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StOrungen im (:ileichgewichtsapparat bei Fiiilen yon Explosionsschwerh6rigkeit. Von Prof. Dr. H. Streit, K6nigsberg i. Pr. In einer in diesem Archly erschienenen Arbeit 1) habe ich an einem groBen Material meistenteils frischer FNle darzulegen versucht, welche Ver~nderungen dutch die Explosionswirkung im Gebiet des Akustikus und seiner Verbindungen stattfinden. Beziiglich der St6rungen des Gleichgewichtsapparates kam ich unter anderen zu folgendem Resul-. rate: ,,Es ist notwendig, m6glichst-Irisch Verletzte zu untersuchen, wenn man sich ein Urteil fiber die ?Einwirkung der Explosion auf den Vestibularisapparat bilden will, da die Vestibularisst6rungen naeh Ex- plosionswirkung augenscheinlich h~iufig noch flfichtiger sind, als die des Akustikus." -Ira iibrigen habe ich das Gebiet der Vestibularisst6rungen in der erw~ihnten Arbeit nur fltichtig gestreiff und die eingehende Beriick- sichtigung der diesbeziiglichen Resultate den folgenden Ausfiihrungen fiberlassen. Nach den Angaben yon Kretschmann ~) ist in den Heimat- lazaretten eine St6rung des Gleichgewichtsapparates nacn Detonations- wirkung mit den bekannten Untersuchungsmethoden nut relativ selten und ~ dann gew6hnlich in sehr geringem MaBe nachweisbar. ,,Subjektiv wird nicht selten fiber Schwindel geklagt, der bei schnellen Drehungen des Kopfes und beim Btieken auftritt und als leichter Drehschwindel gesehildert wird, ohne dab eine 13bet- oder Untererregbarkeit des Bogengangapparates nachzuweisen ist. Es ist demnach anzunehmen, dab dieser Schwindel andere Ursachen, nicht labyrinth~irer Natur haben wird." Auch Friedl/inder~) hat relatiV selten eine Beteiligung des Gleichgewichtsorgans gesehen. Er beicana, seine F/ille ebenfalls relativ sp~it Jn Beobaehtung. Frey 4) hat gleichfalls objektiv in keinem Falle St6rungen des Vestibularis nachweisen k6nnen. Auc.h bei den Taubstummen nach Granatexplo- 1) Streit: ~3ber ~2xplosionsschwerh6rigkeiL A. f. Ohrenh. 1918. 2) Kretschmann: Kriegsbesch/idiguIlgen des Geh6rorganes. Deutsch. mediz. Wochenschrift 1917. Nr. 3. z) FriedlS~nder: Die Sch/tdigungen des Geh6rorgans durch SclauB~drlmng. Arc/). f. Ohren-, Nasen- und Kehlkopfheilkunde, Bd. 98, 2. u. 3- Heft. 4) Frey: Erfahrungen ilber die Erkrankungen und Verletzungen des GehOrorgans usw. W. reed. V~rochenschr. 1916.

Störungen im Gleichgewichtsapparat bei Fällen von Explosionsschwerhörigkeit

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Page 1: Störungen im Gleichgewichtsapparat bei Fällen von Explosionsschwerhörigkeit

StOrungen im (:ileichgewichtsapparat bei Fiiilen yon Explosionsschwerh6rigkeit.

Von Prof. Dr. H. Streit, K6nigsberg i. Pr.

In einer in diesem Archly erschienenen Arbeit 1) habe ich an einem groBen Material meistenteils frischer FNle darzulegen versucht, welche Ver~nderungen dutch die Explosionswirkung im Gebiet des Akustikus und seiner Verbindungen stattfinden. Beziiglich der St6rungen des Gleichgewichtsapparates kam ich unter anderen zu folgendem Resul-. rate: ,,Es ist notwendig, m6glichst-Irisch Verletzte zu untersuchen, wenn man sich ein Urteil fiber die ?Einwirkung der Explosion auf den Vestibularisapparat bilden will, da die Vestibularisst6rungen naeh Ex- plosionswirkung augenscheinlich h~iufig noch flfichtiger sind, als die des Akustikus." -Ira iibrigen habe ich das Gebiet der Vestibularisst6rungen in der erw~ihnten Arbeit nur fltichtig gestreiff und die eingehende Beriick- sichtigung der diesbeziiglichen Resultate den folgenden Ausfiihrungen fiberlassen.

Nach den Angaben yon K r e t s c h m a n n ~) ist in den Heimat- lazaretten eine St6rung des Gleichgewichtsapparates nacn Detonations- wirkung mit den bekannten Untersuchungsmethoden nut relativ selten und ~ dann gew6hnlich in sehr geringem MaBe nachweisbar. ,,Subjektiv wird nicht selten fiber Schwindel geklagt, der bei schnellen Drehungen des Kopfes und beim Btieken auftritt und als leichter Drehschwindel gesehildert wird, ohne dab eine 13bet- oder Untererregbarkeit des Bogengangapparates nachzuweisen ist. Es ist demnach anzunehmen, dab dieser Schwindel andere Ursachen, nicht labyrinth~irer Natur haben wird." Auch Friedl / inder~) hat relatiV selten eine Beteiligung des Gleichgewichtsorgans gesehen. Er beicana, seine F/ille ebenfalls relativ sp~it Jn Beobaehtung. F r e y 4) hat gleichfalls objektiv in keinem Falle St6rungen des Vestibularis nachweisen k6nnen. Auc.h bei den Taubstummen nach Granatexplo-

1) S t r e i t : ~3ber ~2xplosionsschwerh6rigkeiL A. f. Ohrenh. 1918. 2) K r e t s c h m a n n : Kriegsbesch/idiguIlgen des Geh6rorganes. Deutsch. mediz.

Wochenschrift 1917. Nr. 3. z) F r i ed lS~nde r : Die Sch/tdigungen des Geh6rorgans durch SclauB~drlmng. Arc/).

f. Ohren-, Nasen- und Kehlkopfheilkunde, Bd. 98, 2. u. 3- Heft. 4) F r e y : Erfahrungen ilber die Erkrankungen und Verletzungen des GehOrorgans

usw. W. reed. V~rochenschr. 1916.

