wahrgenommen zu werden bzw. in einzelne Bestandteile zu zerfallen usw., bei ]etzteren vielmehr gegeben ist. Die Tatsache, dab die Stirn, der Mund und die Nase, welche im Gegensatz zu den fibrigen Gesichtsteilen wie Backe und Augen als nicht getrennt bzw. als etwas Einheitliches in unseren Vorstellungen figurieren, ganz gesehen bzw. vermiBt wurden, ist eine Beobachtung yon groBer Tragweite. Wir sehen aus dieser Beobachtung, dab nicht nur die Beeintr~chtigung der Anpassungsf~higkeit an mehr peripher fundier te Funkt ionen (Augenbewegung, Nystagmus, Akkommodat ion) besondere Scheinbewegungserlebnisse zei~igt, sondern dab auch andere bis j e tz t noch nicht n~her bzw. nur vom Psychischen her faBbare Fak to ren dem Zerfall der ,,sensorischen" Bewegungsbilder besondere Fo rmen ver- leihen kSnnen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Angabe der Pat ient in : ,,Merkwfirdig, sobald Sie reich auf etwas ~ufmerksam machen, sehe ich es auch deutl icher." Zusammenfassend lieBe sich demnach fiber das Verzerrtsehen aus dem Gesichtspunkt der Steinschen Wahrnehmungs- theorie folgendes aussagen: Das Verzerrtsehen stellt eine dutch die St6rung

worden. Auch bei Netzhautabhebungen bzw. bei Unebenheiten der Netzhaut, welche dureh ZirkulationsstSrungen entstanden, sind Metamorphopsien beobachtet worden. Letztere sind aber dureh die Konstanz der Verzerrung in Richtung, Form und Lokalzeichen im Sehraum sowie durch ihre Unabh~ngigkeit yon dem Objekt selbst mit oben gesehildert~n Erseheinungen nicht zu verwechseln.

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der 8ensorischen Bewegung bedingte Abdnderung der optischen Wahr- nehmung dar, welche sich yon den Scheinbewegungen ganzer wohlpropar- tionierter Ob]ekte inso/ern unterscheidet, als 8ie erst bei St6rung der Be- wegungsbilder der einzelnen Ob]ekte selbst in Erscheinung tritl.

I I I . Versuche bei Hemianopsien.

W s in den vo rangegangenen Ver suchen die Sche inbewegungs- e r lebnisse in e rs te r L ia i e ber f icks ich t ig t wurden , in te ress ie ren uns hier d ie meska l inbed ing t en A b ~ n d e r u n g e n der r ea l en W a h r n e h m u n g nur irmofern, als sie m i t den H e m i a n o p s i e n in Z u s a m m e n h a n g s tehen bzw. auf d iese zur i ickgef i ihr t w e r d e n k6nnen . Aueh d ie Meskal ins innes- t i~usehungen ( , ,p r imi t ive" u n d , , szenenhaf te" ) sol len hier in e rs te r Lin ie insofe rn ber i icks ich t ig t werden , a ls aus i h rem V o r h a n d e n s e i n oder F e h l e n bzw. ih rem A u f t r e t e n in b e s t i m m t e n Ges i ch t f e ldpa r t i en loka l i sa to r i sch v e r w e r t b a r e Schltisse bezi ig l ich ihrer , , s innesm~Bigen" A n te i l e gezogen w e r d e n k6nnen. Die we i t e rgehende A n a l y s e bzw. Di f fe renz ie rung der Meskal ins innest i~uschungen als p sycho -pa tho log i s c he Phi~nomene k a n n e rs t im AnschluB an d ie Versuehe a n e insei t ig u n d ganz B l inde n erfolgen.

Fall 6. Temporaler Gesichts/eldaus/all links, Amaurose rechts bei H ypophysentumor. 0,35 Meskalin.

G. A., 38 Jahre (Bulgare). In der Charitd- Nervenklinik in Behandhmg. Versuch am 30. 1.29.

114~ Uhr. 0,15 Meskalin. 124~ Uhr. 0,2 Meskalin. 22~ Uhr. Bis jetzt nur geringe Ver~nderungen der optischen Wahmehmungen

~hnlich wie in den friiheren F~llen, Gl~nzenderwerden der Farben, geringe Vor- w~rts- und Riiekwi~rtsbewegungen der Tfir, Verzerrtsehen.

2 a5 Uhr. Sieht auf Augendruek mikroptisch tanzende Negerinnen, kann diese abet nicht lokalisieren, weil sie zu rasch verschwinden.

36 Uhr. ,,Eine Tr~umerei mit offenen Augen, ich sehe alles, aber es ist anders, es ist keine Wirklichkeit, alles wie ein Witzspiel."

42~ Uhr. Sieht bei geschlossenen Augen ohne Augendruek Spielzeuge, im Wasser schwimmende Fische, K6pfe, erlebt die Erscheinungen vor beiden Augen mit dem ganzen Gesichts/eld.

4 ~a Uhr. Gibt an, dab er die entoptischen Bilder vor dem linken (sehenden) Auge besser als reehts sieht. Erlebt jetzt auch bei offenen Augen (angeblich nur vor dem linken Auge) ,,Chinesentanz" ,,in Gedanken sehen" yon links nach rechts vorbeihusehen.

443 Uhr. Hat zeitweise bei offenen Augen das Geftihl, als wena er im hemiano- Tischen Gesichts]eld Bewegungen sehe, Schatten, die er nicht sieher lokalisieren k6nne. Die objektive Pri~/ung ergibt, daft jetzt Bewegungen der Hand des Re/erenten im hemianopischen Gesichts/eld tatsdehlich ]ast stets bemerlct, abet nicht ganz richtig lolcaliziert werden.

5 ~ Uhr. Gibt spontan an: ,,Vor dem Experiment war die Grenze des Sehens ganz seharf. Jetzt kann ich die Grenze nicht linden. Es ist Nebel, damn kommt Sehen, aber keine seharfen Grenzen dazwischen . . . manehmal glaube ich, dab

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ich etwas gr613er sehen kann" (meint es in bezug auf das Gesichtsfeld). Sieht eine goldene Krone an einer Zigarettenschachtel, ,,wie durchs Opernglas", ,,klein, gber ganz seharf" . . . . . wie durch ein Stereoskop".

545 Uhr. Sieht jetzt bei gesehlossenen Augen bulgarisehe Handarbeit, Kaleido- skop, Edelsteine in Spektrumfarben, alles vor beiden Augen mit dem ganzen Gesicht~- ]eld. ,,Immer beginnt es mit B l a u " . . . ein Boot, ein sehr schSnes M e e r . . . so b l a u . . , ich bin jetzt in Warna." Bei offenen Augen keine Sinnest~,uschung.

6 aa Uhr. Die Grenze des hemianopischen Gesichtsfeldes sei noeh immer nieht ganz scharf, aber nicht mehr so verschwommen wie vorhin.

7 Uhr. Allm~hliches Abflauen der Erscheinungen. Beobaehtung abgesehlossetn (Aus dem Selbstbericht) : ,,Im Sehen bemerkte ich keine Ver~nderungen, erwarte

aber, dab mein Sehfeld sich erweitern wfirde. Sparer ereignete sieh auch etwas J~hnliches. Das linke Auge nahm an Sehkraft zu und die seharfe Grenze zwischen dem Licht- und dem Schattenfeld wurde ziemlich verwiseht. Doch das Geftihl eines ganz normalen Auges konnte ich nicht ffihlen." ,,Ich sah die Gegenst~nde wie durch ein Stereoskop mit allen Einzelheiten, die Krone auf dem Deckel einer Zigarettenschachtel sah aus wie durch ein Vergr6Berungsglas." ,,In den Augen spiirte ich die Erweiterung der Pupillen, dasselbe Geftihl, wie wenn man Atropin in die Augen getropft hat." Visionen hatte ich mit kleinen Ausnahmen keine. Am Anfang sah ich tanzende Negerinnen, meinen Geburtsort Warna, sah im Meere Mensehen als dreieckige Leichname mit dem Kopf nach oben, sich yon links nach reehts und umgekehrt sehaukeln."

Zusammen]assung: Tempora[er Ausfall des Gesichtsfeldes l inks, A ma u- rose rechts bei H y p o p h y s e n t u m o r . Auf 0,35 Meskalin werden a n der rea len U m g e b u n g Sche inbewegungen usw. wie in den vorigen FMlen wahr- genommen. Aul~erdem t r i t t bei den n u t a m l i n k e n A u g e sehenden P a t i e n t e n ein ,,stereoskopisches" Sehen auf. Die Grenzen des Gesichts/eldde/ektes werden unscharf u n d sub j ek t i v das Gesichtsfeld welter empfunden . I m Gesichts- ]eldde/ekt k S n n e n im Gegensatz zum Norma lzus t and Handbewegungen in 1/2 m Ndhe als Bewegungen wahrgenommen werden, ohne dab eine genaue Loka l i sa t ion nSt ig wi~re. S innes t~uschungen werden n u r spi~rhch u n d fast ausschlieBlich bei geschlossenen Augen erlebt. Es ha nde l t sich ausschlieBlich u m ,,entoptische Erscheinungen", welche mit voUem Ge- sichts/eld vor beiden Augen erlebt werden. Er gibt a l le rd ings an, diese vor dem sehenden Auge , ,deutl icher" zu sehen. Bei offenen Augen me in t er sogar, ,,die t a n z e n d e n Neger innen" nur vor de m sehenden Auge erlebt zu haben(?)

Fall 7. Aus/all des temporalen Gesichtsteldes rechts, links Amaurose. Hypophy- sentumor. 0,35 Meskalin.

S. N., 53 Jahre. In der Charit~-Nervenl~liaik in Behandlung. Links aus- gesprochene Opticusutrophie, Amaurose, dabei Liehtschein in der temporulen GesiehtshMfte. Rechts angedeutete Atrophie des Opticus, temporaler Gesichtsfeld- defekt. Gibt an, dab auch am linken Auge erst die rechts (nasale !) Gesichtsfeld- hMfte ausfiel. Die Erblindung soll yon rechts nuch links vorgeschritten sein. Versuch in der Charit6-1~ervenklinik am 3. 2.29.

1245 Uhr. 0,1 MeskMin. 18~ Uhr. Bis jetzt keine optisehen Erseheinun~en. 0,1 Meskalin. 145 Uhr. Im hemianopischen Gesichtsfeld reehts tritt ein farbloses Flimmern

auf. Wenn er das Flimmem fixieren will, weieht es ganz nach rechts in den hemi-

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60 Julius Zs

anopischen Teil ab. Beim Vorsichhind6sen flimmert es auch etwas vor dem sehenden Teil ,,als wenn die kalte Luft mit der warmen sich mischt".

220 Uhr. ,,Es flimmert gerade an der Grenze des Gesichtsfeldes" . . . . . die Grenze war sonst ein gerader Streifen, jetzt ist es ein Flimmern ohne schar]e Grenzen."

3 a5 Uhr. Auf Augendruck werden Punkte, Quadrate, Karos und Kreise in verschiedenen Farben, alles vor beiden Augen, im ganzeu Gesichts/eld gesehen.

430 Uhr. ,,Es flimmert jetzt auch vor dem linken (amaurotischen) Auge." ,,Seitlich genau wie vorher rechts." Geringe langsame Scheinbewegungen der M6bel seitlich in einer Ebene.

526 Uhr. Deutliches Flimmern vor beiden Augen, besonders seitlich. 61~ Uhr. Als Patient den in den Saal hereintretenden Oberpfleger erblickt,

trod n~her fixiert, scheint es ihm, als wenn dieser pl6tzlich etwas nach rechts riicke. Einige Augenblicke sah er beide Gestalten wie ,,Doppelbilder". Sie deckten sich fast, nur dab das eine Bild drei Finger breit mehr nach rechts in Richttmg des Gesichtsfelddefektes war. Dieselbe Erscheinmlg wird dann nachher an einer Vase und an anderen Gegenstgnden im Zimmer beobachtet. ,,Das zweite Bild steht immer nach rechts, in dem Moment, wo ich beide sehe, riickt das eine schon au] das andere, immer das linke riickt au/ das rechte."

715 Uhr. Zimmer zeitweise gr613er und tiefer. Das Fhmmera ist fast v61lig verschwunden, die Grenzen des Gesichtsfeldes wieder stgrker.

730 Uhr. Die Grenzen des Gesichtsfeldes wieder ganz scharf, keine optischen :Erscheinungen mehr. Beobachtung wird abgeschlossen.

Zusammen/assung: Rechts t empora le r Gesichtsfeldausfall , l inks A ma u- rose m i t Lichtschein in der temporalen H/ilf te bei H y p o p h y s e n t u m o r . Auf 0,35 Meskalin nu r wenig optische E r sche inungen . A n der realen Um- g e b u n g t r a t aul~er den schon oft erw/~hnten Ver i inderungen noch ein vor / ibergehendes , ,Doppeltsehen" auf. Bei diesem monokularen Doppelt- sehen zeigten sich felgende Besonderhe i t en : Das zweite Bild s t a nd in der R i c h t u n g des Gesichtsfelddefektes la teral . Als die Bflder sich auf- e i n a n d e r schoben, rfickte immer das med ia l s tehende nach la tera l in R i c h t u n g des Gesichtsfelddefektes. Lebhaf tes Fl immern zu A n f a n g im hemianop i schen Gesichtsfeld, sp/iter aber auch vor dem amauro t i s chen Auge bzw. vor beiden Augen. Vor dem a m a u r o t i s c h e n Auge t r a t sie zuers t in dem Teil auf, wo noch Lich tsche in w a h r g e n o m m e n wurde. , ,Entoptische Bilder" stets vor beiden Augen mit vollem Gesichts/eld erlebt . I m hemianop i schen Gesichtsfeld isoliert t r a t e n ke ine S innes t / iuschungen auf. Ebenso n ich t bei offenen Augen.

Fall 8. Homonyme Hemianopsie bei Parietooccipitallappentumor. 0,4 Meskalin. A. I., 30 Jabxe, Landarbeiter, friiherer Milit/~rmusiker. WegenTumor des rechten

Parietooceipitallappens in der hiesigen Klinik in Behandlung. Linksseitige homo- nyme Hemianopsie. Patient ist deutlich benommen, zeitlich desorientiert, es besteht eine grobe Merkschw/~che. Er hat keine Einsicht ftir die Schwere seiner Erkrankung. Sei gesund, brauche nur gute Pflege. Hat starke Selmsucht nach der Familie. Kommt immer auf diese zu sprechen. VerhKlt sich auf der Abteilung ruhig, gibt im allgemeinen geordnet Auskunft. Versuch am 17.4. 29.

2 Uhr. 0,2 Meskalin. 22~ Uhr. Gefiihl, als wenn man etwas besoffen w~re (fiihrt das auf eine Zigarette

zuriick, die er geraucht hat). Spricht dauernd yon der Familie.

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Meskal inwirkung bei St6rungen des optischen Systems. 61

2 a7 Uhr . Gesang der VSgel im Gar ten f~llt spontan auf, s u m m t ein Lied vor sich hin, s ieht zeitweise u m sich. Auf Fragen gibt er an, es sei alles wie sonst .

257 Uhr . ,,Die Abendsonne seheint rot durchs Fenster ." Fi ih l t sich unruhig , ungemiit l ieh, ist ger~uschiiberempfindlich, zunehmendes G/thnen.

3 Uhr. 0,2 Meskalin. 337 Uhr . :4ngstliche U n r u h e n i m m t welter zu. ,,Meine Ruhe will ich h a b e n . " 4 07 Uhr . Liegt mi t geschlossenen Augen. Auf Befragen, woran er denke, g ib t

er an : , , Je tz t is t alles gut. Die Sense babe ich hingelegt, die Forke auch, j e tz t will ich nach Hause gehen" . (?) , ,Heute abend bin ieh bei-gewesen." (Wo sind Sie ?) , , J e t z t b in ieh am Bandel iner Weg, je tz t will ich nach Hause g e h e n . . , es is t im Kopfe alles s o . . . ich bin ja in der S tube . . . ich habe gedacht, ich bin bei der Heue in fahr t . " (?) ,,Ira Traume habe ich es ge sehen . . , s o . . . j e tz t f ahren sie reich in die S tube . " Auf Befragen, ob er alles so wie sonst gesehen habe, g ib t er an : ,,Habe den Traum ganz gesehen, auch nach l inks."

4 TM Uhr. I m Kopfe s ingt es, ,,als wenn man den Holz ges~gt hat , den ganzen Tag, das singt zuletzt so".

417 Uhr . Ausgesprochene motorische Unruhe. Bewegt die l inke Hand . (?) , , Ieh babe die Pferde besehlagen lassen und n u n ist es gut, j e tz t gehe ich n a e h Hause . " (?) Wo je tz t ? ,,Bei uns im Doff ." ( Je t z t ?) , ,Ja, n u n is t es gut, j e t z t b in ich schon zu Hause ."

4 30 Uhr . (Wo je tz t ?) , , Je tz t bin ich im Doff bei Korp in der S e h m i e d e . . . na, gu t . " Beim Ansprechen meint er zundichst, der Arzt sei auch in der Schmiede; is t d a n n wieder orientiert , und sagt, er babe wirklich geglaubt, in der Schmiede ge- wesen zu sein.

4 25 Uhr . Zeigt Spontan dureh die Mattscheiben des Fensters . , ,Da ist die StraBe." (?) ,,Das sehe ieh durch die Fens te r . " (Was ist da los ?) , ,Da sehein t die Sonne." Wird plStzlich wieder klar. , ,Nun is t alles wieder gut, Sie wollen bloB wissen, ob ich links auch sehen k a n n . " Wird dann wieder delirant. , ,Nun ist 's g u t . " (?) ,,Die sind weiter gefahren m i t dem Wagen, die ft ihren die Pferde ab." K o m m t wieder zu sieh. , ,Nun lassen Sie mich schlafen, sonst werde ich erst verr i ickt werden, je tz t bin ich es n i ch t . "

4 40 Uhr . Ausgesprochene motorische Unruhe. Lag in der Zwischenzei t m i t gesehlossenen Augen. (Wo waren Sie je tz t ?) , , Ich war im Pferdestal l ." (Was haben Sie gemacht ?) , , Ich habe alles in Ordnung gebracht , nun ist alles in Ordnung im P/erdestall, Herr Doktor." (Was habe ieh denn dami t denn zu t un ?) ,,DAB nach t s die Pferde n ich t loskommen." (?) , ,Aber ich mull doeh 0 r d n u n g ha l t en . " (Sie sind doch im Krankenhaus . ) , , Je tz t , j a . " (Und vorhin ?) , ,Vorhin war ieh im Pferde- s ta l l ." (Das ist doch n ieh t mSglich ?) ,,Das h a t man alles so im Kopf . " Wird wieder klarer. Als er gefragt wird, wie es ihm ginge, meint er, ,,es ist alles wie sonst, lassen Sie reich in Rub ."

45~ Uhr . (Ein H a h n k r~h t im Garten.) , ,Ein H a h n kr~ht auf der StraBe, das muB so sein in der Landwi r t seha f t . " ,,Der H a h n kr/~ht, die Sensen werden ge- k lopf t . " (H0ren Sie das ?) , , J a . " ('.~) Zeigt in die Riehtung, yon w o das H a h n k r ~ h e n zu hSren war. Beginnt , pl6tzlich franzSsisch zu sprechen: ,,Nix eompr6s, mons ieur . " (Warum sprechen Sie franzSsisch ?) , ,Verstehen Sie das, Herr Doktor , d a n n i s t ' s gu t . " F/ tngt wieder franz6sisch zu radebrechen an. (?) ,,Die paa r WSr te r h a t , nan ja gelernt , das ha t der Mensch immer so in sich." (Er meint , er h~ t te m i t e inem Franzosen sprechen mtissen, d e r s tand am Wasser lang.)

5 03 Uhr . Lag in der Zwischenzeit mi t offenen Augen. F~ngt spon tan zu spreehen an : , ,Nun babe ich ausgeschifft, j e tz t gehe ieh re in ." (?) ,,Ja, ieh habe das Herren- haus gesehen und je tz t gehe ich re in" . (Aueh nach links ?) , , Ich sah alles ganz, aueh l inks ." Geftihl, als wenn er durehs Fens te r sehen kSnnte. (Auch n a c h links ?) , ,Wenn m a n im Sehlaf ist, k a n n m an alles sehen." (Sie haben die Augen doch

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62 Julius Zs

often). ,,Ich weiB ja nicht, wie das alles ist, Herr Doktor" . Zunehmende motorische Unruhe, ist schwer zu fixieren, wird miBtrauisch, meint, man wolle ihn ausforschen.

52~ Uhr. (Referent raucht eine Zigarette.) , ,Nieht rauehen im Stall, nicht mit der Zigarre oder Zigarette."

5 ~~ Uhr. (We waren Sie eben ?) ,,Bei uns im Doff ." (Was haben Sie gemaeht ?) , ,Ich babe yon der Seite geguekt, dann bin ich zu uns in die Kiiehe gegangen, als wenn ich abends zu tins hineingehe." Greift pl6tzlich mit der linken Hand naeh links. (?) ,,Ich wollte Ordnung maehen im Spint ." (?) ,,Die Peitsehe wollte ich hinstellen." (Haben Sie es gesehen ?) , ,Ja." ( W e ?) ,,Zeigt reach links, Augen dabei geradeaus gerichtet. ,, So, jetzt habe ieh das Licht ausgedreht, je tz t gehen wir sehlafen. (?) ,,Mit der linken Hand." (Griff vorhin mi t der linken Hand in die Luft.)

550 Uhr. Naeh einer Pause Augen ge6ftnet. (We sind wir hier ?) , ,Hier im Kuhsta l l . " (We sind denn die Kiihe ?) ,,Nein, wir sind hier im Verbandszimmer, nun lassen Sie mich in Ruhe, aus mir kriegen Sie doeh nichts heraus, ieh bin kein Spitzbube."

555 Uhr. (Spoatan.) ,,Ich bin je tz t bei mir zu Hause auf dem Berge, babe die Peitsche in der Hand. ( W e Peitsche ?) Schiittelt die rechte Hand. ,,Hier.") Warum erz~hlen Sie mir das ?) ,,Das weiB ieh nieht, da h6rt man viel im Schlaf, allerhand, hier was, da was." (Von drauBen wird die Tfire eingeklingt, das gibt einen mittel- starken Knack.) (Was war das ?) ,,Da hat einer mi t dem Hacken dran gesehlagen." (We denn ?) ,,An die Kante" . (An welche Kante ?) , ,Wenn man so in der Milchstube ist ."

615 Uhr. Sieht nach links. (?) ,,Es ist nicht so, wie es sein muB, ich kann nicht schlafen, die Lampe brennt." (We ?) Zeigt nach links oben, we die Lamlge ist, welche in dem hemianopischen Gesichts]eldde]ekt liegt. (Noch immer?) Dreht den Kopf noeh welter nach links , ,jetzt nicht mehr" . Wird eine Zeitlang in Ruhe gelassen. Fiingt dann spontan mit den Hiinden zu dirigieren an. ,,Es ist noch immer nicht der richtige Takt ." (?) ,,Na, ich bin doch im Takt . " (H6ren Sie Musik?) , , Ja . " (We kommt die Musik her ?) ,,Die Stet t iner StraBe runter" , (dirigiert weiter mit dem Arm), , , d r e i . . . v i e r . . . Abteilung aufpassen." Hebt den Arm , , H a l t . . . tuck z u e k . . , das hat wieder nieht g e k l a p p t . . , heh, Sie da, das hat nicht geklappt ." (Was ha t denn nicht geklappt ?) , ,Im 3. Z u g . . . bei mir ja ." (Wir sind doeh hier im Zimmer?) Macht erstaunte Augen, sagt dann naeh einer Pause: , ,Ja, ich bin hier, das war nur ein Traum."

645 Uhr. Sei in einer Sehmiede. , ,Auf der linken Seite war Feuer." (?) ,,Es war ein pldtzliches Au[leuchten links". ( W e es sonst dunkel ist ?) , , Ja" , (Farbe ?) ,,rot".

Zeigt 1916tzlich nach links oben und hinten. (Was war denn los ?) ,,Herr Doktor war da oben, hat mit ]emand gesprochen." (Haben Sie es gesehen ?) , ,Da haben Sie mi t jemand gesprochen yon ~hnlieher Sta tur ." (Re]erent sprach mit einem anderen Arzt im Zimmer in einer Stellung, we er yon Patienten gesehen werden konnte.)

71~ Uhr. Sieht nach reehts. , ,Da reehts sitzt eine Dame mit loekigem Haar . " Wendet den Kopf weiter naeh rechts, zeigt nach reehts oben in die Eeke. ,,Sie sal~ da oben, jetzt nieht mehr ." Keine Angaben iiber Scheinbewegungen, Tapeten- muster, erlebt alles szenenha]t mit der ganzen PersSnlichkeit. Macht adequate Zuwendungsbewegungen, Realit~tsurteil den Erlebnissen gegenfiber zun~ehst positiv, kommt erst auf eindringliehe Fragen vorfibergehend zu sich.

7 3~ Uhr. Vortibergehend etwas klarer. (Woher kommt das, dab Sie heute soviel gesehen haben ?) ,,Ich weiB es aueh nicht, es kommt so, wenn man gearbeitet ha t . " Kann die Saehe nicht n~her erklgren, auf die Spritzen bezieht er es aber nicht. Pat ient ist schwer zu fixieren, versteht oft gar nieht, was Referent meint. Gibt als Antwort pl6tzlich an, auf seine Frau k6nne man sich verlassen.

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Meskalinwirkung bei St6rungen des optischen Systems. 68

740 Uhr. Lag in der Zwischenzeit viel mit offenen Augen. (?) ,,Ich sah meine Frau." (?) ,,Ich lag im Bett, sie zog sich aus, wir wollten schlafen gehen." (Wo stand sie ?) ,,Direkt vor mir." (Sie sind doch im Krankenhaus ?) , , J a . �9 das stimmt, meine Frau ist zu Hause." Der Widersprueh f/illt ihm gar nicht auf, maeht sich spontan keine Gedanken dartiber.

755 Uhr. (Spontan.) ,,Die Lichter sind 9enau so wie die yon Pasewalk." Sieht links im hemianopischen Gesichtsfelddefekt die Lichter die er seiner Zeit vor dem pl6tzliehen Auftreten der Hemianopsie gesehen hat. (Wo ?) Zeigen naeh links ,,da !" Dreht sieh noeh weiter nach links, ,,jetzt sind die Lichter wieder weg". Wird voriibergehend wieder ]darer, meint, ffir Referent mfisse das langweilig sein, neben ibm zu sitzen. J~ullert, fast perseverierend, den Wunsch, schlafen zu gehen.

