Click here to load reader
Upload
doandieu
View
217
Download
2
Embed Size (px)
Citation preview
Predigt zu Offb 21,1-7
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Liebe Gemeinde,
heute geht es um Anfang und Ende. Ohne Ende, kein Anfang.
Passend zum Ende des Kirchenjahres werde ich heute zu dem Buch der Offenbarung, welches
das letzte Buch der Bibel ist, predigen. Wenn man das ganze Buch der Offenbarung liest,
dann wirkt es wie ein verschlüsseltes Buch. Viele Bilder, viele Symbole, Andeutungen, die
nicht auf Anhieb zu verstehen sind und die Fragen offen lassen.
Offenbarung 21,1-7:
Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste
Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr. 2 Und ich sah die heilige Stadt, das neue
Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für
ihren Mann.
3 Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes
bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden seine Völker sein, und er
selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; 4 und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren
Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr
sein; denn das Erste ist vergangen.
5 Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu! Und er spricht: Schreibe,
denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiss! 6 Und er sprach zu mir: Es ist geschehen. Ich
bin das A und das O, der Anfang und das Ende. Ich will dem Durstigen geben von der Quelle
des lebendigen Wassers umsonst. 7 Wer überwindet, der wird dies ererben, und ich werde
sein Gott sein und er wird mein Sohn sein.
Liebe Gemeinde,
Anfang und Ende. Wie nah sind sich diese Begriffe.
In vielen Familien habe ich gehört, dass es oft vorkam, dass eine Person in der Familie ver-
starb und gleichzeitig sich zu einem ähnlichen Zeitpunkt ein neues Lebewesen ankündigte
und auf die Welt gekommen ist.
Der heutige Sonntag ist der letzte Sonntag im Kirchenjahr, der sogenannte Totensonntag oder
Ewigkeitssonntag. In der Evangelischen Kirche ist es Tradition, dass wir an diesem letzten
Sonntag im Kirchenjahr, bevor die Adventszeit beginnt und somit ein neues Kirchenjahr, der
Verstorbenen gedenken und uns ihrer erinnern. Bevor also etwas Neues begonnen wird, ge-
denken und würdigen wir dem Alten, der Vergangenheit.
Wenn Menschen von uns gehen, dann schmerzt es sehr. Umso mehr, wenn sie uns nahe stan-
den, wenn wir sie geliebt haben, wenn wir eine gute Beziehung zueinander gepflegt haben.
Wir können es nicht begreifen, dass ein Leben zu Ende gehen muss, auch wenn wir es vom
Verstand her theoretisch alle wissen. Klar weiß jede und jeder von uns, dass wir endlich sind.
Dennoch tut es weh, wenn wir dieser Endlichkeit konkret begegnen.
Wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, dann leben wir so als ob unser Leben unendlich wäre.
Als ob es kein Ende und keinen Tod gäbe. Wann beschäftigen wir uns schon mit dem Tod?
Freiwillig doch eher nicht. Meistens gibt es bestimmte Anlässe, die uns dazu bringen über
dieses Thema nachzudenken. Ein schönes Thema ist es leider nicht.
In meinem Beruf als Pfarrerin habe ich unweigerlich mit dem Tod zu tun. In Deutschland
werden mehr Beerdigungen als Taufen vollzogen. In meiner Vikariatszeit (vergleichbar der
Referendariatszeit der Lehrkräfte) sollte ich gleich bei einem meiner ersten offiziellen Termi-
ne meine Mentorin zu einer Beerdigung begleiten. Ich kannte die Familie natürlich nicht und
setzte mich in die hinterste Reihe der Friedhofskapelle. Und während der Trauergottesdienst
stattfand, merkte ich, wie ich mit mir ringen musste, dass mir nicht die Tränen herunter-
kullerten. Ich kannte weder die Familie noch den Verstorbenen und ich war eigentlich da um
einen professionellen Blick auf den Trauergottesdienst zu werfen und gleichzeitig war ich
doch sehr betroffen. Was genau war es?
