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Fachzeitschrift für Urologie Fachzeitschrift für Urologie www.universimed.com ISSN 1561-526X Sonderdruck aus 2/2005 ESWL verdrängt zunehmend andere Verfahren Das physikalische Prinzip der elek- tromagnetischen Stoßwelle zur Steintherapie ist bekannt, nähere technische Ausführungen würden den Rahmen des Artikels sprengen. Bei den Geräten gibt es Unterschie- de je nach Hersteller und jeder ist natürlich davon überzeugt, dass sein System das Beste ist. Wichtig ist: Es funktioniert und hat (wenn man gewisse Dinge beachtet) nur ein geringes Risiko für Kompli- kationen. Wir am Landesklinikum St. Pölten haben jedenfalls mit un- Das Management des Steinpatienten richtet sich wesentlich nach den diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten des behandelnden Urologen. Der therapeutische Ansatz wird sehr davon beeinflusst, ob man sich als Facharzt in der Kas- senpraxis, als Konsiliarurologe oder an einer Fachabteilung mit oder ohne Lithotriptor mit einem Steinleiden konfron- tiert sieht. Je nach vorhandenen Möglichkeiten wird der the- rapeutische Zugang unterschiedlich aussehen. Harnsteinbehandlung ESWL in der Steintherapie R. Biedermann, St. Pölten serem Gerät die besten Erfahrun- gen gemacht (Abb.). An unserer Abteilung steht seit 1991 ein stationärer Lithotriptor (Storz Modulith SL 20) zur Verfügung. Die ESWL entwickelte sich unter der engagierten Ägide des 1997 ver- storbenen OA Dr. Robert Haus- mann rasch zu einem wesentlichen Pfeiler der Steintherapie. Wir haben bisher an unserer Abteilung bereits knapp 11.000 Behandlungen durch- geführt. Dabei hat im Laufe der Jah- re eine weitgehende Verdrängung endoskopischer Verfahren stattge- funden und URS mit Steinextrak- tion, Lithoclastlithotripsie sowie die perkutane Litholapaxie dienen nur noch in immer selteneren Fällen als Ergänzung bei ESWL-Versagern. Die innere Harnleiterschienung (DJ) und perkutane Nephrostomie (PCN) haben nach wie vor ihren – vor allem adjuvanten – Stellenwert. Von dieser Entwicklung profitiert meiner Meinung nach unser Patient durch seltenere invasive – und kom- plikationsträchtigere – Verfahren, immer kürzere Hospitalisierung und selteneres Ausreizen der konservati- ven Therapieschiene (Abwarten und Koliken). Kontraindikationen zur ESWL Absolute Kontraindikationen für ei- ne Stoßwellentherapie sind z.B.: • Gravidität • Antikoagulanzientherapie mit Marcoumar oder Sintrom. Hier empfiehlt sich zuerst das Antago- nisieren mit Vitamin K, gegebe- nenfalls DJ und die ESWL erst nach Normalisierung der Gerin- nungssituation durchzuführen. Urologik Urologik

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Fachze i tschr i f t für Uro log ieFachze i tschr i f t für Uro log ie

www.universimed.com

ISSN 1561-526X Sonderdruck aus2/2005

ESWL verdrängt zunehmend andere Verfahren

Das physikalische Prinzip der elek-tromagnetischen Stoßwelle zurSteintherapie ist bekannt, näheretechnische Ausführungen würdenden Rahmen des Artikels sprengen.Bei den Geräten gibt es Unterschie-de je nach Hersteller und jeder istnatürlich davon überzeugt, dass seinSystem das Beste ist. Wichtig ist: Es funktioniert und hat(wenn man gewisse Dinge beachtet)nur ein geringes Risiko für Kompli-kationen. Wir am LandesklinikumSt. Pölten haben jedenfalls mit un-

Das Management des Steinpatienten richtet sich wesentlichnach den diagnostischen und therapeutischen Möglichkeitendes behandelnden Urologen. Der therapeutische Ansatz wirdsehr davon beeinflusst, ob man sich als Facharzt in der Kas-senpraxis, als Konsiliarurologe oder an einer Fachabteilungmit oder ohne Lithotriptor mit einem Steinleiden konfron-tiert sieht. Je nach vorhandenen Möglichkeiten wird der the-rapeutische Zugang unterschiedlich aussehen.

