3
Sitzung vom 9. December 1872. Prasident: Hr. A. W. Hofmann. Das Protocol1 der letzten Sitzung wird genehmigt. Vor dem Wahlgeschafte erbittet Hr. Oppenheim das Wort urn einem, wie er glaube, weit verbreiteten Gefuhle Ausdruck zu ver- leihen. Zum ersten Male seit dem Friedenschlusse rnelden sich fran- ziisische Fachgenossen zum Eintritte in unsere Gesellschaft. Das sei eine Botschaft wiedergekehrter versohnlicher Gesinnung und darum gehe die Bedeutung dieses Actes iiber unseren Kreis hinaus. Die Verwirrung, welche der Krieg in die Gemither getragen, habe von eilf frauzosischen Mitgliedern vier unserer Gesellschaft entzogen. Wohl seien sieben uns treu geblieben, ein Beweis, dass die Mehr- zahl unter den Gebildeten unserer Nachbarn die Pflichten des Patriotismus von ihren persijnlichen und wissenschaftlichen Beziehungen wohl zu unterscheiden verstande. Aher die Aufnahme neuer Mitglieder aus Frankreich sei uns bis heute yersagt gewesen. Wir boten den- selben ein herzliches Willkomnien mit urn so griisserer Freude als sich unter ihnen ein Chemiker von seltener Bedeutung be- finde. Den Verdiensten Auguste Cahours’s liijnne in kurzen Worten nicht Gerechtigkeit wiederfahren. Seine hervorragenden Ar- beiten seien dafur zu zahlreich. Wie vie1 verdanke die Chemie nicht dem Manne, welcher sie mit einem ihrer werthvollsten Reagentien beschenkt habel Sei es doch Cahours gewesen, der zuerst Phosphor- chlorid auf Sauren und Aldehyde habe einwirken und dadurch neue Hiilfsquellen und neue Kiirperklassen unserm Blick erijffnet habe. Sei er es doch, dem wir die Kenntniss des Gaultheria-Oeles, des Anisols und der Anissliure, und in Gemeinschaft mit O e r h a r d t des Cuminols und der Cuminsaure verdanken. Er habe auf die Unregelmassigkeiten in den Dampfdichten der Essigsaure und des Phosphorchlorids hin- gewiesen. Er habe gemeinsam mit unserem Hm. Prasidenten seinen Namen an die Entdeckung des Xriiithylphosphins und an die des Allylalkohols gekniipft, welcher die Grenzen der Chemie SO wesent- lich erweitert habe. Wenn ein eolcher Mann in einem solchen Augen- Llicke unserer Gesellschaft beitreten wolle, SO mijgen wir ihm unsere aufrichtige Sympathie dadurch beweisen, dass wir ohne Htlgelung ihn durch Acclamation zu unserem Mitgliede ernennen. Bericbte d. D. Chem. Geeellsohaft. Jshrp. V. 69

Sitzung vom 9. December 1872

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Sitzung vom 9. December 1872

Sitzung vom 9. December 1872. Prasident: Hr. A. W. H o f m a n n .

Das Protocol1 der letzten Sitzung wird genehmigt. Vor dem Wahlgeschafte erbittet Hr. O p p e n h e i m das Wort urn