Ich glaube, sobald wir mit dem Tod in Berührung kommen, fangen wir an über unseren eige-
nen Tod und unsere Endlichkeit nachzudenken. Und das verursacht die verschiedensten Emo-
tionen: Trauer, Angst, Befreiung, Erlösung – je nach Mensch und Situation anders. Wir wis-
sen nicht genau wie es nach dem Tod aussieht, was konkret genau passieren wird und diese
Ungewissheit treibt uns manchmal auf die Palme. Wir hätten es so gerne gewusst.
Welche Antworten einem selber gut tun, das kann jede für sich selbst entscheiden. Manche
haben keine für sie plausiblen Antworten. So bleibt ihnen nichts anderes übrig als das Leben
hier und jetzt voll auszukosten und es zu füllen. Es gibt verschiedenste Vorstellungen von
einem Leben nach dem Tod, bewandert bin ich da nicht in allen Religionen. Ich kann Ihnen
das der christlichen Vorstellung nahebringen.
Und das beginnt simpel gesagt mit Jesus. Das Faszinierende an dem christlichen Glauben ist,
dass wir mit einem Gott zu tun, haben, der nicht oben im Himmel heilig, ehrwürdig, unantast-
bar ist, sondern in Jesus Mensch geworden ist. Für mich heißt das, Gott bleibt nicht fern, son-
dern will uns ganz nahe kommen. Er schaut sich das ganze Spektakel unseres Lebens nicht
aus der Distanz an, sondern ist mitten unter uns. Das hören wir in den verschiedensten Ge-
schichten in der Bibel, wie Jesus Gemeinschaft mit allen Menschen hatte. Ihm war es völlig
egal, ob er es mit einem frommen gottesfürchtigen Menschen zu tun hatte. Für ihn spielte das
Ansehen der Person keine Rolle. Leistung? Das war kein Kriterium für Jesus. Viel schaffen?
Eine tolle Position im Beruf oder in der Gesellschaft erreichen? Immer nur die Starke spielen?
Viel Geld auf dem Konto haben? Das perfekte Paar, die perfekte Familie sein? Ja nur keine
Schwächen zeigen? Idealvorstellungen entsprechen?
Das alles waren keine Kategorien für Jesus. Seine Arme waren offen für jedermann und
jedefrau. Die Versager. Die Wiederaufsteher. Die Annormalen. Die Unperfekten. Die Ge-
scheiterten. Die einen oder mehrere Makel haben.
Und so lese ich es auch in unserem Bibeltext. Gott ist ein Gott, der zu uns kommt. Im ersten
Schritt macht er sich auf den Weg zu uns. „Er wird bei ihnen wohnen“ – heißt es im Text.
Haben Sie sich schon einmal Gedanken gemacht, mit wem Sie zusammenwohnen können? In
der Studentenzeit in Deutschland, da ist es durchaus mal üblich in einer WG (Wohngemein-
schaft) mit anderen Mitbewohnern zusammenleben. Und das kann gut gehen und eine wun-
derbare Zeit sein, das kann aber auch richtig anstrengend werden, wenn man mit Menschen
zusammenwohnt, die andere Vorstellungen von Sauberkeit und Lärm haben als man selbst.
Oder wie ist es mit der Familie in verschiedenen Generationen zusammen zu wohnen? In Ko-
rea kann man durchaus auch schon einmal mit den Schwiegervätern oder Schwiegermüttern
zusammenwohnen. Oder überhaupt mit den eigenen Eltern zusammenwohnen. Ein nicht im-
mer leichtes Unterfangen, und in manchen Familienkonstellationen wenn nicht sogar ein fast
unmöglicher Versuch. Mit den wenigsten kann man sich wirklich vorstellen zusammen-
zuleben. Selbst mit Freunden merkt man manchmal, dass ein gemeinsamer Urlaub schon nicht
möglich bzw. anstrengender als gedacht ist. Und jetzt dieser Gott, der bei uns Menschen woh-
nen will. Wie muss er da gestrickt sein, dass das gut gehen kann?
