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1 System Dynamics und Key Risk Indicators - PKRI-LI im Wholesale Banking 1 Michael Mainelli System Dynamics und Key Risk Indicators - PKRI-LI im Wholesale Banking 1 Einleitung 2 Das Betriebsrisiko im Bankgeschäft 3 Was ist ein Key Risk Indicator (KRI)? 4 Warum sind KRIs wichtig? 5 PKRILI Elemente 6 PKRILI Modellierung unter Gebrauch der Support Vector Machines (SVM) 7 Wie sieht die aktuelle Praxis aus? Zwei frühe Beispiele 7.1 Europäische Investment Bank 7.2 Der globale Warentermingeschäft-Anbieter 8 Schlussfolgerung 1 Dieser Text ist eine gekürzte Übertragung aus dem englischen Original „System Dynamics and key risk indicators PKRI-LI in Wholesale Financial Institutions.“ Die Überarbeitung erfolgte durch Nina Körner und Jürgen Sehnert.

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1

System Dynamics und Key Risk Indicators - PKRI-LI im Wholesale Banking

1

Michael Mainelli

System Dynamics und Key Risk Indicators - PKRI-LI im Wholesale Banking

1 Einleitung

2 Das Betriebsrisiko im Bankgeschäft

3 Was ist ein Key Risk Indicator (KRI)?

4 Warum sind KRIs wichtig?

5 PKRILI Elemente

6 PKRILI Modellierung unter Gebrauch der Support Vector Machines (SVM)

7 Wie sieht die aktuelle Praxis aus? – Zwei frühe Beispiele

7.1 Europäische Investment Bank

7.2 Der globale Warentermingeschäft-Anbieter

8 Schlussfolgerung

1 Dieser Text ist eine gekürzte Übertragung aus dem englischen Original „System Dynamics

and key risk indicators – PKRI-LI in Wholesale Financial Institutions.“ Die Überarbeitung

erfolgte durch Nina Körner und Jürgen Sehnert.

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2

1 Einleitung

Der Zweck des Beitrages besteht darin, die Möglichkeiten eines fortgeschrittenen

statistischen Verfahrens aufzuzeigen, die Variablenauswahl und damit die

Entwicklung von SD-Modellen zu unterstützen. Die Frage, auf die eine Antwort

versucht werden soll, lautet: Wie ist vorzugehen, wenn die schiere Anzahl an

möglichen Modell-Parametern übermächtig erscheint, aber dennoch eine Auswahl

getroffen und ein überschaubar komplexes Modell entwickelt werden muss? Hierfür

bieten sich auf den ersten Blick zwei grundsätzliche Vorgehensweisen an: „trial and

error“ und fortgeschrittene statistische Methoden der Variablenidentifikation.

Im „trial and error“-Verfahren werden die Variablen beispielsweise aus der

Problembeschreibung, über Workshop-Diskussionen identifiziert oder über

Brainstorming-Verfahren ermittelt. Variablen, die sich in daran anschließenden

Diskussionen als nicht problembezogen erweisen, oder im

Modellentwicklungsprozess als ungeeignet herausstellen, werden wieder aus der

Liste von Schlüsselvariablen entfernt. Über den gesamten SD-Prozess hinweg ergibt

sich ein vielfaches Iterieren, bis die wirklich entscheidenden Variablen feststehen.

Falls die Vielzahl potentiell relevanter Variablen ein derartiges Vorgehen sehr

zeitraubend gestaltet, könnte der Einsatz fortgeschrittener, statistischer Methoden

helfen. Vor diesem Hintergrund schlage ich vor, in die Problembeschreibungsphase

des System-Dynamics-Prozesses eine schnelle, statistische Methode zur

Mustererkennung und -analyse einzubauen. Dadurch lässt sich die Identifikation und

Auflistung von Schlüsselvariablen erleichtern und Beschleunigen. Bei der

vorgeschlagenen Methode handelt es sich um den Ansatz der Support Vector

Machines (SVM).2 Dieser wird im Rahmen dieses Beitrags herangezogen, um

Predictive Key Risk Indicators for Losses and Incidents (PKRI LI, gesprochen

„Prickli“) zu entwickeln. Zwei Anwendungsbeispiele verdeutlichen die weit

reichenden Möglichkeiten und zeigen viel versprechende Resultate. Das

Themengebiet, aus dem ich sowohl das Vorgehen als auch zwei Beispiele vorstellen

möchte, gehört zu den „brennendsten“ der Steuerung von Banken: das Management

operationeller Risiken.

2 Im Internet findet sich bei Eingabe des Begriffs Support Vector Machines (SVM) in einer

Suchmaschine eine Vielzahl von weiterführenden Quellen. Auf eine tiefer gehende

Darstellung sei deshalb in diesem Artikel verzichtet.

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3

2 Das Betriebsrisiko im Bankgeschäft

Gemäß §644 der Ausführungen für die „Internationale Konvergenz von

Eigenkapitalmessung und der Eigenkapitalanforderung“3, herausgegeben von der

Bank für internationalen Zahlungsausgleich, wird das Betriebsrisiko definiert als

„Gefahr von Verlusten, die infolge einer Unzulänglichkeit oder des Versagens von

internen Verfahren, Menschen und Systemen oder infolge externer Ereignisse

eintreten. Diese Definition schließt Rechtsrisiken ein, nicht jedoch strategische

Risiken oder Reputationsrisiken.“ Da Betriebsrisiken in den frühen 90ern zu einem

regulatorischen Thema wurden, versuchte man in verschiedener Weise, diese zu

messen und zu steuern. Bei der Steuerung von Betriebsrisiken lassen sich bisher drei

Entwicklungsstadien erkennen:

OpVAR – „Operational Value at Risk“

Dieser frühe Denkansatz versuchte Betriebsrisiken genauso wie Marktrisiken

oder Kreditrisiken zu behandeln. Die eigentliche Idee war, ein großes

stochastisches Modell der verschiedenen Betriebsrisiken zu entwickeln und

Monte Carlo Simulationen zu benutzen, um das Wertrisiko zu berechnen. Dies

sollte einer Finanzinstitution ermöglichen, die geeignete Menge an Kapital

vorzusehen. Dieser Ansatz erfordert eine Wahrscheinlichkeitsverteilung des

Betriebsrisikos auf eine Weise, in der Banken Marktentwicklungen und

Kreditausfälle berechnen. Einige Initiativen innerhalb der Branche bauten große

Datensammlungen zu Verlusten durch Betriebsrisiko auf (Schadensfall-

Datenbanken), beispielsweise Beträge durch Veruntreuung durch Mitarbeiter.

