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Arch. exper. Path. u. Pharmakol., Bd. 214, S. 93--102 (1951). (Aus dem Pharmakognostischen Institut der Universitat Innsbruck und dem Pharmakologischen Institut der Farbwerke Hoechst.) Neue synthetische Verbindungen der ,,Polamidonreihe"* mit parasympathicolytischer Wirkung. Von O. SCHAUMANN und E. LINDNER. Mit 2 Textabbildungen. (Eingegangen am 13. Juni 1951.) Die Suche nach einem synthetischen ,,Atropinersatz" hat bekanntlich zur ErschlieBung einer neuen Klasse yon hochwirksamen Analgetica ge- frihrt 1. Gleichzeitig wurde von anderen Vorstellungen ausgehend eine Reihe analgetisch wirkender Verbindungen entwickelt, die sich vom Diphenylmethan ableiten 2. Es ist vielleicht kein Zufall, dab sich in Amiden dieser Verbindungsreihe, aus der das 6-Dimethylamino-4, 4-di- phenylheptanon unter der Bezeichnung ,,Polamidon" und zahlreichen anderen Handelsnamen sich einen bedeutsamen Platz in der Schmerz- bek~mpfung erobert hat, riberraschenderweise Verbindungen fanden, die unter Verlust der schmerzstillenden Wirkung in hohem MaBe parasympa- thikolytische Eigenschaften besitzen und dadurch den Kreis zum Aus- gangspunkt wieder schlieBen. Die in dieser Beziehung wirksamste Verbindung, das Piperidino~thyl- diphenyl-azetamid (Hoechst 9980, Formel II, siehe Tab. 2) erreicht in seiner parasympathikolytischen Wirkung das Atropin, ja ribertrifft es sogar in mancher Beziehung. Es seien daher im folgenden kurz die wich- tigsten Eigenschaften dieser neuen Verbindung (im folgenden kurz als H5 9980 bezeichnet) beschrieben. Wirkung am Darm: Die vagotrop-spasmolytische Wirkung am nach MAGNUS isolierten Meerschweinchen-Enddarm wurde nach dem Vorgehen yon MILLER, BECKEI~ und TAINTERa untersucht. Es wurden vergleichsweise die Kon- zentrationen von Atropin und H5 9980 bestimmt, welche den durch Lentin 1 : 13,3 • 106 kontrahierten Darm zu 2/3 entspannten. Von beiden Verbindungen wurden je 4 verschiedene Konzentrationen an je 20 Darm- stricken geprrift. Die Logarithmen der verwendeten Verdrinnungen Die Pr~parate wurden im pharmazeutisch-synthetischen Laboratorium der Farb- werke I-Ioechst yon Herrn Prof. Dr. Em~m~RT dargestellt. • Eingetr. Warenzeichen.

Neue synthetische Verbindungen der „Polamidonreihe“ mit parasympathicolytischer Wirkung

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Page 1: Neue synthetische Verbindungen der „Polamidonreihe“ mit parasympathicolytischer Wirkung

Arch. exper. Path. u. Pharmakol., Bd. 214, S. 93--102 (1951).

(Aus dem Pharmakognostischen Institut der Universitat Innsbruck und dem Pharmakologischen Institut der Farbwerke Hoechst.)

Neue synthetische Verbindungen der ,,Polamidonreihe"* mit parasympathicolytischer Wirkung.

Von O. SCHAUMANN und E. LINDNER.

Mit 2 Textabbildungen.

(Eingegangen am 13. Juni 1951.)

Die Suche nach einem synthetischen ,,Atropinersatz" hat bekanntlich zur ErschlieBung einer neuen Klasse yon hochwirksamen Analgetica ge- frihrt 1. Gleichzeitig wurde von anderen Vorstellungen ausgehend eine Reihe analgetisch wirkender Verbindungen entwickelt, die sich vom Diphenylmethan ableiten 2. Es ist vielleicht kein Zufall, dab sich in Amiden dieser Verbindungsreihe, aus der das 6-Dimethylamino-4, 4-di- phenylheptanon unter der Bezeichnung ,,Polamidon" und zahlreichen anderen Handelsnamen sich einen bedeutsamen Platz in der Schmerz- bek~mpfung erobert hat, riberraschenderweise Verbindungen fanden, die unter Verlust der schmerzstillenden Wirkung in hohem MaBe parasympa- thikolytische Eigenschaften besitzen und dadurch den Kreis zum Aus- gangspunkt wieder schlieBen.

