7
l~ber die Innervation von Carcinom. Von Ambrosius Abraham, Szeged. Mi~ 4 Textabbildungen. (J~ingegangen am 11. August 1939.) Alle Forscher, die bisher den Zusammenhang zwischen Carcinom und :Nervensystem zu efforschen versuchten, gaben fast einstimmig der Meinung Ausdruck, dal~ das Carcinomgewebe keine eigene :Nerven- versorgung hat. :Nach ihrer Meinung sind diejenigen Fasern, die mit Nervenuntersuchungsmethoden stellenweise sichtbar gemacht werden konnten, nur Fasern des Stromas, die zu den frisch einwaehsenden Krebszellen in keiner Beziehung stehen. W~hrend die Mehrzahl der Forseher diesen negativen Standpunkt einnimmt, finden wir im Sehrift- turn nur ganz vereinzelt J~ul~erungen l~ut derer zwisehen den Krebs- zellen und dem Nervensystem ein innerer Zusammenhang steht. In diesem Sinne ~ul~ert sich zuerst Itchikawa und neuerdings H. Oertel, der in seiner unl~ngst erschienenen Mitteilung folgendes sagt: ,,Mature and immature human tumour tissues are innervated and that this inner- ration applies to bloodvessels and also to the stroma and parenchyma of the growing tumour." DaB sich die Forscher dieser Auffassung Oertels nicht ~ngesehlossen haben, hat nach meiner Meinung zwei Hauptursaehen. Der eine Grund ist, da~ die yon Oertel verSffentlichten Mikrophotographien nieht aus- nahmslos beweiskri~ftig erscheinen, denn man finder unter diesen auch solche, an denen das Auge des Faehmannes kaum solche Gebilde wahr- zunehmen vermag, die mit Bestimmtheit fiir Nervenfasern erkl~rt werden kSnnen, obzwar auf einigen Bildern zweifellos Fasern zu beob- achten sind, dig ganz bestimmt als Nervenfasern betrachtet werden miissen. Der zweite Grund, der die Anerkennung Oertels Auffassung ver- hindert, ist der, dal~ in seinen mir bekannten beiden Arbeiten kein einziges Bild vorhanden ist, aus welehem die Verbindungsart der jungen ~ervenfasern des Krebsparenehyms mit dem •ervenstamm des Stromas ersiehtlich w~re. Nun w~re aber gerade die Demonstration solcher Bilder sehr wichtig, aus denen der Ursprung der Nervenfaser hervorgeht, die sich im Parenehym befinden. DaB ich reich trotz den ffiiher erSrterten Liickenhaftigkeiten yon Oerteis Mitteilungen doeh seiner Meinung anschlieBe, hat seinen Grund einerseits darin, daI~ ieh als Nervenforseher keine prinzipiellen Sehwierig- keiten darin erblieke, dab in das Krebsgewebe neu sprossende Nerven- f~sern hineinwaehsen kSnnen. Andererseits fiberzeugten reich auch

Über die Innervation von Carcinom

Embed Size (px)

Citation preview

l~ber die Innervation von Carcinom. Von

Ambrosius Abraham, Szeged.

Mi~ 4 Textabbildungen.

(J~ingegangen am 11. August 1939.)

Alle Forscher, die bisher den Zusammenhang zwischen Carcinom und :Nervensystem zu efforschen versuchten, gaben fast einstimmig der Meinung Ausdruck, dal~ das Carcinomgewebe keine eigene :Nerven- versorgung hat. :Nach ihrer Meinung sind diejenigen Fasern, die mit Nervenuntersuchungsmethoden stellenweise sichtbar gemacht werden konnten, nur Fasern des Stromas, die zu den frisch einwaehsenden Krebszellen in keiner Beziehung stehen. W~hrend die Mehrzahl der Forseher diesen negativen Standpunkt einnimmt, finden wir im Sehrift- turn nur ganz vereinzelt J~ul~erungen l~ut derer zwisehen den Krebs- zellen und dem Nervensystem ein innerer Zusammenhang steht. In diesem Sinne ~ul~ert sich zuerst Itchikawa und neuerdings H. Oertel, der in seiner unl~ngst erschienenen Mitteilung folgendes sagt: ,,Mature and immature human tumour tissues are innervated and that this inner- ration applies to bloodvessels and also to the stroma and parenchyma of the growing tumour."