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94 H. STI<EIT,

sion land F r e y die Errcgbarkeit fiir Drehung und kalorische Priifung in allen F~illen erhalten. A l b r e c h t 1)wies bei 8 yon IxI F~illen Sehwindel- erscheinungen nach, sowie zweimal bei kalorischem Reiz, einmal nach Drehung lJberempfindlicltkeit des Vestibularapparates. Ganz anders sind die Erfata'ungen von Zange~). Er gibt an, dab er in der Mehrzah l der F[ille eine Sch~idigung des Vorhofbogengangapparates nach- gewiesen babe. Es bestand h~iufig mehr oder wemger starke kalorische Unter- oder selbst Unerregbarkeit des Vorhofbogengangapparates, Diese Unerregbarkeit entwickelte sich merkwiirdigerweise erst all- m~ihlich im Laufe yon Wochen und Mona.ten. Zange erkl~irt diesen sp/it einsetzenden Vestibularisausfall dutch eine Entartung der End- apparate. Was die H~iutigkeit der Vestibularisst6rungen betrifft, stehen meine Erfahrungen etwa in der Mitte zwiscben diesen einander wider- sprechenden Angaben. Weitere besonders zusammenfassende Bearbei- tungen der Vestibularisst6rungen nach Explosionswirkung an Hand eines groBen Materials babe ~ch bis zur Drueklegung dieser Arbeit in der Literatur nicht vorfinden k6nnen. Die hier und dort verstreuten Angaben eignen sich, da sie meist nur vereinzelte F~ille behandeln, nicht, oder nur im besehr~inkten MaBe. zum VergleJch mit meinen Resultaten.

S p o n t a n n y s t a g m u s . Unter 24o F~illen fanden s ich 47mat nystagmusartige Bewegungen. Sit waren mitunter nur gering, bei extremer Augenstellung eintreter~d. Ziemlich h~u~ig waren sie beim Blick nach einer SeRe starker ausgepr~gt als nach der andern, z3mal waren die Augenbewegungen so deutlJch zweiphasisch und gut charak- terisiert, dal3 man yon einem typischen Nystagmus sprechen konnte. Auch in diesen F~illen war der Nystagmus mit einer einzigen Aus- nahme bei Blick nach beiden Seiten naehweisbar, jedoch beim Bliek naclt der einen stSrker als nach der anderen. Nut einmal war einseitiger Nystagmus vorhanden. In einzelnen wenigen F~illen salt man 'helm Blick nach der SeRe atypisclt rollende oder wiegende oder zitternde Augenbewegungen. In den F~illen mit ausgesprocltenem Nystagmus~ auch wenn derselbe vorwiegend e~nseitig war, lieflen sich weitere Zeichen fiir eine Erkrankung des Vestibutarisapparates nicht feststellen. Der Akustikus war bei diesen Beobachtungen st~irker, oder auclt nut ~n geringem MaBe in Mitleidenscltaft gezogen.

N a c h E x p l o s i o n s e i n w { r k u n g e n l i n d e n s i ch a lso sowoh~ n y s t a g m u s a r t i g e B e w e g u n g e n a l s a u c h t y p i s e h e r N y s t a g - mus h ~ u ! i g e r a ls es der N o r m e n t s p r i e l t t . B i s w e i l e n k 0 m m e n a t y p i s c h e , r o l l e n d e u n d w i e g e n d e A u g e n b e w e - g u n g e n zur B e o b a c h t u n g .

1) A l b r e c h t : SchallscMidigungen im Felde. Z. f. Laryng. 1916, t3d. Yl I I , N. 2, ~) Zange : Organische Schgdigungen des "nerv6sen Ohrapparates. Miinch. med~

Wochenschr. 1915. Feld-/3., Nr. 3 ~.

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St6rungen im Gleichgewichtsapparat bei FSllen v. ExplosionsschwerhOrigkeit. 95

Gang m i t g e s c h l o s s e n e n Augen vorw~irts u n d r i ick- w~irts. S t e h e n m i t g e s c h l o s s e n e n Augen.

Unter 212 Beobachtungen land man 4omal St6rung.en beim Oange vorw~trts und riickw~irts mit geschlossenen Augen. 33real war der Gang nur etwas unsicher, 6mal stark schwankend und taumelnd, 2real bogen die Patienten beim Gehen stark nach einer Seite aus und ein Mann stii~te beim Versuch mit geschlossenen Augen zu gehen, wie ein Sack zu Boden. Bei diesem letzten Patienten und einem von den sechs F~illen mit starken Schwankungen beim Gehen handelte es sich um Beobachtungen von hysterischer Taubheit und Stummheit. Es lag meiner Ansicht nach nach der vorausgegangenen Priifung kein zwingender Grund vor, eine Erkrankung des Vestibularis selbst anzu- nehmen und mit der Gangst6rung in Verbindung zu bringen. Ich komme im iibrigen auf diese F~ille noch an anderer Stelle zu sprechen. Sieht man yon diesen beiden und fiinf weiteren F~illen ab, bei denen keinerlei Verdachtsmomente dafiir vorlagen, dab die bestehende Gehst6rung von einer Erkrankung des Vestibularis abhS.ngig sei, so bleiben noch zwei Beobachtungen iibrig, bei denen man den Beweis fiir eine Sch~idigung des Vestibularis selbst zwar gleichfalls nicht erbringen konnte, wo jedoch wenigstens eine H~iufung yon Symptomen vestibul~irer Art beim selben Falle in Erscheinung trat und dadurch der G e d a n k e an eine Vestibula)isst6rung m6gl ich war. Einmal fand sich, aller- dings bei einem ausgepr~igt nervSsen Individuum, neben der Gang- st6rung - - der Pa t ien tbog beim Gehen mit geschlossenen Augen nach links aus - - Vorbeizeigen mit dem linken Arm nach auBen. Spontan- nystagmus fehlte. Der Drehnystagmus war Ieinschl~tgig yon normaler Dauer. Drehschwindel war stark ausgepr~tgt. Die H6rpriifung ergab ziemlich starke Schwerh6rigkei t beiderseits yon ausgesprochen laby- rinth~irem T;y'pus: Im zweiten Falle bestand beim B~r~nyschen Yer- such die Neigung vorbeizuzeigen, allerdings in wenig typischer Weise. Beim Drehversuch da6erte der Nystagmus einerseits 17 Sekunden lang, andererseits war er nut angedeutet; es trat eine stark ausgepr~tgte Schwindelreaktion ein. Spontannystagmus fehlte. Die H6rpriifung ergab einerseits ziemlich starke, andererseits geringe SchwerhSrigkeit yon unbestimmtem Typus.

