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(Aus der II. Augenklinik, Wien. -- Direktor: Prof. K. Lindner.) l~ber die Hiiu~igkeit yon Pupillenstiirungen und Augenmuskel- liihmungen vor und nach der Salvarsanbehandlung. Von Dr. A. Yalenta, I)ebrecen. Die genaue Untersuchung des Verhaltens der Pupille und ihrer St6rungen spielte friiher nur bei den Erkrankungen der optischen Bahnen eine wesentliche Rolle. Seit dem Bekarmtwerden des Argyll-Robertson- schen Symptoms wurde dasselbe ffir d~s ganze Gebiet der Erkrankungen des ZentrMnervensystems besonders wichtig. Wenn auch der Argyll- Robertson eine andere Ursache haben kam~, z. B. Trauma oder Erkran- kungen des Zentralnervensystems, ist doch dieses Symptom als das klassische Symptom der MetMues bekannt. Ebenso sind Augenmuskellfi~hnmngen 5fters die Folge yon Erkran- kungen des,ZentrMnervensystems und k6nnen ferner dureh verschiedene toxisehe und infektiSse Noxen ausgel6st werden. Das Auftreten yon L/~hmungen ist jedoch im Alffangsstadium der Tubes und der multiplen Sklerose eine besonders hfiufige Erscheinung. Die infolge der L/~hmung ~uftauchenden stSrencgen Doppelbilder und das auch kosmetiseh aul3er- ordentlich unangenehme Krankheitsbild fiihren den Kranken schon frfih- zeitig zum Arzte; so kommen solehe Kranke fast immer zur Unter- suehung, die wegen ihres Grundleidens z.B. der Lues sonst vielleicht nie einen Avz~ aufgesucht h/~tten. Wenn auch die Augenmuskell/~hmungen diagnostisch keine so wichtige Rolle spielen wie das Argyll-Robertsonsche Symptom, so weist doeh ihr Vorh~ndensein bei sonst negativem Befunde auf eine syphilitische Infektion des Zentralnervensystems him Eine entseheidende Wendung entstand in der Syphihsbehandlung dureh die Einffihrung des Salvarsans na.ch Erlich im Jahre 1910. Wir h~ben uns die Frage gestellt, welche Ver~nderungen das Salvarsan wohl auf die I-I~ufigkeit und den weiteren Verlauf der metaluischen Erschei- mmgen bezfiglich des Auges gehabt habe. Zu diesem Zweeke haben wir mit tIilfe der Ambulanzprotokotle der II. Wiener Universit/itsaugenklinik aus den Jahren 1912 und 1934 vergMehende statistisehe Untersuchungen anges~ellt. Vgir f~nden den Zeitabstand zwischen 1912 und 1934 hin- reiehend, um die Erfolge der 22j/~hrigen Salvarsanbehandiung mit den fi-tiheren tlei]methoden im Spiegel der Statistik zu vergleiehen und, soweit es die Tatsachen erlauben, ~uch gewisse Sehltisse zu ziehen. Die Jahre 1912 und 1934 shld, was die Zahl der ambul~nten F/~lle der oben erw~hnten Klinik betrifft, ungef~hr gleich. 1912 waren 7889, v. Graefes Archly fiir Ophthalmo]og.ie. 146. Bd. 31

Über die Häufigkeit von Pupillenstörungen und Augenmuskellähmungen vor und nach der Salvarsanbehandlung

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(Aus der II. Augenklinik, Wien. - - Direktor: Prof. K. Lindner.)

l~ber die Hiiu~igkeit yon Pupillenstiirungen und Augenmuskel- liihmungen vor und nach der Salvarsanbehandlung.

Von Dr. A. Yalenta, I)ebrecen.

Die genaue Untersuchung des Verhaltens der Pupille und ihrer St6rungen spielte friiher nur bei den Erkrankungen der optischen Bahnen eine wesentliche Rolle. Seit dem Bekarmtwerden des Argyll-Robertson- schen Symptoms wurde dasselbe ffir d~s ganze Gebiet der Erkrankungen des ZentrMnervensystems besonders wichtig. Wenn auch der Argyll- Robertson eine andere Ursache haben kam~, z. B. Trauma oder Erkran- kungen des Zentralnervensystems, ist doch dieses Symptom als das klassische Symptom der MetMues bekannt.

