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Arch. exper. Path. u. Pharmakol., Bd. 215, S. 460--468 (1952). Aus dem Pharmakognostischen und dem Pharmakologischen Institut der Universit/~t Innsbruck, Morphin~hnlieh wirkende Analgetika und Darmmotorik. I. Spasmolyse und Peristaltik ~. Von 0. SCHAUMANN,M. GIOVANNIN! und K. JOCHUM. Mit 2 Textabbildungen. ( Eingega~jen am 4. Februar 1952.) In seinen klassischen Untersuchungen tiber die Dtinndarmmotorik k o m m t TRENDELENBURG 1 ZU dem Schlul~, dal~ die ,,rein neurogene Ent- stehung der Darmperistaltik wohl nicht bezweifelt werden kann" ; er h~lt es ftir bewiesen, ,,dab der Vorgang der peristaltischen Entleerung an die T~tigkeit eines nerv6sen Reflexbogens gebunden ist". Da andererseits nach EBBECKE 2 ,,der Schmerz auch in seinem subjektiven Anteil die Eigenttimlichkeiten hat, die als Reflexgesetzm~l~igkeiten aus den Unter- suchungen am Spinaltier bekannt sind", konnte es vielleicht m6glich sein, den Peristaltikreflex als leichter zu durchschauendes Modell fiir den Schmerzreflex zu bentitzen. Grundbedingung fiir derartige Erw~gungen ist, dab die Peristaltik- hemmung eine spezi/ische Wirkung der morphin~hnlichen Analgetika (m.b.A.) ist, d. h. dal~ sic ihrer analgetischen Wirksamkeit parallel geht. Zur Prtifung dieser Bedingung erscheinen vor allem die optischen Iso- meren der gleichen Verbindung geeignet, die durch die Entwicklung der synthetischen m.b.A, zug~nglieh geworden sind und nach fiberein- stimmenden Versuchen verschiedener Autoren a in ihrer analgetischen Wirksamkeit stark differieren. Eine solche spezifische Wirkung auf die Peristaltik war nicht yon vornherein vorauszusehen, da beziiglich der ,,niederen" Bewegungsformen des Darmes -- Pendelbewegungen und Tonussehwankungen -- sowie beztiglich des Antagonismus gegen krampf- erregende Gifte, der sogenannten ,,spasmolytischen" Wirkung, nach den Untersuchungen von T~ORP ~ eine solehe Spezifit/it nicht vorhanden ist. So sind in dieser Beziehung die optischen Isomeren des Polamidons** trotz ihrer stark differierenden analgetischen Wirksamkeit ungef~hr gleieh wirksam; dem Morphin (Mo.) und dem Dromoran*** fehlt eine * Herrn Prof. Dr. W. HEU~ER zum 75. Geburtstag gewidmet. ** Polamidon ~ Markenname fiir dl-2-Dimethylamino-4,4-diphenylheptanon-5. *** Dromoran = Markenname ffir dl-3-Oxy-N-Methyl-morphinan.

Morphinähnlich wirkende Analgetika und Darmmotorik

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Page 1: Morphinähnlich wirkende Analgetika und Darmmotorik

Arch. exper. Path. u. Pharmakol., Bd. 215, S. 460--468 (1952).

Aus dem Pharmakognostischen und dem Pharmakologischen Institut der Universit/~t Innsbruck,

Morphin~hnlieh wirkende Analgetika und Darmmotorik. I. Spasmolyse und Peristaltik ~.

Von 0. SCHAUMANN, M. GIOVANNIN! und K. JOCHUM.

Mit 2 Textabbildungen.

( Eingega~jen am 4. Februar 1952.)

In seinen klassischen Untersuchungen tiber die Dtinndarmmotorik kommt TRENDELENBURG 1 ZU dem Schlul~, dal~ die ,,rein neurogene Ent- stehung der Darmperistalt ik wohl nicht bezweifelt werden kann" ; er h~lt es ftir bewiesen, ,,dab der Vorgang der peristaltischen Entleerung an die T~tigkeit eines nerv6sen Reflexbogens gebunden ist". Da andererseits nach EBBECKE 2 ,,der Schmerz auch in seinem subjektiven Anteil die Eigenttimlichkeiten hat, die als Reflexgesetzm~l~igkeiten aus den Unter- suchungen am Spinaltier bekannt sind", konnte es vielleicht m6glich sein, den Peristaltikreflex als leichter zu durchschauendes Modell fiir den Schmerzreflex zu bentitzen.