DaB sich die Forscher dieser Auffassung Oertels nicht ~ngesehlossen haben, hat nach meiner Meinung zwei Hauptursaehen. Der eine Grund ist, da~ die yon Oertel verSffentlichten Mikrophotographien nieht aus- nahmslos beweiskri~ftig erscheinen, denn man finder unter diesen auch solche, an denen das Auge des Faehmannes kaum solche Gebilde wahr- zunehmen vermag, die mit Bestimmtheit fiir Nervenfasern erkl~rt werden kSnnen, obzwar auf einigen Bildern zweifellos Fasern zu beob- achten sind, dig ganz bestimmt als Nervenfasern betrachtet werden miissen. Der zweite Grund, der die Anerkennung Oertels Auffassung ver- hindert, ist der, dal~ in seinen mir bekannten beiden Arbeiten kein einziges Bild vorhanden ist, aus welehem die Verbindungsart der jungen ~ervenfasern des Krebsparenehyms mit dem •ervenstamm des Stromas ersiehtlich w~re. Nun w~re aber gerade die Demonstration solcher Bilder sehr wichtig, aus denen der Ursprung der Nervenfaser hervorgeht, die sich im Parenehym befinden.

DaB ich reich trotz den ffiiher erSrterten Liickenhaftigkeiten yon Oerteis Mitteilungen doeh seiner Meinung anschlieBe, hat seinen Grund einerseits darin, daI~ ieh als Nervenforseher keine prinzipiellen Sehwierig- keiten darin erblieke, dab in das Krebsgewebe neu sprossende Nerven- f~sern hineinwaehsen kSnnen. Andererseits fiberzeugten reich auch

{3ber die Innerwtion yon Ca, rcinom. 471

meine eigenen Untersuehungen, die ich an Nasenkrebs durehfiihrte und unten nigher besehreiben werde, davon, dab das Krebsgewebe eine ebenso reiehe Nervenversorgung hat, wie die normalen Epithelgewebe.

In der Tatsaehe, dal~ die Nervenfasern in alas Krebsgewebe hinein- waehsen k6nnen, finde ieh schon deshalb keine Sehwierigkeiten, weil meine auf fast das ganze Tierreieh und aueh auf fast si~mtliehe Organe des Mensehen sieh erstreekende Nervenuntersuchungen reich davon iiberzeugt haben, dab die peripheren Nervenfasern in den Epithelien stgndig waehsen, an ihren Endigungen fortw/~hrend abnehmen, oder mit dan Epithelzellen zusammen verhornen und ihre verhornten Enden sieh allmi~hlieh abl6sen. Ein beweiskri~ftiges Beispiel liefert dazu die Gaumen- sehleimhaut der lq'r6sehe, in der die yon dem subepithelialen Nerven- gefleeht ausgehenden zahlreiehen naekten Nervenfasern dureh das mehrsehiehtige zilientragende Zylinderepithel hindurehdringei~ nnd dann an der OberfI/~ehe frei enden. Diese Nervenendigungen sterben und 16sen sieh selbstredend mit den Epithelzellen zusammen ab, und die Fasern waehsen yon unten fortw~hrend naeh. Derartige Erseheinungen sind aueh in der Hau t der Eideehsen zu beobaehten, deren Epidermis viele sehr fe ine intraepitheliale Nervenfasern enthi~lt, die yon dem eorialen Nervengefleeht ausgehen und zwisehen den Epithelzellen in kMnen K6pfehen frei enden. Da nun in den oberen Epidermissehiehten ein stgndiger Verh0rnungsvorgang sta~tfindet, so ist es selbstverst/~nd- lieh, dM~ aueh die Endigungen der intraepithelialen Nervenfasern ver- hornen und yon unten fortwi~hrend nachwachsen. Dasselbe ist aueh in der Epidermis der S~ugetiere zu beobaehten, wo besonders an einigen t tautstellen auffallend seh6ne Beispiele zur Beurteilung des Zusammen- hanges zwisehen Epithelzellen und Nervensystem vorhanden sind. Von besonderem Interesse ist in dieser t t insieht die Nasenhaut des Maul- wurfes, die an Nerven sehr reich ist und somit ein ganz besonders emp- findliches Tgstorgan ist. An der Nasenhaut des Maulwurfes sind ngm- lieh - - wie dies aus i~lteren Untersuehungen bekannt ist - - nieht weniger, als 5000 mit der Lupe gut wahrnehmbare sehwarze Piinktehen zu beob- aehten; unter jedem Piinktehen enden I5- -30 Nervenfasern, die biindel- artig die ganze Dicke des Epithels durchdringen (Abb. 1). Ein solehes Nervenbiindel wird mit dem dazu geh6renden Nervenstgmmehen zu- sammen Eimersehes Organ genannt. Die einzelnen lq'asern des Biindels sind - - wie dies an der Abb. 1 sehr gut zu ersehen ist - - versehieden dick, haben einen wellenartigen Verlauf, enden frei, in versehiedenen II6hen der oberen Epithelsehichten im St ra tum granulosum bzw. S t ra tum lueidum, oder abet ganz oberfl/~ehig in der IIornsehieht selbst. Da nun die Epidermis aueh sehon wegen ihrer Lage in ihrer Dieke sti*ndig zunimmt und an der Oberfli~ehe verhornt, so ist es ganz natiirlieh, dab sieh dieser Vorgang aueh auf die Endteile der

472 A. Xbrah~m:

Nervenfasern ausdehnt, womit das st/tndige yore Zentrum ausgehende periphere Wachsen in Zusammenhang stehen mu l l

Abb. 1. Talpa europaea L. Schnitt dutch die :Nasenhaut. E i m e r s c h e s Organ. e p = epidermis; c o = corium; n = Nervenfaser; n e = :Nervenendigung. Silbermethode nach B i e l s c h o w s k y .