Die in dieser Beziehung wirksamste Verbindung, das Piperidino~thyl- diphenyl-azetamid (Hoechst 9980, Formel I I , siehe Tab. 2) erreicht in seiner parasympathikolytischen Wirkung das Atropin, ja ribertrifft es sogar in mancher Beziehung. Es seien daher im folgenden kurz die wich- tigsten Eigenschaften dieser neuen Verbindung (im folgenden kurz als H5 9980 bezeichnet) beschrieben.

Wirkung am Darm:

Die vagotrop-spasmolytische Wirkung am nach MAGNUS isolierten Meerschweinchen-Enddarm wurde nach dem Vorgehen yon MILLER, BECKEI~ und TAINTER a untersucht. Es wurden vergleichsweise die Kon- zentrationen von Atropin und H5 9980 best immt, welche den durch Lentin 1 : 13,3 • 106 kontrahierten Darm zu 2/3 entspannten. Von beiden Verbindungen wurden je 4 verschiedene Konzentrationen an je 20 Darm- stricken geprrift. Die Logarithmen der verwendeten Verdrinnungen

Die Pr~parate wurden im pharmazeutisch-synthetischen Laboratorium der Farb- werke I-Ioechst yon Herrn Prof. Dr. Em~m~RT dargestellt.

• Eingetr. Warenzeichen.

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94 O. ScHAuMA~N und E . L I N D N E R ;

wurden als Abszisse, die Zahl der bei der betreffenden Verdiinnung zu 2/a entspannten Darmstiicke als Ordinate aufgezeichnet. Das so erhaltene Diagramm (Abb. 1) zeigt, dal~ der Logarithmus der mittleren wirksamen Verdiinnung ftir Atropin bei 9,0, fiir H5 9980 bei 9,27 liegt. Das ent- spricht Verdiinnungen yon 1 : 1 • 102 bzw. 1 : 1,86 • 109. Die statistische Auswertung ergab fiir die Logarithmen einen mittleren Fehler yon ± 0 , 0 8 bzw. i 0,09. Ffir die Signifikanz errechnet sich daraus ein K von 2,3. Die gefundene Differenz ist

7O0 daher signifikant. %

Am Lentinspasmus des isolierten Meer- 90 schweinchendarms ist H5 9980 somit rund o0 doppelt so wirksam wie Atropin. 7o

In situ wird der durch 150 ~/kg im. Lentin e0 hervorgerufene Spasmus des Meerschwein.

50 chendickdarmes durch 0,03 mg/kg I t5 9980 i.v. gelSst. Atropin beseitigt den Spa smus ~o

in der gleichen Konzentration mit 0,06 mg/kg J0 i.v. Auch bier ist also H5 9980 doppelt so z0 wirksam wie Atropin. ~o

Nach dem Vorgehen yon BROWN und WERNER 4 erhielten Rat ten einen 10/oigen Kohlebrei mit einem Zusatz yon 3 ~o Adulsion per os. 30 min nach der Fiit terung wurden die Tiere get5tet, der Diinndarm heraus- genommen, die Gesamtl~nge des Diinndarms und die L~nge des Darmteiles gemessen, den der Kohlebrei in der Versuchszeit durch- wandert hatte.

Bei 20 Kontrolltieren ergab sich eine Wanderungsstrecke von 80,2 ~o der gesamten Diinndarmliinge.

