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Steuerung von Gaspreisrisiken

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Page 1: Steuerung von Gaspreisrisiken
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Steuerung von Gaspreisrisiken

Page 3: Steuerung von Gaspreisrisiken

Markus Niggemann

Steuerung von Gaspreis risiken

Konzeption eines Preisrisiko-managements für Gasversorger

Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Alfred Kötzle

RESEARCH

Page 4: Steuerung von Gaspreisrisiken

ISBN 978-3-658-00482-8 ISBN 978-3-658-00483-5 (eBook)DOI 10.1007/978-3-658-00483-5

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National-bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Springer Gabler© Springer Fachmedien Wiesbaden 2013Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zu-stimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Über-setzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.

Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier

Springer Gabler ist eine Marke von Springer DE. Springer DE ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media.www.springer-gabler.de

Markus NiggemannBerlin, Deutschland

Zugl. Dissertation Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) Erstberichterstatter: Prof. Dr. Alfred KötzleZweitberichterstatter: Prof. Dr. Friedel BolleTag der mündlichen Prüfung: 25. August 2011

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Geleitwort

Die Energieversorgung wird im nächsten Jahrzehnt eine vorrangige wirt-schaftspolitische Aufgabe in Deutschland bleiben. Die Bedeutung des Gases als Energieträger wird nach der Energiewende trotz der in erneuerbare Ener-gien gesetzten Hoffnungen eher zu- als abnehmen. Dessen effizienter Allo-kation wird deshalb eine hohe Bedeutung für die Erhaltung der Wettbewerbs-fähigkeit der deutschen Wirtschaft zukommen. Allokationseffizienz setzt eine optimale Funktion von Preisen als Steuerungsinstrument voraus. Diesem Pro-blembereich ist die Arbeit von Markus Niggemann zuzuordnen. Er analysiert für ein Segment des Gasmarktes – mittelgroße Gasversorgungsunternehmen – Ansatzpunkte zur Optimierung des Preisrisikomanagements.

Grundlegend für diese Analyse ist die Untersuchung der Entwicklungen im Rahmen der Liberalisierung des deutschen Gasmarktes und deren Folgen für den Gashandel (insbesondere für mittelgroße Gasversorgungsunternehmen) sowie der hieraus ableitbaren Marktrisiken für diese Unternehmen. Hier wird das außerordentlich fundierte Erfahrungswissen des Verfassers auf diesem Markt offensichtlich. Es gelingt ihm, das sehr komplexe System von Gashan-delsgeschäften transparent offen zu legen.

Den Schwerpunkt der Arbeit bildet die Ableitung von Gestaltungsvorschlägen zur Optimierung des Preisrisikomanagements in allen Prozessphasen, von der Risikoidentifikation über die Risikowirksamkeitsanalyse, Risikobewertung, Risikosteuerung, Risikoüberwachung, Risikoreporting bis zur Prozessüber-wachung. Kriterien für die Bewertung der Alternativen sind deren Anreizver-träglichkeit, Kommunikationsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit. Die Ergebnisse – etwa zur Überlegenheit des Risikomaßes „Profit-at-Risk“ in Verbindung mit dem „Conditional-Profit-at-Risk“ und Stress Tests, aber auch zur Optimierung von Vertragsstrukturen und Limitsystemen, des Diversifikationsgrades und des Hedging – sind außerordentlich sorgfältig, transparent und methodisch fundiert abgeleitet.

Page 6: Steuerung von Gaspreisrisiken

VI Geleitwort

Die Arbeit von Markus Niggemann besticht durch eine vorbildliche Kombina-tion von wissenschaftlicher Fundierung der Analyse und Relevanz der Ergeb-nisse für die Unternehmenspraxis. Für die Wissenschaft dürften insbesondere die risikotheoretischen und sektorökonomischen Analysen von Interesse sein. Für Führungskräfte und Analysten in der Gaswirtschaft sind die innovativen Gestaltungsvorschläge für alle Prozessphasen des Preisrisikomanagements eine wertvolle Hilfe zur Entscheidungsfindung.

Prof. Dr. Alfred Kötzle

Page 7: Steuerung von Gaspreisrisiken

Vorwort

Die Idee zu der vorliegenden Arbeit entstand während mehrerer Beratungs-projekte bei deutschen Gasversorgungsunternehmen im Bereich des Portfolio- und Preisrisikomanagements nach der Einführung wesentlicher Liberalisie-rungsschritte im Jahr 2007. Im Rahmen dieser Projekte zeigte sich der Bedarf für ein industriespezifisches, wissenschaftlich fundiertes Rahmenwerk zur Entscheidungsfindung in diesem Bereich.

Mein Dank für wertvolle Diskussionen und Anregungen zu dieser Arbeit gilt daher meinen damaligen Kunden, welche ich aufgrund von Verschwiegen-heitsverpflichtungen hier leider nicht aufzählen darf.

Ganz besonders bedanke ich mich selbstverständlich bei meinem Doktorvater Prof. Dr. Alfred Kötzle. Nicht nur während der Promotion stand er mir mit Anregungen und konstruktiver Kritik zur Seite, sondern unterstützte mich während meiner gesamten akademischen Laufbahn mit wertvollen Ratschlä-gen und Hinweisen. Weiterhin danke ich allen Kolleginnen und Kollegen an seinem Lehrstuhl für die freundschaftliche Zusammenarbeit. Mein Dank gilt ebenso Prof. Dr. Friedel Bolle für die Erstellung des Zweitgutachtens sowie der Promotionskommission.

Akademische Leistungen, welche eine längere Durststrecke erfordern, sind ohne privaten Rückhalt nicht möglich. Daher bedanke mich sehr herzlich bei meinen Eltern und Geschwistern für die stete Unterstützung.