Die Daten zeigten sich zu heterogen und wegen ihrer Sensitivität schwierig zu

exzerpieren – wer hätte öffentlich zugeben wollen, von seinen eigenen

Mitarbeitern betrogen worden zu sein. Dennoch gilt der OpVAR noch immer als

nützlicher analytischer Ansatz, Betriebsrisiken zu messen und zu steuern; er

sollte jedoch m.E. nicht das Mittel der ersten Wahl sein.

Prozess-Modellierung und Dokumentation

Viele Finanzinstitutionen dokumentierten ihre Abläufe, um das Betriebsrisiko zu

analysieren. Sie benutzten dazu Workflow-Diagramme, ereignisorientierte

Prozessketten oder ähnliche Instrumente. Da diese den Bestands-Flussgrößen-

Diagrammen des System-Dynamics-Ansatzes ähnlich sind, veranlasste dies

einige Institute auch mit SD-Simulationen zu experimentieren – allerdings nicht

3 Bekannter unter dem Stichwort Basel II, vgl. http://www.bis.org/publ/bcbs107a_ger.pdf

[Zugriff: 22.8.2007].

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4

immer mit dem gewünschten Erfolg. Nicht ausreichend abgebildete

Feedbackbeziehungen führten zum Teil zu sehr sensitiven Modellen, die dann

Verhaltensweisen zeigten, die aus der Chaostheorie bekannt sind. Außerdem ist

es für Banken auf diese Weise nicht möglich, die Menge an Kapital zu

berechnen, die zur Deckung der Betriebsrisiken vorgehalten werden muss.

Risiko-Radar (oder Risiko-Cockpit):

Einige Finanzinstitutionen untersuchten den Einsatz von sog. Compliance Tools,

die von den operativ Verantwortlichen Nachweise einforderten, dass sie Schritte

zur Minimierung der Betriebsrisiken unternommen habe. Während dieser

heuristisch angelegte Ansatz für die Bankenkultur geeignet ist – dort ist

bürokratisches und von Listen geprägtes Arbeiten durchaus bekannt – so bietet er

dennoch kein umfassendes Maß für Betriebsrisiken. Zudem wurde der Faktor

Mensch als wesentlicher Systembestandteil bei der Produktion von

Dienstleistungen nicht ausreichend berücksichtigt. So beantworteten Personen

Fragen wiederholt mit den erwarteten Antworten, wie bspw. „Ist Ihr Daten- oder

Rechnerraum sicher?“ mit „Ja“ und machten damit jede Aussagekraft zunichte.

Zuletzt endet diese Denkweise meist in vielen Ampel-Berichten, die nicht

numerisch erfasst werden können und deshalb ungeeignet sind, verschiedene

Risiken anders als nach ihrer Häufigkeit oder ihrem Platz in der Rangreihe zu

vergleichen. So wurden, ohne die Ernsthaftigkeit der Lage zu beachten, fünf

offene Türen zu Computerräumen für riskanter eingeschätzt als ein einziger

kompletter Stromausfall.

Zu Teilen sind diese Ansätze noch immer in Gebrauch und nützlich, doch für sich

alleine bieten sie weder ein Maß noch eine Steuerungsmöglichkeit für

Betriebsrisiken. Einige andere Konzepte sind es Wert, erwähnt zu werden. Obschon

sie wenig Popularität genießen, bieten sie möglicherweise längerfristige Vorteile

gegenüber den traditionellen Ansätzen:

Veränderung der Unternehmenskultur

Da Betriebsrisiken vor allem von betriebszugehörigen Personen verursachte

Risiken sind (bspw. wenn Personen definierten Prozessen nicht ausreichend

folgen, sie mitunter gar absichtlich sabotieren oder einfach falsche

Entscheidungen treffen), sollte eine Unternehmenskultur, die das Betriebsrisiko

minimiert, erhebliche Vorteile versprechen.4 Dieser Ansatz bietet jedoch (auch)

kein Maß für die notwendige bzw. geforderte Unterlegung mit Risikokapital.

4 Vgl. Howitt, J./Mainelli, M./Taylor Charles (2004).

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5

Varianz der Transaktionskosten5

Diese Methode vergleicht das Betriebsrisiko aller Produkte, indem die

kompletten Kosten einer Transaktion ermittelt werden, was eine typischere

Verteilungskurve zum Risiko ergibt.6 Diese Methode baut auf der Methodik der

Prozesskostenrechnung auf und scheint in der Praxis gut zu funktionieren.

Dennoch wurde sie vergleichsweise selten angenommen. Es mag daran liegen,

dass die komplette Version eine umfangreiche und relativ teure

Unternehmensmodellierung verlangt. Möglicherweise haben die

Aufsichtsbehörden auch nur zu langsam erkannt, dass diese Methode

vergleichbare Metriken bietet, auch wenn sie aufgrund ihrer Komplexität (etwas)

schwieriger zu verstehen sind.

Als weitere Alternative bietet sich der Gebrauch von Key Risk Indicators (KRI) an,

der im Folgenden näher zu analysiert und beurteilt wird.

3 Was ist ein Key Risk Indicator (KRI)?

Das Basel Committee in Banking Supervision kennzeichnet Risikoindikatoren als

„statistische Werte und/oder Messungen, häufig finanzieller Art, die Einblick in die

Risikosituation einer Bank gewähren. Die Indikatoren sollten periodisch, monatlich

oder vierteljährlich, geprüft werden, um Banken vor Veränderungen zu warnen, die

möglicherweise Risiken darstellen. Diese Indikatoren beinhalten zum Beispiel die

Anzahl der missglückten Geschäftsabschlüsse, Mitarbeiterfluktuation und die

Häufigkeit und Bedeutung von Fehlern und Unterlassungen.“7

5 In diesem Zusammenhang handelt es sich um die Kosten pro Wertpapiertransaktion, im

Gegensatz zum Verständnis aus der Transaktionskostentheorie nach Coase/Williamson.