8 is U~nr. Wieder delirant. Bewegt die linke Hand. (?) Ieh kam vom Berg herunter und wollte links den Straueh wegmaehen, dab ieh durchkam. (Haben Sie es gesehen ?) ,,Nein, ich wollte es nur zur Seite biegen."

835 U'hr. Zunehmende motorische Unruhe. Halluziniert welter, es handelt sich stets um Erlebnisse yon Zuhause. Wird jetzt allein gelassen.

10 Uhr. Lag in der Zwischenzeit im Krankensaal. Nach Angaben des Pflegers war er die ganze Zeit delirant, dirigierte mit den Hiinden, sprach zu der Kapelle, dann wieder zu seiner Frau usw. Als Referent kommt, dirigier$ er eben, gibt an, mit der Kapelle gefibt zu haben. Erst auf mehrfaehe eindringlich wiederholte Fragen weiB er dann, dal3 er im Krankenhaus ist. In Ruhe gelassen, f~ngt er aber sofort wieder an, zu dirigieren.

Patient war nach Bericht des Pflegers die ganze Nacht noch weiter delirant und wurde erst gegen Morgen ruhiger. Am n~ehsten Tag gefragt, kann er sich nur sehr liickenhaft auf den gestrigen Tag erinnern, finder, dab alles in Ordnung gewesen sei. DaB er soviel gesehen habe, ,,das kommt so, werm man gearbeitet lint". Es sei nichts Auffalliges, nichts Krankhaftes gewesen, er ftihle sich auch im iibrigen nicht krank. Als er zur Stellungsnahme zu den Ereignissen des gestrigen Tages gedr~ngt wird, versteht er nieht, worauf der Arzt hinaus will. Bringt nichts mit der Spritze in Zusammenhang. Er habe eben getraumt, wie man das eben so rut. Er]d/~ren kSnne er sich das nicht, kommt trotz langeren Befragens zu keiner SchluBfolgerung. Auch in bezug auf das Realit~tsurteil ist er he~tte noch schwan- kend, meint, alles wir]dich erlebt zu haben, dann wieder, dal3 es Tr/tume gewesen seien. Patient zeigt heute nichts Delirantes mehr, ist aber, wie vor dem Versuch deutlich benommen, zeitlich desorientiert, sich selbst iiberlassen, d6st e r v o r sieh bin, ohne yon der Umgebung Notiz zu nehmen.

Zusammen/assung: Linkssei t ige homonyme Hemianopsie bei T u m o r cerebri . Benommenheit, zeit l iche Desor ien t ie rung und grobe MerkschwKche sehon v o r d e m Versuch. A u / 0,4 Meskalin kommt es zu einem deliranten Zustandsbild. Typische Meskalinsinnest~uschungen /ehlen /ast v6Uig, u n d soweit solche auf t r e t en , werden sie genau wie die realen W a h r n e h m u n g e n in die de l i r an t en Er lebnisse mi t hineingezogen. (Aufleuchten l inks im hemianop i schen Gesichtsfeld als Feue r in der Schmiede erlebt , p ro t e s t i e r t gegen das Z i g a r e t t e n r a u c h e n im Stall). Massenhafte , sehr rasch wechse lnde del i rante S innes t~uschungen auf al ien Sinnesgebieten, meis t aber op t i scher Na tu r , l e b h a f t e Af fek t reak t ion , a d e q u a t e Zuwendungsbewegungen , schwankendes bzw. pos i t ives Real i t~ tsur te i l , fas t alle opt ischen Sinnes- t~uschungen werden m i t dem ganzen Gesichtsfeld erlebt . Es kommt aber aueh im hemianopischen Gesichts/eld isoliert einige Male zu Sinnes- tdu~chungen (Feuer in der Schmiede , b rennende L a m p e , L ich te r y o n

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64 Julius Z~dor:

Pasewalk usw.). Einmal erlebt er eine tatsachlich wahrgenommene Szene im hemianopischen Feld. (Optische Allasthesie, PStzl 1.) Keine Krankheitseinsicht fiir die Halluzinationen bzw. fiir die l~[eskalinwirkung, bezieht nichts auf die Spritzen. - -

Die Zahl der Versuche an Pat ienten mit Hemianopsie war leider zu gering, auch waren die Versuche zum Teil in bezug auf die spezielle Fragestellung nach der Bedeutung der verschiedenen Genese von Hemi- anopsien fiir den Ausfall der Meskalinwirkung ungeeignet. Insbesondere fehlt noch mindestens ein Fall yon occipitalbedingter homonymer Hemianopsie ohne BewuBtseinstrfibung bzw. ohne grobe psychische All- gemeinschadigungen. Leider war mir nicht mSglich, bis jetzt so einen Versuch durchzuffihren. Die folgenden Ergebnisse bedfirfen demnach noch mannigfacher Erg~nzung, die ich sparer noch geben zu kSnnen hoffe.

Auch hier wie vorher gehen wir am besten yon den an der realen Wahrnehmung bzw. Umgebung erlebten Abanderungen aus und be- sprechen erst nachher die Meskalinsinnest~iuschungen im engeren Sinne.

Ab~inderungen der realen Wahrnehmung.

Es sollen hier yon den meskalinbedingten Ab~nderungen der realen Wahrnehmung nur diejenigen berficksichtigt werden, welche mit der Hemianopsie in irgendeine Beziehung gebracht werden kSnnen. Als solche ware zun~chst die in beiden Fallen mit temporaler Hemianopsie infolge Traktusl~sion gemachte Beobachtung fiber die Ver~inderung der Begrenzung der Gesichts/eldde/ekte im sub]eIctiven Erleben zu erw~hnen. ,,Es ist Nebel, dann kommt Sehen, aber keine scharfe Grenze dazwischen." ])as Gesichtsfeld wurde wieder , ,rund" und subjektiv grS~er empfunden. Objektiv war allerdings keine ~nderung der Grenzen nachweisbar. In einem Fall (Fall 6) yon Traktushemianopsie t r a t insofern eine Besserung der Seh/~iig]ceit auf, als im Gesichts/eldde/ekt im Gegensatz zum Normalzustand grobe t tandbewegungen aus einem halben Meter bzw. 1 Meter N~he als ,,Bewegungen" wahrgenommen werden konnten. Allerdings konnten diese Wahrnehmungen weder genau lokalisiert werden noch bezfiglich Form oder Farbe usw. differenziert werden. W~hrend ich die subjektiv erlebten Ab~nderungen der Grenzen yon Traktushemi- anopsien nicht ohne weiteres zu erkl~ren imstande bin und die Annahme einer Herabsetzung bzw. Schwankung der Reizschwellen der Netzhaut- erregbarkeit nur als eine MSglichkeit ventiliere, scheint mir die Steigerung der Sehfiihigkeit im hemianopischen Gesichtsfeld dutch eine erh6hte Leit- ]~ihigkeit /i~r optische Reize in den lddierten Tra]ctuspartien erklarbar. Ist doch die ~Iemianopsie durch einen lokalen komprimierenden Prozel3 allmahlich entstanden und somit die MSglichkeit gegeben eine Schadigung

1 PStzl: 1. c.

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Meskalinwirkung bei St6rungen des optischen Systems. 65

anzunehmen, welehe unter normalen Bedingungen sehon eine Leitungs- unterbrechung der Sehnerven bedingt, unter Meskalinwirkung aber dazu nicht v611ig ausreicht.

Fiir das eigenartige Ph~nomen des kurzdauernden monokularen ,,Doppelsehens" im Anfang des Fixierens yon Gegenst~nden in Fall 7 l~[3t sich gleichfalls keine sichere Erkl~rung geben. Mir scheint, dab es sich um analoge Erscheinungen handelt, wie sie yon PStzl unter dem Namen ,,optische All~istheaie" beschrieben worden sind. Allerdings besteht keine volle ~bereinstimmung, da beide Milder doch gleichzeitig (?) erlebt wurden. Da aber stets das medial stehende Bfld sich auf das andere in Richtung des Gesichtsfelddefektes stehende schob, m6chte ieh annehmen, dab es sich bei dem im Gesiehtsfelddefekt erlebten Bild, welches ja dutch ein Hineinprojizieren eines tats~chlich wahrgenommenen Brides in diese entstanden gedacht werden muI3, um eine verwandte Erseheinung handelt, wie sie P6tzl beschrieb. Ein typisches Beispiel for optisehe All~sthesie stellt das Erleben eines tats~chlich mit dem intaktem Gesichts- feld wahrgenommenen Bildes im hemianopischen Feld in dem Fall 11 dar (S. 36). Ffir das Flimmern bzw. fiir die Mechanismen, deren St6rung zum Flimmern ffihrt, ergaben die Versuche entsprechend unserer sonstigen Kenntnisse fiber sein Vorkommen, dab sie innerhalb des optischen Systems nicht genau lokaliaierbar sind.

Die Deutungsversuche oben erw~hnter Meskalinerscheinungen ffihren uns in l~bereinstimmung mit den bisherigen Resultaten zu dem Ergebnis, dal3 die Meskalinwirkung sich auf das gesamte optische System ausbreitet bzw. dal3 es sich dabei nicht um die elektive StSrung be- sthnmter lokalisatorisch fai3baren Zentren handelt, sondern um St6rung von ,,Funktionen", bzw. ,,Leistungen", an deren Zustandelcommen sowohl zentrale wie periphere Mechanismen beteiligt aind. Es hat sich auch hier gezeigt, dab unsere Auffassung, nachdem wir die Meskalinwirkung auf das optische System nur aus einem/unlctionalen bzw. pharmakologisch- /unlctionalem Gesichtspunkt her f fir erkl~rlich halten, zu Recht besteht. Die aus lokalisatorischen Gesiehtspunkten geordneten Versuche haben nut die Bedeutung eines ,,experimentum crueis" und waren insofern unentbehrlich, als erst auf diesem Wege die Beweise fiir die Riehtigkeit oben ge~uBerter Auffassung verschafft werden kSnnen.

Die Meakalinsinnestdiuschur~gen

auf dem optischen Gebiet traten bei den Traktushemianopsien hie isoliert im hemianopiechen Gesichts/eld au/. Fast stets wurden sie aueh binolcular erlebt trotz v611iger Amaurose auf dem einen Auge. (Wie welt die Angaben in Fall 6, der angab, den Chinesentanz [bei offenen Augen] nur links gesehen zu haben, bzw. die gelegentliche Angabe im selben Fall, nachdem die optisehen Erscheinungen auch bei geschlossenen Augen vor dem linken

Z. f. d. g. N e u t . u. P s y c h . 127. 5

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66 Julius Zs

[sehenden] Auge deutlicher beZeichnet wurden, dureh die Kritik sekund/~r bedingt sind oder auch anderweitige Ursachen haben, 1/~6t sich an Hand eines Falles nicht entscheiden. Es spricht aber manches fiir diese Annahme. Schwand doch dieser Untcrschied bald bei Intensiverwerden der entop- tischen Erscheinungen und sprcchen auch die sp~ter noch zu erw/~hnenden Befunde an einseitig und ganz Blinden in diesem Sinne.) Die Tatsache, dab die entoptischen Erscheinungen bei den Traktushcmianopsien vor beiden Augen mit vollem Gesichtsfeld erlebt wurden, lgBt sich mit der Annahme einer rein peripheren Genese der ihnen zugrunde liegenden Reizvorggnge (Netzhautreizung) nicht in Einklang bringen. Wenn wir auch die genaue Lokalisation der Reizvorg~nge, welche ihnen als Aus- gangspunkte dienen, nicht wissen kBnnen, so ergibt sieh doch aus dieser Tatsaehe, dab der Reiz auch zentraler als die durch den Hypophysen- tumor bedingte Blockade des Traktus am optisehen System angreifen muB.

Der Versuch bei homonymer Hemianopsie (Fall 8) ist leider wegen der schon vor dam Versuch bestandenen BewuBtseinstriibung wenig verwertbar. So viel 1/~Bt sich aber auch sagen, dab ein Unterschied zwisehen dam ~usfall der Meskalinwirkung bei Traktus- und Occipital- lappenhemianopsien insofern besteht, dab es bei letzterem auch isoliert im Gesichts]eldde]ekt zu Sinnest~uschungen kommt. Patient sah im hemianopischen Gesichtsfeld eine Lampe aufleuchten, Feuer, dann ,,die Liehter yon Pasewalk" usw. Allerdings miiBten noch weitere Versuche in dieser Richtung angestellt warden. Ich mBchte diese Tatsache aber jetzt schon hervorheben und zwar gerade mit Riicksicht auf die relative Seltenheit dieser Sinnest/~uschungen in obigem Fall. Meiner Ansicht nach ist diese Erscheinung yon der dutch den BewuBtseinszustand bedingten Abanderung unserer Art zu erleben unabh/~ngig, und ich sehe darin den Hauptunterschied in der Meskalinwirkung bei Traktus- und Oceipitallappenhemianopsie.

Die Genese der Sinnest~uschungen bei homonymer Hemianopsie infolge Occipitallappenlasion ist schon seit langer Zeit eine umstrittene Frage. Sic bfldete auch den Hauptgegenstand der Kontroverse zwischen H~nschen 1, ~ und SchrBder a, bei denen die beiden prinzipiell auseinander- gehenden Ansichten am deutliehsten zum Ausdruck kamen. Henschen ffihrte die optischen Sinnest/~uschungen bei seinen Patienten direkt auf die L/ision des Oecipitallappens zuriick und sah darin das wesentliche Moment. SchrBder gab zwar zu, dab Reizzust~nde des optischen Systems zu Phosphenen und primitiven optischen Erlebnissen fiihren kSnnen, er sah abet alas wesentliche Moment, welches zur Entstehung von komplexen, szenen_haften Sinnest/~uschungen fiihrt, in der psychisehen Gesamtverfassung (BewuBtseinstriibung) und sprach der Occipitallappen-

1 Henschen: Z. Neur. 47 (1919). Henschen: Arch. f. Psychiatr. 75, 630 (1925).

3 SchrBder: Arch. f. Psychiatr. 78 (1925).

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Meskalinwirkung bei St6rungen des optischen Systems. 67

region keine besondere Rolle im Ents tehen der optischen Sinnes- t~uschungen zu. Wenn ieh such im Prinzip die Ansiehten S c h r 6 d e r s

teile, so halte ich doch seine Ansieht fiber die Entstehung der , ,ger ich te ten"

Sinnest~usehungen fiir nicht ausreiehend begrfindet. Das Auf t re ten der Sinnest~uschungen gerade im hemianopisehen Gesiehtsfeld durch den Mangel an Kontrollm6glichkeiten in diesem Gebiet zu erkl~ren, ist zwar sehr verlockend, sie widerspricht abet nicht nut oben erw~hnter Beobaehtung in Fall 8 und dem yon K l e i u 1 u.a., sondern such den Reizversuchen von Foers t e r 2, der experimentell die somatotopisehe Gliederung des Gesiehtsfeldes in der Calearina nicht nur in bezug auf die Gesichtsfeldausf~lle, sondern aueh ffir die Phosphene erwies. In bezug auf die gerichteten Halluzinationen schlieBe ich mieh den Ansiehten P 6 t z l s s und H e n s c h e n 4 insofern an, als ich die Rolle der Sch~digung des Occipitallappens a l s r i c h t u n g s g e b e n d e n F a k t o r anerkenne. Denn geben wir zu, dab bei Reizung der Occipitalrinde stets nur kontra la tera l in bes t immten Gesichtsfeldpartien Phosphene auftreten, so liegt kein Grund vor, ffir die Riehtung tier szenenhaften Erlebnisse ira Delir, denen die Reizvorg~nge in der l~dierten Occipitalrinde, welche beim normalen BewuBtseinszustand zum Erleben yon Phosphenen f/ihren, als Grundlage dienen k6nnen, eine andere Erkl~rung zurechtzulegen.

Der Fall 8 ist noeh aus einem ~ d e r e n Gesichtspunkt wiehtig. Die Tatsachen, dab dasselbe toxisehe Agens in gleichen Dose n je nach dem vor dem Versuch bestehenden BewuBtseinszustand zu verschiedenen Zustandsbildern ffihrt, bzw. dab durch den ver/~nderten BewuBtseins- zustand die Art des Erlebens und damit die zustandekommenden Sinnes- t~usehungen sich ~ndern, weisen darauf hin, dab man bei der Ber und Erkl~rung der Sinnest/~uschungen nieht weiter k o m m e n karm, wenn man sieh mi t der Betonung der ,,sinnesm~l]igen" Genese allein begnfigt. Es soll auf die aus dieser Beobachtnng sich ergebenden, f/Jr die Auffassung der Sinnest~uschungen wichtigen Konsequenzen erst im An- schluB an die Versuche bei einseitig und ganz Blinden eingegangen werden.

I V . Versuche a n e inse i t ig A m a u r o t i s c h e n .

Sehon im Laufe der bisher besprochenen Versuche sind manche Untersehiede zwischen den , ,primitiven" pr imer sinnesspezifisch be- dingten und den pr imer vorstellungsm/~Bigen , ,szenenhaften" Meskalin- sinnest~uschungen aufgefallen. Aber erst an Hand folgender und der Versuche an ganz Blinden wird es mSglieh, auf die Unterschiede zwisehen beiden n~her einzugehen. Es l~Bt sieh dabei nicht umgehen, manehe

1 Kle in: Z. Neur. 104 (1926). 2 Foerster: J. Psyehol. u. Neur. 39, 463 ff. (1929). a P6tzl: ]. c. 4 Henschen: ]. c.

5*

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68 Julius Zs

wieh t igen l~bere ins t immungen wiederhol t zu be t one n sowie die uns l e i t enden Gesichtspunkte im AnschluB a n die Versuche 5fters hervor- zuheben . Die Notwendigke i t dazu wird durch die Mannigfa l t igke i t u n d Reichhal t igkei t der Versuchsergebnisse bedingt , welehe auch so die Gefahr in sich bergen, die Arbe i t uni ibers icht l ich zu gestal ten.

Verhal ten sich die einseit ig B l inden in bezug auf die en top t i schen Ersche inungen je nach der Ursache der E r b l i n d u n g versehieden ? I s t bei i h n e n e in Unterschied im Auf t r e t en u n d Ausb re i t ung der oben erw/~hnten z w e i A r t e n von Meskalinsinnest /~uschungen auf die Gesichtsfelder feststell- bar ? Diese mehr aus lokal isator ischem Ges ich t spunk t fiir die Genese der sinnesm/iBigen Antei le in t e re s san ten F r a g e n sollen uns hier zun/ichst be- sch~ftigen. Aber aueh die re in vom Psychischen her zu behande lnde Frage nach der Differenzierbarkeit der Meska l ins innes t / iuschungen als psycho- pathologische Ph~nomene u n d ihre S te l lung zu den uns b e k a n n t e n S innes t~uschungen bei ande ren exogenen Seh/ idigungen soll hier ange- s c h n i t t e n werden. W i t werden dabe i die einsehl~gigen B e o b a c h t u n g e n a n den fri iheren Versuchen auch mi t verwerten.

Fall 9. Tabische Sehnervenatrophie, Visus rechts 1/50 (Finger in I/2 m Ent]ernung), links 5/25, 0,4 Meskalin.

F. B., 45 Jahre. Seit Jahren in der Charit~-Augenpoliklinik in Behandlung. Seit 11/2 Jahren zunehmende Verschleehterung des Sehens. Wegen Tabes dorsalis auch in der Charit~ Nervenklinik 5fters behandelt.

Versuch am 26. 1.29 in der Charit6-Nervenklinik. 2 Uhr. 0,2 Meskalin. 21~ Uhr. Geringe Scheinbewegungen, Tiir kommt etwas n~her, geht dann wieder

zuriick. 3 Uhr. 0,2 Meskalin. 3 l~ Uhr. Zunahme der Seheinbewegungen. 3 8~ Uhr. Zimmer eigenartig, kommt neu vor, als wenn man es nie gesehen

h/~tte. 435 Uhr. Verzerrtsehen, Referent mal zu lang, dann wieder zu kurz. Es sei

ihm alles unheimlich. 45~ U-hr. Alles so puppenhaft klein, aueh der Referent und der andere Arzt.

Das Zimmer sei kleiner als sonst, die Decke niedriger. Die Bewegungen des Referenten seien auch so komisch. Macht die Augen zu, will niehts mehr sehen.

515 Uhr. Au] Augendruck vor beiden Augen Quadrate und Strei/en. Bei offenen Augen noch immer Mikropsie.

520 Uhr. Decke gewSlbt, alles so wie Phantasie, ,,ich karm es gar nicht so sagen". Sieht Strei/en und Quadrate an der glatten Wand. Vorstellungsaufgaben: (Fahrrad.) ,,Ja, aber wird k le iner . . , ganz klein." (Citrone.) ,,Ja, aber es verschwindet sofort und ist nieht mehr da." (Tochter im Stuhl sitzend.) ,,Ja, so recht aueh nicht . . . ja, /urchtbar k l e i n . . , sie wird kleiner und verschwindet." (Ehefrau.) , , J a . . . ich denke an meine Frau, aber sehen tue ich sie aueh nieht." (Frau in der Kiiche vorm Herd stehend.) ,,Sie ist so schwaeh, schmal, w/~hrend sie sonst so korpulent ist." (Kleid?) ,,Sieht aueh anders a u s . . , so weilllich." (Ver/~ndert sie sieh?) ,,Freilich ver/indert sie sich."

540 Uhr. Beim Drehnachnystagmus Scheinbewegungen am Vorhang viel lebha/ter, verringem sich dann parallel mit demselben und erreiehen beim AufhSren des Nystagmus das vorherige Mall. Bei geschlossenen Augen kein Ein]lufl des Dreh- nystagmus auf die entoptischen Ph/~nomene.

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Meskalinwirkung bei StSrungen des optisehen Systems. 69

6 Uhr. Vorhin sei das Zimmer wie eine enge Klause gewesen, jetzt ist es schon wieder grSBer, aber immer noch klein.

6 ~~ Uhr. Bei geschlossenen Augen sieht er noch immer vor beiden Augen aller- hand farbige Ringe, welche beim 0ffnen der Augen zun~chst kurze Zeit bleiben, um bald zu versehwinden.

755 Uhr. Zimmer noch immer nicht ganz so groB wie sonst, im iibrigen keine optischen Erseheinungen, Beobachtung wird abgeschlossen.

Zusammen[assung: B e i e i n e m l inks i n fo lge S e h n e r v e n a t r o p h i e p r a k - t i s ch b l i n d e n P a t i e n t e n k o m m t es a u f 0 ,4 M e s k a l i n zu S c h e i n b e w e g u n g s - e r l ebn i s sen , V e r z e r r t s e h e n , Mikrops ie , V e r ~ n d e r u n g e n de r R a u m w a h r - n e h m u n g . E s t r e t e n a u c h M e s k a l i n s i n n e s t ~ u s c h u n g e n u n d z w a r in d i e s e m F a l l e n u r p r i m i t i v e e n t o p t i s c h e E r s c h e i n u n g e n auf , w e l c h e v o r b e i d e n Augen gleich e r l e b t w e r d e n . K e i n e s z e n e n h a f t e n S innes t t~uschungen . Beim Drehnachnystagmus Zunahme der Scheinbewegungen an der realen Umgebung. Entoptische Erscheinungen bzw. die S c h e i n b e w e g u n g e n a n i h n e n w e r d e n d a d u r c h nicht beein/lu[3t. D e u t l i c h e S t S r u n g de r o p t i s c h e n V e r g e g e n w t i r t i g u n g y o n V o r s t e l l u n g e n .

Fall 10: Amaurose links, rechts Visus 1/15 (Katarakt) 0,4 Meskalin. G. It., 70 Jahre, links seit 6 Jahren blind, rechts seit einigen Monaten dicker

Nebel vor dem Auge, rShrenfSrmig eingeengtes Gesichtsfeld, Visus 1/1~, sieht morgens beim Aufwaehen vor beiden Augen ein Tapetenmuster (braunrote Karos).

Versuch in der Augenklinik yon Prof. Guttmann-Berlin am 26. 11.28. 115 Uhr. 0,15 Meskalin. 150 Uhr. Rotes und blaues F l immem vor beiden Augen. 2 Uhr. 0,2 Meskalin. 2 a5 Uhr. Sieht viele blaue, etwas f l immemde Karos vor beiden Augen gleich,

i~berall, wo er hinsieht. , , Je tz t geht etwas WeiBes auf und ab." 245 Uhr. Noch immer diesetben Erscheinungen, aui3erdem etwas Silbernes.

,,Keine bes t immten Gegenstt~nde, nur Ftiden und Linien." 35 Uhr. ,,Lt~nglich-blaue Karos, plStzlich eine ganze Reihe und da unten auch

noch." Fal3t plStzlich den schwe~rzen eisernen Bet trand an. ,,Schwarzer Streifen." Gibt an, er habe gedacht, es sei auch eine T~uschung, deswegen faBte er bin.

3 l~ Uhr. ,,Oben eine ganze Masse Farben. Es blinkert" (zeigt an die Decke). ,,Die griinen sind auch da, perlenartig allerhand F a r b e n . . . so ein heller Flor ging da eben auf ."

3 z5 Uhr. (Sehen Sie mein Gesicht ?) ,,Ein biflchen, da sehe ich die roten Pi~nktchen mit dri~ber." Wird etwas unruhig, reibt sich die Schenkel. ,,Alles grau, die Farben sind w e g . . , je tz t kommen sie wieder zum Vorschein" (zeigt in die Ecke). ,,Die Farben ziehen mit mir, #tzt sehe ich sie i~berall."

3 ~~ Uhr. StShnt, g~lmt, ist etwas unruhig, das Zimmer ist kleiner. 3 a~ Uhr. ,,Als wenn es plStzlich hell wtirde" (sieht auf die Lampe), ,,ob da auch

hell ist ." 3 aa Uhr. Sieht die entoptischen Phtinomene iiberall, auch am Tisch. Wird

immer t~ngstlicher, ft~ngt an zu weinen. 4 ~~ Uhr. , ,Da strahlt alles in Silber vor m i r . . , es ist so hell, jetzt brennt iiberall

das Licht vor m.i r . . . , nun schimmert es auch in grim." Zunehmende _ifmgstlichkeit, schreekt bei Beriihrung zusammen. Greift plStzlich in die Luft vor sich. ,,Habe das Ge/i~hl, als wenn #mand an mich herankommt. . ." ,,Ist bier nicht jemand ?" (greift nochmal in die Luft).