Ebenso sind Augenmuskellfi~hnmngen 5fters die Folge yon Erkran- kungen des,ZentrMnervensystems und k6nnen ferner dureh verschiedene toxisehe und infektiSse Noxen ausgel6st werden. Das Auftreten yon L/~hmungen ist jedoch im Alffangsstadium der Tubes und der multiplen Sklerose eine besonders hfiufige Erscheinung. Die infolge der L/~hmung ~uftauchenden stSrencgen Doppelbilder und das auch kosmetiseh aul3er- ordentlich unangenehme Krankheitsbild fiihren den Kranken schon frfih- zeitig zum Arzte; so kommen solehe Kranke fast immer zur Unter- suehung, die wegen ihres Grundleidens z .B. der Lues sonst vielleicht nie einen Avz~ aufgesucht h/~tten. Wenn auch die Augenmuskell/~hmungen diagnostisch keine so wichtige Rolle spielen wie das Argyll-Robertsonsche Symptom, so weist doeh ihr Vorh~ndensein bei sonst negativem Befunde auf eine syphilitische Infektion des Zentralnervensystems him

Eine entseheidende Wendung entstand in der Syphihsbehandlung dureh die Einffihrung des Salvarsans na.ch Erlich im Jahre 1910. Wir h~ben uns die Frage gestellt, welche Ver~nderungen das Salvarsan wohl auf die I-I~ufigkeit und den weiteren Verlauf der metaluischen Erschei- mmgen bezfiglich des Auges gehabt habe. Zu diesem Zweeke haben wir mit tIilfe der Ambulanzprotokotle der II. Wiener Universit/itsaugenklinik aus den Jahren 1912 und 1934 vergMehende statistisehe Untersuchungen anges~ellt. Vgir f~nden den Zeitabstand zwischen 1912 und 1934 hin- reiehend, um die Erfolge der 22j/~hrigen Salvarsanbehandiung mit den fi-tiheren tlei]methoden im Spiegel der Statistik zu vergleiehen und, soweit es die Tatsachen erlauben, ~uch gewisse Sehltisse zu ziehen.

Die Jahre 1912 und 1934 shld, was die Zahl der ambul~nten F/~lle der oben erw~hnten Klinik betrifft, ungef~hr gleich. 1912 waren 7889,

v. Graefes Archly fiir Ophthalmo]og.ie. 146. Bd. 31

464 A. Valenta:

1934 waren 8158 neue Sehprobenpatienten. Wit waren naeh M6gliehkeit bestrebt, such die Verteilung der Kranken den Wohno~en nach zu berficksiehtigen, abet rim" ein ganz geringer Teil tier Kranken beider Jahre kam yon auswg~ts. Bei der Durehsieht der Sehprobenprotokolle der jghr- lieh ungef~hr 8000 neuen Kranken waren wit bei der Zusammenstellung un_serer Statistik festzustellen bestrebt, wie viele der obigen Kt~nken eine PupillenstSrung oder eine Augenmuskell~thmung au] luischer o&r unbekannter Xtiologie bekommen hatten. In letzterem Falle ja. konnte die luisehe Xtiologie nieht ausgeschlossen werden.

Im Jahre 1912 wurden an der Ktinik 7889 ambnlante Kranken unter- sucht, die erstmalig zur Sehprobe kamen. 182 Personen ha.tten Pupillen- stSrungen und Augenmuskell~hmungen luischer oder unbekannter Xtio- logie, das sind 2,18%. Die Zahl yon Ausgenmuskellghmungen aus anderer siehergestellter Xtiologie war gering. Von diesen 182 zeigten 77 (also 42,3%) PupillenstSrungen und die fibrigell 105, als0 57,7% Augenmuskellahmungen. Vergliehen mit der Zahl s~.mtlieher Kranken haben wit 1,3% }¢[usketl/~hmungen und 0,92% PupillenstSrungen auf luiseher oder unbekannter Basis konstatieren kSnnen. Von den 77 Pati'- enten mJt PupillenstSrungen waren 48 Fglte mit A.rgyll-Robertsonsehem Symptom, bei 29 Ffi.llen fanden wit abet nur Anisokorie ohne reflektorisehe Pupfllenstarre.

