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Z Rheumatol 2007 · 66:556–561DOI 10.1007/s00393-007-0208-yOnline publiziert: 22. September 2007© Springer Medizin Verlag 2007
S. Unger1 · A.-K. Tausche2 · S. Kopprasch1 · S.R. Bornstein2 · M. Aringer2 · J. Gräßler1
1 Bereich Pathologische Biochemie, Medizinische Klinik und Poliklinik III, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Technische Universität Dresden2 Medizinische Klinik und Poliklinik III, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Technische Universität Dresden
Molekulare Grundlagen der primär-renalen HyperurikämieZur Rolle des humanen Urattransporters hURAT1
Leitthema
Die Hyperurikämie ist als eine der häufigsten Stoffwechselstörungen heute nahezu gleichmäßig über die gesamte Bevölkerung der hochindus-trialisierten Länder verbreitet [1, 2]. Unter entsprechenden physikoche-mischen Bedingungen kann sie zur Ausfällung von Natriumurat im Binde-gewebs- und Skelettsystem und/oder der Niere führen und sich als Gicht kli-nisch manifestieren [2, 3, 4].
Über 90% der hereditären Hyperurikämien resultieren aus einer inadäquaten renalen Harnsäureausscheidung [3, 5]. In weniger als 1% der Fälle wird die primäre Hyperurikämie durch eine Harnsäureüberproduktion infolge verschiedener Gendefekte ausgelöst. Am häufigsten beobachtet werden eine Superaktivität der Phosphoribosylpyrophosphat (PRPP) Synthetase und ein Aktivitätsverlust der HypoxanthinGuaninPhosphoribosyltransferase (HGPRTDefekt, LeshNyhanSyndrom; [2, 3]).
Die der eingeschränkten Uratexkretion durch die Niere zugrunde liegenden genetischen Defekte waren bislang unbekannt. Während frühere Studien eine EinzelGenErkrankung annahmen, gibt es zunehmend Hinweise für eine polygene Kontrolle der renalen Harnsäureausscheidung [1, 4, 6, 7]. Als Ergebnis einer Zwillingsstudie schätzten Emmerson et al. 1992 [6] die Vererbbarkeit der fraktionellen Harnsäureausscheidung auf nahezu 90% und konnten somit eine star
ke genetische Komponente der renalen Uratexkretion nachweisen. Eine pathogenetische Relevanz von Urattransportern in der Niere bei der Entstehung einer primärrenalen Hyperurikämie war deshalb sehr wahrscheinlich [4, 7, 8, 9, 10].
Renale Harnsäureexkretion
Harnsäure entsteht hauptsächlich in der Leber und der Dünndarmmukosa als Endprodukt des Purinstoffwechsels [2, 4, 9, 11, 12] und wird zu 1/3 über den Darm, zu 2/3 über die Niere ausgeschieden [2, 4, 9, 12, 13].
EDie renale Exkretion der schwachen organischen Säure ist von maßgeblicher Bedeutung für die Aufrechterhaltung der Harnsäurehomöostase.
Bisher konnten 6 Harnsäuretransportproteine molekulargenetisch identifiziert, kloniert und funktionell charakterisiert werden, die die Reabsorption und Sekretion des Urats im proximalen Tubulus der Niere vermitteln [4, 9, 12, 14].
Bisher beschrieben wurden (.Abb. 1; [9, 10, 12, 14]):FUAT („uric acid transporter“), ein po
tenzialabhängiger Uratkanal/Urattransporter,
FNPT1 („Na+phosphate transporter 1“), ein Na+abhängiger NatriumPhosphatTransporter,
FMRP4 („multidrug resistance associated protein 4“), ein elektroneutraler, energieabhängiger organischer Anionentransporter (Pumpe),
FOAT1 und OAT3 („organic anion transporter 1“, „3“), als elektroneutrale Antiporter organischer Anionen,
FhURAT1 („human urate transporter 1“), als hochspezifischer Urat AnionenAustauscher.