Grundbedingung fiir derartige Erw~gungen ist, dab die Peristaltik- hemmung eine spezi/ische Wirkung der morphin~hnlichen Analgetika (m.b.A.) ist, d. h. dal~ sic ihrer analgetischen Wirksamkeit parallel geht. Zur Prtifung dieser Bedingung erscheinen vor allem die optischen Iso- meren der gleichen Verbindung geeignet, die durch die Entwicklung der synthet ischen m.b.A, zug~nglieh geworden sind und nach fiberein- stimmenden Versuchen verschiedener Autoren a in ihrer analgetischen Wirksamkeit stark differieren. Eine solche spezifische Wirkung auf die Peristaltik war nicht yon vornherein vorauszusehen, da beziiglich der ,,niederen" Bewegungsformen des Darmes - - Pendelbewegungen und Tonussehwankungen - - sowie beztiglich des Antagonismus gegen krampf- erregende Gifte, der sogenannten ,,spasmolytischen" Wirkung, nach den Untersuchungen von T~ORP ~ eine solehe Spezifit/it nicht vorhanden ist. So sind in dieser Beziehung die optischen Isomeren des Polamidons** trotz ihrer stark differierenden analgetischen Wirksamkeit ungef~hr gleieh wirksam; dem Morphin (Mo.) und dem Dromoran*** fehlt eine

* Herrn Prof. Dr. W. HEU~ER zum 75. Geburtstag gewidmet. ** Polamidon ~ Markenname fiir dl-2-Dimethylamino-4,4-diphenylheptanon-5.

*** Dromoran = Markenname ffir dl-3-Oxy-N-Methyl-morphinan.

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Morphinahnlich wirkende Analgetika und Darmmotorik. 461

spasmoly t i sche W i r k u n g f a s t vSllig 5, wi~hrend sie andererse i t s bei dem analget isch bedeu t end schwiicher wi rksamen Do lan t in* in e rheb l ichem MaBe v o r h a n d e n ist ~.

t n der vor l iegenden Arbe i t wurde daher die W i r k u n g der m.g.A., vor a l lem ihrer opt i schen Isomeren , au f Spasmolyse und P e r i s t a l t i k h e m m u n g des isol ier ten Darmes vergleichsweise untersucht . Der W i r k u n g au f den Per is ta l t ikref lex wurde besonderes In te resse gewidmet , da sieh aus ihr viel le icht auch au f Angr i f f spunkt und Mechanismus der ana lge t i sehen W i r k u n g Riicksehlfisse ziehen lieBen.

Methedik. Die Versuche fiber die spasmolytische Wirkung wurden am isolierten Dickdarm

des Meerschweinchens in der iiblichen Versuehsanordnung naeh MAGNUS durch- gefiihrt.

Fiir die Peristaltikversuche wurde die Originalmethode yon TR~NDELElVBURO am isolierten Diinndarm des Meersehweinchens benfitzt. Als Badflfissigkeit diente die modifizierte TyrodelSsung naeh FLEISCH 7 mit einer p~ yon 7,2--7,4 und einer Temperatur von 35--36 °. Die Menge der Badfliissigkeit betrug in allen Versuctmn 35 cm 3. Es hat sich als zweckmgBig erwiesen, entgegen den Angaben von TREN- D~.LENBURG zur Durchperlung der Badflfissigkeit nicht Luft, sondern Sauerstoff zu verwenden, wodurch eine ,,Ermtidung" der Peristaltik viel langsamer eintritt und gleichmgBigere Ergebnisse erzielt werden. Unter diesen Bedingungen konnte der Peristaltikreflex am Meerschweinchendiinndarm durch viele Stunden ausgelSst werden.