Im Jahre 1934 konnten yon 8158 Kranken bei 251, atso bei :1,07% Ptlpillenst/Jrungen and Augenmuskell/ihmungen luiseher oder u nbekannter Xtiologie diagnostiziert werden, Baron waren m~ter 251 FNlen bei 198 Pupillenst6rungen (78,8%) trod nur bei 53 F~ilen Augenmuskei- 1/~hmungen (21,I%). Im VerhNtnis zur Gesamtzahl der Kranken be- deutet dies, dab die Pupillenst6rungen bei 2,4% der F~ille, die Augen- muskell~hmungen aber bei 0,65% festgestellt werden konnten. Wit miissen also hervorheben, d~I] wit im gahre 1912 48, 1934 52 FNle mit Argyll.Robertsonschem Symptom gefunden haben. Wenn Mr das auf die gesamte KrankenzahI beziehen and in Prozent. ausdriieken, so wurde in beiden Jahren bei 0,6% der F~lle das A'~yyll-Robertsonsehe Symptom festgestellt.

Wenn wit die Ergebnisse vergleichen, mfissen wi~" hervorheben, dab die zuf/~Ilige, abet doeh vollkommene [~bereinstimmung der Zahl der F/i.lle mit Argyll-Robertsonsehem Symptom zweifellos iiberrasehend ist. Vor atlem, wenn man beriieksichtigt, dab seit 22j/ihriger Behandlung der Lues mit SMvarsan die Zahl der FMIe mit A~yylt-Robertsonschem Symptom doeh kaum vermindert war.

Die andere auffMtende Erscheinung ist, da$ im Jahre 1934 die Pupillenst6rungen im VergMeh zu den Augenmuskell~hmungen an Zahl stark zugenommen haben. M it Hinsieht darauf, dab aul3erordentlich viele Faktoren auf die Weite and Enge der Pupille einwirken, mfissen wir bei der Feststelhmg der Ursaehen der PupillenstSrungen sehr sorg-

it~ufigkeit yon Pupillens~6rungen. 465

f~ltig sein. Wenn Mr nur die Innervierung des Irissphineters und des Dilatators bGriieksiehtigen, linden Mr, dag sehr viGle Kr~nkheiten des pgrasympathisehen oder sympathisehen NervGnsystems gGMsse VGr- schiebungen des G1eiGhgGwiehts bewh'ken (Erkr~n&ungGn des Zenttal- nervensystems, der ~ e r e n SekrGtionsdriisGn usw.) und dadureh sGhr oft Anisokorie zur Folge haben. ~¥h" miissen z. B. dabei aueh an Erkran- kungen dGr LungGnspitze und des Medi~stinums dGnken. Bei akuten KreisvGrlaufsinsuffizienzen (sowie Pneumonie, Pleuritis, Typhus usw.) kSnnen wir auch Anisokorie linden; ebenso kann sie ein Begleitsymptom bei tterzleiden, Aneurysma der Aorta, Skorbut und Neur~sthenie sein. In allen diesen Fgllen ist die Ursache der Anisokorie entweder der Druck auf den Halssympathieus oder sie ist eine periphere-sympathische Wir- kung, welters kann dig Ursache eine toxiseh-infektiSse, mydriatische Giftwirkung sein. Dem entsprechend haben auch wir unsere Anisokorie- f/~lle einer sorgfMtigen und genauen Priifung unterzogen.

1912 1934 10 Lues 9 Lues 1 Strums 11 kong.

2 9 ( t loc. Erkrank. 146-./~1 Tetanie Anisokorie \ I 5 unbekannt, Anis°k°rie~l Parkinsonismus

"~- 2 AkromegMie t0 Katarakte 1 Neur, retr,

1 Morbus sacer t7 loc. Erkr~nk. 104 unbekannt / / \

26 Katara,kte 9 Strab. "~,, \ ,

1 Hemianopie

Wie aus der %~belle hervorgeht, gelang es uns im Jahre 1912 bei 29 F~llen mit Anisokorie in 10 F~llen, im Jah re 1934 aber bei 146 in 9 F~llen die LuGs mit Wahrschein]iehkeit als Atiologie nachzuweisen. Wir k6nnen aber eine geringe Anisokorie auch im Zusammenhang mit Katarakt , Maeulae eorneae, AugengTundver~nderungen, Degeneration der Maeula lutea und bei teils in geringGrem, teils in hSherem Mage vor- handener Anisometropie naGhweisen. Den gtiologisehen Zusammenhang diesGr Erscheinungen kSnnen ~dr M1Grdings nut sehwGr sieherstellen; so versueht aueh B e h r 1 dig in manehen interessanten hemi~nopisehen FNlen auftretGnde Anisokorie mit der besonderen Funktion der Pupillenfasern zu erkl~ren, die ~us dGm noeh t~tigen TGilG der Retina ausgehen. NaGh R i z z a t t i s ~ UntersuGhungGn kann GS im GrGisenalter 1GiGht zur Myosis, Anisokorie, Dyskorie oder Verlangsamung des PupillarrGflexes kommen. Dieses myotisch-p~rMytische Syndrom sei eine dysvegGtative Erschei- nung. DeshMb kann die Anisokorie bei seniler Katarakt ein dysvege- tatives, seniles Symptom sein. Es ist uns nieht gelungen, im J~hre 1912