Die Transportproteine OAT1 und OAT3 (.Abb. 1) vermitteln die basolaterale Aufnahme der Harnsäure aus der extrazellulären Flüssigkeit (EZF). Urat wird anschließend durch die unidirektionale ATPabhängige Effluxpumpe MRP4 und den Na+abhängigen Phosphattransporter NPT1 in das tubuläre Lumen sezerniert [8]. Aufgrund der intra und extrazellulären Ladungsdifferenzen wird eine Beteiligung des elektrogenen Uratkanal/transporters UAT bei der Sekretion und Reabsorption von Urat aus der Nierenepithelzelle favorisiert [9]. hURAT1 reabsorbiert Urat aus dem tubulären Lumen.
Der Mensch, als Uratreabsorber, scheidet lediglich 5–10% der glomerulär frei filtrierbaren Harnsäure im Endurin aus (fraktionelle Harnsäureausscheidung; [4, 9, 12, 15]), sodass davon ausgegangen werden kann, dass die Reabsorption des Urats durch den UratAnionenAustauscher hURAT1 eine entscheidende Rolle für die Regulation der Serumharnsäurekonzentration spielt.
556 | Zeitschrift für Rheumatologie 7 · 2007
Molekulargenetische und funktionelle Charakterisierung des hURAT1
Der UratAnionenAustauscher hURAT1 wurde durch Enomoto et al. 2002 [10] molekulargenetisch identifiziert und funktionell charakterisiert. Das Gen dieses Transportproteins ist auf dem Chromosom 11q13 lokalisiert, besteht
aus 10 Exons und 9 Introns und wird der „solute carrier family 22“ (SLC22, „organic anion/cation transporter“) als Mitglied 12 zugeordnet (SLC22A12; [10]). Bislang wurden 2 Transkripte detektiert, die in der 5’UTR („untranslated region“) und in codierenden Regionen differieren. Die lange, vermutlich biologisch aktive, Isoform des hURAT1 besitzt 553 Aminosäuren mit intrazellulären
N und CTermini sowie 12 Transmem brandomänen [10]. Der möglicherweise als Folge alternativen Splicings entstehenden kurzen Isoform fehlen Teile der 5’UTR sowie komplett die Exons 1, 2 und 3, wodurch das Protein um 221 Aminosäuren kürzer ist. Diese Nterminal verkürzte Isoform verliert dadurch alle 3 putativen Glykosylierungsstellen, die sich in der ersten extrazellulären Schleife befinden. An anderen Transportproteinen konnte gezeigt werden, dass die Glykosylierung entscheidend für den gerichteten Einbau des Proteins in die Membran ist [16]. Die biologische Bedeutung der kurzen Isoform ist bisher unbekannt.
Interessanterweise konnte kürzlich eine Expression des hURAT1 auch in glatten Gefäßmuskelzellen nachgewiesen werden, deren Bedeutung jedoch bislang völlig unklar ist [17].
> hURAT1 ist das bedeutendste Protein der tubulären Harnsäureabsorption
Der UratAnionenAustauscher ist hochspezifisch für Harnsäure, besitzt eine Sättigungskinetik, ist elektroneutral und reabsorbiert Urat im proximalen Tubulus im Austausch gegen organische und anorganische Anionen (.Abb. 2; [10]). Er stellt das bedeutendste Protein der tubulären Harnsäurereabsorption dar, das derzeitig bekannt ist, und das vermutlich von erheblicher Relevanz für die Entstehung primärer renaler Harnsäureausscheidungsstörungen ist.
Der UratAnionenAustauscher hURAT1 vermittelt den reabsorptiven Transport des Urats im Austausch zu den Halogenen Chlorid, Bromid, Jodid und organischen Anionen wie Laktat, Pyrazinamid, Nikotinat, Acetoacetat, Ketoglutarat, Hydroxybutyrat, Succinat und Orotat (.Abb. 2; [10]). Die CounterAnionen des Carriers akkumulieren durch Aufnahme aus dem tubulären Lumen über die Na+AnionCotransporter SLC5A8 und SLC5A12 [4], aus der extrazellulären Flüssigkeit (EZF) über basolaterale Transporter oder durch intrazellulären Metabolismus und werden anschließend entlang ihres elektrochemischen Gradienten im elektroneutralen Austausch gegen Urat in das tubuläre Lumen transportiert [10, 12, 13, 20].