Markus Niggemann

Page 8: Steuerung von Gaspreisrisiken

Inhaltsverzeichnis

Geleitwort ........................................................................................................... V

Vorwort ............................................................................................................. VII

Abkürzungsverzeichnis .................................................................................. XV

Abbildungsverzeichnis ................................................................................ XVII

1 Einleitung ........................................................................................................ 1

1.1 Problemstellung und Zielsetzung ................................................................ 1

1.2 Vorgehensweise ............................................................................................... 5

1.3 Methodik ........................................................................................................... 7

2 Grundlagen des Risikomanagements ....................................................... 9

2.1 Definition wesentlicher Begriffe des Risikomanagements .................... 9

2.1.1 Risiko ................................................................................................................... 9

2.1.2 Risikomanagement .......................................................................................... 12

2.2 Zielsetzung, Aufgaben und Vorgehensweisen im Risikomanagement ........................................................................................ 14

2.2.1 Risikopolitik ..................................................................................................... 21

2.2.2 Risikokultur ...................................................................................................... 23

2.2.3 Risikomanagementprozess und Prozessüberwachung ............................. 24

2.2.3.1 Risikoidentifikation ............................................................................. 24

2.2.3.2 Risikobewertung .................................................................................. 27

2.2.3.3 Risikosteuerung ................................................................................... 30

2.2.3.4 Risikoüberwachung ............................................................................ 34

2.2.3.5 Risikoreporting .................................................................................... 34

2.2.3.6 Prozessüberwachung .......................................................................... 37

2.2.4 Risikocontrolling .............................................................................................. 38

2.2.5 Risikoorganisation ........................................................................................... 42

Page 9: Steuerung von Gaspreisrisiken

X Inhaltsverzeichnis

3 Gasmarkt Deutschland .............................................................................. 49

3.1 Definitionen wesentlicher gaswirtschaftlicher Begriffe ....................... 49

3.1.1 Gas ..................................................................................................................... 49

3.1.2 Gashandel und Gasproduktbestandteile ..................................................... 50

3.1.3 Gasversorgungsunternehmen ....................................................................... 51

3.2 Historische Entwicklung des deutschen Gasmarktes und der Vertrags- und Risikostrukturen .................................................. 53

3.3 Status Quo und weitere Entwicklung ....................................................... 57

3.3.1 Marktstruktur ................................................................................................... 57

3.3.2 Liberalisierung des deutschen Gasmarkts ................................................... 60

3.3.3 Folgen der Liberalisierung und Herausforderungen für Gasversorgungsunternehmen ....................................................................... 69

3.3.3.1 Produkte ............................................................................................... 69

3.3.3.2 Preise ..................................................................................................... 72

3.3.3.3 Marktteilnehmer .................................................................................. 76

3.3.3.4 Harmonisierung der Märkte .............................................................. 77

4 Gashandel mittelgroßer deutscher Gasversorger ................................. 79

4.1 Gasbeschaffung von Gasversorgungsunternehmen .............................. 79

4.1.1 Vollversorgungsverträge ................................................................................ 79

4.1.2 Strukturierte Beschaffung ............................................................................... 81

4.1.3 Mischformen ..................................................................................................... 84

4.2 Gasvertrieb ...................................................................................................... 84

4.2.1 Kundenstruktur ............................................................................................... 84

4.2.2 Absatzrisiken .................................................................................................... 86

4.2.3 Produkte ............................................................................................................ 87

4.3 Gashandel im engen Sinne .......................................................................... 88

4.3.1 Fristigkeiten und Handelsprodukte ............................................................. 89

4.3.1.1 Spotgeschäfte ....................................................................................... 89

4.3.1.2 Termingeschäfte .................................................................................. 90

4.3.1.2.1 Forwards und Futures ......................................................... 90

4.3.1.2.2 Swaps ..................................................................................... 94

Page 10: Steuerung von Gaspreisrisiken

Inhaltsverzeichnis XI

4.3.1.2.3 Optionen ................................................................................ 95

4.3.2 Handelsplätze .................................................................................................. 98

4.3.2.1 Börsen .................................................................................................... 98

4.3.2.2 Over-the-counter ................................................................................. 99

4.3.3 Relevante Großhandelsplätze und -produkte für den deutschen Gasmarkt ......................................................................................................... 101

4.3.3.1 Relevante Börsen und Börsenprodukte ......................................... 101

4.3.3.2 Relevante OTC-Märkte und -produkte .......................................... 104

5 Risiken für Gasversorgungsunternehmen ........................................... 105

5.1 Marktrisiken ................................................................................................. 105

5.1.1 Preisrisiko ....................................................................................................... 106

5.1.1.1 Outrightrisiko .................................................................................... 109

5.1.1.2 Time-Spread-Risiko ........................................................................... 110

5.1.1.3 Basisrisiko ........................................................................................... 110

5.1.2 Marktliquiditätsrisiko ................................................................................... 112

5.1.3 Volumenrisiko ................................................................................................ 112

5.2 Operationelle Risiken ................................................................................. 113

5.3 Kontrahentenrisiko ..................................................................................... 114

5.4 Unternehmensliquiditätsrisiko ................................................................ 116

5.5 Strategische Risiken .................................................................................... 116

5.6 Sonstige Risiken .......................................................................................... 117

6 Preisrisikomanagementkompetenz, Risikomanagementziele und Risikobereitschaft bei mittelgroßen deutschen Gasversorgern ...... 119

6.1 Merkmale mittelgroßer Gasversorger in Deutschland ........................ 119

6.2 „Traditionelles“ Preisrisikomanagement bei mittelgroßen deutschen Gasversorgern und neue Herausforderungen im liberalisierten Markt ................................................................................... 123

6.3 Allgemeine Peisrisikomanagementziele, -kompetenzen und -bereitschaft bei mittelgroßen deutschen Gasversorgern ................... 126

Page 11: Steuerung von Gaspreisrisiken

XII Inhaltsverzeichnis

6.4 Anforderungen an das Preisrisikomanagement aus Sicht mittelgroßer deutscher Gasversorger ..................................... 128

7 Preisrisikomanagementprozess für mittelgroße deutsche Gasversorger ............................................................................................... 133