Eine/~hnliche Erscheinung k6nnen wir auch bei anderen S/~uge~ieren beob~chten, z. B. in der ~asenhaut des Igels, Rindes und Hundes. I t ier linden wir auch - - allerdings nur angedeutet - - Eimersche Organe und

i J b e r d i e I n n e r v a t i o n y o n C a r c i n o m . 473

daneben sehr viel solche diinnere oder dickere intraepitheliale Fasern, die in den oberen Epidermissehichten frei enden (Abb. 2). Der Verlauf dieser Nervenfasern ist besonders in den oberen Schiehten des Epithels ziemlich wellenartig und zeigt viele Knoten, die gegen die Nervenenden allm/~hlich grSBer werden. Die Nerven- laser geht - - wie dies aus Abb. 2 ersieht- lieh ist - - dutch die Lficken zwischen den Epithelzellen zur Epitheloberfl~tche, schmiegt sich mit den Knoten an einige Epithelzellen an und endet, dann frei. Es ist ganz selbstverstandlich, dab das Gedeihen und Vergehen der Nervenfasern mit dem je- weiligen Zustand der oberen Zellenreihen d er Epidermis eng verkni~pft ist und damit die Fasern mit den Epithelzellen zusam- men an der Peripherie verhornen kSnnen.

All diese Beispiele, die sehr leicht noeh um andere, aus verschiedenen Organen versehiedenster Tiere vermehr t werden kfnnten , beweisen meines Eraehtens ge- nfigend deutlieh die Tatsache, dab die Lebenserscheinungen des normalen Epi- thelgewebes und der Nervenfasern mit- einander engstens verknfipft sind und Ver~nderungen, die sich in der Epidermis abspielen, in ihrer Folge such Ver/~nderun- gen im Nervensystem hervorrufen. Wenn dies abet d er Fall ist , so sind wir gezwtmgen, anzunehmen, dab ebenso wie die in das Krebsgewebe hineinwaehsenden Blur- und Lymphgef~f~e innerviert sind, so such das Krebsparenehym selbst mit ~qervenfasern versehen is~, die sieh yon zentralen S~/s

Abb. 2. Canis familiaris L. Schni t t chert fortsetzen, oder aus diesen seiflich her- durch die Nasenhant. ep = epidermis; vorsprossen und in den Krebs eindringen. ~ = Nervenfaser; kn = Knote; ne =

Nervenendigung. Mit diesen theoretisehen Uberlegungen Silbermethode nach Bie~schowsky.

stehen die Ergebnisse meiner Untersuehun- gen fiber die Innervat ion des Nasenkrebses, die ich w/~hrend der letzten zwei Jahre in meinem Ins t i tu t durchffihrte, in vollem Einklang. ]gas Untersuchungsmaterial, sowie such andersartige Geschw~ilste, wurden mir in freundschaftlicher Weise dureh I-Ierrn Oberarzt Dr. J . dFodor, da- maliger Assistent der I I . Chirurgisehen Klinik der Kgl. Ungar. P~zmSny Pdter-Universit/s in Budapest zur Verffigung gestell~ und zwar in Form

474 A. 2[brah~m:

nach meiner Vorschrift fixierter Geffierschnitte. Ich mSchte auch an dieser Stelle Herrn Dr. J. Fodor meinen herzlichsten Dank ~ussprechen.

Abb. 3. Homo sapiens. :Nasenkrebs. Durchschnit~ des Schwulstes. n s = Nervens tamm; n = Nervenfaser; s / = sprossende Nervenfaser; n e = Nervenendigung; k z = Krebszelle.

Silbermethode nach ~ i e l s c h o w s k y . Yergr. 2400.

