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Pflügers Archiv, Bd. 268, S. 444--448 (1959)
Aus dem Physiologischen Institut der Tschechoslowakisehen Akademie der Wissenschaften, Prag, Tschechoslowakei
Über die Veränderungen in der Konzentration des Gehirnglykogens bei körperlicher Belastung
Von B. JAKOUBEK und D. SVORAD
(Eingegangen am 9. September 1958)
Wie bekann t , is t die körperliche Ans t r engung mi t einer Erschöpfung
der energetischen t~eserven des Organismus, besonders an Kohlen- hydra ten , ve rbunden . I n ihrem Verlauf t r i t t in den Muskeln, parenchy- matösen O r g a n e n u n d auch im Gehirn eine Verminderung des Blut- zuekergehaltes u n d eine Senkung der Glykogenkonzent ra t ion ein (siehe z. B. V~BA 1954, L~SCnXEwITscg 1951). Aus der unterschiedl ichen ~opo- graphischen Dis t r ihu t ion des Gehirnglykogens (CHEsLv.~ u. t t ~ W I C ~ 1943, FS~~IS u. I-II~wICH 1946, S~nWTZV u. KV~AMOTO 1952, SHnWIZV u. KV]~o 1957) u n d aus der funkt ione] len Spezialisierung einzelner Gehi rnabschni t te ließe sich schließen, daß die körperliche Ans t r engung den Glykogengehal t in allen Gehi rnabschn i t t en n ich t auf gleiche Weise beeinflußt. Aufgabe der vorl iegenden Arbei t ist es, diese V e r mu t ung zu bestgt igen oder zu widerlegen.
Methodik
Als Experimentalmodeil der körperlichen Anstrengung diente das Schwimmen der Ratten.
Nach mehrtägigem Training und 24stündigem Hungern (welchem wir die Versuehstiere ebenso wie die Kontrolltiere aussetzten) wurde auf die Dauer von 1--11 Std eine Periode des Schwimmens in Wasser von 30 ° C eingeschaltet. Nach der 1., 2., 5. und 11. Std wurden die Ratten brüsk durch Dekapitation in die flüssige Luft getötet.
Der Kopf wurde nach seiner Eutnahme aus der flüssigen Luft, in der er mindestens i min belassen worden war, in der Sagi~talnaht mit einem Meißel auf- gespalten und die Gewebsproben möglichst schnell mit einem Röhrchen von 4mm Durchmesser auspräpariert. Die Prgparationsröhre wurde bis zu einer markierten Standardtiefe von 1/2 mm in das Gewebe eingesenkt. Die Proben entstammten dem Parietallappen der Hirnrinde und bei den anderen Gehirnabsehnitten der medialen Fläche einer Hemisphäre. Beim DiencephMon war dies die rostral vom Fornix und dorsal vom Corpns callosum begrenzte Gegend. Die Stelle für die Entnahme aus dem Meseneephalon war eaudal durch eine an die Pars anterior eerebelli gelegte Tangente bgrenzt, die senkrecht auf die fronto-oeeipitMe Achse des Vorderhirns geführt wurde. Au dieser gedachten Tangente wurde der Hinter- rand des Präparationsröhrchens angesetzt und die Probe den rostral von dieser
Gehirnglykogen bei körperlicher Belastung 445
Tangente liegenden Partien entnommen. Die Proben aus dem Cerebellum sfammten aus der medialen Partie einer Hemisphäre, die Proben aus der Medulla oblongata aus den medialen Partien der Varolsbrücke.
Die Gewebsproben wurden nach Anspräparierung gewogen und in Eprou- ret ten mit 5 mm 3 30°/0ige KOtI eingebracht. Bei der Glykogenbestimmung hielten wir uns an die Methode nach K~R~ (1936) mit dem Unterschied, daß wir die reduzierenden Stoffe nach NELso~ (1944) ermittelten.
Ergebnisse
Aus der Tabel le i s t ersichtl ich, daß die Glykogenkonzen t ra t ion bei i n t a k t e n Tiefen in den einzelnen Geh i rnabschn i t t en verschieden ist, und zwar derar t , daß die höchste Konzen t r a t i on in der Medul la ob longa ta (etwa 140 mg-°/o) anzutreffen ist . Es folgen dann Mesencephalon u n d I)ienceiohalon m i t 130 mg-°/o und schließlich das Cerebellum, dessen Glykogenwer te mi t e twa 87 mg-°/o nur unmerk l i ch n iedr iger l iegen als bei der t t i rn r inde . E in s ta t i s t i sch s ignif ikanter Unte r sch ied bes teh t zwischen Hi rn r inde und Cerebel lum einerseits und Medul la ob longata , Mesencelohalon und Diencepha lon anderersei ts .