44~ Uhr. Aschenbecher am Tisch bewegt sich, auf Pat ient zu und wieder zuriick. ,,Als wenn es so irrsinnig ware, so kommt mir das alles vor, alles, was

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70 Julius Z~dor:

ich sage und tue." (Zeigt pl6tzlich nach rechts.) , ,Hier ist doeh eiae Gestalt da- zwischen" (fiihlt nach reehts in die Luft [ .9] ). ,,Das/iihle ich und sehe ich auch einen Schimmer. . . Ich babe einen Schein gesehen und /i~hlte, als wenn jemand da ist". (Greift wieder in die Luft, diesmal vor sich hin.) , ,Ich fiihle, es steht jemand vor mi r" (greift um sich, zeigt in die Ecke nach rechts hinten). (Sehen Sie jemand 9) , ,Wenn man den Begriff hat, dann ist er noch immer d a " (wendet sich urn, greift in die Luft).

5 Uhr. (Spontan.) ,,Es ist mir, als wenn es mi t mir gewandelt ware, die ganze Gesellschaft so, als s~13e ieh am Familientiseh im Kreise meiner F a m i l i e . . . Das kommt vom L i e h t . . . J e t z t ist mir, als ware ieh in meiner Behausung, bier ist meine Pfeife." (Greift am Tisch naeh dem Aschenbecher.) Subjektives Wohlbehagen, gibt naehher folgende Erkl~rung: Er habe sich pl6tzlieh so wohl gefiihlb, deswegen hat te er wohl die Empfindung, er sei zu Hause. Zunehmende Unruhe, arbeitet dauernd mit dem Asehenbecher herum, ist zeitweiae disorientiert. ,,Die Nerven haben heute was abbekommen. Solehe St6rtmgen habe ich sonst nie gehabt ." (Zeigt auf den Reflex der brennenden Lampe am Fenster.) , ,Da ist wieder einer." Beruhigt sieh erst naeh mehrfaeher ausdriieklieher Versicherung, dab es nur der Reflex der Lampe sei. Sprieht jetzt in einem for~. Ausgesprochene motorisehe Unruhe. , ,Kinder nee." Primitive optische Erscheinungen wie sonst, werden aber spontan nicht beachtet und nu t auf Befragen als etwas Nebens~ehliches erw~hnt.

5 ~~ Uhr. ,,Ieh habe keine Ruhe" (taster an sich herum). ,,Alles in bester Ord- nung." St6hnt, summt, pfeift vor sich hin, faBt immer wieder den Tisch an. ,,Es ist alles noeh so wie zuvor, babe das Gefiihl gehabt, als wenn er wackle." , , Je tz t weiB ich bald nicht mehr, woran ieh bin." , ,Ich bin so eingeengt hier."

5 a~ Uhr. ,,Das Zimmer ist grgfler geworden, so behaglich. Es war mir so dngstlieh ]riCher, so beengt." (Fa•t an die Brust.):,,Jetzt ist mehr Ausdehnung." Wird dann wieder unruhig, steht auf. ,,Kriege ja gar keine Luft, es fat so eng gebaut im K6rper . . . ich kriege keine Ruhe . . . dies ~ngstliehe am ganzen K6rper ." Ha t das Gefiihl, als wollte man ilm einsperren, fesseln in diesem Zimmer, ,,als wenn es ein richtiger Zwang ware, der yon ganz alleine kommt" .

645 Uhr. A11m~hliches Nachlassen der Erscheinuagen, Beobachtung abge- schlossen.

Am folgenden Tage bestiitigt Patient die Angaben yon gestern. Die Quadrate mad Karos habe er richtig gesehen vor beiden Augen. Die Person habe er mehr im Ge/iihl gehabt, gesehen habe er nur einen hellen Sehein. Als es ihm besser wurde, hat te er wirklich das Geftihl, zu Hause zu sein, deswegen griff er naeh der Pfeife. Die primitiven optischen Phanomene haben ihn sparer nicht mehr interessiert, ats er die Unruhe in sieh zu sptiren begann. Gegen Ende hat te er das Gefiihl, als wenn man itm festnehmen wollte, einsperren, es war framer, als wema der Arzt immer n~her an ihn heranrtickte, ilm festnehmen wollte.

Zusammen/assung: E s k a m in d i e s e m F a l l e y o n e in se i t i ge r A m a u r o s e u n d s t a r k e r B e e i n t r ~ e h t i g u n g de r S e h f ~ h i g k e i t a m a n d e r e n A u g e in fo lge K a t a r a k t au f 0,4 M e s k a l i n z u n ~ c h s t z u m E r l e b e n y o n p r i m i t i v e n o p t i s c h e n E r s c h e i n u n g e n , K a r o s , Fi~den, L i n i e n in a l l e n F a r b e n vor beiden Augen gleich. D i e E r s c h e i n u n g e n w u r d e n a u c h iZber die noch wahrgenommenen Gegenstdnde der realen Umgebung gesehen. S ie gingen mit der Augen- bewegung mit. ( S e h e n S ie m e i n G e s i c h t ? , , E i n b i l~ehen . . . d a sehe ieh d ie r o t e n P u n k t e m i t d r i i b e r " - - , ,Die F a r b e n z i e h e n m i t mi r , j e t z t sehe ieh sie f iberaU" . ) U n t e r z u n e h m e n d e r ~ n g s t l i c h e r U n r u h e k a m es zu e i n e m l e i c h t deliranten S tad ium m i t , ,szenenha/ten" S innes~uschungen, bei d e n e n d e r o p t i s c h e A n t e i l a u c h s u b j e k t i v n u r e in g e r i n g e r u n d u n b e -

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Meskalinwirkung bei St6mngen des optischen Systems. 71

s t immte r war. D ieAnwesenhe i t einer Person wurde ,,geffihlt", gesehen wurde n u r ein , ,Schimmer". Als P a t i e n t in der Meinung, er sei zu Hause, nach seiner Pfeife suchte , ha t t e er aueh mehr ein ,,Ge/iihl" yon Wohlbehagen und keine di//erenzierten optischen Erlebnisse. Die szenenhaf t en Sinnes- t /~uschungen in diesem S t a d i u m f i ihr ten zu lebhaf ten Affek t reak t ionen , ad / iqua ten Zuwendungsbewegungen , im Gegensatz zu den en top t i schen Ersche inungen , die j e t z t v611ig vernaehl/~ssigt wurden. Es k a m w/ihrend des Versuches zu abwechse lnden Ver~inderungen der Raumwahrnehmung. Es zeigte sich sehr sch6n die Abhdingigkeit dieser Verdnderungen yon all- gemein k6rperlichen Emp/ indungen . ,,Das Z immer ist gr6Ber geworden, so behaglich, es war mir so ~ngstlich friiher, so beeng t . " (Fal3t sich a n die Brust .) , , J e t z t ist mehr Ausdehnung . " Wie welt P a t i e n t die R a u m - w a h r n e h m u n g opt iseh er lebt oder nu r rein gefiihlsm/~13ig, wie die sp/iter noch zu erw/~hnenden Blinden, lieB sich n icht eruieren.

Fall 11. Rechtsseitige Amaurose in]olge Enukleation, Visus links o.B. 0,5 Mes- kalin.

H.W., 38 Jahre, wegen Kopfschmerzen in hiesiger Klinik in Behandlung, neurologisch o.B. Rechtes Auge infolge Schul3verletzung w~hrend des Krieges entfernt, Sehen links intakt, psychisch v611ig gcordnet, Landarbeiter. Versuch am 10. 1.29.

123~ Uhr. 0,2 Meskalin. (Versuch an der Veranda der M/~nnerabteilung aus- gefiihrt, Beschreibung s. Fall 1.) Vorstellungsaufgaben werden gut und prompt gel6st.

11~ Uhr. 0,3 Meskalin. Sieht Schatten an derWand, die Wand bewegt sich etwas. 150 Uhr. Voriibergehend etwas weinerlich, bedrfiekt, gibt an, er mtisse viel

an sein Haus denken, der Garten sehe durch die Fenster genau so aus wie zu Hause. 21~ Uhr. Die Bilder an der Wand bewegen sich, die Gesichter werden grfl3er

und wieder kleiner, der Trompeter tritt aus dem Rahmen heraus, dann wieder zuriiek. Am andern Bild geht das Buch auf und ab. ,,Alle m6glichen Farben bekommt es, blau, gelb, rot."

2 ~~ Uhr. Beim Augendruck ,,entoptische" Bildcr nur vor dem linken (sehenden) Auge. Sieht bunte Farben durcheinander kugelf6rmig, kann sie nur ungenau beschreiben. Bei offenen Augen ,,die Wand kommt n~her, geht dann wieder zuriick".

225 Uhr. Beim Drehnachnystagmus bedeutende Zunahme der Schcinbewegungen an der realen Umgebung. Das Bild an der Seitenwand wird grol3 und geht nach rechts. Die Wand und die anderen Bilder bewegen sich durcheinander. Nach Aufh6ren des Nystagmus wird alles wie vorher.

2 a: Uhr. Beim Drehnachnystagmus werden jetzt enorme Scheinbewegungen im Bild selbst, welches Patient fixieren soil, wahrgenommen. Sehe erst nur ein Kn~uel, das sich dauerncl ver/~ndert. Dann ein fortw~hrend wechseindes Gesicht, das Bild selbst bleibt an derselben Steile. Als Patient bei einer nochmaligen Wieder- hoinng der Priifung eine Ecke fixieren soil, gibt er an, dab die pyramiden~hnlichen einfarbigen Abschnitte der Wand sich wie ein Kegel um ihre eigene Achse drehen ohne seitliche Bewegungen.

240 Uhr. Massenhaft Scheinbewegungen, das Haus auf dem Bild bewegt sich. ,,Am Bilde geht es hin und her, dann wird es lebendig."

245 Uhr. Beim Augendruck lebhaft wechselnde Bilder, Figiirchen in allen mSglichen Farben durcheinander. Vor dem enukleierten rechten Auge keinerlei optische Erscheinungen, es wird alles nur vor dem linken Auye gesehen. Kein Einflufl des JDrehnachnystagmus au/ die entoptischen Erscheinungen bei geschlossenen Augen.

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79~ Jul ius Z•dor:

35 Uhr . Beim Drehnachnys tagmus wird je tz t ein Stuhl, welcher auch sonst periodisch gr6Ber und kleiner zu werden scheint , in sehr raschem Tempo abwechselnd groB und klein.

Vorstellungsau]gaben: Freund beim Pferdee inspannen. ,,Es geht alles durch- einander, das Pferd geht, ich kann es n ich t f es tha l t en . " K a n n auch sich selbst n i ch t beim Pfltigen vorstellen, (Apfelsine) , , Ist gr6Ber als sonst, es kommen verschiedene Farben , die Apfelsine wird gr613er u n d roll t immer w e l t e r . . , es geht n i ch t . " (Braut . ) ,,Es gel ingt nicht , die Fa rbe wechselt, sie geh t h in und her, wird gr6fler und kleiner, ich k a n n sie nicht fes thal ten ."

33~ Uhr . Bei geschlossenen Augen ers t n u r Druckbi lder links, dann pl6tzlich ,,wie ein Lichtschein yon einer Taschenlampe vor dem rechten Gesichts/eld". W~hrend dieser Zei t sei es links dunkel gewesen.

Mach t bei geschlossenen Augen s pon t an die Angabe, er babe vor i ibergehend den Arz t gesehen, d iesmal abet ,,mit vollem Gesichts]eld, mi t beiden Augen". ~)ffnet d a n n auf Aufforderung die Augen: (Wie sehen sie reich j e tz t? ) , , J e t z t sehe ich Sie mi t halbem Gesichts/eld, vorhin sah ich Sie mi t voUem, wie durchs Glas."

34s Uhr . Wird etwas ~ngstlich. , , Ich da f t ga rn i ch t auf das Bfld gucken, d a n n k o m m t es auf reich zu, die Gesichter ve r~ndern sich, es werden bekann te Ges ich te r von dor t , wo ich arbei te te ." Wende t sich von den Bi ldern ab. Sieht durchs Fens te r in den Garten.

35~ Uhr . Bei geschlossenen Augen s ieht er pl6tzl ich wieder Lichts t rah len yon rechts . Links ist w~hrend dieser Zeit wieder alles dunkel . Wird immer ~ngst!icher, si tzt , den Rticken dem Zimmer zugekehrt , nach kurzer Zei t gibt er pl6tzlich spon tan an, e inen Arbeitskollegen gesehen zu haben m i t offenen Augen und zwar mit ,,vollem Gesichts/eld". Der habe gewinkt, das sei ihm unhe iml ich gewesen; er s t and auf freiem Felde. (Nach kurzer Zeit wieder s p o n t a n ) , ,Wenn man so sitzt, kommen so allerlei Bi lder in den Kopf, eben habe ich e inen Molkereiwagen gesehen, den, wo ich oft war. Da muBte ich weggucken." Wdhrend er die Bilder sieht, 8ei das Z immer verschwunden.

43~ Uhr . Wird ins Untersuchungsz immer der Abte i lung gefiihrt, e rkennt es n i ch t wieder. Hal luzinier t je tzt lebhaft , wende t sich dabei nach den Seiten, l~chelt vor sich hin, s ieht im raschen Wechsel verschiedene Szenen , ,Pferdeputzen". ,,Es war eben, als wenn ich nach dem M~del greifen wol l te ." (Sieht w~hrend dieser Zei t n a c h de r Seite, m a c h t aber keine Zuwendungsbewegungen . ) Ob esWirkl ichkei t war oder n icht , k6nne er n icht entscheiden. Sie sei dagewesen, wie sie weggekommen ist, wisse er auch nicht . Auch das nicht , ob der Arz t sie habe sehen k6nnen. Er l eb t die szenenhaf ten Sinnest~uschungen s te ts m i t vol lem Gesichtsfeld. Pa t i en t ist zeitlich desorientiert, meint seit 5 Wochen in der K l i n i k zu sein (tatsdchlich 14 Tage), kann weder Monat noch Wochentag angeben, 6rtlich ist er orientiert. Sehr abwesend, an twor t e t n u r auf mehrfach wiederholte Fragen . , ,Es geh t alles r u m . "

4 ~ Uhr . Schrickt bei geschlossenen Augen pl6tzl ich zusammen (?). ,,Als wenn mir ein Gegenstand gegen das rechte Auge gestoBen wurde ." Auf die Frage, ob er rechts etwas gesehen h~tte , meint er, , ,nein, n u r gef i ihl t" . Wird immer unruhiger , s t 6 h n t viel, gibt fast gar keine Auskunf t .

5 Uhr . Wieder auf der Veranda, sei ~ngstl ich, weft die Bilder ihre Gesichter ver~ndern und andere Augen bekommen, ihm drohen, se tz t sich mi t dem Gesicht nach dem Fens te r zu, den Riicken dem Z i m m e r zugekehrt , bin, hal luzinier t in einem fort. Bekanntes Gesicht im Kuhstal l . , , J e t z t ist es schon vorbei ." K a n n auf Befragen die Sinnest~uschungen n ich t genau lokalisieren.

55 Uhr . Im Einzelzimmer der Wachab te i lung . Sieht auch hier Schein- bewegungen, ist noch immer unruhig, s ieht oft u m sich.

54~ Uhr . Schat ten an der Wand, s ieht aus wie ein vorni ibergebeugter Mann in der Ferne, geht hin, tas te r den Scha t t en ab, um sich zu iiberzeugen, dab es n u r ein Scha t t en sei.

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Meskalinwirkung bei StSrungen des optischen Systems. 73

555 Uhr. Druckbilder bei geschlossenen Augen (Kaleidoskop), nut links. 6 l~ Uhr. Macht #tzt einige Male Angaben, als wenn er auch die entoptischen

Erscheinungen mit vollem Gesichts/eld erleben wi~rde. Patient ist jetzt stark verwirrt, ~ngstlieh, s tarr t meist abwesend vor sich bin, gibt auf Fragen meist keine bzw. unverst~ndlich gemurmelte Antworten, versteht jetzt auch anscheinend oft nicht die an ihn gerichteten Fragen.

635 Uhr. Steht plStzlich auf, dreht sich nach rechts und sieht nach hinten. ,,Na na, das ist ja ein richtiger Greuel hier" (?). ,,Es war mir so, als wenn einer yon hinten reich umgriff." Sieht noch immer in dieselbe Richtung (?). ,,Ich babe doch gefiihlt, wie einer z u p a c k t e . . , es war doch auch ein Gerausch dabei." Setzt sich hin, steht aber bald wieder auf und geht zum Fenster.

7 Uhr. Patient verhalt sich jetzt vSllig ablehnend, gibt keine Auskunft mehr, halluziniert sichtlich, Beobachtung wird aus ~uBeren Grfinden abgeschlossen.

Am folgenden Tag erinnert sich Patient noch gut an die Erscheinungen rod gestern, gibt geordnet dartiber Auskunft, best~tigt seine Angaben im Rausch, dab er die primitiven Erscheintmgen nur vor dem linken Auge gesehen habe mit Ausnahme des plStzlichen hellen Aufleuchtens vor dem rechten Auge und den Szenen, welche er stets mit vollem Gesichtsfeld wahrnahm. Er verspricht einen ausfiihrlichen Selbstbericht zu schreiben, tut es nachher aber nicht.

Zusammen/assung: 3 8 j ~ h r i g e r M a n n , rechtes Auge sei t f iber 10 J a h r e n en t fe rn t . Auf 0,5 Meska l in t r e t e n massenha f t S innes t~uschungen auf. Die primitiven entoptischen Erscheinungen werden bei geschlossenen Augen nur links vor dem sehenden Auge erlebt. Rec, hts erschein t nut zweimal pl6tzlich ein ,,Lichtstrahl" vor d e m Auge. W~hrend dieser Ze i t ist l inks al les , ,dunke l" . Die szenenha/ten vorste t lungsm~Bigen S innes t~uschungen werden stets ,,mit vollem Gesichts/eld" gesehen. A u c h R e f e r e n t wb 'd anfangs e inma l bei geschlossenen Augen , ,mit vo l lem Ges ich t s fe ld" gesehen. I n e iner Zei t , wo noch ke ine szenenhaf ten S inne s t~usc hunge n sons t au f t r a t en . Bei z u n e h m e n d e r Meska l inwirkung h~ufen sich d ie s zenenha f t en Er lebnisse , d ie en top t i s chen werden spon t a n g a r n ich t m e h r beach te t . Die s zenenha f t en Er lebnisse werden yon l ebha f t en Af fek t - r e a k t i o n e n beg le i te t . P a t i e n t w i rd zunehmend ~ngst l icher , un ruh ige r , w i rd d a n n zum Schlu~ vSll ig ab lehnend , s t a r r t abwesend vor sich hin , i s t ze i t l ich desor i en t i e r t . Das Rea l i t~ t su r t e i l den S inne s t~usc hunge n gegenfiber wi rd s c h w a n k e n d bzw. pos i t iv .

Abgesehen y o n oben gesch i lde r ten S innes t~uschungen k o m m t es a n der r ea l en U m g e b u n g zu sehr l ebha f t en V e r ~ n d e r u n g e n , in d e r e n ~Ylittelpunkt die Scheinbewegungen s tehen. Le tz te re nehmen mit dem Drehnystagmus parallel zu bzw. ab. Die Scheinbewegungserlebnisse an den entoptischen Erseheinungen bei geschlossenen Augen dagegen werden dutch den Drehnystagmus nicht beein/luflt. W~hrend be i de r Z u n a h m e y o n e inigen Sche inbewegungen ein Z u s a m m e n h a n g m i t den A u g e n b e w e g u n g e n aus der A r t ih re r A b ~ n d e r u n g k o n s t r u i e r b a r schien, beh ie l t en die m e i s t e n ih ren urspr f ing l ichen C h a r a k t e r vSllig und wurden n u r r a sche r u n d in tens iver . A u c h bl ieb e in f ix ier tes Bi ld an der W a n d ruhen , u n d n u r i nne rha lb des Bi ldes k a m es zu sehr lebhaf ten S c h e i n b e w e g u n g e n (Verzer r t sehen ?).

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74 Julius Zs

Die Fahigkeit zur optischen Vergegenw~rtigung von Vorstellungen war deutlich gestSrt.

Auch bei den Versuchen an einseitig Blinden wollen wit die Ergebnisse erst aus lokalisatorischen und funktionalen Gesichtspunkten auswerten. Es hat sich gezeigt, da~ im Gegensatz zu den Hemianopsien und den einseitigen Amaurosen auf Grun4 yon Sehnerven- und peripheren Augen- erkrankungen bei der Enukleation ira Ausfall 4er Meskalinwirkung insofern ein Unterschied vorhanden ist, als die primitiven entoptischen Erscheinungen monokular, die szenenhaften stets binokular erlebt werden. Die Tatsache, da~ bei Fall 11 zweimal , ,Lichtstrahl" vor dem enukleierten Auge auftrat, kann nicht als Gegenbeweis betrachtet werden. Wurde er doch gleichfalls monokular erlebt (am ]inken Auge war w~hrend ihres Auftretens alles ,,dunkel"). Auch die im deliranteu Zustand gemachten Angaben des Patienten fiber das binokulare Erleben der primitiven entoptischen Erscheinungen (Kaleidoskop Fall 11), die sieh auf eine kurze Zeit beschr~nkten, sind nicht ohne weiteres als solche verwertbar. Es w~re trotzdem gewagt, auf Grund eines Falles zu weitgehende Schliisse auf die Genese der primitiven entoptischen Erscheinungen zu ziehen. Nicht so sehr die Tatsache, dat~ weitere Beobachtungen nStig w~ren, um die Versuchsergebisse zu best~itigen, ls uns in dieser Beziehung Zuriick- hal tung auflegen (die Angaben des Pat ienten waren ja ausreichend klar und eindeutig), sondern die Tatsache, dab wir bei den nicht durch Mes- kalinwirkung entstandenen entoptischen Erscheinungen keine Parallelen hierzu finden. So z. B. erw~hnt Schr6der I einen Fall, dessen beide Augen enukleiert wurden, und berichtet, dal3 dieser auch im noch nicht psychotischen Stadium vor beiden Augen farbige, zum Tell geformte Phosphene hatte. Wenn man den Beobachtungen in Fall 1I also auch au~erhalb der Meskalinerscheinungen eine Bedeutung zumessen wollte, so mtil~te man zun~chst die Frage kl~ren, warum bei der Meskalinwirkung in dieser Beziehung andere Verh~ltnisse vorliegen, als bei den dutch nicht toxische Reize bedingten. Wie dieser Unterschied ~tiologisch begriindet ist, kann ich nicht sagen. Es steht mir aber eine analoge Beobachtung auf einem nicht optischen Gebiet zur Verfiigung, welche ich bei Meskalinuntersuchungen an Amput ier ten 2 gemacht habe. W~hrend der Phantomarm die mannigfachsten Ab~nderungen unter Meskalin erfuhr, fehlten an ihm stets Empfindungen wie Glitschigkeit, Feuchtigkeit und N~sse der Haut , Geschwollensein der Finger usw., Empfindungen, die gleichzeitig auf der anderen Ext remi t~ t unter Meskalinwirkung erlebt wurden. Anscheinend ist auch zum Erleben dieser Empfindungen unter Meskalinwirkung das Vorhandensein der peripheren Hautsinnes- organe selbst noch notwendig, wi~hrend solche Erlebnisse ohne Meskalin-

1 Schr6der: Arch. f. Psychiatr. 73 (1925). 2 Zddor: Mschr. Psychiatr. 1930.

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Meskalinwirkung bei StSmngen des optischen Systems. 75

wirkung am Phantomarm, wenn auch selten, beobachtet wurden. (Auch ich selbst verffige fiber eine solche Beobachtung beim Amputierten.)

Wie auch die Verh~ltnisse in dieser Beziehung liegen, berechtigt diese Beobachtung zu der Annahme, dab die primitiven entoptischen Erscheinungen unter Meskalinwirkung zu ihrem Au/treten aufler dem ,,zentralen" Reiz, dessen Vorhandensein zu ihrer Entstehung nach den vorangegangenen Beobachtungen gleich/alls er/orderlich ist, auch das Vor- handensein des peripheren Sinnesapparates ben6tigen. Dadurch aber unterscheiden sich die entoptischen Meskalinerscheinungen ganz wesentlich in ihrer Genese von den prim~ir vorsteUungsm~ifligen szenenha/ten Meslcalin- sinnest~iusehungen, dessen v611ige Unabhdngigkeit vom Vorhandensein oder Fehlen des Auges der Versuch ]a einwand/rei ergeben hat.

Die Tatsaehe, dab die Ursache der Amaurose (intraokulare Netzhaut- und Sehnervenerkrankung) beim Erhaltensein des Auges ohne Belang ffir das Auftreten der entoptischen Erscheinungen ist im Gegensatz zu der Amaurose auf Grund yon Enukleation, h~ngt wahrscheinlich damit zusammen, dab die Amaurose bei ersteren nicht stets gleichbedeutend ist mit der vSlligen Unerregbarkeit s~mtlicher Netzhautelemente. Amaurose ist ja nur ein Ausdruck ffir die Unerregbarkeit tier Netz- haut durch yon auBen auf sie einwirkende physikalische Reize. Dabei kann die Ursache dieser Unerregbarkeit eine sehr differente, oft nicht direkt die Netzhaut bzw. die nervSsen Anteile des optischen Appa- rates betreffende sein. Im fibrigen wird darauf noch bei den ganz Blinden zurfickzukommen sein.

Bevor wir es versuchen, die ,,primitiven" entoptischen und die ,,szenen- ha~ten" Meskalinsinnest~uschungen als psycho-pathologische Ph~nomene zu differenzieren, scheint es notwendig, etwas genauer festzulegen, in welchem Sinne wit diese Bezeichnungen hier gebrauchen. DaB die ph~no- menologische Umschreibung der entoptischen Erscheinungen, wonach unter diesen optische Erlebnisse verstanden werden, welche bei ge- schlossenen Augen auf Grund yon Reizvorg/~ngen im Sinnesappar~t auftreten bzw. erlebt werden, diese Erscheinungen nicht ganz, vor allem nicht in ihrem Wesen erfaBt, ging schon aus den Versuchsergebnissen im Fall 1 hervor. Die Erfahrungen haben gezeigt, dab die Tatsache, ob die Augen geschlossen oder geSffnet sind, das Vorhandensein yon lYiotiven in der Umgebung, an den die primitiven Meskalinerscheinungen anzuknfipfen scheinen usw., vSllig belanglose unwesentliche Momente darstellen.