20 Rat ten erhielten 20 min vor der Fiitterung 250 y/kg H5 9980 s.c. Bei ihnen betrug die Wanderungsstrecke 60,9 ~o ± 3 O//o. 14 mit 250 y/kg Atropin injizierte Rat ten zeigten eine Wanderungsgeschwindigkeit von 48 ~o ~ 3,9 °/o. Die Signifikanz der Differenz betr~gt 2,6. Bei der Ra t t e wirk~ das H5 9980 in vivo am Darm also etwas schw~cher als Atropin.

I

Atri#/n L ~ HCL

i i

g 9 ¢o[~

Abb. 1. Spasmolyse am ]~eer- schweinchendickdarm gegen Len- tin. ~osiswirkungskurve gegen- f iber d e m durch Len t in in de r K onzen t r a t i on I : 13,3 Mill ionen erzeugten Spasmus des ~ e e r - schweinchendickdarms fiir At ro- p in und H6 9980. Abszisse : Log des rez ip roken Wer tes tier Konzen- t r a t i en . Ord ina te : Prozentzahl de r zu 2/~ en t spann ten Darms t i i cke . K u r v e 1: At ropin , K u r v e 2: H/$ 9980 tIC1. Von 20 Darms t i i cken

gewonnene Wer te .

Prii/ung an der Tr~inensekretion der Ratte nach fl-Methylvholin.

Wie Wr~BURY, SCHMALGEMEIER und HAMBOURGER 5 sowie BURGEN ~ angegeben haben, kommt es nach intraperitonealer Injektion yon 10 mg/kg fl-Methylcholinazetat an der Rat te zu einer heftigen Sekretion rStlich gefarbter Tr~nenfliissigkeit. Die Trgnensekretion t r i t t bereits innerhalb yon 2 rain nach der Injektion auf und halt dann emigo

Page 3: Neue synthetische Verbindungen der „Polamidonreihe“ mit parasympathicolytischer Wirkung

Neue synthetische Verbindungen mit parasympathicolytischer Wirkung. 95

Minuten an. Die rStliche Fiirbung des Sekretes ist nach BURG~N durch Proto- und Koproporphyrin bedingt. Die Injektionen kSnnen mit dem gleichen Effekt alle 30 rain wiederholt werden.

Es wurde nun die Dosis der zu prfifenden Verbindungen ermittelt , die gerade imstande ist, diese Wirkung des Methylcholins zu hemmen. Zu jedem Versuch wurden 6 Rat ten beniitzt. Die Injektion des Methyl- cholinazetats erfolgte 20, 50 und 80 min nach der subkutanen Injektion der zu priifenden Verbindung.

Die kleinste Dosis, die gerade noch die Tr~nensekretion verhinderte, betrug ffir Atropin und H5 9980 0,3 mg/kg s.c. Nach 50 rain reagierten bei beiden l%~paraten zwei yon 6 Tieren mit leichter Tr~nensekretion, nach 80 rain bei Atropin alle Tiere und bei H5 9980 5 von 6 Tieren.

I t5 9980 und Atropin sind in diesem Test ungefahr wirkungsgleich,

Hemmung der Speichelsekretion.

Die Verbindung hemmt auch stark die Speichelsekretion. Kaninchen von 2--3 kg Gewicht wurden mit 50 mg/kg Pernokton i.m. narkotisiert und erhielten s.c. 50 cm 8 physiologische KochsalzlSsung injiziert. 20 min sp~ter wurde 1 mg/kg Pilokarpinum hydrochloricum i.v. gegeben. Der sezernierte Speichel wurde aufgefangen und alle 10 rain gemessen./gach TRII'OD ~ werden yon Kaninchen unter diesen Versuchsbedingungen gleiche Speichelmengen abgesondert, wenn sie im Abstand yon 3 Std noehmals Pilokarpin injiziert erhalten, was wir best~tigen konnten. Es wurde daher 3 Std sp~ter der Versuch am gleichen Tier in derselben Weise wiederholt, nachdem es 20 min vor der Pilokarpin-Injektion Afro- pin bzw. H5 9980 s.c. injiziert erhalten hatte. Gruppen von je 4 Tieren wurden jeweils mit der gleichen Dosis des zu priifenden Pr~parates vor- behandelt.