Vgl. hierzu z. B. Williamson, O. E./Winter, S. G./Coase, R. H. (1991). 6 Vgl. Mainelli, M. (2004a) 7 Basel Committee in Banking Supervision (2001), S. 8

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6

Risiko-

indikatoren

prüfen

Umsetzungs-

indikatoren(Projekte,

Kontrollen etc.)

Zustands-

indikatoren

(gefundene

Fehler etc.)

OpRisk

Vorfälle/

Maßnahmen

Keine

Maßnahmen,

oder aber

ungeeignete

Aktivitäten

Auswahl von

Maßnahmen, die

die Ergebnisse

nicht

verbessern

Steuerung von

unwesentlichen

Risiko-Treibern

zu Lasten der

‚richtigen‘

Treiber

Fehlinforma-

tionen über das

wirkliche Risiko

-Ausmaß und

abzuleitende

Maßnahmen

die richtigen

Treiber

aufzeigen und

geeignete

Maßnahmen

anstoßen

Auswahl von

Maßnahmen, die

die Ergebnisse

verbessern

Aufmerksamkeit

auf die Treiber

lenken, die die

Schadenshöhe

der OpRisk-

Vorfälle treiben

Berechnung

und Ausweis

der Beträge für

OpRisk-Vorfälle

Hau

pte

ffek

teS

ch

ritt

ab

folg

eN

eb

en

eff

ekte

Abbildung 1: Identifikation von KRIs und deren positive Effekte

KRIs können umweltbedingt, betrieblich oder finanziell sein. Umweltbedingte

Indikatoren, die KRIs sein könnten, sind zum Beispiel das Handelsvolumen, die

Volatilität von wichtigen Gütern oder der Devisenmarkt. Betriebliche Indikatoren,

die KRIs sein könnten, wären das allgemeine Niveau der Geschäftsaktivität, die

Anzahl der Geschäftsabschlüsse, die Zahl der Änderungen, Mitarbeiterfluktuation,

Überstunden oder IT-bedingte Ausfallzeit. Indikatoren finanzieller Art, die als KRIs

benutzt werden könnten, sind die ‚Deal Volatilität’, aktivitätsabhängige

Kostenschwankungen oder der Wert von Nachbesserungen.

Viele Finanzdienstleister zeigen mittlerweile ein großes Interesse daran, ihre

internen Daten zu analysieren, um Verluste durch operationelle Risiken zu

prognostizieren. Hinzu kommt ein zunehmendes Interesse daran, diese Daten auf

ihre Aussagekraft hin zu testen. Die Untersuchung konkreter Verluste bzw. Vorfälle

soll zunächst zeigen, welches die richtigen Indikatoren gewesen wären. Genauer

gesagt, was treibt die operationellen Riskikokosten? Ich bezeichne diese Methode

als ‚Predictive key risk indicators to/from loss/incidents prediction’, kurz:

PKRILI.

Es lassen sich zahlreiche mögliche Risikoindikatoren (RIs) erkennen, die allerdings

nicht als Key Risk Indicators (KRIs) taugen, wenn sie nicht ein belegbares Potential

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7

zur Einschätzung von Verlusten und Vorfällen aufweisen. Ein KRI muss zur

Vorhersage von Schadensfällen beitragen, um als solcher auch als aussagekräftig zu

gelten. Werden derartige Situationen nicht vorausgesagt, bleibt der RI eine

interessante, doch lediglich unbestätigte Hypothese. Praktische Erfahrung hilft, die

tatsächlichen Ursachen des Betriebsrisikos zu identifizieren, Aufmerksamkeit zu

fokussieren und Handlungen zu kontrollieren. Doch der PKRILI-Ansatz

unterstützt und validiert derartige professionelle Einschätzung zu den tatsächlichen

Ursachen von operationellen Risiken. Die Beurteilung von Experten zu ersetzen, ist

jedoch nicht die Idee dieser Methode. Vielmehr sollte sie Expertenmeinungen durch

eine nachvollziehbare Systematik in einem schnelllebigen Umfeld unterstützen.

4 Warum sind KRIs wichtig?

KRIs sind aus vier Gründen wichtig:

KRIs zeichnen die Betriebsrisiken nicht nur nach, sondern sie messen deren

Eintrittswahrscheinlichkeiten. Das macht sie zu einem geeigneten

Management Tool zur aktiven Steuerung von operationellen Risiken.

KRIs unterstützen die wirtschaftliche Seite der Kapitalhinterlegung, indem

sie Schätzungen zukünftiger Verluste durch operationelle Risiken liefern.

Damit helfen sie, die notwendige Kapitaldeckung des Betriebsrisikos

festzusetzen.

KRIs werden zunehmend von Ratingfirmen berücksichtigt, zum Beispiel

von Moody’s, Standard & Poors oder anderen Finanzanalysten.

KRIs werden zunehmend wichtig für Aufsichtsbehörden.8

Ohne Daten zu Verlusten und Vorfällen festzuhalten, lässt sich allerdings nichts

vorhersagen. Einwandfreie Datensammlung ist eine der wesentlichen

Voraussetzungen für eine ausreichende Kapitalunterlegung. Es existieren

verschiedene KRI-Initiativen in der Finanzdienstleistungsindustrie, sich zur Aufgabe

gemacht haben, beste Verfahrensweisen zur Sammlung, Aufbereitung und

Auswertung von Verlust- und Vorfallsinformationen zu entwickeln. Eine der

führenden Initiativen ist derzeit die KRI Bankenstudie der Risk Management

Association, KRIeX9, in der 50 Banken 1.809 KRIs definierten, obschon deren

8 Basel Committee in Banking Supervision (2004) 9 Siehe www.kriex.org [Zugriff: 21.8.2007].

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8

Relevanz nicht mit der PKRILI Voraussage überprüft wurde.10

Einige Beispiele

für KRIs der Risk Management Association sind die Prozentzahl der Transaktionen,

die eine manuelle Eingabe erfordern, oder die Prozentzahl der nicht gesettelten

Transaktionen nach Fälligkeit, oder aber eine Kennzahl zur Anzahl der

Raubüberfälle je 1.000 Geldautomaten. Abbildung 2 zeigt eine Aufgliederung der

KRIs nach Kategorie und Anzahl:

