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210 | Pharm. Unserer Zeit | 34. Jahrgang 2005 | Nr. 3 DOI:10.1002/pauz.200500121 © 2005 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Erfahrungen aus der Klinik Therapie der Refluxkrankheit mit Protonenpumpenhemmern WOLFGANG R ÖSCH Immer mehr Menschen in Deutschland leiden unter Sodbren- nen, dem Leitsymptom der Refluxkrankheit der Speiseröhre. Während noch vor zehn Jahren Sodbrennen als harmlose Befindlichkeitsstörung betrachtet wurde, die weder einen Arztbesuch noch eine über eine Selbstmedikation hinaus- gehende Therapie rechtfertigte, wird heute unter der Refluxkrankheit der Speiseröhre ein breites Spektrum an Krankheitsbildern diskutiert. wegserkrankungen. Entsprechend breit ist die Variabilität der Symptome: Neben den „klassischen“ Beschwerden wie Sodbrennen, saurem Aufstoßen, Regurgitation und retro- sternalem bzw. epigastrischem Schmerz treten chronischer Husten, Heiserkeit, Asthmaanfälle ohne Allergennachweis und dysphagische Beschwerden auf. Definitionen Die gastroösophageale Refluxkrankheit (GERD), die zu ei- ner erheblichen Beeinträchtigung der Lebensqualität führen kann, wird heute unter Einbeziehung des endoskopischen Befundes in eine nicht-erosive Refluxkrankheit (NERD) und eine erosive Refluxkrankheit (ERD), der alten Refluxöso- phagitis entsprechend, differenziert. Verzichtet man zu- nächst auf eine endoskopische Diagnostik, z.B. im Rahmen der später aufgeführten Probetherapie, handelt es sich um eine nicht-unter- suchte Refluxkrankheit. Bei den Reflux-assoziierten Atem- wegserkrankungen (RAA) spielt der laryngo-pharyngeale Reflux (LPR) als Mikroaspiration eine Rolle, daneben können säureinduzierte, vagal vermit- telte spastische Kontraktionen der glat- ten Muskulatur zum nicht-kardialen Thoraxschmerz (NCCP) beitragen. Pathophysiologie Auch wenn der Refluxkrankheit der Speiseröhre primär eine Insuffizienz des unteren Ösophagussphinkters, der Cardiamuskulatur entsprechend, zu- grunde liegt, dominiert unter thera- peutischen Aspekten das saure Re- fluat, d.h. Salzsäure und Pepsin. Von wenigen Ausnahmen abgesehen (alka- lische Refluxösophagitis nach Gast- rektomie) handelt es sich also bei der Refluxkrankheit um eine „reine“ Säu- rekrankheit, bei der die individuelle Säureempfindlichkeit des Plattenepit- hels der Speiseröhre über das Ausmaß der Schädigung entscheidet. ABB. 1 ANTISEKRETORISCHE AKTIVITÄT VERSCHIEDENER PROTONENPUMPENBLOCKER Anhebung des pH-Wertes > 4 über mindestens 12 bzw. 16 Stunden. Studie A Studie B Für 12 Stunden Für Für 12 Stunden Für tud St Für 12 Stunden F Für 12 Stunden Nexium ® mups 40 mg Nexium ® mups 40 mg Lansoprazol 30 mg p=0,04 p=0,03 90 % 35 % 55 % 5 % Rabeprazol 20 mg p=0,04 p=0,03 77 % 32 % 36 % 5 % Nexium ® mups 40 mg Nexium ® mups 40 mg Omeprazol 20 mg p<0,0001 p<0,0001 92 % 58 % 44 % 17 % Pantoprazol 40 mg p<0,0001 p<0,0005 93 % 50 % 30 % 10 % D ieses Spektrum reicht von der Refluxösophagitis über das Refluxösophagitisfolgekarzinom bis zum nicht- kardialen Thoraxschmerz und den refluxassoziierten Atem-

Therapie der Refluxkrankheit mit Protonenpumpenhemmern: Erfahrungen aus der Klinik

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Page 1: Therapie der Refluxkrankheit mit Protonenpumpenhemmern: Erfahrungen aus der Klinik

210 | Pharm. Unserer Zeit | 34. Jahrgang 2005 | Nr. 3 DOI:10.1002/pauz.200500121 © 2005 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