Tab. 1 gibt die so mit verschiedenen Dosen der beiden Verbindungen erhaltenen Durchschnittswerte wieder. Aus den Zahlen kann man er- kennen, dal3 beziiglich der Abnahme der Speichelsekretion im Vergleich zum Vorversuch auch hier H5 9980 etwa doppelt so wirksam ist wie Atropin. Aul3erdem h~lt die Wirkung betri~chtlich l~nger an.

Meerschweinchenvorho/ :

Am isolierten rechten Vorhof des Meerschweinchenherzens wurde die: negativ inotrope und chronotrope Wirkung yon Azetylcholin 1:8 Mil- lionen durch H5 9980 in einer Konzentration von 1:20 Millionen auf- gehoben. Atropin hatte dieselbe Wirkung erst bei einer Konzentrat ion yon 1 : 10 Millionen. H5 9980 ist also auch hier doppelt so wirksam wi~ Atropin.

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96 O. SCHAUMANN u n d E. LINDNER:

Tabel le 1. Speichelsekretion bei Kaninchen nach Pilocarpin allein und nach In#k t ion verachiedener Dosen Atropin. Die Zahlen stellen die Mittelwerte der Speichelmenge von

4 Tieren in cm 3 dar.

A t r o p i n 1. Versuch .

Zeit in min

10 20 30 40 50 60 70 80 90

Kontrolle

1 mgPilocarpin/kg i.v.

Hauptversuch 50 y Atropin/kg s.c. 20 min sparer l mg Picolocarpin/kg i.v.

13,6 4,05 1 , 3 5

0,45 0,15 0,03 0 0 0

7,1 2,35 1,68 0,68 0,27 0,13 0,08 0 0

Differenz

- - 6 , 5

- - 1,7 + 0,33 + 0,23 + 0,12 + 0,10 + 0,08

2. Ver such .

Zeit in min

10 20 30 40 50 60 70 80 90

Kontrolle

1 mg Pilocarpin/kg i.v.

12,4 6,82 2,4 1,5 0,37 0,08 0,15 0 0

Hauptversuch 100 r Atropin/kg s.c.,

20min sp~ter l m g Pilocarpin/kg i.v.

3,75 3,8 3,0 0,73 0,05 0 0 0 0

Differenz

- - 9,65 - - 3,02 T 0,60 - - 0 , 7 7 - - 0,32 - - 0,08 - - 0 , 1 5

3. Versuch .

Zeit in min

l0 20 30 40 50 60 70 80 90

Kontrolle

1 mg Pilocarpin/kg i.v.

9,4 2,5 1,38 0,33 0 0 0 0 0

Hauptversuch 125 7 Atropin/kg s.c., 20 min sparer 1 mg Pilocarpin/kg i.v.

Differenz

- - 9 , 4

- - 2 , 5

- - 1 , 3 8

- - 0,33

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Neue synthetische Verbindungen mit parasympa~hicolytischer Wirkung. 97

P r ~ p a r a t H5 9980 HC1

Speichelsekretion bei Kaninchen nach Pilocarpin aUein und nach In#ktion ver- schiedener Dosen H6 9980 HCI. Die Zahlen stellen die Mittelwerte der Speichel-

menge von 4 Tieren dar. 1. Versuch.

Zei t in m i n

10 20 30 40 50 60 70 80 90

Kontro l le

1 m g P i locarp in /kg i .v.

11,8 3,7 1,17 0,88 0,48 0,33 0,13 0 0

H a u p t v e r s u c h

50 ~ H5 9980 ttC1/kg s.c., 20 m i n sp~tter I m g

P i loca rp in /kg i .v.

5,2 1,72 0,48 0,15 0,03 0 0 0 0

Diffcrenz

- - 6,6 - - 1,98 - - 0,69 - - 0,73 - - 0,45 - - 0,33 --0,13

2. Versuch. Die Zahlen steUen die Mittelwerte der Speichelmenge von 8 Tieren dar.

Zeit in m i n

10 20 30 40 50 60 70 80 90

Kontro l le

1 m g P i locarp in /kg i .v.