322 60

250 59

69 56

237 56

112 67

576 73

74 70

305 72

34 55

0

27 46

30 31

19 29

46 49

226 57

0 100 200 300 400 500 600 700

Human Processing Error

Data Management

Reporting & Disclosure

Infrastructure & Systems

Fiduciary

Improper Practices

Unauthorised Market Activity

Internal Fraud & Theft

Diversity & Discrimination

Employee Relations

Safe Environment

Natural Disaster & Accident

Wilful Damage

Hacking & Disruption

External Fraud & Theft

Specific Indicators Common Indicators

Abbildung 2: KRIs am Beispiel detailliert

Von einer Organisation zu fordern, 1.809 KRIs zu verfolgen, erscheint nicht

wirklich machbar. Immerhin gelten lediglich 74 der Indikatoren als üblich und

treffen auf nahezu alle Risikopunkte zu. Trotzdem werden sagenhafte insgesamt 533

als sog. High Risk Points definiert. Sicherlich ist dies eine anstrengende

Vorgehensweise für ein derartig frühes Stadium, bei der bisher über 70 Teilnehmer

unterstützen und Daten zuliefern. Dennoch ist KRIeX möglicherweise ein nützliches

Hilfsmittel für einige Teilnehmer, um den Regulierungsbehörden ihre Aktivität in

diesem Bereich zu verdeutlichen. Die nachfolgende Tabelle (vgl. Tabelle 2) zeigt die

Merkmale eines KRI nach der Einschätzung der Risk Management Association:

10 Der Fairness halber sei an dieser Stelle angemerkt, dass es immerhin bereits erste

Gespräche gab, dies in der Zukunft zu tun. Allerdings wurde bis jetzt kein Zeitpunkt

festgelegt.

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9

Kriterium Indikatoren sollten …

Effektivität auf mindestens einen spezifischen Risikopunkt, eine spezifische Risikokategorie und eine Businessfunktion anzuwenden sein

zu bestimmten Zeitpunkten messbar sein

objektives Maß sein, statt subjektive Schätzung reflektieren

mindestens einen Parameter des Schadensprofils oder der Vorfalls-Historie nachzeichnen, wie Häufigkeit, Durchschnitt, Schwierigkeit, wachsenden Verlust oder ‚near-miss rates’

dem Management nützliche Informationen bieten

Vergleichbarkeit als Menge, Betrag, Prozent oder Verhältnis quantifiziert sein

halbwegs präzise sein und die Quantität bestimmen

Werte haben, die über eine Zeitspanne vergleichbar sind

Wertketten übergreifend vergleichbar sein

berichtet werden in eindeutigen Kennzahlen und auch ohne Interpretation aussagekräftig sein

zu prüfen sein

organisationsübergreifend verwendet werden können, sofern dies möglich ist

Leichte Anwendung zeitnah verfügbar sein

möglichst (kosten-) effizient zu ermitteln sein

leicht zu verstehen und zu kommunizieren sein

Tabelle 1: Merkmale eines KRI nach der Risk Management Association

Eigentlich liegt die Wahl zwischen dem, was gegenwärtig informell bereits

gehandhabt und gelebt wird (kein vernünftig betriebener Geschäftsbereich

verzichtet, wenn auch implizit auf RIs) und dem, was zu verbessern wäre, indem

man diese durch Formalität, Statistik und Wissenschaft zu KRIs machte. Jeder KRI

benötigt Definition und Spezifizierung. Die Vorlage der Risk Management

Association zur Form der Spezifizierung liefert einen Vorgeschmack, was hierunter

zu verstehen ist:

Kriterium Informationsbestandteile

Definition KRI Nummer

KRI Name

Beschreibung

Ziele/Kommentare

Natur

Typ

Typography

Ratings

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Spezifizierung Spezifikations Version

Konditionen

Wertart

Dimensionen

Beobachtungsgrenzen

Sammelkennzahlen

Definition der Schwellenwerte

Mess- und Erhebungsregeln

Abhängigkeiten zu anderen KRIS

Berechnungs-Methode

Benchmark Regeln

Aggregations-Methode

Skalierungs-Nenner

Skalierungs-Regeln

Leitung Nutzung

Erhebungsintervall

Berichtsintervall

Änderungshäufigkeit

Detailebene

Varianten

Steuerungs-Informationen

Fremde Einflüsse

Kontroll-Indikatoren

Datenquelle

Tabelle 2 Beschreibungskriterien eines KRI

Es ließe sich leicht hieraus annehmen, dass ein relativ stabiler KRI kein

‚Schlüsselkriterium’ sein kann. Zum Beispiel könnte sich ein KRI, wie etwa die

Anzahl der Gerichtsverfahren hervorgerufen durch einen bestimmten Prozess, über

längere Zeiträume eventuell sehr geringfügig ändern. Ehrlicherweise ist ein komplett

statischer KRI sicherlich kein Schlüsselkriterium. In diesem Fall wäre es besser

‚Gerichtsverfahren während einer bestimmten Zeit’, oder den ‚geschätzten

Abrechnungswert’ oder andere empfindsame Maße bzw. Kennziffern

heranzuziehen, als lediglich die langsam veränderliche Zahl der ‚unerledigten

Gerichtsverfahren’. Wesentlich ist, ob der KRI zur Vorhersagbarkeit des

Betriebsrisikos beiträgt, nicht zu dessen Veränderlichkeit.

5 PKRILI Elemente

KRIs und Key Performance Indicators (KPIs) überschneiden sich teilweise. Es wäre

simplifizierend, zu behaupten, KRIs wären vorausblickend und KPIs

zurückblickend. Überschneidungen sind deutlich erkennbar. An einem Tag können

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beispielsweise ein hohes Geschäftsvolumen und eine hohe Volatilität einerseits

Hinweise auf eine sehr gute finanzielle Performance eines Handelsbereichs sein,

gleichzeitig aber auch entstehende operationelle Risiken desselben Zeitraums

anzeigen.