Tabelle. Mittelwert und mittlerer ~ehler der Glykogen~onzentration in den einzelnen Gehirnabschnitten nach verschieden lang dauerndem Schwimmen der l¢atten
Zahlen in Kursivdruck = Werte der Kontrollgruppe; () = Anzahl der Tiere bzw. der Glykogenbestimmungen
Glykogenkonzentration (mg/100 g Frischgewicht) nach dem Schwimmen
1 Std 2 Stcl 5 Stcl 11 S~d
Cõrtex 91,6 =6 7,2 4- 5,3 (9) 87,9 4- 6,8 (23) 92,3 i 7,1 (11) cerebri 72,1 ± 5,8 ± 6,1 (21) 69,4 ± 5,2 (¤7) 68,9 4- 8,6 (9)
Dience- 126,3 4- 6,4 4- 7,2 (11) 128,7 4- 9,5 (17) 129,9 4- 7,8 (10) 8,7 121,8 (7) lohalon 128,9 4- 8,1 ~: 6,9 (17) 119,1 4-4- (14) 4-11,2
Mesence- 132,7 4- 5,6 4- 8,1 (11) 1130,7 4- 5,9 (13) 133,2 4- 7,4 (10) lohalon 128,3 4- 7,8 ± 6,3 (16) 1102,8 4- 7,0 (14) 102,3 4- 6,6 (8)
Cere- 86,3 4- 5,7 i 8,3 89,6 4- 8,8 (11) bellum 89,2 4- 6,9 4- 9,2 59,1 4- 6,3 (9)
Medulla oblongata
142,1 4- 7,5 137,2 ± 8,3
(21) 88,4 (18) 67,7
(18) 129,2 (12) 123,5
(16) 133,9 (14) 124,4
(19) 85,5 (16) 87,8
(18) 139,8 (16) 115,7
4- 8,1 4- 6,0
(14) 88,2 4- õ,6 (12) (19) 62,7 ± 7,8 (16)
(12) 141,5 ± 9,3 (15) (18) 100,3 4-10,2 (15)
143,2 4- 7,8 (9) 101,6 4- 8,9 (8)
W ä h r e n d des Sehwimmens s inkt der Glykogengeha l t in al len Gehirn- a b s c h n i t t e n m i t Ausnahme des Diencephalons , und zwar a l lmähl ich. Berei ts nach eier 1. S td reagier t die Hi rn r inde m i t einer ve rminde r t en Glykogenkonzen t ra t ion , wobei sieh der Unte r sch ied m i t P < 0,05 an der Grenze der Signifikanz bewegt . Nach 2 s tünd igem Schwimmen t r i t t - - gleichfal ls an der Grenze der Signifikanz ( P < 0,05) - - eine Verminde- rung des Glykogengeha l t s auch in der ~ e d u l l a ob longata , nach 5 s tünd igem Schwimmen auch im Mesencephalon und im Cerebel lum ein, die m i t
446 B. JAKOUBEK und D. SvoRA»:
P < 0,01 bzw. P < 0,02 signifikant ist. Naoh l l s tündiger physischer Belastung ist das Bild der Glykogenkonzentration im wesentlichen über- einstimmend mit dem in den einzelnen Gehirnabsehnitten nach der 5. Std.
Besprechung Die Versuchsergebnisse lassen erkennen, dal~ bei intakten Rat ten die
geringsten Glykogenmengen in den phylogenetisch jüngsten Gehirn- partien, also in der l:[irnrinde und im neocerebellaren Teil des Cerebellums, anzutreffen sind, während phylogenetiseh ältere Teile des Hirnstammes signifikant mehr Glykogen enthalten. Unser Befund stimmt im wesent- lichen mit den von C~A~c~ (1950), C~A~¢CE u. Y~XL~V (1951) für Mäuse angeführten Werten fiberein, bestätigt aber nicht die Angaben von C~~sL~i~ u. HIMWlC~ (1943), wonach die Glykogenmenge im Gehirn von Katzen und t tunden in rostrocaudaler Richtung abnimmt.