Urat-
Anion-
Urat-Urat-
Anion-
Urat-
Anion-
Urat-
Urat-URAT1
MRP4
OAT1
OAT3
UAT
UAT
apikal basolateral
Reabsorption
Sekretion
NPT1
Urat-
Phosphat-
EZFLumen
Abb. 1 8 Urattransport im renalen proximalen Tubulus
Pyrazinamid SuccinatAcetoacetat HydroxybutyratKetoglutarat LactatNicotinat OrotatCl-, Br-, I-
Na+Na+
K+
Anion-
Urat-
Anion-
apikal basolateral
URAT1
ATPaseSLC5A8/12
Metabolismus
Lumen EZF
Abb. 2 8 Rolle des Urat-Anionen-Austauscher hURAT1 bei der Harnsäurereabsorption im renalen proximalen Tubulus
558 | Zeitschrift für Rheumatologie 7 · 2007
Leitthema
hURAT1 als erstes Kandidatengen der primär-renalen Hyperurikämie
Die zentrale Bedeutung des hURAT1 für die Regulation des Serumharnsäurespiegels erschloss sich durch den Nachweis von „LossoffunctionMutationen“ bei Patienten mit idiopathischer renaler Hypourikämie [10]. Aktuelle Studien belegen die Assoziation von Serumharnsäurespiegel und UratAnionenAustauschern in verschiedenen ethnischen Gruppen. Die Sequenzanalyse des hURAT1 in einer mexikanischen Studienpopulation konnte eine Insertion im Exon 4 (680insG) und die 5 MissenseMutationen C850G, G868T, C889G, G894T sowie T914G im Exon 5 bei hypourikosurischen Patienten nachweisen [18]. Der SNP („single nucleotide polymorphism“) rs893006 im Intron 4 des hURAT1Gens wurde als Ursache erhöhter Werte der Harnsäure im Serum bei Japanern detektiert [19].
Aufgrund dieser Studienergebnisse wurde der hURAT1 ebenfalls als Kandidatengen für die Genese einer reduzierten renalen Harnsäureausscheidung in Betracht gezogen [4, 10, 12, 20]. Diese Hypothese wurde kürzlich mittels einer FallKontrollStudie an einer deutschkaukasischen Studienpopulation aus 389 Hypo und 263 Normourikosurikern bestätigt [5]. Voraussetzung für diese Studie war eine exakte phänotypische Charakterisierung der Probanden, da die renale Harnsäureelimination durch multiple Faktoren wie Purinaufnahme, endogene Purinsynthese, Alkoholkonsum, Medikamenteneinnahme und Störungen der Nierenfunktion beeinflusst wird [5]. Das Vorliegen einer renalen Harnsäureausscheidungsstörung wurde anhand des empirisch ermittelten Einschlusskriteriums einer fraktionellen Uratexkretion FE 6,5% (FE=HarnsäureClearance/KreatininClearance x 100%) definiert. Individuen mit malignen Erkrankungen, Nieren und Leberfunktionsstörungen sowie unter der Therapie mit urikosurischen Medikamenten wurden aus der Studie ausgeschlossen.
Insgesamt wurden 7 Polymorphismen und 3 seltene genetische Varianten im hURAT1Gen identifiziert, von denen 5 in der Nterminalen Region mit der re
Zusammenfassung · Abstract
Z Rheumatol 2007 · 66:556–561 DOI 10.1007/s00393-007-0208-y© Springer Medizin Verlag 2007
S. Unger · A.-K. Tausche · S. Kopprasch · S.R. Bornstein · M. Aringer · J. Gräßler
Molekulare Grundlagen der primär-renalen Hyperurikämie. Zur Rolle des humanen Urattransporters hURAT1
ZusammenfassungIn hochindustrialisierten Ländern ist die Hy-perurikämie eine der häufigsten Stoffwech-selstörungen. Erhöhte Serumspiegel der Harnsäure können zur Präzipitation von Urat-kristallen im Bindegewebs- und Skelettsys-tem sowie in der Niere führen und sich als Gicht klinisch manifestieren. In mehr als 90% der Hyperurikämien ist eine primär vermin-derte renale Harnsäureausscheidung nach-weisbar. Trotz der Identifizierung verschie-dener Harnsäuretransportproteine konn-te deren pathogenetische Beteiligung an der Auslösung einer primären renalen Harn-säureexkretionsstörung bislang nicht belegt werden. Im Rahmen einer Fall-Kontroll-Stu-die mit Hypo- und Normourikosurikern ge-lang erstmals der Nachweis einer Assozia-tion von Polymorphismen im Gen des hu-manen Urat1-Transporters (hURAT1) mit ei-ner verminderten renalen Uratausscheidung.