7.1 Preisrisikoidentifikation ............................................................................ 133

7.2 Bewertung des Preisrisikos ....................................................................... 141

7.2.1 Methoden zur Preisrisikobewertung .......................................................... 144

7.2.1.1 Fundamentalmodelle ........................................................................ 144

7.2.1.2 „Griechen“ .......................................................................................... 145

7.2.1.3 Varianz und Standardabweichung ................................................. 149

7.2.1.4 at-Risk-Modelle .................................................................................. 149

7.2.1.4.1 Value-at-Risk ....................................................................... 149

7.2.1.4.2 Conditional-Value-at-Risk ................................................ 164

7.2.1.4.3 Profit-at-Risk ....................................................................... 165

7.2.1.4.4 Earnings-at-Risk ................................................................. 169

7.2.1.4.5 Cash-Flow-at-Risk .............................................................. 170

7.2.1.5 Stress Tests.......................................................................................... 170

7.2.2 Bewertung der Methoden zur Preisrisikobewertung ............................... 172

7.3 Preisrisikosteuerung ................................................................................... 180

7.3.1 Preisrisikovermeidung .................................................................................. 181

7.3.1.1 Ansätze zur Preisrisikovermeidung ............................................... 181

7.3.1.1.1 Verzicht auf den Aufbau spekulativer Positionen ........ 181

7.3.1.1.2 Gleiche Vertragsstrukturen im Ein- und Verkauf ......... 182

7.3.1.2 Bewertung der Ansätze zur Preisrisikovermeidung .................... 182

7.3.2 Preisrisikobegrenzung .................................................................................. 184

7.3.2.1 Ansätze zur Preisrisikobegrenzung ................................................ 185

7.3.2.1.1 Preisrisikolimitierung ........................................................ 185

7.3.2.1.2 Preisrisikodiversifizierung ................................................ 188

7.3.2.2 Bewertung der Ansätze zur Preisrisikobegrenzung .................... 189

7.3.3 Preisrisikoreduzierung ................................................................................. 192

7.3.3.1 Ansätze zur Preisrisikoreduzierung ............................................... 193

7.3.3.1.1 Standardhedges .................................................................. 193

7.3.3.1.2 Hedgingkombination......................................................... 198

Page 12: Steuerung von Gaspreisrisiken

Inhaltsverzeichnis XIII

7.3.3.1.3 Hedging mit Hilfe der „Griechen“ .................................. 200

7.3.3.2 Bewertung der Ansätze zur Preisrisikoreduzierung ................... 202

7.4 Preisrisikotragung ....................................................................................... 209

7.5 Preisrisikoüberwachung ............................................................................ 213

7.6 Preisrisikoreporting .................................................................................... 214

8 Aufbauorganisation für das Preisrisikomanagement mittelgroßer Gasversorger in Deutschland ......................................... 217

9 Zusammenfassung und Ausblick .......................................................... 223

10 Literaturverzeichnis .................................................................................. 233

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Abkürzungsverzeichnis

Abb. Abbildung ARA Amsterdam, Rotterdam, Antwerpen BaFin Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. BDI Bundesverband der deutschen Industrie e.V. BGW Bundesverband Gas- und Wasser e.V. BnetzA Bundesnetzagentur Bspw. Beispielsweise CFaR Cash-Flow-at-Risk CPaR Conditional-Profit-at-Risk CVaR Conditional-Value-at-Risk DVGW Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V. EaR Earnings-at-Risk EEX European Energy Exchange EnWG Energiewirtschaftsgesetz F. Folie GABi Gas Grundregeln der Ausgleichs- und Bilanzierungsregeln im Gas-

sektor Ggfs. Gegebenenfalls GPL Gaspool H-Gas high (caloric) gas HEL Heating Oil extra Light HGB Handelsgesetzbuch HSL Heating Oil Sulphur Light I. d. R. in der Regel ICE IntercontinentalExchange KonTraG Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich KoV Kooperationsvereinbarung der Gasnetzbetreiber KWG Kreditwesengesetz kWh Kilowattstunde

Page 14: Steuerung von Gaspreisrisiken

XVI Abkürzungsverzeichnis

L-Gas low (caloric) gas MaRisk Mindestanforderungen an das Risikomanagement MüT marktgebietsüberschreitender Transport NBP National Balancing Point NCG NetConnect Germany OTC over the counter PaR Profit-at-Risk PuG Privat- und Gewerbekunden RLM registrierende Leistungsmessung RS Rheinschiene S. Seite SLP Standardlastprofil TTF Title Transfer Facility VaR Value-at-Risk VKI Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft e.V. VKU Verband kommunaler Unternehmen e.V. VP virtueller (Handels-)Punkt Z. B. zum Beispiel

Page 15: Steuerung von Gaspreisrisiken

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Risikobegriff .....................................................................................10 Abbildung 2: Bestandteile des Risikomanagements ..........................................14 Abbildung 3: Zeitversatz zwischen Risikoentstehung und

Ertragsauswirkungen .....................................................................15 Abbildung 4: Zielwirksamkeitsbeziehungen zwischen Sicherheits- und

Gewinnziel .......................................................................................20 Abbildung 5: Risikomanagementstile ..................................................................22 Abbildung 6: Risikomanagementprozess ............................................................24 Abbildung 7: Beispiel einer Risk Map ..................................................................29 Abbildung 8: Risikosteuerungsprozess und Schnittstellen im

Risikomanagementprozess ............................................................32 Abbildung 9: Grundlegende Gestaltungsfragen und –parameter im

Rahmen der Risikoberichterstattung ...........................................35 Abbildung 10: Klassifizierung von Controllingkonzeptionen ...........................39 Abbildung 11: Risikocontrolling als Teilbaustein des Controlling ....................40 Abbildung 12: Risikocontrolling als Schnittmenge des Risikomanagements

und des Controlling .......................................................................40 Abbildung 13: Systembildung und Systemkopplung durch

Risikocontrolling .............................................................................41 Abbildung 14: Kategorien aufbauorganisatorischer Regelungen des