KRIs nehmen in bestimmten Bereichen ab und in anderen wiederum zu, d.h. sie

verlaufen in der Regel ‚nicht-linear’, was möglicherweise tendenziell eher

Verwirrung stiftet. Doch KRIs müssen nicht unbedingt linear sein. Die Anzahl an

geleisteten Überstunden kann beispielsweise ein KRI mit dem Verlauf einer

Glockenkurve sein. So können fehlende Überstunden ein gewisses Risiko andeuten,

moderate Überstunden ein geringeres und eine hohe Anzahl von Überstunden

wiederum ein erhöhtes Risiko anzeigen. In Zusammenhang mit einem KRI kann es

Entwicklungssprünge im Betriebsrisiko geben. So mag eine Hand voll offener

Orders am Ende eines Tages normal sein, doch das Risiko mag bei über einem

Dutzend erheblich steigen. KRIs sollten sich somit verändern, sowie sich das Risiko

ändert, sie müssen jedoch nicht linear schwanken.

Was ist mit all den Dingen, die für selbstverständlich gehalten werden? So scheinen

zum Beispiel Elektrizitäts- und Wasserversorgung wichtige Aspekte zu sein, wenn

KRIs für Orte in Entwicklungsländern untersucht werden, doch in PKRI Studien der

Industrieländer werden sie nicht berücksichtigt. In den Hauptfinanzzentren werden

viele Dinge vorausgesetzt wie zum Beispiel die Abwesenheit von

Naturkatastrophen, von Stürmen und Sturmfluten. Doch London pflegte ein

erhebliches Flutrisiko zu haben, und wird es möglicherweise wieder haben, da der

Themse-Damm das Ende seiner Einsetzdauer nahezu erreicht hat. Geologische

Aspekte wie die Erdbebensicherheit oder gesundheitliche Aspekte wie Malaria

spielen ebenfalls keine Rolle. Auch das Terrorismusrisiko wird kaum als

ausschlaggebend berücksichtigt. Genauso werden personelle Aspekte kaum

wahrgenommen – Arbeitserlaubnis, Bankkonten, Schulen, Sicherheit – jeder

einzelne könnte das Handelsparkett zum Erliegen bringen. Natürlich neigen

Menschen dazu, sich um das zu kümmern, was ihnen bewusst ist. In einigen Jahren

werden wir vielleicht zurückblicken und ungehalten den Kopf schütteln darüber, wie

der Handel zum Erliegen kam als Leute es tunlichst vermeiden wollten in einer

größeren Menschenansammlung zu sein, um kein unerhofftes Ziel terroristischer

Übergriffe zu werden; oder als ansteckende Krankheiten zu gefährlich wurden, um

so viele Menschen auf einer bestimmten Fläche zu konzentrieren. PKRILI ist eine

Methode für die reguläre Steuerung, nicht für die Prognose von Extremsituationen.

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12

Nicht ein einzelner, sondern eine Kombination mehrerer Faktoren macht eine

Aufstellung von KRIs erfolgreich. Jared Diamond zieht einen Grundsatz aus den

Anfangszeilen von Tolstoi’s Roman ‚Anna Karenina’ heran: „Alle glücklichen

Familien sind gleich; jede unglückliche Familie ist auf ihre Art unglücklich.“

Diamond ist der Meinung, dieser Grundsatz beschreibe Situationen, die eine Zahl

korrekter Handlungen erfordern, um Erfolge zu erzielen.11

Eine einzige falsche,

nachlässig ausgeführte Handlung dagegen könne zum Scheitern führen. Das trifft

auf KRIs sicherlich zu; die sich ergebende (richtige) Menge von KRIs ist wichtig,

nicht die Berücksichtigung des einen zu einem bestimmten Zeitpunkt, noch die von

vielen zu jeder Zeit.

6 PKRILI Modellierung unter Gebrauch der Support Vector Machines (SVM)

Zwei PKRILI-Projekte (eine europäische Investmentbank und ein globaler

commodities Trader) sollen als Beispiele für die praktische Verwendbarkeit näher

betrachtet werden. Um voraussagende Analysen ihrer Daten durchzuführen,

benutzten beide Finanzdienstleister Tools zur Klassifizierung und Vorhersage, die

auf der Mathematik von Support Vector Maschinen (SVM) basierten. SVMs sind

Algorithmen zur Klassifikation und Regression von Massendaten. Sie resultieren aus

klassifizierenden Algorithmen, die Vladimir Vapnik während der 60er Jahre in

seiner Arbeit zu Statistischer Lerntheorie als Erster aufstellte.12

SVMs basieren auf

einigen wunderbaren mathematischen Ideen zur Datenklassifizierung und liefern

gleichzeitig genaue Angaben zur Implementierung von maschinellem Lernen.

Einige Ideen hinter SMVs stammen aus den 60ern, doch die Einführung der SMVs

kam erst zu Beginn der 90er Jahre mit der computergestützten Methode von COLT-

92.13

SMVs sind heute essentielle Bestandteile vieler Applikationen, mit denen Computer

Fälle von Daten klassifizieren (zum Beispiel: zu welcher definierten Anzahl gehört

diese Gruppe von Variablen), Regressionsschätzungen ausführen und Anomalien

bzw. Abweichungen feststellen und identifizieren (sog. ‚Novelty detection’). Sie

wurden erfolgreich in der Zeitreihenanalyse, bei der Rekonstruktion chaotischer

Systeme und in der Hauptkomponentenanalyse angewendet. SVM-Anwendungen

11 Diamond, J. M. (2005) 12 Vgl. Vapnik, V. N. (1998); Vapnik, V. N. (2000) 13 Vgl. Boser, B. E./Guyon, I. M./Vapnik, V. N. (1992)

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13

unterscheiden sich teilweise sehr stark voneinander. Sie beinhalten, um nur einige

Beispiele zu nennen, Kreditpunktbewertung für gute und schlechte Kredite,

Handschrifterkennung, Bilderkennung, Bioinformatik- und Datenbankmarketing.

SVM gelten als unabhängig von der Dimensionalität der untersuchten Rohdaten.