Der hURAT1 ist ein Transporter organischer Anionen (SLC22A12) und wird präferenziell in der apikalen Membran proximaler Tubu-luszellen exprimiert. Als Antiporter vermit-telt er den reabsorptiven Transport von Urat aus dem Lumen in die Tubuluszelle im Aus-tausch gegen organische und anorganische Anionen. Mutationen im hURAT1 mit Funk-tionsverlust sind eine Ursache hereditärer re-naler Hypourikämien. Als Hyperurikämiekan-didatengen ist der fein regulierte hURAT1 ein wichtiges Ziel für die Entwicklung und Opti-mierung neuer diagnostischer Verfahren und pharmakologischer Substanzen zur Therapie primär-renaler Harnsäureausscheidungs-störungen.
SchlüsselwörterHarnsäure · Harnsäuretransport · URAT1 · Hyperurikämie · Gicht
Molecular basis of primary renal hyperuricemia. Role of the human urate transporter hURAT1
AbstractIn highly industrialized countries hyperuri-cemia is one of the most common metabol-ic disorders. High uric acid blood levels may lead to the manifestation of gout owing to the precipitation of urate crystals in connec-tive tissue, the skeletal system and kidneys. A primary reduction of renal uric acid excre-tion can be detected in more than 90% of all cases of hyperuricemia. Despite the identifi-cation of several uric acid transporting pro-teins their pathogenetic role for the induc-tion of primary reduced renal uric acid excre-tion has not yet been verified. As a result of a case-control study on individuals with nor-mal and reduced renal uric acid excretion, an association of polymorphisms in the human urate transporter 1 gene (hURAT1) with pri-mary reduced urate excretion has been dem-onstrated for the first time. The hURAT1 gene
is an organic anion transporter (SLC22A12), which is preferentially expressed in the api-cal membrane of proximal renal tubule cells. Functioning as an antiporter, hURAT1 medi-ates the uptake of urate from the lumen in-to proximal tubule cells in exchange for or-ganic and inorganic anions. Loss-of-function mutations in the hURAT1 gene are a cause of hereditary renal hypouricemia. The precisely regulated hURAT1 is a candidate gene for hy-peruricemia and an important target for the development and optimization of new diag-nostic approaches and pharmacological in-terventions of primary reduced renal uric ac-id excretion.
KeywordsUric acid · Urate transport · URAT1 · Hyper-uricemia · Gout
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nalen Harnsäureausscheidung assoziiert waren (.Abb. 3).
Die Polymorphismen P788 T>A, P764 C>T und P718 T>C in der Promotorregion, C258T im Exon 1 (His86His), C426T im Exon 2 (His142His), T1309C im Exon 8 (Leu437Leu) und IVS9+18 C>T im Intron 9 des SLC22A12 konnten im Rahmen der eigenen FallKontrollStudie im hURAT1Gen detektiert werden. Ferner wurden die seltenen genetischen Varianten C274T im Exon 1 (Arg92Cys), IVS9–11 T>A im Intron 9 und die Deletion delCCT 1703–1705 in der 3’UTR identifiziert. Die rot markierten SNP in der Promotorregion, im Exon 1 und Exon 2 (.Abb. 3) sind mit einer verminderten renalen Uratexkretion assoziiert [5].
Die höchste Assoziation zwischen Uratexkretion und hURAT1 ergab sich für den SNP C426T im Exon 2 (rs11231825). Das TAllel in diesem Polymorphismus war mit einem 2,5fach höheren Risiko für eine Harnsäureausscheidungsstörung verbunden (p=0,0002 mittels CochranArmitageTrendTest; [5]). Die anschließende Konstruktion von individuellen Haplotypen aus 3 repräsentativen Polymorphismen des NTerminus mittels genetischmathematischer Methoden ergab einen Risikohaplotyp, der mit einer signifikanten Verminderung der renalen Harnsäureausscheidung einherging [5].