Risikomanagements ........................................................................42 Abbildung 15: Kurzbeschreibung der gemäß der MaRisk organisatorisch

zu trennenden Funktionen ............................................................47 Abbildung 16: Gashandel im engen und im weiten Sinne ..................................50 Abbildung 17: Physische Gasproduktbestandteile ..............................................51 Abbildung 18: Übersicht der wesentlichen Substitute für Erdgas nach

Kundengruppen ..............................................................................56 Abbildung 19: Die deutsche Gaswirtschaft vor der Liberalisierung im

Jahr 2001............................................................................................58 Abbildung 20: Anteile am deutschen Retailmarkt 2006 ......................................60 Abbildung 21: Entry-Exit-Modell beim Gasnetzzugang .....................................66 Abbildung 22: Typische Zunahme von gehandelten Produkten in

liquider werdenden Großhandelsmärkten .................................70 Abbildung 23: Neue Marktteilnehmer auf dem deutschen Gasmarkt

im Zuge der Liberalisierung ..........................................................76 Abbildung 24: Wesentliche Vor- und Nachteile einer Vollversorgung

aus Sicht eines Gasversorgers .......................................................81 Abbildung 25: Merkmale der Kundensegmente von Gasversorgern in

Deutschland .....................................................................................85 Abbildung 26: Übersicht über die häufigsten Swaps ...........................................94

Page 16: Steuerung von Gaspreisrisiken

XVIII Abbildungsverzeichnis

Abbildung 27: Vier Arten von Optionspositionen ...............................................95 Abbildung 28: Unterschiede zwischen Forwards und Futures ....................... 100 Abbildung 29: Abgrenzung schwebendes Geschäft, offene Position und

geschlossene Position ................................................................. 107 Abbildung 30: Merkmale von großen, mittleren und kleinen

Gasversorgern ............................................................................... 122 Abbildung 31: Auswirkungen der Merkmale mittelgroßer deutscher

Gasversorger auf ihr Preisrisikomanagement ......................... 128 Abbildung 32: Physische und finanzielle offene Positionen ............................ 135 Abbildung 33: Beispiel für eine komplexe Darstellung eines Gasportfolios . 138 Abbildung 34: Wesentliche Methoden zur Bewertung von

Energiederivaten .......................................................................... 144 Abbildung 35: Stochastische Verteilung des Portfoliowerts und

Value-at-Risk-Quantil .................................................................. 150 Abbildung 36: Vor- und Nachteile verschiedener Ansätze zur Simulation

der Marktfaktorenwerte bei der historischen Simulation ...... 157 Abbildung 37: Vergleich analytische Methode, historische Simulation

und stochastische Simulation bei der VaR-Berechnung ........ 161 Abbildung 38: Bewertung der grundsätzlichen VaR-Methoden aus Sicht

mittelgroßer deutscher Gasversorger ....................................... 164 Abbildung 39: Stochastische Verteilung des Portfoliowerts und

Conditional-Value-at-Risk-Quantil ........................................... 165 Abbildung 40: Bewertung der Methoden zur Preisrisikomessung aus

Sicht mittelgroßer deutscher Gasversorger .............................. 179 Abbildung 41: Optimaler Sicherheitsgrad .......................................................... 181 Abbildung 42: Bewertung der Ansätze zur Preisrisikovermeidung aus

Sicht mittelgroßer deutscher Gasversorger .............................. 184 Abbildung 43: Bewertung der Ansätze zur Preisrisikobegrenzung aus

Sicht mittelgroßer deutscher Gasversorger .............................. 192 Abbildung 44: Hedging offener Positionen mit Futures und Forwards ........ 194 Abbildung 45: Hedging offener Positionen mit Optionen ............................... 197 Abbildung 46: Strategien zur Vereinnahmung von Optionsprämien ............ 197 Abbildung 47: Hedgingstrategien in Abhängigkeit der erwarteten Preise

und Volatilitäten .......................................................................... 200 Abbildung 48: Bewertung der Ansätze zur Preisrisikoreduzierung aus

Sicht mittelgroßer deutscher Gasversorger .............................. 208 Abbildung 49: Bewertung aufbauorganistorischer Alternativen zum

Preisrisikomanagement aus Sicht mittelgroßer deutscher Gasversorger ................................................................................. 221

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1 Einleitung

1.1 Problemstellung und Zielsetzung

Unternehmen agieren unter Unsicherheit. Chancen zu nutzen und dabei auch Risiken einzugehen ist der Kern unternehmerischen Handelns überhaupt.1 Diese aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts stammende Auffassung trifft heute genauso zu wie damals.

Im Rahmen der Finanz- und Wirtschaftskrise seit 2008/09 ist die weltweite Sensibilität für das Risikomanagement als Werttreiber und als Wertvernichter deutlich gestiegen. In diesem Zusammenhang wurde das Eingehen von Risi-ken im Vorfeld der Krise durch Banken insbesondere in der Öffentlichkeit sehr pauschal kritisiert, da durch diese Risiken nicht nur einzelne Unternehmen, sondern zunächst weltweit die Finanzbranche und anschließend die Gesamt-wirtschaft in eine Schieflage gerieten. Der Erfolg der Marktwirtschaft als Wirt-schaftsmodell beruht jedoch gerade auf der Übernahme von wirtschaftlichen Risiken durch Unternehmer, welche sich aufgrund ihres Einsatzes und ihrer Kompetenz eine attraktive Verzinsung der übernommenen Risiken erhoffen.

Eine differenziertere Kritik an der vor der Finanz- und Wirtschaftkrise übli-chen Praxis der Finanzinstitute setzt daher weniger an der Risikoübernahme an sich als an dem Management dieser Risiken an. Insbesondere wurden me-thodische Schwächen bei der Identifizierung, Bewertung und Steuerung der (Markt- und Kontrahenten-)Risiken als auch beim Risikocontrolling der Finan-zinstitute offenbar. Während diese Schwächen bereits umfangreich in der wis-senschaftlichen Literatur analysiert werden, steht die erfolgreiche Weiterent-wicklung der bisher eingesetzten Risikoinstrumente zur Vermeidung der glei-chen Fehler in der Zukunft noch relativ am Anfang. Daher sind das Thema Ri-sikomanagement bzw. einzelne Facetten dieses Themas derzeit wieder im Fo-kus wissenschaftlicher Auseinandersetzungen.