12,2 3,18 1,22 0,81 0,3 0,24 0,19 0,13 0,08

H a u p t v e r s u c h

100 ~ H(i 9980 HCl /kg s.c., 20 rain sp~ter 1 mg

P i locarp in /kg i.v.

0,46 0,08 0,03 0,01 0 0 0 0 0

Differenz

- - 11,74 --- 3,10 - - 1,19 - - 0,80 - - 0,3 - - 0,24 - - 0,19 - - 0,13 - - 0,08

Blutdruclc :

Die Abschw~chung der Azetylchol inwirkung auf den Blu tdruck wurde an der Katze in Pernoktonnarkose gepriift. Es wurden zun~chst 10 ~/kg H5 9980 i.v. und d a n n in In te rva l l en yon jeweils 20 min zus~tz- lich 15 ~, 25 ~, 50 ~ und 100 ~/kg injiziert . Die Gesamtdosen be t rugen demnach 10 ~, 25 ~, 50 ~, 100 y und 200 y/kg. Vor In j ek t ion und nach jeder der ~ngegebenen Dosen von H5 9980 wurde die Blu td rucksenkung durch Standarddosen von Azetylcholin, die yon 0 ,1--10 $ vari ier t wur- den, gemessen. Abb. 2 gibt die erhal tenen Resul ta te als Mittelwerte yon 7 Versuchen wieder. 10 y /kg H5 9980 reduzieren die Blu td rucksenkung durch 0,1 y Azetylcholin yon 35 m m auf 3,5 m m und die maximale Sen- kung durch l0 ~ Azetylcholin yon 69,5 m m auf 53,5 mm. ~ a c h 200 ~,/kg

Arch. expcr. Pa th . u. Pharmakol . , :Bd. 214. 7

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98 O. SChumAnN und E. LINDNER:

H5 9980 wird die Blutdrucksenkung von 2 y Azetylcholin noch voll- st~ndig aufgehoben, die durch 10 y Azetylcholin auf 18 mm reduziert.

Am Hund in Pernoktonnarkose wird die Wirkung einer Reizung des peripheren Vagusstumpfes durch 1 mg/kg H5 9980 i.v. stark abge- schwi~cht; aber selbst mit 18 mg/kg i.v. bleibt noch eine schwache Blut- drucksenkung und mi~$ige Bradykardie nach Vagusreizung erhalten.

Der normale Blutdruck des Kaninchens in Pernoktonnarkose wird durch Dosen bis 3 mg/kg H5 9980 i.v. nicht beeinfluSt. An der Urethan- katze fiihren 0,8 mg/kg H5 9980 i.v. zu einer leichten Blutdrucksteige- rung, w/~hrend die gleiche Dosis Atropin den Blutdruck senkt.

f _ . . _ . r

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so / , I - i . . / / q.

20 , / / ,....-.-

0

J i i i r

2 ~ 6 8 70 12 1¢ 16 1~? 20~ Dos/s Ace/j/Icholin

Abb. 2. Beziehung zwischen der blutdrucksenkenden Wirkung des Azetylcholins und verschiedenen Dosen des It5 9980 HC1. Durchschnittswerte yon 7 Katzen. Abszisse : Dosis Azetylcholin, Ordinate : Blutdmcksenkung in ram. Kurve 1 : Blutdrucksenkung nach Injektion des Azetyleholins l.v. allein, Kurve 2: Blutdrueksenkung nach Injektion des Azetylcholins nach vorheriger i.v. Injektion yon 10 ~/kg H5 9980, Kurve 3 : Blutdrucksenkung nach Injektion yon insgesamt 25 y]kg ]~5 9980, Kurve 4 : Blutdrueksenkung nach Injektion yon insgesamt 50 r/kg ]t6 9980, Kurve 5: Blutdrueksenkung nach insgesamt 100 ~,/kg H5 9980, Kurve 6: Blutdrucksenkung nach insgesamt 200 ~]kg H5 9980.

