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Perspektiven der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung im Zeichen der Eurokrise – Möglichkeiten und Verantwortung der
Lohnpolitik
Vortrag auf der Hauptamtlichentagung des IG Metall Bezirks Frankfurt
am 6. September 2011 in Frankenthal
von Friederike Spiecker
Konjunkturelle Ausgangslage in Deutschland
• BIP-Wachstum 2. Quartal 2011 gegen Vorquartal + 0,1%
• privater Verbrauch - 0,7%
• Exporte + 2,3%
• Auftragseingänge (Volumen)
Auftragseingang Verarbeitendes Gewerbe Ausland
Volumen-Index
2005 = 100
Quelle: Statistisches Bundesamt 4.8.2011
Auftragseingang Verarbeitendes Gewerbe Inland
Volumen-Index
2005 = 100
Quelle: Statistisches Bundesamt 4.8.2011
Konjunkturelle Ausgangslage in Deutschland
• BIP-Wachstum 2. Quartal 2011 gegen Vorquartal + 0,1%
• privater Verbrauch - 0,7%• Exporte + 2,3%• Auftragseingänge (Volumen)• Verbraucherpreise: Juli +2,4%• Kerninflationsrate (=ohne Energie, Nahrungsmittel, Alkohol, Tabak):
Juli +1,3%• Zinssatz für 10jährige Staatsanleihen: 1,90%
ZEW-Index für Deutschland
Konjunkturelle Risiken
Abkühlung der Weltwirtschaft:• USA: trübe Arbeitsmarkt- und
Reallohnentwicklung • BRIC-Staaten: konjunkturelle
VerlangsamungRohstoffpreisschwankungen wegen
SpekulationDevisenmarktturbulenzenEuro-Krise
Möglichkeiten der Lohnpolitik I
• Fortsetzung des bisherigen Konzepts der Lohnmoderation
• aufgrund der drohenden Konjunkturabschwächung hieße das aktuell Abschlüsse unterhalb von 2%
• kommt es zur nächsten Krise, müssten Minusrunden folgen
Grundproblem der Euro-Krise I• nicht Staatsschulden der Krisenländer, sondern
Verschuldung im Ausland->Japan: Staatsschulden ca. 200% des BIP,
jedoch bei eigenen Bürgern Zinssatz für 10jährige Staatsanleihen 1,02%
->Deutschland: Staatsschulden über 80%, Zinssatz 1,9 %
->Spanien: Staatsschulden ca. 60%,Zinssatz 5,22%
->USA: Staatsschulden ca. 95%, Zinssatz 1,99%
Grundproblem der Euro-Krise II• Leistungsbilanzsalden:
->Japan: seit 8 Jahren Überschüsse von 3 bis 4% des BIP
->Deutschland: seit 8 Jahren Überschüsse von 5% und mehr
->Spanien: seit 11 Jahren Defizite von 4% und mehr (2007 waren es 10%)
->USA: seit 12 Jahren Defizite zwischen 3 und 6%
Handelsungleichgewichte1) in der EWU
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1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010
Jahre
Sal
den
in
vH
des
BIP
Deutschland
1) Saldo der Leistungsbilanz in Prozent des Bruttoinlandsprodukts; negative Werte: Defizit. 2) Griechenland, Portugal, Spanien und Italien.Quelle: AMECO Datenbank (Stand: November 2010); eigene Berechnungen.
Südeuropa2)
Frankreich
Einführung des Euro
Internationaler Handel bestimmt Auslandsschulden
Handelsungleichgewichte in der EWU historisch extrem hoch
50 Jahre internationaler Handel1)
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Deutschland2)
1) Saldo der Leistungsbilanz in Prozent des BIP; negative Werte: Defizit. 2) Bis 1990 Westdeutschland. 3) Griechenland, Portugal, Spanien und Italien. Quelle: AMECO Datenbank (Stand: November 2010); eigene Berechnungen.
Südeuropa3)
Frankreich
Preise bestimmen Absatz
Preisentwicklung1) in Deutschland und Südeuropa
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Jahre
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199
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Deutschland
1) Deflator des Bruttoinlandsprodukts, 1999 = 100 . 2) Griechenland, Portugal, Spanien und Italien; gewichtet mit realem BIP. 3) Preisanstieg von 2%.Quelle: AMECO Datenbank (Stand: November 2010), eigene Berechnungen.
Frankreich
Inflationsziel
der EZB3)
Südeuropa2)
Lohnstückkosten bestimmen Preise
EWU-Länder: Lohnstückkosten bestimmen Preise
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Jahre
jäh
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eru
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srat
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vH
Preise1)
1) Deflator des Bruttoinlandsprodukts. 2) Bruttoeinkommen in ECU bzw. Euro aus unselbständiger Arbeit je Beschäftigten dividiert durch reales BIP je Erwerbstätigen.Quelle: AMECO Datenbank (Stand: November 2010); eigene Berechnungen.
Lohnstückkosten2)
Zielrate der EZB von 2%
R2 = 0,78
Divergenz der Lohnstückkosten in der EWU produziert Schuldenkrise
Lohnstückkosten1) in Deutschland und Südeuropa
95
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110
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1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010
Jahre
Ind
ex 1
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= 1
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Deutschland
1) Index der gesamtwirtschaftlichen Lohnstückkosten 1999 = 100. 2) Griechenland, Portugal, Spanien und Italien. 3) Preisanstieg von 2%.Quelle: AMECO Datenbank (Stand: November 2010), eigene Berechnungen.