Dieser Gott wird umschrieben als ein Gott, der alle Tränen abwischen wird. Ja, so einen Gott
brauchen wir. Wir alle. Jede und jeder von uns hat seine Bereiche, wo wir die ein oder andere
Träne vergießen. Mal offensichtlich bei Beerdigungen, mal heimlich in je unseren persönli-
chen Bereichen. Wir alle haben unsere tagtäglichen Lebenskämpfe zu bestreiten. Die eine
Familie hat mit finanziellen Engpässen zu tun. Eine andere mit einer fehlenden oder völlig
anderen Kommunikationskultur in der Familie. Verschiedene Kulturen prallen aufeinander,
die - so scheinen sie – einfach nicht miteinander zu vereinen sind. Ein anderer ringt mit den
vielen Erwartungen an sich und schafft es einfach nicht auch mal nein zu sagen und nicht
schon wieder neue Dinge anzupacken. Viele, die für andere da sind, aber einfach nicht wis-
sen, wie sie sich Freiräume schaffen können, um für sich selbst zu sorgen. Andere, die gerade
von einer Krankheit in die nächste Krankheit ihrer Kinder fallen und einfach nicht mehr wis-
sen, wann ein Ende in Sicht ist. Oder plötzlich Arbeitskolleginnen, die einem heimtückisch in
den Rücken fallen. Und Muttersein. Die Kinder nach bestem Wissen und Gewissen groß zu
ziehen und die eigenen Grenzen und Unzulänglichkeiten zu spüren. Ja, unser ganz normaler
Alltag mit seinen Tücken.
Es gibt manchmal Zeiten im Leben, da fühlen wir uns gefangen von unseren Aufgaben, die
uns im Leben gestellt werden. Da fließt die ein oder andere Träne mehr und wir wissen
manchmal auch einfach nicht mehr ein noch aus.
Und in solcher einer Situation spricht Gott zu uns. Ich will euch alle Tränen abwischen. Es
wird eine Zeit kommen, in der ich alle eure Tränen abwischen werde.
Diese Zeit ist mit Jesus angebrochen. Dieser Jesus, der ganz Mensch geworden ist, und somit
auch endlich war. Dieser Jesus, der auch seinen Tod sterben musste, dessen Leben ein Ende
nehmen musste. Mit diesem Jesus war es aber nicht aus und vorbei. Er musste sterben, damit
er wieder auferstand und uns somit die Hoffnung auf ein neues Leben oder wie es im Bibel-
text hießt „einen neuen Himmel und eine neue Erde“ geben kann.
Ende und Anfang. Ohne Ende, kein Anfang.
Was heißt das nun für uns konkret? Übersetzt in unser Leben? Dieses Reich Gottes, von dem
immer die Rede ist, ist bereits zum Teil angebrochen, aber noch nicht vollendet. Für uns heißt
es. Wir sind auch heute in unserem Leben jetzt nicht allein gelassen. Wir erfahren Gemein-
schaft mit einem lebendigen Gott, der eine Beziehung zu uns sucht. Gott selbst wird mit uns
sein und mein Gott sein – so heißt es im Text. Das kann eine direkte Beziehung zu ihm sein
oder indirekt in der Gemeinschaft mit Menschen, die uns an die Seite gestellt werden. Es gibt
sie diese Menschen, die plötzlich da sind. Die uns gut tun. Die neu in unser Leben treten oder
die schon immer irgendwie präsent waren, aber noch nicht diese Rolle im Leben eingenom-
men haben.