Harnsteinbehandlung

ESWL in der Steintherapie

R. Biedermann, St. Pölten

serem Gerät die besten Erfahrun-gen gemacht (Abb.).An unserer Abteilung steht seit 1991ein stationärer Lithotriptor (StorzModulith SL 20) zur Verfügung.Die ESWL entwickelte sich unterder engagierten Ägide des 1997 ver-storbenen OA Dr. Robert Haus-mann rasch zu einem wesentlichenPfeiler der Steintherapie. Wir habenbisher an unserer Abteilung bereitsknapp 11.000 Behandlungen durch-geführt. Dabei hat im Laufe der Jah-re eine weitgehende Verdrängungendoskopischer Verfahren stattge-funden und URS mit Steinextrak-tion, Lithoclastlithotripsie sowie die

perkutane Litholapaxie dienen nurnoch in immer selteneren Fällen alsErgänzung bei ESWL-Versagern.Die innere Harnleiterschienung(DJ) und perkutane Nephrostomie(PCN) haben nach wie vor ihren –vor allem adjuvanten – Stellenwert.Von dieser Entwicklung profitiertmeiner Meinung nach unser Patientdurch seltenere invasive – und kom-plikationsträchtigere – Verfahren,immer kürzere Hospitalisierung undselteneres Ausreizen der konservati-ven Therapieschiene (Abwarten undKoliken).

Kontraindikationen zur ESWL

Absolute Kontraindikationen für ei-ne Stoßwellentherapie sind z.B.:• Gravidität• Antikoagulanzientherapie mit

Marcoumar oder Sintrom. Hierempfiehlt sich zuerst das Antago-nisieren mit Vitamin K, gegebe-nenfalls DJ und die ESWL erstnach Normalisierung der Gerin-nungssituation durchzuführen.

UrologikUrologik

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• Akute fieberhafte Harnwegsinfek-te, Pyelonephritis oder Sepsis. Hierist zunächst die Harnableitungsicherzustellen. Nach Abklingendes Infektes und bei Fieberfreiheitist dann im Intervall von etwa 2Wochen eine ESWL möglich.

• Aortenaneurysma

An relativen Kontrain-dikationen ist in ersterLinie bei der ESWL vonNierenbecken- oderKelchsteinen die Thera-pie mit Thrombozyten-aggregationshemmern(z.B. Thrombo ASS, Pla-vix, etc.) zu erwähnen.Vor der Steinbehand-lung muss mit der Medi-kamentengabe 1 Wochelang pausiert werden.

Zu beachten ist auch dieantibiotische Abschir-mung. Bei pathologi-schem Harnbefund oderHydronephrose per os,bei gleichzeitigem In-fekt und Hydronephro-se sowie bei Hochrisi-kopatienten (z.B. Diabetiker oderälterer Patient) ist eine intravenöseGabe eines Chinolons für zu-mindest 1 Tag zu empfehlen. So istman auf der sicheren Seite und wirdnur selten Komplikationen infolgevon Infekten sehen.

Durchführung der ESWL-Therapie

Bei der Diagnostik ist die DiskussionCT vs. IVP im Fluss, von uns wirddie IVP wegen besserer Nachvoll-ziehbarkeit bei der Ortung bevor-zugt. Wichtig ist die Aufklärung desPatienten über eventuelle Probleme,weiteres Prozedere, eventuell not-wendige Retherapie und gegebenen-falls notwendige adjuvante Thera-pien! Die Ortung kann radiologischund/oder sonographisch erfolgen. DieAnalgesie bei der ESWL (z.B. mitAlodan i.v.) und fallweise auch eineSedierung (z.B. mit Dormicum ver-dünnt i.v.) ist ein wesentlicher Fak-tor für die ruhige Lagerung und

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somit auch für den Erfolg der ESWLsowie für die gute Akzeptanz durchden Patienten. Zum Management nachder Therapie: Wir verabreichen 2l Rin-ger mit 1x20mg Lasix i.v., gegebe-nenfalls Analgetika, Antiphlogistika.Bei nicht schattenden Konkremen-ten erfolgt adjuvant eine orale Litho-lysetherapie mit Uralyt-U-Granulat.

Das Prozedere nach der ESWL: Beiproblemlosem Verlauf können dieNachkontrollen durch den behan-delnden Facharzt durchgeführt wer-den. Ansonsten empfehlen sichambulante Kontrollen und ein An-gebot von jederzeit möglichen Kon-trollen bei Bedarf, um bei Kompli-kationen oder eventuellen Regres-sansprüchen auf der sicheren Seitezu stehen.Im Folgenden werden die Indikatio-nen nach Lokalisation (deszendie-rend) aufgeführt.