Das Wesentliche an den ,,primitiven" (entoptischen) Sinnes~uschungen, wenn wir 8ie yon der Erlebnisseite betrachten, ist, daft sie bei o//enen Augen mit dem Auge mitzugehen scheinen und i~berall gleichzeitig bzw. i~er den rexden Wahrnehmungen wahrgenommen werden. Auflerdem, daft sie dauernd in Bewegung und in Verwandlung begri//en sind bzw. soweit es 8ich um Szenen handelt, diese stets etwas Bizarres, Unnatiirliches, Au/-

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76 Julius Zador:

/dlliges an sich haben und meist mikroptisch erlebt werden. Sie werden weiterhin dadurch charakterisiert, daft trotz dem Charakter der Leibha/tig- keit und dem Hinausprojizieren in den ~iu[3eren Raum (Fall 1, 3, 6, 9 und 10) mit Ausnahme der deliranten Zustdnde nie ein Zwei/el i~ber ihre Qualitdt als ,,Sinnestduschung" au/kommt.

Die Tatsache, daB, yon ganz primitiven Lichterscheinungen aus- gehend, sparer sich komplizierte Muster bzw. sogar mikroptisch erlebte komplexe Szenen entwickeln k6nnen (Fall 3 Akrobaten), zeigt nut, dab dutch die Zunahme der Intensit~t des Reizzustandes auch die ,,primitiven" Sinnest~uschungen ver~ndert und sozusagen kompli- zierter werden k6nnen. Aber auch in diesen komp]izierten Formen sind sie noch ,,primitiv" und yon den , ,szenenhaften" Sinnest~uschungen in unserem Sinne gut unterscheidbar.

Auch ist die Auswirkung auf die Gesamtpers6nlichkeit im all- gemeinen eine geringe. Sie werden interessiert verfolgt, betraehtet, meist aber ohne seh~rfere affektive Beteiligung und hie mit der ganzen PersSnlichkeit erlebt. Letztere Tatsache allerdings ist nicht nur von der Art der Erseheinung abh~ngig bzw. allein durch sie bedingt, hierbei mug schon der BewuBtseins- bzw. Geisteszustand, d. h. die durch diese bedingte Ver~nderung unserer Art zu erleben, in erster Linie beriicksieh- t igt werden. Immerhin ist es wichtig, dab bei zunehmender BewuBt- seinsstSrung die entoptischen Erseheinungen immer weniger beachtet werden bzw. soweit das der Fall ist, in szenenhafte Erlebnisse, oft nieht rein optischer Art, miteinbezogen werden. (Fall 8, l~euer in der Schmiede

rotes Lieht links.) Die hier yon uns als ,,szenenha/t" bezeichneten Sinnestduschungen

werden dadurch charakterisiert, daft man an ihnen all das, was die vorher erwdihnten Erlebnisse auszeiehnete, mit anderen Worten das ,,Meskalin- spezi]ische" in ihrer Erscheinungs]orm vermiflt. Sie sind zu Anfang mindestens nicht ,,leibhaftig", sondern mehr ,,bild_haft" wie ,,Tr~ume". Es sind meist unbewegte Bilder, Szenen mi t Inhalten, welehe aus dem Vorstellungsmaterial herstammen. Sie tauehen plStzhch auf und ver- sehwinden, sobald die Versuchspersonen angesproehen werden. Im Gegen- satz zu den ,,entoptischen" Erseheinungen werden sie, wie schon erw~hnt, stets binokular erlebt und nicht gleichzeitig mit der realen Umgebung wahr- genomm~n. Die Umgebung ,,versehwindet" (Fall 4, 5 und 11) w~hrend des Erlebens. Tre ten Bewegungserlebnisse im Rahmen der szenenhaften Sinnest~uschungen auf, so schildern die Versuehspersonen diese als ,,ganz natiirliche" der Handlung und den Personen entspreehende, ohne irgendwelchen besonderen Auff~lligkeiten. W/~hrend die szenenhaften Sinnest/~uschungen bei leichteren Intoxikationszust/~nden bzw. bei noch relativ klarem BewuBtsein in dieser Form erlebt werden und am meisten noch mit den ,,Pseudohalluzinationen" (Jaspers 1) vergliehen werden

1 Jaspers: Allgem. Psychopathologie. Berlin: Julius Springer 1923.

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Meskalinwirkung bei StSmngen des optischen Systems. 77

k6nnen, ver~ndert sich im Laufe der zunehmenden Meskalinwirkung ihre Erlebnisqualit~tt. Nicht nur dab sie h~ufiger auf t re ten und vor allem mehr beachtet werden, sie nehmen auch an Leibhaftigkeit zu und werden, wenn auch nieht regelm~Big, in den ~uBeren R a u m projiziert. Sie 15sen heftige Affektreakt ionen aus, fiihren zu ad~quaten Zuwendungs- bewegungen, das Reali t~tsurtefl ihnen gegenfiber wird schwankend bzw. positiv, sie werden, mi t anderen Worten, yon der ganzen Pers6nlich- keit erlebt. Da~ bei den zuletzt genannten Besonderheiten der Er- lebnisqualit~t in erster Linie die Einwirkung der Bewufltseinsst6rung au] die Art, wie wir erleben, in Betracht gezogen werden muG, ist selbst- verst~ndlieh. Besonders sch6n demonstrieren das die Beobachtungen im Fall 8, 10 und 11. Immerh in m6chte ich die Tatsaehe der H~ufung der szenenhaften Erlebnisse bei Zunahme der Meskalinwirkung bzw. ihr fast v611iges ]~berwiegen im Meskalindelir durch den Bewu~tseins- zustand allein nicht erkl~ren.

Es handelt sich zwei]ellos um zwei Reihen von optischen Erlebnissen, yon denen erstere mehr bei geringeren, letztere mehr bei zunehmender Meslcalin- wirkung in Vordergrund treten, dessen Verschiedenheiten abet sicher dutch ihre auch rein ,,sinnesmdflig" verschiedene Genese bedingt sind (soweit m a n davon bei letzteren iiberhaupt sprechen kann). Die Wirkung der BewufltseinsstSrung au] die Art des Erlebens trdgt nu t zur Verdeut- lichung dieser Unterschiede bei.

Zum Schlu~ mSchte ieh noch auf eine Tatsache aufmerksam machen, welche uns besonders im Anschlul~ an die Beobachtungen bei Erblindeten und Blinden, denen die optisehe Wahrnehmung yon friihester Kindheit auf v611ig f remd ist, noch besch~ftigen wird. Der ,,sinnes-spezilische" Anteil an den Sinnest~iusehungen wird bei zunehmender Bewufltseinsstb'rung in Richtung Delir immer unbestimmter, geringer, so daft o/t nicht mehr zu entscheiden ist, au/ we~chem Sinnesgebiet der prim~ire Anstofl zu ihnen zu- stande kam. W~hrend im Fall 10 die entoptischen Erscheinungen noeh genau geschildert und optisch erlebt werden, sieht derselbe Patient , als er sp~ter die Anwesenheit einer Person vor sich bzw. rechts seitlieh hallu- ziniert und naeh ihr greift, entweder gar nichts oder nur ,,einen Sehein". E r sagt auch : ,,Das fiihle ich und sehe auch einen Schimmer" , oder ,,ich, habe einen Schein gesehen und ffihlte, als wenn jemand da ist ." Sp~ter, als derselbe Pa t ien t sich plStzlich ,,ira Kreise der Famil ie" ffihlt und am Tiseh naeh seiner Pfeife sucht, gibt er als Erkl~rung naehtr~glich in einem kurzen, klaren Moment an, er habe sieh plStzlich so wohl gefiihlt, des- wegen ha t t e er wohl ,,die Empfindung" , d a ] er zu Hause sei. Auch im Fall 8 (Meskalindelir) wird es, als Pat ient eine Musikkapelle dirigiert oder eine Peitsehe in der H a n d zu haben meint, unm6glich zu sagen, wieweit seine del i ranten Sinnest~usehungen optische, akustische oder takti le K o m p o n e n t e n enthalten. Mit zunehmender Bewufltseinsst6rung, besonders im Delir, wird demnach, wie wit sehen, die Bedeutung der ,,sinnes-

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78 Julius Z~Ldor:

spezi/ischen" Anteile am Zustandekommen der Sinnestduschungen eine immer geringere. Ihr Zusammenhang mit den entstehenden halluzinatorischen Erlebnissen wird eine v611ig lockere. Schon hieraus ist zu ersehen, daB, wenn wit auch davon absehen wollten, uns damit zu begniigen, als Ursache der deliranten Sinnest~uschungen primer die durch BewuBt- seinsstSrung bedingte Krit ik - - und Merkschw~che (Forster 1) anzusprechen und aus ,,sinnes-physiologischen" Gesichtspunkten das Wesentliche im halluzinatorischen Erleben zu erfassen suchten, wir nu t die Ab~nderung eines ,,sinnes-unspezifischen" Faktors (,,sensorische Bewegung" ?) zur Erkl~rung in Betracht ziehen diirften. Wir kommen sp~ter noch aus- fiihrlich hierauf zurfick.

V. Versuche an Blinden.

Die vereinfachten Versuchsbedingungen, welche bei den Blinden vorliegen, sind in vielen Beziehungen zur weiteren Kl~rung der zum Tell schon angeschnittenen Fragen geeignet.

Da alles, was im Meskalinrausch bei den Blinden optisch erlebt wird, als pathologisch bzw. als meskalinbedingt betrachtet werden kann, ist die Frage, ob und inwieweit das optisehe System durch Meskalin erregbar ist, zum Tell schon durch das Fehlen und Vorhandensein der optischen Erlebnisse beantwortbar. Durch den Ausfall der Versuche einerseits bei lokalisatorisch verschieden bedingten, andererseits bzgl. der Zeitdauer untereinander differenten Amaurosen kann somit der Frage n~her getreten werden, welcher Fak to r yon beiden fiir die Mes- kalinwirkung yon Bedeutung ist bzw. ob iiberhaupt die verschiedene lokalisatorische Bedingtheit der Amaurose den Ausfall der Meskalin- wirkung beeinfluBt.

Sehr wichtig sind uns noch die Erfahrungen der Blindenversuche auch zur weiteren Kl~rung der Frage der Differenzierbarkeit yon ,,primi- t iven" und ,,szenenhaften" Meskalinsinnest~uschungen. DaB diesen Versuchen die an Sehenden im dunklen Zimmer gemachten Beobach- tungen nicht an die Seite gestellt werden kSnnen, ist selbstverst~nd- lich. K a n n doch der Zustand w~hrend einer kurzdauernden Ausschal- tung yon optischen Reizen beim intakten optischen Apparat mit den jahrelang bestehenden Amaurosen auf Grund yon Defektzust~nden des optischen Systems weder in sinnesphysiologischer n o c h in psychologi- scher Hinsicht gleichgestellt werden.

AuBer den schon oben erw~hnten Fr~gen bieten uns die Erfahrungen an Erbl indeten und seit frfihester Kindhei t Blinden die MSglichkeit, auf eine allgemeine ffir die Auffassung der Wahrnehmung und ihrer Pathologie bzw. Psychopathologie prinzipiell wichtige Frage n~her einzugehen. Es handelt sich um die Frage nach der Bedeutung der sinnes-

1 Forster: Mschr. Psychiatr. 68 (1928).

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Meskalinwirkung bei StSrungen des optischen Systems. 79

spezifischen Empfindungselemente ffir die Wahrnehmung. Die ver- gleichende Betrachtung der Raumwahrnehmungsab~nderungen im Meskalinrausch bei Sehenden, Erblindeten und seR friihester Kindheit Blinden verspricht uns in dieser Beziehung interessante Ergebnisse. Die Frage, inwieweit die A_ffinit~t des Meskalins zum optischen System auf der Besonderheit des Giftes oder auf unsere Art wahrzunehmen beruht, h~ngt mit der vorherigenFrage zusammen. Auch dieFrage nach der systemarti- gen Wirkung des Meskalins, auf die ja schon vorhin eingegangen worden ist, soil hier nochmal beriihrt werden.

)~hnliche ~bereinstimmungen wie bei den Raumwahrnehmungs- ab~nderungen auf dem Gebiet der Meskalinsinnest~uschungen ergeben dann die Notwendigkeit, auch zu den MSglichkeiten einer sinnesphysiolo- logischen Betrachtung der Sinnest~uschungen Stellung zu nehmen.

Die Differenzierbarkeit der , ,pr imit iven" und ,,szenenhaften" Mes- kalinsinnest~uschungen bildet wie schon aus oben Gesagtem hervor- geht, eine der ttauptfragen, welche durch die Blindenversuche weiter gekls werden sollen. Die Analyse der bisherigen Versuchsergeb- nisse (S. 49"52) hat zwar wahrscheinlich gemacht, dab es sich bei ihnen um zwei genetisch verschiedene Reihen yon optischen Erlebnisen handelt, bezfiglich ihrer sinnesm~Bigen Genese war aber schon auf Grund der systemartigen Wirkung des Meskalins wenig Sicheres zu erfahren.

Wenn es auch unwahrscheinlich scheint, dal3 wir die Grundlagen dieser Erscheinungen n~her erfassen kSnnen, so halte ich es doch wenigstens angebracht, bevor ich auf die Blindenversuche selbst fibergehe, hier einige Beobachtungen anzufiihren, die durchihre nichttoxische Genese zeigen, dab auch auBerhalb der Meskalinwirkung wir Beweise ftir die Existenz dieser beiden Reihen yon optischen Erlebnissen haben. W~hrend das Studium der differenten LokalisationsmSglichkeiten der Reizvorg~nge im optischen System, welche zu Phosphenen fiihren kSnnen, uns die organischen Grundiagen dieser Erscheinungen verdeutlichen soil, sollen andererseits gewisse Beobachtungen an Blinclen zeigen, dal3 auch die nichtmeskalinbedingten Erlebnisse bei Sammlung geniigenden Materials die Unterscheidung yon ,,primitiven" (entoptischen) und ,,szenenhaften" Sinnests ermSglichen.

Die entoptischen Ph~nomene entstehen, wie schon erw~hnt, auf Grund yon bestimmten Reizzust~nden des optischen Systems. Die Ophthalmo- logie kennt sie zum Teil bei peripheren den Sinnesapparat selbst betreffenden Erkrankungen. Es ist andererseits bekannt, dab so die Reizung des Tractus opticus selbst wie auch des Occipita]lappens (die Vogtsehen Felder 17 und 19 Foerster 1) zu Phosphenen bzw. auch zu geformten primitiven Erlebnissen fiihren kann (Krause, Foerster zit. nach P6tzl 2). Die Wahrnehmung des eigenen Blutkreislaufes in den

z Foerster: J. Psychol. u. Neur. 89, 364--385 (1929). 2 P6tzl: Optische All~sthesie, 1928.

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80 Julius ZiLdor:

Retinagef~l~en schildert Lohmann 1 wie folgt: ,,Diese hellen glitzernden Punkte wimmeln im ganzen Gesichtsfeld, sie machen Kriimmungen und Schleifen. Manche Leute sehen bei Schneuzen und Niesen feurige Punkte umherschieI~en mit einer solchen Efle, dab sie feurige Linien zu sehen glauben." Bei durch Zirkulationsbehinderung in der Netzhaut bedingten Skotom sah ein Patient Lohmanns in dem schwarzen bis braunen Skotom hs feurige Kugeln und Linien ziehen. Ein Patient yon Hirschberg 2 sah plStzlich einsetzender Embolie der rechten Arteria centralis retinae einige lYIinuten lang subjektive Lichterscheinungen ,,wie Feuerwerk". Photopsien und Chromatopsien sind bei Netz- und Aderhauterkran- kungen nicht selten. Die Erythropsie bei l~ngeren Wanderungen auf schneebedeckten Fl~chen, das Blausehen nach Kataraktoperation werden auch aufNetzhautstSrungen zuriickgeftihrt. Ebenso einige andere Chromatopsien wie das Violettsehen und Griinsehen (Glaukom). Ob die Xanthopsie bei Ikterus und Santoninvergiftung rein peripher bedingt ist, laBt sieh nicht entscheiden, handelt es sich doch dabei um allgemein toxische Sch~digungen und kommen aueh bei Occipitallappenl~sionen ~hnliche StSrungen des Farbensehens vor (Literatur siehe bei PStzl, Optisehe All~sthesie). Mir lag nur daran hervorzuheben, dab derartige Erscheinungen auch rein peripher bedingt sein kSnnen. Im iibrigen ergibt die Betrachtung oben angefiihrter Beispiele schon dureh die Mannigfaltigkeit der Lokalisation (zentral und peripher) die Bedeutungs- losig]ceit d~s Reizortes in bezug au/ diesen E]/eIct innerhalb des optischen Systems. Sie zeigt uns die Grenzen, die einer rein lokalisatorisch orien- tierten Betrachtung durch die Funktion als oberstes Prinzip gesetzt werden.

Wenn man Erblindete exploriert, erh~lt man nich~ selten Angaben, welche den erwiihnten Photopsien sowie den bei Meskalin erlebten ~hneln. Die Ursache der Erblindung scheint irrelevant zu sein. Sie treten ent- weder schon kurz vor der Erblindung auf, manchmal in einem Stadium, wo Hell und Dunkel noch unterschieden wird, oft aber erst sparer monate- lang, nachdem zuerst alles schwarz gesehen wurde. Erblindete haben aber zuweilen auch andersartige optische Erlebnisse. Sie sehen, wenn auch selten, Personen, komplexe Szenen usw. Bei der Exploration solcher Patienten, soweit ich dazu Gelegenheit hatte, erfuhr ich aus den Angaben stets, daB diese sich so in ihrem Auftreten wie auch in bezug auf das subjektive Gesamterlebnis yon den vorher erw~hnten primitiven ent- optischen Erscheinungen unterscheiden liel3en. An einigen Beispielen des nachfolgend mitzuteilenden Berichtes, den eine seit dem 2. Lebensjahr erblindete Patientin durch Befragen von Blindenanstalt- insassen zusammenstellte, ist dieser Unterschied sehr deutlich zu er- kennen.

1 Lohmann: Physiologische Optik, 1912. 2 Zit. nach Lohmann.

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Meskalinwirkung bei StSmngen des optischen Systems. 81

50 Jahre alte, im 19. Lebensjahr erblindete Frau. Zeitweise sieht sie einen heUen Schein, als ob es Sonnenstrahlen wgren. Diese zerteilen sich in kleine l~iguren undefinierbaren Charakters. Die Erscheinungen st6ren sie bei der Arbeit.

48 jghrige, mi t 22 Jahren erblindete Frau. Ihr ist ununterbroehen Tag und Nacht hell vor den Augen; sie ha t ein hellblaues F l immem und sieht Flammen.

44 Jahre alte, mi t 20 Jahren erblindete Frau. Sieht oft abends ganz wei6, so da6 sie sich fragt, ob es Tag ist. Auch kleine rote Flammen wie yon Streich- h61zem.

65 Jahre alte, mi t 45 Jahren erblindete Frau. Sie ha t ununterbrochen Tag und Nacht F l i m m e m sehwarz, sThwarzgrau mit wei6 vermischt vor den Augen, nur wenn sie schlecht geschlafen hatte, sieht sic morgens pechschwarz. , ,Allmghlich hellt es sich wieder auf, wenn ieh herzlich lache", sagt sie, ,,habe ich einen grau- grtinen Schein."

D ie A h n l i c h k e i t d i e se r E r s c h e i n u n g e n m i t d e n , , p r i m i t i v e n " e n t - o p t i s c h e n E r l e b n i s s e n zu B e g i n n d e r M e s k a l i n w i r k u n g i s t n i c h t zu v e r - k e n n e n . W i r f i n d e n a b e r a u c h , wie f o l g e n d e s Be i sp ie l es z e i g e n wi rd , a u c h P a r a l l e l e zu d e n , , s z e n e n h a f t e n " S i n n e s t i i u s c h u n g e n .

57 jghriger, mi t 38 Jahren erblindeter Mann. Es ist ihm immer Tag und Naeht halb dunkel vor den Augen, als werm die Sonne unterginge. Wenn er tief in Gedanken ist und die S t i m hoeh in Fal ten zieht, sieht er oft herrliche Landschaften, manehmal eine Wiese, W~lder und lange Wege und Chausseen. Alles bleibt aber nur 1 Sekunde lang. Ihn st6ren die Seherscheinungen nicht. Im Gegenteil, er ist hochbegeistert, wenn sic sich zeigen. Versucht sogar absichtlich, die Stirn zu runzein, um die Erscheinungen hervorzurufen. In solchen Fgllen gelingt es ihm aber nicht. Es kommt auch vor, dab er fiber den I~amen eines bestimmten Kaufmanns intensiv nachdenkt, pl6tzlich erscheint ihm die ganze StraBe vor den Augen, er sieht Hguser, Geschgfte, l~Ienschen und siehe da, er liest auf dem angebrachten Schride den I~amen des betreffenden Kaufmanns.

D e r U n t e r s c h i e d z w i s c h e n d e n b e i d e n A r t d n y o n o p t i s c h e n E r l e b n i s s e n be i B l i n d e n g e h t a u s d e n o b e n a n g e f f i h r t e n Be i sp i e l en d e u t l i c h h e r v o r . W i r w e r d e n a u f sie n a c h d e n M e s k a l i n v e r s u c h e n a n B l i n d e n m i t s o l c h e n E r s c h e i n u n g e n n o c h n ~ h e r e i n z u g e h e n h a b e n .

Fall 12. Amaurose bei tabischer Sehnervenatrophie 0,35 MesIcalin. S. E., 54 Jahre , Kaufmann. Am linken Auge seit Jahren blind. Von Januar 1928

an auch rechts rapide Verschlechterung des Sehens. Seit Mitte April 1928 ganz erblin- def. Bis Mitte Dezember 28 war es dunkel vor den Augen, seit dieser Zeit sehe er ein Muster wie ein Tischtueh in blau mit ganz regelmg6ig kreuz und quer fiber die ganze l~l~che vertei l ten weiBen Punkten. Au6erdem hat er zeitweise eine Ersehei- nung vor den Augen wie eine weiBe Milchglasseheibe. Will vor 14 Tagen naehts im dunklen Zimmer, welches nur yon auBen durch eine Stra6enlateme Licht erhMt, an der Wand gegenfiber vom Bert (die yon der Laterne nieht beleuehtet wird) das Bild seiner Frau und seines Kindes, welches er yon frfiher kannte, ganz versehwommen gesehen haben. Sei darfiber sehr erstaunt gewesen, hat aber nicht versucht, sich umzusehen, um andere Gegenst~nde zu betraehten bzw. sich yon der Reali tgt des Brides zu fiberzeugen. Gibt an, da6 er auBer dem Bilde im Zimmer nichts sah. Versuch am 25. 1. 1929 in der Charit6-NerveDklinik ausgefiihrt.

11 ~~ Uhr. 0,15 Meskalin. 1215 Uhr. Allgemeine Mattigkeit. LSst auch komplizierte Vorstellungsaufgaben

prompt und flieBend, kSnne sich auch lgngere Handlungen eins nach dem andern vor dem geistigen Auge vorstellen.

Z. f. d. g. Neur. u . P s y c h . 127. 6

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8"2 Ju l ius Z/~dor:

12 a0 Uhr . Es t r e t en je tz t dunkle und weiBe Stellen vor den Augen auf, letztere wie Visi tenkarten.

1240 Uhr . 0,2 Meskalin. 1247 Uhr. , ,Reehts weiBer Fleck vor den Augen, dar in , als wenn eine Birne

l e u c h t e t e . . , j e tz t s ieht es so bl~ulich aus mi t gesprengel ten weil3en Ptmkten , aber doch anders wie s o n s t . . , r ingsum ist es we iB . . , j e tz t s ind sie weg." Es t r i t t s tarkes Augentr/~nen auf, s ieht die hellen Erscheinungen zun~chs t n u r rechts, links is t es dunkel. Die Erscheinungen ~ndern ihre F o r m andaue rnd .

12 aa Uhr . Sieht auf schwarzem Grund b laue Figuren, ,,als wenn es eine Vase w~re, d a n n wird es wieder ein Karo . " J e t z t zwei groBe weil3e Stellen, sie ent- fernen sich immer wieder voneinander . . . j e tz t s ind sie ganz v e r s c h w u n d e n . . . j e tz t ~ri t t ein blaugrfiner Fleck auf, der seine F o r m andaue rnd /~nder$, wird groB, dann wieder klein, d a n n wieder goB . " Was er j e tz t sehe, sei ganz andersar t ig als sonst.

115 Uhr . Sieht die Bflder s tets rechts. Es sind a n d a u e r n d sieh ver~ndernde F iguren auf dunldem G r a n d yon blau-grau-grfinlieher F a r b e , ,Baukastenfiguren". , , J e t z t weehselt es in allen F a r b e n . . . je tz t k o m m t wieder feuerro t oben, Form wie Skandi- navien. J e t z t ein feuerroter Kreis mi t gr i inem Rand . J e t z t feuerrot an versehiedenen Stellen, blut ig rot, noeh r6ter, ganz t i e f r o t . . , j e tz t de lmt es sieh, geht auseinander, je tz t is t rechts fas t alles b lu t ro t . "

1 ~5 Uhr . , ,Das R o t is t verschwunden. J e t z t k o m m t ein wunderbares G r t i n . . . Teppichmuster , un t en is t es stahlblau, oben s ind ro te Punk te , die immer gr6Ber w e r d e n . . , je tz t wechseln die Fa rben alle ab wie eine Landkar t e , wo jedes Land einzelu mark ie r t i s t ." Macht spontan p16tzlieh folgende Angabe : ,,Das Zimmer kommt mir vor wie eine weite Halle, als ich hereinkam, war es mehr normal, wie ein kleinerSaal." (S t immt . ) , , J e t z t is t es ganz anders . " Auf die Frage, auf welche Weise er das wahrnehme, meinte er, er babe alas im Geffihl. ,,Mir is t so, als befinde ieh mich in einer groBen Hal le ."

150 Uhr . Hat das Ge/iihl, als wenn das So/a, au] dem er sitzt, schie] w~ire und er in der Tie/e s@e. H6r t die S t imme eines mi$ i hm sprechenden Arztes, der in der- selben H f h e wie er sich befindet, wie yon oben. _A_ls er aufgeforder t wird, die R ich tung zu zeigen, yon wo er die S t imme h6re, zeigt er e twas n a c h oben und hinten. Bei weiteren Prfifungen aus anderen Rieh tungen wird die S t imme immer r icht ig lokalisiert.