31"

z~66 A. VMen~g:

yon 29 F/~llen bei 4 Pa~ienten, im Jahre 1934 yon 146 F~llen bei 68 F~llen eine solehe organisehe oder funktionelle Ver~ndertmg an dem Kranken nachzuweisen, a,us der wir auf die Xtiologie der Anisokorie sch]ieBen kSnnt,en.

Nach der heutigen Erkl~rung des Infektionsverlaufes der Lues im Zent,rMnervensystem mug wieder die MSglichkeit auft, auehen, dag ein gewisser Teil der Anisokorien wahrscheinlieh auf syphilitiseher Basis beruht.. Meyer 3 hat bei 74 Syphiliskranken in 18F~llen eine ~rgge Pupillenreaktion, in 13 Fgllen aber Anisokorie ohne Liehtstarre gefunden. Der Beobachtung Jof froys ~ naeh ist vor dem Auftreten des Argyll- Robertsonschen Symptoms die Unregelm~igigkei~ der Pupillen zu beob- ~cht, en. Das sei als erstes Symptom der Asynergie des Irisinnervation zu werten, also Ms erste Phase der Erkrankung der Irishn~erva.~ion, die sparer zur AbnMtme des Liehtreflexes, zur Liehts~arre und zulet.z~ zur ~ota.len Sta,rre f~ihrt. Behr 5 h~t nachgew~esen, dal3 die einzelnen Segment, e sieh uieht gteiehf6rmig zusammenziehen; in' langsamen wurmartigen Be- wegungea zieht sieh zuersc nut die eine tt/~lft, e zusammen, bis endlieh die ganze Pupille start bleibt. Bekarmtlich maeht die Pupille sine feine rhythmisehe oszillierende Bewegung; diese feinen oszillierenden Bewe° gungen ~lehmen bei dan gerings~en StSrungen der Pupillenimlervat, ion ab und sie versehwinden Mhnghlieh: z .B. stufenweise bei der Tabes, bzw. bei Paralyse einschliel~lieh des Liehtreflexes. Nrach Boucltard ~ kon- trahiert sieh die Pupille durch das ins Auge fMlende Lieht bei manchen F~llen yon postneuritischer Sehnervenatrophie, da jene Bahnen, die zu den Pupillenkernen ftihren: widerstandsf~higer sind als jene, die zu den vi- suellen Zent.ren fiihren. Demgegeniiber sind bei der frtihen syphilitisehen Infektion des ZentrMnervensystems die Pr~dilekgionsorte der syphilitisehen Noxe der Tractus op~ieus und die zwisehen den Pupillenkernen liegenden feinen Bahnen. Neat v hat, darauf hingewiesen, dM3 die Spiroeh~t,en sehr bMd ngeh der I~ffektion in grol~er Menge im Liquor eerebrospinMis auf- ~ret.en. Der spiroehgtenhMtige Liquor iiberstrgm~ das Gebiet des I I I . Ven- t,rikels und verursaeht die Funktionsverminderung der benaehbarte~ B~hnen und dadureh zeig~ sich die Erkrankung an Ta, bes vor Aufgreten der ~ypisehen Symp~ome sehon um 15 20 Jahre frtiher, wie es aus der Besehreibung ErS.No~.znes s hervorgehto Nagiirlich reihen sieh s p ~ e r zu den Pupillensymptoraen' a ueh a ndere' Symp~ome. so z. B Augenmuskel- lghmungen usw., die diese Diag3~ose dann erh/~rteno Abet mehrmMs ha.~ m~n aueh solehe F~.lle besehrieben, bei denen die Lues Pupillen- s~arre oder eine andere PupillenanomMie verm'saeh~ hat mad darauf dutch sehr viele Jahre kein ~nderes Sympt.om auftrat. Wie Ganser" glanbt,~ ist in solehen Fgllen der luisehe Kr~nkheitsverlauf auf einer gewissen St,ufe stehen geblieben. Dargus k6nnen wir sehliegen, dM3 wahrseheinlieh ein Tell der PupillenstSrungen, die/~tiologiseh nieht, voll- kommen gekl/irt werden kSnnen, aueh im Palle einer negativen Wa,.]~.