S t 6 r u n g e n b e i m G a n g e v o r w i i r t s u n d r i i c k w ~ r t s f i n d e n 's ich r e c h t h~iuf ig , g a n z a u B e r o r d e n t l i c h h ~ i u f i g e r . a l s be i a o r m a - l e n P e r s o n e n .

B i t ~ n y s c h e r Z e i g e v e r s u c h . Sehr auffallend sind die Ergebnisse des Bi rAnyschen Zeige-

versuches. Von I48" Personen zeigten nut I I 7 prompt und pr~izise. 3Imal bestanden St6rungen bei der Ausfiihrung des Zeigeversuches.

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9 0 H. STI(J~IT,

Dieselben gingen I3mal nicht so weit, dab man von einem typischen Vorbeizeigen sprechen konnte, sondern ~iuBerten sich nut in einer gewissen Unsicherheit. Die Leute hatten, wie ich reich in meinen Pr6to- kollen ausdriickte, die ,,Neigung vorbeizuzeigen", und zwar h~tulig nach einer bestimmten Richtung hin, bisweilen jedoch bald nach einer Richtung, bald nach der anderen. I8mal bestand typisches Vorbei- zeigen in einer oder in beiden H~Lnden. Sechs yon I8 F/illen zeigten nut m i t e ine r Hand nach einer bestimmten Richtung vorbei, und zwar doppelt so oft nach auBen als nach innen. Von den zw61f iibrigen zeigten Vier mit beiden Hiinden nach einer Richtung (nach links oder rechts), sieben mit beiden H~inden nach augen, einer mit beiden H/inden nach innen vorbei. Oew6hnlich (6real) zeigte dieselbe Hand in der Richtung yon oben nach unten ebenso wie von unten nach oben; doch kam es auch 2real vor, daft dieselbe Hand in der Richtung yon oben nach unten anders zeigte als in der Richtung yon unten nach oben. Die F~iHe m i t typischen Vorbeizeigen wiesen nicht immer schwerere H6rst6rungen auf, meistens war .dies allerdings der Fall; doch kamen auch Beobachtungen vor, bei denen die H6rst6rung nut relativ gering war. Die F/ille mit vollkommener psychogener Taubheit resp. Taubheit und Stummheit waren wenigstens in der ersten Zeit nach dem Trauma infolge mangelnder Konzentrationsf~ihigkeit zur Anstellung der Ba- r ~n yschen Priifung ungeeignet.

I n e i n e m r e c h t h o h e n P r o z e n t s a t z l a s s e n s i c h a l s o b e i F ~ l l e n v o n E x p l o s i o n s s c h w e r h 6 r i g k e i t S t 6 r u n g e n b e i m B ~ r ~ n y s c h e n ' Z e i g e v e r s u c h f e s t s t e l l e n . Nach der allgemeinen Ansicht pflegen normale Menschen pr~izise zu zeigen. Hiermit stehen allerdings die Angaben yon T h o r n v a l 1) in direktem Widerspruch, der dem Zeigeversuch wenig t~edeutung beJ- legt und der Ansicht ist, man rniiBte mit der Beurteilung eines isolierten Vorbeizeigens sehr vorsichtig sein. Eine Best~itigung dieser Angaben habe ich, wenigstens was die Untersuchung yon g~nzlich normalen Menschen betrifft, nirgends vorfinden k6nnen. Dagegen gibt B a u e r 2) an, dab ~St6rungen des Bar an y schen Zeigeversuches bei rein funktionellen psychischen Krankheiten vorkommen, und daB ihre Feststellung nicht ohne weiteres fiir die Annatame einer organischen L~ision verwertet werden darf, insbesondere ,,wenn sie das einzige fragliche oder besser auf eine organische Liision suspekte Symptom darstellen". Be y e t ~)

~) T h o r n v a l : Habilitationsschrift. Kopenhagen 1917. Zentralbl. I. Ohrenheilk.

1918. S. 65. 2) B a u e r : Der Bgtrfinysche Zeigeversuch und andere zerebrale Symptome bed

traumatischen Neurosen. Wien. M. Wochenschr. 1916. S. 1136. B e y e r : Br z u m B & r ~ n y s c h e n Zeigeversuch. Verhandlung d. Deu~csch.

otol. Geseltsch. 1914.

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StSrungei~ im Glcichgewichtsapparat bei Iv&Ilen v. Explosionsschwerh6rigkdt. 97

land bei Hysterischen bisweilen Vorbeizeigen, bezugsweise atypische Formen des Vorbeizeigens. Den Thornva l schen Angaben muB ich nach den Ergebnissen meiner eigenen Untersuchnr.gen wider- sprechenl) ; fiber die Bauersche und Be yersche Ansicht kann ich reich auf Grund sonstiger pers6nlicher Erfahrungen nicht gnBern. Da bei diesen meinen F~llen yon ExplosJonsschwerh6rigkeit ja niemals das psychogene Moment auszuschlieBen ist, kSnnten Anl~EI~ger der B a u e r - schen Ansicht den yon mir gelieferten Nachweis yon rech.t h~ufigen St6rungen des Bargnyschen ZeJgeversucl~s beJ F~llen yon Explo- sionsschwerh6rigkeit sehr wohl fiir ihre Ansicht verwerten. Doch scheint mir diese Frage noch nicht spruchreif. Jedenfalls liegt meiner Ansicht nach zurzeit doch noch kein absolut zwingender Grund vor, unsere Auffassung yon der pathognomischen Bedeutung des B gtr gtn y- schen Zeigeversuchs yon Grund auf zu revidieren. Ich komme hierauf noch an sp~tterer Stelle.zu sprechen.

