6
This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution 4.0 International License. Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschung in Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht: Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz. Optisch aktive Übergangsmetall-Komplexe, LXIII [1] Asymmetrische Induktion in C5H5Mo(CO)2LX-Diastereomeren-Gleichgewichten Optically Active Transition Metal Complexes, LXIII [1] Asymmetrie Induction in CsHsMo^O^LX Diastereoisomer Equilibria Henri Brunner*, Isabella Bauer und Rainer Lukas Institut für Chemie der Universität Regensburg, Universitätsstraße 31, D-8400 Regensburg Z. Naturforsch. 84b, 1418-1423 (1979); eingegangen am 16. Mai 1979 Chiral Organo-Transition Metal Complexes, Labile Metal Configuration, !H NMR The thioamidato complexes CsH5(CO)2MoSC(R)NCH(CH3) (Ar), derived from acetic acid R = CH3 and benzoic acid R = CßHs, were prepared and characterized. The diastereo- isomers, differing in their X H NMR spectra, were partly separated by fractional crystalli- zation. After equilibration with respect to the labile Mo configuration the diastereoisomer ratio, a measure for the asymmetric induction from the chiral ligand on the formation of the two Mo configurations at equilibrium, was determined by 1 H NMR integration. The asymmetric induction is very high for Ar = o-tolyl [76% (R = CH3) and 84% (R = CeHs)] compared to Ar = phenyl [48% (R = CH3) and 56% (R = CßHs)] and Ar = m- and p-tolyl [52 and 44% (R = CH3)]. The (CO)3Cr complexed phenyl substituent with only 10% asymmetric induction does not show the ß-phenyl effect, a weak attraction between aryl groups in /^-position to the metal atom and the MC5H5 moiety. Bei der Umsetzung von CsHsMo^O^Cl mit un- symmetrischen Chelatliganden LX entstehen die Komplexe C5H5Mo(CO)2LX, in denen das Mo-Atom ein Asymmetriezentrum darstellt, das in R oder S-Konfiguration auftreten kann. Ein optisch aktiver Ligand LX mit S'-Konfiguration führt zu einem Diastereomerenpaar RS'/SS' [2-4]. Wird ein dura- ler Ligand LX in Form des racemischen Gemisches R'/S' verwendet, so bilden sich zwei zueinander diastereomere Enantiomerenpaare RR'/SS' und SR'/RS' [5]. Da Enantiomere unter achiralen Be- dingungen gleiche Kernresonanzspektren ergeben, sind die beiden Fälle, ein Diastereomerenpaar RS'/SS' sowie zwei zueinander diastereomere En- antiomerenpaare RR'/SS' und SR'/RS' iH-NMR- spektroskopisch gleich zu behandeln [5]. Als unsymmetrische chirale Chelatliganden LX eignen sich insbesondere Carbonsäurethioamide [6], die, wie Schema 1 für die S'-Konfiguration zeigt, zwei diastereomere C5H5Mo(CO)2-Komplexe mit viergliedrigem Chelatring ergeben. Im Gegensatz zur stabilen Konfiguration des asymmetrischen C-Atoms im Chelatliganden ist die Konfiguration am Metallatom labil. Die beiden Metallkonfigura- tionen wandeln sich beim Erwärmen in Lösung ineinander um [3-6]. Dabei entfaltet die stabile Chiralität im Liganden eine asymmetrische Induk- * Sonderdruckanforderungen an Prof. Dr.U.Wannagat.0340-5087/79/1000-1418/$ 01.00/0 tion bei der Einstellung der Diastereomerengleich- gewichte. Ein Maß für diese asymmetrische Induk- tion ist das Diastereomerenverhältnis im Gleich- gewicht. Diese Gleichgewichtsinduktionen wurden in der Reihe der Thioamidato-Komplexe C5H5MO(CO)2SC(X)NCH(C6H5) (R) als Funktion der Reste X und R untersucht. Die Variation der Reste X = H bis X=1-CioH7 bei konstant gehal- tenem Asymmetriezentrum R = CH3 ergab Gleich- gewichtsinduktionen von 0-74% [6, 7], während eine Variation des Alkylrests R = CH3, C2H5. CH(CH3) 2 ZU Gleichgewichtsinduktionen von 38 bis 96% für die Essigsäurereihe X = CH3 und 54-98% für die Benzoesäurereihe X = CeHö führte [5]. In der vorliegenden Arbeit wird beschrieben, wie sich eine Variation des aromatischen Restes Ar auf die Gleichgewichtslage zwischen den sich nur in der Konfiguration am Mo-Atom unterscheidenden Dia- stereomeren von C5H5(CO) 2MoSC(R)NCH(CH3)Ar auswirkt, wenn am Asymmetriezentrum die Substi- tuenten H und CH3 konstant gehalten werden. Zu diesem Zweck wurden die drei Thioacetamidato- Komplexe la-d, die sich vom o-, ra- und p-Tolyl- ethylamin ableiten, der Thiobenzamidato-Komplex ld des o-Tolylethylamins und der Thioacetamidato- Komplex le, der sich vom Aromaten-Cr(CO)3- Komplex des (S)-(—)-l-Phenylethylamins ableitet, dargestellt und die Diastereomerenverhältnisse im Gleichgewicht nach Epimerisierung 1 H-NMR-spek- troskopisch bestimmt.

