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Aus dem Inslilut fiir Experimentelle Medizin der University of Vermont. [:lber eine sympathikomimetische Substanz im Gehirn. Yon W. Raab, Barlington, Vermont, U. S. A. In alien Teilen des Gehirns von Siiugetieren nnd Menschen wurde das Vorhandensein einer sympathikomimefischen Substanz (,,Ence- ,phalin") festgestellt, deren bisher eruierte biologische and bio- chemisct~e Eigenschaften im Amer. J. Physiol. 152 (1948), 324--339, ,in extenso verSffentlicht worden sind. Die Wirkurrg kolorimetrisch (Methode yon Shaw) bestimmter Mengen von Encephalin auf den Blutdruck der atropinisierten Katze, auf den isolierten Kaninchen- darm sowie auf .den virginellen Uterus nnd auf die Pupille ,tier Katze ~ntspricht .den Wirkungen kolori~netrisch gleicher Mengen yon Adre- . ! ~aalin. Das isolierte Herz wird stimuliert. Durch Drbenamm wird die Blutdruckwirkung abgeschwftcht so wie die des Noradrenalins aber nicht umgekehrt wie die des Adrenalins. Wesentliche Unterschiede gegeniiber den bekannten sympathikomimetischen Katecholaminen bestehen darin, dat] ,die Blutdruckwirkung des EncephaIins durcb Kokain nicht verstdirkt wird, d'ag ~ ei-ne bedeutende Resistenz gegen Jod und Uttra~iolettbestrahIung besitzt und dab gew~.sse Abweichun- 9en hinsichtlich Adsorbabilit(it und Fluoreszenz vorhanden sind. -- Die yon HoItz im Gehirn aufgefundenen Mengen yon Adrenalin und Noradrenalin, die aus den sympathischen Fasern der Hirngef~iBe stammen diirften, betragen nut etwa ein Sechzigstel der Eneephalin- menge. Letzteres wird durch s~ure Dialyse, Lyophitisierung, Wa- sehung des aufgel6sten Troekenr'fickstandes mit Tierkohle und Kieselgur und Neutralisierung fiir biolog~sehe Auswertung gewonnen. Da die Extrakte 3 bi.s 10 mg Kalium per Gamma-~quivalent (kolori- metr.iseh) Encephalin enthalten, s~nd gr61]ere Dosen yon toxischen Kaliumwirkungen begleitet. Vers'uche, das Kalium zu beseifigen, waren nur teilweise erfolgreieh, da das labile Encephalin bei den betreffen- den Prozeduren weitgehen.d inaktiviert wurde. Der Verdaeht, die dem Eneephalin zugesehriebenen Wirkungen k6nnten etwa dutch den Kaliu:mgehalt der Extrakte bedingt sein, lieB sieh jedoeh dureh

Über eine sympathikomimetische Substanz im Gehirn

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Page 1: Über eine sympathikomimetische Substanz im Gehirn

Aus dem Inslilut fiir Experimentelle Medizin der University of Vermont.

[:lber eine sympathikomimetische Substanz im Gehirn.

Yon

W. Raab, Barlington, Vermont, U. S. A.

In alien Teilen des Gehirns von Siiugetieren nnd Menschen wurde das Vorhandensein einer sympathikomimefischen Substanz (,,Ence- ,phalin") festgestellt, deren bisher eruierte biologische and bio- chemisct~e Eigenschaften im Amer. J. Physiol. 152 (1948), 324--339, ,in extenso verSffentlicht worden sind. Die Wirkurrg kolorimetrisch (Methode yon Shaw) bestimmter Mengen von Encephalin auf den Blutdruck der atropinisierten Katze, auf den isolierten Kaninchen- darm sowie auf .den virginellen Uterus nnd auf die Pupille ,tier Katze ~ntspricht .den Wirkungen kolori~netrisch gleicher Mengen yon Adre-

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~aalin. Das isolierte Herz wird stimuliert. Durch Drbenamm wird die Blutdruckwirkung abgeschwftcht so wie die des Noradrenalins aber nicht umgekehrt wie die des Adrenalins. Wesentliche Unterschiede gegeniiber den bekannten sympathikomimetischen Katecholaminen bestehen darin, dat] ,die Blutdruckwirkung des EncephaIins durcb Kokain nicht verstdirkt wird, d'ag ~ ei-ne bedeutende Resistenz gegen Jod und Uttra~iolettbestrahIung besitzt und dab gew~.sse Abweichun- 9en hinsichtlich Adsorbabilit(it und Fluoreszenz vorhanden sind. - - Die yon HoItz im Gehirn aufgefundenen Mengen yon Adrenalin und Noradrenalin, die aus den sympathischen Fasern der Hirngef~iBe stammen diirften, betragen nut etwa ein Sechzigstel der Eneephalin- menge. Letzteres wird durch s~ure Dialyse, Lyophitisierung, Wa- sehung des aufgel6sten Troekenr'fickstandes mit Tierkohle und Kieselgur und Neutralisierung fiir biolog~sehe Auswertung gewonnen. Da die Extrakte 3 bi.s 10 mg Kalium per Gamma-~quivalent (kolori- metr.iseh) Encephalin enthalten, s~nd gr61]ere Dosen yon toxischen Kaliumwirkungen begleitet. Vers'uche, das Kalium zu beseifigen, waren nur teilweise erfolgreieh, da das labile Encephalin bei den betreffen- den Prozeduren weitgehen.d inaktiviert wurde. Der Verdaeht, die dem Eneephalin zugesehriebenen Wirkungen k6nnten etwa dutch den Kaliu:mgehalt der Extrakte bedingt sein, lieB sieh jedoeh dureh

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Modellversuche mit Kalium widerlegen. Anderseits trffft auch die von Holtz ausgesprochene Vermutung einer Identit~[t des Eucephalius mit Tgramin nicht zu, da Tyramin nicht die Farbreaktionen des Ence- phalins gibt und eine sowohl qualitativ als quantitativ andersgeartete Wirkung auf den Blutdruck ausfibt.