K a l o r i s c h e Pr i i fung. Fiir die Priifung des kalorischen Nystagmus standen verh~ltl~is-

mgBJg nur wenig FElle zur Vcrfiigung. Auch wenn nur geringffigige Blutungen im Trommelfetl sich nachweisen lieBen, wurde yon einer Prtifung des ka16rischen Nystagmus aus naheliegenden Grfinden stets abgeselaen. Nach meinen Erfahrungen sind Ausspiilungen des Ohres bei frisch dnrch Explosionswirkung verletztem Trommelfell sehr gefiib.r- lich und k6nnen seh.r delet/ir w i r k e n - augenscheinlich wegen der Widerstandsunfiihigkeit des geschSdigten Gewebes gegeniiber der In- fektion. Der kalorische Nystagmus trat in keinem Falle schneller ein, als es der Norm entsprochen l~.~itte, dagegen bisweilen ziemlich bedeutend verz6gert. Andererseits machte sich nach der Aussptilung in einer relativ groBen Anzahl yon F~illen Schwindel, mitunter auch Erbrecllen be- merkbar, ~s bestand also mitunter ein MiBverhEltnis zwischen der Langsamkeit des Nystagmuseintrittes und der St~rke der sich bemerkbar machenden subjektiven Reaktignen. Mehrmals gelang es auch bei Spiilung mit a~--I 1 Wasser yon 21 Grad keinen Nystagmus oder nnr ganz geringe Zuckungen zu erzeugen; meistens fehlten in diesen F~ill6n auch subjekti0e Reaktionen. Zweimal trat trotz Fehlen eJnes typischen Nystagmus 13belkeit und Erbrechenein.

Bei k a l o r i s c h e r P r f i f u n g w u r d e a l so be i F ~ l l e n y o n E x p ' l o s i o n s s c h w e r h 6 r i g k e i t r e l a t i v h g u f i g e r als es d e r N o r m e n t s p r i c h t , V e r l a n g s a m u n g d e s N y s t a g m u s e i n t r i t t e s resp . F e h l e n d e s s e l b e n a u c h be i S p i i l n n g m i t g roBen

1) s ~ r e i t , Abweichungen vom normalen Verlaalten bei PrfMungen des statischert Apparates und ihre Ber/icksichtigung ffir die Beurtei lung yon Flugzeugfiihrern. Arch. f. Ohrenheilk. I919.

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9S H. STREIT,

W a s s e r m e n g e n k o n s t a t i e r t . D a g e g e n t r a t S c h w i n d e l u n d E r b r e c h e n r e l a t i v l e i e h t e r e Jn , a l s wJr es be i n o r m a l e n F~i l l en zu s e h e n g e w o h n t s i n &

P r i i f u n g au f D r e h n y s t a g m u s . Auffallend h~tufig, sehr viel h~tufiger als bei normalen IVfenschen

sah ieh bei Fgllen mit Detonationsschwerh6rigkeit stark ausgepr/igten Drehschwindel und Fallneigung auftreten. Naeh m einen Berech- nungen war dieses in mehr als i o % meiner Beobachtungen der Fall.

I n einer ganzen Reihe von F/illen war die Fallreaktion so stark, dab die Patienten, wenn sle nicht gehalten w/ken, direkt yore Stuhle gestiirzt wgren; man konnte deshalb einen Tell yon ihnen iiberhaupt nut einige wenige }iale auf dem Stuhle herumdrehen und muBte dann den Versuch unterbrechen. Manchmal war der Drehschwindel mit Brechreiz kombiniert. Auffa!lend, und wie mir scheint fiir die Auffassung dieser starken subjektiven Drehreaktion interessant, ist der Umstand, dab ~ch bei sieben yon meinen acht auf vestibul~ire Reaktionen durchgepriiften F/illen mit hysteriseher Taubheit derarfig starke Reaktionen konstatieren konnte. Die Reaktionen waren in emzelnen dieser F/ille so stark, dab die Patienten nut ganz kurz herumgedreht werden konnten, welt sie sonst yore Stuhle gestiirzt w;~tren. Der gr6Bere Teil zeigte im Gegensatz zu dieser starken Sehwindelreaktion nur geringen, bisweilen irrigul/iren Drehnystagmus. Die Resultate der kalorischen Priifung waren bei ihnen nicht einheitlieh; bei zwei F~tllen war die Empfindliehkeit stark herabgesetzt und der Nystagmus selbst irrigul~/r. SchwindeI trat beim Spiilen meistens nicht aus Die Resultate des B gr ~n yschen Zeigeversuches waren aus bereits erw~ihnten Griinden nicht zu verwerten. Oangst6rungen bestanden nnr selten, Sponmnnystagmus gleichfalls.

Die Durchschnittswerte des dngetretenefi Drehnystagmus be- trugen bei Linksdrehung 32 Sekunden Nyatagmus nach rechts, bei Rechtsdrehung 30 Sekunden Nystagmus naeh links. Diese Werte wiche.n also kaum yon den bei gesunden Personen unter gleichen Ver- h~iltnissen (IO Drehungen in Io Sekunden) gewonnenen Werten ab. IKohe Werte fiber I Minute sah man verhgltnism/iBig selten, dagegen fanden sich auffallend h~iufig geringe Werte, Io Sekunden und darunter (i2mal). Mitunter war der Drehnystagmus kaum angedeutet. In dieser Beziehung besteht tin wesentlicher Unterschied zu den Ergebnissen meiner Untersuchungen an v611ig ohrgesunden Soldaten S t r e i t , 1. e~ Zwar kamen bei diesen letzteren gleichfalls mehrmals hohe, manch- real sogar reeht hohe Drehwerte vor, jedoeh nur in 1% niedrige Werte yon zo Sekunden Dauer. V611iges Fehlen des Drehnystag- mus konnte ich nieht beobachten. Nach den Untersuchnngen yon

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St6rungen im Gleichgewichtsapparat bei F/illen v. Explosionsschwerh6rigkeit. 99

M y g i n d 1) sind Drehwerte unter 15 Sekunden als pathologisch zu bewerten. Diese Zahl ist nach meinen Erfahrungen zu hoch. Ich m6chte meine Ansicht kurz so zusammenfassen: D r e h w e r t e u n t e r IO S e k u n d e n s ind im a l l g e m e i n e n als p a t h o l o g i s c h zu b e - we r t e n .