Die molekulargenetischen Mechanismen, die durch die polymorphen Loci und den Risikohaplotyp induziert werden und eine gesteigerte renale Reabsorption des hydrophilen Urats durch den Antiporter hURAT1 verursachen, sind bisher unklar [5, 18, 19]. Den mRNASpleißprozess und die Promotoraktivität regulierende cisElemente könnten die vermehrte Expression des Harnsäuretransportproteins in Nierenepithelzellen
bewirken [5]. Des Weiteren wird der Einfluss des alternativen Spleißens und der dadurch bedingten Generierung strukturell und funktionell differenter Isoformen des hURAT1, die unterschiedlich reguliert sein können, auf den reabsorptiven Transport und die Genese der primären Hyperurikämie vermutet [5, 18].
Diagnostische Relevanz des hURAT1
Mutationen des hURAT1 sind Ursache der gesteigerten oder reduzierten renalen Exkretion des Urats. Polymorphe Genloci tragen zur interindividuellen Variabilität der Harnsäureexkretion und somit zur Heterogenität der Harnsäureserumkonzentration bei [12, 20, 21, 22]. Analysen der kaukasischen [5] und mexikanischen [18] Studienpopulationen zeigen:
EDie fraktionelle Uratexkretion ist ein valider Parameter für genetische Untersuchungen und für die Identifizierung renaler Harnsäureausscheidungsstörungen.
Sie untermauern damit die Forderung nach einer subtilen renalen Funktionsdiagnostik einschließlich der Bestimmung von Kreatinin und HarnsäureClearance für eine Differenzialdiagnose der Hyperurikämie [2].
Die Detektion weiterer Sequenzvarianten im Gen des UratAnionen Austauschers auch in unterschiedlichen ethnischen Gruppen und die Assoziationsanalyse mit Störungen der renalen Harnsäureelimination stellen wichtige Aufgaben weiterer wissenschaftlicher Untersuchungen dar, um zukünftig eine exakte Typisierung der ineffizienten Uratexkretion zu ermöglichen.
Pharmakologische Relevanz des hURAT1
Die Identifizierung des hURAT1Gens als erstes Kandidatengen der Hypourikosurie bei Patienten mit primärer Hyperurikämie bildet die Grundlage zur Entwicklung von Pharmaka, die mit diesem Harnsäuretransportprotein interagieren und die gestörte renale Ausscheidung der schwer löslichen Substanz beeinflussen [8, 9, 12, 14, 20, 21, 23]. Neue Medikamente könnten so die nebenwirkungsreichen Urikosurika Benzbromaron und Probene-cid [2, 14, 23], die die Uratreabsorption durch Interaktion mit hURAT1 vom tubulären Lumen hemmen (CisInhibition; [10, 13]), in der Therapie der Hyperurikämie und Gicht ablösen [12, 14, 23].
Ferner ist der UratAnionenAustauscher Zielmolekül vieler Pharmaka, die die Wirkung der Urikosurika zur Therapie der gestörten renalen Harnsäureexkretion einschränken oder verstärken. Aktuelle Studien zeigen, dass Oxypurinol, der Metabolit des Xanthinoxidaseinhibitors Allopurinol, durch das Harnsäuretransportprotein reabsorbiert wird [24]. Pharmakologische Effekte des Allopurinols werden somit bei Kombination mit Benz-bromaron reduziert [24]. Phenylbutazon, Sulfinpyrazon, nichtsteroidale Antirheu-matika, Furosemid und Losartan hemmen den Carrier und besitzen daher eine urikosurische Wirkung [10]. Trotz des geringen Effekts dieser Medikamente auf die renale Harnsäureexkretion sollte deren therapeutischer Einsatz bei komorbiden hyperurikämischen Patienten [23] und die Interaktion der urikosurischen Medikamente Fenofibrat, Atorvastatin und EMD 336340 mit dem UratAnionenAustauscher hURAT1 in zukünftigen Studien untersucht werden [23].