H~ufigkeit yon PupillenstOrungen. 467

luiseh sind. Im Zusammenhang mit der V¢'~.I~. mfissen wir die Unter- suchungen Albrechts 1° erwahnen. Albrecht land bei 236 Paralytikel~n ha 100%, bei 323 Tabikern ha 90% der Falte einen positiven Liquorbefund. Bei 315 Fallen yon Lues cerebri ergab sich nut ein Fall yon primarer negat.iver Re~k~ion. Demgegeniiber war tier Liquor bei 31 Syphilitikern mit isolierter PapfllenstSrung in 12 Fallen nega.tiv. Wh" haben d~her stets auf die fehaeren Veranderungen der PupfllenstSrung zu achten und miissen den Kr~nken im Falle eines sicheren Argyll-Robertsonschen Symptoms ~ls Syphiliskranken behandeln.

Wie wir sehon ]ri der Einleitung dar~uf hhagewiesen haben, geh6ren die Augenmuskellahmungen zu den wiehtigsten Anfangssymptomen der Tabes. Sie deuten ahnlich wie die Pupillenst6rungen darauf bin, daft zw~r noeh keine Tabes besteht, dab abet das Zentralnervensystem solon dutch Spiroeh~ten infiziert win'de. Wenn wk' beobachten, wie sich die Verhaltnisse in bezug ~uf das Vorkommen der Augenmuskellahmungen wahrend der 22 Jahre seit der Eirdiihrung der S~lvarsanbehundlung ge- andert haben, sehen wir, da.8 im Jahre 1912, wenn why die Anz~hI aller Kr~nken berfieksiehtige'n, in 105 Fallen Augenmuskell£hmungen gefunden ~arden, das sind 1,3%. Aus den 105 Fallen war bei 47 Kranken die :4tiologie zweifellos Lues. In 58 Fallen w~r die ~t, iotogie nicht zu ent- i'gtseln. In ehazelnen Fallen d~irfte a, Is "4tiologie Encephalitis, R.heuma- tismus, Nephritis etc. anzunehmen sein. Wenn wfi- die Gesamtzahl der Augenmuskellahmungen ha Betr~eht ziehen, k6nnen wir nut 41,8% in die Gruppe der luischen Infektion einreihen, wahrend im Vergleich dazu bei den PupillenstSrungen die Syphilis in 75,3 % als Krankheitsursaehe vorlag.

Im J~hre 1934 haben wit bei 53 Fallen des gesamten Kra~tkengutes Augenmuskell~hmung gdunden, ct~s shad 0,65%. Im Vergleieh zu dem J~hre 1912 bedeutet dies, dM3 die Zahl der Augemnuskell~hmungen nach 22 Jahren SMwrsantherapie genau um die Halite reduziert wurde. N~ch Bielschowsky u h~tte die Lues ha der Atiologie der Atusgenmuskel- lahmungen mit 50---60 % Antefl. In der letzten Zeit, sank diese Zahl auf 30%, die epidemische Encephalitis jedoch hat bis 14% zugenommen. Es geI~ng uns beJ 8 Patienten yon 53 Fallen Lues n~ehzuweisen; einige F£11e, bei denen Diabetes, 3forbus P~get, Parkir, sonismus, Entwicklungs- stSrungen oder Tumor festgesteIlt werden konnten, wurden abgerechnet. Bei 38 Fallen blieb jedoeh die At4ologie vollkommen ungekl&rt.

Was die weitere Ver~eilung der Augenmuskellghmungen betrif~ so warenes im Jahre 1912 in 68,5% und im J~hre 1934 in 56,5% Oculo- motoriusparesen. Die Lahmungen des Oculomotorius zeigten sieh einer- seits in den isotierten Ltthmungen der you diesem Nerven innelwierten ehazelnen Muskeln, andererseits abet in der Lghmung der Muskelgruppen, die yore Oculomotorius versorgt werden, in anderen Fallen konnte aber eine Kombination mit dem Abducens oder Trochlearis gefunden werden.