Es bestand durchaus keine Parallele zwischen der L~inge des Ny- stagmus und der St~irke der eingetretenen subjektiven Reaktionen. Im Gegenteil konnte man bei fast s/imtlichen F/illen, in denen nut kurzer Nystagmus in Erscheinung tra t (Iomal) recht starke subjektive Reaktionen feststellen. Bisweil~n traten atypische Nystagmusformen nach I)rehung auf, und zwar wiegende Augenbewegungen oder ein gewisses 13berwiegen der langsamen Nystagmuskomponente. Drei F~ille zeigten gleichm~iBig folgendes eigenttimliche Verhalten. Bei der Drehung - - ich ffige gleieh hinzu, dab alle drei Leute mit offenen Augen gedreht wurden - - stellten sich die Augen naeh der Drehung zun~iehst in der Mittellinie ein, ohne dab es den Patienten I5 Sekunden lang m6glich war, nach der Seite des erzeugten Nystagmus hinzu- sehen. Erst nach 15 Sekunden lieB dies PMinomen nach, die Unter.- suchten konnten ihre Augen seitwiirts wenden und es bestand noch einige Sekunden lang typischer Nystagmus. In einem dieser drei F~ille konnte ich schon w~ihrend der Phase der Hemmung geringe Nystagmus- bewegungen konstatieren. In den beiden anderen fehlt ein entsprechender Vermerk in meinem Protokoll. Dieses Ph~inomen trat bei allen drei F~illen auBerordentlich gleichm~iBig nach beiden Seiten hin auf. Bei meinen Drehungen yon normaten Personen mit offenen oder ge- schlossenen Augen habe ich niemals eine gleiche Beobachtung ge- macht; M6glicherweise sind als Erkl~irungsursache ffir das Versagen der schnellen Komponente bei diesen drei letzten F//llen, ebenso wie beJ denen, bei welchen die langsameKomponente gegeniiber der schnellen gewissermaBen prSgnanter hervortrat, dutch die Detonationswirkung bedingte zentrale, das Eintreten der schnellen Komponente hemmende St6rungen verantwortlich zu machen.

Die Analyse der F~ille, bei denen die Dauer des Nystagmus ein- seitig oder beiderseits IO Sekunden und darunter betrug - - es waren im ganzen I2 F/ille - - , machte ziemlich bedeutende Schwierigkeiten, zuma:t da in fast allen diesen F/illen die kalorische Priifung hat unter- bleiben mtissen. Ausgesprochenen Spontannystagmus hatte keiner dieser F~ille. Gangst6rungen fanden sich bei ~ der F~ille. Beim B:5- r~nysctien Zeigeversuch zeigten fiber die HSlfte vorbei und starken Drehschwindel 17atten mit geringen Ausnahmen s~imtliche.:

1) M y g i n d : Vestibulare Untersuchungen beJ Patienten mit Kopftraumen. litationssctlrift. Kopenhagen I917. Zentralbl. f. OhrenheJlk. t918t

Arelgiv f. 0hren- , Nasen- u. Kehlkopfheilkunde. Bd, xo 4. 8

l-labi-

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IOO H. STREIT,

Beriicksichtigt man nun besonders die F~ille mit auBerordentlich geringen Nystagmuswerten sowie diejenigen mit starker Differe~._z nach beiden Seiten, so kommen hierfiir sechs F~ille in Betracht. Die fest- gestellten Differenzen im Dretmystagmus waren folgende. Einerseits kaum Nystagmus resp. einige wenige Zuekungen, andererseits Nystag- mus IO, x5 und 2o Sekunden dauernd. Einmal Nystagmus einerseits 8 Sekunden, andererseits 3o Sekunden dauernd. Gangst6rungen fehlten bei zwei yon den vicr F~illen mit starken Differenzen des Drehnystagmus, Spontannystagmus bei allen vier FSllen; St6rungen im B~rf~nyschen Zeigeversuch wurden zweimal beobachtet, starker Drehschwindel dreimal. Auch bei den beiden Beobachtungen, bei welehen nach beiden Seiten nur eimge Nystagmusbewegungen auftraten, waren die VerhSltnisse ~ihnlich. Spontannystagmus fehlte beide Male, Gangst6rungen und St6rungen beim B~r~nyschen Zeigeversuch waren in einem Falle vorhanden, starker Drehschwindel bei beiden Beobachtungen. Bei fiinf yon den letzten sechs F~illen bestanden beiderseitige H6rst6rungen yon unbestimmten Typus. Einmal war die H6rfShigkeit nur emes Ohres herabgesefzt.

Nimmt man an, was zun~tchst am naheliegendsten erscheint, dab die geringen Drehnystagmuswerte emer Unterempfindlichkeit eines oder beider Nerven bezugsweise ihrer Ganglien oder ihrer Endapparate ibre Entstehung verdanken, so muBes auffallen, dab trotz der P16tz- lichkeit ihres Entstehens, wie es das Detonationstrauma mK sich bringt, stSskere Spontanreaktionen feh lten resp. nur in einem gewlssen Teil der~ FSlle vorhanden waren. Gleichgewichtsst6rungen lJegen sich nur bei einem Drittel dieser F~tlle naehweisen und waren auch bier wenig stark aus-gepr~igt. Spontannystagmus fehlte bei diesen Be0bachtungen fast ausnahmslos. Auger diesem vorher diskutierten ErklSrungsversuch bestehr nocts eine zweite M6glichkeit, niimlich die. dab die negative Reaktion beim Drehversucti dutch Sch[idigung der Kernregion des Gleichgewichtsnerven resp. seiner Verbindungen mit den Augennerven hervorgerufen worden ist. Vielleicht sind nieht selten beide SehSdi- gungen miteinander kombiniert; und dafiir wiirde die Ungleichheit der Erseheinungen, das Hervortreten eines Symptoms in einem Falle, eines anderen im zweiten, kurz elne unverkennbare UngesetzmSfiig- keit der Erscheinungen sprechen. Ob Untererregbarkeit des Vesti- bularis auch auf rein psychogener Basis denkbar ist, wie B a r t h i) und Z a n g e ") es anzunehmen geneigt sind, mug ich dahingestellt sein lassen. Mein Materi~il ist weder da f i i r noch d a g e g e n zu verwerten.