einem, wie er glaube, weit verbreiteten Gefuhle Ausdruck zu ver- leihen. Zum ersten Male seit dem Friedenschlusse rnelden sich fran- ziisische Fachgenossen zum Eintritte in unsere Gesellschaft. Das sei eine Botschaft wiedergekehrter versohnlicher Gesinnung und darum gehe die Bedeutung dieses Actes iiber unseren Kreis hinaus. Die Verwirrung, welche der Krieg in die Gemither getragen, habe von eilf frauzosischen Mitgliedern vier unserer Gesellschaft entzogen. Wohl seien sieben uns treu geblieben, ein Beweis, dass die Mehr- zahl unter den Gebildeten unserer Nachbarn die Pflichten des Patriotismus von ihren persijnlichen und wissenschaftlichen Beziehungen wohl zu unterscheiden verstande. Aher die Aufnahme neuer Mitglieder aus Frankreich sei uns bis heute yersagt gewesen. Wir boten den- selben ein herzliches Willkomnien mit urn so griisserer Freude als sich unter ihnen ein Chemiker von seltener Bedeutung be- finde. Den Verdiensten A u g u s t e C a h o u r s ’ s liijnne in kurzen Worten nicht Gerechtigkeit wiederfahren. Seine hervorragenden Ar- beiten seien dafur zu zahlreich. Wie vie1 verdanke die Chemie nicht dem Manne, welcher sie mit einem ihrer werthvollsten Reagentien beschenkt habel Sei es doch C a h o u r s gewesen, der zuerst Phosphor- chlorid auf Sauren und Aldehyde habe einwirken und dadurch neue Hiilfsquellen und neue Kiirperklassen unserm Blick erijffnet habe. Sei er es doch, dem wir die Kenntniss des Gaultheria-Oeles, des Anisols und der Anissliure, und in Gemeinschaft mit O e r h a r d t des Cuminols und der Cuminsaure verdanken. Er habe auf die Unregelmassigkeiten in den Dampfdichten der Essigsaure und des Phosphorchlorids hin- gewiesen. Er habe gemeinsam mit unserem Hm. Prasidenten seinen Namen a n die Entdeckung des Xriiithylphosphins und an die des Allylalkohols gekniipft, welcher die Grenzen der Chemie SO wesent- lich erweitert habe. Wenn ein eolcher Mann in einem solchen Augen- Llicke unserer Gesellschaft beitreten wolle, SO mijgen wir ihm unsere aufrichtige Sympathie dadurch beweisen, dass wir ohne Htlgelung ihn durch Acclamation zu unserem Mitgliede ernennen.

Bericbte d. D. Chem. Geeellsohaft. Jshrp. V. 69

Page 2: Sitzung vom 9. December 1872

1002

Hr. Th. G o l d s c h m i d t unterstttzt diesen Antrag. W e n n der- selbe selbst gegen den Wortlaut der Statuten verstossen sollte, so moge man bedenken, dass die letzteren nicht Ausnahmefalle voraus- sehen konnten. Die Zustimmung alltr Anwesenden wiirde den Hrn. Priisidenten berechtigen iiber den Buchstaben des Gesetzes hinweg- zusehen.

Der Prasident sagt, es bediirfe wohl seinerseits keiner bescmderen Versicherung, dass er p e r s o n l i c h dem von dem Hrn. Vorredner ge- machten Vorschlage aus vollem Herzcn beistimnie. Er glaube, die Gesell- scbaft konne jederzeit stolz darauf sein, den Namen eines so bewaihrten Forschers wie Hr. A u g u s t e C a h o u r s i n ihre Register einzutragen; im gegenwartigen Augeriblicke aber habe der Eintritt eines f r a n z 6 - s i s c h e n Chernikers in eine d e u t s c h e wissenschaftliche Gcsell- schaft eine Bedeutung von uicht zu unterschatzender Tragweite. Er hegriisse die Anmeldung des Hrn. C a h o u r s und den Vorschlag des Hrn. O p p e n h w i m als willkommne Anzeigen, dass sich die Gtslehrten beidcr Nationen mehr und mehr in dem lebhaften Wunsche eioigten, collegialische Beziehungen wieder aufzunehmen , welche die 'Nissen- schaft in so hohem Grade fordern. Wenn er gleichwohl als V o r - s i t z e n d e r den von Hrn. O p p e n h e i m eingebrachten und van Hrn. T h . G o l d s c h m i d t untersttitzten Vorschlag zur Ausfiihrung nicht empfehlen konne, so liege d r r Grurid einzig und a k i n in der g t n z un- zweideutigen Fassang der Statuten, deren Wahrung ihm obliege, und welche fur die Wahl der Mitglieder K u g e l u n g in bestimmter Weise vorschrieben.