23~ Uhr . Gib t an, dab vorhin, wo die Her ren da waren (mehrere Xrzte, die dem Versueh vori ibergehend beiwohnten) er anfangs ihre Anzahl noch r icht ig ause inanderha l ten konnte , dann wurden es aber i m m e r mehr , ,,ein ganzes Audi- to r ium. ,,Die k a m e n ihm alle so vor, wie komisehe F igu ren in einem Ballsaal m i t b u n t e n Fraeks und b u n t e n Kostfimen. H a t t e das alles m e h r im Geffihl und n ich t r icht ig gesehen. ,,Diese groteske Gesellscha/t und karnevalsm~fligen Kostiime erschienen mir vor dem geistigen Auge." Auf die Frage, ob er sie genau so gesehen h/~tte wie die rote Fa rbe und die Muster, g ibt er an: ,,Nein, die Muster sah ieh riehtig, das andere sah ich vor dem geistigen Auge."

2 a~ Uhr . Hat jetzt das Ge/i~hl, als sdifle er in einer kleinen Nische, die Decke sei dicht fiber dem Kop]. Die kleine Nische mt inde t zwar in die groBe Halle, sei aber doch yon dieser get rennt . ,,Jetzt babe ich das Ge/iihl, als sdfle ich tie/ unten im Keller" (gleichzeitig Kdltepardsthesien). Als er aufgefordert wird aufzustehen, h a t er anfangs Bedenken, s teh t dann auf und gibt an, daB, wenn er aufs teh t , die Decke mit ibm hSher zvird, babe aber auch dann das bes t immte Geffihl, als wenn die ])eeke fiber seinem Kopf wKre. Wenn er sich hinsetzt, geht die Decke gleich/aUs mit ibm in die Tie/e.

240 Uhr . Vorstellungsau/gaben: (Ehefrau.) , ,Kann ieh im Augenbliek n i c h t . . . es dr~ngt sich immer soviel dazwischen, soviel b tmte F a r b e n . . . . Ich kann sie mi r

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Meskalinwirkung bei StSrungen des optischen Systems. $8

wohl vorstellen, sie ver~nder~ sich aber, sie geht ins H~l)liche fiber, ins Steinalte . . . . so sclmell auf einmal wird sie so a l t . . , es veriindem sich die Zfige." (Mandarinen.) , ,Ich kann sie mir vorstellen, sie ver~indern sich aber dauernd, sie gehen auseinander, werden ldeiner." (Farbe ?) ,,Sie kommen mir jetzt grfin vor." (Soil sieh eine be- st immte Kaffeetasse vorstellen, die er yon frfiher aus seinem Besitze kennt). , ,Wie war denn d a s . . , die eine Form, die Teeform, die hole ich mir im Ged~ehtnis, sie bleibt aber nicht stehen, es bewegt sich alles, hingestellt und weggeleg~. . , die andere Form, die kann ich n i c h t . . , sie ist gekan t e t . . , es ver~ndem sieh anch die Farben, ich will das Blau festhalten, es kommt aber immer wieder das Grfin da- zwischen."

250 Uhr. , ,Es kommt mir alles in schottischen Farben vor, blau, griin, rot, dazwischeu scharf abgekante t . " Ausgesprochene ZeitsinnstSrung, meint, es sei jetzt 6 Uhr.

3 Uhr. , , Immer das schSnste Schottenmuster, blau, grfin, rot, es glgnzt wle Seide." Hat das Geffihl, als wenn er in der Herrenabteilung des K. d. W. w~re. ,,Ich kann mir die Abteilung im Geiste ganz genau vorstellen." (Sehen Sie das Muster aueh so ?) ,,Das schottische Muster sah ich wirklich, es spiegelte sich im Auge."

315 Uhr. ,,Die Decke /dllt einem beinahe au/ den Kop], /urehtbar niedrig." Beim Aufstehen wird die Decke wie vorhin gleiehfalls hSher, er ha t aber auch im Stehen das Ge/i~hl, als miiflte er ansto[3en bzw. als reiche die Deeke gerade handbreit fiber den Kopf.

3 a5 Uhr. Sieht noeh immer das Schot~enmuster in verschiedenen Figuren. AuBerdem treten je tz t Marinefiguren, ein Boot, ein Matrose, Fahnen auf. Der M~trose ist in weiBen Hosen, die Mfitze ist blau, der Kragen ist blau, ueben ihm der Riieken eines anderen. ,,Das Schottenanuster kommt dazwischen, dann verschwindet der Matrose auf einmal. Die Hose ist nicht mehr da, da~ Blaue ist noch zu sehen, aber nur in Konturen. ]:)as M~rinebild wird immer verdrgngt yore sehottisehen Muster." Gibt plStzlieh spontan an: , ,Eigenartig, ich habe reich zurfiokversetzt und dachte wirklich, an der See zu sein." Sieht noeh immer die Matrosen, weiB aber jetzt, dab es ,,ira Bride" sein muB. ,,Wie ist denJa das bloB mSglich?"

Die anfangs formal korrekten Angaben des Patienten werden je tz t sprunghaft und sind v6llig yon den Erlebnissen geleitet. Ha t das Geffihl, als wenn das schottische Muster dieMarinebilder verdr~ngt. Sobald es sich n~ihert, verliert das /riCher Tlastische bis in die Einzelheiten deutliche Bild zuniichst die/igi~rlichen Einzelheiten, es bleiben nur grobeKontnrenundblauweifleFarb]leckezuri~cL (Spontan.) ,,Bflder derMarine. Die Seemannsgestalten mi t der weiBen Tonpfeife im Munde, dazwischen vemckwinden sie, dann sehe ich sie wieder, die biederen Fischer an der Ostsee, der olle ehrliche See- mann mit dem Backenbart , als wenn er direkt vor mir stfinde." (Sie sind doch in der Charit~ ?) , , Ja ich weft], aber was ist denn das mit den Schotten und der Marine ?" (Sehen Sie das schottische Muster und die Marine gleichzeitig oder abwechselnd ?) , ,Erst babe ich die Marine gesehen, dann die Fischer und dann kam das Schot~ische." , ,Daraufhin waren die Matrosen weg, im Geddchtnis Bind sie abet da. Das Schottische dr~ngt sich immer dazwischen bzw. umgekehrt. Wenn ich das Schottenmuster betrachten will, dr~ngt sich immer der Matrose und der Kahn dazwischen; es ist, als wenn zwischen den toten Sto//en etwas Lebendiges dazwischen kommt." Bleibt w~hrend der ganzen Zeit immer Zusehauer, ha t hie die Tendenz, sieh yon der Reali- t~t der Bflder zu vergewissern, sich nach irgendeiner Richtung hinzuwenden usw.

415 Uhr. VqrsteUungsau/gaben: (Fahrrad.) , ,Ja, das ka~n ieh mi t der Lenkst~nge". (Ist es genau wie sonst ?) ,,Nein, jetzt ist es etwas ganz anderes, als wenn es ein Erntewagen w(ire . . . . ] )ann kommt der Matrose dazwischen. . , eine F a l m e . . . Sommeremte fe s t . . . das Fahr rad kann ich nieht ." (Mandarine ?) , , Ja . " (Genau wie sonst ?) ,,Nee, die Mandarine n i c h t . . , sehott isch-gri in. . , so kann eine Mandarine

6*

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nicht aussehen, die Form bleibt auch n ich t . . , es wird eine Schaie, nein, wie e i n Kahn." (Citrone.) , ,Ja. . kann ich . . , ganz ge lb . . , jetzt wird sie wei0 wie ein weiBer Schaum, wie Schlagsahne... jetzt wieder ins Grtmliche." (Form ?) ,,Da sehe ich, als wenn ein Feuerwehrmann da ware, wenn ich die Citrone sehen will, schiebt sich der Feuerwehrmann dazwischen." Beim Nennen der Gegenstdnde, die er sich vorstellen soil, tauchen diese blitzartig so/ort au/, verdndern abet so/ort Farbe und Form und verlieren sich dann ganz zwischen den optischen Sensationen, die er hat, so daft er ale gar nicht /esthalten kann.

43o Uhr. Druck auf die geschlossenen Augen iibt keinen EinfluB auf die optischen Erlebnisse aus; ebenso ist der Drehnachnystagmus bei objektiv sehr lebhaftenNystag- muszuckungen olme Einflul3 auf die optischen Erlebnisse.

485 Uhr. (Nach einer Pause spontan) : ,,Das verstehe ich nicht, immer, wenn ich meine Frau sehen mSchte, kommen andere Bilder dazwischen, andere Frauen mit strubbligen Haaren, dann ein Erntewagen yon hinten, es liegt alles vor mir, wie die Marine." Wird etwas angstlich, macht sich Sorgen dariiber, dab er sich seine Frau nicht mehr vorstellen k6nne, versinkt dann wieder in die Betrachtung der Bilder und murmelt vor sich hin. ,,Das griine, das blonde Haar, der M~trose mit der Pipe." Wird ~mmer unruhiger, riickt auf seinem Platz hin und her, fiihrt Selbstgesprache. , ,Wens ich ein Mgdchen sehen will, kommen aus dem Schottischen mehrere andere hi~bsche Mddchen hervor."

45~ Uhr. (Schottenmuster?) , ,Nein. . . das schottische Muster. . . das schotti- sche Muster wird mit der Zeit aufdringlich. Das Marinebild ist viel sch6ner und ruhiger und immer kommt das Schottengrim dazwisehen." :4rgert sich sichtlich dariiber und spricht mit einer gereizten Stimme fiber das Dazwischendrangen dieses Musters, welches gegen seinen Willen sich vollzSge, ohne daI~ er es verhindern kSnne.

520 Uhr. Hat noch immer das Geftihl, in einem niedrigen Gew61be zu sein, Stimmung sehr labil, etwas weiaerlich, zunehmende Unruhe, ausgesproehene ZeitsinnstSrung, ruft pl6tzlich spontan seine Frau bei Namen: ,,Grete, Grete", besinnt sich da.nn und wei~ wieder, wo er ist. Drehnachnystagmus ohne Einflufi optischer Erlebnisse.

6 ~5 Uhr. ]qoch immer massengaft optische Erlebnisse. Sieht jetzt einen Jiingling mit welligem, blonden Haar und Pfeife im Mund, der ihn freundlich ansieht. ,,Wie ein Tiroler auf den Bildern." Ausgesprochenes Schmerzge]i~hl im Auge, als wenn es hera~gepreflt werden sollte.

6 a~ Uhr. Nachlassen der optischen Erscheinungen. ,,Es bietet sich meinem Auge nichts mehr dar, was irgend was Sch0nes an sich h~tte, einen besonderen Reiz h~tte, aUes ist tot."

725 Uhr. Keinerlei optische Erscheinungen. Die F~higkeit, sich optisch Gegen- st~nde zu vergegenw~rtigen, ist aber noch immer gest6rt, sie tauchen blitzartig auf und verschwinden dann, nachdem sie vorher sich dauernd verandert haben. Es kommt nichts St/irendes mehr dazwischen, nur bei dem Versuch, sich seine Frau vorzustellen, sieht er fliichtig den Tiroler. Beobachtung abgeschlosscn.

Zusammen]assung: Amaurose bei t ab ischer Sehnervena t rophie , 0,45 Mes- kal in . Massenhaft optische S innes t~uschungen . Die p r imi t iven opt ischen Er lebn isse t r a t e n zun~chst nu r vor dem sp~ter e rb l inde ten Auge auf. S p o n t a n machte er seinerzeit sparer ke ine diesbeziiglichen Angaben , u n d es wurden auch keine F ragen in dieser R i c h t u n g an i hn gesteUt. Der Drehnachnystagmus war ohne Ein/ lu f l au] die optischen Erleb- nisse. Es zeigten sich hier bei der n u r m a g i g e n Bewu~tse ins t r t ibung

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Meskalinwirkung bei StSmngen des optischen Systems. 85

keine so weitgehenden Unterschiede im Erlebniswert der , ,primitiven" und ,,szenenhaften" Sinnest/~uschungen; aueh erschwerte die iiberaus groSe Reiehhaltigkeit der Erlebnisse das Auseinanderhalten. Es schien, als wenn die , ,primitiven" entoptischen Erscheinungen stets vorhanden gewesen w~ren, so da~ die ,,szenenh~ften" auf diese aufbauen muBten. Immerhin blieben noch etliche Merkmale, die die Differenzierung dieser beiden Erscheinungen ermSgliehten. Die primitiven ,,spiegelten" sich im Auge, sie wurden ,,vor den Augen" erlebt und hatten ffir den Pat ienten subjektiv die Q~alit~it der optischen Wahrnehmung, wie er sie yon ]riCher kannte. Die , ,szenenhaften" wurden zun/~chst ,,w/e vor dem geistigen A W e " erlebt. Sparer, als unter zunehmender Meskalinwirkung der Erlebniswert der Erseheinungen subjektiv als gleich angegeben wurde, konnten sie an folgenden Merkmalen als verschieden erkannt werden. Die , ,primitiven" waren innerhalb einer geringeren Variationsbreite kon- stant. Die , ,szenenhaften" dem Vorstellungsinhalt entsprechend bzw. weitgehend yon diesen beeinfluBt. ,,Wenn ich mein M/~dchen sehen will, kommen aus dem Schottischen mehrere andere hfibsche M~dchen hervor ." ,,Das verstehe ich nicht, immer wenn ieh meine Frau sehen mSehte, kommen andere Bflder d~zwisehen, andere Yrauen mit strubbligen Haaren." Die szenenhaften und primitiven Erleb~isse weehselten sich ab, dr/~ngten sich gegenseitig fort. Beim Herannahen des Schottenmusters verloren die szenenha/ten Bilder die ]igiirlichen Einzelheiten, und es blieben nut noch grobe Konturen bzw. blauweifle Farbflecke tibrig. Die affektive Stellungnahme zu den beiden Arten von Erlebnissen war eine versehiedene. Das Schottenmuster kam sozusagen gegen den Willen des Pat ienten und wurde als aufdringlieh und unangenehm empfunden. Die szenen- haften Bilder dagegen wurden als ,,schSn und ruhig" bezeiehnet und sozu- sagen herbeigewiinscht. Die szenenhaften Erlebnisse t ra ten erst bei zunehmender Meskalinwirkung auf und h~uften sich parallel mi~ der Bewui~tseinstSrung.

Sehr demonstrat iv ist hier auch die St6rung der Vorstellungsabldu]e. Es kam nicht nur zu einer Unf/~higkeit im Festhalten und Weiterentwickeln von diesen, sondern die Vorstellungen ver~nderten auch ihren Charakter, sie nahmen an ,,Leibha/tigkeit" zu, so dab es schwer war, aus der konti- nuierlichen Reihe der Erlebnisse herauszufinden, bis wann es sich um Vorstellungen gehandelt hat bzw. wo sie schon als Sinnest~uschungen bezeiehnet werden konnten. Die StSrung der Vorstellungsabl~ufe wurde hier subjektiv als eine dutch die anderweitigen sich aufdrkngenden optisehen Erlebnisse bedingt erlebt. Aber auch nachdem keine optischen Erlebnisse mehr auftraten, konnte die StSrung noeh festgestellt werden.

Zuletzt sollen noeh die sehr deutliehen St6rungen der Zeit und insbeson- de, re der Raumwahrnehmung erw~hnt werden. Das Zimmer warde zun/~ehst wie eine Riesenhalle, dann wieder wie ein niedriger Kellerraum empfunden, die Decke dieht fiber dem Kopf. Der Raum dehnte sieh, wenn der Pa t ien t

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86 Julius Z~dor:

aufs tand , mi t i hm aus, wurde be im H i n s e t z e n m i t i h m wieder niedriger, die E n t f e r n u n g der Decke v o m K o p f blieb aber im S tehen u n d Si tzen die gleiche. Vor i ibergehend t r a t auch ein Gefiihl auf, als wenn er auf e inem schiefs tehenden Sofa in der Tiefe s~$e. E r hSr te auch die S t i m m e n zu- n/~chst wie von oben. Die R a u m w a h r n e h m u n g s a b K n d e r u n g e n wurden h ier ,,gefiihlsm/~13ig" er lebt im Gegensa tz zu F a l l 1, wo/~hnliche Erlebnisse vorwiegend opt isch er lebt wurden.

Fall 13. Amaurose bei tabischer Sehnervenatrophie, 0,4 Meskalin. P.M., 45 Jahre, wegen Tabes dorsalis in hiesiger Klinik in Behandlung. Sieht

seit August 1928 nur etwas hell und dunkel. (Bei objektiver Priifung Licht- sehein nieht bemerkt.) Seit Ende September 1928 anfangs nur zeitweise, nachher dauernd eine rote Kugel vor den Augen, welehe regelm~Big in entgegengesetzter Richtung mit der Augenbewegung wanderte. AuBerdem sehe sie seit dieser Zeit besonders rechts oft kornblumenblaue kleine Quadrate zerstreut in verschiedenen GrSBen. Eines ist immer da, die anderen weehseln. Wenn es vor den Augen heller wird, so sind die Kugeln wie die blauen Quadrate deutlicher. Sieht manchmal vor dem Einschlafen eine Reihe toter und blauer Quadrate vor den Augen. ,,Ein buntes Bild", es geht naeh links heriiber, dabei bewegen sich die Quadrate in einer Richtung, w~hrend die Farben$ich darin wie Wasserwelten bewegen. Im Oktober 1928, als angeblich das Seben vortibergehend besser wurde sah sie alles in Abendrot getaucht. Die Wand war wie aus weiflen kachelfSrmigen schwarzumr~nderten Tafeln bestehend. Zeitweise hatte sie auch ,,ein goldenes Aufblitzen". Die F~higkeit, Gegenst~nde optisch sieh zu vergegenw~rtigen, ist bei ihr guter halten, sie kann sieh alles ,,wie in der Natur" vorstellen. Etwas wehmiitige riihr- selige Frau, weint 5fters, beklagt redselig ihr Sehieksal, ist im iibrigen geordnet. Versuch am 9. 1. 29.

3 Uhr. 0,2 ~eskalin.

320 Uhr. Raseheres Weehseln yon hell und dunkel vor den Augen als sonst. ,,Griine und rote Striche, die sonst nieht zu sehen sind."

32~ Uhr. ,,Nur einen Moment ein blauer Sehein, dann ist er wieder weg . . . . getzt eine rote Kugel . . . . Sie verwandelt sich, als wenn sie an Farbe verhert, die Form ist jetzt, als wenn es ein Blatt w~re."

337 Uhr. Jetzt ist es so, als wenn sich mehrere rote Stellen finden, als wenn die Kugel sich verteilt hat . . . . Nun auch wieder die hellblauen Stellen, sie sind jetzt etwas anders gef~rbt, matter."

350 Uhr. 0,2 Meskalin. 45 Uhr. ,,Alles bunt durcheinander, lila, braun, dunkelrot, griin, aUes Flecke, sie

bewegen sich auch, der rote Schein verteilt sich so geadert.

430 Uhr. ,,Gefiibl, als wenn man etwas betrunken w~re." (Patient in hat nie so viel getrunken, dab sie einen Schwips gehabt h~tte, sie denkt es sieh bloI3 so.) Optische Erscheinungen unver~ndert, Grammophonmusik fibt keinen EinfluB auf sie aus.

515 Uhr. Gefiihl yon Betrunkensein hat zugenommen, gibt plStzlich spontan an: Es war mir so, als wenn ich im Geiste meinen Mann ~ah in einer Landscha/t in Lebensgr6fle, als wenn er lebte und dazwischen wdre." Patientin weft], sie habe ihn nur im Geiste gesehen und nieht wirklich. , ,Abet in dem Moment babe ich wirklich das Ge/iihl gehabt, als wenn er lebte." Beschreib~ die Erseheinung genau. ,,Hellgrauer Anzug, freundliehes Gesieht", ,,ieh sal3 bei meinem Bruder auf der Veranda." (Was fiir eineu Hut hat er aufgehabt ?) ,,Einen grauen H u t . . . nein, eine weiche sehlappe Miitze.. . wie auf der Photographie in Karlsbad." Patientin wird etwas

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zusammenhangsloser in ihren Angaben. ,,Ieh bin im groflen und ffanzen so benommen, als wenn ieh mi2de b i n . . , meine Geschwister, mein M a n n und ich, als gingen wir im Korn/eld zusammen, was wir ja so o/t ta ten . . , als wenn es Wahrheit wdre, a~s wenn ieh das im Bilde sehen wi~rde. . , im nati~rlichen Bilde meine Kinder , als sie klein waren . . . . " ( Is t es j e tz t anders , a]s wenn Sie sonst an Ihre AngehSrigen denken ?) ,,Mir s teh t das Bi ld yon meinem So]me vor, ieh kann es genau beschreiben, wie er angezogen is t . . . . Es war ein T r a u m in Wirkliehkeit, aber der T r a u m war natiirl ich, ganz nat f i r l ich ." , , In dem Augenbl ick sollte es wohl nat i i r l ich se in ." GehSrt ha t sie nichts dabei, alles n u r s t u m m gesehen. Die pr imi t iven opt ischen Erscheinungen erw~]mt sie je tz t n i ch t m e h r spontan . Auf Befragen gibt sie abe r an, dal3 sie, wenn die Bilder ve r schwunden sind, diese noch immer sehe. Meint beide Arten von optisehen Erscheinungen vor den Augen zu sehen, ohne jetzt zwischen ihnen zu unterscheiden, nur interessieren sie letztere gar nicht.

6 xs Uhr. Liegt m i t offenen Augen am Sofa. Sieht noch i m m e r ihren Mann und ihren Sohn ,,im Bride wie N a t u r " , gibt dann spontan an : , ,Wenn ieh meine Augen aufmache, muB ieh mi r sagen, ich bin schwach, es war wie l~a tur ." F rag t oft nach ihren Gesehwistern. , ,Es muB doeh sich j emand in meiner Nahe befinden, Bekannte , G e s e h w i s t e r . . . ich hab ' das Geftihl, als wenn es so famil iar ware, als wenn sie alle da sein miiBten, aber es ist ein Traum, u n d wenn ieh erwache, is t n iemand da . "

6 a~ Uhr. ,,Mir wird so schleeht , als wenn man der n ich t w~re, der m a n sein m u B . . ich bin geistessehwaeh, geistesunbewuBt, alles was ieh gesproehen habe, habe ieh im Traum vor i iberz iehen gesehen, und das m a c h t reich so m a t t . " J a m m e r t die ganze Zeit u m ih ren Mann. W e n n die szenenhaf ten Bflder verschwinden, t r e t en die Kugeln und Karos wieder auf. Pa t i en t in beobachte t diese abe r spon tan gar n ich t mehr.

640 Uhr . Hat das Ge]iihl, als wenn noch eine Krankenschwester im Zimmer sein mi~flte. Well3 nicht, ob Vormittag oder Nachmittag ist, auch nicht, in welchem R a u m der K l i n i k sie sich be/indet.

Vorstellungsau/gaben: (Ein Mann auf einem Fah r r ad si tzend.) ,,Nein, e inen F remden nicht , n u r meinen Vetter , den Wemer , weil es sein Beruf ist, er is t In- genieur ." K a n n aUes nur im Zusammenhang mit der Famil ie vorstellen. (lqach einiger Zeit spontan . ) , , In Wirkl ichkei t habe ich das Gefiihl, als wenn ich meinen Sohn bei mir h/~tte." (HSren Sie seine St imme ?) , ,Wenn ieh seine S t imme hSren will, d a n n mul3 ich ja ganz schwaeh sein, ich sehe ihn nur, es sind auch die Neffen dabe i . "

745 Uhr . W u r d e inzwisehen allein gelassen, ber ich te t bei Wiede rkehr des Arztes yon ihren , ,Tr/~umereien", sie seien ,,wie Wirkl ichkei t" gewesen. , ,Es war wie Leben im Bi ld ." Ausgesprochen weinerliche depressive S t immung.

8 Uhr . Die angs t l ieh weinerliche S t immung ha t s ta rk zugenommen. P a t i e n t i n s tShnt , j a m m e r t u nd heu l t in einem fort, schreit dann pl6tzl ich ~ngstlich auf. , ,Herr Doktor , He r r I )oktor , ich Mire meinen Sohn schreien, meinen verstorbenen S o h n . . . Mut t i , M u f t i . . . Ich habe ihn auch gesehen im Traum." (S t imme geh0r t ?) ,,Die St imme leib und lebendig . . . ich babe unter aUem Tumul t seine S t imme heraus- geh6rt . . , u n t e r all den Traumen , wo ich war und was ich sah, hSr te ich seine S t imme heraus und dachte , ein K o m m e n , ein Verschwinden, es i s t ja n u r ein T r a u m . " Spr icht in der l e tz ten Zei t zum Teil so, als wenn sie dem Arz t yon der Famll ie erzahlen wiirde, h a l t dazwisehen aber langere Selbstgesprache in leiser St imme, als wenn sie sich u n t e r h a l t e n wiirde. Gefragt, mi t were sie spreche, mein te sie, hSren ta re sie j e tz t zwar nichts , es aei aber doch eine Un te rha l t ung .

8 ~5 Uhr . VSllig yon den , ,Traumere ien" absorbier t . Spr ich t a n d a u e r n d vor sich bin. l~ach den p r imi t i ven op t i schen Erseheinungen gefragt, g ib t sie an, sie seien aueh noch da, j e tz t abe r m e h r schwarz. Spontan beachtet sie diese zur Zeit gar nicht.

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9 25 Uhr. Redet in einem fort vor sich hin, hat das Geftihl, als wenn sie zwischen ihren Geschwistern w~re, h~lt daran lest, ihren Mann und ihren Sohn ganz natfirlich gesehen zu haben. (Warum spreehen Sie denn so viel ?) ,,Ja, weil ich mich mit den Meinen unterhalte." (Die sind doch aber nicht bier.) ,,Ira Traum sind sie bei mir, ieh sehe sie in Gestalt." Beobachtung abgeschlossen.