i) B a r t h : . Zur Differentialdiagnosc organischer und psychogener H6rst6rungen. Deutsche med. W. I918, Nr. 36.

~) .Zange: l~ber hysterische Funkt ionsst6rungen des nerv6sen Ohrapparates im Kriege. M~inch. reed. ~Vochenschr. I9x 5,

Page 9: Störungen im Gleichgewichtsapparat bei Fällen von Explosionsschwerhörigkeit

St6rungen im Gleichgewichtsapparat bei FS.11en v. Explosionsschwerh6rigkeit. IOi

Die Ergebnisse der kalorischen Priifung stehen mit denen des Drehversuchs insofern im Einklang, als aucE nach Sptilung in einer Anzahl yon F/illen die Nystagmusreaktionen auffallend sp~it eintraten, oder so gut wie iiberhaupt nicht naehweisbar waren. Zwar kommen auch bei normalen Ohren bisweilen ziemlich starke Differenzen in der Empfindlichkeit heider Seiten vor, ferner babe ice a n s c h ei n e n d nor- male F/ille untersucht, bei denen ich durch kalorischen Reiz bei aufrechter Kopfhaltung nur sehr geringen Nystagmus erzeugen konnte 1), doch ist der Prozentsatz bei den durch Detonation gesch~idigten Ohren ein so wesentlich h6herer, dab diese abweichenden Reaktionen bei kalorischer Priifung zum gr6Bten Teil a!s Folge des Explosionstraumas angesehen werden miissen.

Vergleicht man die Ergebnisse des Drehversuches und der kalo- rischen Priifung nach dieser Richtung miteinander, so erl~ilt man bei den dutch Explosionswirkung gesch/idigten Ohren folgendes Resuttat" Unterempfindlichkeit gegeniiber der kalorischen Priifung entspricht keineswegs immer Unterempfindlichkeit gegen den Drehreiz. im Gegen- tell fand man mit einer Ausnahme bei s~tmtlichen sechs Fillen, die dem kalorisctien Reiz gegenitber relativ unempfindlich waren, n0rmal langen Nystagmus bei Drehung. Leider war es andererseits, da wie gesagt, nut eine ziemlich geringe Anzahl yon F~illen der kalorischen Priifung zug/inglich war, unnn6glich festzustellen, ob umgekehrt, bei Unterempfindlichkeit gegeniiber dem Drehreiz aueh stets Unteremp- findlichkeit gegenitber dem kaloriscben Reiz vorhanden war. Bei vier yon den sechs vorher erw~ihnten Beobachtungen fehlten bei der Spit- lung subjektive Reaktionen, bei den zwei anderen waren sie vorhanden. In einem Falle konnte ieh die WJederkellr der kalorischen Reaktion bei einer 6 Wochen sp/iter Vorgenommenen Kontr011untersuchung deut- lich. konstatieren. Der Nystagmus trat jetzt in normalen Grenzen ein,

1) Ich m6chie an dieser S%elle noch besonders hervorheben, dab gegenfiber diesen in meiner Arbeit: ,,Abweichungen yore normalen Verhalten bei Prfifungen des statischen Apparates" usw. d. Archly I919 beschriebenen Fgtlen der Einwurf erhoben werden k6nnte, dab es sich bier, trotzdem nichts ffir Lues sprach, m6g- licher Weise doch um Luetiker gehandelt haben kann, bei denen derart ige-negative Resultate, wie ich sie vorher geschildert babe, bekannt und beschrieben sind ( B e c k ,

Beye r ) , Vielleicht wSxe es zweckm~13iger gewesen, in der vorher erw/ihnten Arbeit etwas mehr auf diese Frage einzugehen. Ich babe dies damals nicht getan, weiI alle meine F~lle auch von interner Seite aufs genaueste mit v611ig negativem Re- sultat untorsucht waren. W, ~R. konnte Mlerdings aus ~ul3eren Grfinden nicht ge- macht werdem Aus diesem Grunde kann ich einen derart igen Einwurf bei objek- tiver Wertung des Ffir und Widers f i i r 5,11e F ~ l l e nicht mit absoluter Sicherheit entwerten. Mag er f/ir diesen oder jenen Fall immerhin zutreffen, ffir das Gros der geschilcterten Abweichungen ist dies sicher nicht der Fall. Und darauf kommt e s an .

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IO2 H. S T R E I T ,

dagegen machten sich gleichzeitig starker Schwindel und 13belkeit bemerkbar, die vorher iiberhaupt gefehlt hatten.

Die Ergebnisse der kalorischen Untersuchung unterstiitzen demnach in gewisser Weise die des Drehversuehes. Sie sprechen gleichfalls dafiir, dab nach Detonationen nicht selten Seh~digungen im Gleichgewichts- organ eintreten k6nnen. I)ie Beobachtung, dab in bezug auf ihren Vestibularisapparat gesch~idigte Ohren zwar auf den Drehreiz, jedoch nicht auf den kalorischen Reiz ansprechen'-k6nnen, ist ja bekannt genug. Von beiden Priifungen f~illt bei einer Erkrankung des Vestibularis nicht selten die kalorische zunachst aus.