Optisch aktive Übergangsmetall-Komplexe, LXIII [1 ...zfn.mpdl.mpg.de/data/Reihe_B/34/ZNB-1979-34b-1418.pdf · Chiral Organo-Transition Metal Complexes, Labile Metal Configuration,

  • Upload
    others

  • View
    2

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution4.0 International License.

Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschungin Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung derWissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht:Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz.

Optisch aktive Übergangsmetall-Komplexe, LXIII [1] Asymmetrische Induktion in C5H5Mo(CO)2LX-Diastereomeren-Gleichgewichten

Optically Active Transition Metal Complexes, L X I I I [1] Asymmetrie Induction in CsHsMo^O^LX Diastereoisomer Equilibria

Henri Brunner*, Isabella Bauer und Rainer Lukas Institut für Chemie der Universität Regensburg, Universitätsstraße 31, D-8400 Regensburg Z. Naturforsch. 84b, 1418-1423 (1979); eingegangen am 16. Mai 1979 Chiral Organo-Transition Metal Complexes, Labile Metal Configuration, !H NMR

The thioamidato complexes CsH5(CO)2MoSC(R)NCH(CH3) (Ar), derived from acetic acid R = CH3 and benzoic acid R = CßHs, were prepared and characterized. The diastereo-isomers, differing in their XH NMR spectra, were partly separated by fractional crystalli-zation. After equilibration with respect to the labile Mo configuration the diastereoisomer ratio, a measure for the asymmetric induction from the chiral ligand on the formation of the two Mo configurations at equilibrium, was determined by 1H NMR integration. The asymmetric induction is very high for Ar = o-tolyl [76% (R = CH3) and 84% (R = CeHs)] compared to Ar = phenyl [48% (R = CH3) and 56% (R = CßHs)] and Ar = m- and p-tolyl [52 and 44% (R = CH3)]. The (CO)3Cr complexed phenyl substituent with only 10% asymmetric induction does not show the ß-phenyl effect, a weak attraction between aryl groups in /^-position to the metal atom and the MC5H5 moiety.

Bei der Umsetzung von CsHsMo^O^Cl mit un-symmetrischen Chelatliganden L X entstehen die Komplexe C5H5Mo(CO)2LX, in denen das Mo-Atom ein Asymmetriezentrum darstellt, das in R oder S-Konfiguration auftreten kann. Ein optisch aktiver Ligand L X mit S'-Konfiguration führt zu einem Diastereomerenpaar RS'/SS' [2-4]. Wird ein dura-ler Ligand L X in Form des racemischen Gemisches R' /S' verwendet, so bilden sich zwei zueinander diastereomere Enantiomerenpaare RR'/SS' und SR'/RS' [5]. Da Enantiomere unter achiralen Be-dingungen gleiche Kernresonanzspektren ergeben, sind die beiden Fälle, ein Diastereomerenpaar RS'/SS' sowie zwei zueinander diastereomere En-antiomerenpaare RR'/SS' und SR'/RS' iH-NMR-spektroskopisch gleich zu behandeln [5].