Ffir die Versuehe fiber den EinfluB auf die Kotausscheidung des Ganztieres dienten Ratten im Gewicht yon 150--200 g, die vor dem Versuch lgngere Zeit gleichmgBig mit K6rnerfutter und Wasser ad libitum geffittert waren. Die Zghlung der Kotballen der Wghrend der Versuchszeit unter Entziehung von Futter und Wasser in Gruppen yon je 4 Tieren in Stoffwechselkafigen gehaltenen Ratten ergibt, zumindest ffir die ersten Stunden, einen Anhaltspunkt fiir die peristaltische Aktivi- tat des Dickdarms. Die Methode ist ghnlich derjenigen von SATO s ffir das Kaninchen angegebenen, die von SCOTT C. S2 fiir den Vergleich der obstipierenden Wirkung yon Mound Polamidon (Pol.) verwendet wurde. Der Hauptunterschied unserer Methode besteht in der Verwendung yon Ratten und in der Ziiblung der Kotballen alle 3 Std bis zur 9. Std und dann nach 24 Std.

Versuchsteil. a) Spazmolyse.

Zwischen den op t i schen I someren des Pol., des D r o m o r a n (Drom.) und des dem Pol. i~hnlichen 2 -Pyr ro l idy l -4 ,4 -d ipheny lhep tanon (HS. 10819) wurde beziigl ich der spasmoly t i sehen W i r k u n g gegeni iber e iner d u r c h Lent in , H i s t a m i n oder B a r i u m hervorgerufenen Tonuss te igerung ke in s igni f ikanter Unte r sch ied gefunden, wie dies yon T~IORr 4 fiir die I so lneren des Pol. bere i ts fes tges te l l t wurde. Bei den opt i schen I someren des Drom. war in Bes tg t igung d e r A n g a b e n yon RAXDALL undL~HMA~N 10 fiir das R a c e m a t eine bemerkenswer t e spasmoly t i sehe W i r k u n g iiber- h a u p t n i ch t zu beobach ten .

* Dolantln - M~rkenname fiir 1-Methyl-4-Pheny]piperidin-carbonsgure-gthylester. 31"

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462 0 . SCHAUMAI, r~ , M . GIOVAm~II~I u n d K . J o o H u ~ :

b) Peristaltik.

Hier wurden vergleichsweise folgende Verbindungen untersueht: d- und 1-Pol., d- und 1-Drom., Mo, Dol. und 1-Methyl-4-(3-Oxyphenyl)- piperidin-4-iithylketon (HS. 10720). Abb. 1 gibt ein Versuchsbeispiel.

Die Tab. 1 stellt die an der Peristaltik gefundenen Verhi~ltnisse der Wirkungsst~rken denjenigen der analgetischen Wirksamkeit gegeniiber. Man kann aus ihr ersehen, dab unter Beriicksichtigung der sowohl bei

i, ~ ' ( i

~ f

Abb. 1. Meerschweinchen-Ileum. Oben: ¥olumen, unten: Tonus. a )Be la s tung mi t 2,5 cm HaO Innendnmk. b) ~n t l a s tung ; Innendruck 0 cm. c) Wiederbelastung wie bei a). x) Auswaschen. 1 .10 + 10 V Dolant in; nach Wiederbelastung keine Perlstal t ik. 2. 15 ~, Dolantin; nach Wieder- belastung Peris tal t ik . 3. 1,0 ~, + 4. 0,5 ~ 1-Polamidon; L~ngsmuskel-Tonus naeh Ststieren der

Peristaltik abgesunken, nach Wiederbelastung keine Peristal t ik. 10 + 10 ~, Dolant in ~ 1,0 + 0,5 ~, 1-Pol. ) 15 ~ Dol.

