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Psychoanalytische Psychotherapie H. Löffler-Stastka

Psychoanalytische Psychotherapie H. Löffler-Stastka

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Psychoanalytische Psychotherapie

H. Löffler-Stastka

Psychotherapie

• Definition: Psychotherapie ist eine Interaktion zwischen einem oder mehreren PatientInnen und einem oder mehreren TherapeutInnen (auf Grund einer standardisierten Ausbildung), zum Zwecke der Behandlung von Verhaltensstörungen oder Leidenszuständen, die in einem Konsens zwischen PatientIn und PsychotherapeutIn für behandlungsbedürftig gehalten werden, mit psychologischen Mitteln, mit einer lehrbaren Technik, einem definierten Ziel und auf Basis einer Theorie des normalen und abnormen Verhaltens. (H. Strotzka: Psychotherapie und Tiefenpsychologie, 1982/1, Springer)

Wien

• Freud (1896) beschrieb die Psychoanalyse als ein Verfahren zur Untersuchung seelischer Vorgänge, welche anders kaum zugänglich sind.

• Freud (1919) Empfehlung, dass der Analytiker Wege finden müsse, um seine Fähigkeiten auch denen zukommen zu lassen, die sich keine Psychoanalyse leisten können.

Wien 20er Jahre• ab 1922 psychoanalytische Behandlungstechnik

in Bezug auf Patienten diskutiert, die nach Reich (1924) oft nicht die klassischen neurotischen Störungen aufwiesen, „im Ich infantil“ geblieben sind, oft nicht krankheitseinsichtig waren, die Herstellung einer positiven Übertragung schwierig war, oder wo das Prinzip der freien Assoziation zur Produktion von Inhalten ohne die dazugehörigen Affekte führte, ..

• 1929 durften sogenannte „Grenzfälle“ behandelt werden

Psychoanalyse-Strömungen• Freud• Post-Freud: E. Jones, M.Brierley, E. Glover• Ich-Psychologie: H.Hartmann, A.Freud,

D.Rappaport,O.Fenichel, M.Schur, C.Brenner, E.Jacobson.

• Positionen: M. Klein, W.Bion• J.Sandler• „Ich-psychologisches Objektbeziehungs-Modell“:

O.Kernberg• A. Green

USA• erste detaillierte naturalistische Kohortenstudien, das

Menninger Projekt (Wallerstein 1986), 1954 als prospektive Studie begonnen

• wichtiges Ziel der Studie war die Erweiterung der Indikationsstellung (Stone 1993) der Psychoanalyse, nämlich die therapeutische Technik auch für die Behandlung von weit schwerer Erkrankten zugänglich zu machen

• Kernberg (1972) schlug eine modifizierte analytische Herangehensweise vor, beispielsweise die frühe Deutung der negativen Übertragung und den Fokus der Deutung im Hier und Jetzt (Übertragungsbeziehung).

Aktuelle Entwicklungen der psychoanalytisch orientierten

Psychotherapie

• Bemühung um empirische Evidenz für Effektivität undfür theoretische Konstrukte durch Bezüge zurAllgemeinpsychologie, Neurowissenschaft etc.

• (Partielle) Manualisierung• Differenzierung der Krankheitslehre durch Integration

entwicklungspsychopathologischer Befunde in eine Theorie der Affektregulation

UBWFreuds große Leistung besteht zweifellos in der „Entdeckung“des Unbewussten. Verbunden damit ist die Analyse der Verdrängungnicht statthafter Triebe und Wünsche und der Art, inder über Fehlleistungen, Träume und psychopathologischeSymptome wie Zwangshandlungen oder Phobien diese Triebeund Wünsche ins Bewusstsein einbrechen. Daraus resultiert einständiger Kampf des Bewusstseins (Ichs) gegen das Unbewusste(Es). Frühe, verdrängte Geschehnisse bestimmen weitestgehendunser erwachsenes Wünschen, Planen und Handeln, auch wenndas Ich davon nichts wissen will und vielerlei eigene Erklärungen(Rationalisierungen) oder Ersatzlösungen (z.B. Symptome) erfindet.