Bronchien.

Der schwere Asthmaanfall, der beim ~eerschweinchen durch Inhala- tion einer fein vernebelten LSsung, die im cm a 2 mg Azetylcholin, 2 mg Pilokarpin und 1 mg Eserin enthielt, ausgelSst wird, kann durch vor- herige s.c. Injektion von 0,25 mg/kg H5 9980 verhindert werden.

A uge.

Am Katzenauge fiihrt ein Tropfen einer LSsung yon H5 9980 1:5000 in den Bindehautsack zu einer deutlichen Pupillenerweiterung; bei Atropin geniigt zum gleichen Effekt bereits eine Verdiinnung yon 1 : 20000. Hier ist also H5 9980 betr~chtlich weniger wirksam als Atropin.

Toxiziti~t.

An M~usen betr~gt ftir H5 9980 die DL 50 bei i.v. Injektion 54 mg/kg, w~hrend f'dr Atropin unter gleichen Bedingungen eine DL 50 yon

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Neue synthetische Verbindungen mit parasympathicolytischer Wirkung. 99

88 mg/kg gefunden wurde. Das Verh~Itnis der toxischen Dosen liegt mit 1 : 1,6 in der gleichen GrSBenordnung wie das an den meisten Test- objekten gefundene Verh~ltnis der Wirkungsst~rken. Der Tod erfolgt unter Kr~mpfen und nachfolgender Ateml~hmung. Am Hund rufen 20 mg/kg s. c. noch keine auff£11igen Vergiftungserscheinungen hervor.

Besprechung der Yersuchsergebnisse. Das Piperidinoaethyl-diphenyl-azetamid (H5 9980) zeigt wieder, wie

schwierig es ist, Rfickschlfisse yon ~nderungen im chemischen Aufbau auf ~nderungen in der Pharmakodynamik zu machen. W~hrend z. B. in der Reihe der Phenylpiperidin-Verbindungen (,,Dolantin"-Reihe*) der ~bergang vom ~thylester (,,Dolantin") zum Amid (H5 9375, For- mel III, auf Tab. 2) die negativ vagotrope Wirkung so gut wie aufhebt, ffihrt die gleiche ~nderung in der ,,Polamidon"-Reihe zu einer Steige- rung der spezifischen v~gotropen Wirkung um das Mehrhundertfache (vgl. Tab. 2, It5 9496, Formel IV gegen H5 9980, Formel II). Die anal- getische Wirkung geht dabei in beiden F~llen vollst~ndig verloren.

Beziiglich der basfschen Seitenkette ]iegt das Optimum beim Piperi- dinoaethyl. Verkfirzung der N-Alkylgruppen fiihrt fiber die Diaethyl- aminoaethyl-(H5 10342, Formel V) und die dem Polamidon entsprechende Dimethylamino-Verbindung (H5 10804, Formel VI) zu einer starken Abnahme der vagotropen Wirkung. Auch die Einffihrung einer Methyl- gruppe in die den Stickstoff tragende Seitenkette zur Piperidino-Iso- propylverbindung (H5 11628, Formel VII) ffihrt zu einer Abnahme der vagotropen Wirkung auf etwa 1/1 o. Es ist dies bemerkenswert, da beim Aethylketon die gleiche ~nderung zu einer Steigerung der analgetischen Wirkung ffihrt (H5 10582, Formel VIII gegen H5 10820 [Polamidon]). (IX) Die Hydrierung eines Phenylkerns (H5 10343, Formel X) verur- sacht eine Verminderung der vagotropen Wirkung auf nahezu 1/100.