der Bestimmung der peristaltikhemmenden sowie der analgetischenWirk- samkeit methodisch begriindeten Fehler die t~bereinstimmung zwischen peristaltikhemmender und analgetischer Wirksamkeit recht befriedigend ist. Das analgetische Wirktmgsverh~ltnis yon 1-Pol. zu Dol. ist der Literatur nicht direkt zu entnehmen, l~13t sich abet aus den Angaben des Racemates zum Dol. und des 1-Isomeren zum Racemat leicht be- rechnen. ])as gleiche gilt beziiglich 1-Pol. und HS. 10720. Das Wirkungs- verh~ltnis der beiden Isomeren des ])rom. ist beziiglich der Analgesie nicht festzulegen, da am Ganztier die Dosierung des d-Isomeren dutch seine dem 1-Isomerenungei'~hr gleiche Toxizit~t nach oben begrenzt wird. Nach FROM- ~ERZ 11 ist das Verh~ltnis jedenfaUs grSl~er als 1 : 50. Auch an der Peristaltik is t ein genaues Verh~ltnis bei diesem Isomerenpaar nicht festzustellen, da die d-Verbindung nicht nur mehr als 200mal schw~cher, sondern an- scheinend auch qualitativ anders wirkt als das 1-Isomere. W~hrend n~m- lich bei allen anderen m.b.A. - - auch beim d-Pol. - - die Stillegung der Peristaltik mit einer maximalen oder nahezu maximalen Tonussenkung

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~Iorphinahnlich wirkende Analgetika und Darmmotorik. 463

der Li~ngsmuskula¢ur e i n h e r g e h t , b l e ib t b e i m d - D r o m , die V e r k i i r z u n g

de r L ~ n g s m u s k u l a t u r a u c h n a c h S i s t i e ren der P e r i s t a l t i k fas t i m m e r be-

s t e h e n (Abb. 2).

TabeUe 1.

PrKparat e Peristaltik Analgesie

1-Pol. : d-Pol . . . . . . .

1-Pol. : dl-Pol . . . . . . .

1-Pol. : Dol . . . . . . . . . dl-Pol. : Dol . . . . . . .

10720 : Dol . . . . . . . .

1-Pol. : 10720 . . . . . . 1-Drom. : d-Drom . . . . . 1-Drom. : Mo . . . . . . . dl-Drom. • Mo . . . . . . . 1-Pol. : Mo . . . . . . . .

* bei niedriger Dosierung.

15:1

1 3 : 1

12:1

1 : 1 >300 : 1

2 : 1

1,7:1

** berechnete Werte.

1 K. K. CHEN: Ann. N.Y. Acad. Sci. 51, 83 (1948).

7 : 1 Rat te t (12,5 : 1)* Rat te 2 1,5 : 1 ]Vfaus a

1,36 : 1 Rat te 2 (12 : 1)** Maus

7 : 1 Maus 2 8 : 1 Maus ~ 8 : 1 Rat te s

10:1 Maus ~ 8 : 1 Rat te 5

(1 : 1)** > 5 0 : 1 Rat te 6

1,7 : 1 Rat te 6

2 0 . SCUXVMAN~: Interne I. G. Berichte 1942; verSff, durch Publ. Board. Dep. Com. Washington D.C.

a R. THORP: Brit. J . Pharmacol. 4~ 98 (1949). 4 F. H~RR u. J . PO, RSZ~SZ: Arch. exper. Path. u. Pharmakol. 210~ 294 (1950). 5 C. C. SCOTT, •. G. KOHLSTAEDT U. K. K. CHElg : Anes~5. u. Analg. 26~ 12 (1947). 6 K. FROMHERZ: Arch. Internal. Pharmacodyn. 85~ 387 (1951).

c) ,,Obstipierende " W irkung am Ganztier.

W i e die Tab . 2 ze ig t , v e r u r s a c h t die s u b c u t a n e I n j e k t i o n der g e p r i i f t e n

A n a l g e t i k a e ine s ign i f ikan te V e r m i n d e r u n g d e r K o t a b s e t z u n g in d e n

e r s t e n 3 S t d n a c h de r s u b c u t a n e n I n j e k t i o n , die in de r 7 . - - 9 . S t d d u r c h

e ine e n t s p r e c h e n d e M e h r a u s s c h e i d u n g w i e d e r e n t s p r e c h e n d k o m p e n s i e r t

wi rd , so da]3 die n a c h 9 bzw. 24 S t d a b g e s c h i e d e n e G e s a m t m e n g e zwi schen

d e n e inze lnen T i e r g r u p p e n k e i n e n s ign i f i kan t en U n t e r s c h i e d m e h r auf- weis t .