Erfahrungen aus der Klinik

Therapie der Refluxkrankheitmit ProtonenpumpenhemmernWOLFGANG RÖSCH

Immer mehr Menschen in Deutschland leiden unter Sodbren-nen, dem Leitsymptom der Refluxkrankheit der Speiseröhre.Während noch vor zehn Jahren Sodbrennen als harmlose Befindlichkeitsstörung betrachtet wurde, die weder einenArztbesuch noch eine über eine Selbstmedikation hinaus-gehende Therapie rechtfertigte, wird heute unter der Refluxkrankheit der Speiseröhre ein breites Spektrum anKrankheitsbildern diskutiert.

wegserkrankungen. Entsprechend breit ist die Variabilitätder Symptome: Neben den „klassischen“ Beschwerden wieSodbrennen, saurem Aufstoßen, Regurgitation und retro-sternalem bzw. epigastrischem Schmerz treten chronischerHusten, Heiserkeit, Asthmaanfälle ohne Allergennachweisund dysphagische Beschwerden auf.

DefinitionenDie gastroösophageale Refluxkrankheit (GERD), die zu ei-ner erheblichen Beeinträchtigung der Lebensqualität führenkann, wird heute unter Einbeziehung des endoskopischenBefundes in eine nicht-erosive Refluxkrankheit (NERD) undeine erosive Refluxkrankheit (ERD), der alten Refluxöso-phagitis entsprechend, differenziert. Verzichtet man zu-nächst auf eine endoskopische Diagnostik, z.B. im Rahmen

der später aufgeführten Probetherapie,handelt es sich um eine nicht-unter-suchte Refluxkrankheit.

Bei den Reflux-assoziierten Atem-wegserkrankungen (RAA) spielt derlaryngo-pharyngeale Reflux (LPR) alsMikroaspiration eine Rolle, danebenkönnen säureinduzierte, vagal vermit-telte spastische Kontraktionen der glat-ten Muskulatur zum nicht-kardialenThoraxschmerz (NCCP) beitragen.

PathophysiologieAuch wenn der Refluxkrankheit derSpeiseröhre primär eine Insuffizienzdes unteren Ösophagussphinkters, derCardiamuskulatur entsprechend, zu-grunde liegt, dominiert unter thera-peutischen Aspekten das saure Re-fluat, d.h. Salzsäure und Pepsin. Vonwenigen Ausnahmen abgesehen (alka-lische Refluxösophagitis nach Gast-rektomie) handelt es sich also bei derRefluxkrankheit um eine „reine“ Säu-rekrankheit, bei der die individuelleSäureempfindlichkeit des Plattenepit-hels der Speiseröhre über das Ausmaßder Schädigung entscheidet.

A B B . 1 A N T I S E K R E TO R I S C H E A K T I V I T Ä T V E R S C H I E D E N E R PROTO N E N P U M PE N B LO C K E R

Anhebung des pH-Wertes > 4 über mindestens 12 bzw. 16 Stunden.

Studie A Studie BFür ≥ 12 Stunden Für ≥ Für ≥ 12 Stunden Für

StudStFür ≥ 12 Stunden F Für ≥ 12 Stunden

Nexium® mups40 mg

Nexium® mups40 mg

Lansoprazol30 mg

p=0,04 p=0,03

90 % 35 %

55 % 5 %Rabeprazol

20 mg

p=0,04 p=0,03

77 % 32 %

36 % 5 %

Nexium® mups40 mg

Nexium® mups40 mg

Omeprazol20 mg

p<0,0001 p<0,0001

92 % 58 %

44 % 17 %Pantoprazol

40 mg

p<0,0001 p<0,0005

93 % 50 %

30 % 10 %

Dieses Spektrum reicht von der Refluxösophagitis überdas Refluxösophagitisfolgekarzinom bis zum nicht-

kardialen Thoraxschmerz und den refluxassoziierten Atem-

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T H E R A P I E D E R R E F L U X K R A N K H E I T | K L I N I K

DiagnostikSodbrennen ist organspezifisch; es entsteht durch den Kon-takt der Nervenendigungen mit Säure. Während man frühernoch eine Dyspepsie vom Refluxtyp bei Reizmagen-symptomen akzeptierte, wenn ein Patient neben Ober-bauchbeschwerden auch über Sodbrennen klagte, geht manheute von einer Endoskopie-negativen Refluxkrankheit(NERD) aus.