Als unsymmetrische chirale Chelatliganden L X eignen sich insbesondere Carbonsäurethioamide [6], die, wie Schema 1 für die S'-Konfiguration zeigt, zwei diastereomere C5H5Mo(CO)2-Komplexe mit viergliedrigem Chelatring ergeben. Im Gegensatz zur stabilen Konfiguration des asymmetrischen C-Atoms im Chelatliganden ist die Konfiguration am Metallatom labil. Die beiden Metallkonfigura-tionen wandeln sich beim Erwärmen in Lösung ineinander um [3-6]. Dabei entfaltet die stabile Chiralität im Liganden eine asymmetrische Induk-

* Sonderdruckanforderungen an Prof. Dr. U. Wannagat. 0340-5087/79/1000-1418/$ 01.00/0

tion bei der Einstellung der Diastereomerengleich-gewichte. Ein Maß für diese asymmetrische Induk-tion ist das Diastereomerenverhältnis im Gleich-gewicht. Diese Gleichgewichtsinduktionen wurden in der Reihe der Thioamidato-Komplexe C5H5MO(CO)2SC(X)NCH(C6H5) (R) als Funktion der Reste X und R untersucht. Die Variation der Reste X = H bis X=1 -C ioH7 bei konstant gehal-tenem Asymmetriezentrum R = CH3 ergab Gleich-gewichtsinduktionen von 0 - 7 4 % [6, 7], während eine Variation des Alkylrests R = CH3, C2H5. CH(CH3)2 ZU Gleichgewichtsinduktionen von 38 bis 96% für die Essigsäurereihe X = CH3 und 54-98% für die Benzoesäurereihe X = CeHö führte [5].

In der vorliegenden Arbeit wird beschrieben, wie sich eine Variation des aromatischen Restes Ar auf die Gleichgewichtslage zwischen den sich nur in der Konfiguration am Mo-Atom unterscheidenden Dia-stereomeren von C5H5(CO)2MoSC(R)NCH(CH3)Ar auswirkt, wenn am Asymmetriezentrum die Substi-tuenten H und CH3 konstant gehalten werden. Zu diesem Zweck wurden die drei Thioacetamidato-Komplexe la -d , die sich vom o-, ra- und p-Tolyl-ethylamin ableiten, der Thiobenzamidato-Komplex l d des o-Tolylethylamins und der Thioacetamidato-Komplex l e , der sich vom Aromaten-Cr(CO)3-Komplex des (S)-(—)-l-Phenylethylamins ableitet, dargestellt und die Diastereomerenverhältnisse im Gleichgewicht nach Epimerisierung 1H-NMR-spek-troskopisch bestimmt.

H. Brunner et al. • Optisch aktive Übergangsmetall-Komplexe 1419

Synthesen Die ehiralen primären Amine H2NCH(CH3) (Ar)

(Ar = o-, m-, P-CH3C6H4) wurden nach folgender Methode [8-10] gewonnen: Die Tolylmagnesium-bromide bilden mit Acetonitril schwerlösliche Addi-tionsverbindungen, die mit LiAlIU reduziert wer-den. Nach Hydrolyse mit wäßriger NaOH läßt sich aus der etherischen Lösung das entsprechende oxidationsempfindliche Amin gewinnen.

Um von den primären Aminen zu den als Liganden verwendeten Thioamiden SC(R)NHCH(CH3)(C6H4CH3) zu gelangen, wurden die Amine zunächst mit Acetanhydrid bzw. Benzoylchlorid in die entsprechenden Säureamide übergeführt. Die Thioamide wurden durch Um-setzung der Säureamide mit einer Mischung von Phosphorpentasulfid und Kaliumsulfid in Xylol dargestellt [11]. Da die Einführung der Tricarbonyl-chromgruppe in (S)-(—)-l-Phenylethylamin nicht möglich ist (Bildung von (S)-(—)-(C6H5)(CH3)HCNH2Cr(CO)5 [10]), erfolgte sie auf der Stufe des (S)-(—)-l-Phenylethylacet-amids durch Rückflußkochen mit Chromhexa-

I -HCl

H3C * A r

1a-e is')

/7I\

r''—»N CO

Ar i H CHj 2a-e (ss')

R Ar

a CH3 0-CH3C6H4 b CH3 m-CH3C6H4 c CH3 J9-CH3C6H4 d CEHS o-CH3CßH4 e CH3 C6H5Cr(CO)3

carbonyl in Diglyme/Heptan (1:1) [10]. Das ent-sprechende Thioacetamid wurde durch Umsetzung mit P2S5/K2S erhalten [12].