1 Die Auffassung entstammt dem dreizehnten Kapital des „Essai sur la Nature du Commer-

ce en General“ von Richard Cantillon von 1730. Vgl. Cantillon (1931), S. 32ff.

M. Niggemann, Steuerung von Gaspreisrisiken,DOI 10.1007/978-3-658-00483-5_1, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013

Page 18: Steuerung von Gaspreisrisiken

2 Einleitung

Die deutsche Gaswirtschaft sieht sich seit einigen Jahren für sie weitgehend neuartigen Kategorien von Risiken ausgesetzt – insbesondere den Marktpreis-risiken. Diese sind Folge der seit 1998 in diversen Schritten vorgenommenen und mittlerweile weitgehend abgeschlossenen Liberalisierung, deren Kernele-ment ein regulierter, diskriminierungsfreier Netzzugang für Dritte darstellt. In Deutschland war die Energiewirtschaft über Jahrzehnte staatlich eng reguliert. Dies war auch international so üblich. Gründe hierfür waren insbesondere ein hoher Kapitalbedarf, hohe Risiken und ein hoher Koordinationsbedarf beim Aufbau sowohl der Energieproduktionsstätten (Ressourcenförderung, Kraft-werke etc.) als auch der Energieinfrastruktur (Netze, Speicher etc.). Zudem versuchte die Politik, über staatliche oder staatlich regulierte Energieunter-nehmen zunächst Wirtschafts- und Sozialpolitik, Sicherheitspolitik und später zusätzlich auch Umweltpolitik gestalten zu können. Daher existierte weder in Deutschland noch in anderen wirtschaftlich bedeutenden Ländern ein freier Gasmarkt. Die Gaspreise wurden politisch festgelegt. Während in fast allen anderen westlichen Ländern staatliche Unternehmen (i. d. R. ein einziges nati-onales Unternehmen je Land) die Gaswirtschaft dominierte, waren in Deutsch-land auf den diversen Wertschöpfungsstufen eine Vielzahl von privaten, halb-staatlichen und staatlichen Unternehmen aktiv. Alle wurden jedoch von der Politik eng reguliert und verfügten über Gebietsmonopole.

In der ersten Hälfte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts begannen die USA und Großbritannien ihre Gasmärkte zu liberalisieren. Deutschland folgte zu-sammen mit einigen anderen europäischen Ländern einige Jahre später. Durch die zunehmend auf freien Großhandelsmärkten erfolgende Bildung von Prei-sen und alternativen Beschaffungs- und Absatzmöglichkeiten für Lieferanten und Kunden werden die Gasunternehmen nun neuartigen Risiken ausgesetzt. Diese resultieren aus ihren offenen Positionen – also aus Gasmengen, welche bereits eingekauft, aber noch nicht verkauft wurden oder aus Gasmengen, wel-che schon verkauft, aber noch nicht eingekauft wurden. Durch die Schwan-kung der Gaspreise können Gasunternehmen mit ihren offenen Positionen nun erhebliche Gewinne oder Verluste erzielen, welche unternehmenskritisch wer-den können. Spektakuläre Unternehmenszusammenbrüche aufgrund von Marktpreisrisiken sind sowohl in der Finanzbranche (z. B. Bearings Bank) als

Page 19: Steuerung von Gaspreisrisiken

Problemstellung und Zielsetzung 3

auch bei anderen mit Commodities handelnden Unternehmen (z. B. Metallge-sellschaft) wohl bekannt.

Gaspreise sind dabei deutlich volatiler als die am Finanzmarkt üblicherweise gehandelten Instrumente2 (Zinsen, Devisen etc.) und gelten als eine der vola-tilsten Commoditypreise überhaupt.3 Im nordamerikanischen Raum war der Gasmarkt daher schon oft Schauplatz von Handelsdebakeln.4 Die sehr hohe Volatilität von Gaspreisen beruht auf einer Vielzahl von Faktoren sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite. Auch in der Art und Weise der Verläufe bzw. in ihrer stochastischen Verteilung unterscheiden sich Gaspreise erheblich von den Preisen auf den Märkten für (Standard-) Finanzprodukte. Auf Finanzmärkten gibt es vergleichsweise wenige preisbestimmende Fakto-ren. Finanzgüter können einfach und schnell transferiert und gelagert werden und sind wetterunabhängig. Im Energiebereich hingegen sind die Güter häufig sehr voluminös, z. T. gefährlich, müssen häufig über große Distanzen transpor-tiert werden und dabei entsprechende wirtschaftliche, technische und politi-sche Hindernisse überwinden.5 Zudem ist die Speicherbarkeit beschränkt.6 Energielieferungen dienen konsumtiven und nicht investiven Zwecken,7 wes-wegen ihre Nachfrage relativ preisunelastisch ist.8 Dies führt zu einer hohen Wetterabhängigkeit und Saisonalität der Preise und in deren Folge zu einer hohen Preisvolatilität. Die Lieferung erfolgt über die Zeit und nicht wie am Fi-nanzmarkt üblich zu einem Zeitpunkt. Hinzu kommt, dass in der Gaswirt-schaft selbst Standardprodukte aufgrund ihrer Vertragsgestaltung, Un-derlyings und „eingebetteten“ Optionen üblicherweise Derivate darstellen, welche meistens finanzmathematisch sehr komplex sind. So sind z. B. Volu-menoptionen im Finanzbereich unbekannt, in der Gaswirtschaft jedoch eine physische Notwendigkeit.9 Diese Faktoren führen dazu, dass die Portfolien

2 Dies gilt selbstverständlich nicht für manche der in den letzten Jahren entwickelten hoch-

volatilen Finanzderivate. 3 Vgl. Bergschneider/Karasz/Schumacher (2001), S. 92; Braun (2010), S. 181. 4 Vgl. Till (2008b), S. 268. 5 Vgl. James (2008a) S. 1. 6 Vgl. Edwards (2010), S. 43. 7 Vgl. Burger/Graeber/Schindlmayr (2007), S. 87. 8 Vgl. Geman (2005), S. xvi. 9 Vgl. Geman (2005), S. xvi.