468 A. Va,lenga:

Im Krankengut des Jahres 1912 fanden wir 6,6% Trochlearislghmungen und 24,7% Abducensl~hmungen. Dem entsprechen im Jahre 1934 die folgenden Angaben: 5,6 % Trochlearis- bzw. 35,8 % Abducenslghmungen.

Wir teilen die Augenmuskell~hmungen in corticale, supranueleare, Kern-, Wurzel-, Stature-, orbitMe und myogene L~hmungen eim Es handelt sigh bei der ersten Gruppe um ~4_ffektionen der Rinde, bei der zweiten um die La.sion der yon der Rinde zu den Kernen laufenden Fasern, bei der Kernl~hmung am die Erkrankung der Ganglienzellen- gTuppe des Nervenkernes, bei der Wurzell~hmung um die Fiihrungs- unterbrechung der die einzelnen Muskelkerne verbindenden Yasern- ~uppe. Bei der Stamml~sion spie]~ die Wurzell~sion der betreffenden Wurzel eine golle, bei den orbitalen und myogenen L~hmungen sind pe~iphere Noxen die Ursache der Erlcvankung.

Bei der Lnes sitzt die L~sion fast regelmgBig in der Kerngegend. Bei einem Falle haben wir neben Argyll.Robertsonsehem Symptom noeh eine Lghmung des Musculus rectus sup. et inf. an beiden Augen gefunden. Es konnte auch das symmetrisehe Anitreten der L~hmung des Abdueens, das nach Cantonnet ~2 auBer fiir Diabetes besonders fiir die Tubes eharakte- ristiseh sei; weiterhin die Kombination des Abducens und des Troch- learis gefunden werden. Bei einigen F~llen mit Akkommodations- lghmungen war eine luische Xtiologie naehweisbar. Erw~hlmngswert ist das Vorkommen d er isolierten einseitigen Troehlearisl~hmungen in 6,6 % bzw. im Jahre 1934. in 5,6%, da dies naeh den Angaben der Literatur Bin sehr seltenes K_vankheitsbild ist. Als Ursa, ehe dessen wh'd Blutung, Diabetes, Intoxikation, Trauma erw~hnt. Na, eh Bielschowslcy ~ ist die besonders in der letzten Zeit zunehmende H/~ufigkeit der Troehlearis- l~hmung wenigstens zum Tefl der Einffihrung der Kilian-Operation zu- zuschreiben. Von Webster 1~ ist in dem Zusammenhange mit luiseher Infektion eine isolierte einseitige Trochlearislg,hmang besehrieben worden. Wh" haben auch in 2, solchen F~llen Syphilis Ms Krankheitsursaehe naeh- gewiesen. Eine einseitige isolierte OphthMmoplegie int. kgm in unserem Kr~nkengat im J~hre 1912 in 1, 1934 in 2 Fgtlen vor. Die fiir die Kernl~hmung wahrseheinlich ehar~kteristisehe totale OphthMmoplegie wurde yon uns im Jahre 1912 in 5, im Jahre 1934 in 2 F~llen gefunden, d.h. in 4,7 bzw. 3,7 %.

Es mug angenommen werden, dM~ ein Tell der Muskellghmungen Kernl~hmungen sind. Die Lghmungen der veto Oculomo~orius inner- vierten einzelnen Muskeln kSnnen ~uch im Falle des Wurzelfaserl/ision ein ~hnliehes Krankheitsbild zeigen. So z. 13. sind die aueh yon uns "in mehreren F/~llen gefnndenen Kombinationen mit Abdueens und [i¥oeh- learisl~,hmung dureh die L/~sion der benaehbarten St£mme ztt erkl/~ren. Die in mehreren FNlen gefundenen synmaetrisehen L/~hm.ungen sind aueh Ms einseitige L~sionen der Rindengebiete, der supranuelearen B~hnen

H~uiigkeit yon PupillenstSrungen. 469

oder der assozi~tiven Zentren aufzufassen. Gteichzeitig mit den Kern- l~hmungen karm bei der Tabes auch eine periphere Neuritis des Nerven- stammes beobaehtet werden. De]erine 1~ hat bei Tabes beidseitige Ptosis beobaehtet, ohne Beteiligung der anderen Oculomotorius~ste. Unter den l~Iuskell/i~hmungen aus dem Jakre 1912 konnte eine symmetrische Ptosis getunden werden, doch war eine Syphilis nieht mit Sicherheit nach- zuweisen (Wa.R. neg.). Es wird yon De]erine 15, Marina 16, Vigouroux, Fourmand 17 betont, d~f~ ~uch bei der Tabes meist eine periphere Neuritis neben der prim/~ren Kernclegeneration vorkommt~ und zwar eine retro- bulb~re Iqeuritis, die eine progressive Sehnervenatrophie zur Folge haben kann.