Therapie bei Kelchsteinen

Durchführung: Bei unserem Gerätmaximal 2.000 – 2.500 Stoßwellengeringerer Intensität (auch abhängigvon der Eindringtiefe). Essenziellsind die laufende Ortung mittelsInline-Ultraschall während derTherapie und die ständige Kontrolleder Lokalisation. Es gilt das Schlag-wort: „Keep on moving“! – das

heißt, mit der Fokussierung nichtstatisch bleiben, sondern die Ate-mexkursionen berücksichtigen undnutzen. Das gesamte Konkrementmuss mit dem Focus abgewandertwerden. Eine einmalige radiologi-sche Einstellung, und dann das„Werkl“ 500 oder mehr Stoßwellenlang laufen zu lassen, ist zu wenig!

Besonders bei größe-ren schattenden Kon-krementen ist ein re-gelmäßiger radiologi-scher Gegencheck not-wendig, um nicht grö-ßere Desintegrate zuübersehen. Als Lage-rung ist entsprechenddem optimalen sono-graphischen Zugangs-weg unbedingt dieSeitenlage oder die auf-gedrehte Rückenlagezu empfehlen.

Zum Mythos unterer Kelchstein

Im Gegensatz zur Li-teratur halten wir fürden (möglichst pro-

blemlosen) Abgang der Desintegratenicht die Lage des Konkrementesvor ESWL für ausschlaggebend,sondern den Grad der Desintegra-tion! Kleinste Desintegrate bis etwa3mm werden durch den Harnstrombesser ausgespült. Es kommt oft vor,dass – entsprechend der Schwerkraft– Desintegrate von Nierenbecken-,oberen oder mittleren Kelchkonkre-menten und auch infundibulärenUretersteinen (vorübergehend) inden unteren Kelch verlagert werden. Müssen Kelchsteine plötzlich anderstherapiert werden, weil sie „untere“Kelchsteine sind? – unserer Erfah-rung nach: Nein! Es gibt allerdingsAusnahmen bei besonders steilenoder tiefen unteren Kelchen, aberauch hier kann oft nicht vorherge-sagt werden, ob es zu einem Abgangder Desintegrate kommen wird odernicht. Abwarten und Kontrolle nach1–3 Monaten hilft hier oft weiter.Bei Beschwerde- und Infektfreiheitsind diese Residuen eher als irrele-

REFERAT Urologik2/2005

Abb.: Prof, Biedermann vor dem aktuell im Landesklinikum St. Pöltenverwendeten Lithotriptor

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vant zu betrachten und rechtfertigenkein weiteres invasives Prozedere –eine regelmäßige Beobachtung istaber notwendig. Bei einem Kelchdi-vertikelstein ist ein Therapieversuchaufgrund der geringen Nebenwir-kungsrate gerechtfertigt. In der Li-teratur wird eine Erfolgsrate von ca.30–45% beschrieben. Fehlender De-sintegratabgang: Bei Desintegraten>4–5mm besteht eher eine frühzei-tige Indikation für eine Re-ESWLnach rund 4 Wochen, sonst genügteine Beobachtung. PCNL ist nachmehrfacher frustraner ESWL oderpersistierendem kleinem Restkon-krement mit chronischem HWI in-diziert, dann aber technisch schwieri-ger durchzuführen.

Therapie bei Nierenbeckensteinen

Die Durchführung der Behandlungerfolgt analog zu jener beim Kelch-stein. Ab einem Maximaldurchmes-ser von 20mm wird in der Literatureine PCNL empfohlen. Nach unse-rer Erfahrung ist eine Sanierungauch mittels ESWL möglich, dochder Patient muss darüber aufgeklärtwerden, dass mehrere Behandlun-gen zu erwarten sind. Retherapien werden – je nach Des-integration und Steingröße – im Ab-stand von 1–2 Wochen durchge-führt. Dafür bleibt der Patient nor-malerweise jeweils nur für 1 Nachtstationär. Die innere Schiene wirdwieder entfernt, wenn es zu ausrei-chender Desintegration gekommenist, normalerweise ist dies spätestensnach 6 Wochen der Fall. Bei Diabe-tikern, älteren Patienten oder ausge-prägten chronischen Infekten ist dieIndikation zur inneren Schienungeher großzügig zu stellen, um Kom-plikationen zu vermeiden.Eine Abgangsstenose, vor allem beigrößeren Nierenbeckensteinen oderAusgusssteinen, ist oft nur scheinbarvorhanden, da hier nach infundibu-

lär reichende Steinanteile obstruktivwirken können und eine Abgang-senge nur vortäuschen. Genau weißman dies erst nach guter Desinte-gration, vor allem der zentralenKonkrementanteile. Diese solltendeswegen auch das primäre Ziel derESWL sein!