Frankreich
Inflationsziel
der EZB3)
Südeuropa2)
Möglichkeiten der Lohnpolitik IIAnalyse der Euro-Krise:
Der EWU fehlt es nicht aneiner gemeinsamen Wirtschaftsregierung, an Schuldenbremsen, an verschärften Sanktionsmechanismen bei öffentlichen Haushaltsdefiziten, sondern
an der Einhaltung des gemeinsamen Inflationsziels von 2% und zwar in jedem EWU-Land
„Beitrag“ der deutschen Lohnpolitik zur Euro-Krise
• Abweichung der Lohnstückkosten 1999 -2010 zwischenDeutschland und Südeuropa: 25%Deutschland und Frankreich: 15%
• Frankreich entspricht dem 2%-Inflationsziel
• -> Deutschland weicht vom gemeinsamen Inflationsziel stärker nach unten ab als Südeuropa nach oben
• -> Deutschland hat zur Krise mehr beigetragen als die Krisenstaaten
Möglichkeiten der Lohnpolitik III• Bruch mit dem bisherigen Konzept zugunsten
einer langfristig strikt an der gesamtwirtschaftlichen Produktivität und dem 2%-Inflationsziel der EZB orientierten Lohnregel
• kurz- und mittelfristig Abweichen von dieser Regel nach oben, um Euro-Rettung zu ermöglichen: Vermeidung von Deflation in Krisenländern
• -> das hieße deutsche Lohnabschlüsse von 4,5% in den nächsten ca. 10 Jahren
Lösung der Euro-Krise:
Konvergenz der Lohnstückkosten1)
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Jahre
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1) Index der gesamtwirtschaftlichen Lohnstückkosten1999 = 100; Vorschlag 2012 - 2020: Deutschland +3%, Südeuropa +1%, Frankreich +2% jährlich. 2) Griechenland, Portugal, Spanien, and Italien. 3) Jährlicher Zuwachs von 2%.Quelle: AMECO Datenbank, Werte für 2010 and 2011 Schätzung und Prognose der EU-Kommission, Stand May 2011; eigene Berechnungen.
Vorschlag
Südeuropa2)
Deutschland
Frankreich
Inflationsziel der EZB3)
+ 1% (= Nominallöhne zwischen +1% und +3,5%)
+ 2% (= Nominallöhne ca. + 3%)
+ 3% (= Nominallöhne ca. + 4,5%)
Europäische Lohnkoordination
Lohnstückkosten-Entwicklung nach deutschem Muster1)
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Jahre
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1) Index der gesamtwirtschaftlichen Lohnstückkosten1999 = 100; 2012 - 2020: Deutschland, Südeuropa, Frankreich +1% jährlich. 2) Griechenland, Portugal, Spanien, and Italien. 3) Jährlicher Zuwachs von 2%.Quelle: AMECO Datenbank, Werte für 2010 and 2011 Schätzung und Prognose der EU-Kommission, Stand May 2011; eigene Berechnungen.
„realistische“ Entwicklung
Südeuropa2)
Deutschland
Frankreich
Inflationsziel der EZB3)
+ 1% (= Nominallöhne zwischen +1% und +3,5%)
+ 1% (= Nominallöhne ca. + 2%)
+ 1% (= Nominallöhne ca. + 2,5%)
Deflationsszenario in der EWU
Was sonst zu tun bleibt I
• Lohnpolitik ist auf Finanzmarktbändigung angewiesen
• Schließung des Finanzkasinos erfordert Abkehr von Marktgläubigkeit: Kapitalmärkte dürfen niemals Kontrolleure der Politik sein, weil sie dann die dienende Funktion des Finanzsektors für die Realwirtschaft in eine beherrschende verwandeln
Was sonst zu tun bleibt II• Bis zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit
der Krisenstaaten: Eurobonds und/oder weitere Käufe von Staatsanleihen durch die EZB
• Kaputtsparen der Krisenländer sofort beenden• Der Staat muss generell Schulden machen für den
Ausbau des öffentlichen Kapitalstocks: Schuldenbremse abschaffen; stärkere deutsche Staatsverschuldung zur Eurorettung (Fiskalimpuls für‘s Ausland)
• Die Geldpolitik ist für die Realwirtschaft zuständig und darf nicht die Preisblasen des Finanzkasinos zur Grundlage ihrer Zinspolitik machen.
Was sonst zu tun bleibt IIIDer Staat muss die Verteilungsaufgabe der
Lohnpolitik unterstützen durch • Mindestlohngesetz• Kündigungsschutz• angemessenes Arbeitslosengeld• enge Begrenzung von Leih- und Zeitarbeit• niedrige Einkommensteuersätze im unteren
Einkommensbereich (großzügige Hinzuverdienstgrenzen)
• Stärkung des Flächentarifvertrags
Warum überhaupt EWU?
Geldpolitik im großen Währungsraum viel wirkungsvoller als im nationalen Rahmen, wenn
1. sie anerkennt, dass die nationalen Lohnpolitiken die Preisentwicklung bestimmen und
2. sie daher einer Änderung ihres Auftrags zustimmt: Verantwortung für Wachstum und Beschäftigung in der Union