Die Thioamide 1 a-d werden in Pyridinlösung bei 120 °C mit C5H5Mo(CO)3Cl unter CO- und HC1-Abspaltung zu den Thioamidato-Komplexen 2 a-d umgesetzt. Da bei der Reaktion von C5H5Mo(CO)3Cl mit l e unter diesen Bedingungen eine Abspaltung der Tricarbonylchrom-Gruppe eintritt, wird der Komplex 2e in Benzol/Pyridin (3:1) bei 80 °C synthetisiert. Alle Thioamidato-Komplexe ergaben bei der Chromatographie an Si02 mit Benzol schnellaufende rote Zonen.

Spektren Die Komplexe 2 a-d enthalten im IR-Spektrum

(KBr) zwei v(CO)-Banden für die Carbonylgruppen im Bereich 1940-1970 cm"1 und 1840-1875 cm-1. Die für die Thioamid-Gruppierung charakteristi-schen i>(NCS)-Banden befinden sich zwischen 1530 bis 1555 cm - 1 und sind gegenüber den freien Thio-amiden geringfügig nach niedrigeren Wellenzahlen verschoben [6]. Im Chromtricarbonyl-Komplex 2e besteht der v(CO)-Bereich wegen der im Molekül vorhandenen 5 CO-Gruppen, von denen zwei an Molybdän und drei an Chrom gebunden sind, im KBr-Spektrum infolge von Kristalleffekten aus 6 Banden zwischen 1970 und 1830 cm-1. Im Lösungs-spektrum (CH2Cl2) findet man wie erwartet nur 4 Absorptionen bei 1975, 1955, 1905 und 1867 cm-1.

/ r \ oc^ -^vco OC Cl

0C N 4

H3C * Ar

2a-e (RS'i

Tab. I. iH-NMR-Spektren der Thioamidato-Komplexe C5H5Mo(CO)2SC(R)NCH(CH3)(Ar) (2a-e) in Toluol-d8 (i-TMS); r-Werte und Multiplizitäten.

Verbindung C6H5 C5H5 CH CH3 CH3 CH3 Ar (Tolyl) (Essigsäure) (C*)

O-CH3-C6H4 m3,0 ^,00 (2a) 15,41 m-CH3-C6H4 m3,2 15,23 (2b) !5,63 J9-CH3-C6H4 m3,3 ^5,23 (2c) 15,63 o-CH3—CßH4 m2,8 14,87 (2d) 15,31 7r-(OC)3Cr-C6H5 ™4,97 15,13 (2e) >5,43

45,27 !8,13 ^,20 28,60 iß,47 28,86

18,07 ^,40 28,87 !8,60 29,13

45,77 18,01 ^,40 28,85 18,51 29,11 W!5,23 18,90 — 29,19

29,45 m5,27 — 18,10 29,0

!8,40 29,13

1420 H. Brunner et al. • Optisch aktive Übergangsmetall-Komplexe 1420

Die NCS-Schwingung tritt für Komplex 2e in KBr bei 1595 cm - 1 auf.

Die Massenspektren der Verbindungen 2 a-d zei-gen in allen Fällen neben dem Molekülion M+ die durch nacheinander erfolgende Abspaltung der bei-den Carbonylgruppen entstehenden Ionen [M-CO]+ und [M-2CO]+. Diese Ionen zerfallen unter CH3CN-und C2H4-Abspaltung weiter bis zum besonders stabilen Ion C5H5MoS+. Damit lassen sich die Massenspektren der Komplexe 2 a-d völlig in die für Thioamidato-Komplexe veröffentlichten Zerfalls-schemata einordnen [13]. Bei Komplex 2e verliert das Molekülion M+ (m/e = 533) zunächst die drei CO-Gruppen des (OC)3Cr-Restes. Das dabei ent-stehende Ion (m/e = 449) geht unter Cr-Abspaltung in den Cyclopentadienyl-dicarbonyl-l-phenylethyl-thioacetamidato-Komplex (m/e = 397) über, der nach dem gleichen Muster wie die Komplexe 2 a-d zerfällt [13].