Am folgenden Tage gibt sie an, noch bis Mitternaeht weiterhin ihre AngehSrigen gesehen zu haben. Die Erlebnisse seien nati~rlich gewesen. Zwischen den einfachen Farben und Formen und den Familienbildern kSnnte sie jetzt keinen Unterschied maehen. Nut dab erstere mit dem Auge mitgingen und vor bzw. nach dem gestrigen Tage zum Teil bestehen blieben, wenn sie auch heute nicht so lebhaft sind wie gestern. Patientin identi/iziert demnach ihre sonstigen entoptischen Erscheinungen mit den unter Meskalin beobachteten. Sobald man n~her in Patientin einzudringen versucht bzw. sie l~ngere Zeit naeh ihren Erlebnissen yon gestern fragt, kommt sie ins Weinen, die Antworten werden unpr~zise, spricht anseheinend ungern davon.

Zusammen/assung: Amaurose bei tabischer Sehnervenatrophie. Seit einigen Monaten primitive entoptische Erscheinungen. A u / 0,4 Mes- kalin kommt) es zun~chst zur Vermehrung und Ver~inderung dieser Erscheinungen. Bei zunehmender BewuBtseinstriibung kommt es dann zu ,,8zenenha/ten" Sinnest~usehungen, welehe inhaltlieh vSllig dem Gedankeninhalt entsprechend stets die Familie betreffen, l)er Unter- schied zwischen den primitiven und szenenhaften Sinnest~iusehungen kommt in diesem Fall sehr deutlich zum Vorsehein. Die ,,primitiven" gehen mit dem Auge mit, haben fiir Patientin die Qualititt der optischen Wahrnehmung, sie befinden sieh in einer andauernden Bewegung und Verwandlung. Fiir die ,,szenenha/ten" gebraucht sie spontan Aus- driicke wie ,,ira Geiste gesehen", ,,ein Traum in Wirk]ichkeit" usw. Erstere sind ziemlich konstant und unbeeinflul~bar, letztere stellen meist friiher sehon erlebte Situationen im Kreise der Familie dar. Die ver- schiedene a]]elctive Stellungnahme zu ihnen ist hier noch ausgesprochener als im vorigen Fall. Sie steht den primitiven optischen Erlebnissen etwas interessiert, aber im aUgemeinen gleiehgiiltig gegeniiber und ver- nachl~ssigt diese sparer vSllig. Die szenenhaften Sinnest~uschungen 15sen heftige traurige und freudige _A_ffektausdrfieke aus. Interessant ist es auch, dab zur Zeit der szenenhaften Sinnest~uschungen die Vor- stellungsaufgaben nut im Zusammenhang mit tier Familie gelSst werden kSnnen.

Auf dem HShepunkt der Meskalinwirkung kommt es zu einem leicht deliranten Zustand. Sie ist dann zeitlich und 5rtlich desorientiert, hSrt die Stimme ihres Sohnes, halluziniert die Anwesenheit auch fremder Personen (Krankensehwester), fiihrt Selbstgespr~ehe bzw. Unterhal- tungen mit ihren FamilienangehSrigen, ist hochgradig ~ngstlich und erregt. Nachtr~glich iclentifiziert Patient in die primitiven Meskalin- erlebnisse auf dem optischen Gebiet mit ihren sonstigen entoptisehen Erscheinungen, die ,,szenenha/ten" Erlebnisse dagegen trennt sie durch versehiedene Merkmale yon diesen ab.

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Fall 14. Amaurose bei Sehnervenatrophie nach Stauungspapille, 0,1 Meskalin. G. E., 8 Jahre. Wegen Kleinhirntumor in der Charit~-Nervenklinil~ in Berlin in

Behandlung. Infolge Sehnervenatrophie nach Stauungspapille seit 1/2 Jah r vSllig blind. Zeitweise Gefiihl yon Helligkeit vor den Augen (objektiv wird Lichtschein nicht bemerkt). Ob er optisch tr~umt, ist nicht zu eruieren. Optische Vergegen- w~rtigung yon Vorstellungen bzw. Vorstellungsreihen angeblich gut mSglich, es ist aber nicht sicher, ob er richtig versteht, was darunter gemeint ist. Ausgesprochene Merk- und Gedachtnisschwache bei guter Intelligenz und geordneter Unterha l tung. Versuch am 24. 1. 29 in der Charit~-Nervenklinik Berlin ausgefiihrt.

1 a5 Uhr. 0,05 Meskalin. 2 Uhr. (Spontan.) , ,Ich habe so ein W i n k e n . . . in der Luft lauter KSpfe, Mufti ,

Bruder ." WeiB, dab er nicht sehen kSnne, trotzdem habe er die KSpfe deutl ich gesehen, das sei keine Einbildung. ,,Rechts Mutti, links Vati ." Die KSpfe sind nicht die einzigsten Erlebnisse, sieht auBerdem allerhand Formen und Farben in blau, rosa, lila und schwarz, erwahnt diese aber spontan nicht.

225 Uhr. 0,05 Meskalin.

35 Uhr (Spontan.) , ,Ich weiB gar nicht, wo ich b i n . . , bin ich denn zu Hause" (?) , ,Ich weiB, dab ich hier bin, ich denke es nur so, ich kann es gar nicht so sagen." Sieht noch immer allerhand kleine M~nnchen. Auf die Frage, wo er sie sehe, ant- wortet er: , ,In der Luf t . " Keine genauere Beschreibung zu erhalten. ,, J e t z t wieder ."

3 ~~ Uhr. Wird etwas ~ngstlich, unruhig, miBtrauisch, greift plStzlich mi t der rechten Hand um sich. (?) , ,Ich fiihle bloB." (?) ,,Ich dachte, Sie waren n~her an mir herangekommen."

33~ Uhr (Spontan.) , ,Ist je tz t Nach t" (?). Auf Befragen gibt er dann die richtige Zeit an und sagt, es w~re ihm blol3 so vorgekommen. Bei Vorstellungsaufgaben sagt er, er kSnne es nicht, er sei so schwindlig.

43~ Uhr. Gereizt, unruhig, empfindet Fragen als stSrend, ha t das Ge/iihl, als wenn viele Leute um ihn herum stehen, zeigt in die Luft. ,,Hier einer und dort e iner . . , sehen tue ich sie nicht, ich /iihle es, ich bin ganz beso]/en, weil bier so viel rumstehen." Als ihm gesagt wird, daB keine Leute dastehen, an twor te t er gereizt: , ,Ich weiB doch nicht wie, aber sie stehen s o . . . ich bin be t runken . . , ich bin irr- sirmig . . . . "

545 Uhr. Taste t zeitweise noch immer um sich, hat das Gefiihl, als wenn jemand um ihn ware, ist sehr schreckhaft. Bezieht die Veranderung, die mi t ihm vorge- gangen ist, nicht auf die Spritzen, auf die Fragen, woher es denn gekommen sei, meint er, ,,ich weiB nicht" . Dabei ausgesprochenes Krankheitsgefiihl fiir die psychi- schen Verandertmgen und Sensationen yon Beginn an, verlangt vom Arzt noch eine yon den erhaltenen Spritzen gegen die Sensationen.

73~ Uhr. F rag t 5fters spontan: ,,Was war dean los . . , wer war dean b i e r ? " Gefragt, ob er was gesehen babe, gibt er keine Auskunft mehr, ist i iberhaupt ab- lehnend.

745 Uhr. Allm~hliches Nachlassen der Erscheinungen. Beobachtung wird abgeschlossen.

Am nachsten Morgen befragt, was gestem los gewesen sei, antwor te t er: ,,Nichts, ich war miide." Als Einzelheiten bertihrt werden, zeigt sich, dab er an sich gute Erinnerungen fiir den gestrigen Tag hat. Die Ursachen der Ver~nderungen sind ihm auch heute unbekannt. Als seine Stellungnahme zu den Sensationen gepriift wird, gibt er keine verwertbare Angaben, ist sehr beeinfluBbar und bejaht kurz nacheinander drei verschiedene Erkl~rungen derselben Frage.

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Zusammen/assung: Die opt ischen Erlebnisse s t a n d e n in diesem Fal le n i ch t im Vordergrund, was al lerdings aus dem geki irzten Protokol l n i ch t ersichtlich ist. Soweit P a t i e n t etwas opt isch erlebte, hande l t e es sich meis t um KSpfe yon AngehSrigen, zu Anfang u m farbiges F l i m m e r n , ,ein W i n k e n " . I n t e r e s san t u n d im Z u s a m m e n h a n g mi~ wei teren F~l len wicht ig sind die nicht oplisch erlebten S innes~uschungen von Anwesenheit mehrerer Menschen im Raume. , , t i le r einer, dor t e i n e r . . , sehen tue ich sie n i c h t . . , ich fiihle e s . . . " . I )er Fa l l ist aul ]erdem in noch einer a n d e r n Beziehung interessant . P a t i e n t ha t t e bis z u m Schlu~ e in lebhaftes Krankhei t sgef i ih l ffir den Beg inn vor sich gegangener Ver~nderungen . E r zeigte aber dabei, t ro t zdem er diese Ver~nderungen mi t den Spr i tzen n i ch t i n Z u s a m m e n h a n g braehte bzw. f iberhaupt n ich t wul3te, wo sie he rkamen , keine Erk l~ rungs tendenzen .

]~ber drei weitere F~lle, die seit 4 - - 6 J a h r e n amauro t i sch waren, wird, d a e s bei i hnen zum Teil zu sehr geringen, vor ahem aber im Pr inz ip zu vSllig gleichen E r s c h e i n u n g e n k a m , wie die obigen F~lle zeigten, n u t kurz ber ichtet .

Fall 15. S. R., 42 Jahre, Amaurose bei Sehnervenatrophie (Lues cerebrospinalis). Seit vier Jahren vSllig blind. Auf 0,4 Meskalin kam es bei Pa~ienten nur zu intensiven Helligkeitsempfindungen, sonst ~raten keine optischen Erscheinungen auf.

Fall 16. R. A., 45 Jahre. Seit 6 Jahren in/olge Glaukom vSUig blind. Sieht vor dem linken Auge zeitweise dunkle Punkte und Flecke. Erhielt infolge leichter Insuf- fizienzerscheinungen des Herzens nur 0,15 Meskalin. Es kam bier nut zu Entwick- lung yon primitiven entoptischen Erscheinungen, farblose Schatten, helles Auf- leuchten, rote Streifen und Flammen, braunes Flackern usw. Keine szenenhaften ]~rlebnisse. Optische Erscheinungen wurden alle vor beiden Augen ,,richtig" gesehen.

Fall 17: R. G., 38 Jahre. Tabische Sehnervenatrophie. Seit 6 Jahren v611ig blind. Sieht am rechten Auge zeitweise einen blauen Punkt, der yon rechts hin~en nach yore geht trod verschwindet. Es kam hier auf 0,45 Meskalin im Gegensatz zu den sehr ausgepr~gten differenzierten Ab~nderungen auf dem Gebiet ,,des Allgemein- geftihls" (Jaspers) und anderen Sinnesgebieten nur zu sehr geringen primitiven entoptischen Erscheinungen. Ich lasse aus dem aufgezeichneten Selbstbericht den auf das optische und die VorstellungsablRufe beziehenden folgen: ,,Kurze Zeit nach der zweiten Spritze hatte ich vor den Augen Figuren, wie man sie durch ein Kaleido- skop sieht. Ich sah die Fl~che vieler aneinander gereihter Vierecke. ]:)as Bild war nicht bunt, soadern grau in grau. Einzelne Vierecke traten heller hervor, andere schraffiert. ]:)as Bild verschwand alsbald, vor meinen Augen war mein friiherer Zustand, der weder hell noch dunkel, weder weiB noch gelb, noch grau ist trod den ich als farblos bezeichne. Andere Wahmehmungen hatte ich nicht mehr, auch nicht nach leichterem Druck auf die Augen. Nur einmal hatte ich noch ganz kurz das Empfinden, dal3 sich vor meinen Augen etwas entwickeln wollte, was aber nicht zur Entstehung kam. Auf die Auffordertmg des Arztes bestimmte yon ihm bezeichnete Personen oder Gegenst~nde l~ngere Zeit figiirlich vor dem Auge fest- zuhalten, konnte ich dies nicht. Es trat das Figi~rliche gdnzlich in den Hintergrund, dagegen trat das Wissen hervor. Es war das positive Wissen, das ich yon dem Gegen- stand oder der Person habe und die Bedeutung, die der Gegenstand oder die Person /fir reich pers6nlich anldfllich besonderer Ereignisse gehabt hat. Ich fiihre folgende Beispiele an: Die VorsteUung meines Sohnes, wie er am Tisch sitzt und Schul- arbeiten macht, bedingte gleich das ganze Lebensbild meines Kindes. ])as Gleiche

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war bei der Vorstel lung meiner F rau und meiner Schwiegermutter und bei meiner vers to rbenen M u t t e r der Fall. Mit der Vorstell tmg einer Weint raube war sofort eine in meinen J u g e n d j a h r e n gemaehte Rheinreise verbtmden. Mit dem Bismarck- denkmal v e r b a n d sich ein Schfilerausflug, bei welchem das Denkmal besucht wurde und das h in te r dem ] )enkmal s tehende Reichstagsgeb/~ude mit seinem poht i sehen Treiben der Par te ien . Mit der Vorstell tmg eines Lederstuhles in meirmm Speise- z immer v e r b a n d sieh die Anschaff tmg trod Gr tmdtmg meines Haushaltes . Mit e inem Ffi l l federhalter oder einem Aktenztfick ve rband sich mein frfiheres Berufsleben als Jus t i zbeamte r . Bei allen Vors te lhmgen yon Gegenst~nden oder Personen war das Wissen so sehnell, daft das Ursprungsbfld n ich t fes tha l tbar war und sofort ffir das geistige Auge unfal3bar wurde. Es zog alles so schneU voriiber, daft beim Begri/ / ~4"quator ich gewissermaflen schon einmal um die Erde herum war oder daft bei dem Buehstaben A ich so/ort das ganze Alphabet durch bis Z war. Es zog alles im N u voriiber. Es war, als ob An/ang und Encle sieh deckten, wobei das Wissen in sich fiberstfirzender Schnell igkeit vorbeizog. Es war aber n icht mein diesbezfigliches Gesamtwissen, sondern ffir reich persSnlich hervor t re tende Ereignisse, die irgend wie in meinem Leben yon Bedeu tung waren und bei Vorstel lung des Begriffes erwachten, Die F a r b e n waren bei der Vorstel lung stets verblaBt. Ich habe yon einer Citrone, einer gri inen Gurke, e inem Apfel oder einem Jockei n icht das gl~nzende farben- sa t te Na tu rb i ld gehabt , sondern ha t t e n u t eine blasse, verblichene Farbvors te l lung . Es war mehr ein Registrieren kalten Wissens sich aneinanderreihender, mi t dem Ur- begri// in Verbindung stehender Ereignisse als das /arbenprdchtige Bi ld der Erinne- rung in ni~chternem Zustand.

Fal l 18. Amaurose rechts nach Hornhautprozefl l inks in/olge Katarakt. 0,5 Meskal in . H. W., 50 Jahre . t t andwerker . Am rechten Auge seit dem 5. Lebensjahr ,

am l inken seit 1915 vOllig blind. Tr/~umt optisch, m a c h t manchmal eine R a d t o u r im Traum fiber W a l d mad Wiesen. Vor dem rechten Auge sei es s te ts dunkel , vo r dem l inken wie ein grauer Nebel. Dar in bewegen sich dunkle Schat ten , die sieh zusammenziehen bzw. sich in pfermiggroBe Stficke verteilen, die d a n n im Auge umherwandern . Die Scha t t en ziehen sieh oben zusammen mad ver te i len sieh n a c h unten . Sie sind morgens dunkler als am Tage. ]3ei ganz offenen Augen s ieht er rechts maten zeitweise eine ldeine helle S telle (Liehtschein ?), will angebl ich bei krassem Wechsel Lichtschein bemerken, bei der objekt iven Prtifmag aber is t das n ich t der FalL Erz/~hlt, dab er manchma l nach ts im stockdunklen Raum seine Hand, wenn er sie vor die Augen Milt, sehen k6nne. Sogar die N/~gel kSnne er unterscheiden. I m Halbsehla] sehe er sich manchma l ,,wie im Nebel arbeiten", ,,das ~niissen doch wohl die Nerven sein, well ich doch nicht sehen kann, das kommt auch nur im Halbschla/ vor". Pa t i en t 10st die Vorstel lungsaufgaben, Banane, Apfelsine, Motorrad, Mut t e r im Stuhl s i tzend r icht ig und prompt , yon den Gegenst~nden, yon denen er j e t z t umgeben ist, seine Kleider, Bl indenuhr , Bfirsten, die er anfert igt , mach t er sich Bilder an H a n d yon dem, was er frfiher sah. Die Angehfrigen sieht er, wie sie seiner- zeit. waren, als er noch sehen konnte. Versuch in der Nervenkl in ik der Charit6 Berl in am 6. 1. 29 ausgeffihrt (Pa t i en t der Augen-Polikl inik der Charit6).

11 Uhr . 0,2 Meskalin. 12 a Uhr . Zeitweise heller Lichtschein fiber dem linken Auge, das rechte Auge

ist, wie immer, ganz tot , als wenn es gar rrieht da w/ire. 0,3 Meskalin. 1215 Uhr . ,,Als wema im Auge mehr Bewegmag ist" , ein weiller Nebel bewegt

sich im oberen Teil des l inken Auges, rechts unver~nder t . 12 ~5 Uhr . Z u n e h m e n d e Matt igkei t , optische Erseheinungen wie oben. 240 Uhr . H a t t e in der Zwischenzeit sehr heftige vegetat ive Erscheimmgen,

beachte te die opt isehen Ph~nome gar nicht . GHat je tz t spontan an, er habe ein Geffihl, ,,als wenn die Gedanken weg wdiren", kOnne nu r die Fragen bean twor ten , sonst sei es flare als wenn die Gedanken ,,still s tehen" .

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92 Julius Zs :

3 s Uhr. Optische Erscheinungen noch immer farblos und nur vor dem linken Auge. ,,So ein halber D/~mmerzustand, in dem man lebt, nicht das R ich t ige . . . eine Art Narkose."

3 a5 Uhr. Beriehtet yon dem ,,gedankenleeren" Zustand. , ,Ich konnte welter nichts, als gerade das denken, was Sie gefragt haben, sonst rib der Faden ab. Kann Vorstellungen gut optisch vergegenw/~rtigen wie vorher. Zeitseh/~tzung gut, keine Ver/~nderungen der Raumwahrnehmungen.

5 Uhr. Sag in der Zwischenzeit still, dSste vor sich bin, berichtet nachher, er babe so ,,getr/~umt". Sei zu Hause gewesen, stand am Ofen, was er sonst gesehen habe, weiI] er nieht, es war alles verschwommen, w/~hrend sonst im Traum aUes scharf und klar ist. Es ist immer, als wenn er die Mutter gesehen habe, solche Tr/iume habe er auch sonst gehabt, nur dab er dann viel klarer und in Farben sah, w/~hrend er jetzt alles wie im , ,Sehattenbilde" wahrnahm. Sei dutch ein Muskelzueken aufgewaeht. Vor den Augen haben sich die dunklen Flecke vollst/~ndig aufgel6st, der Nebel zieht hin und her, ist dauernd in Bewegung. Dieses Sehen und das Triiumen vorhin sei was ganz Verschiedenes.

5 ~~ Uhr. ,,Als wenn die Gedanken ganz kurz abreiBen, auf einmal ist gleich was anderes d a . . . wie im Kino." (Kein Sehen, sondern Denken.) , ,Ganz unvorbereitet kommen manche Gedanken." Vor dem linken Auge ein Geftihl, als wenn irgend- woher Liehtschein kommt, mal da, mal dort. ,,Ob das tats/~chlich so ist, oder nur eine optische T/tuschung ist, kann ieh nieht entscheiden."

6 a5 Uhr. Wieder lebhafter Wechsel der Nebelbewegung vor dem linken Auge, rechts wie immer vSllig dunkel.

715 Uhr. Nachlassen der Meskalinwirkung. 8 Uhr. Beobachtung abgeschlossen. Fall 19. Amaurose in/olge Katarakt. Seit 20 Jahrer~ blind. E. L., 57 Jahre. H a t zeitweise rotes Aufleuchten vor den Augen. Trgumt

optisch. Auf 0,3 Meskalin nur primitive entoptische Erseheinungen, wie sie sie auch sonst sah, nur etwas lebhafter. Keine szenenhaften Sinnest/~uschungen, Augendruck und Drehnachnystagmus ohne Einflug auf die optischen Erschei- nungen. Sehr zahlreiehe und abwechslungsvolle Sensationen haptischer Art.

Fall 20. Amaurose in/olge Retinitis pigmentosa, seit 20 Jahren blind. Kongenitale Taubstummheit.

K. L., 37 Jahre. Verst/~ndigung mi t dem Pat ienten ist nur dureh Schreiben auf seine Hand m6glich. Auf 0,4 Meskalin t r i t t niehts Optisches auf. Ha t vor- wiegend haptische Sensationen, voriibergehend auch akustische Verst/~ndigung w/~hrend des H6hepunktes der Meskalinwirkung ersehwert, konnte die in die Hand gesehriebenen Worte oft nicht verstehen.

Fall 21. Amaurose seit dem 2. Lebensjahr nach doppelseitiger Enukleation der Augen. 0,3 Meskalin.

S. H., 23 Jahre. Im 2. Lebensjahr infolge entziindlieher Augenerkrankung (?) beide Augen entfernt, ha t keinerlei optisehe Erinnerungen, bzw. Vorstellungen. Keine optischen Tr/~ume. Erlebt im Traum wie im Wachen Vorstellungen yon R/~umen und Menschen, die sich bewegen, in welcher Weise, k6nne sie nicht n/~her schildem. , ,Ich weil], dab sie gehen." , ,Ich hab das im Geftthl." Im Traume aul]erdem noch akustisehe und taktile Erlebnisse. Versuch am 25. 10.28 in der Augenklinik Prof. Gutmann-Berlin ausgefiihrt.

1051 Uhr. 0,15 Meskalin. 1115 Uhr. Leichtes Schwindelgefiihl, als wenn sie in die H6he stiege. ,,Bin etwas

erregt ." Unterh/~lt sieh vollst/~ndig geordnet. 113v Uhr. 0,15 Meskalin. l lSaUhr. Schwindelzunehmend, verh/~lt sieh etwas abwesend, traurige Stimmung.

Die Glieder kommen mir etwas schwer vor: ,,Die Arme sind so merkwiirdig, nicht

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Meskalinwirkung bei StSrungen des optischen Systems. 93

so wie f r f ihe r . . , t a u b . . , beim Heben schwerer als sons t . . , es wird leichter vor meinem Gesicht."

12 la Uhr. In den verschiedenen KSrperteilen auf kurze Zeit Geftihl yon Leichtig- keit, zunehmende, motorisehe Unruhe.

1220 Uhr. Der Abstand von einer Wand zur andern kam ihr niiher vor, der Raum wurde kleiner. ,,Jetzt nicht mehr."

1240 Uhr. , , Ich hSre, was Sie sagen, etwas verschwommen, ieh hSre es anders, ieh mfiBte reich anstrengen, um zu h0 ren . . , es kommt mir alles so fremd vor ."

1 Uhr. , ,Ich komme mir beim Gehen vor wie gefahren in der StraBenbahn und noeh etwas a n d e r s . . , als ieh ging, kam es mir vor, als ob ieh in der Luft schwebte." ,,Der Raum kommt mir etwas veriindert vor. Wenn Sie mich fragen, ob das dersclbe Raum w~re, kSnnte ich nieht sicher sagen, ob das derselbe i s t . . , es kommt mir kleiner vor, als wenn ich in einem Raume wiire, wo die Decke dicht i~ber dem Kop/ ist.

1 ~~ Uhr. Es werden Pat ient in drei gleieh groBe Gummikugeln zum Tasten gegeben, welche sie vor dem Versueh als gleich groB erkannt hat. ,,Es kommt mir eine etwas kleiner v o r . . , nein, sie sind doch gleieh."

2 Uhr. In der Zwischenzeit allerlei kSrperliche Sensationen, zunehmende Miidigkeit. Gefiihl yon Benommenhei t im Kopf, ,,wie hypnotisiert" .

25 Uhr. (Von einer nahen Kirche l~uten die Glocken.) , ,Das ist ja Mus ik . . . ach nein, es sind ja Glocken, ieh glaubte erst, es sei Musik." Referent und ein anderer Arzt unterhalten sich, ohne ihre Stellung geweehselt zu haben. ,,Es kam mir so vor, als wenn einer der Herren l~ge."

215 Uhr. (Kugel ?) , ,Es kommt mir etwas schwerer vor als v o r h e r . . , es ist zeit- weise schwerer, dann wieder leichter." Beim Gehen etwas taumelig, kein Schweben mehr. ,,Ab und zu verfalle ieh, dann bin ich nicht so, wie sonst, finde mich dann wieder, das Fri~here ]commt mir wie ein Traum vor, als ich gesagt babe, einer liegt yon Ihnen." Wird lebhafter, etwas ideenfliichtig. ,,Jetzt ]cam es mir vor, als wenn der andere Herr da wdre, aber er ist doch nicht da." (Referent ist allein mi t Patientin.) Steht pl6tzlich auf. ( ?), ,Ioh hat te Kopfsehmerzen." (Warum aufgest~nden ?),,UnwiU- kiirlich, ich wollte an die Luf t gehen." Ist aufgeregt, zi t tert am ganzen KSrper. (?) ,,Bin so erregt, ein biBohen merkwiirdig ist mir alles, wenn ieh etwas sagen will, weiB ieh nicht, ob ieh da~ schon gesagt habe, oder erst sagen will ." Zunehmende ~ngstlichkeit.

2 4~ Uhr. (Spontan.) , ,Scheint die Sonne h e r e i n ? " ( ? ) , ,Es ]cam mir vor, als wenn ich eine Wiirme [i~hlte, ich dachte, es wdre die Sonne." , ,Es kommt mir immer vor, als wenn die Sonne scheint ." (Faflt mit der Hand in die Lu/ t . ) (?) ,,Wollte dahin/assen, woher die Wiirme ]cam." , , Je tz t kam mir wieder so eine W~rmeempfin- dung vor, ich meine, die Sonne scheint herein." ,,Woher kommt denn immer die W~rme hierher, ieh weiB doeh, dal3 die Sonne hier nicht hereinscheint."

3 Uhr. Die Turmuhr schl~gt 3 Uhr (erst viermal, dann dreimal). , ,Hat die eine Uhr nieht vier, die andere drei gesehlagen, waren es nicht zwei Uhren ?"