Page 20: Steuerung von Gaspreisrisiken

4 Einleitung

von Gasversorgern größeren und in ihren Verläufen anderen Wertschwankun-gen ausgesetzt sind als Portfolien von Finanzmarktinstituten. Die hohe Volati-lität der Preise wird daher auch als größte Herausforderung für die Energie-wirtschaft gesehen.10 Im Übergang von einem regulierten zu einem liquiden Markt sind die Wertschwankungen von Gasportfolien sogar noch größer und insbesondere noch schlechter prognostizierbar. Daraus ergeben sich besondere Preisrisiken für Gasversorger, aber auch außergewöhnliche Chancen.

Die Besonderheiten der Portfolien, der Marktpreisschwankungen sowie der ak-tuellen Entwicklungen der Rahmenbedingungen im Gasmarkt erfordern eine Überprüfung, ob für das Preisrisikomanagement bei Gasversorgern gleiche oder ähnliche Ansätze angewendet werden können wie für Finanzinstitutio-nen. Das Preisrisikomanagement für Finanzinstitutionen ist in der wissen-schaftlichen Literatur trotz bzw. gerade wegen der eingangs erwähnten Dis-kussion im Zusammenhang mit der Finanz- und Wirtschaftskrise seit 2008/09 Gegenstand umfangreicher Analysen und Veröffentlichungen. Eine Übertrag-barkeit der Ansätze auf die Gaswirtschaft erscheint jedoch äußerst fraglich. Im deutschsprachigen Raum ist spezifische wissenschaftliche Literatur zum Preis-risikomanagement bei Energieunternehmen im Allgemeinen oder Gasversor-gern im Speziellen noch vergleichsweise selten. Im angelsächsischen, insbe-sondere im nordamerikanischen und britischen Raum ist aufgrund der etwas längeren Historie liquider Strom- und Gasmärkte das Thema Preisrisikoma-nagement im Energiebereich in der Wissenschaft weiter entwickelt. Dennoch dauert auch in diesen Ländern die Suche nach „Best-Practice-Lösungen“ so-wohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis noch an. In der Regel handelt es sich bei Veröffentlichungen zu diesem Thema um Weiterentwicklungen und Verfeinerungen einzelner Preisrisikoinstrumente – zudem häufig für die Öl- oder Stromwirtschaft. Es fehlt jedoch nach wie vor eine Einbettung der einzel-nen Instrumente in ein geschlossenes Gesamtkonzept. Risikomanagement in der Energiewirtschaft ist zur Zeit eine hohe Kunst, aber noch keine exakte Wis-senschaft.11

10 Vgl. Morison (2009), S. 18. 11 Vgl. James (2008a), S. viii.

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Vorgehensweise 5

Zielsetzung der vorliegenden Arbeit ist es, eine Gesamtkonzeption für das Preisrisikomanagement bei Gasversorgern zu entwickeln. Grundlage hierfür bildet das in der wissenschaftlichen Literatur beschriebene allgemeine Risiko-managementkonzept, insb. der Risikomanagementprozess. Dieser allgemeine Ansatz soll an die spezifischen Bedürfnisse des Preisrisikomanagements bei Gasversorgern angepasst werden. Um eine konkrete Übertragbarkeit des Kon-zepts zu gewährleisten, soll dieses für die spezifischen Bedürfnisse mittelgro-ßer deutscher Gasversorger entwickelt werden. Die Beschränkung auf Gasver-sorger in Deutschland ermöglicht insbesondere aufgrund der Besonderheiten der hiesigen Marktstruktur (Marktzersplitterung, geringe Eigenproduktion, Teilliquidität des Marktes etc.), des aktuellen Stands der Regulierung und der Liberalisierung, der Preiseinflussfaktoren sowie anderer Wettereinflüsse als in den USA und Großbritannien eine detailliertere Ausgestaltung der Konzepti-on. Die mittelgroßen deutschen Gasversorger, welche nicht als regionale Ver-triebsgesellschaften zu großen Energiekonzernen gehören, weisen im Vergleich zu den wenigen großen und vielen kleinen Gasversorgern einige für das Preis-risikomanagementkonzept kritische Charakteristika auf (strukturierte Beschaf-fung im Rahmen eines aktiven Beschaffungsportfoliomanagements, im Aufbau befindliche Preisrisikomanagementkompetenzen, gemischt-öffentlich-private Gesellschafterstruktur etc.12), so dass sich eine Beschränkung auf das Preisrisi-komanagement für diese Gruppe von Gasversorgern anbietet.

1.2 Vorgehensweise

Nach einer Einleitung (Kapitel 1) wird zunächst das Risikomanagement-konzept dargestellt, wie es in der wissenschaftlichen Literatur allgemeingültig beschrieben und in der betriebswirtschaftlichen Praxis in verschiedenen Vari-anten implementiert ist (Kapitel 2). Während die detaillierten Ausgestaltungen des Risikomanagementkonzepts für spezifische Bedürfnisse Gegenstand um-fangreicher Diskussionen in Literatur und Praxis sind, kann ein grundsätzli-cher Rahmen des Risikomanagements als allgemein anerkannt gelten. Dieser bildet auch die Struktur, an der sich die vorliegende Arbeit orientiert. An-

12 Vgl. Abschnitt 6.1.

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6 Einleitung

schließend werden zunächst die grundsätzlichen Spezifika des deutschen Gasmarkts einschließlich ihrer historischen und zukünftigen Entwicklungen detailliert erörtert (Kapitel 3). Im darauffolgenden vierten Kapitel werden Gas-beschaffung, -vertrieb und -handel (i. e. S.) von deutschen Gasversorgern be-schrieben. Diese Funktionen sind entscheidend für die Entstehung sogenannter offener Positionen, welche die Basis für die Entstehung von Marktpreisrisiken bilden. Gleichzeitig werden die spezifischen Charakteristika von Gasportfolien erarbeitet. Die Beschreibung des Gashandels dient zudem bereits als Grundla-ge für das Verständnis von Großhandelsprodukten, welche im späteren Ver-lauf der Arbeit hinsichtlich ihrer Eignung als Hedginginstrumente untersucht werden.