In den iH-NMR-Spektren der Komplexe 2 a-d unterscheiden sich die diastereomeren Enantio-merenpaare durch die chemische Verschiebung der CsHs-Signale, die mit ungefähr 30 Hz aufgespalten sind. Das Verhältnis der Signalintensitäten der C5H5-Signale im Gleichgewicht kann zur Ermittlung des Diastereomerenverhältnisses herangezogen wer-den. Die Singuletts der CH3-Gruppe bei den Kom-plexen 2 a-c des Essigsäurerestes sind in gleicher Weise aufgespalten. Während die CH3-Gruppe des Tolylrestes stets als Singulett bei T- Werten zwischen 8,00 und 8,20 ppm erscheint, ergeben die Signale der Methylgruppe am chiralen Kohlenstoffatom meist zu Tripletts überlagerte Doppeldubletts [J(CH3-H) 7-8 Hz], Bei Komplex 2e befindet sich das C5H5-Signal des im Gleichgewicht dominieren-den Diastereomeren, abweichend von allen bisher vermessenen Thioamidato-Komplexen bei höherem Feld. Ansonsten entspricht das Spektrum bis auf das Doppeldublett für die Methylgruppe am asym-metrischen C-Atom dem des unsubstituierten 1 -Phenylethylthioacetamidato-Komplexes [6].

Epimerisierung und Diastereomerenverhältnisse

Thema der vorliegenden Arbeit war es, die Lage der Diastereomerengleichgewichte R S ' / S R ' ^ S S ' / R R ' der Komplexe 2 a-e zu bestimmen. Zur Darstellung des Komplexes 2e wurde das optisch aktive (S')-Amin l e verwendet. 2e bildet demnach ein Dia-stereomerenpaar RS'/SS'. Da bei der Synthese der Komplexe 2 a-d von racemischen Aminen R'/S' aus-gegangen wurde, liegen zwei diastereomere Enantio-merenpaare RR'/SS' und RS'/SR' vor. In beiden Fällen unterscheiden sich die Diastereomeren in der chemischen Verschiebung ihrer iH-NMR-Signale. Damit läßt sich das Ausmaß der asymmetrischen Induktion vom asymmetrischen C-Atom im Ligan-den auf die labile Molybdänkonfiguration durch 1H-NMR-Integration insbesondere der genügend weit aufgespaltenen CöHs-Signale bestimmen.

Um zu gewährleisten, daß die diastereomeren Thioamidato-Komplexe wirklich im thermodyna-mischen Gleichgewicht vorliegen, wurden die Dia-stereomerengemische durch fraktionierte Kristalli-sation in eine leichter lösliche und eine schwerer lösliche Fraktion getrennt. Anschließend wurden beide Fraktionen in Lösung bei höherer Temperatur mindestens 10 Halbwertszeiten epimerisiert [5, 6]. Dabei wurden die in Tab. II zusammengefaßten Gleichgewichtsverhältnisse gefunden.

Vergleicht man die Diastereomerenverhältnisse der neu dargestellten 1-Tolylethylthioamidato-Komplexe mit denen der unsubstituierten 1-Phenyl -ethyl-Verbindungen [6, 7], so fällt auf, daß in der Reihe der Thioacetamidato-Komplexe eine wesent-liche Veränderung des Diastereomerenverhältnisses nur bei der o-Methyl-Verbindung 2 a eintritt, ent-sprechend einer Erhöhung der asymmetrischen In-duktion von 48% auf 76%. Die m-CH3- bzw. p-CH3-Komplexe 2 b und 2 c dagegen ergeben Diastereo-merenverhältnisse von 76:24 bzw. 72:28, die inner-halb der Fehlergrenze der C5H5-Integration nur unwesentlich vom Verhältnis 74:26 des unsubsti-tuierten Komplexes abweichen [5]. Das o-Tolyl-

Tab. II. Gleichgewichtsverhältnisse der diastereomeren C5H5(CO)2MoSC(R)NCH(CH3) (Ar)-Komplexe (2a-e) in Toluol-ds bei 45 °C.