D i e Ve r suchse rgebn i s se ze igen fe rner , dab a u c h diese W i r k u n g de r

r e l a t i v e n a n a l g e t i s c h e n W i r k u n g s s t ~ r k e r e c h t ann/~hernd pa ra l l e l ve r -

l/~uft: D a s 1-Pol. i s t auch h i e r a n n / i h e r n d z e h n m a l w i r k s a m e r als das d - I s o m e r e o d e r Dol . u n d e t w a d o p p e l t so w i r k s a m als Mo. B e m e r k e n s -

w e r t i s t fe rner , da~ die be re i t s w i r k s a m e n D o s e n ungef/~hr d e n z e h n t e n Tel l d e r j e n i g e n b e t r a g e n , die a m G a n z t i e r z u r U n t e r d r i i c k u n g d e r S c h m e r z r e a k t i o n n 6 t i g sind.

Page 5: Morphinähnlich wirkende Analgetika und Darmmotorik

464 O. SCHXV~A~N, M. GiOVANNINI und K, Joc~uM:

Tabelle 2.

Pr~p. Tier- mg/kg zahl

4O Kontr.

1-Pol. 0,1 0,2 0,5 1,0

d-Pol. 1,0 2,0 5,0

10,0

Dol. 5,0

Mo. 0,2 0,5

40 40 40 16

40 40 40 16

24

16 28

Stdn. 1--3

m ±e k

4,4 0,93 - -

2,9 0,64 1,33 1,8 0,68 2,23 1,4 0,79 2,46 0,0 0,0 4,75

3,5 0,56 O,8 2,4 0,83 1,6 1,4 0,54 2,65 0,8 0,75 3,0

1,6 0,24 2,9

2,5 1,11 0,95 1,7 0,57 2,48

ml - - me

4--6

m d-e

3,2 0 ,64

3,2 0,79 3,6 0,93 3,0 0,89 4,0 1,67

4,1 0,47 6,1 1,35 4,0 0,79 3,3 0,70

3,2 0,86

1,0 1,0 ~,2 2,18

7-9

2,3 0,62

3,3 0,42 4,3 0,68 5,2 0,99 5,0 0,84

3,4 0,76 2,4 0,62 4,6 0,93 4,3 1,71

3,2 0,97

2,5 0,94 5,1 1,79

10-24

m ±e

7,2 0,99

8,2'1,79 5,3 0,81 6,5 I 1,18

10,01 1,9

6,4 1,28 6,8 1,12 8,6 1,33

11,8 2,55

8,2 1,78

10,0 2,28 10,2 1,92

0--24

m +e

17,1 1,0

17,6 15,0 15,5 19,0

17,4 17,7 18,6 20,0

16,2

16,0 21,3

2,2 1,73 2,0 3,9

1,45 1,84 2,3 2,76

2,26

1,74 3,0

Bespreehung der Yersuehe.

Die beschriebenen Versuche lassen zuni~chst erkennen, dab zwischen der LSsung einer pharmakodynamiseh durch Lentin, Histamin oder Barium hervorgerufenen TonuserhShung am Dickdarm und der Hemmung der Peristaltik keinerlei Zusammenhang besteht. Die in ihrer analgetischen Wirksamkeit so sehr differierenden Isomeren des Pol. sind, wie schon THo~e 4 zeigte und wir best~tigen konnten, , ,spasmolytisch" praktisch gleich wirksam. Dem Mound dem Drom. fehlt diese Wirkung praktisch vSllig, w~hrend andererseits das analgetisch wesentlich sehwKeher wirksame Dot. sie wieder in ganz ausgesprochenem MaBe besitzt. Man kann daher diese spasmolytische Wirkung der m.b.A, als eine unspezifische Nebenwirkung bezeichnen.

I m Gegensatz hierzu geht die peristalt ikhemmende Wirkung der analgetischen Wirksamkeit weitgehend parallel, wie dies am eindring- lichsten die Verh~ttnisse bei den optischen Isomeren gleicher Ver- bindungen (d- und 1-Pol., d- und 1-Drom.) zeigen.