3 a~ Uhr. Lag in der Zwisehenzeit auf dem Sofa, war unruhig, gab ungern Aus- kunft. Beginnt je tz t spontan: , ,Ich daehte zuerst, ich fahre mi t dem Bert, das ha t sieh so geseh t i t t e l t . . , ieh daehte, Sie h~tten einen langen Gegenstand auf die Erde geschmi~sen." (Sehuhe knarren dureh Bewegung des FuBes des Referenten.) , ,Es ]commt mir immer vor, daft Sie waz machen." (Grei/t pl6tzlieh in die Lu/ t . ) (?) ,,Ich dachte, S ie hi~tten die Hand hierher gestreckt. . . ieh glaube, ieh werde naehher Angst haben, es ]commt mir vor, als wenn mir ]emand ans K n i e gesto~en Mitte."

340 Uhr. Wird immer erregter. Weehselt oft ihre Stimme. (Referent klopft mit dem Bleistift in einem bes t immten Rhythmus auf den Stuhl.) ,,Aeh, machen Sie das nieht, Herr Doktor, ieh habe Angst, es kommt mir alles so merkwiirdig vor ."

4 Uhr. Lag in der Zwisehenzeit unruhig im Bett, waft sieh hin und her, wird plStzlich sehr ~ngsthch, f~ngt an, im AnschluB an ein R~uspern des Referenten laut an zu weinen.) , ,Machen Sie das nicht, Herr Doktor, Sie haben so eine

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94 Julius Zgdor:

merkwiirdige Stimme, ich habe Angst." Weint und schluchzt fiber 10 Minuten lang, gibt keine Antwort, sagt erst nachtrgglich, dab die Stimme des Arztes so geklungen hgtte wie die eines Bekannten. ,,Herr Doktor, machen Sic das nicht, Sie vergndern Ihre Stimme."

5 Uhr. In der Zwischenzeit sehr gngstlich, unruhig, weint 5fter, wendet sieh oft, nach einer Seite, gibt gefragt keine Auskunft, wird daraufhin in Ruhe gelassen. Gegen 5 Uhr nimmt, die gngstliche Unruhe ab, sie wird wieder geordneter, die Beob.- aehtung wird abgeschlossen.

(Aus dem Selbstbericht :) Kurz naeh der Einspritzung empfand ieh eine Leichtig- keit im Leib und Gesicht, doch hielt dieselbe nicht, lange an, und es stellte sieh Mattig- keit, im ganzen KSrper ein. Ich ffihlte, dab mein Denken unklar wurde wie in einem Rausch, den ich reich vergeblieh bemfihte zu iiberwinden. Anfangs weehselte meine St,immung, bald war ieh heifer, bald wieder traurig. Meine innere Unruhe wuchs immer mehr, alles stSrte reich, sogar die Kleider waren mir lgstig. Es war mir so zu Mute wie an einem schwiilen Sommertag vor Anzug eines Gewitters. ,,Mein Kopf kam mir furehtbar groB und leer vor, ffir kurze Zeit verlieB ieh das Zimmer und naeh meiner Wiederkehr kam mir der gleiche Raum vollkommen vergndert vor." ,,Die Bglle, welche Sie mir in die Hand gaben, kamen mir, wie ich sie yon einer in die andere Hand nahm, bedeutend kleiner vor. Ich sagte Ihnen dies nicht,, weil ieh diese Empfindung auf den Rauschzustand schob." ,,Spgter kamen mir die gleiehen Bglle so schwer vor, als wenn sie aus Eisen wgren." Einige Male kam es mir so vor, als wenn die Sonne ins Zimmer schiene, einmal empfand ich Wind im Gesicht, die Kirchengloeken empfand ich einmal als Musik, dann wieder als Gloeken, ieh bfldete mir ein, 2 Uhren zu hSren, die eine schlug vier, die andere drei und dabei war es doeh nur die Turmuhr, welehe ich h6rte. Das Drehen Ihrer Taschenuhr erkannte ieh ja zuerst, doeh unmittelbar naehher sehon hatte ieh das Geffihl, als bewegten Sie einen k]einen biegsamen Gegenst,and in der Hand oder als Sie mit einer Nadel fiber einen Kamm ffihren." ,,0fters meinte ich, ein mir sehr sympathischer Mensch wgre da, als ieh Sie und Herrn Prof. Forster laehen h6rte. Meine Gedanken wurden immer unklarer, ieh meinte, ich liege auf einem Sessel, sitzend in der Luft, und dabei lag ich doch auf dem Sofa. Nun meldeten sich Angstvorstellungen, es war mir, als stieB mich jemand ins Knie. Ihr Klopfen steigerte dieses Angstgeffihl bis zur Verzweiflung." , ,Am Schlusse hatte ich eine erschi~tternde Vorstellung, die mich heute noch tie/bewegt. Es kam mir vor, als ob in der Ec]ce zwischen dem Waschtisch und der Tier derselbe Mensch stehe, den ich /riCher lachen geh6rt hatte. Seine Stimme ]clang ]etzt ]inster und diister. Ich meinte die St imme eines Toten zu Miren, darum weinte ich auch so sehr. Er trat einige Schritte n~her, ]cam mir aber ungewb'hnlich unnati~rlich grofl vor. Er tr6stete mich und in diesen Trostworten ]clang die Stimme wohl weniger angsteinfl6flend, aber doch nicht menschendhnlich. Das war der H6hepun]ct des l~ausches. Meine Gedanken wurden klarer und da dachte ieh mir, ob Sie vielleicht auch nicht, Ihre St,imme verstellt hgt,t,en." In dieser Nacht, schlief ieh sehr unruhig, ieh hSrte dauernd Klavierspielen. Als es 4 Uhr schlug, fiel es mir ein, das ich wohl immer noch nieht, klar denken kSnne, da ich noeh Musik hSrte.

Z u s a m m e n / a s s u n g : I m zwei ten L e b e n s j a h r du rch E n u k l e a t i o n beider A u g e n erbl indet . Keiner le i opt ische E r i n n e r u n g e n bzw. Vors te l lungen, ke ine op t i schen Trgume. Auf 0,3 Meskal in k a m es zu Sensa t ionen vor- wiegend auf dem hap t i schen Gebie t u n d des Allgemeingefi ihls . Es k a m zu i l lus iondren Verkennungen y o n t a k t i l e n u n d Wi~rmesensat ionen u n d akus t i schen Erlebnissen. Es t r a t e n Ver~inderung der R a u m w a h r - n e h m u n g auf ghnl ich wie bei E r b l i n d e t e n u n d Sehenden. P a t i e n t i n hal lu- z in ie r te zei tweise die Anwesenhe i t e iner d r i t t e n Person, die schon lange

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Meskalinwirkung bei StSrungcn des optischen Systems. 95

das Zimmer verlassen hat te bzw. Lageveriinderungen der Anwesenden. Am H6hepunkt des Rausches kam es dann zu einer komplexen Sinnes- tduschung, welche eine sehr heftige, limger anhaltende ~ngstliche Erregung hervorrief. Sie halluzinierte die Anwesenheit eines fibernatiirlich groBen Mannes, den sie nicht sah, sondern nur ,,empfand". Dieser kam immer n~her zu ihr, sie h6rte ihn sprechen. Wieweit eine illusion~re Verkennung der Stimme des Arztes mit eine Rolle spielt, lieB sich nicht ausreichend eruieren. In diesem Sinne wiirde sprechen, dab es beim Anreden durch ihn zu einer Steigerung der auch sonst bestehenden ~ngstlichen Erregung kam. Pat ient inwurde aber l~ngere Zeit in dieser Periode ungest6rt gelassen und auch wi~hrend dieser Zeit schwanden die Zeiehen der ~ngstliehen Erregung nieht, sie machte Zuwendungsbewegungen, so dab die Annahme einer unabh~tngig yon der illusioni~ren Verkennung der Stimme des Arztes bestehende Sinnest~tuschung berechtigt erscheint. Bis in die Nacht t ra ten dann noch akustisehe Erlebnisse, Klavierspielen auf. - -

Die Blindenversuche ergaben, wie aus den Protokollen zu ersehen ist, eine groBe Fiille yon interessanten Tatsachen. Ich m6chte bier vor allem auf die zu Anfang des Kapitels aufgeworfenen Fragen eingehen und vernachl~ssige dabei bewuBt manche sinnesphysiologisch und psychologisch interessanten Einzelheiten.

Die Frage nach der Bedeutung der lokalisatoriseh verschiedenen Bedingtheit der Amaurose ffir den Ausfall der Meskalinwirkung kann auf Grund der vorherigen Versuehe dahin beantwortet werden, dab im allgemeinen die Lokalisation der Erkran]cung, welche zur Erblindung ge/it'hrt hat, /iir das Au/treten bzw. die Art der optischen Erscheinungen irrelevant ist mit Ausnahme der Enulcleation. (Auch fiir letzteres ist allerdings mit Riicksicht auf schon erwogene Tatsachen dies nur ~ls wahrscheinlich, aber keineswegs als vSllig erwiesen zu betrachten.) I n erster Linie scheint die Dauer der Blindheit yon Bedeutung zu sein. ])as l~Bt sich an don Fi~llen sehr gut verfolgen. Es zeigt sich auch, dab bei F~llen, wo die Erblindung der beiden Augen weir auseinanderlagen, die optischen Erscheinungen zun~tchst oder fast ausschlieBlich am sp&ter erkrankten Auge erlebt wurden (Fall 12, Fall 18). Im Fall 18 ha t te Pat ient vor dem friiher erblindeten Auge auch das ffir kongenital Blinde eharakteristische Gefiihl ,,als wenn gar nichts da w~re". Man k6nnte die Bedeutung der Erblindungsdauer fiir den Ausfall und die Reich- haltigkeit der Meskalinerscheinungen am besten vielleieht durch die Annahme einer im Lau/e der Zeit langsam progredienten bis zur v6Uigen Funktionsun]dhigkeit /iihrenden ScMidigung der perzipierenden Elemente in peripheren Sinnesapparat sowie der leitenden Elemente am besten er- kldren. Wieweit die Dauer der Aussehaltung yon zentralen optischen Mechanismen sowie unserer optischen Vorstellungen an den Wahr- nehmungsvorg~ngen bzw. die ,,psychische" Umstellung der Erblindeten daran mitbeteiligt ist, l~Bt sich selbstverst~ndlich nicht abgrenzen.

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96 Julius Z~dor:

Die Ab~inderungen der realen Wahrnehmung unter Meskalinwirkung in ibxen Beziehungen zu den Meskalinsinnest~uschungen bilden den Kern der Beringerschen 1 Monographie, der sie aus ph~nomenologischen Gesichtspunkten beschreibt. Auch Stein ~, der durch silmesphysiologische Untersuchungen ihre Genese zu kl~ren versucht, beschiiftigte sich ausfiihrlich mit ihnen. Wir haben schon zu Anfang der Arbeit die Er- gebnisse seiner Untersuchungen kurz gestreift und seine Wahrnehmungs- theorie, welche sich nicht zuletzt auf die Erfahrungen der Meskalin- versuche stiitzt, erwithnt. Wenn ich hier nochmal auf die Ab~nderungen der Wahrnehmung unter Meskalin zu sprechen komme, so veranlassen mich dazu einige durch ibxe Ahnlichkeit wichtigen klinischen Beobach- tungen bei Sehenden und Blinden. Die Ubereinstimmung in der Art der Ab~inderungen der Raumwahrnehmung, die sich trotz den verschiedenen Sinnesgebieten, welche den Versuchspersonen zur Ver/iigung standen, zeigten, gaben AnlaB, hier auf die Frage nach der Bedeutung der ,,sinnesspezi- fischen" Empfindungselemente in ihrer Beziehung zu der ,,sinnes- unspezifischen" ,,sensorischen Bewegung" fiir die Wahrnehmung (Stein 3) einzugehen. W~thrend die durch Stein entdeckten Ahnlichkeiten sich auf die Art des Funktionswandels und die Chronaxiever~tnderungen an den verschiedenen Sinnesgebieten erstreckten, konnte hier an einer Wahrnehmung, welche ihrer ]complexen Natur nach verschiedenen Sinnes- gebieten gleichzeitig zugeordnet werden muff, gezeigt werden, daft die Art der Abwandlung sozusagen unabhdngig ist yon der ]eweilig den Versuchs- personen zur Ver/iigung stehenden Sinnesgebieten, d .h . bei Sehenden und Erblindeten bzw. kongenital Blinden in gleicher Richtung sich vollzieht.

Zun~chst einige Angaben yon sehenden Versuchspersonen, wie sie ja auch in der Li teratur bekannt sind. Das Zimmer sei kleiner als sonst, die Decke niedriger, eine Zeitlang ,,wie eine enge Klause". Sie wird dann ganz allm~hlich wieder grSl~er, ist aber gegen Ende der Beobachtung noch immer nicht ganz so grol~ wie sonst (Fall 6). Ein anderer Pat ient (Fall 1) macht folgende Angabe: ,,Es ist mir, als wenn ich im Tal sitze, der FuBboden geht nach mir zu schief herab." Der Pat ient wechselt dann seinen Platz und konstat ier t yon den verschiedenen Stellen des Zimmers immer dasselbe. Beide Pat ienten gaben auf mehrfache Fragen an, die Ver~nderung optisch zu erleben. Prof. Forster, der unter Mes- kalinwirkung sehr lebhafte Veri~nderungen der Raumwahrnehmung erlebte, machte zwar zu allererst eine Angabe, welche sich auf nicht optische Erlebnisse bezogen, ,,Geffihl, als wenn der Stuhl mit einem auf und ab geht", schilderte aber nachher die Veritnderungen des Raumes als optisch erlebt bei gleichzeitigem Gefiihl yon , ,Seekrankheit" (s. die

1 Beringer: I. c. Stein: 1. c.

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Meskalinwirkung bei StSrungen des opbischen Systems. 97

gleichzeitige Arbeit yon Prof. Forster). Es wird also, wenn auch bei intensiven vegetativen St6rungen auch andere Emp/indungen bemerkt werden, die Verdnderung der Raumwahrnehmung bewuflt in erster Linie optisch wahrgenommen.

Was sehen wir bei den Blinden? Der eine Pat ient (Fall 12) gab 2 Stunden nach der ersten Meskalinnjektion an, er habe das Geffihl, als wenn das Sofa, auf dem er sitze, schie/wdre und er in der Tie/e sitze. Er gibt an, die S t imme eines mit ihm in gleieher HShe sitzenden Arztes gleiehzeitig ,,wie von oben" zu hSren. Derselbe Pa t ien t empfand zu dieser Zeit das Z immer wie ,,eine groSe Halle", sp/~ter ha t te er ein Geffihl, als s/il3e er in einer kleinen Nische, die Decke sei ,,dicht iiber dem Kop/" . Als er aufgefordert wird, aufzustehen, hat er anfangs Bedenken. Steht dann auf und berichtet, dab die Decke mit ibm h6her werde und beim Hinsetzen w i d e r niedriger, stets behalte er aber das Geffihl, als wenn die Decke dicht fiber seinem Kopf w/ire. Beim Auftreten yon K/ilte- par~sthesien (die erst nachher auf Befragen angegeben wurden) meint er: , , Je tz t habe ich das Geffihl, als s/iSe ich im tiefsten Keller ." Eine seit dem 2. Lebensjahr infolge doppelseitiger Enukleat ion blinde Patientin, die fiber keinerlei optische Erinnerungen verfiigte (Fall 21), gab an, dab der Abstand yon einer Wand zur andern kleiner geworden sei, der ganze R a u m sei ver/indert. ,,Als wenn ich in einem R a u m w/ire, wo die Decke dicht fiber dem Kopf ist". Ein anderer praktisch blinder Pat ient (Fall 7), der gleiehfalls Ver/inderungen der Raumwahrnehmung erlebte, schilderte spon taa sehr interessant diese Ver/inderung in ihrer Parallelit~t zu Beklemmungsge/iihlen. ,,Das Zimmer ist grSSer geworden, so b e h a g l i c h . . , es war mir so/ingstlich friiher, so beengt" (faSt sich an die Brust), , , jetzt ist mehr Ausdehnung".

DaB die vestibul/ire, allgemein kSrperliche, akustische usw. E m p - findungselemente eine Rolle im Zustandekommen der Raumwahrnehmung spielen, ist bekannt . Sie werden aber bei Normalen auf Grund unserer Art wahrzunehmen, in der bei Sehenden dem Optischen, bei den Blinden, dem Takti len und Akustischen eine fiberwiegende Rolle zukommt, in die betreffenden Sinnesgebiete hineinprojiziert. Mit andern Worten, es sind an vielen Wahrnehmungen, die fiir uns eine prim/ir optische Dignit/it haben, manche andere Sinne beteiligt, die nur auf Grund unserer Ar t wahrzunehmen uns nieht bewuSt werden.

Wie ist aber die gleiehsinnige Wirkung des Meskalins auf die Raum- wahrnehmung bei Sehenden und Blinden zu erkl/iren ? Wie k o m m t es, dab es im Endresu l ta t bei ihnen zu/ ihnl ichen Ab/inderungen der Raum- wahrnehmung gekommen ist? Eine einheitliehe Auffassung dieser Ab/inderungen bzw. der (~bereinstimmungen zwischen Ihnen ist nur m5glich dureh die Annahme einer Affektion des sinnesunspezifisehen Faktors in der Wahrnehmung. I m Sinne der Steinschen Wahrnehmungs- theorie w/ire dieser F ak t o r in der ,,sensorischen Bewegung" zu erblicken.

Z. f. d . g . N e u r . u . P s y c h . 127, 7

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98 Julius Zador:

Die gleichsinnige Wirkung des Meskalin~ au/ die Raumwahrnehmung bei Sehenden und Blinden wdre demnach au/ die St6rung dieses sinnes- unspezi/ischen FaIctors durch Meskalin zuriic]czu/i~hren.

Aber nicht nur auf dem Gebiet der Abs der realen Wahr- nehmung unter Meskalinwirkung finden wir (~bereinstimmungen, die nur durch Annahme der Beeintr~chtigung eines sinnesunspezifischen Fak- tors verst~ndlich werden. Auch der Vergleich der Sinnest~uschungen bei Sehenden, Erblindeten, und so gut wie kongenital Blinden (Fall 1, 7, 8, 12 und 21) ffihrt zu Ergebnissen, die nur so verst~ndlich werden. Nieht nur, dab wir parallel mi t der Abnahme der optischen Erlebnisse bei Blinden eine Zunahme von Sinnest~uschungen auf dem hapt ischen Gebiet und dem Gebiet dos ,,Allgemeingefiihls" (Jaspers 1) zu verzeichnen haben, gibt zu denken. I n erster Linie ist die Tatsache bemerkenswert , dab wir auch bei ]congenital Blinden dieselben Arten yon Sinnes~uschungen, (yon don ,,primitiven", auf KSrpersensationen zurfickffihrbaren bis zu den komplexen ,,szenenha/ten") wiederfinden. (Letztere werden hier mit dem nicht n~her analysierbaren ,,Sinn", mi t welehem die Blinden, abgesehen yon Tasten und HSren, yon der Existenz anderer Wesen Kenntnis nehmen, erlebt.) Bei der so gut wie kongenital Blinden (Fall 21), die fiber keinerlei optische Erinnerungen verfiigte, k a m es ~hnIieh, wie bei dem fast erblindeten Pat ienten im Fall l0 und der blinden Pat ient in in Fall 13 unter Meskalin zu einer komplexen Sinnest~uschung. Sie halluzinierte die Anwesenheit eines fibernatfirlieh groBen Mannes, dea sie ,,ffihlte" und sprechen hSrte. Er k a m immer ns zu ihr und hat te eine unnatfirliche Stimme. Sie gab an, dab dies Erlebnis von ihr ,,gefiihlt" und gehSrt wurde ~hnlich, wie sie auch im T r a u m R~ume und Menschen, letztere auch in Bewegung erlebt, ohne diese zu sehen. Wie k o m m t es aber bei kongenital Bl inder zur Bfldung solcher komplexen Sinnes- t~uschungen ? Vor allem, wie ist die Unabhs tier Art der Sinnes- ts (hier im Sinne primitiv-szenenhaft) yon dem Sinnesgebiet, an dem sie erlebt werden, zu erkls ?

Wenn wir auch zur Zeit noch im Gegensatz zu Mayer-Grofl ~ den Vorteil einer rein vom Sinnesphysiologischen ausgehenden Betrachtung der Sinnes- t~uschungen nicht einsehen kSnnen, so wollen wir hier doch, das was v o a diesem Gesichtspunkt aus zu obigen Feststel lungen sich sagenl~Bt, zun~chst an ffihren. A uch /i~r die Beobachtungen au/ dem Gebiet der Sinnestdusehungen lcommt ebenso wie bei der Raumwahrnehmung in erster Linie nur eine St6rung der sensorischen Bewegung als erIcldrendes Moment in Betracht. MuG es sich doch um einen sinnesunspezifischen Fak to r handeln. Nur durch sie bzw. ihre StSrungw~re eine Erkl~rung dieser ]~bereinstimmungen in der Ar t der Sinnesti~uschungen auf den verschiedenen Sinnesgebieten denkbar. Die sensorische Bewegung ist d e n ~ a c h derjenige Faktor ,

1 Jaspers: 1. c. 2 Mayer-Groin: 1. c.

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welcher, werm man sich auf die Steinsche Wahrnehmungstheorie stiitzt, und damit vom sinnesphysiologischen Gesichtspunkt aus an die bisher nur vom Psychischen her betrachtenden Erseheinungen herantr i t t , in den Mit telpunkt der diesbeziiglichen Untersuchungen gestellt werden miiBte.

Was kann aber eine sinnesphysiologische Betrachtungsweise ,,psy- chischer Erscheinungen", aueh wenn sie unter den oben geforderten Prin- zipien durchgefiihrt wird, uns zur Zeit an neuen Erkenntnissen geben ? Wohin kSnnte ihre konsequente Durchfiihrung, wenn sie bei der Kompli- ziertheit der Vorg~nge iiberhaupt mSglich ist, fiihren? Ist die Auf- fassung, die ihr zugrunde liegt, prinzipiell neu ? DaB alles Psychische irgendwie organisch bedingt wird, ist eine sehr alte und von den organisch eingestellten Psyehiatern nie bestrittene Annahme. Das Verdienst Steins wiirde darin zu sehen sein, dab er dieser These zuni~chst auf einem Tefl- gebiet des psychischen Geschehens, auf dem Gebiet der Wahrnehmung eine plausible und seheinbar faBbarere Form zu geben verstand. E in prinzipieller Gegensatz zwischen ihm und den bisherigen Auffassungen besteht beim richtigen Verstehen bzw. Verwertung seiner Ausfiihrungen nicht. Es muff abet zuletzt noch gesagt werden, daft gerade in der ,,sinnes- unspezi/ischen" ,,universellen" Bedeutun 9 der sensorischen Bewegung, (welche die Anwendbarlceit der Theorie iiberhaupt m6glich macht), auch ihre Schwdiche liegt, indem diese einen derartig weiten Begri// darstellt, daft sie zwar au/ alles anwendbar ist, abet im Einzel/all schon au/ dem Gebiete der Wahrnehmungen o/t nicht genii, gend /aflbar wird und bei komplizierten psychischen Vorgdngen v6Uig unter den Fingern verrinnt.

Wir haben schon im AnschluB an die Versuche an einseitig Blinden den Versuch gema~ht, die beiden Arten yon Meskalinsinnests (primitive pr imer sinnesspezifische-szenenhafte prims vorstellungsm~Bige) als genetisch verschiedene optische Erlebnisse zu charakterisieren. Es wurde ebenfalls auf die wiehtigen Faktoren hingewiesen, welche b e i ihrer Bet rachtung als psycho-pathologische Phi~nomene beriicksichtigt werden mfissen. Hier wollen wir an Hand des Versuchsmaterials an Blinden nochmals die Unterschiede zwisehen ihnen klarlegen und zeigen, dab aueh diese Versuehe die friiheren Beobaehtungen besti~tigen.

Die primit iven Phosphene hat ten auch fiir die blinden Pat ienten die Quali~t der optischen Wahrnehmung und wurden von ihnen mit ihren sonstigen Phosphenen identi/iziert (Fall 13). Die ,,szenenhaften" wurden yon ihnen gleichfalls ,,vor dem geistigen Auge" ,,wie im Traum" bzw. ,,wie im Bfld" erlebt. Sie wurden zu Anfang als lebha/te Erinnerungen bezeichnet und stets als ,,natis ohne Zeichen von etwas Besonderem, Auff~lligem, Neuartigem, mit anderen Worten yon Meskalinspezifisehem besehrieben. Vor allem ergaben die Blindenversuche viel Material in bezug auf die Abh~ngigkeit der szenenhaften Sinnest/~uschungen v o m Vorstellungsinhalt, so sagt z. B. der Pat ient im Fall 12: ,,Wenn ich

7*

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mein M~dchen sehen will, kommen aus dem Schottischen mehrere htibsche M/idchen vor ; wenn ich meine Frau Sehen mSehte, dann kommen Bflder dazwischen, einfache Frauen mit s trubbeligen Haaren ." Nach dem Besuch yon mehreren Arzten berichtet er: ,,Diese groteske Gesell- schaft in karnevalsm/if~igen Kost i imen erschienen mir vor dem geistigen Auge." I n Fall 13 h5ren wir v o n d e r Patientin, die auch sonst sehr viel an ihre Familie dachte, bei zunehmender Meskalinwirkung, nachdem sie bislang nur entoptische Erscheinungen saehlich schilderte, pl5tzlich folgende Angabe: ,,Es war mir so, als wenn ich im Geiste meinen Mann sah in einer Landschaft in LebensgrSf~e, als wenn er lebte und dazwisehen w/ire." Sie wei/3, dab es nur ,,ein Traum mi t offenen Augen" war, erlebte es aber im Moment, als wenn es Wirklichkeit gewesen w/ire. Dieselbe Pat ient in besehreibt das ,,Bild" ihres Mannes folgendermaBen: , ,Grauer H u t . . . nein, eine schlappe M i i t z e . . . wie auf der Photographie in Karls- bad." Sparer h/~ufen sich dann diese Erlebnisse, und zu dieser Zeit war eigentiimlieherweise nicht nur der Inha l t von Sinnest/iusehungen dem Vorstellungsinhalt entnommen, sondern es konnten VorsteUungsauf- gaben auch nur in Verbindung mit der Famil ie gelSst werden. Ich mSchte hier noch auf die unverkennbare J~hnlichkeit hinweisen, welche bez/iglich der Ents tehung yon szenenhaften Sinnest/iuschungen mit den Angaben bestehen, die yon einem nicht Psychot ischen bzw. nicht meskalinisierten Blinden (S. 54) gemacht wurden. Bei intensivem Denken an einen Kau fm ann erblickte dieser plStzlich die ganze Stral3e vor den Augen, sah Hi, user und Gesch/ifte und las zum Schlu]3 an einem Schild den Namen des Betreffenden.