[Roth, 2001]

BEWUSSTSEIN• Sinneswahrnehmungen (Umwelt, Körper)• mentale Zustände (Denken, Vorstellen, Erinnern)• Emotionen, Affekte, Bedürfniszustände• Erleben der Identität, Kontinuität• Körperbild• Autorenschaft und Kontrolle von Handlungen• Verortung des Selbst und des Körpers in Raum und

Zeit• Realitätscharakter von Erlebtem• Unterscheidung zwischen Realität und Vorstellung

BEWUSSTSEIN

• Hintergrundbewusstsein (z.B. Selbstbild) vs. Aktualbewusstsein (zusammengesetzt aus Emotionen, Denken etc.) verbunden mit Arbeitsgedächtnis

• Geschehnisse nur dann bewusst, wennmit Aktivität der assoziativen Großhirnrinde verbunden (die aber durch Hirngebiete beeinflusst sind, die grundsätzlich nicht bewusstseinsfähig sind)

Das Unbewusste Def. der Neurowissenschaften

• Inhalte, die einmal bewusst waren, dann aber ins ubw.abgesunken sind (nicht aktivierte Inhalte desdeklarativen Gedächtnis)

• vorbewußte Inhalte von Wahnehmungsvorgängen• unterschwellige Wahrnehmungen• Vorgänge in Gehirnregionen außerhalb der assoziativen

Großhirnrinde• alle perzeptiven, kognitiven und emotionalen Prozesse,

die vor Ausreifung des assoziativen Kortex ablaufen (biszum 3. Lj.)

• Ubw. Gehirnvorgänge sind höchst wirksam und beeinflussen bewusste Vorgänge stark - neben vorbewussten und subliminalen Komponenten vor allem Vorgänge im limbischen System

• Tätigkeit des limbischen Systems erleben wir als Affekte/Emotionen bzw. affektive Einfärbungen von Wahrnehmung, Vorstellung, Erinnerung undHandlungsplanung

• nur der orbitofrontale und der inferotemporaleKortex als Teile des l. Systems sind bewußtseinsfähig

• Hypothalamus (biolog. Grundfunktionen,Angriff/Verteidigung, angeborene Trieb-undAffektzustände)

• Amygdala (Emotionssteuerung,furchtgeleitete Verhaltensbewertung)

• Hippocampus (Organisator desbewußtseinsfähigen - deklarativen -speziell episodischen Gedächtnisses)

Zentrale Komponenten

Das Unbewusste als Zensor• Das Ubw. Wirkt auf das Bw. auf zwei Weisen:• Einwirkung subkortikaler limbischer Zentren auf präfrontalen undorbitofrontalen Kortex führt zu Gedanken, Vorstellungen, Wünschen,Plänen, die das Ich sich selbst zuschreibt (erste „Abfrage“).Feststellung: ist das, was bewusst-unbewusst gewünscht wird mit

den Inhalten des unbewussten emotionalen Gedächtnisses im Einklang

• dorsale, motorische Schleife führt zu Handlungsbereitschaft (über dieBasalganglien). Prüfung: geplante Handlung im Lichte vergangener Erfahrungen

sinnvoll, intendierte Handlung der Situation angemessen• Erst wenn beide Prüfungen positiv: Aktivierung des prämotorischen

und motorischen Kortex über Basalkerne• Lust-Unlust-Abwägung: System beginnt Arbeit bereits im Mutterleib!Formung von Charakter und Persönlichkeit als Basis für dieIchentwicklung, Veränderbarkeit durch „emotionale Revolutionen“• LeDoux: subkortikale Zentren können nicht vergessen!?

Aktuelle Relevanz

• Hirnforschung bestätigt Grundannahme Freuds, dass das Ubw das Bw weitgehend bestimmt, dass sich der Charakter früh - d.h. in den nicht unbewusst ablaufenden Monaten und Jahren - verfestigt

• Funktion des Ubw ist komplexer als von Freud vermutet (nicht nur Ort primitiver Triebe, Ort einer die Lebenserfahrung umfassenden Vernunft, die das Ich steuert)

Empirische Prozess- und Ergebnisstudien

Forschungskomitee der Internationalen Psychoanalytischen Association IPA:

psychoanalytische Psychotherapie - An Open Door Review of Outcome Studies in Psychoanalysis

POPT

• Psychoanalytische Psychotherapie kann das Funktionsniveau einer klinischen Gruppe auf das Niveau der Normalpopulation anheben

• Die psychoanalytische Psychotherapie verbessert die Arbeitsfähigkeit

• Psychoanalytische Psychotherapie führt zu einer Verringerung der Gesundheitskosten, und dies auch über Jahre nach Therapieende

POPT• Die psychoanalytische Psychotherapie kann zu

einer Verringerung des Gebrauchs psychotroper Medikamente bei stationären Behandlungen führen

• Je länger die Behandlung, desto besser das Ergebnis

• Die Langzeitbehandlung in psychoanalytischer Psychotherapie kann eine Borderlinesymptomatik langfristig verringern

• Die psychoanalytische Psychotherapie kann eine effektive Behandlungsform für schwere psycho-somatische Störungen sein

PSA-POPT

• Manche Ergebnisse legen nahe, dass Psychoanalyse und psychoanalytische Therapie kostengünstig und sogar kosteneffizient sind

• Manchmal ist die Überlegenheit der Psychoanalyse über die Psychotherapie erst Jahre nach Behandlungsende offensichtlich

• Die genaue Indikationsstellung ist ausschlaggebend