Es ergibt sich somit, dab die Peristalt ikhemmung eine spezi]ische Wirkung der zentralen Analgetika vom Wirkungstypus des Mo ist und daher auch in einem inneren Zusammenhang mit ihrer analgetischen Wirksamkeit stehen kSimte.

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Morphin/~hnlich wirkende Analgetika und Darmmotorik. 465

Ein weiterer Hinweis auf die Spezifit/it ist die auBerordentlich groBe Empfindliehkeit des Peristaltikreflexes gegenfiber diesen Verbindungen. Schon T~,NDELENBURG 1 hat in seinen klassischen Versuchen die peri- stalt ikhemmende Grenzkonzentration ffir Mo zu 1 zu 50--100 Millionen gefunden. Auch in unseren Versuchen war sie unter Beriicksichtigung der analgetischen Wirkungs- st~rken yon der gleichen Gr6Benordnung. I m Vergleich hierzu land ELLIOTT u. Mit- arb. 12 mit der Isotopenmetho- de bei Injektion einer die Schmerzreaktion des Tieres aufhebenden Dosis yon 10 mg/kg eines mit 14C mar- kierten Pol. (Methadon) im Blut eine Konzentrat ion von etwa 1 : 2 Millionen. Berfick- sichtigt man aber, dab die klinische analgetisehe Dosis ffir den erwachsenen Menschen etwa 10 mg/70 kg betriigt, so ergiibe das - - gleiche Ver- teilungwie im Tier voraus- gesetzt - - , eine Blutkonzen- tration yon etwa 1 : 140 Mil-

Abb. 2. Meerschweinchen-Dfinndarm, Innendruck lionen, die yon der gleichen 2,5 cm, x = Drucksenkung und auswaschen, 1 = un-

Gr6Benordnung ist, wie sie beeinflu~lte Per is ta l t ik , 2 = 200,0 y d -Dromoran . l~Ian beachte die Tonuslage nach Sist ieren der

am isolierten Darm zur Unter- Peristaltik. brechnng des Peristaltik- reflexes nStig ist.

Ein/ihnliches quantitatives Verh/~ltnis ergibt sich auch am Ganztier zwischen ,,obstipierender" nnd ,,analgetischer" Wirkung. Auch hier genfigt zu einer signifikanten Hemmung der Kotausscheidung etwa der zwanzigste Teil der Dosis, die zu einer Unterdrfickung der Schmerz- realction notwendig ist, liegt also der zur klinischen Analgesie benStigten n/iher. Bemerkenswert ist ferner der rasche Wirkungseintritt und die auf etwa 3 Std beschr/inkte Wirkungsdauer. Dies wiirde fiir den akuten Ver- such eher auf eine Hemmung der Peristaltik und eventuell des subjek- t iven Def~kationsreizes als urs/~chliches Moment hindeuten als auf eine, sich vor allem auf die oberen Darmabschnit te erstreckende spasmogene Wirkung, die sich bezfiglich der Kotabscheidung erst viel sp/iter aus- wirken dfirfte und yon vielen Antoren als die eigentliche Ursache der Obstipation dutch Mo und m.b.A, angesehen wird la. Dagegen k6nnte

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466 O. SCHXU~, M. GIovx~NI und K. JocHu~:

ein solcher wahrscheinlich zentrogener Spasmus bei chronischer Dar- reichung neben der Peristaltikhemmung wohl mit eine Rolle spielen. Darauf wtirden auch die klinischen Erfahrungen hindeuten, die mit den Versuchsergebnissen yon W/LLIA~S und STREETE~ 14 am Hund iiberein- stimmen, da$ bei analgetisch gleich wirksamen Dosen die obstipierende Wirkung von Dol. und Pol. geringer ist als diejenige des Mo. Hierfiir diirfte die spasmolytische Komponente dieser beiden m.b.A, verantwort- lich sein, die dem Mo fehlt.