Um Marktpreisrisiken besser verstehen und einordnen zu können, wird im fünften Kapitel ein Überblick über relevante Risiken gegeben. Hierbei werden Marktpreisrisiken detailliert beschrieben, während die anderen Risiken nur in-soweit dargestellt werden, wie ihr Verständnis für die Abhängigkeiten bzw. Schnittstellen zu den Marktpreisrisiken relevant ist. Die Diskussion und Aus-gestaltung eines Preisrisikomanagements für mittelgroße deutsche Gasversor-ger kann erst erfolgen, wenn die spezifischen Merkmale dieser Kategorie von Gasversorgern und ihre spezifischen Risikomanagementziele und -kompeten-zen sowie ihre Risikobereitschaft detailliert erarbeitet wurden. Ebenso sind klare Anforderungen an ein Preisrisikomanagementkonzept zu definieren, an-hand derer die einzelnen Ansätze bewertet und ausgewählt werden können. Dieses erfolgt im sechsten Kapitel.

Im siebten Kapitel wird der Preisrisikomanagementprozess für mittelgroße deutsche Gasversorger angepasst. Hierfür werden bei jedem Prozessschritt die in der Literatur und Praxis bestehenden Ansätze für die Finanzbranche, die Energiewirtschaft und andere Handelsunternehmen aus Sicht mittelgroßer deutscher Gasversorger dargestellt, analytisch bewertet und ausgewählt. In diesem Zusammenhang erfolgt – wo sinnvoll – auch eine Anpassung und Wei-terentwicklung der Ansätze an die spezifischen Bedürfnisse von mittelgroßen deutschen Gasversorgern bzw. wo möglich bereits eine erste Justierung der ausgewählten Instrumente. Darauf aufbauend werden im achten Kapitel Fra-

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Methodik 7

gen der aufbauorganisatorischen Verankerung des Preisrisikomanagements bei mittelgroßen deutschen Gasversorgern diskutiert. Die Arbeit schließt mit einem kurzen Fazit und Ausblick ab (Kapitel 9).

1.3 Methodik

Die vorliegende Arbeit stützt sich insbesondere auf eine Auswertung der ver-schiedenen Konzepte und Ansätze zum Preisrisikomanagement in der wissen-schaftlichen Literatur aus Sicht mittelgroßer deutscher Gasversorger. Hierbei werden sowohl allgemeine Konzepte und Ansätze untersucht als auch bran-chenspezifische – insbesondere für Finanzinstitute, Handelsunternehmen und Energieunternehmen. Weiterhin werden Beiträge aus nicht-wissenschaftlichen Praxiszeitschriften als auch gesetzliche Vorschriften berücksichtigt. Diese wer-den ergänzt um Ansätze und Hintergrundinformationen aus der Praxis des Preisrisikomanagements bei großen und mittelgroßen deutschen Gasversor-gern, welche sowohl auf der langjährigen Beratungserfahrung des Autors in diesem Bereich als auch auf Expertengesprächen mit Praxisvertretern aus der deutschen Gaswirtschaft beruhen.

Die Strukturierung und Bewertung der Konzepte und Ansätze anhand zuvor definierter Anforderungen sowie die – stellenweise – Weiterentwicklung der Ansätze und Justierung der Instrumente mit dem Ziel einer in sich geschlosse-nen Konzeption für mittelgroße deutsche Gasversorger stellen den wissen-schaftlichen Mehrwert der vorliegenden Arbeit dar.

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2 Grundlagen des Risikomanagements

2.1 Definition wesentlicher Begriffe des Risikomanagements

2.1.1 Risiko

Die wissenschaftliche Literatur verwendet keinen einheitlichen Risikobegriff.13 Es existieren sowohl verschiedene ursachen- als auch wirkungsbezogene Defi-nitionen.14 Während sich die ursachenbezogenen Definitionen auf (interne) Entscheidungen oder (externe) Ereignisse beziehen, zielen die wirkungsbezo-genen Definitionen auf die Folgen der Risiken für das Erfolgsziel.

Im Rahmen dieser Arbeit bietet sich eine wirkungsbezogene Definition an, da Risikomanagementsysteme i. d. R. ebenfalls erfolgszielbezogen sind. Man kann die wirkungsbezogenen Risikodefinitionen in der Literatur in zwei Klassen einteilen: Die erste Klasse definiert Risiko in einem engen Sinne und bezeichnet mit Risiko eine ungünstige Entwicklung (z. B. Verlustgefahr, Gefahr der Nicht-erreichung von Zielen).15 Die andere Klasse von Definitionen betrachtet Risiko in einem weiteren Sinne. Risiko gibt demnach die mögliche Abweichung vom Erwartungswert an und schließt damit Chancen ein.16 Während die erste Defi-nition in der Literatur und auch im allgemeinen Sprachgebrauch insgesamt am häufigsten ist, überwiegt die Chancen inkludierende, weitergehende Risikode-finition insbesondere in der Kapitalmarkt- und Portfoliotheorie.17 Einige Auto-ren verwenden die Risikodefinition i. e. S. und schreiben daher stets explizit von Risiken und Chancen, wenn die möglichen positiven Abweichungen vom Erwartungswert mit betrachtet werden sollen.18 Eine andere Gruppe von Auto-ren legt sich nicht auf einen Risikobegriff fest, sondern lässt explizit einen Risi-

13 Vgl. z. B. Rogler (1999), S. 5; Reichmann (2006), S. 623. 14 Vgl. Borchert/Korth/Schemm (2006), S. 302. 15 So z. B. Rogler (1999), S. 5ff.; Diedrichs (2004), S. 10; Grauer (2006), S. 8; Reichmann (2006),

S. 623; Auer (2008), S. 22; Gundel/Mülli (2009), S. 12. 16 So z. B. Kirchner (2002), S. 16; Romeike (2005), S. 18; Ahlrichs/Knuppertz (2007), S. 491;

Denk/Exner-Merkelt/Ruthner (2008), S. 29; von Haaren (2008), S. 86. 17 Vgl. Buchhart/Burger (2002), S. 2. 18 So z. B. Pfohl (2001), S. 3ff.; Wolf (2003), S. 565; Form (2004), S. 21ff.; Vanini/Weinstock

(2006), S. 379; Schäffer/Weber (2008), S. 237.