Therapie bei Uretersteinen

Um einen möglichst kurzen Wegfür die Stoßwellen zu erzielen, istdie richtige Lagerung des Patientenwichtig. Die ESWL sollte mit mög-lichst maximaler Intensität, maximal6.000 Stoßwellen und regelmäßiger(nach 200–500 Stoßwellen) radiolo-gischer Ortungskontrolle durchge-führt werden. Dabei ist wenn mög-lich (infundibulär, praevesikal, improximalen und mittleren Ureterteilweise nach radiologischer Voror-tung) die sonographische Ortungs-kontrolle während der Therapie zubevorzugen. Erfahrungsgemäß ge-nügt in zwei Dritteln der Fälle eineeinzige Behandlung, das restlicheDrittel benötigt mehrere Therapie-sitzungen. Sekundär seltener not-wendig ist eine innere Schienungoder eine Ureterorenoskopie (inunserem Krankengut etwa 7–10%).Tritt ein fieberhafter Infekt auf, hatzuerst eine Harnableitung Priorität.Eine ESWL sollte dann im Intervallvon etwa 2 Wochen erfolgen.

Infundibuläre Konkremente habenaufgrund ihrer Größe von häufig>10mm eine hohe Rate (60%) füreine Re-ESWL oder eine adjuvanteDJ. Diese Rate nimmt nach distalkontinuierlich bis auf zirka 30% ab.Kleinste Konkremente (<3mm)ohne Spontanabgang können mit DJfür 1–2 Wochen und Antiphlogisti-ka therapiert werden.

Therapieversager (fehlende Desin-tegration) sind selten und haben

meist triftige Gründe, z.B. Adiposi-tas, impaktiertes Konkrement, Ure-terstenose oder Steinzusammenset-zung (z.B. Zystin oder Whewellit).Hier sollten rechtzeitig (d.h. etwanach 2x frustraner ESWL) die Gren-zen erkannt und auf ein endoskopi-sches Verfahren konvertiert werden.

Therapie bei Blasensteinen

Die Durchführung erfolgt inBauchlage, bei voller Blase, unterlaufender sonographischer Kontrol-le. „Keep on moving“ ist hier be-sonders wichtig. Als Maximalzahlsind 6.000 Stoßwellen pro Sitzungangebracht. Auch hier ist die Größekein Limit. Fallweise kann dieESWL als alleinige Maßnahme, beikleinen Konkrementen oder Patien-ten mit ausgeprägter Urgency, aberohne Restharnbildung, ausreichendsein. Meist aber muss eine Sanie-rung der bestehenden Obstruktionangestrebt werden. Bei geplanterSPE ist die vorherige ESWL natür-lich sinnlos. Bei einer TURP kannjedoch die OP-Zeit deutlich ver-kürzt werden, wenn nach guterDesintegration durch die ESWL dieRestkonkremente rasch ausgespültwerden können.

Resümee

Als Fazit kann somit Folgendes fest-gehalten werden: Wenn ein stationä-rer Lithotriptor zur Verfügung steht,gibt es bei ausreichender Erfahrung,Engagement und Geduld des behan-delnden Arztes fast keine Grenzenfür die ESWL.

Autor:OA Dr. Roman Biedermann

Mitglied des Arbeitskreises HarnsteineUrologische Abteilung

Landesklinikum St. Pölten

REFERATUrologik2/2005

IMPRESSUM:Herausgeber: Mag. Wolfgang Chlud. Verlag: Universimed Verlags- und Service GmbH, Markgraf-Rüdiger-Straße 8, 1150 Wien. Telefon: 01 / 876 79 56. Fax: 01 / 876 79 56-20.Geschäftsführung: Mag. Wolfgang Chlud. Redaktion: Christian Fexa. Graphik&Layout: Edith Zöhrer. Produktion: Angelika Habermeier. Lektorat: Daphne Mark. Gerichtsstand: Wien.Druck: Druckservice Bernsteiner, Rautenweg 10, 1220 Wien. Fotonachweis: Archiv. Publikation im Auftrag der Firma Storz Medical AG. Entgeltliche Information gemäß § 26 Mediengesetz.

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