Hr. O p p e n h e i m zieht hierauf seinen Antrag zuriick und die Wahl wird in gewohnlicher Weise vollzogeu.

Zu auswartigen Mitgliedern der Gesellschaft werden erwahlt:

die Herren: A u g. C a h o u r 8 , Professor, Paris, F. D u p r B , Lyon, D. H e n n i n g e r , Rio de Janeiro.

Noch liegt mir, bemerkt der Prasident weiter, die traurige Pflicht ob, der Gesellschaft den Tod eines ausgezeichneten Mitgliedes anzu- zeigen. Am 2. December starb zu Prag nach dreizehnmonatlichem Siechthum im Alter von 45 Jahren Dr. H e i n r i c h L u d w i g B u f f , Professor der Chemie a n dem deutschen Polytechnicum zu Prag. In hiesigen Kreisen, in denen er sich, erst vor so kurzer Zeit noch, mit voller Frische des Korpers und Geistes bewegte, und zumal in dieser Gesellschaft, a n deren Griindung er sich mit so lebhaftem Eifer be- theiligte und der er wiederholt die Friichte seiner Arbeit darbot, wird die Nachricht yon B u f f ' s Tode schmerzliche Theilnahme wecken.

Page 3: Sitzung vom 9. December 1872

1003

Von umfassender Gelehrsamkeit , wie sie nur natiirliche Anlage und eiserner Fleiss erwerben , .nit ungewijhnlicher Reobachtungsgabe ausgerfistet und von einer Liebe zur Forschung heseelt, welche ihm jede in anderer Richtung gebotene Aussicht werthlos erscheinen liess, hatte der Verstorbene alle seine Krafte auf die Erreichung einee wissen- schaftlichen Wirkungskreises gerichtet, in welchem seiue Fahigkeiten Verwerthung , seine Neigungen Befriedigung fiinden. Seltsam und heklagenswerth, dass dem begabten Manne, dessen Gradheit und Bieder- keit von Allen hochgehalten wurde , dessen Pflichttreue kein Opfer zu schwer fand , trotz rastloser Thatigkeit dieser Wirkungskreis so spat erst zu Theil geworden ist, aber wahrhaft tragisch, dass wir diese kraftige Natur, die mehr wie jede andere auf die Dauer angelegt schien, in dem Augenblick zusammenbrechen sehen, in welchem nach Ueberwindung aller Schwierigkeiten das so lang und beharrlich an- gestrebte Ziel gliicklich erreicht ist, und weittragende Plane der For- schung endlich Verwirklichung finden sollen.

Ich zweifle nicht daran, dass sich eine befreundete Hand finden wird, unserem heimgegangenen Vereinsgenossen, dem das Leben so Vieles schuldig geblieben ist, in den Bliittern der Gesellscbaft ein Denknial der Erinnerung zu widmen, und bitte Sie heute nur n m h um das aussere Zeichen, mit welchem wir das Andenken unserer Todten zu ehren gewohnt sind.

Die Versammlung erhebt sich.

Mit theilungen. 270. C. Rammelsberg: Ueber das Atomgewicht des Urans.

(Vorgetragen vom Verfasser.)

M e n d e l e j e f f hat zu zeigen gesucht, dass die Eigenschaften der Elemente in periodischer Abhangigkeit von ihren Atomgewichten stehen. Er hat sie in Reihen und Gruppen geordnet, und versucht, eine Systematik der Elemente anzubabnen, in welcher auch die Beziehungen, welche man friiher schon zwischen einzelnen kannte, ,zum Ausdruck gelangen. In Folge dessen hat er sicli veranlasst gesehen, einige bisher sngenommene Atomgewichte zu verlndern, wie z. B. die von Uran, Cer, Lanthan und Didym.

Ur a n ,

M e n d e l e j e f f schlagt vor, das Atomgewicht zu verdoppeln, also = 2 x 120 = 240 zu setzen. Das Uran steht dann iu einer Gruppe mit Cr (52), Mo (96) und W (184) und in einer Reihe mit Th (231).

69*