Die dem Atropin so weitgehend gleichenden pharmakodynamischen Eigenschaften der neuen Verbindung geben der Theorie yon der Kon- kurrenzhemmung, die zur Erkl~rung des Wirkungsmechanismus der Azetylcholinhemmung gerne herangezogen wird, einen argen Stoi~. W~h- rend bei Atropin und den bis zu einem gewissen Grad atropin~hnlich wir- kenden synthetischen Verbindungen, wie Syntropan* (XIII) oder Tra. sentin* (XII), noch insofern eine gewisse ~Amlichkeit mit der Konstitu- tion des Azetylcholins besteht, als es sich bei allen diesen Verbindungen um Ester basischer Alkohole handelt, ist eine solche Beziehung bei Ami- den basisch substituierter Diphenylessigs~uren nicht mehr herzustellen. Auch zu dem pharmakodynamisch so ~hnlich wirkenden Atropin besteht keine tragf~hige :Brficke mehr.

* Eingetr. Warenzeichen. 7*

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100 0 . SCHAUMAlqN und E. LIIgDNER:

Tabelle 2. Spasmolyse am Meerschweinchendickdarm gegen~ber Histamin, Lentin in der Konzen- tration 1:13,3 MiUionen, gegeni~ber Bariumchlorid in der Konzentration 1:8000. Analgetische Wirkunff an der Maus. Die Werte sind Vergleichswerte zu Dolantin.

Vers. l~r. Formel Anal- gesie

8909 CsHs--C--C00C2H 5 (Dolantin) ~

I t \ \ / N CH3

1-Methyl-4-phenyl-piperidin-4- earbonsAure-gthylester 9980 C~Hs~ (CO. NH 2

CsI_I5/C\CHz .CH~. N( / - -~

Diphenyl-piperidinoathyl-azetamid C~Hs~CO • NH 2

9375 \ / N Ctt°

1-Methyl-4-phenyl-piperidin-4-carbon- s~ureamid

¢0H5 COOC2H~ \ c

9496 C6Hs / ~CH2.CH2.NC~

Diphenyl-piperidinoiithyl-essigester

10342 C6H5\ /CONH 2

C~Hs/2C%'cH~. CH 2. N~ C~H5 C2H5

I) iphenyl-di~thy|amino~ithyl-azetamid

10804 CsHs\/CONH 2 ) e l cH.

CsH~ --CH 2" CH~" N ~ ~CH 3

Diphenyl-dimethylamino~thyl-azetamid

11628 C6H s CONH 2 \ c /

C6Hs j \CH 2 • CH" N ~ I

CHa Diphenyl-piperidinoisopropyl-azetamid

(1)

(2) 520

(3) 1/~ o

(4) 1

(5) 130

(6) 25

(7) 30

SpasmoIyse

Lentin Ba I Histam.

1 1 1

1/3 1/lo

1/1~ 1/100

3 1

1/4

1/2

1/2

1/2

Page 9: Neue synthetische Verbindungen der „Polamidonreihe“ mit parasympathicolytischer Wirkung

Neue synthetische Verbindungen mit parasympathicolytischer Wirkung.

Tabelle 2 (Fortsetzung).

101

Spasmolyse Anal- Yers. :Nr. Formel i

Lentin Ba IHistam. gesie I

10582 CBI-Is~ / C O • CH 2 - CI-I 3 C .CH3

C6H5 / ~CH 2 • CH 2 • N(CH3

1 -Dimethylamino-3.3-diphenyl-hexanon(4)

(s)

10820 C~Hs\ / C O • CH 2 • CI-[ a > C ~ /CH3

C~Ks-- --CH2" CH. N / I \ C H 3

CH3 1-Dimethylamino-4,4-diphenyl-heptanon

(Polamidon)

(9)

10343 C6H 5 CO NH 2 \ c / "

C6Hll / ~ 'CH~. CI-I'2 • N ~

Phenyl-cyclohexyl-piperidino-i~thyl- azetamid

(lO)

Atropin H2C--CH--CH 2

NC, 'H3 > CH'00C 'C 'C 'H5 (11) H2C--CH--CH2 CH20H

Trasentin C3H5\ / C 2 H 5 >oH. coo. cH,. cH, < (12)

C6H5 C2H5 Diphenylessigs~ure -digit hylamino-/~t hylester

Syntropan CKa

H. COO. CH 2 • C .CH2N~ "

CH~Ott CH a Tropasiiure-Ester des 3-Dii~thylamino-2,2-

dimethyl-propanol (1)