V~B~ (1954) stellte fest, daß 11/2 Std nach Beginn der physischen Belastung der Glucosegehalt im Rattengehirn signifikant abnimmt. Zu diesem Zeitpunkt weist, wie unsere Versuche zeigen, bereits auch die Itirnrinde als erster Gehirnabschnitt eine verminderte Glykogenkonzen- tration auf. Das bedeutet, daß sieh bei körperlicher Arbeit ein Kohlen- hydratmangel im Gehirn unter den von uns untersuchten Abschnitten zuerst in der Hirnrinde gdtend macht. Auch bei der mit Insulin hervor- gerufenen Hypoglykämie kommt es zu einer Verminderung des Glykogen- gehalts im Neocortex, während die Werte im Hirnstamm fast unverändert bleiben (S~nvrlzv u. I~¢oLr~ 1952, ltlMWlC~ 1951).
Im ttinbliek auf das topographisch differenzierte Fortschreiten der Glykogenmobflisierung, welches ebenso während körperlicher Arbeit wie im Hunger zu beobachten ist (L~sc~~Ewi~sc~r 1951, KVMAMOTO 1953, I-IörxE~ 1954, HAm~ISO~ 1954), erscheint uns der Umstand besonders beachtenswert, daß das Glykogen der Hirnrinde am leichtesten mobfli- sierbar ist, während im Diencephalon der Glykogengehalt auch nach 11 Std noch nicht signifikant abnimmt. Nun stellt unter den von uns untersuchten Gewebsproben die Hirnrinde zweifellos denjenigen Gehirn- abschnitt dar, dessen Gehalt an grauer Substanz relativ am größten ist, während wir den entsprechenden Wert für das Diencephalon vermutlich als den niedrigsten ansehen dürfen. ~ a n könnte also vermuten, daß zwischen dem Gehalt an grauer Substanz und der 1V[obilisierbarkeit des Glykogens ein direktes Zugehörigkeitsverhältnis besteht. Auch die Er- gebnisse, welche wir mit den Gewebsproben aus dem Meseneephalon, der Medulla oblongata und dem Kleinhirn gewonnen haben, entsprechen in groben Umrissen dieser Annahme, und zwar besonders dann, wenn man berücksichtigt, daß die verschiedenen Typen von Nervenzellen in ihrem Glykogengehalt nicht miteinander übereinstimmen, sondern be- trächtliche Unterschiede erkennen lassen, wie dies SCHVB~L (1955)
Gehirnglykogen bei körperlicher Belastung 447
SIIIMIZU U. KUM~OTO (1952) und SCHX~A])ASC~ (1940) auf Grund von
Fi~rbungsversuehen angeben. Berücksichtigen wir den Verlauf der Glykogcnverminderung im
ganzen Gehirn, so führ t die körperliche Ans t rengung zum höchsten Gradient der Glykogenverminderung zwischen der 2. u n d 5. Std. Dieses Ergebnis ist in Übere ins t immung mi t dem Befund von LESCHKEWITSCtt (1951), die allerdings das Glykogen in den einzelnen Gehi rnabschni t t en global bes t immt hatte . Aus dem topographischen S tud ium geht hervor, dal3 sich dieser intensivere Abbau des Glykogens nu r im Geh i rns t amm abspielt , da in der Hi rur inde zu diesem Ze i tpunk t keine wesentlicheren Veränderungen in der Konzen t ra t ion des Glykogens mehr eintreten.
Zusammenfassung
Bei R a t t e n wurde im Verlauf des Schwimmens, das als Modell der körperl ichen Ans t rengung diente, das Glykogen in der Hirnr inde , im ]) iencephalon, Telencephalon, Cerebellum u n d in der Medulla oblongata bes t immt u n d festgestellt, daß die phylogenetisch jüngs ten Gehirn- abschni t te - - die I t i rn r inde u n d die t t emisphgren des Cerebellums - - die geringste Glykogenmenge enthal ten.
W ä h r e n d des Schwimmens t r i t t in allen Gehi rnabschni t t en bis auf das Dieneephalon eine Verminderung der Glykogenkonzent ra t ion ein. Diese Verminderung beg inn t in der t t i rnr inde . Ih r höchster Gradient liegt zwischen der 2. u n d 5. Std. Spiiter sind keine wesentl ichen Ver- ände rungen in der Konzen t r a t i on des Gehirnglykogens mehr zu ver-
zeichnen.
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Dr. med. et phfl. D. SVORAD, Physiol. Insti tut der Tscheehoslowakischen Akademie der Wissenschaften, Prag 6 / CSR, Na cviSi~ti 2