Das Auseinanderhalten dieser beiden Reihen yon optisehen Erleb- nissen wird in den F/illen, wo ,,primitive sinnesspezifische" Erschei- nungen stets und sehr aufdringlich auftreten, scheinbar erschwert. Be- sonders ist das dann der Fall, wenn unter der Wirkung der massenhaft auf t re tenden Erscheinungen subjektiv mit Ausnahme der verschiedenen affektiven Einstellung zu ihnen nicht mehr sicher zwischen beiden unterschieden wird (Fall 12). Aber auch dann haben wir noch Anhalts- punkte, die fiir ihre verschiedene Genese sprechen. Wenn wir z .B . in Fall 12 verfolgen, wie die , ,szenenhaften" Erlebnisse in , ,primitive" sich umwandeln, so sehen wir, dab beim Herannahen des ,,Schotten- musters" , was zur Veri~nderung einer bestehenden szenenhaften Sinnes- t~uschung fiihrt, die ,,Bilder".zun/ichst das Plastische und die figiirlichen Einzelheiten, d. h. ihren szenenhaften Charakter verlieren, die blauweil3en Farbflecke aber weiter unver/indert erhalten bleiben. Pat ient fiigte bei diesem im Laufe des Versuchs oft sich wiederholenden Vorgang hinzu, dal3 ,,die Matrosen" bzw. andere Inhal te , um die es sieh handelte, ,,im Geiste" t ro tzdem noch da seien.

Wir ersehen aus den bier hervorgehobenen Besonderheiten der beiden Arten yon optischen Meslcalinsinnestduschungen, daft die von uns 8chon

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vorher ge(iu[3erte Ansicht, n~imlich, daft es sich bei ihnen auch um genetisch verschiedene Vorgiinge handelt, durch die Blindenversuche weiter gestiitzt werden konnten.

Eine Reihe von Besonderheiten in bezug auf die Genese der l~Ies- kalinsinnesti~uschungen konnten demnach durch den Hinweis auf ihre sinnesm~Big fal]baren Anteile dem Verst/~ndnis niiher gebracht werden. Wenn wir aber fiber die Stellung einer Meskalinsinnest~uschung im psychischen Gesamtgeschehen etwas l~/iheres aussagen wollen, so mfissen wir vom ,,Psychischen" ausgehend an sie herantreten. Warum es z. B. bei zunehmender Meskalinwirkung bzw. im Meskalindelir zum H/~ufiger- werden und vSlligem l~berwiegen der szenenhaften Sinnests kommt, bzw. warum die Erlebnisquahtat dieser und auch der primitiven optischen Sinnest/~uschungen bei zunehmender BewuBtseinsstSrung sich /~ndert, wird nur verst/~ndlieh, wenn man den Bewu[3tseins- oder Geistes- zustand, au/ dessen Boden sie in Erscheinung treten, beriic]csichtigt. Parallel mit dem Grad bzw. der Art der BewuBtseinsst6rung werden n/~mlich unsere psychischen Reaktionsm6ghehkeiten gleichfalls zwangsl/~ufig abge~ndert. Zucker 1 konnte z .B. zeigen, dal3 Delirante ihre Wahr- nehmungen und ihre Sinnest~tuschungen nicht auseinanderhalten k6nnen bzw. reale Wahrnehmungen in diese mithineinbeziehen. DaB bei einer st/~rkeren BewuBtseinst6rung die Fahigkeit zu Wahrnehmung und Beurteilung noeh viel weitgehender allgemeinerer Ver/~nderungen verloren gehen kann, zeigt die Beobaehtung im Fall 8 (Meskalindelir bei Hirn- tumor), bei dem das Krankheitsgeffihl und die Kri t ik so f/Jr seinen sonstigen Zustand wie ffir die meskalinbedingten psyehisehen und k6rperliehen Ver/~nderungen w/~hrend der Wirkung wie aueh naeh- tr/~glich v6llig fehlte. Es ist selbstverst/indlich, dab bei Zust/~nden, wo eine derartig weitgehende Herabsetzung und Einengung der Aufmerk- samkeit und Sehw/~ehe des Urtefls vorliegt, aueh die Art des Erlebens yon Sinnest/~usehungen J~nderungen erfahren muB. Sinkt n~mlich die Aufmerksamkeit in so hohem MaBe, dab das Vorstellungsm/~Bige in allen Erlebnissen so weitgehend fiberwiegt, dab sogar die realen Wahr- nehmungen ganz und gar dem untergeordnet werden, was vorstellungs- m/~Big zur Zeit erlebt wird, so wird es ohne weiteres verst/~ndlich, dab aueh die halluzinatorischen Erlebnisse (bei denen die sinnesm/~Bigen Anteile noch yon viel gerlngerer Inter/sit/~t sind) gleichfalls vSllig mit vorstellungsm/~Bigen Inhal ten gef/ihlt bzw. von ihnen geleitet werden. Die lebha/ten A//ektrealctionen lassen sich auch nur aus den Besonder- heiten der Erlebnisweise bei BewuBtseinstSrung ableiten. Sie beruhen erstens auf der Tatsache der Wahrnehmungsaddquati~t der VorsteUungen, zu der wir auch auBerhalb der deliranten Zust~nde im Meskalinrauseh Ans/itze l inden (Fall 12 bzw. weitere F~lle Leibhaftigerwerden yon Vor- stellungen) und vor allem der hoehgradigen St6rung der Aufmerksamkeit ,

1Zucker: Experimentelles fiber Sinnest/~uschungen. Arch. Psyehiatr. 83 (1928).

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auf Grund dessen jedes Erlebnis infolge Fehlens der Gegenvorstellungen fiberwertig wird. Wit sehen demnach, daft die Art wie Sinnesreize bzw. Sinnestduschungen erlebt werden in erster Linie von den Reaktions- bzw. Erlebnism6glichkeiten des Bewufltseins bzw. Geisteszustandes, au/ dessen Boden sie entstehen, ablgingt.

Es h/ingt demnach bei exogenen Sch/idigungen yon dem Grad und Art der BewuBtseinsst6rung ab, den sie hervorrufen oder schon vorfinden, wieweit sie mehr ,,spezifische" oder mehr ,,unspezifische" (delirante) Sinnests ausl6sen. Die einzelnen deliranten Zusts lassen sich zwar bis zu einem gewissen Grade unterscheiden und auch das Meskalindelir hat seine besonderen Eigentiimlichkeiten in der Art und Ursache der BewuBtseinsst6rung bzw. dementsprechend auch in der Art des Auftretens und dem lebhaften Wechsel der Sinrmst/~uschungen, dies Meskalinspezifische im Entstehen und Verlauf ~ndert aber nichts am Wesen der deliranten Sinnest/~uschungen. Diese sind weniger an die Art als an einen bestimmten Grad yon BewuBtseinsst6rung als solche prim/~r gebunden und werden als oberstes Prinzip durch die Urteils- st6rung (Farster 1) geeinigt auf Grund dessert Wahrnehmungen und Vorstellungen niehr ausemandergehalten worden k6nnen. Dadurch kommt es dann dazu, dab reale Wahrnehmungen, sinnesm~Bige Reizvorg/~nge und Vorstellungen zu einem einheitliehen Erlebnis werden.

Wenn wir auch somit die Zunahme der szenenhaften Meskalinsinnes- ts und die Ver/~nderung ihrer Erlebnisqualit/~t als dureh die beim Zunehmen der Meskalinwirkung sich verst/~rkende BewuBtseins- st6rung bedingt verst/~ndlieh maehen konnten und das v611ige l~ber- wiegen derselben im Meskalindelir beim Hirntumor auBer der spezifischen Meskalinwirkung noch auf die sehon vorher bestandene BewuBtseins- triibung zurfickfiihrten, so soll damit noeh nicht gesagt werden, dab szenenhafte delirante Sinnest/~uschungen ohne weiteres gleich zu setzen w~ren. Wir sind andererseits auch nicht berechtigt, zwisehen ,,primi- riven" und,,szenenhaften" Meskalinsinnest/~usehungen nur graduelle Unter- schiede anzunehmen und den Grad der BewuBtseinsst6rung als allein ausschlaggebend hierftir zu betrachten. Ohno auf die schon vorher auseinandergesetztenUntersehiede noehmals n/~her einzugehen, m6ehte ieh nur auf folgendes hinweisen. Wenn z. B. wie in Fall 3 aus entoptiseh erlebten Schlangerdinien allms eine bei offenen Augen mikroptisch erlebte Szene yon schlangenm/~Big sich bewegenden Linien, sp/~ter Akro- baten an einer Fensterseheibe wird, so kann eine kontinuierliche Aus- gestaltung prim/~r sinnesspezifiseher I~eizvorg/~nge angenommen werden. Wenn aber jemand bei einem primitiven Phosphen (rotes Auileuehten) meint, in einer Schmiede zu sein, und bei der Unterhaltung dement- spreehend die Personen verkennt, so sind das Erlebnisse, zwischen denen

1 Forster: 1. c.

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keine Briicke im Sinne eines kontinuierlichen ~berganges anzunehmen ist. Es handel t sich bei letzterem Erlebnis nicht u m die Ausgestal tung eines pr imi t iven entoptischen Ph~nomens wie beim vorherigea Beispiel, sondern u m ein unausgestaltetes primitives Phosphen, welches nur unter dem EinfluB der groben BewuBtseinsstSrung (wie in diesem Zustand t iberhaupt alles, auch wahrnehmungsm~Big gegebenes) mi t vorstellungs- m~Bigen Inha l t en ]contaminiert erlebt wurde.

Die Betonung der Bedeutung des jeweiligen Bewufltseinszustandes /iir die Art bzw. Erlebniswert der Sinnestduschungen dar/, so wichtig sie auch ist, nicht dazu /i~hren, daft dutch (/berwertung dieses Faktors wieder andere vernachldssigt werden. Man kann aus den Beobachtungen nur die Fol- gerung ziehen, daft wdhrend dutch mittelstarke Intoxikationszustdnde bzw. dutch diese bedingten Bewu[3tseinsst6rungen die Unterschiede im Erlebnis- weft der beiden genetisch verschiedenen Reihen von Meskalinsinnes- tduschungen verdeutlicht werden, diese im Delir sub]ektiv aus schon-aus- einandergesetzten Gri~nden nicht mehr unterschieden werden k6nnen.

Wir sehen auch aus der Analyse der Mes]calinerlebnisse, daft stets mehrere Faktoren (Art der Sinnes~uschung, Geisteszustand, Realit~itsurteil 1) beriick- sichtigt werden miissen, wenn wir die Stellung einer Sinnes~uschung im Rahmen des gesamten psychischen Geschehens er/assen wollen.

Den Schlul3folgerungen von Mayer-Grofl, der auf Grund der Steinschen Ausfiihrungen zu der Auffassung gelangt, daB es keinen Sinn mehr h~tte, zwischen Phosphenen und szenenhaften Sinnest~usehungen zu unter- scheiden kann ieh mich nicht anschlieBen. Ganz kraB gesagt wiirde das heiBen, daB m a n yon der Unterscheidung zwischen einem Rembrand t - schen Gems und einem Farbenklex auch absehen miiBte, da doch beide aus (~lfarbe bestehen. Wie wenig man durch diese Betraehtungs- weise dem Halluzinationsproblem gerecht wird, zeigt am besten ein Ergebnis der Mayer-Groflschen Ausfiihrungen selbst, nachdem zwischen der aku ten Halluzinose Wernickes und dem Delir nur insofern ein Unter- schied vorhanden sei, als bei ersteren vorwiegend die Beteiligung der akustischen Sinnessphi~re, bei letzteren das Optische im Vordergrund stiinde.

VI. Ergebnisse.

Die Untersuchung der Meskalinwirkung bei Defektzustitnden des optischen Systems wurde in vorliegender Arbeit von zwei Gesichtspunkten aus vorgenommen. Es wurde zun~ehst die neurologisch-pharma]cologische Frage naeh dem Wesen der Meskalinwirkung auf das optische Sys tem bzw. auf die sensorischen Systeme i iberhaupt aufgeworfen. I s t die Mes- kal inwirkung lokalisatorisch faBbar ? Sind die durch Meskalin hervor- gerufenen Erscheinungen als Folgeerscheinungen von elektiven Sch~di- gungen bes t immter Zentren bzw. dessen Funkt ionen erkl~rbar oder nur

1Zucker: 1. c.

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yon der Gesamtfunktion als solche ausgehend verst/~ndlich ? Die zweite Frage betraf die bisher im a]]gemeinen nur vom Psychisehen her behan- delten Probleme der Wahrnehmung bzw. der Sinnestduschungen. Wir haben dabei die Ab/~nderungen realer Wahrnehmungen yon den eigentlichen Sinnest/tusehungen getrennt behandelt. W/~hrend wir bei den Wahr- nehmungsab/~nderungen den Versuch gemacht haben, uns auf die Steinsche Auffassung stiitzend~ diese vorwiegend yon der sinnesphysiologischen Seite her, soweit es mSglieh war, verst~ndlich zu machen, sind wir bei der Betraehtung der Sinnest~usehungen im engeren Sinne yon zwei Seiten her an die Erkl/~rung der Erscheinungen herangetreten. Es wurde zun~chst versucht, sie, soweit es mSglich sehien, vom sinnesphysiologisehen Gesiehts- punkt aus zu erfassen, andererseits aber auch vom Psyehischen ausgehend sie zu betrachten bzw. zu analysieren. Die Notwendigkeit zu dieser doppelten Betrachtung ergab sich dadurch, daft die sinnesphysiologische Betrachtungsweise sich als unzureichend erwiesen hat. Ihre Unzul/~nglich- keit wurde auch durch die ph~nomenologisehe Betraehtung der Er- seheinungen nicht ausgegliehen. Dies ging ja aus der Mayer-Groflschen Ausffihrung hervor, welche anstatt zu einer weitergehenden Differen- zierung zu einer Nivellierung yon allem, was als Sinnest~usehung be- trachtet wurde, fiihrten.

Beziiglich der Meskalinwirkung aus neurologisch-pharmakologischen Gesichtspunk!en haben die Untersuchungen ergeben, daft sie nicht als Aus- druck bestimmter lokalisatorisch /aflbarer Schddigungen des optische~ Systems au//aflbar ist. Wenn auch haupts/~chlich zentrale (corticale ?) StSrungen hervorgerufen wurden, so ergaben sich doch auch Anhalts- punkte fiir direkte Beeintr~chtigung peripherer (Netzhaut, Linse) und bulb~rer (Nystagmus Fall 5) Anteile des optischen Systems. Die aus lokalisatorischen Gesichtspunkten angeste]lten Beobachtungen bei peri- pheren Defektzust~nden ergaben, daB der Effekt, n~mlich das BewuBt- werden sonst psychisch korrigierter StSrungen der sensorischen Zuleitung (Astigmatismus, ~qystagmus, Myopie) auf zentrale neurologisch weiter nicht faBbare StSrungen, auf die StSrung der die Wahrnehmung nor- malerweise korrigierenden nicht bewul~t erlebten reproduktiven Vor- stellungst/~tigkeit bzw. auf die dadurch bedingte Ab~nderung der Wahr- nehmung (objektives Sehen) zurfiekzufiihren ist.

Die Untersuchungen an Blinden ergaben, daB fiir die Meskalinwirkung die Lokalisation ihrer Ursachen unwesentlich ist. Bei Sehenden kam es, wie wir auBerdem gesehen haben, auf Grund zentraler und peripherer StSrungen zu ~hnlichen optischen Erlebnissen (Scheinbewegungen n i t Wechsel der Sehsch/irfe Fall 3, Zusammenschrumpfen der Gegenst~nde in Fall 1, ~q/~herkommen und GrSBerwerden der buchstabenf5rmigen Sinnest/iusehungen Fall 1). Es hat sich weiterhin gezeigt, dab peri- phere Anteile des optisehen Systems (Netzhaut) zum Zustandekommen bzw. Erleben bestimmter Erscheinungen mit erforderlieh sind, dab aber

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der diese bedingende Reizvorgang dabei ein vorwiegend zentraler sei (primitive entoptisehe Erseheinungen). Man kSnnte noch eine Reihe yon den Einzelergebnissen hier auffiihren. Sie /iihren aUe zu der Au/- ]assung, daft durch Iokalisatorisch /aflbare, elektive Schiidigungen bzw. deren Auswirkung die Gesamtwirkung des Meskalins au/ die optische Wahrnehmung nicht erkl~irbar ist. Es spricht eher alles dafiir, dab die Meskalinwirkung, nur von den Funktionen ausgehend, zu deren St6rung sie /iihrt, verstdndlich wird. Was wh" hier auf dem optischen Gebiet gesehen haben, t r i ff t auch, wie sp/itere Ausfiihrungen noch zeigen werden, auch fiir die anderen Sinnesgebiete zu. Mit anderen Worten, die Meskalinwirkung ist als eine systemartige au/zu/assen, d. h. als eine Wirkung, welche sozusagen dutch ihre A/finitdt zu Funktionen, zu deren Stb'rung sie /iihrt, charakterisiert wird und unabhdingig yon der Lokalisation alle diesen Funktionen dienende Mechanismen ergrei/t bzw. in einem bestimmten Sinne beeinfluflt.

Es w/ire nicht richtig, aus diesem Ergebnis die SchluBfolgerung zu ziehen, dab demnach sich die lokalisatorische Betrachtung der Meskalin- wirkung als sinnlos erwiesen hat. Ihre Durchffihrung als Exper imentum crucis war nicht nur eine selbstverst/~ndliche Forderung des experimentellen Denkens, es wurde dadurch nicht nut der Sinn des , ,Systemartigen" uns n/iher gebracht, sondern es lieB sich durch dieses Vorgehen die Genese einer ganzen Reihe yon Meskalinph/inomenen n/iher beleuchten. Der A_uteri zentraler oder peripherer Faktoren an ihrem Zustandekommen konnte ausgeschlossen oder wahrscheinlich gemacht werden. Bei den Scheinbewegungen wurde dadurch die Ursache zum Tell in der zentral- bedingten St6rung, der Anpassungsf/ihigkeit yon sensorischen ,,Bewe- gungstendenzen" an die mehr peripher fundierte Funkt ion der Augenbewegungen erblickt und somit auch die Wirkung des Dreh- nachnystagmus auf die Scheinbewegungen an der realen Umgebung klar gelegt. Die Notwendigkeit des Sinnesapparates zum Erleben yon entoptischen Erlebnissen, die an sich noch nicht vSllig sicher gestellten Differenzen der Meskalinwirkung bei Traktus und Occipitallappen- Hemianopsie sind alles Resul ta te , die nur auf diesem Wege erzielbar waren.

Die Analyse der meskalinbedingten Wahrnehmungsab/inderungen an den nach lokalisatorischen Gesichtspunkten ausgew/ihlten Defekt- zust/inden des optischen Systems ffihrte, wie schon erw/ihnt, zur Auf- fassung, dab es sich beider Meskalinwirkung um eine systemart igeWirkung in pharmakologisch-funktionalem Sinne handelt. Die Unm6glichkeit diese Wahrnehmungsab/~nderungen als Folgeerscheinungen yon Sch/idigungen bestimmter lokalisatorisch faBbarer Anteile des optisehen Systems zu erkl/iren, zog andere1~eits die Notwendigkeit mit sich, auch sie selbst sowie die Wahrnehmung iiberhaupt aus funktionalem Gesichtspunkte zu betrachten. Wir haben uns dabei im wesentliehen auf die Steinsche

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Wahrnehmungstheorie zu stiitzen versucht und wandten uns (unter Vernachl~ssigung der Schwankungen der Schwellenwerte bzw. des Funktionswandels) besonders dem sinnesunspezifischen gestaltenden Faktor der ,,sensorischen Bewegung" zu und versuchten, die Meskalin- erlebnisse, soweit es mSglich schien, durch ihre StSrung im Wahr- nehmungsakt verst~ndlich zu machen. Ohne auf diese Erscheinungen noch einmal einzeln einzugehen, mSehte ich hier nur noch mit einigen Worten auf die Schwierigkeiten zu sprechen kommen, welche bei der Heran- ziehung der sensorischen Bewegung zur Erkldirung der Meskalinphdinomene sehon bei den Ab/s der realen Wahrnehmung entstehen. Bei einer Reihe yon Erseheinungen, die als Bewul3twerden der dutch periphere Defekte bedingten StSrungen der sensorischen Zuleitung aufgefal3t werden muBten, waren wir als Erkl~rung auf das sog. ,,objektive Sehen" angewiesen. Dessen Genese haben wir zwar (auf dem Wege der StSrung unserer Vorstellungsabl~ufe infolge Meskalinwirkung) aueh auf die StSrung der sensorischen Bewegung zuriiekzufiihren versucht. Es handelt sich aber doch bei dieser sozusagen um eine allgemeine intrapsychische sinnesphysiologiseh nicht nKher faBbare St6rung. Auch bei der Er- kl~rung der Seheinbewegungserlebnisse war es schwierig, ihre differente Erscheinungsform an der realen Umgebung und an Sinnest~uschungen zu erkl~ren. Wit ~ul3erten die Vermutung, dal3 diese Differenzen durch die Anpassungsnotwendigkeit der prim/~r zentralen freien Bewegungs- tendenzen an mehr peripherer fundierten Funktionen bei realen Wahr- nehmungen bedingt waren. Es liel3en sich auch noch weitere Beispiele anfiihren, die alle zeigen wiirden, dab der Begriff der sensorischen Be- wegung noch in vielen Beziehungen eines weiteren Ausbaues einer Diffe- renzierung und Analyse ihrer Wirkungsweise bzw. ihrer Beziehungen zu mehr zentral oder peripher fundierten Mechanismen bedarf, um uns im Einzel/all als Erkl~rung dienen zu kSnnen. Es mul3 allerdings anderer- seits gesagt werden, dal3 wit mit diesem Begriff in vielen F/~llen, wo bisherige Wahrnehmungstheorien uns nicht weiter he[fen konnten, zu DeutungsmSglichkeiten gelangt sind, wie z .B. bei der Deutung der RaumwahrnehmungsabKnderungen unter Meskalin bei Sehenden und Blinden, welche wir oben gaben. Die l~aumwahrnehmungsab/~nderungen beweisen dutch die GleichfSrmigkeit ihrer Richtung die Unabh/~ngigkeit der Ab/~nderungen vom Sinnesgebiet. Diese Unabh/~ngigkeit aber yon einer bestimmten Sinnessph~re zwingt zur Erkl/~rung im Steinschen Sinne, d.h. zur Annahme eines sinnesunspezifischen Faktors, welcher in jeder Wahrnehmung enthalten ist.

Beobachtungen auf dem Gebiet der Sinnest/~usehungen haben ge- zeigt, dab aueh die verschiedenen Arten yon Sinnest~usehungen (primi- tive und szenenhafte) unabhKngig yon der SinnessphKre bei Sehenden und kongenital Blinden in gleicher Weise vorzufinden sind. Somit wKre auch hier bei Anwendung einer sinnesphysiologischen Betraehtungs-

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weise in einem sinnesunspezifischen Fak to r in tier sensorischen Be- wegung bzw. deren StSrungen der rote Faden zu suchen.

Auf Grund der sehon im speziellen Teil erl~uterten UnzulKnghehkeit derartiger Betraehtungen zur Erfassung yon komplizierten psyehisehen Vorgi~ngen aber haben wit eingesehen, dab bei den Sinnest/~usehungen dieser Weg allein zur Zeit keine Kli~rung erm6glicht. Wi t haben daher die Meskahnsinnest/~uschungen auch vom Psyehischen ausgehend (entspre- chend der zuletzt von Zucker aufgestellten Forderungen) zu betrachten ver- sueht. Die Ergebnisse der vorangegangenen Versuche lassen sich in dieser Beziehung folgendermaBen zusammenfassen: Unter den optischen Meskalin- sinnes~uschungen (wahrscheinlich auch au/ anderen Sinnesgebieten) k6nnen wit zwei Reihen unterscheiden: die ,,primitiven" ,,entoptischen" prim/~r durch sinnesspezifisehe Reizvorg~nge bedingten (meskalinspezifischen) und die ,,szenenha/ten" prim/~r vorstellungsm/~Bigen unspezifischen. Die beiden Reihen yon optisehen Erlebifissen sind auch bei leichteren Intoxika- tionszust/s gut zu unterscheiden. Unter dem Ein/lufl cl~r toxisch oder sonstwie bedingten Bewu]3tseinsst6rung vergndert sich die Erlebnisqualitdit dieser Erlebnisse, wodurch die Unterschiede zwischen ihnen verdeutlicht werden. N i m m t die BewuBtseinsst6rung so weir zu, dab es zu einem deliranten Zus tand kommt , so wird eine Trennung yon ihnen auf Grund der Ab/mderung unserer Art zu erleben im Delir nicht mehr mSglich.

Dami t w~re das Wesentliche der Ergebnisse zusammengefaBt. I ch mSchte hier zum SehluB nur noch auf ein unsere Auffassung der deli- ranten Sinnest/iusehungen best~tigendes wichtiges Ergebnis erneut hin- weisen. Die Erfahrungen an den Meskahnversuchen, insbesondere am Meskalindelir haben gezeigt, daB, im Gegensatz zu den Sinnest~usehungen bei geringerer BewuBtseinstrfibung im Delir die ,,sinnesm~Bigen" Elemente in einem v611ig lockeren Zusammenhang stehen zu dem, was an Sinnes- t~uschungen erlebt wird. Sie sind nieht einmal fiir das Sinnesgebiet best immend. Es wird mit anderen Wor ten fiber das Wesen der deli- ran ten Sinnest/~usehungen durch die Feststellung von sinnesm~Bigen Reizvorg/ingen sogut wie garnichts ausgesagt , hSchstens soviel, dab die BewuBtseinstriibung bzw. StSrung allein nicht ausreieht um ein Delir hervorzurufen. Wir kommen ansie aueh z.Z. n u r v o m ,,Psychischen" heran indem wir unter Berficksichtigung des deliranten BewuStseins- zustandes sie durch die diesem Zustand eigentfimlichen Reaktions- und ErlebnismSgliehkeiten, welehe eine Urteilsst6rung bedingen, erkl~ren.