Diese letztere Beobachtung sowie diejenigen F~ille, bei denen bei kaloriscl~er Reizung sehr geringe oder fehlende Reaktion, d. h. sowob.1 Nystagmus- als Fallreaktion resp. Schwindelgefiihl beobachtet wurde, wiirden natiirlich unter Beriicksichtigung aller vorher erw/ihnten Ein-- schr~inkungen, ffir eine Beteiligung des Nerven selbst sprechen. Ist dagegen die Nystagmusreaktion normal oder verz6gert die Fallreaktion und das Sehwindelgefiihl dagegen gesteiger.t, so muB man zum mindesten an eine M i t b e t e i l i g u n g zentraler Ursach-eTi-denken.

Die Ergebnisse der kalorischen Priifung stimmen jedenfalls mit denen des I)rehversuches insofern iiberein, als durch beide Methoden der ab so lu t s ichere Beweis yon Sch~idigungen des Vestibularis bzw. seiner Endapparate durch das Explosionstrauma nicht zu er- bringen ist.

Was lehren die Ergebnisse des Bgr~nyschen Zeigeversuches? Ist man berechtigt, ~ibnliche Folgeru~gen zu ziehen oder muB man fiir seine St6rungen auf andere Erkl~irungsursachen rekurieren ? Schliel31ich kEme noeh eine dritte, gewissermaBen vermittelnde M6g- lichkeit in Betracht. und dieselbe hat viel Wahrseheinlicbkcit fiir sicb. Wie bereits erw~ihnt, sind St6rungen beim--B~r~nyscb.en Zeigeversuch bei den dureh Explosionswirkung geschiidigten Obren ziemlich h~iufig. S!e k6nnen soweit gehen, dab man yon einem typiscb.en Vorbeizeigen sprechen muB, oder' aber es bestehen nur atypische U~sicherheiten bei der Ausfiihrung des Zeigeversuches. Beriicksichtigt man bcso~ders die ersten F~ille, so muB man eine St6rung in den Bab nen, in welchen die Impulse zum Zeigeversueh verlaufen, annehmen. Zur Entscheidung der Frage, ob allein die Bahn Kleinhirn-Vorderh6rner oder neben der- selben auch die Ironto-zerebellaren Bahnen nach der Assieht von B lohmke 1) und B r u n n e r ") ftir die St6rungen beim Bfir~nyscl~.en Zeigeversucb. verantwortlich gemacht werden k6nnen, sind meine F~ille

~) B l o h m k e und I { e i c h m a n n : Zur d i f fe ren t ia ld iagnos t i schen I3edeutung, des

Bfirf inyschen Zeigevcrsuches . Arch. f. Ohrenh. , Bd. IOI ~) B r u r ~ n e r : Zur k l in ischen B e d e u t u n g des Bfirf inyschen Zeigeversuches . Wien .

kl. Wochenschr . I 9 !7 . S. 1194,

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St6rungen im Gleiclagewichtsapparat bei Fiillen v. ~xplosionsschwerh6rigkeit. I~) 3

nicht zu verwerten, da durch das Explosionstrauma sehr wohl beide Bahnen in Mitleidenschaft gezogen sein k6nnen.

Weleher Art ist diese St6rung in den hetreffenden Bahnen ? Ist man bercchtigt, an organische durch das Trauma bedingte Ver~inde- rungen zu denken, die zu einer teilweisen Leitu~gsunterkrechung ge- fiihrt haben, oder muB man andererseits annehmen, dab psychische Reize in den automatischen Vorgang des an dieser Stelle interessieren- den Symptomkomplexes eingegriffen haben ? Es ist sehr wohl denkbar, dab ein derartiges st6rendes l?;ingreifen psychogener Vorg/iv.ge in den geschlossenen Kreis der die Einstellung der Extremit/iten in einer be- stimmten Richtung bei Anstellung des Zeigeversuches regulierenden Bahnen erst dutch eine gewisse Sch/idigung dieser Bahnen m6glich ist. Ohne diese Sch/idigungen, seien es nun Leitungsunterbrechungen oder Leitungshemmungen, bewirkt durch D.rucksteigerungen, 131utungen oder auch imr durch strukturelle Ver~nderungen der Nervensubstanz in- Iolge der Explosionswirkung, sind diese Bahnen ffir den Ei~fluB psy- chiseher Zentren g e w 6 h n 1 i c h 1) gesperrt. So wtirde man sich zwang- los die H/iufigkeit des Vorbeizeigens iiberhaupt, die ziemlich h/iufig yon 'mir be0bactlteten Unregelm~igigkeite.n.bei Ausfiiblrung des Zeige- versuclas, den Wechsel im Vorbeizeigen nach verschiedenen Richtungen hin, die bisweilen kontrastierenden Resultate yon Untersuebung und einige Zeit sp~iter vorgenommenen Kontrolluntersuchung erkliiren kiSnnen. Diejenigen F~ille jedoch, bei denen das Verhalten des Zeige- versuches auch bei der 5 - - 6 Woehen sp~iter vorgenommenen Kontroll- untersuehung (5 Fiille) das gleiehe blieb, wiirden ftir zeitig Ir_ehr kon- stant bleibende, also massivere, an bestimmten Stellen einsetzer~de und fortwirkende Sch~idlichkeiten sprechen, ohne dab psycEoger~e Vor- g~inge dominierend in die vermittelnden 13ahnen eingreifen.

Die iibrigen Priifungen des statischen Apparates ergaben bei diesen F~illen mit typischen Vorbeizeigen keine fiir die Lokalisierul~g verwertbaren Resultate. Auffallend ist es, dab in keinem diescr F/ille Spontannystagmus vorhanden war. Im iibrigen waren die Ergebnisse einander ziemlich widersprechend, meistens fehlten Gangst6rungen, seltener waren sie naehweisbar. In fast der H~ilfte der Beobachtungen bestand starker Drehschwindel und einige Male fanden sich geringe Drehnystagmuswerte.