Verh~ltnism/~[tig bald nach der luischen Infektion sind die Spiro- ch/~ten ira Liquor nachweisbar. Die toxischen Einfltisse verursachen natiirlich lficht nur eine Kernaffektion; doch sind die auf dem Boden des dritten VentrikelS liegenden Augenmuskelkerne am meisten den to~/isehen Sch~den ausgesetz~, i~Iach Buzzard is verursaeht das Toxin miliare Blut- ergiisse nahe dem Abdueenskerne oder aueh eine Ependymverdiekung und sp/~ter auSer diesen Koraplikationen auch eine periphere Neuritis. Bei solchen F£11en ist die topische Diagnose der L~hmungen aueh weiter- hhl nieht mSglich. Man kSnnte annehmen, d~l~ die AntikSrper dem toxisehen EinfluB gegeniiber noch standhalten, wenn abet die Produktion der AntikSrper zu gering wird und dadurch die Abwehrkraft erlahmt, linden wir schlieBhch die Augenmuskell~hmung als Dauerseh~den.

Die virulente Lues verursacht am Anfang Entziindungserscheinungen, die gewShnliehe dutch e~le Salvarsankur giinstig beeirdluBt werden, da- gegen bewirkt wahrscheinlich d~sselbe Vfi'us bei der Tabea und der Paralyse einen aller Behandlungen trotzenden degenerativen Verlauf. Wenn wit die 22 Jahre zwisehen 1912 und 1934 beziiglieh der Wirk- samkeit der Salvarsanbehandlung statistisch vergleiohen, miissen wir die Abnahme der Augenmuskellghmungen um 50 % ~ls zweifellose Tat- saehe feststellen. Dagegen mfissen wit auf die starke Zun~hme der PupillenstSrungen hinweisen, n~mheh von 0,92% auf 2,4%. Ein Teil der le~zteren k~nn aueh im Falle unbekannter ~tiologie als Lues ~n- gesprochen werden. Es ist besonders zu betonen, dab der negative Aus- fall der Wa.R. keinesf~l]s Lues ausschlieBtt weil bei zahlreiehen aus- gesproehen luisehen F ~ e n mit sicheren S3nnptomen, ja mit posi~iver Anamnese, aueh wiederholte Blutuntersuchungen negativ geblieben shad. Die Zunahme der PupfllenstSrungen, wghrend des Zei~raums yon 22 Jahren weist darauf hin, dab das Kerngebiet der Pupille fiir das syphilitische Toxin am wenigsten widerstandsf~hig ist. DemgemgB sind die PupillenstSrtmgen unbek~nnter ~tiologie unter st~ndiger Kontrolle zu halten und wenn der ldeinste Verdacht einer luisehen Affektion vor- liege, sind solehe P~tienten sofort als Lueskranke zu behandeln.

'~70 A. Valenta: H'~ufigkeit yon Pupille~st6runge~l,

Zusammen/assung.

Wit habei~ aus den a m b u l a n t e n Protokollen der II . Wiener Augers. klinik des Jahres 1912 u n d des Jahres 1934 die D a t e n solcher Pa t i en ten mit AugenmuskeUahmungen und Pupfl lenstSrungen gesammelt , bei denen die ~tiologie der E r k r a n k u n g luisch oder ungekl~rt erschien, u m die Auswirkung der Salva.rsantherapie auf diese luischen AugenstSrungell zu ermit teln. W~r mfissen auf Grlmd der vergleichenclen Unte r suchungen der Ambulantpro tokol le feststellen, dait d i e Zahl der F~tle mit~ Augen- muske l l~hmungen luischer oder u n b e k a n n t e r ~tiologie im Jahre 1934 im Vergleich zum Jahre 1912 u m 50% a.bgenommet~ hat, dagege~ die Zahl der F~lle mi$ Pupi l lens t5rungen luischer oder u n b e k a n n t e r ~t iologie fast auf ds~s 3la the gestiegen ist. Die Zahl der F~Llte mi~ ausgebildetem ArgylLRobertsonschen S y m p t o m ha t sieh jedoch nicht vermindert..

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