Die Endoskopie hat zum Ziel, bei anhaltendem oder län-ger bestehendem Sodbrennen das Ausmaß der Epithel-schäden zu erfassen. Verschiedene Klassifikationen der Refluxösophagitis (Savary-Miller, Muse, Los Angeles) be-stimmen Intensität und Dauer der Therapie. Komplika-tionen der Refluxkrankheit wie Ulcus, peptische Strikturund Zylinderzellmetaplasie (Barrett-Ösophagus) machen einspezielles Vorgehen oder Überwachungsmaßnahmen erfor-derlich.

Röntgenuntersuchung der Speiseröhre, Entleerungs-studien einschließlich Isotopendiagnostik, Manometrie oderpH-Metrie sind nur ausnahmsweise erforderlich; selbst die24-Stunden-pH-Metrie zur Differenzierung zwischen NERDund ERD hat sich im Alltag nicht durchgesetzt.

Natürlicher Verlauf der RefluxkrankheitLangzeit-Verlaufsbeobachtungen unbehandelter Patientenmit einer Refluxkrankheit der Speiseröhre lassen erkennen,dass es nur ausnahmsweise zu einer Progression des Krank-heitsbildes kommt. Das heißt zum einen, dass eine nicht-erosive Refluxkrankheit (NERD) nicht zu einer Reflux-ösophagitis (ERD) fortschreitet oder dass es im Laufe derJahre nicht zu einer Progression, z.B. von einem Stadium Ioder A zu einem Stadium III oder C bzw. D kommt. Hierspielt offensichtlich die individuelle Säureempfindlichkeitdie entscheidende Rolle. Auch eine Spontanheilung dürftebei leichten Formen der Refluxösophagitis vorkommen. Aufder anderen Seite neigt das Ausheilungsstadium der schwe-ren Refluxösophagitis, die Zylinderzellmetaplasie, zu Kom-plikationen bis hin zum Adenokarzinom (Barrett-Karzinom).Da 90 % aller Fälle von Barrett-Ösophagus zufällig im Rah-men einer endoskopischen Untersuchung entdeckt werdenund erst anamnetisch die häufig Jahrzehnte zurückliegen-de Refluxsymptomatik eruiert werden kann, muss man davon ausgehen, dass eine nicht oder unzureichend thera-pierte Refluxösophagitis Wegbereiter der Zylinderzellme-taplasie war. Diese wäre dann als „Selbstheilung“ zu inter-pretieren, wissen wir doch, dass das anstelle des zerstörtenPlattenepithels nachwachsende Zylinderepithel säure-insensitiv ist.

Therapie der RefluxkrankheitAllgemeine Überlegungen

Eine pharmakologische Beeinflussbarkeit des inkompeten-ten unteren Ösophagussphinkters im Sinne einer Tonisie-rung ist mit dem derzeit verfügbaren Armamentarium nichtmöglich; hier setzt die Chirurgie mit Fundoplicatio undHernienreposition an. Neuere endoskopische Techniken

(Stretta, EndoCinch, Plicatur, Enteryx) befinden sich nochim Experimentierstadium und scheinen die in sie gesetztenErwartungen nicht zu erfüllen.

Von den häufig empfohlenen Allgemeinmaßnahmen ha-ben sich allenfalls die Gewichtsreduktion bei adipösen Pa-tienten und das Schlafen mit erhöhtem Oberkörper bei RAA

ABB . 2 HEILUNG SRATEN DER REFLUXÖSOPHAG ITIS

100

90

80

70

60

504 Wochen 8 Wochen

Heilungsraten[%]

Esomeprazol

PPI (n = 1610)OmeprazolLansoprazolPantoprazolRabeprazol

Unterschiedliche Heilungskinetiken verschiedener Protonen-pumpenblocker.

100

90

80

70

60

50

40

30

20

10

0

Sensitivität[%]

1 111098765432 12Behandlungstag

Nexium® 2 x 20 mgNexium® 1 x 40 mgPlacebo

A B B . 3 | PRO B E T H E R A PI E M I T E S O M E PR A ZO L

439 Patienten mit dem seit mindestens 6 Monaten vorliegenden Leitsymptom Sodbrennen wurden randomisiert. Goldstandard: Endoskopie und 24-Stunden pH-Metrie. Nach fünf Tagen waren 83 % der Patienten beschwerdefrei.