Ar C 6 H 5 o - C H 3 C 6 H 4 m - C H 3 C 6 H 4 p-CH3C6H4 C6H5Cr(CO)3

R - CH3 2a 2b 2c 2e 74:26 [5] 88:12 76:24 72:28 45:55

R = C6H5 2d 78:22 [5] 92:8 — — —

H. Brunner et al. • Optisch aktive Übergangsmetall-Komplexe 1421

Derivat 2d der Benzoesäure reihe zeigt mit 84%, wie auch an anderen Komplexen beobachtet [3, 14], eine höhere optische Induktion als das entsprechende Derivat der Essigsäurereihe.

Der Gang in den Diastereomerenverhältnissen der o-, m- und p-substituierten Tolylethylthioamidato-Komplexe 2 a-d läßt sich mit den Ergebnissen von Röntgenstrukturanalysen an verschiedenen Kom-plexen des Typs CöH5(CO)oMo-thioamidat [10, 15] korrelieren.

In allen 5 untersuchten Fällen sind die Substi-tuenten des asymmetrischen C-Atoms folgender-maßen angeordnet: die Phenylgruppe ist dem Cyclopentadienylring zugewandt, das H-Atom liegt in der Ligandenebene und die Alkylgruppe steht auf der dem CsHs-Ring abgewandten Seite aus dem Komplex heraus. Modellbetrachtungen zeigen, daß eine sterische Wechselwirkung eines Methylsubsti-tuenten am Phenylring mit dem Cyclopentadienyl-ring des Komplexes nur dann erfolgen kann, wenn die CH3-Gruppe in or^o-Stellung steht. Bei Sub-stitution in m- oder ^-Stellung ist die Methylgruppe am Phenylring so weit vom C5H5-Ring entfernt, daß keine merkliche sterische Hinderung eintreten kann. Eine Beeinflussung der Lage des Diastereomeren-gleichgewichts ist daher nur in den o-substituierten Verbindungen 2a und 2d zu beobachten, nicht da-gegen in den m- und p-substituierten Komplexen 2 b und 2 c.

Die bei den Röntgenstrukturanalysen gefundene Anordnung des Phenylrings nahe am CaHs-Ring und der negative A-Wert der Phenylgruppe bei der Ana-lyse der Diastereomerengleichgewichte mit Hilfe des stereochemischen Strukturmodells von Ruch/Ugi führten zur Postulierung eines ,,ß-Phenyleffekts'' [5], einer konformationsbestimmenden schwachen Anziehung zwischen dem CöHa-Substituenten am Asymmetriezentrum und der MC5H5-Gruppierung. Dieser /?-Phenyleffekt wird von den Diastereomeren-verhältnissen der Komplexe 2 a-d ebenso bestätigt, wie die Beobachtung, daß die CsHs-Signale der im Gleichgewicht dominierenden Isomeren gegenüber den nicht begünstigten Isomeren um etwa 0,5 ppm nach höherem Feld verschoben sind [5]. Dies steht in Übereinstimmung mit der Tatsache, daß in den bevorzugten Isomeren der CsHs-Ring im inneren Anisotropiebereich des Phenylrings liegt.

Überraschend ist, daß der Cr(CO)3-komplexierte Phenylrest am Asymmetriezentrum vollständig aus dieser Reihe herausfällt. Mit einem Isomerenver-

hältnis von 45:55 liegt die optische Induktion von nur 10% in dem Bereich, in den auch die Verbindun-gen mit 2 verschiedenen Alkylresten am Asym-metriezentrum fallen [5]. Zudem ist Komplex 2e das bisher einzige Beispiel dafür, daß das C5H5-Signal des im Gleichgewicht begünstigten Isomeren im iH-NMR-Spektrum bei tieferem Feld erscheint. Aus beiden Beobachtungen ergibt sich, daß mit Cr(CO)3 komplexierte Arylreste am Asymmetrie-zentrum die für nicht jr-gebundene Arylreste be-obachtete spezifische Wechselwirkung mit der C5H5M-Gruppierung nicht eingehen.

Experimenteller Teil Alle Arbeiten wurden unter Ausschluß von Luft

und unter Verwendung von absolutierten und stick-stoffgesättigten Lösungsmitteln durchgeführt.