Denn die Hauptidee für ihre Klassifizierungstechnik ist eine Trennung der Klassen

in viele Datendimensionen mit Oberflächen (sog. ‚hyperplanes’). Diese maximieren

die Spanne dazwischen, indem sie das Prinzip der Strukturrisikominimierung

anwenden. Die für die Klassifizierung algorithmisch nötigen Eckdaten, sind

hauptsächlich die den hyperplane Grenzen nächstgelegenen, eben die ‚Support

Vektoren’. So werden nur einige wenige Eckdaten in vielen komplexen

Datenräumen benötigt. SVMs können bei kleinen Datenbeständen gut eingesetzt

werden, auch wenn die Struktur der Trainings- und Testdaten eine wichtige

Determinante der SVM-Effektivität in jeder gewünschten Anwendung ist.

Als Werkzeuge für Probleme der Mustererkennung, konkurrieren SVMs

nachdrücklich mit Neuralen Netzwerken, sowie mit weiteren selbst lernenden und

‚Data mining’-Algorithmen. Wenn SVMs weniger gut funktionieren, mag es daran

liegen, dass die Regel hinter dem Support Vektor Algorithmen weniger die

Unzulänglichkeit der lernenden Maschine reflektiert als vielmehr die

Regelmäßigkeit der Daten. Kurzum, die gängige Meinung besagt, dass – sofern die

Daten innerhalb der Domäne vorhersagbar sind – SVMs höchstwahrscheinlich fähig

sind, den voraussagenden Algorithmus zu produzieren. SVMs sind somit äußerst

robuste Werkzeuge in der praktischen Anwendung. (Dies spiegelt sich wieder in

einer verständlichen Erklärung, einfachen algorithmischen Validierungen, besseren

Klassifizierungsraten, ‚overfitting avoidance’, weniger falschen Positivmeldungen

und einer schnelleren Durchführung). „Der SVM ist nicht lediglich ‚ein weiterer

Algorithmus’, da er - was die Theorie von Generalisierung und Optimierung betrifft

- auf soliden statistischen und mathematischen Grundlagen basiert“14

. Dennoch

zeigen vergleichende Tests mit anderen Techniken, dass SVMs, obschon sie zu

hohen Wahrscheinlichkeitsaussagen in der Lage sind, nicht die beste Methode für

jeden Datenbestand sind. Mit PropheZy and VizZy hat Z/Yen zwei Softwarepakete

für die Klassifizierung und Visualisierung von Daten entwickelt. PropheZy

installiert in der Regel eine SVM auf einem Server, auf die der client zugreift, kann

jedoch auch auf einem lokalen client installiert werden. Natürlich gibt es, wie in

jedem Bereich der IT, eine Vielzahl verschiedener SVM-Installationen.

14 [Burbridge & Buxton, 2001]

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14

Die Verknüpfung von SVMs mit System Dynamics mag auf den ersten Blick

unorthodox erscheinen. Betrachtet man jedoch ein breiteres System der

institutionellen Finanzdienstleister, sind ausschließlich ähnliche High-level Systeme

zu erkennen. Das folgende Diagramm zeigt ein einfaches Model der Finanzbranche,

nach dem es gilt, Risiken nach Positionierung und Marketing zu verteilen und

preislich zu bemessen; dies passiert im Spannungsfeld zwischen dem Wert, den der

Kunden dieser Leistung beimisst und den hierbei entstehenden Kapitalkosten:

Risiko-Selektion

Value Pricing

Kapital

Kunden

Marketing – Pricing – Underwriting

Abbildung 3: Spannungsfeld zwischen Wert und Risiko

Ein KRI-System hat, wie jedes andere System, einige grundsätzliche Komponenten:

Governance:

Vom Hauptziel des Geschäfts ausgehend entstand eine Definition des operational

risk frameworks, nämlich die Berechnung des wirtschaftlichen Kapitals und

einiger grundlegender KRIs;

Input:

‚Stakeholder commitment’ schaffen, Ressourcen und ein Team aufstellen, das

die potentiellen KRI einführt;

Prozess:

Den Manager des Betriebsrisikos durch Datenerhebung, statistische Validierung

und Tests, Korrelation und multivariate Vorhersagen, projektübergreifende

Diskussion, Training, Vorlagen und Methodik unterstützen;

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15

Output:

Mit Fokus auf die Sichtweise des Klienten (wie hilft es mir, mein Geschäft

besser zu managen?) die KRIs evaluieren, damit die Betreffenden aus Erfolg und

Fehlern lernen.

Monitoring:

Managementinformation muss zur Koordination aller vom Leitenden, über den

Kunden bis hin zum Projektmanager und zwischen diesen gewährt werden.

Monitoring gebraucht das ‚Feed-back’ der KRI-Ergebnisse, um damit erneut

Ideen und Berechnungen zu KRIs zu füttern (‚Feed-forward’), das KRI-Portfolio

zu überdenken und umzuformen. Ein fester Bestandteil des Monitoring ist die

Evaluation von KRIs auf technischem Niveau – treffen sie tatsächlich zu?

PKRILI Prognosen sind dabei eine Möglichkeit, LIPKRI die anderen.

INPUT

Feed-

forward

Feed-

back

Über-

wachung

Governance

(Leitung)

PROZESS OUTPUT

Abbildung 4: Schematische Darstellung eines KRI-Modells

Das KRI System ist ein klassisches kybernetisches (‚feed-back and feed-forward’)

System..KRIs unterstützen Manager bei ihrer Arbeit, indem sie die Menge der zum

‚feed-back’ and ‚feed-forward’ nötigen Schritte reduzieren. Beim Gebrauch von

PKRILI liegt der entscheidende Unterschied in dem Gebrauch von RIs oder

KRIs, wobei letztere helfen, eine Informationsüberlastung zu bekämpfen.

„Was Information beansprucht ist offensichtlich: sie nimmt die Aufmerksamkeit der

Empfänger in Anspruch. Ein Überfluss an Information schafft demnach einen

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16

Notstand bei der Aufmerksamkeit und somit einen Bedarf, Aufmerksamkeit effizient

zu verteilen in diesem Überfluss an Informationsquellen.“15

In verschiedener Hinsicht basiert die PKRILI-Methode auf der Systemtheorie.