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bewährt; diätetische Empfehlungen einschließlich Nikotin-verzicht und Alkoholabstinenz sind wissenschaftlich nichtbelegt und sollten allenfalls individuelle Nahrungsunver-träglichkeiten berücksichtigen. Schon seit der Antike wer-den zur symptomatischen Behandlung von Refluxsymp-tomen Antazida eingesetzt, die jedoch nur kurzfristig, aberrelativ rasch wirken.

Einen großen Fortschritt stellte die Einführung der His-tamin-H2-Rezeptorantagonisten (H2-Blocker) dar, die dienächtliche, vagal gesteuerte Säuresekretion für vier bis sechsStunden hervorragend zu unterdrücken vermochten, je-doch tagsüber weitgehend wirkungslos waren und auch inKombination mit Prokinetika wie Cisaprid nicht zu über-zeugen vermochten. Hinzu kam eine Toleranzentwicklungbei längerfristiger Medikation, so dass die H2-Blocker heu-te nur noch in der Selbstmedikation als OTC-Präparate beider Refluxkrankheit Verwendung finden.

Therapie mit ProtonenpumpeninhibitorenSeit den Untersuchungen der Arbeitsgruppe von Hunt et al.[1] wissen wir, dass zur Behandlung der Refluxösophagitiseine Anhebung des Magen-pH über mindestens 16 Stundenauf einen Wert von über pH 4 erforderlich ist. Dieses Ziellässt sich nur mit Protonenpumpeninhibitoren (PPI) errei-chen, welche die H+/K+-ATPase irreversibel hemmen (Abb.1). Nachteil dieser Substanzklasse, die heute weltweit alsMittel der ersten Wahl bei der Behandlung von Refluxsymp-tomen gilt, ist die relativ lange „Anlaufzeit“ der PPI, da nur durch Nahrung aktivierte Protonenpumpen gehemmtwerden und etwa ein Drittel der Pumpen pro Tag neu syn-thetisiert werden. Ein Steady-state wird somit erst nach ei-

nigen Tagen erreicht. „Therapieversager“ gehen zum einenauf eine mangelnde Compliance, zum anderen auf eineUnterdosierung zurück, so dass es sich empfiehlt, dieStandarddosis auf morgens und abends zu verteilen oder imEinzelfall – eventuell unter pH-metrischer Kontrolle – zuverdoppeln. Ein nächtlicher Break-through der Säure kanndurch Kombination mit einem H2-Blocker oder besser miteiner Dosis-Splittung angegangen werden.

Die nunmehr über zwölfjährige Erfahrung mit PPI, diein einer Standard-Dosierung von Omeprazol 20 mg, Lanso-prazol 30 mg, Pantoprazol 40 mg und Rabeprazol 20 mg vonder WHO als äquipotent eingestuft wurden, hat durch dieEntwicklung des ersten isomeren ProtonenpumpenblockersEsomeprazol (40 mg) dahingehend eine Modifikation er-fahren, dass die Therapiedauer wegen der stärkeren anti-sekretorischen Aktivität reduziert werden kann [2] (Abb. 2).Zum anderen sollte die Therapie sich an den individuellenAnsprüchen des Patienten orientieren, gilt doch als erstesTherapieziel die Wiederherstellung der Lebensqualität underst sekundär die Heilung der Läsionen. Ob eine Prophyla-xe der Zylinderzellmetaplasie mit PPI möglich ist, muss spe-kulativ bleiben, da entsprechende Studien fehlen.

Im Folgenden sollen die heute üblichen Therapie-modalitäten beim Einsatz von PPI vorgestellt werden: dieProbetherapie, die Akuttherapie, die Bedarftherapie, dieintermittierende Therapie und die Langzeittherapie. Nichteingegangen werden soll auf die intravenöse Gabe von PPI,da diese bei der Refluxkrankheit keine Rolle spielt. Bei derpeptischen Striktur kann die MUPS-Galenik Vorteile bieten,das heißt das Auflösen der Tabletten, die Mikropellets ent-halten, in Wasser. Ähnliches gilt für die Applikation durch

0

20

40

60

80

100

Heilung derÖsophagitis

nach 8 Wochen[%]

Antazida PPI1. Generation

H2-Blocker Esomeprazol

15

45

84

94

ABB. 4 | SÄUREHEMMUNG UND ÖSOPHAGUSHEILUNG

Heilungsraten der Refluxösophagitis nach acht Wochen unterverschiedenen Therapieansätzen. Die Säurehemmung korre-liert mit der Heilung der Ösophagitis.