Die Darstellung der chiralen Tolyethylamine so-wie deren Umsetzung zu den Säureamiden und -thioamiden erfolgt nach kürzlich beschriebenen Methoden [5, 8-12],

(—)-Tricarbonyl[ ( S )-l-phenylethylacetamid ] chrom 4,4 g (20 mmol) Cr(CO)6, 3,3 g (20 mmol)

(S)-(—)-C6H5CH(CH3)NHCOCH3 werden in 30 ml Diethylenglykoldimethylether (Diglyme) und 30 ml Heptan 20 h bei 170 °C am Rückfluß erhitzt. Das sublimierende Cr(CO)6 wird durch eine Spirale im Rückflußkühler in die Reaktionsmischung zurück-geführt. Unter CO-Entwicklung tritt Gelb- und später Grünfärbung ein.

Nach Beendigung der Reaktion wird die Lösung noch heiß filtriert und das Lösungsmittel abdestil-liert. Dabei sublimiert auch ein großer Teil des nicht umgesetzten Cr(CO)6 mit ab. Die gelbe, feinpulvrige Substanz wird in Chloroform aufgenommen und an Kieselgel mit Benzol/Essigsäureethylester ( 1 : 1 ) chromatographiert. Dabei trennt sich der Komplex (S)-(—)-(OC)3CrC«H5CH(CH3)NHCOCH3 als gelbe Zone von unlöslichen, grünen Zersetzungsprodukten ab. Nach dem Abziehen des Lösungsmittels erhält man die Verbindung durch Umkristallisieren aus Chloroform/Hexan (1:3) analysenrein. Gelbe Kri-stalle, in Lösung mäßig luftempfindlich.

Ausbeute: 2,4g (40% d.Th.). Schmp. 137 °C (Zers.). Ci3Hi3CrN04 (299,2)

Ber. C 52,18 H 4,38 N 4,68, Gef. C 52,40 H 4,30 N4,77. Molgew.: 299 (massenspektrometrisch).

(—)-Tricarbonyl[ ( S )-l-phenylethylthioacetamidJ-chrom (le)

3,0 g (10 mmol) (S)-(—)-(OC)3CrC6H5CH(CH3)NHCOCH3 werden in 150 ml Xylol suspendiert, mit einem Gemisch von

1422 H. Brunner et al. • Optisch aktive Übergangsmetall-Komplexe

Tab. III. Schmelzpunkte und analytische Daten der Molybdänthioamidato-Komplexe 2 a-d.

Verbindung Schmp. [°C] Summenformel Molgewicht Analysenwerte [ % ] C H N

2a 168 (Zers.) CI8HI9N02SMO 409,4 Ber. Gef.

52,81 52,67

4,68 4,55

3,42 3,26

2b 112 (Zers.) Ci8HI9N02SMO 409,4 Ber. Gef.

52,81 52,31

4,68 4,82

3,42 3,17

2c 124 (Zers.) CI8HI9N02SMO 409,4 Ber. Gef.

52,81 52,43

4,68 4,75

3,42 3,10

2d 127 (Zers.) C23H2iN02SMO 471,4 Ber. Gef.

58,53 58,63

4,48 4,34

2,97 3,20

3 g P2S5 und 3 g K2S versetzt und 30 min auf 80 °C erhitzt. Die gelbe Lösung wird noch heiß vom öligen Rückstand abdekantiert und filtriert. Der ölige Rückstand wird zweimal mit heißem Xylol ge-waschen und die vereinigten Lösungen werden ein-geengt. Der ölige, braune Rückstand wird in Benzol aufgenommen und an Kieselgel mit Benzol/Methy-lenchlorid/ Aceton (1:1:2) an einer auf — 2 0 °C gekühlten Säule (1 = 40 cm, 0 = 3,5 cm) unter Lichtausschluß chromatographiert. Die gelbe Zone enthält ein lichtempfindliches gelbes ö l , das in möglichst wenig Methylenchlorid gelöst wird. Man versetzt mit so viel Hexan, daß gerade eine Trübung eintritt. Beim Aufbewahren bei —30 °C kristalli-siert der Komplex (S)-(—)-(OC)3CrC6H5CH(CH3)NHCSCH31 e in Form gelber Nadeln aus.

Ausbeute: 750 mg (24% d.Th.). Schmp. 108 °C. C13H13ONO3S (315,3)

Ber. C 49,52 H4,16 N 4,44, Gef. C 48,93 H 4,04 N4,41. Molgew. 315 (massenspektrometrisch).