Zur Sichtbarmachung der Nerven habe ich die BielschowMsysche Schnittimpr~tgnierungsmethode mit ~achvergoldung verwendet, die ich etwas abge~ndert habe. Das Ergebnis war schon beim ersten Versuch

~ber die Innervation von Carcinom. 475

ganz befriedigend, indem all die Nervenelemente, deren Sichtbarwerden zur Entseheidung der Innervationsffage unbedingt erforderlieh erschien, ausgezeiehnet impr~gniert wurden. Gleieh am Anfang meiner Unter- suehungen gelang es mir, festzustellen, dab im Krebsgewebe ziemlich h~ufig Nervenfasern yon verschiedener Dieke und manehmal wellen- artigem Verlauf auftreten, die sieh ste]]enweise aueh verzweigen und m a n c h m a l - - wahrscheinlich als pathologische Vergnderungen - - kleinere oder grSBere, oft recht regelm/~Bige Knoten aufweisen. Der Ursprung dieser Fasern ist wahrseheinlich nicht einheit]ich. Es ist ngmlieh mSg- lich, dab einzelne l~asern dem I~ervensystem des Stromas angehSren, doeh es ist aueh bestimmt - - wie wir dies sparer sehen werden, - - dab es auch solche 1Xervenfasern gibt, die erst sparer in das Parenehym hineingewach- sen sind (Abb. 3). DaB es tatsachlieh solehe Nerven- fasern gibt, die neu in das Parenchym eingesproBt sind und somit also das Krebsgewebe zweifellos eine eigene l~ervenversorgung hat, stellt Abb. 3 tiberzeu- gend dar. Aus dieser Ab- bildung kSnnen wir er-

Abb. 4. Homo sapiens. Nasenkrebs. Durchsehnit~ des sehen, dab aus einem grSBe- Schwulstes. n = Nervenfaser; n e = ]qervenendigung;

r e n eorialen Nervenstamm, kp = Xrebsparenchym; k z = Xrebszelle. Yergr. 2400.

an dem die Kennzeiehen der allgenieinen Sprossung zu beobachten sind, sehr feine nackte l~ervenfasern in jede Riehtung des Raumes herauswachsen, deren einige sehr weir laufen und in der Iqghe der Krebszellen frei enden (Abb. 4). Die l~orm der Endi- gung tier Nervenfasern bcsteht in einem ein wenig lgnglichem End- kSpfehen, welches allgemein in den mehrschiehtigen Epithelien auf- zufinden ist. Vor der Endigung sind Schlingenbi]dungen h~ufig, ein Urn- stand, der vielleicht mit dem raschen Wachsen im Zusammenhang steht. Die Nervenendigung liegt in der Regel ganz nahe an der Krebszellen- oberflgche, steht aber mit dem Zellkern in keinem Zusammenhang, wie dies Oertel meint, wenn er ~olgendes sagt: ,,Come in to most intimate contact with nuclei." Es ist ngmlich an den Prgparaten bei starker Vergr6Berung ganz deutlieh zu sehen, daft die 1Nervenfaser nicht einmal in den Zelleib eindringt und somit ganz nat~rlich mit dem Kern keines- falls in Verbindung stehen kann. DaB flbrigens zwisehen der Nerven- laser und dem Kern der Krebszelle keine unmittelbare Berfihrung vor- handen sein kann, erhellt aueh aus der Tatsache, dab eine derartige Ver-

Zei~schrift ffir X:rebsforschung. 49. Bd. 32

476 A. 2~brahAm: Uber die Innervation yon Carcinom.

bindung bisher aueh in den Epithelien nicht nachgewiesen werden konnte, ja sogar aueh noeh fraglieh ist, wo die intraepithelialen Nerven- fasern tatsgehlieh enden. Naeh meiner Meinung ist es aber bei der Be- urteilung unseres Problems iiberhaupt nieht wiehtig, ob die Nervem fasern in die Krebszelle hineindringen, oder aber an der Zelloberfl/~ehe frei enden, denn zur Ubertragung des Nervenreizes ist aueh eine ober~ fl/iehliehe Beriihrung vollkommen ausreiehend.

Zusammen]assung.

1. Wie das Stroma, so ist aueh das Parenehym der Krebsgesehwulst mi t Nervenfasern reiehlieh versehen.

2. Zwischen den Nervenfasern des Krebsparenchyms linden wir in groBer Anz~hl solche, die neue Auswiichse corialer Nervenst/~mme sind, da sie sichtbar aus den Nervenstgmmen hervorgehen.

3. Die Nervenfasern des Krebsparenehyms sind mit den Krebszellen eng verkniipft und enden zwisehen diesen frei mit EndkSpfehen.

4. D~ die Elemente des Krebsgewebes mit dem sympathischen, sowie auch mit dem zentralen Nervensystem in innigem Zusammen- hang stehen, ist es kaum zu bezweifeln, d~13 das Nervensystem auf die Entstehung und Entwieklung der Krebsgeschwulst einen entschiedenen Einflug hat.

Literaturverzeichnis. Abrahdm, A., ~ber die Nerven der Itundeschnauze, Archivio Zoologico

Italiano, vol. XVI. Padova 1930 - - Z. Zellforsch. 1~, H. 5. - - Oertel, Horst, C~nad. reed. Assoc. J. 18, Nr 2 (1928) - - J. of Path. 24 (1931).