Das letzte Buch der Bibel ist ein Trost- und Hoffnungsbuch für angefochtene Christen. Die
Gemeinden in Kleinasien wurden verfolgt, eine Situation, die wir als Christen heute hier in
Korea oder Deutschland zum Glück nicht mehr kennen. Und dennoch kennen wir das
Angefochtensein im Leben. Immer wenn ich tiefer mit Menschen ins Gespräch komme, höre
ich, was in ihrem Leben gerade schief läuft. Was sie sich einfach ganz anders vorgestellt ha-
ben. Was ganz anders läuft. So hatte ich mir das Leben eigentlich nicht vorgestellt. Es ist der
Vergleich der Idealvorstellung im Kopf mit den tatsächlichen realen Zuständen.
In Vers 7 ist von einem Erbe die Rede. Wir werden etwas erben. Dieser Gott will mein Gott
sein und ich seine Tochter bzw. sein Sohn. Eine enge Beziehung. Dass wir Gottes Kinder sei-
en, das haben wir schon oft gehört. Aber wenn man das noch einmal ganz konkret formuliert.
Ich bin Gottes Sohn. Ich bin Gottes Tochter. Da höre ich eine enge Verbundenheit. Dieser
Gott wird für mich sorgen. Er wird mich nicht alleine lassen mit meinen Aufgaben. Er wird
uns Wege eröffnen, für die wir vielleicht heute noch nicht den Blick haben. Er will nur das
Beste für uns und hat nur das Beste für uns vor.
Mich spricht in diesem Bibeltext ein Wort ganz besonders an. Es ist das Wort „überwinden“.
Darin steckt eine Sicht auf die Welt, die die Realität mit all ihren Herausforderungen betrach-
tet. Hier ist nicht von einer Scheinwelt die Rede, in der alles perfekt und super ist. Wo es
glänzt, wo nur die glatten Seiten zur Schau gestellt werden. Wo man nur Platz haben kann,
wenn man das Spiel mitspielt, sich nur von seiner Sahneseite zu zeigen. Wo man nur als Star-
ke gesehen und anerkannt ist. Überwinden bedeutet, da weiß jemand um die Lebenskämpfe.
Ich höre hier einen Trost heraus. Lass dich nicht entmutigen. Bleib am Ball. Bleibe dir und
deinen Vorstellungen treu. Begib dich auf dem Weg. Kämpfe, denn der Kampf ist nicht um-
sonst. Überwinde und siege. Bestehe. Gib nicht auf.
Wie einige von Ihnen wissen, komme ich aus Köln. Und seit zwei Wochen hat die 5. Jahres-
zeit begonnen, am 11.11. hat der Karneval begonnen. Es gibt ein Lied von einer Karnevals-
gruppe, die Kasalla heißt mit einem sehr bekannten Lied: Immer noch do. Immer noch da. In
dem Lied geht darum, dass man sich so leicht nicht unterkriegen lässt. In der Beschäftigung
mit diesem Text fiel mir dieses Lied immer wieder ein. Ich lese Ihnen einen Auszug daraus in
Hochdeutsch vor und schone sie mit meiner kölschen Sproch:
Ich weiß der Weg, der hinter uns liegt
ging nicht immer nur gerad aus
Manchmal fliegt man in den Himmel
Manchmal fällt man auf dem Mund
All die Narben, all die Fehler
sind doch auch ein Teil von uns
so lange wie ich lebe, sing ich ein Lied
komm her ich zeige dir, wie es geht
Refrain:
Ja, Ja, Ja
wir sind immer noch da, da, da
weil man so schnell nicht kaputt geht
und weil die Sonne immer wieder aufgeht
Ja, Ja ,Ja
wir sind immer noch da
trink mit mir auf dich und mich und ein neues Jahr
auf das, was ist,
das, was kommt
und auf das, was war
Diese Hoffnung möchte ich Ihnen mitgeben.
„weil man so schnell nicht kaputt geht
und weil die Sonne immer wieder aufgeht“
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als unsere menschliche Vernunft, er bewahre unsere
Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn. Amen.