Allerdings konzentriert sich der Gebrauch von SVM zur Verknüpfung von Input

(i.e. KRIs) mit Ergebnissen (Vorfälle und Verluste) darauf, vorhersagbare

Beziehungen zu erstellen. Die Annahme von System Dynamics, das dynamische

Modellierungs-Paradigma sei von entscheidender Bedeutung für die Bewertung der

Beziehungen und deren Interpretation, ist an dieser Stelle weniger wichtig.

Die PKRILI-Methode ist ein dynamischer Prozess. Sie dient nicht dazu, eine

statische Anzahl von KRIs zu entwickeln. Dies bedeutet, das ein Team,

möglicherweise im Abgleich mit weiteren ‚wissenschaftlichen’ Management-

Methoden wie Six Sigma, über eine bestimmte Periode hinweg beständig einen

iterativen Verbesserungsprozess durchlaufen muss.

7 Wie sieht die aktuelle Praxis aus? – Zwei frühe Beispiele

‚Verwissenschaftlichte’ Management-Ansätze im Bereich der Wholesale Financial

Operations sind immer häufiger anzutreffen. Investmentbanken steigerten ihr

operatives Benchmarking spürbar in den späten 1990ern. Gibt es Verluste und

Vorfälle, die durch Beseitigen der Ursachen eliminiert werden sollen, so folgen

Manager verschiedener Investmentbanken der DMAIC oder DMADV Six Sigma-

Methode. Die Bank of America, JPMorganChase, Citigroup und Merrill Lynch

haben zum Beispiel ihren Einsatz von Six Sigma bekannt gegeben.

Stufen Ziele

Definieren Definiere die lieferbaren Ergebnisse zu Ziel und

Kunden des Projekts

Messen Messe den Prozess, um die aktuelle Profitabilität

bzw. Performance zu bestimmen

Analysieren Analysiere und bestimme die Hauptursache der

Fehler

15 Simon, H. A./Deutsch, K. W./Shubik, M. et al. (1971), S. 40–41

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17

Verbessern

(Improve)

Verbessere den Prozess durch Fehlereleminierung

Kontrollieren

(Control)

Kontrolliere zukünftige Prozess Performance

Tabelle 3 DMAIC – existierende Produkte/ Prozesse/ Services

Stufen Ziele

Definieren Definiere die lieferbaren Ergebnisse zu Ziel und

Kunden des Projekts

Messen Messe und bestimme Kundenbedürfnisse und

Spezifikationen

Analysieren Analysiere Optionen innerhalb des Prozesses, um die

Kundenbedürfnisse zu erfüllen

Design Entwerfe den Prozess, damit er Kundenbedürfnissen

entspricht

Verifizieren Prüfe die Design-Performance und die Fähigkeit,

Kundenbedürfnisse zu erfüllen

Tabelle 4 DMADV – Neue Produkte/ Prozesse/ Services

Six Sigma ist eng verbunden mit einer stark systemischen Sicht auf eine

Organisation, die in diesem Sinne verstanden wird als ein Netz von verschachtelten

Rückkopplungsschleifen. Dies führte gleichfalls zu einem gesteigerten Interesse an

voraussagenden Analysen beim Management von operativen Systemen. Führende

Investmentbanken schafften es bspw. durch den Einsatz von Six Sigma und

statistischen Techniken die Rate manueller Eingriffe bei Standardprodukten in drei

Jahren von 8% auf unter 4% zu senken. Da die Kosten pro manueller Order bis zu

250mal so hoch sein kann wie einer automatisierten Transaktion, ist dies ein

ausnehmend wichtiger Ansatz zur Kostenreduzierung und nicht zuletzt auch eine

hohe Reduktion des Betriebsrisikos.

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18

Abbildung 5: Beispiel zu einer DAPR Support Vector Machine Datensets zu

aktuellen vs. prognostizierten Handelspreisen

Voraussagende Analytiken kommen auch da zur Geltung, wo Investmentbanken zu

automatischem Filtern und dem Entdecken von Anomalien (Dynamische Anomaly

und Muster Erkennung – DAPR) tendieren.16

Wie Cruz feststellt, benutzen eine

Reihe von Banken DAPR-Methoden nicht nur in der Compliance, sondern auch in

Filtern zum operationellen Risiko.17

Diese sammeln „jedes Storno oder Änderung,

die zu einer Transaktion vorgenommen wird, sowie alle Unterschiede zwischen den

Eigenschaften einer Transaktion in einem System im Vergleich zu einem anderen

System. Auch können hierbei anormale Input Parameter (zum Beispiel die geringere

Volatilität eines Derivats) gekennzeichnet und untersucht werden. Der Filter wird

das ‚operational risk loss event’ und andere Auswirkungen auf die Organisation

berechnen.” Er setzt fort, „die Entwicklung von Filtern, die operationelle Probleme

festhalten und den Betriebsverlust berechnen ist einer der teuersten Bestandteile im

16 Vgl. Mainelli, M. (2004b) 17 Vgl. Cruz, M. G. (2002)

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19

gesamten Prozess der Datenerhebung, doch das Ergebnis kann entscheidend sein für

den Erfolg eines operational Risk Projektes.“18

PKRILI deckt sich mit diesem Interesse, indem es voraussagende Analytiken zur

Verbesserung des operationellen Managements benutzt. Wenn das Interesse an der

PKRILI-Methode auch steigen mag, so gibt es insbesondere bei den

Investmentbanken einen Mangel an zu diesem Zweck benötigten Daten. Sowie die

für das Betriebsrisiko zuständigen Abteilungen wachsen und anfangen

Datensammlungen und Maßsysteme zu entwickeln, nehmen in gleichem Maße auch

PKRILI-Projekte zu.