Der Verteilungstypus des Encephalins ~m tierischen (Hund, Rind, $chwein, Affe) und meuschlichen Gehirn ist grunds~tzlich derselbe, indem die h6chsten Konzentrafionen in den Stammganglien (Nucleus caudatus) gefunden wurden, gefolgt vom Cor'tex und Thalamus, w~hrend die weil]e Substanz die kleinsten Mel~gen enth~lk Der Ge- samtgehalt des menschlichen Gehirns an Encephalin betr~,gt un- geffihr 1 bis 2 rag. Beim Neugeborenen ist die Konzentration etwas h6her als beina Erwachsenen. Im Nucleus cau.datus yon Stieren finder sich bedeuter~d ~mehr En.cephalin als in dem yon Kfihen. - - Der ~menschliche Zisternenliquor enthfilt ungef~[hr doppelt so viel Ence- phalin als der Lumballiquor. - - Ein Unterschied der Gesamtmenge .des Encephalins un'd seines Verte~l'ungstypus zwis.che~ 16 ,,normalen" und 11 ,,psychotischen" menschlichen Gehirnen war n~cht nachweis- bar, doch wfire es verfrfiht, hier .definitive Schlu~folgerungen z,u ziehen.

Unter den folge~den experimentellen Bed~ngungen erwies sich 4er Encephalingehalt des Rattenhirns (fiber 600 Versuche) als bemerkens- wert konMant und unbeeinflu~bar: Injektion von Adrenalin, Nor- adrenalin, Oxytyramin, Acetylch.o!in, Thyroxin un,d Ins'ulin; Adrenal- ektomie, Hypophysekto,mie; ferner ~nj.ekfioner~ von Nembutal, Mor- phium, Benzedrin, Strychnin, Kardiazol; Einwirkung von Gleich- Und Wechselstr.om auf das Gebirn; Erregung dutch stundenlanges Aufbinden auf .den R'fieken; Kfilteeinwirkung, erniedrigter Sauersloff- druck und sfickstofffreie Ern~hrung. Nur die Injektion v.on D~oxy- phenylalanin (Dopa) war von einer bis zu zwei Stunden anhalteuden hochgradigen Steigerung der kolorimetrischen Werte gefolgt, vonder jedoch noch nicht feststeht, ob es sich um eine blol].e Ablagerung des ebenfalls chromogenen Dopa od.er aber um eine ~ntracerebrale Um- wandlung in Encephalin handelt.

Bezfiglich der physiologis.chen Bedeutung des Encephalins ftir den Stoffwechsel und die Funkfion des Gehirns kSnnen vor l~f ig nut Vermutungen ge~ut]ert werden. Dutch seine Verwandtschaft mit Adrenalin (es dfirfte s'ich um einen Benzolring mit zwei oder mehr .frei.en Hydroxylgruppen in Orthostellung handeln) scheint das En- cephal:in zum Regulator des im Gehirn vorherrschendeu Kohlehydrat- stoffwechsels pr~destiniert zu sein; .die Anatogien des Elektroence- phalogramms bei dem psychischen Proze~ der Aufmerks:amke~t einerseits und nach Adrenalinzufuhr anderseits (Gibbs) kSnnten in

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iihnlicher Ri.ehtung weisen und die psychomotorisehe Hyperaktivitiit bzw. der Torpor bei Hyperthyreoidismus ~nd Myx6dem erinnern an die bekannte Po.ter~zier'ung bzw. Absehwiiehung der kardiovas,kuliiren adrenergisehen ~vVirkLmgen d.ureh Thyroxin bzw. Thyreoidekto=mie. Jeden.falls ist es kaum vo.rstellbar, .dab eine biologiseh so wirksame Substanz wie das Encephalirt ffir die eerebralen Funktionen ohne fundamentale Bedeutung sein sollte. Weitere Untersuehungen, aueh t~eziigtieh etwaiger Weehselwirkungen mit den eerebralen Aeetyl- ehotinvo.rriitert, werden vielleieht neue Ausblieke auf das Gebiet der Psyehoehemie erSffnen.

Das von Dr. Th. H. Schiebler, Kiel, gehaltene Referat W. Barg- mann, W. Hild, R. Or tmann und Th. H. Schiebler: ,,Morphologische und experimentelle Untersuchungen fiber das hypothalamisch- hypophys~ire System" entfiillt hier, da es bereits als selbstfindiger Beitrag in Bd. I, Heft 3--4, dieser Zeitschrift verSffentlicht worden ist.