Antiurikosurika wie Pyrazinamid oder Nikotinat stimulieren hingegen die Aktivität des Carriers und reduzieren dadurch die renale Uratausscheidung, da sie nach Na+abhängiger Aufnahme in die Nierenepithelzelle dem Harnsäuretransporter als CounterAnionen dienen (Transstimulation; [10, 13, 20]). Ein biphasischer Effekt auf die Harnsäureausscheidung wurde für Pyrazinamid [4, 10, 12, 13, 15, 20], Salicylate [4, 12, 15, 20], Phenylbuta-zon [15], Cyclooxygenasehemmer [15] und
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 3´5´
-764 C>T
-788 T>A
C426T-718 T>C
C274T
C258T delCCT
1703-1705
T1309C
IVS9-11 T>A
IVS9+18 C>T
Abb. 3 8 Polymorphismen und seltene genetische Varianten im hURAT1
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Leitthema
Probenecid [12, 15] nachgewiesen. Niedrige Dosen wirken durch Transstimulation des Carriers antiurikosurisch, während hohe Konzentrationen den Urattransport cisinhibieren und die Elimination des hydrophilen Anions steigern [12, 15, 20].
> hURAT1 interagiert mit verschiedenen Arznei-mitteln und beeinflusst deren Pharmakodynamik
Wissenschaftliche Studien demonstrieren ferner, dass Pyrazinamid, Benzbroma-ron und Probenecid keine Veränderungen der renalen Uratexkretion bei hypourikämischen Patienten mit Mutationen im SLC22A12 bewirken [25]. Sie bestätigen daher die Interaktion dieser Arzneimittel mit dem UratAnionenAustauscher und den Einfluss von Mutationen im hURAT1Gen auf die Pharmakodynamik von Therapeutika. Pharmakogenetische Untersuchungen des SLC22A12 könnten daher die interindividuelle Variabilität der Medikamenteneffekte analysieren und zur Optimierung der Behandlung renaler Uratexkretionsstörungen beitragen [14].
Fazit für die Praxis
Der Urattransporter hURAT1 reabsorbiert Urat im renalen proximalen Tubulus im Austausch gegen Anionen und ist des-halb für die Aufrechterhaltung der Harn-säurehomöostase von zentraler Bedeu-tung. Eigene Untersuchungen konnten SLC22A12 als erstes Kandidatengen der reduzierten Uratexkretion bei primären Hyperurikämikern nachweisen [5]. Die Identifizierung und Charakterisierung des Urat-Anionen-Austauschers hURAT1 liefert die Grundlage für die Erforschung exakter Mechanismen des renalen Harn-säuretransports, pathophysiologischer Modelle der primären Hyperurikämie und für die Entwicklung sowie Optimie-rung von diagnostischen Methoden und von Pharmaka, die die renale Ausschei-dung der schwer löslichen Substanz be-einflussen. Die eigenen [5] und internati-onalen [18, 19] Ergebnisse sowie die Un-tersuchungen mit hypourikämischen Pa-tienten [10, 12] zeigen, dass weitere Po-lymorphismen und/oder Harnsäuretrans-portproteine in die renale Uratausschei-
dung involviert sind und bestätigen da-mit die These der polygenen Kontrolle der Hyperurikämie [7]. Ziel zukünftiger wissenschaftlicher Untersuchungen soll-te daher die Detektion weiterer Kandi-datengene der gestörten Uratexkreti-on und die Entwicklung molekularer Mo-delle der gesteigerten Uratreabsorption durch hURAT1 bei Patienten mit primärer Hyperurikämie sein.Eine interessante Frage ist ferner, ob ge-netische Varianten des SLC22A12 Ursache der Uratnephrolithiasis sind [10] und ob sie mit der Lebensspanne des Menschen korrelieren [22]. Denn eine Frage bleibt offen: Warum besitzen Menschen einen solchen effektiven Uratreabsorptions-mechanismus in ihren Nieren?
KorrespondenzadresseProf. Dr. J. GräßlerBereich Pathologische Biochemie, Medizinische Klinik und Poliklinik III, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Technische Universität DresdenFetscherstraße 74, 01307 [email protected]
Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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