82

94

0

20

40

60

80

100

4 Wo 8 Wo

Heilungsraten derRefluxösophagitis

[%]

*

*

Esomeprazol 40 mg/d

Omeprazol 20 mg/d

n = 2425 *

ABB. 5 | HEILUNGSRATEN DER REFLUXÖSOPHAGIT I S

Unter einer Therapie mit 40 mg Esomeprazol sind nach vierWochen genauso viele Patienten geheilt wie unter 20 mgOmeprazol nach acht Wochen.

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T H E R A P I E D E R R E F L U X K R A N K H E I T | K L I N I K

eine perkutane endoskopische Gastrostomie bei bettlägeri-gen Patienten mit Refluxösophagitis.

ProbetherapieDie Probetherapie schließt sich an einen so genannten PPI-Test an: Hat der Arzt aufgrund der geschilderten Symptomeden Eindruck, es läge eine Refluxkrankheit vor, verzichtetjedoch auf eine endoskopische Diagnostik, kann der proba-torische Einsatz eines PPI zur Diagnosefindung herangezo-gen werden. 83 % aller Patienten werden innerhalb vonfünf Tagen beschwerdefrei [3] (Abb. 3). Werden die Be-schwerden nur deutlich gebessert, sind aber in abge-schwächter Form noch nachweisbar, sollte noch für weite-re drei Wochen in halber Standarddosierung weiter thera-piert werden. Logische Fortsetzung der Probetherapie wäredie Bedarfstherapie; wird der Patient nicht innerhalb vonvier Wochen beschwerdefrei, sollte endoskopiert werden.

chem Präparat behandelt wird. Vergleichsstudien zwischenden klassischen PPI und dem isomeren PPI [4, 5] zeigen ei-ne Überlegenheit der letztgenannten Substanz insbesonde-re bei den höhergradigen Formen der Refluxösophagitis(Abb. 4). Im Allgemeinen kann gelten, dass eine vier-wöchige Akutbehandlung mit einem isomeren PPI diesel-ben Ergebnisse zeitigt wie eine achtwöchige Behandlungmit einem „klassischen“ PPI (Abb. 5). Zwar wird der Pati-ent innerhalb kurzer Zeit beschwerdefrei, die Reepithelia-lisierung der Läsionen nimmt jedoch längere Zeit in An-spruch, so dass die oben genannten Zeitintervalle ein-gehalten werden sollten.

100

80

60

40

20

00 54321 6

Patienten insymptomatischer

Remission[%]

Zeit nach Therapieende [Monate]

25 %

10 %

Patienten ohne RÖPatienten mit RÖ

ABB. 6 | R E M I S S I O N S R AT E N B E I G E R D - PAT I E N T E N

Patienten in symptomatischer Remission, sechs Monate nachAbsetzen der PPI-Therapie (n = 531).

100

Remission nach6 Monaten

[%]

8p<0,001

Pantoprazol 20 mgEsomeprazol 20 mg

ABB. 7 | E X P O - S T U D I E

Langzeittherapie der Refluxösophagitis: Esomeprazol versusPantoprazol (n = 2766).

0

0,2

0,4

0,6

0,8

1Zufrieden mit Therapie

BedarfstherapieDauertherapie

0,910,86

0,41

0,82

ABB. 8 | N E E D - S T U D I E

Bedarfstherapie versus Dauertherapie. Identische Zufrieden-heit bei unterschiedlichem PPI-Einsatz (n = 598).

AkuttherapieDer Akuttherapie geht in der Regel eine endoskopische Un-tersuchung der Speiseröhre voraus. Findet sich ein unauf-fälliger Befund, muss von einer nicht-erosiven Reflux-krankheit (NERD) ausgegangen werden. Vergrößerungs-optiken und histologische Untersuchung lassen zwarVeränderungen erkennen, die relativ charakteristisch zu seinscheinen und unter einer PPI-Therapie Rückbildungstenden-zen erkennen lassen, doch wird bei der NERD in der Regelauf eine Biopsie verzichtet. Die Therapie der NERD erfolgtmit der halben Standarddosierung über 2 bis 4 Wochen,wobei man initial einige Tage höher dosieren kann. Bei derRefluxösophagitis (ERD) kommt die Standarddosierungüber 4 bis 8 Wochen zum Einsatz, je nachdem, mit wel-

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(siehe natürlicher Verlauf). An die Akuttherapie schließtsich ein Auslassversuch an: Zwar kommt es bei NERD in 75 %bei ERD je nach Schweregrad in bis zu 90 % zu einem symp-tomatischen Rezidiv (Abb. 6), doch benötigt keineswegs jeder Refluxkranke eine Langzeit- oder gar lebenslange Therapie.