Fiir die Ermittlung des Angrillspunktes der peristaltikhemmenden Wirkung kSnnten folgende einfache ~berlegungen Hinweise geben: Die Peristaltik ist ein reflektorischer Vorgang, dessen auslSsender Reiz in tier Dehnung tier Ringmuskulatur zu suchen ist. Dieser Reflexbogen mug also an irgendeiner Stelle durch die m.g.A, unterbrochen werden. In direkten nervSsen Leitungsbahnen kann diese Unterbrechung nicht liegen, da die m.b.A, zwar eine gewisse lokalan/~sthetische Wirksamkeit besitzen kSnnen wie etwa Dol. oder Pol. 15 __ aber nicht miissen, wie z.B. Mo oder Drom. AuSerdem liegen auch bei den lokalan/tsthetisch wirksamen Analgetika die zu einer Unterbrechung der Nervenleitung nStigen Konzentrationen um einige Zehnerpotenzen hSher als bei der Perist altikhemmung.

Auch eine atropin~hnliche Wirkung kommt nicht in Frage. Beim Atropin sind nach den Versuchen TRr~DEL~BVRGS diejenigen Konzen- trationen, die am isolierten Darm zur Peristaltikhemmung nStig sind, ganz wesentlieh grSBer als diejenigen, welche die direkte Acetylcholin- wirkung aufheben. Bei den m.b.A, dagegen sind gerade umgekehrt zur Aufhebung der Acetylcholinwirkung Konzentrationen nStig, welche die an der Peristaltik bereits wirksamen um mehrere Zehnerpotenzen iiber- steigen, wenn sie nicht vagolytisch iiberhaupt unwirksam sind, wie Mo oder Drom.

SchlieBlich ist es hSchst unwahrscheinhch, dab dutch die m./~.A, die Empfindlichkeit der Receptoren des Dehnungsreizes herabgesetzt wird, wenn auch am Darm ein drrekter Beweis hierfiir fehlt. Dagegen kormte B~I~ 16 nachweisen, daB die durch den Reiz der Lungendehnung aus- gelSsten Aktionsstr6me dutch bereits atmungshemmende Dosen eines m.a.A. (Cliradon) nicht ausgel6scht werden. Auch f'tir die Analgesie selbst ist ein peripherer Angriff an den Schmerzreceptoren kaum mSg- lich, da dann Schmerzgeliihl und Schmerzreaktion durch die gleiche Dosierung unterdrtickt werden miiBten, was ja keineswegs tier Fall ist.

Es ist somit wohl tier SchluB erlaubt, den Angriffspunkt tier m./i.A. ffir die Peristaltikhemmung in jenen Schaltorganen zu suchen, in denen der Dehnungsreiz den zuriick zur Darmmuskulatur laufenden moto- rischen Impuls auslSst.

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Morphin/~hnlich wirkende Analgetika und Darmmotorik. 467

Zwischen Analgesic und Peristaltikhemmung ergeben sich aus unseren Versuchen ziemlich weitgehende Analogien: 1. In beiden F/illen handel t es sich um Unterbrechung eines Reflexbogens. 2. Beide Wirkungen gehen in quantitativer Hinsicht einander parallel. 3. Die Empfindlichkeit fOx beide Wirkungen ist yon ungef~hr gleicher GrSBenordnung. 4. In beiden Fiillen nimmt die zur Unterbrechung der Reizfolgen nStige Dosis mit der St~rke des auslSsenden I~eizes zu.

Bei dieser auf einen inneren Zusammenhang hindeutenden Analogie k5nnte der SehluB erlaubt sein, fox beide Wirkungen analoge Angri//s- punkte und einen ahnlichen Wirkungsmeehanismus anzunehmen. Die Ergebnisse am Peristaltikreflex kSnnen so die Annahme st/itzen, auch bei der Analgesie den An~iffspunkt in den in die Schmerzbahn einge- bauten SchMtstellen zu sehen. Dies woxde auch der Ansieht yon WIK- LIaR U. Mitarb. 1: entsprechen. Diese Autoren kommen auf Grund ihrer Versuche an Spinaltieren zu dem Schlug, dag die Wirkung der m./~.A. ihren Angriffspunkt in Zwischenneuronen der Reflexbahnen hat.