M. Niggemann, Steuerung von Gaspreisrisiken,DOI 10.1007/978-3-658-00483-5_2, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013

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10 Grundlagen des Risikomanagements

kobegriff i. e. S. und einen Risikobegriff i. w. S. wie oben beschrieben zu.19 Der Risikobegriff i. w. S. stellt somit eine Kurzform für „Chance und Risiko i. e. S.“ dar.

Abbildung 1: Risikobegriff

Ein ausschließlich auf die Reduzierung von Verlustmöglichkeiten ausgerichte-tes Risikomanagementsystem würde zwangsläufig die Einstellung unterneh-merischen Handelns fordern, welches i. d. R. mit Verlustmöglichkeiten ver-bunden ist. Erst die gleichzeitige Optimierung von Risiken i. e. S. und Chancen führt zu einer Unternehmenswertsteigerung. Dennoch gilt, dass die Mehrzahl der implementierten Risikomanagementsysteme als Führungssubsysteme un-mittelbar nur auf die Reduzierung von Schadensmöglichkeiten im Sinne einer Existenz- und Ertragssicherung ausgerichtet sind,20 da Investoren und Mana- 19 So z. B. Borchert/Korth/Schemm (2006), S. 30. 20 Vgl. Abschnitt 2.2 zu den Zielen eines Risikomanagementsystems. Während bei der For-

mulierung einer Risikostrategie das optimale Risiko-Chancen-Verhältnis ermittelt wird, wirkt das operative Risikomanagement bei der Optimierung aus Komplexitätsreduzie-rungsgründen i. d. R. nur auf die Einhaltung eines Mindestsicherheitslevels als Nebenbe-dingung hin. Ein integriertes Chancen- und Risikomanagement, wie vielfach wissenschaft-lich gefordert, hat sich in der Praxis bei Handelsunternehmen auf operativer Ebene bisher nicht durchgesetzt. Dies liegt sowohl an rechtlichen Herausforderungen (vgl. Abschnitt 2.2) als auch an Steuerungsschwierigkeiten und Anreizproblemen. Weiterhin ergeben sich Probleme bei der Abgrenzung zur Unternehmensführung. Zudem bestehen sehr unter-schiedliche Anforderungen an das Management von Chancen und Risiken – u. a. auch an die einzelnen Mitarbeiter. Im Gegensatz dazu kann ein integriertes Chancen- und Risiko-management auf strategischer Ebene durchaus sinnvoll sein. Letztlich würde eine solche

Zeitablauf

Erwartete EntwicklungRisikoi.e.S

Risikoi.w.S

Chance

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Definition wesentlicher Begriffe des Risikomanagements 11

ger allgemein risikoavers eingestellt sind und daher einen sicheren Ertrag ei-nem Erwartungswert in gleicher Höhe oder sogar mit einem leicht höheren Erwartungswert vorziehen. Die Einbeziehung von Chancen erfolgt erst mittel-bar im Rahmen der Optimierung. Daher wird im Rahmen dieser Arbeit der Ri-sikobegriff i. e. S. gewählt. Risiken sind demnach negative Abweichungen vom Erwartungswert. Wenn einzelne Instrumente des Risikomanagements auf ne-gative und positive Abweichungen abzielen, werden in dieser Arbeit explizit die Begriffe Risiko i. w. S. bzw. Chancen und Risiken i. e. S. verwendet.

Risiko entsteht durch die Nichtkenntnis der Ergebnisse von unternehmeri-schen Entscheidungen. Bei Entscheidungssituationen unter Sicherheit kann demnach kein Risiko auftreten. In aller Regel sind jedoch Entscheidungen zu treffen, bei denen zu einem gewissen Grad Unsicherheit über die Prozesse und die Veränderungen externer Faktoren existiert. Unsicherheit wird häufig von Ungewissheit derart abgegrenzt, dass bei Unsicherheit noch Wahrscheinlich-keiten für den Eintritt bestimmter Zustände angegeben werden können. Die betriebswirtschaftliche Entscheidungstheorie kennt daher nur den Risikobe-griff bei Unsicherheit, nicht jedoch bei Ungewissheit.21 Risiko als Verlustgefahr besteht aber auch bei Ungewissheit, was auch dem Risikobegriff im Sinne des KonTraG (Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich) entspricht.22 Insofern wird im Rahmen dieser Arbeit unter Risiko die Verlust-gefahr sowohl bei Unsicherheit als auch bei Unwissenheit verstanden.

Risiken können in den Dimensionen Eintrittswahrscheinlichkeit, Schadenshöhe und ggfs. möglicher Zeitpunkt des potentiellen Schadenseintritts beschrieben werden.23 Einige Autoren definieren daher Risiko bzw. Risikowert auch als Produkt aus Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadenshöhe.24

Trennung zu den eigenständigen Disziplinen „operatives Risikomanagement“ und „stra-tegisches Risiko- und Chancenmanagement“ führen, welche aber eng in der Führungssys-temlandschaft verbunden wären – analog dem strategischen und operativen Controlling. Vgl. zur letzten Aussage Denk/Merkelt-Exner/Ruthner (2008), S. 160.

21 Vgl. Liebich (2006), S. 22. 22 Vgl. Wall (2001), S. 212. 23 Vgl. Buchhart/Burger (2002), S. 4; Borchert/Korth/Schemm (2006), S. 30f. 24 So z. B. von Haaren (2008), S. 86; Gundel/Mülli (2009), S. 12.