Intermittierende BehandlungBei einem Teil der Refluxkranken verläuft das Krankheits-bild in Schüben, ähnlich wie das Ulcusleiden. Liegen dieIntervalle zeitlich sehr weit auseinander, kann eine intermit-tierende Akuttherapie jedes Schubes diskutiert werden, umKosten zu sparen.

LangzeittherapieKommt es nach Absetzen der Akuttherapie zu einem symp-tomatischen Rezidiv, ist eine Rezidivprophylaxe zu disku-tieren. Je schwerer die Refluxösophagitis, desto häufigerund früher ist mit einem Rezidiv zu rechnen, während dieleichteren Formen eine Dauertherapie nur selten oder inForm einer Bedarfstherapie erforderlich machen. Die Lang-zeittherapie erfolgt in der Regel in halber Standarddosierungüber einen Zeitraum von mehreren Jahren (Abb. 7); sie istobligat beim Ulcus oesophagi und der bougierungs-bedürftigen peptischen Striktur, auch um die Bougierungs-intervalle möglichst lang zu halten. In Einzelfällen ist auchzum Remissionserhalt eine höhere Dosierung (volle Dosisoder doppelte Dosis) erforderlich. Zwar kommt es unter ei-ner Langzeittherapie zu einer Hypergastrinämie mit konse-kutiver ECL-Zellvermehrung, doch beinhaltet dies für denPatienten ebensowenig ein Risiko wie ein Abfall des Vita-min-B12-Spiegels, während Eisen- und Calcium-Resorptiondurch die Unterdrückung der Säuresekretion nicht beein-trächtigt werden. Auch eine erhöhte Infektionsgefahr durchWegfall der Desinfektionswirkung der Magensäure ist nichtzu befürchten; über mindestens sechs Stunden herrschtauch unter Therapie mit einem PPI ein pH < 3.

BedarfstherapieBei der Endoskopie-negativen Refluxkrankheit (NERD) so-wie bei leichten Formen der Refluxösophagitis (Los Ange-les A und B) hat sich nach den Untersuchungen von Talleyet al. [6] die On-demand-Therapie bewährt, das heißt, derPatient steuert seinen PPI-Bedarf selbst (Abb. 8). Er geht da-bei nicht nach einem festen Einnahme-Schema vor, sondernnimmt nur dann einen PPI in halber Standarddosierung ein,wenn sich das Sodbrennen wieder meldet. Um die 80 % aller Refluxkranken kommen mit dieser Bedarfstherapie gutzurecht, im Durchschnitt benötigt der Patient auf einen Jah-resverbrauch hochgerechnet nur jeden 3. Tag einen PPI.

ZusammenfassungDie Protonenpumpenhemmer haben die Therapie der Reflux-krankheit der Speiseröhre revolutioniert. Erstmals ist es ge-lungen, die Lebensqualität der erheblich Beeinträchtigten wie-der zu normalisieren. Die Abbildungen 9 und 10 zeigen Fluss-

A B B . 9 T H E R A PI E D E R G A S T RO Ö S O PH AG E A L E N R E F LU X K R A N K H E I T

( G E R D )

Patient mit Refluxsymptomen

Diagnose

RefluxösophagitisRefluxkrankheit ohne

4 – 8 WochenNexium® mups 40 mg/d

Nexium® mups 20 mg/d"täglich"

2 – 4 WochenNexium® mups 20 mg/d

Nexium® mups 20 mg/d"nach Bedarf"

Akuttherapie

Langzeit-therapie

Flussdiagramm zur Therapie der gastroösophagealen Refluxkrankheit nach endo-skopischer Diagnostik.

A B B . 1 0 F LU S S D I AG R A M M Z U R PRO BATO R I S C H E N T H E R A PI E

Stopp

Endoskopie

Keine Endoskopie erforderlich(keine Alarmsymptome etc.)

keine Besserung

Nexium® mups 40 mgfür 1 Woche

Nexium® mups 20 mgfür max. 3 Wochen

beschwerdefrei

nach 1 Jahr

Bedarfstherapie mitNexium® mups 20 mg

Endoskopie

> 1 Jahrandauernd

Ende der Bedarfstherapie nach einem Jahr: entweder Stopp oder Endoskopie.