Spontannystagmus habe ich, wie erwiilmt, nur einmal naehweisen k6nnen. Im iibrigen fanden sich recht h~iufig, dreimal so h//ufig als es der Norm entspricht, nystagmusartige Zuckungen beim Blick nach beiden Seiten. Es besteht kein zwingender Grund daftir, diese nach

1) Znr Entscheidung der Frage, ob auch o h n e Tramna bei besonders neuro- pathiseh veran]agten Personen (conf. B a u e r und B e y e r ) ejne derartige Beein- tiussung m6glich ist, ist mein Material nicht geeignet.

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Ozt H. STREIT,

der Detonation auBerordentlich h~iufigen Unsicherheiten bei extremer Augenstellung mit St6rungen des Vestibularis in direkte Verbindung zu bringen, sondern man kann vie1 eher ebenso wie fiir die vielfachen Unsicherheiten bei Ausfiihrung des B ArAnyschen Zeigeversuches zentrale Vorggnge verantwortlich machen. Besonders sprechen hierfiir die vie!fach beobachteten atypischen Nystagmusformen. Selbst Jn dem einzigen Falle mit einseitigem Nystagmus konnte der Beweis einer Vesti- bulariserkrankung nicht erbracht werden - - Gang frei, Nystagmuswerte fiir Drehnystagmus erhSht, abet gleichmgl3ig, kein starker Drehschwindel.

In einem ganz ~[hnlichen Resultat kommt man bei einer kritischen Analyse derjenigen F~ille yon ExplosionsschwerhSrigkeit, welehe St6- rungen im Stehen und Gehen nrit geschlossenen Augen aufwiesen. Es fanden sieh hier nach Explosionstraumen ganz augerodentlich h~iufige Unsicherheiten. Dieselben waren allerdings mit wenigen Ausnahmen nicht so stark ausgepr~igt, dab man yon GangstSrungen spreehen konnte. Es scheint mir obne Zweifel, dab man diese Abweiehungen yon der Norm auf zentrale Ursachen zuriickfiihren muB. Ob diese zentralen Ursachen psychogener Art sind, oder ob man auch hier gewisse Ver- ~inderungen i n der Umgebung der regulierenden Zentren heranziehen muB, will Jch dahingesteltt !assen. Wahrscheinlich sprechen auch hier beide Momente mit. Psychogene Momente sind jedenfalls in reeht be- deutendem IVfage hierfiir verantwortlich zu mach en. Besonders gilt das fiir diejenigen F~ilte, welche auBer diesen Gangunsicherheiten keine weiteren auf eJne Sehgdigung des Gleichgewiehtsapparates hindeuten- den Symptome ds~rboten. Nur bei zwei F/illen mit spontanen Gleich- gewichtsstSru~gen, bei denen eine I-Igufung yon Symptomen vesti- bul~irer Art beobachtet wurde, kam man, wie aus dem vorausgesagten hervorgeht, zu dem Resultate, dab ,,die MSglichkeit einer Beteiligung de~ Nerven nicht vonder Hand zu weisen sei".

FaBt man die Ergebnisse der verschiedenen Priifungen des sta- tischen Apparates bei F~illen yon Explosionsschwerh6rigkeit zusammen, so hat man ein augerordentlich buntes und vielgestaltiges Bitd vor sich. In dieses Bild Klarheit zu bringen ist schwer. MeJstens wird man sich bei seinen Erkl~irungsversuchen mit Vermutungen behelfen miissen. Die Begriindung ist darin zu suchen, dab augenscheinlich nicht an einer, sondern an mehreren Stellen gleichzeitig dutch das gewaltige, den ganzen Organismus in Mitleidenschaft ziehende Trauma der Ex- plosion Sch~idigungen in den das Gl~icl~gewicht des KSrpers regulieren- den Bahnen verursacht werden kSnnen. Ich nehme zum mindesten drei Stellen an. Erstens den Vestibularis mit seinen Ganglien selbst, s. den Hirnstamm, besonders den Vestibulariskern, die Verbindungen des Vestibulariskerns mit den Augenkernen und dem Kleinhirn, 3. die Grol3hirnrinde beziehungsweise die Verbindungen des GroBhirns und

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St6rungen im Gleichgewichtsapparat bei Ffillen v. Explosionsschwerh6rigkeit. 10 5

Kleinhirns. Hierzu kommt noch das groBe Gebiet der rein psychogenen St6rungen, deren Abgrenzung sic5, im einzelnen Falle schwer, meist gar nicht wird bewerkstelligen lassen. Alle dJese St6rungen in den den Gleichgewichtsapparat regulierenden BahneP~ sind mehr oder weniger schnell reparationsf~ihig. Am meisten gilt dieses wohl yon der rein psychogenen Komponente. So erkl~irt es sich, dab das Resultat ein a~de~s. ~ist, je nachdem man frische oder ~iltere F~ille untersucht und weshalb ich bei meinen frischen Ftillen relativ viele, K r e t s e h m a n n l F r i ed l~ inde r , Fr e y wenig St6rungen des Gleichgewichtsapparates gesehen haben. Fiir schwere Sch~idigungen des Nervenstammes selbst, beziehungsweise seiner Endigungen und seines Ganglion sprechen - - um das vorher gesagte noch einmal zusammenzufassen - - nach meinen Erfahrungen am frisehen Material verh~iltnism~iBig wenige F~ille.

Sollte die Beobachtung von Zange sich best~itigen, dab sich bis- weilen noch im Laufe yon Wochen und Monaten eine Unerregbarkeit des Vestibularis entwiekle - - Zange erkl~irt diesen sp~it einsetzenden Vestibularisausfall durch eine Entartung der Endapparate --, so wird man vielleicht sp~iter zu erg~inzenden Resultaten gelangen. M6glich ist es, dab geringere Sc5~idigungen des Nerven, welcb e sich der Fest- stellung bei der Untersuchung dadurch entziehen, daB sie durch andere und auf anderem Wege zustandegekommene Symptome zun~ich.st ge- deckt werden, sp~iter bei Versehwinden dieser stOrenden Beimengungen besser in Erscheinung treten, erst recht natiirlich dann, wenn wirklich, wie Zange annimmt, infolge dieses einmaligen Traumas viel sp~iter i~och eine Degeneration der Nervenendigungen eintreten kann.