Das erste Anwendungsbeispiel stammt aus dem Investmentbanking. Eine

europäische Investmentbank nutzte die Daten dreier Jahre, um Verluste und Vorfälle

durch Daten wie Deal Probleme, IT-Ausfallzeit und Personalfluktuation über einen

Zeitraum von sechs Monaten vorherzusagen. Die Voraussage war überraschend

erfolgreich. Ein R² erreichte zeitweise 0,9, meist jedoch 0,6 (was heißt, dass 60% der

Verluste vorausgesagt werden konnten). Der unten stehende high-level Ausschnitt

gibt eine Vorstellung von den Daten:

location

ID

HR-

Headcoun

t #

HR-

Joiners in

month

HR-

Leavers in

month

IT-System

Disruption

Incidents

#

IT-System

Downtime

hr:mm

FO-Trade

Volume #

FO-Trade

Amendme

nts #

OPS-

Nostro

Breaks #

OPS-

Stock

Breaks #

OPS-

Intersyste

m Breaks

#

OPS-

Failed

Trades #

OPS-

Unmatche

d Trades

#

RIS-

Market

Risk Limit

Breaches

#

AU-High

Risk O/S

Overdue

Audit

Issues #

AU-High

Risk O/S

Audit

Issues #

1 136 6 11 2 0.350694 19218 317.1111 3 9 6 463 52.77778 0 0 4.5

2 121 6 11 2 0.03125 8999 0 17 4 2 26 0 3 0 4.5

3 23 6 11 0 0 661 8.777778 3 0 0 0 7.444444 0 0 4.5

4 30 6 11 0 0 4307 80.55556 7 1 1 17 0 1 0 4.5

Tabelle 5 Prognoseergebnisse einer Europäischen Investment Bank

Es bleibt zu beachten, dass einige Daten dieses Daten-Ausschnitts, wie zur

Personalfluktuation oder zum IT-Ausfall auf Applikationsebene, in der Praxis

schwer zu beschaffen sind. Ebenso ist es zu beachten, dass PKRILI als eine

datenbasierte Methode Analysen nur so gut vornehmen kann, wie die Daten sind,

mit denen sie gefüttert werden – „kommt Mist rein, kommt Mist raus“ (‚garbage in,

garbage out’). In manchen Fällen sind Daten völlig „unvoraussagend“. Je wichtiger

Daten werden, desto mehr Ernsthaftigkeit muss bei deren Generierung aufgebracht

werden. Die Qualität der Daten kann sich mit der Zeit auf schwer zu ergründende

Art ändern und mit den umgebenden Systemen interagieren, insbesondere mit den

Personen dieses Systems. So war zum Beispiel in diesem Versuchslauf von

18 Vgl. Cruz, M. G. (2002), S. 140.

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PKRILI die IT-Abteilung bestürzt, dass die IT-Ausfallzeit als Schlüsselindikator

für Risiko angenommen wurde und änderte den KRI einseitig zu

„unvorhergesehener Ausfallzeit“, was die Verlustvorhersage verzerrte. Die

Änderung wurde entdeckt, als man das DAPR-System anwandte, um die

umgekehrte LIPKRI-Vorhersage zur Qualitätskontrolle zu treffen.

Das zweite Anwendungsbeispiel stammt aus dem Bereich des

Warentermingeschäfts. Ein großer globaler Commodities-Anbieter, der nicht nur in

verschiedenen Warenterminmärkten sondern auch in Devisen und Fixed Income

aktiv ist, wendete die PKRILI-Methode in einer großen Handelsabteilung an.

Obschon der voraussagbare Erfolg im Probelauf nicht besonders groß war, lediglich

ein R² von 0,5, so wurde der Verdienst der PKRILI-Methode dennoch anerkannt

und beschlossen diese global auf mehrere Geschäftseinheiten auszudehnen. Nach

Kundenangaben half die PKRILI-Methode, die Wichtigkeit guter

Datenerhebungen und ihren Gebrauch zu vergegenwärtigen, sowie weitere Gebiete

zu erkennen, in denen Datenbestimmung und -sammlung, Validierung und

Integration merklich verbessert werden konnten. Man muss auch anmerken, dass die

SVM-Methode in den frühen Stadien nicht viel zur Wertschöpfung beitrug. Viele

der vorhergesagten Beziehungen waren zu offensichtlich, wie zum Beispiel, dass

eine große Zahl von Deal-Änderungen zu späteren Problemen führen kann.

Die PKRILI-Methode wurde Teil einer wissenschaftlicheren Herangehensweise

(von Hypothesenerstellung und Tests) für das Management von Betriebsrisiken.

Moderne Organisations-Theorie hat sich zu einem „offenen-System Ansatz“ bewegt.

Die entscheidenden Qualitäten moderner Organisationstheorie sind ihre begrifflich-

analytische Grundlage, ihr Vertrauen auf Daten der empirischen Forschung und vor

allem ihre zusammenfassende, integrierende Art. Diese Eigenschaften sind umrahmt

von einer Philosophie, die voraussetzt, dass der einzige Weg eine Organisation zu

untersuchen der ist, diese als System zu sehen.19

8 Schlussfolgerung

Parameter, die sich mit der Prognose operationeller Risiken beschäftigen, sind sehr

dynamisch. Eine SD-Modellierung, die sich dieser Thematik annimmt sollte diesen

hohen Veränderungsraten angepasst werden. Eine Möglichkeit hierbei liegt meines

19 Vgl. Johnson, R. A./Kast, F. E./Rosenzweig, J. E. (1964), S. 371–372.

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Erachtens in der Unterstützung der Parameterselektion und -validierung durch

Support Vector Maschinen. Hierdurch ist es möglich, sich gezielt um den

Modellierungsprozess zu kümmern, ohne sich in der Vielzahl der Parameter zu

verzetteln.

Etwas formaler liest sich diese Hoffnung wie folgt: KRIs müssen als ein sich

beständig weiterentwickelndes System verstanden werden und keinesfalls als

statisch, daher das Augenmerk auf und der zunehmende Fit mit der zyklischen

PKRILI-Methode. Heutige KRIs sollten zukünftig der Vergangenheit angehören,

sobald Manager es schaffen, sie mit Verbesserung des Geschäfts weniger zu

Indikatoren von Verlusten oder Vorfällen zu entwickeln. Gleichermaßen müssen

Manager neu auftauchende KRIs in Betracht ziehen und permanent validieren.

Institutionen aus dem Wholesale Banking können sicherlich Aufsichtsbehörden mit

dem PKRILI-Ansatz beeindrucken, der Fokus sollte jedoch darauf liegen das

zugrunde liegende Geschäftsmodell zu verbessern und gleichzeitig die anhaftenden

operationellen Risiken zu minimieren.

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