Die vial grSgere Empfindlichkeit der komplizierten Reflexe der Peristaltik sowie des subjektiven Schmerzerlebnisses gegenfiber den ein- facheren Reflexen der unbewuBten Sehmerzreaktion, der Atmung oder der Reflexe am Spinaltier k6nnte ferner darauf hindeuten, dab sie die Folge einer Summation yon Einzelwirkungen auf hintereinanderge- sehaltete Sehaltstellen ist.

Besonderes Interesse verdienen vielleieht die eigentfimliehen Ergeb- nisse mit dam d-Oxy-Morphinan (Dromoran). W/~hrend n/imlieh bei allen anderen untersuehten m./i.A, mit dem Erl6sehen der Peristaltik auch der Tonus der Li~ngsmuskulatur zum Ausgangswert zuriiekkehrt, bleibt hier die L/~ngsmuskulatur aueh naeh Aufh6ren der Peristaltik fast immer verkfirzt. Das gleiche Verhalten zeigen die yon F~.LDBERG und LI~ is verSffentliehten Kurven fiber die Wirkung der Lokalan/~sthetika und des Tubocurarins auf die Peristaltik. Diese Autoren neigen daher der Ansieht zu, dab die bei steigendem Innendruek als Vorl/iufer der peristM- tisehen Welle auftretende Verkoxzung der L~ngsmuskulatur myogenen Ursprungs ist. Die L6sung dieser Tonuserh6hung dutch die m./~.A. - - mit Ausnahme des analgetiseh praktiseh unwirksamen d-Drom. - - durch Konzentrationen, die sonst noah keine myogene ,,Spasmolyse" hervor- rufen, woxde jedoeh darauf hindeuten, dab aueh hier ein nervSses Zwisehenglied eingesehaltet ist. Diese Verhi~ltnisse bedoxfen jedenfalls noah eines n/~heren Studiums, fiber dessen Ergebnisse sp/iter beriehtet warden soll.

Der Peristaltikreflex des isolierten Darmes, der yon den meisten am Ganztier st6renden Nebenwirkungen unabh/~ngig ist, k6nnte so vielleieht noah weitere experimentelle Beitr/ige zum Studium des gesamten Wir- kungsmeehanismus der m./i.A, liefern.

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468 SCHAVMi~N, GIOVANNINI, JOCUU~: Morphin~hnlich wirkende Analgetika.

Z u s a m m e n f a s s u n g .

V e r s u c h e a m P e r i s t a l t i k r e f l e x des M e e r s e h w e i n c h e n d f i n n d a r m s er-

g a b e n be i d e n m o r p h i n ~ h n l i c h w i r k e n d e n A n a l g e t i c i s e ine w e i t g e h e n d e

P a r a l l e l i t ~ t z w i s c h e n p e r i s t a l t i k h e m m e n d e r u n d a n a l g e t i s c h e r W i r k s a m -

ke i t . D ies g i l t a u c h f i i r d ie o p t i s c h e n I s o m e r e n g l e i che r V e r b i n d u n g e n

u n d a u c h f i i r d ie H e m m u n g d e r K o t a b s c h e i d u n g a n d e r R a t t e .

B e i d e r s p a s m o l y t i s c h e n W i r k u n g b e s t e h t e in d e r a r t i g e s P a r a l l e l g e h e n

m i t d e r A n a l g e s i e n i c h t .

A u s d e r a u c h i n a n d e r e r B e z i e h u n g b e s t e h e n d e n A n a l o g i e z w i s c h e n

P e r i s t a l t i k h e m m u n g u n d A n a l g e s i e w i r d a u c h a u f ~ h n l i c h e Angr i f f s -

p u n k t e gesch lossen , d ie i n d e n z w i s c h e n n e u r o n a l e n S c h a l t s t e l l e n a n g e -

n o m m e n w e r d e n .

Literatur.

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Prof. Dr. O. Se~AV~ANN, Pharmakognost isches Ins t i tu t der Univers i t~t Innsbruck, Peter-Mayr-Str . 1.