Allgemeine Arbeitsvorschrift zur Darstellung der Cyclopentadienyl-dicarbonyl-molybdän-thio -amidato-Komplexe 2 a-d

1,1 g (4 mmol) C5H5MO(CO)3C1 und 4,1 mmol des entsprechenden Thioamids la-d werden in 100 ml Pyridin zwei Stunden auf 120 °C erhitzt. Nach dem Abkühlen wird das Lösungsmittel abgezogen und der zähflüssige, dunkelbraune Rückstand in 10 ml Benzol aufgenommen. Bei der Chromatographie an Kieselgel mit Benzol trennt sich zuerst die dunkel-rote Zone des Thioamidato-Komplexes ab. Die folgende, schwach gelbe Zone enthält nicht umge-setzten Liganden. Beim Abziehen des Lösungs-

mittels aus der dunkelroten Zone erhält man den entsprechenden Komplex 2 a-d in Form eines roten Öls, das durch wiederholtes Rühren mit Pentan kristallin wird. Die Thioamidato-Komplexe können aus einem Ether/Pentan-Gemisch 1:5 umkristalli-siert werden.

Cyclopentadienyl-dicarbonyl-ftricarbonylchrom-( S )-l-phenylethylthioacetamidato]-molybdän

550 mg (2 mmol) (C5H5)MO(CO)3C1 werden mit 650 mg (2,05 mmol) (S)-(—)-(OC)3CrC6H5CH(CH3)NHCSCH3 in einem Gemisch von 75 ml Benzol und 25 ml Pyridin 1,5 h auf 80 °C erhitzt. Nach dem Entfernen des Lösungs-mittels wird der ölige Rückstand in möglichst wenig Benzol aufgenommen und an Kieselgel mit Benzol chromatographiert (1 = 60 cm, 0 = 3 cm). Die erste, dunkelrote Zone, die sich nur langsam von einer gelben breiten Zone abtrennt, enthält den gesuchten Thioamidato-Komplex. Eine völlige Trennung wird durch eine weitere Chromatographie an Kieselgel/Benzol erreicht. Hierbei erhält man eine rote Zone, die nach dem Abziehen des Lösungs-mittels den roten kristallinen Komplex 2e ergibt.

Ausbeute: 310 mg (29% d.Th.). Schmp. 191 °C (Zers.). C2oHi7CrMoN05S (531,3)

Ber. C 45,21 H 3,22 N 2,64, Gef. C 45,14 H 3,34 N 2,59. Molgew. 531 (massenspektrometrisch).

Wir danken der Deutschen Forschungsgemein-schaft, dem Fonds der Chemischen Industrie, der BASF AG und der Dynamit Nobel AG für Unter-stützung dieser Arbeit.

[1] 62. Mitteilung: H. Brunner, W. Nowak und D. K. Rastogi, Inorg. Chim. Acta 33, L 115 (1979).

[2] H. Brunner und W. A. Herrmann, Angew. Chem. 84, 442 (1972); Angew. Chem. Int. Ed. Engl. 11, 418 (1972).

[3] H. Brunner, Chemie in unserer Zeit 11, 157 (1977).

[4] H. Brunner, Adv. Organomet. Chem. 112, 2528 (1979).

[5] H. Brunner und R. Lukas, Chem. Ber., im Druck. [6] H. Brunner und J. Wächter, Chem. Ber. 110, 721

(1977).

D. G. Brown-W. J. Hughes • Copper Complexes of 3-w-Nonyleatechol 1423

[7] H. Brunner, W. A. Herrmann und J. Wächter, J. Organomet. Chem. 107, C 11 (1976).

[8] A. Pohland und H. R. Sullivan, J. Am. Chem. Soc. 75, 5898 (1953).

[9] Houben-Weyl, Methoden der Organischen Che-mie, 4. Auflage, XI/1, 817 (1957).

[10] R. Lukas, Dissertation, Universität Regensburg 1978.

[11] E. Klingsberg und D. Papa, J. Am. Chem. Soc. 73, 4988 (1951).

[12] K. Kindler, Ann. Chem. 431, 187 (1923). [13] H. Brunner, K. K. Mayer und J. Wächter, Chem.

Ber. 110, 730 (1977). [14] H. Brunner, Acc. Chem. Res. 12, 250 (1979). [15] M. G. Reisner, I. Bernal, H. Brunner und J.

Wächter, J. Organomet. Chem. 137, 329 (1977).