(13)

X ylocain CH 3

~ K N a H "CO ' CH2 N < C2H5 C2H5

w-Dii~thylamino-2,6-dimethylazetanflid

(14)

1/3 1

1/2 3/1

6 1/6

280 1/s

1/2

2/3

%

10

0

Page 10: Neue synthetische Verbindungen der „Polamidonreihe“ mit parasympathicolytischer Wirkung

102 SCHAUMAN• und LINDNER: Neue synthetische Verbindungen usw.

~hnl iche Vcrh~ltnisse bes tehen i ibrigens auch bei den Loka lanaes the- t i t icis. Auch hier f inden wir in A m i d e n basisch subs t i tu ie r t e r S~uren, wic Percain* oder Xylocain* (8) eo-Diae thylamino-2 ,6-d imethylaze tan i l id , (N. LSFGRE~, Inaug . Diss. S tockho lm 1948) (XIV) s t a rk wi rksame Ver- bindungen, wenn auch hier noch eher, a l lerdings mfihsam und wenig fiberzeugend, zu den Es te rn a romat i scher S~uren mi t basischen Alkoho- len eine Bri icke zu schlagen w~re.

Auch das hier besprochene A m i d (H5 9980) bes i tz t fibrigens eine loka lanaes the t i sche W i r k s a m k e i t yon der GrSgenordnung des Novo- kains, Wie sich an der Hau tquadde ] a m Meerschweinchen zeigen lieB.

Die bisher igen exper imente l len Er fah rungen mi t der neuen Verbin- dungsklasse lassen uns wieder erkennen, auf wie schwachen F i i gen unsere Erkenn tn i s se betreffs des Zusammenhangs zwischen K o n s t i t u t i o n und W i r k u n g s tehen und dab wir hier auf immer neue ~ b e r r a s c h u n g e n gefagt sein mfissen.

Z u s a m m e n f a s s u n g .

1. Es werden die p h a r m a k o d y n a m i s c h e n Eigenschaf ten einer neuen Verbindungsklasse , der Amide basisch subs t i tu ie r t e r Diphenyless ig- s~uren, beschrieben.

2. Die wi rksamste Verb indung dieser Reihe, das P ipe r id ino~thy l - d ipheny laze tamid , h a t p a r a s y m p a t h i k o l y t i s c h e E igenschaf ten yon der Gr6Benordnung des Atropins .

3. Es werden einige Zusammenhi~nge zwischen K o n s t i t u t i o n und W i r k u n g in dieser Reihe und im Verh~l tnis zu chemisch nahe v e r w a n d t e n Verb indungen besprochen.

4. Es wird auf Grund der neu gewonnenen Erkenn tn i s se a u f die P r o b l e m a t i k beziiglich Kons t i t u t i on , W i r k u n g und Wirkungsmechan i s - mus hingewiesen.

L i t e r a t u r .

1 EISL~, 0., u. 0. SC~V~A~N: Dtsch. med. Wschr. 1989, S. 967; SC~AU- MAN~, 0.: Arch. exper. Path. u. Pharmakol. 196, 109 (1940). - - 2 E~RF_~RT, G., u. 0. SC~AUMA~: Med. Mschr. 8, 605 (1949); BOCKMt)ItL, M., G. Em~m~T u. O. SC~AVMAN~: Liebigs Annalen 561, 52 (1949). - - a MILLER, BECKER U. TAINTER: J. of Pharmacol. 92, 260 (1948). - - 4 BROWN u. W~RNER: J. of Pharmacol. 97, 2 157. - - 5 WINBURY, SCHMALGEMEIER, HAlVIBOURGER : J. Of Pharmacol. 95, 53 (1948). __ e BUR(~EN: Brit. J. Pharmacol. 4, 185 (1949). - - 7 TRIPOD: Helvet. physiol. Acta 7, 135 (1949). - - s LSFGRE~, N.: Inaug. Diss. Stockholm 1948.

* Eingetr. Warenzeichen.