Eine endoskopische Kontrolle zur Überprüfung des The-rapieerfolgs ist (außer in Studien) nicht erforderlich, wieauch noch einmal betont werden muss, dass endosko-pische Untersuchungen in regelmäßigen Abständen bei derunkomplizierten Refluxkrankheit nicht gerechtfertigt sind

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diagramme des jeweiligen Procedere je nach Schweregrad desKrankheitsbildes. Therapieziel ist primär – auch längerfristigbetrachtet – die Beschwerdefreiheit und der Remissionserhalt.Ob eine Karzinomprophylaxe durch Langzeitgabe eines PPIbeim Barrett-Ösophagus möglich ist, lässt sich noch nicht ab-schließend beurteilen, auch wenn gezeigt werden konnte, dasses unter Therapie mit einem PPI zum Auftreten von Platten-epithelinseln in der Zylinderzellmetaplasie und zur Normali-sierung von Proliferationsmarkern kommen kann. Bei der Reflux-assoziierten Atemwegserkrankung ist die wissen-schaftliche Datenlage nicht so eindeutig. Die Akuttherapiesollte etwa drei Monate praktiziert werden, um eine Laryngi-tis posterior zur Ausheilung zu bringen. Beim Refluxasthmalässt sich eine Verbesserung der Lungenfunktion bei jedem 4. Patienten erreichen, Asthmamedikamente können einge-spart werden. Wahrscheinlich sind jedoch bei den Reflux-assoziierten Atemwegserkrankungen Langzeit-Strategien erforderlich, da wie bei der Refluxkrankheit der Speiseröhre die Therapie mit einem PPI ja keine kausale, sondern eine symptomatische Therapie darstellt.

Zitierte Literatur[1] Bell, N.J.V., Burget, D., Howden, C.W., Wilkinson, J., Hunt, R.H.:

Appropriate acid suppression for the management of gastroesopha-geal reflux disease. Digestion 51 (Suppl. I) (1992), 59-67.

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[3] Johnsson, F., Hattlebakk, J.G. Klinkenberg, A.C. et al.: One-week treatment: An effective confirmatory test in patients with suspectedgastroesophageal reflux disease. Gastroenterology 120 (2001),A426.

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[5] Labenz, J. on behalf of the EXPO-Study Group, Keelin, N., Nauclér, E.et al.: A comparison of esomeprazole 40 mg once daily and panto-prazole 40 mg once daily for the healing of reflux oesophagitis. Gut52 suppl. VI (2003), A241.

[6] Richter, J.E., Kahrilas, P.J., Johanson, J. et al.: Efficacy and safety ofesomeprazole compared with omeprazole in GERD patients with ero-sive esophagitis: A randomized controlled trial. Am. J. Gastroenterol.96 (2001), 656-665.

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[8] Bayerdörffer E. on behalf of the NEED study group, Sipponen, P.,Nauclér, E., Svedberg L.-E., Keeling, N., Eklund, S.: Esomeprazole 20 mg continuous versus „on demand“ treatment of patients withendoscopy-negative reflux disease (ENRD). UEGW 2004, Prague.

Der Autor:Prof. Dr. med. Wolfgang Rösch (geb. 1940), Medi-zinstudium in Erlangen, Berlin, Wien und München;1965 Staatsexamen und Promotion in Erlangen;1965-1967 Medizinalassistentenzeit in Flensburgund Passaic, USA; 1967-1968 wissenschaftlicher Assistent am Pathologischen Institut der UniversitätErlangen-Nürnberg; 1968-1981 Medizinische Uni-versitätsklinik Erlangen-Nürnberg; 1974 Facharztfür Innere Medizin, Zusatzbezeichnung Gastroente-rologie; 1975 Habilitation für das Fach Innere Medi-zin; 1978 Leitender Oberarzt der Medizinischen Klinik der Universität Erlangen-Nürnberg; 1981 C3-Professur für Innere Medizin; seit 1981 Chefarztder Medizinischen Klinik am Krankenhaus Nord-west, Frankfurt/Main; derzeit Präsident der Mittel-deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie.

Anschrift:Prof. Dr. med. Wolfgang RöschMedizinische Klinik am Krankenhaus Nordwestder Stiftung Hospital zum heiligen GeistSteinbacher Hohl 2-2660488 Frankfurt am [email protected]